In diesem Kapitel werden bedeutsame didaktisch-methodische Aspekte des geplanten Projektes theoretisch aufgearbeitet und dargestellt. Zunächst wird der mathematische Inhaltsbereich unter Bezugnahme der Bildungsstandards für das Fach Mathematik beschrieben. An den in den Bildungsstandards erläuterten fachbezogenen Kompetenzen orientiert sich die konzeptionelle Ausrichtung des geplanten Unterrichtsvorhabens. Danach wird die rahmengebende Unterrichtsmethode, das Unterrichtsprojekt, unter besonderer Berücksichtigung der Merkmale des kooperativen und selbstregulierten Lernens erläutert. Anschließend wird auf Besonderheiten im Hinblick auf Projekte im Mathematikunterricht eingegangen. Zum Abschluss dieses Kapitels werden Videos im Unterricht als weiteres grundlegendes Element des Unterrichtsprojekts thematisiert. Dazu werden sowohl die Rezeption als auch die Erstellung von Videos in Bezug auf deren Lernwirksamkeit im Bildungskontext dargestellt.

4.1 Mathematischer Inhalt – Kompetenzorientierung

Unterricht sollte „in Wechselbeziehung von Ziel-, und Inhalts- und Methodenentscheidungen geplant und bewertet werden“ (Weigand, 2018, S. 1). Ausgehend von dieser Prämisse werden Lernziele in der aktuellen Lehr- und Lernausrichtung unter besonderer Berücksichtigung des Lernens (Output-Steuerung) und weniger hinsichtlich des Lehrens (Input-Steuerung), wie bis vor der Jahrtausendwende, formuliert. Die Kompetenzorientierung leitet sich aus dieser Sichtweise ab und bezieht sich dabei auf eine unterrichtliche Ausrichtung im Hinblick auf die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche von einzelnen SchülerInnen bezüglich eines fachlichen Inhaltsbereichs und fachbezogenen Handlungen sowie in Abhängigkeit von der Jahrgangsstufe entwickelt werden sollen (vgl. Weigand, 2018). Diese Kompetenzorientierung findet sich in Bildungsstandards und entsprechend in den Lehrplänen der Bundesländer wieder.

Im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003 werden spezifische Bildungsstandards für das Fach Mathematik für den Mittleren Abschluss der Sekundarstufe I herausgestellt. Im Mittelpunkt dieser Bildungsstandards stehen mathematische Bildungsziele, die sich aus allgemeinen fachbezogenen Kompetenzen zusammensetzen und im Verbund mit zentralen mathematischen Inhalten, den sogenannten Leitideen, und abgestuften Anforderungsbereichen formuliert sind (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2004)Footnote 1. Die Bildungsstandards bilden damit eine allgemeingültige, fachbezogene Grundlage für eine differenzierte Ausformulierung der Kernlehrpläne auf Länderebene.

Im Fach Mathematik soll der Allgemeinbildungsauftrag des Unterrichts der Sekundarstufe I, durch folgende Grunderfahrungen ermöglicht werden (KMK, 2004, S. 6):

  • Technische, natürliche, soziale und kulturelle Erscheinungen und Vorgänge mit Hilfe der Mathematik wahrnehmen, verstehen und unter Nutzung mathematischer Gesichtspunkte beurteilen (G1),

  • Mathematik mit ihrer Sprache, ihren Symbolen, Bildern und Formeln in der Bedeutung für die Beschreibung und Bearbeitung von Aufgaben und Problemen inner- und außerhalb der Mathematik kennen und begreifen (G2),

  • in Bearbeitung von Fragen und Problemen mit mathematischen Mitteln allgemeine Problemlösefähigkeit erwerben (G3).

Im Kernlehrplan Mathematik für die Sekundarstufe I in NRW werden diese Grunderfahrungen aufgegriffen und spezifiziert. Die Schülerinnen und Schüler sollen demnach die Fähigkeiten zur „Bewältigung der Anforderungen in der digitalen Welt, in Wirtschaft und Politik und des gesellschaftlichen Alltags“ (MfSB, 2019, S. 8 f.) erlangen und die Mathematik als „kulturelle Errungenschaft“ (MfSB, 2019, S. 9) und „globales Kulturgut“ (MfSB, 2019, S. 9) erfahren.

Mathematische Kompetenzen, Leitideen und Anforderungsbereiche

In diesem Abschnitt werden die allgemeinen mathematischen sowie inhaltsbezogenen Kompetenzen, die Leitideen und entsprechende Anforderungsbereiche, an denen sich die konzeptionelle Ausrichtung des geplanten Unterrichtsvorhabens orientiert, dargestellt.

  1. (1)

    Allgemeine (prozessbezogene) mathematische Kompetenzen

Die allgemeinen prozessbezogenen Kompetenzen im Fach Mathematik sind im Hinblick auf alle Ebenen mathematischen Arbeitens relevant. Sie sind in sechs Kompetenzbereiche unterteilt (KMK, 2004, S. 8 f.).

(K1) Mathematisch argumentieren

  • Fragen stellen, die für die Mathematik charakteristisch sind („Gibt es…?“, „Wie verändert sich…?“, „Ist das immer so…?“) und Vermutungen begründet äußern,

  • mathematische Argumentationen entwickeln (wie Erläuterungen, Begründungen, Beweise),

  • Lösungswege beschreiben und begründen.

(K2) Probleme mathematisch lösen

  • vorgegebene und selbst formulierte Probleme bearbeiten,

  • geeignete heuristische Hilfsmittel, Strategien und Prinzipien zum Problemlösen auswählen und anwenden,

  • die Plausibilität der Ergebnisse überprüfen sowie das Finden von Lösungsideen und die Lösungswege reflektieren.

(K3) Mathematisch modellieren

  • den Bereich oder die Situation, die modelliert werden soll, in mathematische Begriffe, Strukturen und Relationen übersetzen,

  • in dem jeweiligen mathematischen Modell arbeiten,

  • Ergebnisse in dem entsprechenden Bereich oder der entsprechenden Situation interpretieren und prüfen.

(K4) Mathematische Darstellungen verwenden

  • verschiedene Formen der Darstellung von mathematischen Objekten und Situationen anwenden, interpretieren und unterscheiden,

  • Beziehungen zwischen Darstellungsformen erkennen,

  • unterschiedliche Darstellungsformen je nach Situation und Zweck auswählen und zwischen ihnen wechseln.

(K5) Mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik umgehen

  • mit Variablen, Termen, Gleichungen, Funktionen, Diagrammen, Tabellen arbeiten,

  • symbolische und formale Sprache in natürliche Sprache übersetzen und umgekehrt,

  • Lösungs- und Kontrollverfahren ausführen,

  • mathematische Werkzeuge (wie Formelsammlungen, Taschenrechner, Software) sinnvoll und verständig einsetzen.

(K6) Kommunizieren

  • Überlegungen, Lösungswege bzw. Ergebnisse dokumentieren, verständlich darstellen und präsentieren, auch unter Nutzung geeigneter Medien,

  • die Fachsprache adressatengerecht verwenden,

  • Äußerungen von anderen und Texte zu mathematischen Inhalten verstehen und überprüfen.

  1. (2)

    Inhaltsbezogene mathematische Kompetenzen – Leitideen

Die Entwicklung der allgemeinen mathematischen Kompetenzen erfolgt stets in Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten. In den Bildungsstandards sind die Inhalte in die Leitideen Zahl, Messen, Raum und Form, Funktionaler Zusammenhang sowie Daten und Zufall unterteilt (KMK, 2004, S. 9). Für diese Arbeit relevant sind die Leitideen Raum und Form sowie Messen. Im Folgenden werden die inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen dieser Leitideen dargestellt (KMK, 2004, S. 10 f.):

(L 2) Leitidee Messen. Die Schülerinnen und Schüler…

  • nutzen das Grundprinzip des Messens, insbesondere bei der Längen-, Flächen- und Volumenmessung, auch in Naturwissenschaften und in anderen Bereichen,

  • wählen Einheiten von Größen situationsgerecht aus (insbesondere für Zeit, Masse, Geld, Länge, Fläche, Volumen und Winkel),

  • schätzen Größen mit Hilfe von Vorstellungen über geeignete Repräsentanten,

  • berechnen Flächeninhalt und Umfang von Rechteck, Dreieck und Kreis sowie daraus zusammengesetzten Figuren,

  • berechnen Volumen und Oberflächeninhalt von Prisma, Pyramide, Zylinder, Kegel und Kugel sowie daraus zusammengesetzten Körpern,

  • berechnen Streckenlängen und Winkelgrößen, auch unter Nutzung von trigonometrischen Beziehungen und Ähnlichkeitsbeziehungen,

  • nehmen in ihrer Umwelt gezielt Messungen vor, entnehmen Maßangaben aus Quellenmaterial, führen damit Berechnungen durch und bewerten die Ergebnisse sowie den gewählten Weg in Bezug auf die Sachsituation.

(L 3) Leitidee Raum und Form. Die Schülerinnen und Schüler…

  • erkennen und beschreiben geometrische Strukturen in der Umwelt,

  • operieren gedanklich mit Strecken, Flächen und Körpern,

  • stellen geometrische Figuren im kartesischen Koordinatensystem dar,

  • stellen Körper (z. B. als Netz, Schrägbild oder Modell) dar und erkennen Körper aus ihren entsprechenden Darstellungen,

  • analysieren und klassifizieren geometrische Objekte der Ebene und des Raumes,

  • beschreiben und begründen Eigenschaften und Beziehungen geometrischer Objekte (wie Symmetrie, Kongruenz, Ähnlichkeit, Lagebeziehungen) und nutzen diese im Rahmen des Problemlösens zur Analyse von Sachzusammenhängen,

  • wenden Sätze der ebenen Geometrie bei Konstruktionen, Berechnungen und Beweisen an, insbesondere den Satz des Pythagoras und den Satz des Thales,

  • zeichnen und konstruieren geometrische Figuren unter Verwendung angemessener Hilfsmittel wie Zirkel, Lineal, Geodreieck oder dynamische Geometriesoftware,

  • untersuchen Fragen der Lösbarkeit und Lösungsvielfalt von Konstruktionsaufgaben und formulieren diesbezüglich Aussagen,

  • setzen geeignete Hilfsmittel beim explorativen Arbeiten und Problemlösen ein.

  1. (3)

    Anforderungsbereiche

Im Hinblick auf den Anspruch und die kognitive Komplexität lassen sich die allgemeinen mathematischen Kompetenzen in drei Ausprägungen entsprechend der Anforderungen der jeweiligen mathematischen Aufgabe bzw. Aktivität einstufen: Reproduzieren, Zusammenhänge herstellen sowie Verallgemeinern und Reflektieren. Diese Anforderungsbereiche beziehen sich auf alle allgemeinen mathematischen Kompetenzen und sind in den Bildungsstandards folgendermaßen definiert (KMK, 2004, S. 13):

Anforderungsbereich I: Reproduzieren

Dieser Anforderungsbereich umfasst die Wiedergabe und direkte Anwendung von grundlegenden Begriffen, Sätzen und Verfahren in einem abgegrenzten Gebiet und einem wiederholenden Zusammenhang.

Anforderungsbereich II: Zusammenhänge herstellen

Dieser Anforderungsbereich umfasst das Bearbeiten bekannter Sachverhalte, indem Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten verknüpft werden, die in der Auseinandersetzung mit Mathematik auf verschiedenen Gebieten erworben wurden.

Anforderungsbereich III: Verallgemeinern und Reflektieren

Dieser Anforderungsbereich umfasst das Bearbeiten komplexer Gegebenheiten u. a. mit dem Ziel, zu eigenen Problemformulierungen, Lösungen, Begründungen, Folgerungen, Interpretationen oder Wertungen zu gelangen.

Eine differenzierte Darstellung der Anforderungsbereiche hinsichtlich der allgemeinen mathematischen Kompetenzen wird in den Bildungsstandards (KMK, 2004, S. 16 ff) aufgeführt.

4.2 Projekte im Unterricht

In diesem Abschnitt werden Projekte im Unterricht als theoretisches Rahmenkonzept des dieser Arbeit zugrundeliegenden Unterrichtsarrangements näher beleuchtet. Zunächst werden der Projektbegriff unter Bezugnahme seiner unterschiedlichen Ausrichtungen und grundlegenden Strukturen erläutert und verschiedene Phasenmodelle zur Gliederung von Unterrichtsprojekten vorgestellt. Anschließend werden bedeutsame Aspekte von Projekten im Unterricht hinsichtlich ihrer Lernwirksamkeit aufgezeigt und speziell auf Projekte im Fach Mathematik eingegangen.

4.2.1 Begriffserklärung

In dieser Arbeit werden Unterrichtsprojekte als Unterrichtsform aufgefasst, in welcher SchülerInnen über einen definierten Zeitraum eine Aufgabenstellung gemeinschaftlich, selbstständig und handlungsorientiert bearbeiten, wobei die Handlungen auf ein sichtbares Produkt ausgerichtet sind. Diese Arbeitsdefinition setzt sich aus verschiedenen theoriebasierten Ansätzen zur Unterrichtsform Projekt zusammen. Der begriffliche Ursprung vom Lateinischen proiectum (substantiviertes 2. Partizip von: proicere), auf Deutsch „das nach vorn Geworfene“ (Dudenredaktion, o. D.), deutet auf die zielgerichtete Planung als konstituierendes Merkmal von Projekten hin. Frey (2010) beschreibt diesbezüglich: „Es geht um die Planung eines in Aussicht genommenen Unterrichts. Oder genauer: um die Entwicklung von Unterricht durch die Beteiligten“ (Frey, 2010, S. 14).

Der Begriff Projekt lässt sich aufgrund seiner facettenreichen Konzeptansätze schwer allgemein definieren. Projekte im Unterricht werden, je nach AutorIn, beispielsweise als Projektunterricht, Projektarbeit oder Projektmethode bezeichnet. Diese begriffliche Unschärfe folgt aus der Komplexität der zugrundeliegenden Lernhandlungen, dem weiten Spektrum an Anwendungskontexten und den unterschiedlichen Untersuchungs- und Anwendungsschwerpunkten (vgl. Wasmann-Frahm, 2008). Verschiedene AutorInnen haben die Begrifflichkeiten hinsichtlich historisch gewachsener, den Begriffen zugrundeliegenden Philosophien und den entsprechend unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen expliziert.

Der Begriff Projektunterricht, der oftmals auch mit Projektpädagogik und -didaktik gleichgesetzt wird, betont, insbesondere aus historischer Perspektive, die gesellschaftlich-politische Grundintention einer demokratischen Handlungsweise, in welcher Lernen nicht durch Belehrung, sondern durch Erfahrung geprägt ist (vgl. Zapf, 2015). Für Frey (2010) ist dieser Begriff eng mit dem institutionell organisierten Unterricht verknüpft und grenzt diesen dahingehend vom Begriff der Projektmethode ab.

Frey (2010) sieht sich der amerikanischen Tradition verbunden und verwendet den Begriff Projektmethode als methodische Grundform. Er meint damit „den Weg, den Lehrende und Lernende gehen, wenn sie sich bilden wollen“ (Frey, 2010, S. 15). Das Konzept der Projektmethode kann mit beliebigen Inhalten kombiniert werden. „Die Projektmethode ist ein Weg zur Bildung. Sie ist eine Form der lernenden Betätigung, die bildend wirkt“ (Frey, 2010, S. 14). Die Lernenden befassen sich demnach mit einem Betätigungsgebiet, verständigen sich in Bezug auf ihre Handlungen bzw. Betätigungen und führen diese Handlungen dann aus, wobei abschließend ein Produkt entsteht. Die Projektmethode ist dabei im Sinne eines allgemeinen Bildungsverständnisses nicht auf schulischen Unterricht beschränkt, sondern findet darüber hinaus beispielsweise im Kontext außerschulischer Jugendarbeit oder beruflicher Weiterbildung Anwendung.

4.2.2 Phasenmodelle von Unterrichtsprojekten

Um Unterrichtsprojekte konkret zu beschreiben, werden oftmals Phasenmodelle genutzt. Der Verlauf eines Projekts setzt sich demnach meist aus mehreren Phasen des Planens, Durchführens und Bewertens zusammen (vgl. Wasmann-Frahm, 2008). Diese Verlaufsstruktur lässt sich, in Anlehnung an Deweys „Methode des Denkens“ (Dewey, 1993, S. 218), beispielsweise bei Gudjons (2014) und Frey (2010), erkennen.

Es sind folgende: erstens, daß [sic] der Schüler eine wirkliche, für den Erwerb von Erfahrung geeignete Sachlage vor sich hat – daß [sic] eine zusammenhängende Tätigkeit vorhanden ist, an der er um ihrer selbst willen interessiert ist; zweitens: daß [sic] in dieser Sachlage ein echtes Problem erwächst und damit eine Anregung zum Denken; drittens: daß [sic] er das nötige Wissen besitzt und die notwendigen Beobachtungen anstellt, um das Problem zu behandeln; viertens: daß [sic] er auf mögliche Lösungen verfällt und verpflichtet ist, sie in geordneter Weise zu entwickeln; fünftens: daß [sic] er die Möglichkeit und die Gelegenheit hat, seine Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben, ihren Sinn zu klären und ihren Wert selbständig zu entdecken“ (Dewey, 1993, S. 218).

Die Stufen des Denkvorgangs werden als eine sinnvolle Schrittfolge von bildenden Erfahrungen im Unterricht aufgefasst und geben nach Zapf (2015) in gegenwärtigen Projektkonzeptionen oftmals grob die Phasen des Projektverlaufs vor. Gudjons (2014) orientiert sich in seiner Projektkonzeption an diesem Verlauf. Projektarbeit wird dabei als handlungsorientiertes Unterrichtskonzept aufgefasst. Im Projektverlauf werden dabei vier Phasen von den Lernenden durchschritten (Gudjons, 2014, S. 79 ff):

Projektschritt 1

Eine für den Erwerb von Erfahrungen geeignete, problemhaltige Sachlage auswählen.

Projektschritt 2

Gemeinsam einen Plan zur Problemlösung entwickeln.

Projektschritt 3

Sich mit dem Problem handlungsorientiert auseinandersetzen.

Projektschritt 4

Die erarbeitete Problemlösung an der Wirklichkeit überprüfen.

Das Konzept der Projektmethode nach Frey (2010) setzt sich hingegen aus sieben Komponenten zusammen, welche den Projektverlauf gliedern, wobei fünf dieser Komponenten (1–5) chronologisch angeordnet und zwei Komponenten (6, 7) flexibel in das Projekt einzubetten sind. Im Folgenden werden diese Projektkomponenten, an denen sich das zu untersuchende Projektvorhaben orientiert, kurz aufgeführt (Frey, 2010, S. 64 ff).

Komponente 1

Projektinitiative: Eine Projektidee wird von einem Mitglied der Lerngruppe geäußert.

Komponente 2

Auseinandersetzung mit der Projektinitiative in einem vorher vereinbarten Rahmen: Diese resultiert in einer Projektskizze. Ein Betätigungsvorschlag wird auf Grundlage der ersten Idee diskutiert und konkretisiert.

Komponente 3

Gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes: Diese mündet in der Erstellung eines Projektplans. Konkretisierung der Vorschläge und Festlegung des konkreten Vorgehens.

Komponente 4

Verstärkte Aktivitäten im Betätigungsgebiet: Projektdurchführung. Umsetzung des Projektplans.

Komponente 5

Abschluss des Projekts. Dieser kann als ein bewusster Abschluss (Veröffentlichung), Evaluation (Rückkopplung zur Projektinitiative) oder ein Auslaufenlassen initiiert werden.

Komponente 6

Fixpunkte dienen als Schaltstelle des gegenseitigen Informationsaustauschs hinsichtlich der Organisation der Arbeitsschritte.

Komponente 7

Metainteraktionen oder Zwischengespräche dienen der Reflexion von Gruppenprozessen vor dem Hintergrund gemeinsamer Vereinbarungen oder gruppeninterner Probleme.

4.2.3 Projektmerkmale – kooperatives und selbstreguliertes Lernen

Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben, wird ein Projekt in dieser Arbeit als Unterrichtsform aufgefasst, in welcher die Lernenden gemeinschaftlich, selbstständig und handlungsorientiert arbeiten (vgl. Wasmann-Frahm, 2008). In diesem Abschnitt wird diese Arbeitsdefinition näher betrachtet, indem konstituierende Elemente des Lernens in und mit Projekten dargestellt und in Beziehung gesetzt werden. Hinsichtlich eines so komplexen Unterrichtsvorhabens können allerdings nicht alle Aspekte und lerntheoretischen Interaktionseffekte aufgezeigt werden, sodass sich in der folgenden Analyse auf zwei für diese Arbeit zentrale Merkmale beschränkt wird, das kooperative und das selbstregulierte Lernen.

Kooperatives Lernen

Projekte im schulischen Rahmen sind zumeist durch gemeinschaftliche Lernarrangements geprägt (vgl. Wasmann-Frahm, 2008). Dahingehend bildet das kooperative Lernen ein bedeutsames Element dieser Unterrichtsmethode.

Der Begriff des kooperativen Lernens beschreibt eine Organisation von Unterricht und fasst verschiedene Formen des Zusammenarbeitens zur Entwicklung von Wissen und Fähigkeiten von SchülerInnen zusammen (vgl. Berger & Walpuski, 2018). Zentrale Merkmale dieser Lernform sind dabei kleine Gruppen, die im hohen Maß interagieren, gegenseitige Unterstützung der Gruppenmitglieder und das Verfolgen eines gemeinsamen Ziels (vgl. Renkl & Beisiegel, 2003). Befördert der individuelle Erfolg der einzelnen Gruppenmitglieder den Gruppenerfolg, wird dieses als positive Interdependenz bezeichnet. Wenn die Gruppenmitglieder jedoch in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen, handelt es sich zwar um arbeitsteilige Gruppenarbeit, ein zentrales Merkmal des kooperativen Lernens, die gegenseitige Unterstützung, bleibt allerdings aus. In diesem Fall wird von negativer Interdependenz gesprochen (vgl. Deutsch, 1949).

Für die erfolgreiche Umsetzung von kooperativem Lernen sind, neben den zentralen Merkmalen, auch die Rahmenbedingungen entscheidend. Die Lehrkraft hat dahingehend eine bedeutsame Funktion. Sie organisiert die Gestaltung des Lernarrangements und stellt somit den unterrichtlichen Rahmen bereit, möglichst ohne die Gruppen jedoch direkt zu beaufsichtigen oder Gruppenprozesse zu lenken (vgl. Krammer, 2009; Röllecke, 2006). Auch die Gruppengröße hat Einfluss auf die Lernprozesse in kooperativen Lernarrangements. So sollen die Gruppen möglichst klein sein, um allen Gruppenmitgliedern die Möglichkeit zu geben, sich an der kollaborativen Bearbeitung der Aufgaben zu beteiligen (vgl. Cohen, 1994; Röllecke, 2006).

Kooperative Lernarrangements wirken im Vergleich zum individuellen Lernen, insbesondere in Unterrichtssituationen mit komplexen und offenen Aufgabenstellungen sowie anspruchsvollen Lernzielen, wie der Vernetzung von Wissen oder dem Erwerb von Transferfähigkeiten, lernförderlich (vgl. Berger & Walpuski, 2018; Springer, Stanne & Donovan, 1999; Wodzinski, 2004). Die SchülerInnen werden dazu veranlasst, in Auseinandersetzung mit dem Thema Gedanken verständlich zu versprachlichen und inhaltsbezogen zu argumentieren. Auf Grundlage dieser gruppeninternen kognitiv aktivierenden Fragen und Erklärungen wird Elaboration sowohl bezüglich der Fragenden als auch der erklärenden Gruppenmitglieder gefördert (vgl. Springer et al., 1999). Darüber hinaus wird das soziale Lernen im Sinne von gruppenbezogenen Auseinandersetzungen, Konfliktmanagement, konstruktivem Feedback und dem Einnehmen neuer Perspektiven gefördert (vgl. Wasman-Frahm, 2008).

Neben den sozialen und fachlichen Lernprozessen innerhalb der Lerngruppen beinhalten Unterrichtsprojekte in kooperativen Lernarrangements auch Austausch zwischen den Gruppen und entsprechend Lernen von anderen Gruppen. „Die Gruppen müssen eine Präsentation ihrer Lernergebnisse bieten, die interesseauslösend, verständlich und der Wissensintegration förderlich auf die anderen Projektteilnehmer wirkt“ (Wasmann-Frahm, 2008, S. 45).

Die Wirksamkeit von kooperativen Lernarrangements bezieht sich jedoch nicht nur auf kognitive und metakognitive Prozesse des Lernens, sondern auch auf motivational-affektive. In Kapitel 3.2.4 wurde bereits hinsichtlich einer emotions- und motivationsförderlichen Gestaltung der Lernumgebung näher auf die Wirkung kooperativen Lernens eingegangen.

Selbstreguliertes Lernen

Das selbstregulierte Lernen wurde im Hinblick auf affektive und motivationale Wirkmechanismen und entsprechend dessen enger Verbindung zum psychologischen Grundbedürfnis der Selbstbestimmung bzw. Autonomie (vgl. Deci & Ryan, 1985, 1993) in Kapitel 3.2.1 beschrieben. In diesem Abschnitt werden charakteristische Eigenschaften des selbstregulierten Lernens und dessen Lernwirksamkeit näher erläutert sowie Fördermöglichkeiten durch die Einbettung dieser Lernform in Projekten dargestellt.

In einer Gesellschaft, die durch beschleunigte Entwicklungsprozesse geprägt ist, kann die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen und selbstregulierten Lernen als eine Schlüsselqualifikation betrachtet werden. Daraus abgeleitet bildet die Förderung des selbstregulierten Lernens eine zentrale Aufgabe von Bildung und Erziehung (vgl. Deing, 2019). Ein Blick in die Fachliteratur eröffnet eine Vielzahl verwandter Begriffe wie selbstgesteuertes Lernen, selbstbestimmtes Lernen, selbstorganisiertes oder autonomes Lernen, die oftmals synonym, je nach Schwerpunktsetzung allerdings auch sehr unterschiedlich, genutzt werden. Diese Begrifflichkeiten beschreiben im Allgemeinen die eigenständige Steuerung bzw. Regulierung des eigenen Lernverhaltens mithilfe verschiedener Lernstrategien (vgl. Perels, Dörrenbächer-Ulrich, Landmann, Otto, Schnick-Vollmer, & Schmit, 2020). In der Definition von Schiefele und Pekrun (1996), die insbesondere die eigenständige Initiierung von Selbststeuerungsmaßnahmen und den motivationalen Einfluss betont, wird selbstreguliertes Lernen folgendermaßen aufgefasst:

Selbstreguliertes Lernen ist eine Form des Lernens, bei der die Person in Abhängigkeit von der Art ihrer Lernmotivation selbstbestimmt eine oder mehrere Selbststeuerungsmaßnahmen (kognitiver, metakognitiver, volitionaler oder verhaltensmäßiger Art) ergreift und den Fortgang des Lernprozesses selbst überwacht“ (Schiefele & Pekrun, 1996, S. 258).

Aus einer Vielzahl an verschiedenen Definitionen und unterschiedlichen Charakterisierungen selbstregulierten Lernens können nach Perels und Kollegen (2020) drei elementare Komponenten abgeleitet werden. Die kognitive Komponente bezieht sich auf konzeptionelles und strategisches (Vor-)Wissen sowie die Fähigkeit, kognitive, metakognitive und ressourcenorientierte Lernstrategien anzuwenden (vgl. Friedrich und Mandl, 1997; Perels et al., 2020). Die metakognitive Komponente umfasst die Planung und Überwachung der Lernhandlung sowie die Regulation bzw. adaptive Anpassung des Lernverhaltens auf Grundlage der Ergebnisse aus Planung und Überwachung (vgl. Perels et al., 2020, Wild & Schiefele, 1994). Die motivationale Komponente beinhaltet Merkmale und Aktivitäten, die der Lernmotivation in Bezug auf die Initiierung und Aufrechterhaltung der Lernprozesse dienlich sind, sowie die Selbstwirksamkeit und lernförderliche Attributionen von positiven und negativen Lernergebnissen (vgl. Perels et al., 2020).

Um Lernprozesse im selbstregulierten Lernen zu beschreiben, werden oftmals Phasen- oder Prozessmodelle genutzt. Diese beschreiben Selbstregulation im Bildungskontext zumeist als einen iterativen und dynamischen Prozess, welcher in mehrere Phasen gegliedert ist (vgl. Zimmerman, 2000). Im Modell von Schmitz und Wiese (2006), welches auf Zimmermans (2000) Phasenmodell aufbaut, werden drei Phasen des selbstregulierten Lernens in einem zeitlichen Ablauf dargestellt. Die Präaktionale Phase dient der Vorbereitung der Lernhandlung. Dabei werden Ziele der Lernhandlung unter Berücksichtigung situativer, persönlicher und aufgabenbezogener Faktoren, wie Affekt, Motivation und Selbstwirksamkeit, gesetzt. In der Aktionalen Phase werden Lernstrategien (kognitive, metakognitive und ressourcenorientierte) ausgewählt, umgesetzt und ausgerichtet an der Zielsetzung überwacht. Der Selbstüberwachung kommt dabei eine entscheidende Funktion hinsichtlich der Regulation der Lernhandlung zu. Abschließend werden in der Postaktionalen Phase die Lernhandlungsergebnisse aus der vorherigen Phase bewertet und mit dem gesetzten Ziel abgeglichen. Aus dieser Evaluation werden Strategie- und Zieladaptionen für nachfolgende Sequenzen abgeleitet (Schmitz & Wiese, 2006, S. 67 f.).

Selbstreguliertes Lernen kann sowohl als Methode, um ein Lernziel zu erreichen, als auch als Ziel selbst hinsichtlich der Fähigkeit des eigenständigen und zielgerichteten Lernens angesehen werden (vgl. Deing, 2019). Für die Initiierung und Aufrechterhaltung selbstgesteuerten Lernens sind, insbesondere im Hinblick auf die genannten Komponenten (kognitiv, metakognitiv und motivational), spezifische Kompetenzen nötig. Götz und Nett (2011) nennen in diesem Zusammenhang die Kompetenz der eigenständigen und angemessenen Zielsetzung bzw. Planung von Lernhandlungen, diagnostische Fähigkeiten, um Lernhandlungen zu überwachen bzw. Lernprozesse hinsichtlich des Lernziels beurteilen zu können, und die Fertigkeiten, die Lernhandlungen durch ein Repertoire an Lernstrategien und die entsprechend angemessene Auswahl zu regulieren (vgl. Götz & Nett, 2011). Der Aufbau und die Entwicklung dieser Kompetenzen kann durch Projektarbeit gefördert werden, da die Lernprozesse in dieser Unterrichtsform durch eigenständig gewählte Lernwege und -ziele sowie Phasen der Selbstkontrolle und Reflexion geprägt sind (vgl. Wasmann-Frahm, 2008). Projektphasen weisen demnach Parallelen zu den Phasen des selbstregulierten Lernens auf, wodurch diese sinnvoll in Projekte integriert werden können. Dabei sollten den Lernenden innerhalb des Projektablaufs Wahlmöglichkeiten und Handlungsspielräume zur Verfügung stehen, um eigenständiges Planen, Handeln und Reflektieren zu ermöglichen (vgl. Otto, 2007). Im Unterschied zu instruktionsbasiertem Unterricht, in welchem die SchülerInnen zumeist geringe Handlungsspielräume haben und vorrangig Handlungsanweisungen ausführen, werden in Unterrichtsprojekten zahlreiche SchülerInnenhandlungen individuell organisiert und durchgeführt. Diese kognitive Aktivierung stellt eine fundamentale Handlung der Lernenden im Hinblick auf das selbstregulierte Lernen innerhalb der Projektarbeit dar (vgl. Wasmann-Frahm, 2008).

Die Lernwirksamkeit selbstregulierten Lernens und der entsprechenden Trainingsprogramme lassen sich aufgrund unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen sowie der komplexen Verflechtung verschiedener affektiver, kognitiver oder metakognitiver Prozesse schwer erfassen. Ergebnisse der Meta-Analyse von Dignath und Büttner (2008) deuten allerdings darauf hin, dass Fördermaßnahmen selbstregulierten Lernens positiven Einfluss sowohl auf die Fähigkeit der Selbstregulation von Lernverhalten als auch auf die akademische Leistung von SchülerInnen haben, wobei größere Effekte bezüglich des Fachs Mathematik im Vergleich zu Sprachen ermittelt wurden. So zeigten beispielsweise Perels und Kollegen (2005) im Rahmen eines Trainingsprogramms hinsichtlich des mathematischen Problemlösens in Verbindung mit selbstreguliertem Lernen, dass insbesondere die Verknüpfung von Problemlöse- und Selbstregulierungsstrategien positive Lerneffekte hervorruft. Eine mögliche Begründung könnte in der Kongruenz der übergeordneten Ziele des Mathematiklernens mit den Zielen des selbstregulierten Lernens liegen: „In other words, self-regulation constitutes a major characteristic of productive mathematics learning“ (De Corte, Mason, Depaepe und Verschaffel, 2011, S. 155). Mit den übergeordneten Zielen des Mathematiklernens meinen De Corte und Kollegen (2011) die Fähigkeiten, erlernte Kenntnisse und Fertigkeiten flexibel und kreativ in einer Vielzahl von Kontexten und Situationen sinnvoll anwenden zu können. Studien von Cleary, Velardi und Schnaidman (2017) sowie Desoete, Roeyers und De Clercq (2003) bestätigen die leistungsförderliche Wirkung auf die mathematische Kompetenzentwicklung durch Förderprogramme selbstregulierten Lernens.

4.2.4 Projekte im Mathematikunterricht

In diesem Abschnitt werden Projekte im Rahmen des mathematischen Fachunterrichts betrachtet. Dabei wird insbesondere auf die organisatorischen sowie inhalts- und themenbezogenen Besonderheiten der Unterrichtsform unter Bezugnahme relevanter Kompetenzen im Fach Mathematik eingegangen.

Projekte im Mathematikunterricht bieten die Möglichkeit, den „Prozesscharakter der Mathematik“ und die „Dimension der Anwendung“ (Ludwig, 2008, S. 6) für die Lernenden erfahrbar zu machen. Mathematische Inhalte können in einem neuen Kontext betrachtet und eingefahrene Lehrschemata durch beispielsweise selbstregulierende Lernarrangements verlassen werden. Projekte im Mathematikunterricht bieten zudem die Möglichkeit, kooperative Lernformen (vgl. Kapitel 4.2.3) zu integrieren, in denen kommuniziert und mathematisch argumentiert werden muss, um ein gemeinsames Ergebnis präsentieren zu können (vgl. Ludwig, 2008). Diese Lernform soll den Lernenden durch aufgabenorientierte Teamarbeit ein „tieferes Verständnis der Inhalte“ (Hepp, 2006, S. 3) ermöglichen. Darüber hinaus erlangen SchülerInnen durch kooperatives Arbeiten grundlegende soziale Fähigkeiten hinsichtlich Kommunikation und Argumentation. Fachliches und soziales Lernen werden in diesem Zusammenhang gleichermaßen gefördert (vgl. Hepp, 2006).

Die Schülerinnen und Schüler erwerben im wechselseitigen Austausch Wissen und Kompetenz, es findet eine aktive Aufnahme im Gegensatz zu einer reinen Wissensübernahme statt (konstruktivistisches Lernen)“ (Hepp & Miehe, 2006, S. 4).

Hinsichtlich eines Projektthemas müssen sowohl auf inhaltlicher als auch auf organisatorischer Ebene verschiedene Entscheidungen getroffen werden. Wenn aus vorhandenem Mathematikwissen Querverbindungen erarbeitet werden, spricht man von einer reflexiven Struktur. Entsteht ‚neue‘ Mathematik und werden Inhalte in der Auseinandersetzung mit dem Projektthema ausgearbeitet, liegt eine projektive Struktur vor (vgl. Ludwig, 2008). Bei einem Mathematikprojekt werden nach Ludwig (2008) meistens zwei Grundmodi, der Magnet- sowie der Sternmodus, verwendet. Beim Magnetmodus sind zur Bearbeitung der Projektaufgabe mehrere fächerübergreifende Inhalte notwendig. Diese Inhalte bauen in den meisten Fällen aufeinander auf, wodurch eine gegenseitige inhaltliche und arbeitstechnische Abhängigkeit zwischen den Gruppen entsteht. Beim Sternmodus beinhaltet das Projektthema einen spezifischen mathematischen Sachverhalt oder Gegenstandsbereich. Diese Sachverhalte versucht man mit anderen Fächern oder Begriffen der Umwelt in Bezug zu setzen. Ein solcher Modus besitzt den Vorteil, dass die einzelnen Gruppen unabhängig voneinander arbeiten können und nicht aufeinander angewiesen sind. Demzufolge müssen keine Absprachen zwischen den Gruppen getroffen werden, was die Projektorganisation vereinfacht.

Um ein Thema für ein Projektvorhaben zu finden, können außer-mathematische Gegenstandsbereiche als Projektschwerpunkte im Mathematikunterricht genutzt werden. So können beispielsweise Verpackungsgrößen berechnet, das Bevölkerungswachstum untersucht oder Bauwerke der Stadt aus mathematischer Sicht betrachtet werden. Aber auch innermathematische Begriffe können inhaltlicher Schwerpunkt eines Mathematikprojekts sein. Ludwig (2008, S. 7) nennt unter anderem „Experimente zu funktionalen Zusammenhängen“ und „geometrische Körper untersuchen und bauen“ als Beispiele für Projektarbeiten mit innermathematischem Bezug. Er bezieht auch produktorientierte Projektideen in seine Überlegungen mit ein und verweist dabei auf eine kreative Produktion von Kurzvorträgen, Rollenspielen, Bilderreihen oder Videos.

An diese Überlegung anknüpfend wird im folgenden Abschnitt auf einen weiteren Aspekt des geplanten Unterrichtsprojekts, die Nutzung bzw. Erstellung von Videos, eingegangen.

4.3 Videos im Unterricht

Videos gewinnen seit den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung in Lehr- und Lernkontexten (vgl. MPFS, 2021). Auch in dieser Studie stellen Videos ein wesentliches Merkmal des zu untersuchenden Unterrichtsvorhabens dar. Aus diesem Grund wird in diesem Kapitel der Begriff des Erklärvideos näher definiert, hinsichtlich seiner spezifischen Ausrichtungen eingeordnet und das Lernen mithilfe von Erklärvideos erläutert. Dazu werden zwei Möglichkeiten für die unterrichtliche Anwendung, die Rezeption von Videos zur Unterstützung von schulischen Lehr- und Lernprozessen und die Erstellung von Videos als mögliche Unterrichtsmethode, betrachtet und deren Lernwirksamkeit beleuchtet.

Die Nutzung von Videos zur Initiierung und Unterstützung von Lernprozessen hat seinen Ursprung im sogenannten Bildungsfernsehen der 1960er-Jahre (vgl. Wolf, 2015a). Wurden früher jedoch noch aufwendige Filmproduktionen durchgeführt und vereinzelte Videos, allerdings wenig erfolgreich, für das Fernsehen produziert (vgl. Meyer, 1997), hat sich die Nutzung und Produktion des Mediums Film zu Bildungszwecken inzwischen grundlegend geändert. Heute können die Videos ohne großen Aufwand hergestellt und auf verschiedenen Plattformen im Internet zur Verfügung gestellt werden. Nicht die institutionellen Akteure des Bildungssektors, sondern vielmehr Initiativen, kommerzielle Anbieter und insbesondere Privatpersonen produzieren diese Videos und nutzen die neuen Möglichkeiten kommerzieller Plattformen, wie z.B. YouTube, welche eine große Reichweite und Allverfügbarkeit aufweisen, für die Verbreitung (vgl. Fey, 2021). Mit dieser Entwicklung, welche durch das Voranschreiten der Medientechnologie bedingt ist, entstand eine neue Dynamik. Lernende haben nun zeit- und ortsunabhängig Zugriff auf eine Vielzahl von Videos zu verschiedenen bildungsspezifischen Themen, was zu einer Individualisierung und Flexibilisierung des Bildungsangebots führte. Dorgerloh und Wolf (2020) beschreiben diese Entwicklung als eine nachhaltige Veränderung der Ausgestaltung von Bildungsprozessen.

Diese Tendenz lässt sich auch am alltäglichen Medienkonsumverhalten von Heranwachsenden ablesen. Im Alltag vieler Kinder und Jugendlicher stellt das Rezipieren von Videos insbesondere auf Plattformen wie YouTube mit steigender Tendenz eine regelmäßige Freizeitbeschäftigung dar (vgl. MPFS, 2021). Aus der KIM-Studie von 2020 geht hervor, dass 31 % der 6 bis 13-Jährigen einmal oder mehrmals pro Woche und 18 % jeden oder fast jeden Tag Videos im Internet ansahen (vgl. MPFS, 2020). Bei den Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren wurden Online-Videos von 33 % mehrmals pro Woche und von 47 % täglich konsumiert. Dabei nutzten 18 % der Mädchen und 19 % der Jungen täglich oder mehrmals pro Woche die Videoplattform YouTube, um sich Erklärvideos für die Schule oder Ausbildung anzusehen (vgl. MPFS, 2021).

Wenn heute über Videos zu Bildungszwecken gesprochen wird, sind oftmals Erklärvideos gemeint. „Die Art und Weise der Darstellung, die inhaltliche und mediale Gestaltung, wenn man so will das ‘Format des Erklärens’ ist im Vergleich zum klassischen Bildungsfernsehen jedoch verändert, womit Erklärvideos quasi als eigene mediale ‘Gattung’ in Erscheinung treten“ (Fey, 2021, S. 17).

Aufgrund der Vielzahl und Varianz im Hinblick auf die lernspezifische Ausrichtung bedarf es jedoch einer definitorischen Einordnung. Mit Blick in die Literatur fällt auf, dass es keine allgemeingültige Definition von Videos im Bildungskontext oder Erklärvideos gibt. Folgt man der Definition von Wolf (2015b) so sind Erklärvideos eigenproduzierte Filme, in denen abstrakte Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden bzw. in denen vermittelt wird, wie etwas funktioniert oder wie etwas durchzuführen ist. Eine Unterkategorie von Erklärvideos sind Videotutorials, welche auf die Vermittlung von beobachtbaren Fertigkeiten oder Fähigkeiten ausgerichtet sind (vgl. Wolf, 2015b). Dabei werden Handlungen explizit vor dem Hintergrund des Nachmachens durch die Rezipierenden demonstriert. Typische Formate von Videotutorials sind demnach beispielsweise Back- bzw. Kochanleitungen oder Schminktutorials. Erklärvideos und Videotutorials haben entsprechend einen didaktischen Schwerpunkt und grenzen sich dahingehend von Performanzvideos ab, deren Fokus eher auf Unterhaltung liegt und Fertigkeiten oder Handlungen entsprechend ohne didaktische Aufarbeitung, wie u. a. Videos zu Kunst- oder Tanzvorstellungen, präsentiert werden (vgl. Findeisen et al., 2019). Auf der anderen Seite des didaktischen Spektrums befinden sich Lehrfilme. Diese zeichnen sich durch einen hohen didaktischen und medialen Gestaltungscharakter aus und werden, wie das damalige Bildungsfernsehen, zumeist in professionellen Kontexten produziert (vgl. Wolf, 2015b). Videos, die in nicht-professionellen Kontexten produziert werden, weisen oftmals Erklärstrukturen auf, die an persönlichen Instruktionserfahrungen aus der Schule, anderweitigen Ausbildungskontexten oder bekannten Fernseherklärformaten orientiert sind (vgl. Wolf & Kratzer, 2015).

Während Wolf (2015b) Erklärvideos auf Grundlage ihrer Erklär- und Darstellungsstruktur charakterisiert und einordnet, bezieht sich Kropp (2015) eher auf die Funktion und technische Umsetzung:

Erklärvideos können komplexe Sachverhalte innerhalb kürzester Zeit effektiv einer Zielgruppe vermitteln. Kennzeichnende Elemente sind das Storytelling und die Multisensorik. Die zumeist ein- bis dreiminütigen Videos erschöpfen Themen nicht, sondern zeigen die relevanten Zusammenhänge effizient auf. Die Visualisierung erfolgt über animierte Illustrationen, Grafiken oder Fotos. Verschiedene Formen wie der Papierlegetrick, der Live-Scribble oder die Animation werden auch den Erklärvideos zugeordnet“ (Kropp, 2015).

Wie in der Definition von Kropp (2015) beschrieben wird, können Erklärvideos auf unterschiedliche Weise gestaltet werden. Eine einfach umzusetzende Gestaltungsmöglichkeit für Erklärvideos ist die Schiebe- oder (Papier-) Legetechnik. Dabei werden ausgeschnittene Abbildungen mit den Händen positioniert, ggf. verschoben sowie Erklärungen gegeben und währenddessen gefilmt (vgl. Schön & Ebner, 2014). Aufgrund ihrer simplen Visualisierung eignet sich diese Technik insbesondere zur Darstellung einfacher Inhalte oder Sachzusammenhänge. Eine weitere Gestaltungsart von Erklärvideos stellen Aufzeichnungen des Computerbildschirms, sogenannte Screencasts, dar. Über eine Software werden dabei die Abläufe und Handlungen auf dem Bildschirm aufgenommen und kommentiert. Mithilfe von Screencasts lassen sich Graphiken oder Abbildungen im Moment der Aufnahme erstellen, wodurch die Rezipierenden in die Denk- und Entwicklungsprozesse eingebunden werden und somit die Genese oder Anwendung beispielsweise einer Formel in naturwissenschaftlichen Fachbereichen leichter verfolgen und nachvollziehen können. Ähnliche Vorteile bieten auch Aufnahmen von Erklärungen am Whiteborad oder an der Tafel. Die auf diese Weise dargestellte Interaktion kommt einer Unterrichtssituation am nächsten und wird daher insbesondere zur Einführung in neue Themen genutzt. Bei Erklärvideos, die als Web-Vortrag gestaltet sind, befindet sich der Sprecher bzw. die Sprecherin vor dem Computer und wird beim Vortragen gefilmt. Oftmals wird der verbale Beitrag durch Präsentationen oder Graphiken visuell unterstützt. Dieses Format bietet die Möglichkeit orts- und zeitunabhängig Lehre zu betreiben und wird daher häufig in Online-Kursen oder Online-Konferenzen eingesetzt. Eine aufwändigere Möglichkeit, Inhalte in einem Erklärvideo darzustellen, bieten 2D- oder 3D-Animationen in Form von Infographic oder Animated Shortfilms (vgl. Ullmann, 2018). Mithilfe dieser Formate können beispielsweise dynamische Prozesse und sogar komplexere Sachzusammenhänge durch animierte Grafiken, Piktogramme und Icons anschaulich und realitätsnah dargestellt und erklärt werden. Unter Bezugnahme von visuellen und auditiven Elementen kann darüber hinaus die Aufmerksamkeit der RezipientInnen aufrechterhalten werden (vgl. Koch 2016; Schön & Ebner, 2013). Die Einbindung von fiktiven Akteuren in einem Erklärvideo, welche sich in einer spezifischen, für die zu vermittelnden Inhalten relevanten Situation befinden, kann das Video informativ und zugleich lebendig wirken lassen. Auch die Einbindung einer Handlung im Sinne des Storytellings kann die Aufmerksamkeit steigern und Emotionen mit Erinnerungen verbinden, wodurch Informationen besser verarbeitet und verstanden werden können (vgl. Kleine Wieskamp, 2016). Informationseinheiten in Geschichten zu verarbeiten, beschreibt Fuchs (2021) sogar als die effizienteste Methode der Datenverarbeitung. Die Verbindung von einem konkreten Kontext (Situierung) mit fachbezogenen Fakten kann lern- und auch motivationswirksam sein (vgl. Slopinski, 2016). In diesem Rahmen können Erklärvideos beispielsweise szenisch-theatralische Darstellungen beinhalten, als dokumentarische Kurzfilme, bekannte TV Formate oder Videos-Blogs gestaltet sein (Fey, 2021).

4.3.1 Rezeption von Videos im unterrichtlichen Kontext

Der Frage nachgehend, wie durch die Rezeption von Videos gelernt werden kann, beschreibt Rummler (2017) zwei Prinzipien. Beim Lernen am Modell liegt der Fokus auf dem Prozess des Nachahmens. Eine Handlung oder ein Vorgehen wird im Video dargestellt und kann somit wiederholt betrachtet und erarbeitet werden. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand im Video wird durch das Lernen durch Reflexion und Analyse erreicht. Diese Herangehensweise geht über das reine Nachahmen hinaus und umfasst nach Krammer und Reusser (2005) sechs Bereiche: Wissen erweitern, Wissen flexibler machen, Theorie und Praxis verbinden, Erfassen der Komplexität von Realität, Fachsprache aufbauen und Perspektivwechsel.

Um Lernwirksamkeit durch die Rezeption von Erklärvideos im Unterricht sicherzustellen, verweisen Wolf und Kulgemeyer (2016) auf eine didaktisch sinnvolle unterrichtlich begleitete Rahmung. „Bei der Einbettung der Videos in den Unterricht sollte das Video also nie allein stehen, sondern – wie auch Lehrererklärungen – immer durch Transfer- und Übungsphasen ergänzt werden“ (Wolf & Kulgemeyer, 2016, S. 40). Konkret sollen Erklärvideos, welche direkt im Unterricht eingesetzt werden, durch eine Fragerunde, in der die Lernenden Unklarheiten zu den Inhalten des Videos vorbringen können, und vertiefende Transferaufgaben, mit deren Hilfe beispielsweise die behandelten Inhalte oder dargestellte abstrakte Prinzipien auf anderen Kontexte transferiert werden, ergänzt werden (vgl. Wolf und Kulgemeyer, 2016). Das Konzept des Flipped-Classroom stellt dahingehend eine sinnvolle Möglichkeit der Einbettung von Erklärvideos in unterrichtliche Lernprozesse dar. Dabei werden Lerninhalte mithilfe von Erklärvideos von den Lernenden zunächst zu Hause erarbeitet. Die Anwendung und Vertiefung geschieht anschließend im Unterricht (vgl. Frei, Asen-Molz, Hilbert & Schilcher, 2020).

4.3.2 Erstellung von Videos im unterrichtlichen Kontext

Die technische Entwicklung begünstigt heute die Möglichkeit, audiovisuelle Medien schnell und einfach herzustellen und zu gestalten, wodurch auch Laien zu VideoproduzentInnen werden können. Auch im Bildungskontext wurde diese Möglichkeit erkannt und von vielen Lehrkräften und Bildungseinrichtungen hinsichtlich der Er- und Bereitstellung von Erklärvideos genutzt (vgl. Fey, 2021; Morgan, 2013; Pea & Lindgren, 2008). Dabei wird jedoch nicht nur die Produktion von Videos durch die Lehrpersonen, sondern zunehmend auch das selbstständige Erstellen von Videos durch die Lernenden in den unterrichtlichen Rahmen eingebunden (vgl. u. a. Multisilta, 2014; Wollmann, 2021). Diese Methode kann die Lernenden sowohl bei der Aneignung und Präsentation von fachspezifischen Inhalten unterstützen, da dieser eine intensive Auseinandersetzung mit den darzustellenden Inhalten sowie deren didaktische Aufbereitung zugrunde liegt, als auch den Aufbau von Medienkompetenz fördern (vgl. Adams & Hamm, 2000; Hakkarainen, 2009; Mayberry, Hargis, Boles, Dugas, O’Neill, Rivera & Meler, 2012; Wollmann, 2021). Lernende werden dabei nicht mehr nur als KonsumentInnen, sondern als aktive ProduzentInnen von Inhalten angesehen, wodurch ihnen eine aktive und produktive Rolle innerhalb ihrer Lernprozesse ermöglicht wird (vgl. Lee & McLoughlin, 2007).

Wolf und Kulgemeyer (2016) schlagen für die Einbettung von Videoproduktionen in den naturwissenschaftlichen Unterricht drei didaktisch sinnvolle Varianten vor. Zum einen kann die Videoproduktion als Themenabschluss eingesetzt werden. Dabei bekommen die SchülerInnen unterschiedliche Themen aus der zurückliegenden Unterrichtseinheit zugewiesen. Die Themen müssen dann zunächst von den Lernenden aufgearbeitet und anschließend in einem verständlichen Video dargestellt werden. „Der zurückliegende Stoff wird vertieft und den Schülerinnen und Schülern werden noch bestehende Unklarheiten deutlich“ (Wolf & Kulgemeyer, 2016, S. 40). Eine weitere Variante bildet die Einbindung der Videoproduktion im Rahmen eines Projekts (vgl. auch Abschnitt 3.2.2). Wolf und Kulgemeyer (2016) betonen dabei einerseits die Förderung der Kommunikationskompetenz und andererseits die Erarbeitung fachspezifischer Inhalte, welche sachgerecht und adressatengemäß dargestellt werden müssen. „Hier können Selbsterklärungen von Schülerinnen und Schülern in Erklärvideos für andere münden: Die Lernenden recherchieren unter Anleitung ein Themengebiet und erstellen mit ihren Ergebnissen Videos“ (Wolf & Kulgemeyer, 2016, S. 40). Videoproduktion als eine Methode des Peer Tutoring stellt die dritte Möglichkeit der didaktisch sinnvollen Einbettung dar. Diese Variante kann mit den beiden anderen kombiniert werden und bietet den Vorteil, dass den SchülerInnen der Sinn der Videoproduktion bewusst ist und adressatengerechte Erklärungen eingesetzt werden können (vgl. Wolf & Kulgemeyer, 2016).

Die Lernwirksamkeit der Erstellung von Videos durch Lernende wurde in unterschiedlichen Studien untersucht. In einer Untersuchung von Kearny und Schuck (2005) wurden an australischen Schulen im Elementar- und Sekundarbereich fünf Projekte, in welchen SchülerInnen Videos selbstständig produzierten, analysiert. Die Befunde zeigten positive Auswirkungen der Projekte auf Lese- und Schreib- sowie Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten der TeilnehmerInnen. Auch Henderson und Kollegen (2010) bestätigten in ihrer Studie positive Effekte auf Lernergebnisse, insbesondere hinsichtlich der Reflexion und Metakognition von SchülerInnen bei der Videoproduktion im Schulkontext. Eine mögliche Begründung für die positiven Lerneffekte durch die Videoerstellung sehen Rodriguez und Kollegen (2012) in übergeordneten kognitiven Prozessen durch die Erklärung von Inhalten an Mitlernende. Auch Findeisen und Kollegen (2019) deuten den Prozess des Erklärens als eine Möglichkeit elaborierten Lernens: „Beim Erklären geht es also nicht um die Präsentation von Fachinhalten, sondern um deren Verständlichkeit. Verstehen ist damit gleichzeitig das Maß für den Erfolg sowie für die Qualität einer Erklärung“ (Findeisen et al., 2019, S. 18). Effekte von Erklärungen einer Thematik auf Lern- bzw. Verstehensprozesse wurden bereits in unterschiedlichen Untersuchungen aufgezeigt (vgl. u. a. Dunlosky, Rawson, Marsh, Nathan & Willingham, 2013; Lombrozo, 2012; Ploetzner, Dillenbourg, Preier & Traum, 1999). In einer Studie von Fiorella und Mayer (2013) wurden die StudienteilnehmerInnen hinsichtlich ihrer Lernleistung unter verschiedenen Voraussetzungen geprüft. Die Kontrollgruppe befasste sich mit den Inhalten und wurde anschließend getestet. Die Interventionsgruppe erarbeitete sich dieselben Inhalte, hatte allerdings den Auftrag diese in Form eines kurzen Videos als Lehrsequenz darzustellen. Die Befunde zeigten signifikant bessere Testergebnisse der Interventionsgruppe, welche sich mit den Inhalten vor dem Hintergrund der anschließenden Erklärung bzw. des Unterrichtens befassten und diese in Videos präsentiert hat. Diese Ergebnisse wurden durch einen weiteren Test, der eine Woche später durchgeführt wurde, bestätigt und deuteten auf ein elaboriertes Verständnis hin (vgl. Fiorella & Mayer, 2013). Renkl (1995) untersuchte Lernprozesse in Erwartung einer anschließenden Erklärung, konnte allerdings keine Verbesserung der Lernergebnisse nachweisen, obwohl eine Reduzierung oberflächlichen Lernens festgestellt wurde. In einer Studie von Hoogerheide, Loyens und van Gog (2014) wurden hingegen Lerneffekte nachgewiesen. Die Interventionsgruppe, welche die gelernten Inhalte anschließend in einem Video erklären musste, erzielte insbesondere bezüglich Transferleistung signifikant bessere Resultate als die Kontrollgruppe, die lediglich für einen Test lernte, und als eine weitere Gruppe, welche die Inhalte mit einer Erklärungserwartung, ohne Videoproduktion, erarbeitete (vgl. Hoogerheide et al., 2014). Diese Studie deutet insbesondere auf einen positiven Effekt durch das tatsächliche Erklären und nicht nur durch die bloße Erwartung, die Inhalte zu erklären, hin. In einer weiteren Studie von Hoogerheide und Kollegen (2016) wurde dieser mögliche Effekt näher untersucht. Die StudienteilnehmerInnen wurden dabei erneut in Gruppen unterteilt. Eine Gruppe befasste sich mit einem Text in Erwartung eines Tests (Kontrollgruppe), eine weitere Gruppe in Erwartung einer schriftlichen Erklärung und eine dritte Gruppe produzierte nach der Erarbeitungsphase ein Video, in welchem die Inhalte des Textes erklärt werden sollten. Dabei wurde lediglich bei der Gruppe, die Erklärungen auf Videos vornahmen, Lernverbesserungen im Vergleich zur Kontrollgruppe verzeichnet. Eine mögliche Erklärung für die verbesserten Lernergebnisse der Videogruppe sehen die Autoren in der Empfindung sozialer Präsenz der Rezipierenden ihrer Videos, auch wenn die Personen im Moment der Produktion nicht anwesend waren. „Increased feelings of social presence could be beneficial for learning. Students may, for instance, monitor whether the (imagined) audience will be able to understand the explanation, […]“ (Hoogerheide, Deijkers, Loyens, Heijltjes & van Gog, 2016, S. 103).

4.4 Sondierung und Eingrenzung des Forschungsfeldes

In Kapitel 3 wurden die aus der Kontroll-Wert-Theorie und Selbstbestimmungstheorie abgeleiteten Gestaltungsmerkmale für einen emotions- und motivationsförderlichen Unterricht dargestellt und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten beschrieben (vgl. Kapitel 3.3). Das Merkmal der Autonomiegewährung kann beispielsweise in Form von selbstreguliertem Lernen in Unterrichtsprojekten gefördert werden. Auch Kooperation kann durch die Unterrichtsform Projekt angeregt werden. Wertinduktion kann hingegen durch den Alltagsbezug der SchülerInnen wie beispielsweise die Produktion von Videos mithilfe von digitalen Werkzeugen konkret erreicht werden. In vielen Studien wurden Unterrichtsmaßnahmen, die sich mit einem oder mehreren Gestaltungsmerkmalen und deren konkreter Umsetzung befasst haben, untersucht (vgl. Kapitel 3.3).

Die Erforschung der emotionalen und motivationalen Wirkung bestimmter unterrichtlicher Maßnahmen ist von vielen Faktoren abhängig. Goetz und Kollegen (2007) verweisen beispielsweise auf eine domainspezifische Ausprägung hinsichtlich der Entstehung und des Erlebens von Lern- und Leistungsemotionen. Emotionales Empfinden wie Lernfreude oder Prüfungsangst lassen sich folglich nur eingeschränkt verallgemeinern, sondern beziehen sich auf bestimmte Fächer, in denen SchülerInnen bestimmte Emotionen erleben. Schukajlow (2015) geht in Bezug auf diese Differenzierung noch weiter und beschreibt sogar Unterschiede im emotionalen Erleben hinsichtlich verschiedener Tätigkeiten oder Aufgaben innerhalb eines Fachs. Bong (2001) fand heraus, dass die akademische Motivation von älteren SchülerInnen in der 10. bis 12. Klasse differenzierter ausgeprägt ist als von SchülerInnen in der 7. bis 9. Klasse. Demzufolge hat auch das Alter oder die Schulform Einfluss auf affektive und motivationale Faktoren von Heranwachsenden im Schulkontext, insbesondere im Hinblick auf die motivationale Differenzierung (vgl. Goetz et al., 2007).

Befunde zur emotionalen und motivationalen Wirkung von spezifischen Unterrichtsmaßnahmen können demnach lediglich Hinweise geben, haben allerdings nur bedingte Allgemeingültigkeit. Untersuchungen in Bezug auf emotions- und motivationsfördernde Unterrichtsgestaltung sollten daher am konkreten Unterrichtsvorhaben durchgeführt werden.

In der vorliegenden Studie soll dementsprechend eine konkrete Unterrichtsmaßnahme im Fach Mathematik untersucht werden. In diesem Vorhaben sollen insbesondere die grundlegenden emotions- und motivationsunterstützenden Gestaltungsmerkmale des Projektunterrichts mit seinen Facetten des selbstregulierten und kooperativen Lernens und die Produktion von Videos durch die SchülerInnen eingebettet werden. Die weiteren Gestaltungsmerkmale, die in Kapitel 3 beschreiben werden, sollen implizit durch die konzeptionelle Ausrichtung des Unterrichtsvorhabens erfüllt werden. Bezüglich Struktur und Erwartung (vgl. Kapitel 3.3.3) soll eine kooperative Zielstruktur durch im Unterrichtsprojekt angewendete Gruppenarbeiten angeregt werden. Auch die Kommunikation von Erwartungen, Anforderungen (vgl. Kapitel 3.3.5) und Rückmeldungen (vgl. Kapitel 3.3.6) sollen im geplanten Unterrichtsvorhaben integriert werden, nehmen allerdings eine vergleichsweise untergeordnete Rolle ein.

Studien, in denen so spezifische Formen von Unterricht, die durch multifaktorielle Einflussgrößen geprägt sind, untersucht werden, sind dementsprechend selten. Im Folgenden werden ausgewählte Untersuchungen vorgestellt, die einen Großteil der Gestaltungsmerkmale der Lernumgebung abdecken, jedoch Unterschiede bezüglich organisatorischer Rahmenbedingungen sowie fachlicher und kultureller Kontexte aufweisen.

Slopinski (2016) untersuchte in einem Hochschulseminar zum Thema „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ die motivationale Wirkung der Videoproduktion von Studierenden auf Grundlage der drei psychologischen Grundbedürfnisse nach Deci und Ryan (1985). Die ProbandInnen arbeiteten in Gruppen an Erklärvideos mit Legetechnik und berichteten, dass sie sich als „kompetent, autonom und sozial eingebunden“ (Slopinski, 2016, S. 13) empfanden, wodurch die Voraussetzungen für Lernmotivation bzw. für selbstbestimmt motiviertes Lernen gegeben waren. Diese Befunde können Hinweise auf die motivationale Wirkung der Videoproduktion in Bildungskontexten geben. Diese Untersuchung wurde allerdings im Rahmen eines Hochschulseminars, ohne mathematischen Bezug, durchgeführt, wodurch die Befunde nur bedingt auf SchülerInnen hinsichtlich des Fachs Mathematik übertragen werden können.

Wollmann (2021) untersuchte die Möglichkeit, Videoproduktion in den Sachunterricht der Grundschule in Form eines Projekts am Beispiel „Schwimmen und Sinken“ zu implementieren. Dabei wurden die Aufmerksamkeitsverläufe sowie die Effekte auf die Motivation und die Selbstwirksamkeit der SchülerInnen erfasst. Vor allem zu Beginn des Projekts wurde eine erhöhte Aufmerksamkeit beobachtet, die jedoch im Laufe des Projekts abnahm. In SchülerInnen-Interviews zeigte sich eine hohe motivationale Wirkung mit einem hohen Maß an Selbstwirksamkeit. Die SchülerInnen gaben an, auch zu anderen Inhalten Erklärvideos anfertigen zu wollen, woraus auf Freude bei der Erstellung der Erklärvideos geschlossen werden kann. Die behandelten Inhalte spielten dabei eine eher untergeordnete Rolle. Diese Ergebnisse untermauern die Befunde von Bong (2001) sowie Goetz und Kollegen (2007), die SchülerInnen im Grundschulalter eine undifferenziertere motivationale Ausprägung hinsichtlich verschiedener Fächer attestieren.

Einblicke in die Wirkung von Videoproduktion im Rahmen des Mathematikunterrichts auf SchülerInnen im Sekundarstufenalter gibt eine Studie von Huang und Kollegen (2020). Dabei wurden Effekte auf affektive Merkmale und die Problemlösefähigkeit von SchülerInnen einer fünften Klasse durch „interest-driven video creation“ (Huang, Chou, Wu, Shih, Yeh, Lao, Fong, Lin & Chan, 2020, S. 395) im Rahmen des Mathematikunterrichts untersucht. Die Befunde zeigten eine signifikante Verbesserung der Mathematikleistung sowie ein erhöhtes Engagement und größere Beteiligung im Vergleich zu traditionellen Lehrmethoden im Mathematikunterricht. „Students also agree that they enjoy and engage in the video creation activity and that the activity helps them to learn mathematics better and improves their communication skills, teamwork skills, and filmmaking techniques“ (Huang et al., 2020, S. 395). Diese Studie gibt Hinweise auf die Wirkung von Videoproduktion von SchülerInnen im Mathematikunterricht, speziell in Bezug auf das Problemlösen.

Die Entstehung und das Erleben lernförderlicher Emotionen von SchülerInnen, wie Lernfreude und Stolz, weist im Laufe der Sekundarstufe I, nach Pekrun und Kollegen (2007), eine ungünstige Entwicklung im Fach Mathematik auf. Untersuchungen zur Wirkung unterrichtlicher Maßnahmen, wie die Produktion von Erklärvideos, auf affektive und motivationale Parameter im Schulkontext sind demzufolge insbesondere zum Ende der Sekundarstufe I sinnvoll und notwendig, um dieser Entwicklung entgegenwirken zu können. Studien dieser Art im Fach Mathematik zum Ende der Sekundarstufe I wurden bisher noch nicht durchgeführt und stellen somit ein Forschungsdesiderat dar.

Im folgenden Kapitel wird das Unterrichtsprojekt vorgestellt, welches den Forschungsschwerpunkt dieser Studie bildet.