Die im vorherigen Kapitel ausführlich dargestellten Bedingungen und Auswirkungen affektiver Faktoren für das Lernen im schulischen Kontext zeigen deren wesentliche Bedeutung für die Kompetenz- und Leistungsentwicklung von SchülerInnen. Doch Emotionen sind nicht nur Begleiterscheinungen oder Determinanten des Lernens, welche lediglich unter Bezug ihrer Funktionalität für den Lernerfolg oder die Leistungsoptimierung in der Schule zu betrachten sind. Helmke (1993) beschreibt diese sogar als eigenständiges Bildungsziel. Schule hat, im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsauftrags, nicht nur die Funktion der Wissensvermittlung, sondern sollte die Betrachtung motivationaler Aspekte wie die Ausbildung von Interessen und die Förderung einer positiven affektiv-motivationalen Haltung der SchülerInnen gegenüber dem Lernen sowie der Leistung etablieren und festigen (vgl. Bieg & Mittag, 2011; Krapp & Hascher, 2014).

Angesichts dieser Schlüsselfunktion für den Kompetenzerwerb und das Lernverhalten, lässt sich für die Schule und insbesondere für den Unterricht eine konzeptionelle Ausrichtung ableiten, die eine Stärkung positiv-aktivierender Emotionen wie Lernfreude und eine Vorbeugung bzw. Minderung negativ-deaktivierender Lern- und Leistungsemotionen wie Langeweile unterstützt (vgl. Gläser-Zikuda, 2010; Pekrun, 2018b).

In verschiedenen Studien zeigte sich allerdings ein Rückgang der Lernfreude und Motivation sowie ein Anstieg von negativen Lern- und Leistungsemotionen im Verlauf der Schulzeit (vgl. Fend, 1997; Hagenauer, 2011). Diese ungünstige Entwicklung von Lern- und Leistungsemotionen, Motivation, Interesse und darüber hinaus des Lernverhaltens wurde auch in der PALMA Langzeitstudie für das Fach Mathematik von Pekrun und Kollegen (2017) bestätigt (vgl. Kapitel 2.4). Die Ergebnisse weisen auf ein reziprokes Bedingungsverhältnis hin. Konkret wurde dabei die Rückwirkung von Leistung auf die individuelle Entwicklung affektiver Merkmale (vgl. Kapitel 2.5) sowie die Bedeutung von Erfolgserlebnissen als wesentliche Voraussetzung für die Förderung positiver und Minderung negativer Lern- und Leistungsemotionen aufgezeigt. Ein Ausbleiben von Erfolgserlebnissen und eine damit verbundene Fortführung von negativen Tendenzen innerhalb dieses Wirkungssystems kann zu einer Habitualisierung negativer Emotionen im Unterrichtskontext führen und eine Entfremdung vom Lernen sowie der Institution Schule nach sich ziehen (vgl. Hascher & Hagenauer, 2010).

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und eine möglichst optimale Förderung der SchülerInnen hinsichtlich des Kompetenzzuwachses und Lernverhaltens sowie der damit verbundenen affektiven Bedingungsfaktoren zu gewährleisten, wurden Merkmale von Unterricht untersucht, welche in dieser Hinsicht bedeutsam sein könnten. Götz, Frenzel und Haag (2006) führten bezüglich der Ursachen von schulischer Langeweile eine Interviewstudie bei SchülerInnen der 9. Jahrgangsstufe durch. Am häufigsten wurden dabei u. a. Aspekte der Unterrichtsgestaltung, wie abwechslungsarmer Unterricht, genannt. Eccles und Kollegen (1993) sowie Midgley und Kollegen (1989) untersuchten Gründe für den Rückgang von Lernfreude. Die Befunde wiesen auf eine mangelnde Passung zwischen den SchülerInnen und der Lernumgebung hin. Begründet wird diese Entwicklung durch eine stärker werdende lehrerzentrierte Ausrichtung des Unterrichts und entsprechend weniger Beteiligungs- und Wahlmöglichkeiten der Lernenden im Laufe der Sekundarstufe. Demnach wirkt sich eine Lernumgebung, die durch ein hohes Maß an Fremdbestimmung geprägt ist, negativ auf die Lernfreude aus (vgl. Hagenauer, 2011). Diese Studien zeigen, dass Merkmale der Unterrichtsgestaltung bzw. der Lernumgebung maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung und Aufrechterhaltung bestimmter Emotionen sowie Motivation haben.

Der Begriff der Lernumgebung wird in dieser Arbeit als das Lehr-Lernangebot im Rahmen von schulischem Unterricht verstanden, bezüglich dessen es SchülerInnen ermöglicht wird mit verschiedenen Methoden, in unterschiedlichen Interaktionsformen und Ausstattungen zu lernen. „Eine durch Unterricht hergestellte Lernumgebung besteht aus einem Arrangement von Unterrichtsmethode, Unterrichtstechnik, Lernmaterial [und] Medien“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001, S. 615), wobei diese Kontextfaktoren „in unterschiedlichem Ausmaß planvoll gestaltet werden können“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001, S. 615).

Verschiedene theoretische Modelle und empirische Studien haben sich mit dem Einfluss bzw. der Auswirkung der Sozialumwelt auf affektive Parameter im Lern- und Leistungskontext auseinandergesetzt, woraus konkrete Gestaltungsmerkmale für eine emotions- und motivationsfördernde Lernumgebung abgeleitet werden können. Bevor diese im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden, werden zunächst lerntheoretische Grundlagen zur Gestaltung einer Lernumgebung betrachtet.

3.1 Lehr-lerntheoretische Grundlagen zur Gestaltung von Lernprozessen

Die lerntheoretische Orientierung hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie Unterrichtsprozesse sinnvoll gestaltet und welche Anforderungen, bezüglich der spezifischen Lerngruppe, gestellt werden können. Im Hinblick auf die lerntheoretische Grundlegung kann zwischen einer behavioristischen, einer kognitionstheoretischen und einer konstruktivistischen Orientierung unterschieden werden (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010).

Die behavioristische Grundposition beschreibt Lernen als einen Prozess, bei dem bestimmte Einflüsse das Verhalten eines Individuums beeinflussen und verändern können. Es wird angenommen, dass sich durch äußere Hinweisreize und Verstärkungen das Verhalten eines Individuums steuern lässt (vgl. Skinner, 1978). „Demgemäß sollen vorgegebene Lehrziele dadurch erreicht werden, dass dem Lernenden bestimmte Informationen und Aufgaben in medialer Form als Hinweisreize präsentiert werden, die ein gewünschtes Lernverhalten nahe legen“ (Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010, S. 90). Innere, mentale Einflussfaktoren, wie Emotionen, Wissens-, Erfahrungsstand sowie Motivation und psychische Vorgänge, welche sich vor, zwischen oder nach Reiz und Reaktion abspielen, werden außer Acht gelassen oder nur durch ihre Operationalisierung als beobachtete Handlung in Betracht gezogen (vgl. Mietzel, 2001).

Im Gegensatz zum Behaviorismus liegt der Schwerpunkt der kognitionstheoretischen Grundposition auf inneren kognitiven Vorgängen des Lernenden. Dieser wird als Individuum angesehen, welches äußere Reize aktiv und selbstständig, auf Grundlage seines Entwicklungs- und Erfahrungsstandes, interpretiert und verarbeitet (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010). Der Erfahrungs- und Entwicklungsstand drückt sich in diesem Zusammenhang in der Gesamtheit der Wahrnehmungs-, Verstehens- und Verarbeitungsschemata, welche dem Individuum zur Verfügung stehen, aus (vgl. Euler, 1994). Die Grundannahme dieser Lerntheorie besagt, dass in kognitiven Prozessen des Lernens neue Erfahrungen den bereits vorhandenen kognitiven Strukturen angepasst oder in die beschriebenen Schemata integriert werden (vgl. de Witt, 2008). Neben den internen Prozessen der Wahrnehmung, des Verstehens und der Interpretation sowie der damit einhergehenden Bildung von komplexen Wissensstrukturen integriert die kognitivistische lerntheoretische Ausrichtung die Möglichkeit einer Anregung, Unterstützung und Steuerung von Lernprozessen (vgl. de Witt & Czerwionka, 2007). Beim Kognitivismus steht demnach, die Frage, „welche intern ablaufenden Prozesse in der Interaktion von Lehrmaterial (als externe Bedingung des Lernens) und kognitive Strukturen (als interne Bedingung des Lernens) entstehen können bzw. entstehen sollen“ (Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010, S. 92) im Mittelpunkt.

Eine weitere Lerntheorie, die der Idee des durch Instruktionen angeregten, unterstützten und gesteuerten Lernens jedoch skeptisch gegenübersteht, ist der Konstruktivismus (vgl. Tulodziecki & Herzig, 2004). Der individuellen Wahrnehmung und Verarbeitung von Erlebnissen kommt eine große Bedeutung in diesem lerntheoretischen Ansatz zu. Demnach befasst sich der Konstruktivismus mit internen, psychischen Vorgängen, wobei Lernen, im Gegensatz zum kognitionstheoretischen Ansatz, ausschließlich als ein selbstorganisierter Prozess betrachtet wird, welcher zwar durch Informationen unterstützt, jedoch nicht gesteuert oder angeleitet werden kann (vgl. Tulodziecki & Herzig, 2004).

„Im konstruktivistischen Verständnis strukturiert das Individuum Situationen, in denen es sich befindet, im Sinne einer ‚bedeutungstragenden Gestalt` und gestaltet zugleich die Situation in Wahrnehmung und Handeln mit. Erkenntnisse sind danach individuelle Konstruktionen von Wirklichkeit auf Basis subjektiver Erfahrungsstrukturen“ (Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010, S. 95).

Demzufolge steht ein Lernprozess im Mittelpunkt der konstruktivistischen Ausrichtung, welcher sich an keinem Standard orientierend vollzieht, sondern ein Ergebnis individueller Konstruktionen und Interpretationen von Wirklichkeit ist. Hinsichtlich der Einbindung von beispielsweise Medien in Lernprozesse werden diese lediglich als Informations- bzw. Werkzeugangebote und nicht zur Steuerung dieser Prozesse betrachtet (vgl. de Witt, 2008; Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010). De Witt (2008) fasst das Ziel dieser Lerntheorie als das Erwerben von Wissen durch Lösen komplexer Problemfälle in authentischen Situationen zusammen, indem solche Situationen geschaffen werden, die selbstgesteuert in der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand bewältigt werden sollen.

Aus der Kritik an der konstruktivistischen Ausrichtung, es könnte aus fehlender Anleitung und Unterstützung zur Überforderung und Desorientierung bei den Lernenden kommen, entwickelte sich eine pragmatische Zwischenposition, welche zwischen einer konstruktivistischen und kognitionstheoretischen Grundlegung angesiedelt ist (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010). Dieser Ansatz greift den konstruktivistischen Aspekt der „Bedeutung von Lernen in Problem- bzw. Handlungszusammenhängen“ (Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010, S. 96) auf und verknüpft diesen mit der kognitionstheoretischen Auffassung „der Sinnhaftigkeit eines Aufbaus kognitiver Strukturen bzw. mentaler Modelle durch geeignete Instruktionen“ (Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010, S. 96). Entsprechend dieser Ausrichtung sollen die Lernenden, in anwendungsorientierten, authentischen und unterstützten Situationen zu selbstgesteuertem, entdeckenden und problemorientierten Lernen befähigt werden (vgl. Tulodziecki, Herzig, 2004).

Die beschriebenen Aspekte dieser pragmatischen Zwischenposition manifestieren sich im Lernkonzept des situierten Lernens. Der Kern des situierten Lernens liegt in der Auffassung, dass Wissen von Lernenden selbstgesteuert aufgebaut wird und nicht einseitig weitergegeben werden kann sowie anwendungsbezogen und lebensweltlich ausgerichtet sein soll (vgl. de Haan, 2005; Tulodziecki & Herzig, 2004). „Kompetenzen werden insbesondere dann erfolgreich erworben, wenn das Lernen kontextgebunden geschieht. Zudem sind weite Bereiche des Wissens und Handelns wiederum an Kontexte, also spezifische Situationen, Problemlagen, Handlungsfelder gebunden“ (de Haan, 2005, S. 1). Grundlage dieses Konzeptes ist es demnach, eine Lernumgebung zu schaffen, in der, entsprechend der Lebens- und Lernsituationen der Lernenden, authentische und komplexe Problemfälle verankert werden (vgl. Tulodziecki & Herzig, 2004). Lernen in einer solchen Lernumgebung wird als situativer Prozess angesehen, in welchem eine Wechselwirkung zwischen personeninternen Faktoren und personenexternen, situativen Einflüssen stattfindet (vgl. Mandl, Gruber & Renkel, 2002). Mandl, Gruber und Renkl (2002) verweisen auf fünf Merkmale, die für die Gestaltung einer Lernumgebung im Sinne des situierten Lernens zu beachten sind:

Die Forderung nach komplexen Ausgangsproblemen beinhaltet, dass die Grundlage des Lernens ein komplexes Problem mit einem intrinsisch motivierten Neuigkeitswert darstellt (vgl. de Witt & Czerwionka, 2007).

Ein weiteres Merkmal stellen die Authentizität und Situiertheit dar. Für das zu erwerbende Wissen soll, durch authentische und realistische Probleme, ein Rahmen und Anwendungskontext bereitgestellt werden (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010).

Multiple Perspektiven verweisen auf die Einbettung des Lernenden in mehrere Kontexte, um eine flexible Übertragung auf neue Situationen zu gewährleisten (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010).

Mit dem Merkmal der Artikulation und Reflexion wird gefordert, Problemlöseprozesse, bezüglich ihrer Bedeutung für verschiedene Zusammenhänge, verbal zu beschreiben und zu reflektieren (vgl. Tulodziecki & Herzig, 2004).

Anknüpfend an das vorherige Merkmal betont das Gestaltungsprinzip des Lernens im sozialen Austausch explizit das kooperative Lernen, welchem im sozialen Kontext ein besonderer Stellenwert zugemessen wird (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2010).

3.2 Gestaltung eines emotions- und motivationsförderlichen Unterrichts

In diesem Abschnitt werden emotions- und motivationsförderliche Faktoren für den Unterricht dargestellt. Dahingehend werden die Kontroll-Wert-Theorie (Pekrun, 2006) und die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 1985), die theoretischen Rahmenmodelle dieser Arbeit, beleuchtet, Merkmale abgeleitet und in einen erweiterten wissenschaftlichen Kontext eingebettet. Zunächst werden die allgemeinen Ausrichtungen zur Unterrichtsgestaltung dieser Theorien erläutert und anschließend jeweils konkrete Kriterien genannt, die zum Teil Überschneidungen aufweisen und dementsprechend theorieübergreifende Merkmale darstellen. Die Darstellung dieser Kriterien erfolgt dabei unter besonderer Berücksichtigung der relevanten Aspekte hinsichtlich des dieser Arbeit zugrundeliegenden Projekts.

Die Grundlage für die Entstehung von Motivation ist nach der Selbstbestimmungstheorie die Erfüllung der drei psychologischen Grundbedürfnisse (basic needs): Dem Bedürfnis nach Autonomie, wahrgenommener Kompetenz sowie sozialer Bezogenheit (vgl. Kapitel 2.2). Laut dieser Theorie bilden die Grundbedürfnisse auch die Basis für die konzeptionelle Ausrichtung und Gestaltung einer motivationsfördernden Lernumgebung: „Umwelten, in denen wichtige Bezugspersonen Anteil nehmen, die Befriedigung psychologischer Bedürfnisse ermöglichen, Autonomiebestrebungen des Lerners unterstützen und die Erfahrung individueller Kompetenz ermöglichen, fördern die Entwicklung einer auf Selbstbestimmung beruhenden Motivation“ (Deci & Ryan, 1993, S. 236). Lernumgebungen, die den psychologischen Grundbedürfnissen der SchülerInnen angepasst sind, können die Internalisierung extrinsisch motivierter Handlungen, im Sinne der Organismic Integration Theory (vgl. Kapitel 2.2.1), fördern. Demzufolge führen SchülerInnen Lernhandlungen nicht nur aufgrund von Anweisung der Lehrperson aus, sondern, weil sie einen persönlichen Wert in den Lernhandlungen sehen und somit eine Verknüpfung zu ihren eigenen Zielen und Interessen herstellen können (Deci & Ryan, 1985).

Der Rückgang der Lernfreude im Laufe der Sekundarstufe I, lässt sich in Anlehnung an die Selbstbestimmungstheorie demnach u. a. durch eine mangelnde Passung der schulischen Lernumgebung mit den Grundbedürfnissen der SchülerInnen erklären. In einer Studie von Hagenauer (2011) wurde der Verlauf der Lernfreude zwischen der 6. und 7. Jahrgangsstufe unter Berücksichtigung der Erfüllung der psychologischen Grundbedürfnisse untersucht. Die Ergebnisse bestätigen die Bedeutung der basic needs für die Entwicklung bzw. Minderung von Lernfreude in der Schule. So wurde ein Rückgang der Lernfreude von der 6. zur 7. Jahrgangsstufe ermittelt, während die SchülerInnen von einer verminderten Erfüllung des Kompetenzerlebens durch geringe Kompetenzsteigerung und Aufgabenbewältigung, des Autonomieerlebens durch wenig Mitentscheidungsmöglichkeiten sowie der sozialen Eingebundenheit bezüglich des Verhältnisses zur Lehrkraft, berichteten.

Die Entstehung von Emotionen wird gemäß der Kontroll-Wert Theorie vor allem durch subjektive Bewertungen, sogenannte Appraisals, in Beug auf die Sozialumwelt oder die eigenen Tätigkeiten und deren Folgen bedingt (vgl. Frenzel, Götz & Pekrun, 2020). Im unterrichtlichen Kontext sind insbesondere leistungsbezogene Kontroll- und Wertüberzeugungen von SchülerInnen, wie Selbstwirksamkeitserwartungen oder Leistungsvalenzen, entscheidend für die Bewertung und infolgedessen für das Entstehen und Erleben von Lern- und Leistungsemotionen (vgl. Kapitel 2.1.3). Interventionen sind entsprechend vor allem dann emotionswirksam, wenn diese die Kontroll- und Werteinschätzungen der SchülerInnen beeinflussen. “Accordingly, treatments that aim to influence emotion are assumed to be powerful if they modify learners’ control and value appraisals” (Schukajlow et al., 2017, S. 315). Demzufolge können Änderungen unterrichtlicher Aspekte und Abläufe Einfluss auf die kognitiven Bewertungsprozesse haben und folglich Änderungen habitualisierter Emotionen bewirken. Es wird angenommen, dass ein Einfluss auf diese habitualisierten Emotionen, durch Umgestaltung unterrichtlicher Abläufe, bedeutend für die Verminderung negativer Lern- und Leistungsemotionen ist (vgl. Pekrun, 2006; Zeidner, 1998). Diese Annahme wird durch die Befunde von Götz und Kollegen (2006) hinsichtlich der Gründe für Langeweile im Unterricht gestützt.

Fünf Facetten der Sozialumwelt können, nach Pekrun (2006), wesentlichen Einfluss auf die Kontrolleinschätzung und die Überzeugung hinsichtlich der Bedeutsamkeit von Situationen und Tätigkeiten in Lern- und Leistungskontexten sein: Instruktion, Wertinduktion, Autonomiegewährung, Erwartungen und Zielstrukturen sowie Leistungsrückmeldungen und -konsequenzen.

3.3 Merkmale für einen emotions- und motivationsförderlichen Unterricht

In diesem Abschnitt werden konkrete Merkmale für einen emotions- und motivationsfördernden Unterricht dargestellt. Dabei werden insbesondere die Unterrichtseigenschaften zusammenfassend genannt, die sich aus der Selbstbestimmungstheorie sowie der Kontroll-Wert-Theorie ableiten lassen. Die folgenden Faktoren sind dabei nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden und überschneiden sich zum Teil.

3.3.1 Autonomie

Eines der wesentlichen Merkmale für einen motivations- und emotionsförderlichen Unterricht ist eine autonomieunterstützende Lernumgebung. In der Selbstbestimmungstheorie wird Autonomie als ein psychologisches Grundbedürfnis beschrieben, welches vor allem im Kontext von Lernen und Leistung eine Grundlage für die Entstehung von intrinsischer Motivation bildet (vgl. Deci & Ryan, 1985, 1993; Skinner, Pitzer & Brule, 2014). Dieser Zusammenhang wurde hinsichtlich der Gestaltung von Unterricht in verschiedenen Studien gezeigt. SchülerInnen in autonomieunterstützenden Lernumgebungen und mit autonomieunterstützenden Lehrkräften wiesen dabei nicht nur ein größeres Engagement sowie eine tiefergehende Verarbeitung von Lerninhalten auf, sondern zeigten auch höhere akademische Leistungen und intrinsische Motivation (vgl. Guay, Ratelle & Chanal, 2008; Ryan & Grolnick, 1986; Reeve, Jang, Carrell, Barch & Jeon, 2004; Vansteenkiste, Simons, Lens, Sheldon & Deci, 2004). Darüber hinaus unterstützen autonomiefördernde Aufgaben und Lernumgebungen die wahrgenommene Kontrolle und den intrinsischen Wert leistungsbezogener Aktivitäten (vgl. Tsai, Kunter, Lüdtke, Trauwein & Ryan, 2008). Schlag (2013) betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung handlungsorientierten Lernens: „Eine handlungsorientierte Strukturierung von Lernprozessen schafft einen aktiven Bezug zum Lerngegenstand – das zu Erlernende macht Sinn“ (Schlag, 2013, S. 147).

Wesentlich dafür ist die Gewährung von alters- und leistungsangemessenen Aktivitätsspielräumen, in welchen die SchülerInnen ihre Lernhandlungen entwickeln und erproben können. „Anzustreben ist hier ein sensibles Gleichgewicht zwischen Anleitung und Eigentätigkeit, zwischen innerer Motivation und äußerer Unterstützung, das in dem einen Fall vom Lehrer eine Zurücknahme seiner eigenen Handlungsimpulse und in dem anderen Fall eine stärkere Hilfe verlangt“ (Schlag, 2013, S. 147). Zu komplexe oder unpräzise Aufgaben und Handlungsanweisungen können zu Überforderungen sowie einer Reduzierung der Kontrollüberzeugung führen und entsprechend negativen Einfluss auf das emotionale Erleben haben (vgl. Frenzel et al., 2020). Eine Unterrichtsgestaltung, die auf der anderen Seite auf zu kontrollierende Interaktionen und Anforderungen ausgerichtet ist, kann hingegen SchülerInnen unter Druck setzen und das Autonomieerleben mindern (vgl. Grolnick & Ryan, 1987; Reeve, 2009).

Bei der Gestaltung einer autonomieunterstützenden Lernumgebung sollten demzufolge Möglichkeiten angemessener Selbststeuerung des Lernens sowie Wahlfreiheit, welche die Eigeninitiative fördert, genutzt werden (vgl. Katz & Assor, 2007; Reeve, Nix & Hamm, 2003). Auch in der Kontroll-Wert-Theorie werden der positive Zusammenhang und die reziproken Wirkmechanismen zwischen positiv-aktivierenden Emotionen, wie Lernfreude, und kognitiven Prozessen der Selbstregulation dargestellt (vgl. auch Kapitel 2.1). Der Begriff des selbstregulierten Lernens lässt sich nicht eindeutig und allgemeingültig bestimmen. Weinert (1982) fasst das selbstregulierte bzw. selbstgesteuerte Lernen als eine bewusste, planmäßige und absichtliche Aktivität auf, um ein eigenständig gewähltes Ziel zu erreichen.

Eine Unterrichtsmethode, welche eine handlungsorientierte Struktur aufweist sowie die Möglichkeiten zum selbstregulierten Lernen bietet und somit das Erleben von Autonomie unterstützen kann, stellt das Unterrichtsprojekte dar (vgl. Götz & Nett, 2011; Schiefele & Streblow, 2006). Diese Organisationsform von Unterricht ist so konzipiert, dass es den SchülerInnen ermöglicht wird, sich über einen längeren Zeitraum mit einem Thema zu befassen, selbstgesteuert an einer Problemstellung zu arbeiten sowie Lerninhalte und deren Zusammenhänge zu erfassen und dabei die organisatorischen Abläufe zum Teil selber zu koordinieren (vgl. Ludwig, 2008, 2001). „Das in der Projektmethode angelegte selbstbestimmte Lernen ermöglicht ein hohes Maß an Autonomie. Einwände und sachorientierte Korrekturen werden nicht als Kontrolle erlebt. Auf diese Weise wird die Bereitschaft, den Lernstoff tiefgehend zu bearbeiten, gefördert.“ (Wasmann-Frahm, 2008, S. 42). Ludwig (2001) berichtet von aktiven und zielgerichteten Lernhandlungen der SchülerInnen, Lernfreude und intrinsischer Motivation in verschiedenen Unterrichtsprojekten im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht sowie einem positiven Einfluss auf die Einstellung der SchülerInnen gegenüber dem regulären Unterricht. In einer Befragung von 15 Lehrperson wurde in Bezug auf die Projektmethode unter anderem folgende Kernaussage formuliert: „Durch Projektunterricht erhält man hoch motivierte Lehrende und hoch motivierte Lernende“ (Ludwig, 2001, S. 169). Das selbstständige Arbeiten der SchülerInnen wurde dabei als eines der wichtigsten Elemente von Projekten im Unterricht genannt (vgl. Ludwig, 2001). Eine umfassendere Betrachtung von Unterricht in Form von Projekten folgt in Kapitel 4.2.

3.3.2 Wertinduktion

Die Wertinduktion beschreibt die Kommunikation der Bedeutsamkeit von Lernaktivität sowie Lern- und Leistungsergebnissen. Nach Pekrun (2006) können direkte, wiederholte und verbale Bedeutungszuweisungen sowie indirekt das Verhalten von Lehrkräften oder MitschülerInnen hinsichtlich der Bedeutung von beispielsweise guten Leistungen mit der Zeit dazu führen, generalisierte Überzeugungen bei SchülerInnen zu entwickeln. Die Wertinduktion soll demnach positiven Einfluss auf die Wertüberzeugung der SchülerInnen nehmen, welche nach der Kontroll-Wert-Theorie positive Effekte auf die Entstehung von Lern- und Leistungsemotionen haben (vgl. Frenzel et al., 2020).

Subjektive Werteinschätzungen stehen auch in engem Bezug zur Motivation. Selbstbestimmung, welche nach der Selbstbestimmungstheorie eine Voraussetzung von Motivation darstellt, wird in einer Lernhandlung insbesondere anhand des Grades individueller Relevanz erfahren (vgl. Reeve, 2012).

Eine Möglichkeit der indirekten Wertinduktion und demnach der positiven Einflussnahme auf die Wertüberzeugung von SchülerInnen im Unterricht ergibt sich durch die Wahl der Aufgaben. Diese sollten so konzipiert sein, dass die Bearbeitung subjektive Bedeutsamkeit für die Lernenden aufweist (vgl. Ames, 1992). Die Verwendung von Aufgabenstellungen, die der Lebenswelt der SchülerInnen entnommen werden, stellt eine Möglichkeit dar (vgl. Frenzel & Stephens, 2011; Krapp, 2005). Insbesondere bei mathematischen Aufgabenstellungen muss allerdings, hinsichtlich der sogenannten Authentizität von Realitätsbezügen (vgl. Kaiser, Schwarz & Buchholtz, 2011), darauf geachtet werden, dass subjektive Authentizität, im Sinne individueller Relevanz, hergestellt wird (vgl. Eichler, 2015). Vos (2015) definiert Aufgaben als authentisch, wenn diese aus dem außerschulischen Leben kommen und nicht für den Unterricht konzipiert wurden sowie ein überprüfbarer Aufgabenkontext vorliegt. Neben der Aufgabe an sich kann allerdings auch die Lernsituation Einfluss auf die subjektive Relevanz und entsprechend auf motivationale Faktoren des Lernens haben:

Motivation und Interesse kann vor allem dann aufgebaut werden, wenn sich Lernen in situierten Kontexten abspielt. Damit dies gelingt, sollten authentische Lernsituationen angeboten werden, da ein Transfer von Wissen auf neue und komplexe Probleme auch ein Lernen in komplexen Situationen erfordert“ (Traub, 2012, S. 44).

Auch die Einbettung von Bildungstechnologien im Unterricht kann hinsichtlich der starken Verflechtung von digitalen und sozialen Medien mit der Alltagswelt von SchülerInnen eine indirekte Wertinduktion und damit eine Steigerung der Motivation herbeiführen (vgl. Karpinnen, 2005; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest [MPFS], 2021, 2020). „Digitale Technologien eröffnen auch spezifische Potenziale für die Erhöhung der Authentizität und persönlichen Relevanz in Lernprozessen“ (Irion & Scheiter, 2018, S. 9). Die Möglichkeiten des Einsatzes von digitalen Medien im Unterricht sind dabei sehr vielfältig und dessen affektive Wirkung wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Allein die Art, die Ausgestaltung sowie die Einbettung der genutzten Medien im Unterricht kann bei unterschiedlichen SchülerInnen, mit deren individuellen Vorerfahrungen und Kompetenzen, unterschiedliche Emotionen hervorrufen (vgl. Loderer, Pekrun & Frenzel, 2018; Loderer, Pekrun & Lester, 2020; Karppinen, 2005). Der Einsatz kann somit nicht per se als positive Wertinduktion und damit als emotions- und motivationsförderlich angesehen werden. Es bedarf daher einer differenzierten und auf konkretere Lehr-Lernarrangements ausgerichteten Beurteilung der emotionalen und motivationalen Wirkung (vgl. Petko, 2014). Die allgemeinen Wirkmechanismen von Emotionen im Unterricht (vgl. Kapitel 2) ändern sich hinsichtlich technologiebezogener Lernumgebungen allerdings nicht (vgl. Daniels & Stupnisky, 2012; Loderer, Pekrun & Lester, 2020).

Der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht, lässt sich mit weiteren Merkmalen für einen emotions- und motivationsförderlichen Unterricht kombinieren. Gewährung von Autonomie im Unterricht (vgl. Kapitel 3.3.1) kann hinsichtlich des selbstregulierten Lernens effektiv durch die Einbindung von digitalen Bildungsmedien unterstützt werden (vgl. Perels & Dörrenbächer, 2020). Auch das kooperative Lernen (vgl. Kapitel 3.3.4) lässt sich beispielsweise mithilfe von computergestützten Lernumgebungen fördern (vgl. Vogel & Fischer, 2020; Weinberger, Hartmann, Kataja & Rummel, 2020). Loderer und Kollegen (2018) haben auf Grundlage der Kontroll-Wert-Theorie ein Rahmenmodell zu Ursachen und Wirkung von Emotionen in technologiebasierten Lernumgebungen entwickelt. In diesem Rahmenmodell stellt Mediennutzung nicht nur ein weiteres Gestaltungsmerkmal dar, sondern bestimmt die Lernumgebung, in welche die Merkmale der Sozialumwelt (vgl. Kapitel 3.1, Abb. 5.2) übertragen und um die Merkmale Nutzungs- und ästhetische Qualität und soziale Interaktion ergänzt werden, grundlegend (vgl. Loderer et al., 2018, S. 6). Digitale Bildungstechnologien können demnach ein positives emotionales Empfinden hinsichtlich der Gestaltungsmerkmale zusätzlich fördern oder sogar hervorrufen, wie beispielsweise Induktion subjektiven Werts oder durch Entstehung von Kompetenzerleben. In einer Meta-Analyse von 186 Studien fassen Loderer und Kollegen (2018) die Wirkung von technologiebasierenden Lernumgebungen auf affektive Merkmale allgemein zusammen. In die Analyse gingen Untersuchungen zu Lernumgebungen wie content-management platforms, hypermedia systems, virtual realities und intelligent tutoring systems ein. Dabei wurde ein leichter positiver Zusammenhang in diesen Lernszenarien zwischen Freude und Lernergebnissen festgestellt. Des Weiteren wiesen Lernleistungen in technologiebasierten Lernumgebungen statistisch keine signifikanten Zusammenhänge mit den negativen Lern- und Leistungsemotionen Angst, Frustration und Langeweile auf. Ein auffälliger Befund dieser Meta-Studie ist dabei die starke Korrelation zwischen der positiv-aktivierenden Emotion Freude mit den Appraisals wahrgenommener Wert und wahrgenommene Kontrolle bezüglich dieser Lernumgebungen (vgl. Loderer et al., 2018).

Neben der Einbindung von komplexeren technologiebasierten Lernumgebungen lassen sich auch einzelne mediale Komponenten in den Unterricht integrieren. Insbesondere der Einsatz von Videos gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung in Bildungskontexten (vgl. Findeisen, Horn & Seifried, 2019; Persike, 2020). Dabei gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Darstellungsformen sowie Verwendungs- und Einsatzmöglichkeiten bedingt durch das intendierte Ziel, welches der Nutzung von Videos zugrundliegt (vgl. Obermoser, 2018; Persike, 2020; Schön, 2013). Der Rezeption von Videos mit schulischem Bezug kann im Allgemeinen neben der Lernförderlichkeit (vgl. Fey, 2002; Lloyd & Robertson, 2012; Zierer, 2018) in Abhängigkeit von der Gestaltungsform und zugrundeliegender Ausrichtung sowie individuell subjektiven Präferenzen und Bedeutungszuweisung ein positiver Einfluss auf affektive Merkmale wie Emotionen und Lernmotivation zugeschrieben werden (vgl. Findeisen, Horn & Seifried, 2019; Karppinen, 2005; Zander, Behrens, Mehlhorn, 2020). Eine mögliche Erklärung für diesen positiven Zusammenhang stellt die große Präsenz von Videos und entsprechend die Bedeutsamkeit in der alltäglichen Welt der Heranwachsenden dar (vgl. MPFS, 2020, 2021). „Ein wesentliches Potenzial digitaler Technologien in Repräsentationen ist die Anbindung des schulischen Lernens an die außerschulische Lebenswelt der Kinder“ (Irion & Scheiter, 2018, S. 9). Videos können allerdings nicht nur durch Rezeption in Lernprozesse integriert werden. Auch die Erstellung von Videos mit spezifischen fachlichen Inhaltsbezügen lässt sich in den Unterrichtskontext einbetten. Die Produktion von Videos der SchülerInnen selbst, erweist sich im Zusammenhang mit hoher persönlicher Bedeutsamkeit durch den Bezug zur Alltagswelt als emotions- und motivationsförderlich (vgl. Asensio & Young, 2002; Hakkarainen, 2011; Irion & Scheiter, 2018; Karppinen, 2005; Slopinski, 2016; Smith, 2016). Die Bedeutung der Erstellung von Fotos und Videos in der alltäglichen Mediennutzung von Heranwachsenden wird in den KIM- (Kindheit, Internet und Medien) Studien deutlich. Dabei gaben 34 % der 6 bis 13-Jährigen an, ein- oder mehrmals in der Woche Fotos oder Videos zu erstellen. An jedem oder fast jedem Tag machen 19 % der Befragten dieser Altersgruppe Fotos oder Videos (vgl. MPFS, 2020). Einen weiteren wertinduzierenden Faktor stellt die Videoproduktion durch Lernende im Sinne des Peer Tutoring dar (vgl. Wolf & Kulgemeyer, 2016). In diesem Zusammenhang werden die Videos von Lernenden für Lernende mit dem Ziel der adressatengerechten Vermittlung fachlicher Inhalte oder Zusammenhänge erstellt. Die Produktion erfüllt demnach für die produzierenden SchülerInnen einen spezifischen Zweck und kann somit positiven Einfluss auf die subjektiven Wertüberzeugungen hinsichtlich der Produktionsaktivitäten haben.

Hakkarainen (2011) betont in einer Studie zum bedeutungsvollen Lernen in einem Problem-Based Learning Kurs den Einfluss von Merkmalen bedeutungsvollen Lernens wie Kollaboration, Kooperation sowie eine Emotionen einbindende, experimentelle und multiperspektivisch orientierte Ausrichtung. Die Methode der Produktion von Videos durch die Lernenden lässt sich demnach mit weiteren affektunterstützenden Gestaltungsmerkmalen wie dem Projektunterricht und entsprechend dem selbstregulierten (vgl. Kapitel 3.3.1) und kooperativen (vgl. Kapitel 3.3.4) Lernen verbinden und kann somit zusätzlich das Erleben von Autonomie und Motivation fördern (vgl. Slopinski, 2016).

Trotz vieler Befunde kann allerdings keine pauschale Aussage zur Emotions- und Motivationswirksamkeit von digitalen Bildungsmedien und -technologien im Kontext von Schule und Unterricht gemacht werden. Motivationale Effekte können sich zeitlich bedingt verändern und anfänglich hohe Motivation kann etwa im Zusammenhang mit digitalen Medien mit der Zeit abflachen (vgl. Herzig, 2014). Darüber hinaus kann der Einsatz digitaler Medien unter spezifischen Umständen auch negative Effekte haben. Die kognitive Überforderung kann beispielsweise durch ein zu komplexes Instruktionsdesign oder zu hoher Selbstregulationsanforderungen in technologiebasierten Lernumgebungen motivationsmindernd wirken (vgl. Horz, 2020, Loderer et al., 2018).

Eine nähere Betrachtung und Ausdifferenzierung von Videos im Unterrichtskontext folgt in Kapitel 4.3.

3.3.3 Struktur und Erwartung

Durch Unterricht, der eine klare Struktur ausweist, kann gemäß der Selbstbestimmungstheorie das Kompetenzerleben unterstützt werden (vgl. Skinner, Pitzer & Brule, 2014). In der unterrichtlichen Umsetzung beinhaltet eine klare Struktur insbesondere angemessene Verhaltens- und Leistungsstandards sowie konsistente und ersichtliche Erwartungen und Anforderungen an die SchülerInnen (vgl. Jang, Reeve & Deci, 2010). SchülerInnen sollen dabei Unterstützungsmöglichkeiten bekommen, um herauszufinden wie sie sich verbessern und die angegebenen Erwartungen und Anforderungen erfüllen können. Unvorhersehbares sowie Inkonsistenz und Willkür der Lehrperson, insbesondere bei der Notengebung, kann das Erleben von Kompetenz und folglich die Motivation reduzieren (vgl. Skinner et al., 2014).

Johnson und Johnson (1974) betonen die bedeutsame Funktion von Zielstrukturen in Bezug auf die Entstehung von Emotionen im Unterricht. Der Umfang und die Art dieser Strukturen beeinflussen individuelle Leistungsziele und entsprechend einhergehende Emotionen (vgl. Kaplan & Maehr, 1999; Murayama & Elliot, 2009). In diesem Zusammenhang sind hinsichtlich der in der Kontroll-Wert-Theorie entscheidenden subjektiven Bewertungen insbesondere Erwartungen bedeutsam. Ob ein Leistungsergebnis subjektiv als Erfolg oder Misserfolg bewertet wird, hängt wesentlich von den individuellen Erwartungen ab. Angemessene Erwartungen können die Kontrollüberzeugung und das Kompetenzerleben positiv beeinflussen. Im Gegensatz dazu können zu hohe Erwartungen, insbesondere wenn diese mit einer Form der Bestrafung bei Nichterfüllung verbunden sind, zu einer Fokussierung auf Misserfolg führen, wodurch eine negative Emotionsentwicklung begünstigt werden kann (vgl. Frenzel et al., 2020).

Variationen in den Zielstrukturen bieten den SchülerInnen unterschiedliche Möglichkeiten Lernerfolg zu erfahren, was die wahrgenommene Kontrolle und entsprechend die Emotionen bezüglich der Leistungsergebnisse beeinflussen kann (vgl. Pekrun, 2006). Neben individuellen Zielstrukturen, bei denen die individuelle Leistung unabhängig von anderen SchülerInnen bewertet wird, können Zielstrukturen auch kompetitiv oder kooperativ ausgerichtet sein (vgl. Johnson & Johnson, 1974). Kompetitive Zielstrukturen orientieren sich dabei an normativ-sozialen Vergleichsstandards. Dies bedeutet allerdings, dass Erfolg von SchülerInnen mit Misserfolg von andern SchülerInnen einhergeht (vgl. Pekrun & Perry, 2014). Hinsichtlich der emotionalen Auswirkung zeigen Studien einen Zusammenhang von der negativen Emotion Angst und wettbewerbsgeprägten Lernumgebungen (vgl. Götz, 2004; Zeidner, 1998). Mit kooperativen Zielstrukturen ist hingegen der eigene Erfolg an die kollektive Zielerreichung der Gruppe oder des Partners geknüpft und ist somit, neben individuellen Zielstrukturen, mit Rücksicht auf die Emotionsentwicklung im Unterricht zu bevorzugen (vgl. Frenzel et al., 2020).

3.3.4 Kooperation

Im Vergleich zu Lernumgebungen, die kompetitiv ausgerichtet sind, bieten Settings mit kooperativer Zielstruktur höhere subjektive Kontrolle (vgl. Pekrun, 2006). Auch im Vergleich zu Frontalunterricht im Fach Mathematik berichten Bieg und Kollegen (2017) in kooperativen Lernumgebungen von stärkeren Zusammenhängen mit positiven Emotionen, wie Freude und Stolz, sowie einer geringeren Relation zu Langeweile, was für eine erhöhte subjektive Kontrollüberzeugung bei den SchülerInnen spricht. Studien zur Selbstregulation mit Elementen kooperativen Lernens im Fach Mathematik bestätigen größtenteils die positiven Effekte, wie beispielsweise zur Wertüberzeugung den Aufgaben gegenüber (vgl. Marcou and Lerman, 2007; Schukajlow, Leiss, Pekrun, Blum, Müller & Messner, 2012). In einer weiteren Untersuchung zu Selbstregulation und Problemlösen im Mathematikunterricht von Perels und Kollegen (2005), in welcher die SchülerInnen der Interventionsgruppe über einen wesentlichen Zeitraum zusammen in Gruppen arbeiteten, wurden positive Effekte auf Selbstreflexion, -wirksamkeit, -regulation und Motivation ermittelt. Obwohl in dieser Untersuchung der direkte Einfluss kooperativen Lernens auf die Motivation nicht kausal gezeigt wurde, weisen die Befunde auf einen Zusammenhang hin.

In der Selbstbestimmungstheorie bildet soziale Eingebundenheit als psychologisches Grundbedürfnis eine Grundlage für die Entstehung von intrinsischer Motivation und Lernfreude (vgl. Deci & Ryan, 1985; Ryan & Deci, 2002). Kooperative Lernumgebungen können die Erfüllung dieses Bedürfnisses unterstützen (vgl. Pekrun & Perry, 2014). “Cooperative learning has the additional advantage of serving students’ social needs, thus possibly also contributing to their appreciation of academic engagement” (Pekrun, 2006, S. 335). SchülerInnen können aus dem sozialen Zusammenhalt und Interaktionen Motivation schöpfen und sind eher zu kooperativem Arbeiten bereit (vgl. Cohen, 1994, Linnenbink-Garcia, Rogat & Koskey, 2010). Bei dieser Perspektive der sozialen Kohäsion wird die Effektivität kooperativen Lernens durch die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder einer Lerngruppe aus gegenseitigem und gruppenbezogenem Wohlwollen erklärt (vgl. Slavin, 1993). „Bei Kooperation werden in aller Regel Potentiale der Gruppe in günstiger Weise genutzt: der Leistungsschwächere profitiert unter Umständen besonders von der Erklärung durch Mitschüler, und Leistungsstärkere ziehen Gewinn aus der Gelegenheit, anderen etwas vermitteln zu können“ (Schlag, 2013, S. 142).

Wie im Hinblick auf das Gestaltungsmerkmal Autonomie im Unterricht (vgl. Kapitel 3.3.1), stellt auch zur Unterstützung von kooperativen Lernhandlungen der Projektunterricht in Kleingruppen eine geeignete Methode dar (vgl. Wasmann-Frahm, 2008). Die Gruppenmitglieder arbeiten in dieser Unterrichtsform gemeinsam an einer Problemstellung, dessen erfolgreiche Bewältigung und entsprechend der individuelle Erfolg der Gruppenmitglieder vom Gruppenerfolg abhängig ist (vgl. Frenzel et al., 2020; Pekrun, 2006). Um dieses förderliche Bedingungsverhältnis zu unterstützen empfiehlt Slavin (1995) eine Belohnungsstruktur, welche sich aus Gruppenbelohnung und individueller Verantwortlichkeit zusammensetzt. Auf diese Weise können sowohl die Lernmotivation als auch die Motivation zum kooperativen Arbeiten gefördert werden. Selbstwirksamkeitserfahrungen für die Gruppe können dabei, ausgehend von einer Stärkung individueller Verantwortung, ermöglicht werden (vgl. Huber, 2000).

Ein weiterer bedeutsamer Faktor für das Gelingen kooperativen Lernens hinsichtlich einer emotions- und motivationsförderlichen Ausrichtung sind die Aufgaben bzw. die Problemstellungen selbst. Diese sollten so gestaltet sein, dass Interesse bei den SchülerInnen geweckt und somit die Motivation gesteigert wird, sich mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen. Gelingt dies nicht, verweisen Renkl und Mandl (1995) auf die Gefahr, dass sich die Lernenden lediglich mit minimalem Aufwand mit der Bearbeitung befassen, wodurch lern- und motivationsfördernde Interaktionen innerhalb der Gruppe ausbleiben könnten. Diese Gefahr kann zum einen durch Wertinduktion (vgl. Kapitel 3.3.2) und zum anderen durch Verwendung von wirklichen Gruppenaufgaben (vgl. Cohen, 1994), welche nur im Kollektiv befriedigend bewältigt werden können, gemindert werden. In diesem Zusammenhang soll es allen Gruppenmitgliedern möglich sein, einen eigenständigen Beitrag zur Gruppenlösung beizutragen und dabei unterschiedliche individuelle Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen zu können (vgl. Berger & Walpuski, 2018; Schiefele, 2004). Die Erfüllung der psychologischen Grundbedürfnisse der sozialen Bezogenheit und des Kompetenzerlebens wird dahingehend unterstützt (vgl. Ryan & Deci, 2000).

3.3.5 Instruktionsqualität und Aufgabenanforderung

Instruktionen, die hinsichtlich der Präsentation von Lerninhalten und Aufforderung zu Lernaktivitäten in klar strukturierter und verständlicher Weise formuliert sind, tragen einerseits zu einem realen Wissens- und Kompetenzzuwachs und andererseits zu positiven subjektiven Kontrollüberzeugungen, im Sinne der Kontroll-Wert-Theorie, bei (vgl. Loderer et al., 2018; Pekrun, 2006). „Für Kontroll-Appraisals in Lern- und Leistungssituationen ist somit die kognitive Qualität während des Instruktionsprozesses von großer Bedeutung“ (Frenzel et al., 2020, S. 225).

Neben der Instruktionsqualität hat die Auswahl der Anforderung und Art von Aufgaben Einfluss auf situative Appraisals. Hinsichtlich ihrer Struktur, Eindeutigkeit und dem Potenzial für kognitive Aktivierung können Aufgaben positive Auswirkungen auf den wahrgenommenen Wert sowie die wahrgenommene Kontrolle von SchülerInnen und demzufolge auf Lern- und Leistungsemotionen haben (vgl. Cordova & Lepper, 1996). Dabei liegt eine besondere Herausforderung in der Auswahl oder Gestaltung von Aufgaben, deren Anforderungen in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Fähigkeiten der SchülerInnen stehen sollten. Dadurch kann der intrinsische Anreiz hinsichtlich des wahrgenommenen Werts hochgehalten und zugleich eine Unter- und Überforderung, welche negativen Einfluss auf die Wert- und Kontrollüberzeugung und folglich auch auf die Entstehung von Emotionen in Lern- und Leistungskontexten haben kann, vermieden werden (vgl. Loderer et al., 2018; Pekrun & Perry, 2014). Darüber hinaus wird durch eine strukturierte und verständnisorientierte Instruktion sowie durch die Anpassung der Schwierigkeitsgrade an den Kenntnisstand der SchülerInnen die Erfüllung des psychologischen Grundbedürfnisses nach Kompetenzerleben, im Sinne der Selbstbestimmungstheorie, gefördert (vgl. Schiefele, 2004).

3.3.6 Rückmeldung

Die reziproken Wirkmechanismen von Leistung und affektiven bzw. motivationalen Merkmalen werden maßgeblich von Rückmeldungen bedingt. Für SchülerInnen gelten diese als wesentliche Referenz bezüglich der eigenen Leistungsentwicklung und sind demnach bedeutsam für die Entstehung von Kompetenzüberzeugungen, welche in enger Verbindung zur wahrgenommenen Kontrolle stehen (vgl. Loderer et al., 2018). Häufiger Erfolg und positive Rückmeldungen können die wahrgenommene Kontrolle bestärken, während häufige Misserfolge und negative Rückmeldungen Kontrollüberzeugungen von Lernenden reduzieren können. Leistungsrückmeldungen sind demnach entscheidend für die Entwicklung von lern- und leistungsbezogenen Emotionen (vgl. Hascher & Hagenauer, 2010; Pekrun & Perry, 2014). Unabhängig davon, ob diese positiv oder negativ sind, sollten Rückmeldungen lernzielorientiert ausgerichtet sein und die Kontrollierbarkeit von Lernen sowie die Bedeutsamkeit von Anstrengungen unterstreichen (vgl. Perry, Chipperfield, Hladkyj, Pekrun & Hamm, 2014). Dadurch kann Angst oder Frustration bei den SchülerInnen verringert und positiver Einfluss auf das emotionale Erleben im Unterricht genommen werden. Insbesondere negative Rückmeldungen haben negative Auswirkungen auf Affekt und Motivation und sollten daher nicht wiederholt auf unzureichende Leistungen zielen, sondern Misserfolg als veränderbar darstellen und Lern- und Verbesserungsmöglichkeit aufzeigen (vgl. Zeidner, 1998). Im Rahmen der Cognitive evaluation theory wurde die Wirkung von Interaktionsereignissen (social-contextual events), wie Rückmeldungen und Belohnungen, auf die intrinsische Motivation untersucht: “The theory argues, first, that social-contextual events (e.g., feedback, communications, rewards) that conduce toward feelings of competence during action can enhance intrinsic motivation for that action. Accordingly, optimal challenges, effectance-promoting feedback, and freedom from demeaning evaluations were all found to facilitate intrinsic motivation” (Ryan & Deci, 2000, S. 70).

Neben den Rückmeldungen bedingen deren Konsequenzen die Entstehung von Lern- und Leistungsemotionen. Diese haben besonders Einfluss auf den subjektiv wahrgenommenen Wert von Leistungsergebnissen. Die persönliche Relevanz dieser Konsequenzen (bei Erfolg: z. B. die Qualifikation für einen bestimmten Beruf; bei Misserfolg: z. B. keine Zulassung für Abiturprüfungen) intensiviert positives, gleichermaßen wie negatives emotionales Erleben (vgl. Frenzel et al., 2020; Pekrun & Perry, 2014). Negative Konsequenzen nach Misserfolg, wie Bestrafungen, sollten im Sinne einer emotionsfördernden Lernumgebung vermieden werden, da diese etwa zur Entwicklung von Prüfungsangst beitragen können (vgl. Zeidner, 1998).

3.4 Zusammenfassung

Die dargestellten Gestaltungsmerkmale und die in deren Zusammenhang durchgeführten Studien zeigen, dass durch gezielte Unterrichtsmaßnahmen positiv auf das affektive und motivationale Erleben von SchülerInnen im Unterricht Einfluss genommen werden kann.

Insbesondere die Gewährung von Aktivitätsspielräumen innerhalb der Lernprozesse, in welchen die SchülerInnen Lernhandlungen selbstgesteuert organisieren, erproben und durchführen und der Einbezug kooperativer Lernarrangements sind effektive Maßnahmen zur Förderung positiver Lern- und Leistungsemotionen sowie der Motivation. Eine Möglichkeit diese Aspekte effektiv in den Unterricht zu integrieren biete der Projektunterricht (vgl. Kapitel 3.3.1; 3.3.4).

Eine Grundlage für die Entstehung und das Erleben positiver Emotionen sowie motiviertem Verhalten in Bildungskontexten ist die subjektive Bedeutsamkeit. SchülerInnen führen Lernhandlungen mit größerer Motivation aus, wenn diese einen subjektiven Wert besitzen. Die Verwendung von authentischen Aufgabenstellungen, welche Bezüge zur Alltagswelt der SchülerInnen aufweisen, kann das Bedeutsamkeitsempfinden der SchülerInnen dahingehend beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist die Nutzung von digitalen Medien und insbesondere Videos, sowohl rezipierend als auch produzierend, als mögliche Unterrichtsmaßnahme zu nennen (vgl. Kapitel 3.3.2).

Ein weiterer entscheidender Faktor für eine emotions- und motivationsförderliche Lernumgebung stellt die Kommunikation zwischen Lehrperson und Lerngruppe dar. Die Lehrperson sollte dabei eine klare Unterrichts- und Instruktionsstruktur mit ersichtlichen und angemessenen Anforderungen und Erwartung kommunizieren sowie lernzielorientierte Rückmeldungen formulieren. Auch die Anforderungen von Aufgaben im Unterrichtskontext sollte in Bezug auf das Leistungsniveau der Lerngruppe angemessen gewählt werden, um Über- und Unterforderungen und entsprechend negative Effekte auf Wert- und Kontrollüberzeugungen sowie das Kompetenzerleben der SchülerInnen zu vermeiden (vgl.  Kapitel 3.3.3; 3.3.5; 3.3.6).

In Tabelle 3.1 sind die Gestaltungsmerkmale und wie diese umgesetzt werden können sowie die Auswirkungen auf Emotionen und Motivation im Unterrichtskontext zusammengefasst.

Tabelle 3.1 Zusammenfassung der emotions- und motivationsfördernden Gestaltungselemente