In diesem Kapitel wird der theoretische Rahmen hinsichtlich der emotions- und motivationsförderlichen Ausrichtung des geplanten Projekts gesetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Phänomene Emotionen und Motivation sowie deren Einfluss auf das Lernen. Die Begriffe werden zunächst grundsätzlich definiert und erklärt, bevor sie anschließend auf Grundlage der Kontroll-Wert-Theorie nach Pekrun (2006) sowie der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1985) im schulischen Kontext und insbesondere hinsichtlich des Mathematikunterrichts betrachtet werden.

2.1 Emotionen

„Der schulische Alltag ist durchdrungen von Emotionen. Klassenzimmer sind keine ‚kühlen Räume‘, sondern Ort, an denen eine bunt gemischte Gruppe von Menschen miteinander interagieren, und in denen Erfolge und Misserfolge auf der Tagesordnung stehen.“

Götz (2011, S. 29)

An Orten, an welchen Menschen miteinander interagieren und deren Handlungen mit einer spezifischen Konsequenz in Zusammenhang stehen, haben Emotionen eine bedeutsame Funktion für das Verhalten (vgl. u. a. Gläser-Zikuda, Hofmann, Bonitz & Lippert, 2018). Dass die Schule und insbesondere das Klassenzimmer ein solcher Ort ist, betont Götz (2011) im oben genannten Zitat. In diesem Abschnitt werden Emotionen sowie deren Entstehung und Auswirkung auf lernrelevante Prozesse näher betrachtet. Bevor Emotionen jedoch im Kontext schulischer Lernsituationen dargestellt werden, wird der Begriff Emotion zunächst im Allgemeinen definiert und dessen mehrdimensionale Ausprägung vorgestellt.

Der Mensch und dessen Denken und Handeln sind untrennbar mit Emotionen verbunden. In seinem Sein konstituiert sich der Mensch durch seine Gefühle und Emotionen. Sie charakterisieren ihn in seinem Wesen und machen ihn zu dem, der er ist und in Zukunft sein wird. „Emotionen und Gefühle sind also ein wesentlicher Bestandteil dessen, was den Menschen als biologisches, psychologisches und sozio-kulturelles Wesen ausmacht“ (Huber und Krause, 2018, S. 4). In dieser philosophischen Betrachtungsweise stellen Huber und Krause (2018) die Bedeutung von Emotionen für den Menschen als Individuum heraus. So konfus und individuell, wie emotionale Eindrücke in spezifischen Situationen sein können, so heterogen sind die Zugänge in der Erforschung und Beschreibung von affektiven Konstrukten. Es existieren unterschiedliche Forschungsrichtungen, die sich grundsätzlich mit der Erforschung von Emotionen befassen oder, wie die Pädagogische Psychologie, eher interdisziplinär ausgerichtet sind und die unterschiedlichen Einflüsse, Auswirkungen, Intensitäten oder Dauer von emotionalem Erleben in erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Kontexten untersuchen. Es zeigt sich eine hohe Diversität in Bezug auf Forschungsschwerpunkte verschiedener Theorien und selbst die Bezeichnungen derselben emotionalen Phänomene unterscheiden sich in der Fülle an empirischen Forschungsansätzen und Befunden (vgl. Huber, 2018).

So wird der Begriff Emotion oftmals mit dem des Gefühls gleichgesetzt und bezieht sich dabei auf die inneren Prozesse, die durch ein charakteristisches psychisches Erleben, den inneren gefühlten Kern, gekennzeichnet sind (vgl. Gläser-Zikuda, Hofmann, Bonitz & Lippert, 2018). In der weitgehend etablierten Komponentendefinition von Emotionen (vgl. Scherer, 1984, 1993; Pekrun, 2000) bildet dieser gefühlte Kern, die affektive Komponente, aus einem multidimensionalen System koordinierter Prozesse von kognitiven, motivationalen, physiologischen und expressiven Subsystemen. Die affektive Komponente beschreibt die subjektive Gefühlsausprägung, indem Situationen hinsichtlich der Dimension Valenz als positiv und entsprechend angenehm oder negativ bzw. unangenehm empfunden werden. Die weiteren Komponenten von Emotionen umfassen die Wahrnehmung und Bewertung von Situationen und Verhalten oder emotionsspezifische Gedanken, wie die Sorge in Prüfungssituationen zu versagen (kognitiv), emotionstypische Handlungsimpulse, wie die Vermeidung von Unangenehmem (motivational), körperliche Veränderungen in emotionsrelevanten Situationen, wie die Erhöhung der Herz- oder Atemfrequenz (physiologisch) und emotionsabhängiges Ausdrucksverhalten, wie die Körperhaltung oder Stimme (expressiv). Die Entstehung und das Erleben von Emotionen sind höchst subjektiv und werden durch individuelle Bewertungen und Bedeutungen einer Person hinsichtlich eines Ereignisses bestimmt (vgl. Gläser-Zikuda, Hofmann, Bonitz & Lippert, 2018). Hasselhorn und Gold (2013, S. 125) definieren Emotionen zusammenfassend:

„Unter Emotionen versteht man komplexe Muster körperlicher und mentaler Veränderungen. Sie umfassen physiologische Erregungen, Gefühle, kognitive Prozesse und Reaktionen im Verhalten als Antworten auf eine Situation, die als persönlich bedeutsam wahrgenommen wurde. Diese Muster können relativ überdauernder, dispositioneller Art sein oder aber auch intraindividuell sehr variabel ausfallen.“

Emotionen lassen sich hinsichtlich verschiedener Merkmale kategorisieren. Neben der bereits beschriebenen Valenz (positive/negative Gefühlsausprägung) lassen sich Emotionen auch in Bezug auf ihre Stabilität und Dauer unterscheiden. Situativ schwankende und flüchtige Emotionen werden als emotionale States bezeichnet (vgl. Shuman & Scherer, 2014). Emotionale Traits umfassen hingegen stabilere Reaktionstendenzen und emotionale Dispositionen einer Person (vgl. Rosenberg, 1998). Frenzel und Götz (2007, S. 284) beschreiben den Zusammenhang dieser Ausprägungen, indem sie Traits als „persönlichkeitsbedingte Neigung“ bezeichnen, „auf Situationen wiederholt mit spezifischen emotionales States zu reagieren“. Im Gegensatz zu Einstellungen (attitudes) und Beliefs ändern sich Emotionen schneller und sind intensiver (vgl. Philipp, 2007).

Im Folgenden werden Emotionen im Kontext von Schule und Unterricht betrachtet sowie insbesondere deren Ursachen und Wirkungen auf verschiedene kognitive Prozesse dargestellt.

2.1.1 Emotionen im Kontext von Schule und Lernen

Denkt man an eine Schülerin, die Stolz ihre ersten Lesefortschritte präsentiert, den angehenden Abiturienten, dem die Hände vor Angst zittern, während er vor der Abiturklausur sitzt oder die Studienanfängerin, die erleichtert auf das knappe Ergebnis der ersten Modulklausur blickt, wird einem schnell bewusst, dass Emotionen und Lernen in enger Beziehung zueinander stehen. Gleichzeitig zeigen diese Beispiele die Vielfalt von emotionalen Ausprägungen in pädagogischen Settings.

In diesem Abschnitt wird nun den Fragen nachgegangen, welche Bedeutung Emotionen für das Lernen von SchülerInnen haben. Sind sie lediglich Begleiterscheinungen und Mittel zum Zweck der Leistungsoptimierung und Kompetenzentwicklung? Oder stellen Emotionen selbst auch Ergebnisse von Lern- und Bildungsprozessen dar?

Emotionen kommen im Schulalltag ein hoher Stellenwert zu (vgl. Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014). Vor allem in Bezug auf das Lernverhalten zeigt sich an drei Schlüsselstellen die zentrale Bedeutung von Emotionen in Bildungskontexten: „Sie repräsentieren ein Element der individuellen Voraussetzungen, sie bestimmen den Lernprozess mit und sie stellen ein Ergebnis des Lernens dar“ (Hascher & Brandenberger, 2018, S. 292 f.). Dabei werden Lernprozesse sowohl im Hinblick auf die Interaktion mit Lehrenden und den anderen Lernenden als auch auf die Interaktion mit Lerninhalten von Emotionen begleitet. Die Wirksam- und Nützlichkeit von Lernangeboten hängt demzufolge auch von emotionalen Prozessen ab (vgl. Hänze, 2000). Sie bestimmen die Richtung des Lernverhaltens bezüglich Annäherung oder Vermeidung sowie Aufrechterhaltung oder Abbruch und haben Einfluss auf kognitive Prozesse, wie die Informationsverarbeitung oder die Wahl von Lern- und Problemlösestrategien (vgl. Hascher & Brandenberger, 2018; Pekrun, 2006; 2018; Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014). Das Lösen einer Aufgabe kann somit Freude an der Herausforderung, aber auch Angst vor Misserfolg hervorrufen; eine Gruppenarbeit kann Spaß machen und produktiv sein, aber auch frustrieren, wenn die Zusammenarbeit nicht gelingt; die Einführung in ein neues Themenfeld kann Interesse wecken oder auch mit Langeweile und einer Abwehrreaktion gegenüber diesen Lerninhalten einhergehen. Die Entstehung und das Erleben von Emotionen in Schul- und Unterrichtskontexten sind darüber hinaus fachspezifisch geprägt. Demnach sind SchülerInnen nicht im Allgemeinen als beispielsweise prüfungsängstlich oder lernfreudig zu betrachten, sondern eher hinsichtlich bestimmter Fächer (vgl. Goetz, Frenzel, Pekrun, Hall & Ludtke, 2007).

Diese Emotionen, die in Lernsituationen und im Unterrichtskontext hervorgerufen werden, nennt Pekrun (2006) Lern- und Leistungsemotionen, da sie von schulspezifischen Faktoren beeinflusst und „in Bezug auf leistungsbezogene Aktivitäten und die Ergebnisse dieser Aktivitäten erlebt werden“ (Götz, 2011, S. 29).

Lern- und Leistungsemotionen lassen sich auf Grundlage verschiedener Kriterien kategorisieren: Neben der Unterscheidung hinsichtlich ihrer Valenz in positive (subjektiv angenehm) und negative (subjektiv unangenehm) kommt der Dimension der Aktivierung eine zentrale Funktion bezüglich des subjektiven Erlebens von Lern- Leistungsemotionen zu (vgl. Pekrun & Jerusalem, 1996). Demzufolge lassen sich Lern- und Leistungsemotionen im Hinblick auf ihr Aktivierungspotential in aktivierende und deaktivierende Emotionen unterteilen (vgl. Linnenbrink, 2007). Aus dieser zweidimensionalen Differenzierung lassen sich vier Untergruppen von Lern- und Leistungsemotionen ableiten: Positiv-aktivierende Lern-Leistungsemotionen, wie Lernfreude und Stolz, sollen mit positiven und leistungsförderlichem Lernverhalten assoziiert sein (vgl. Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014). Im Gegensatz dazu sollen negativ-deaktivierende Lern-Leistungsemotionen, wie Langeweile und Enttäuschung, ungünstige Effekte auf Lernprozesse und entsprechend auf Lern- bzw. Leistungsergebnisse ausüben (vgl. Goetz & Hall, 2014). Bei der Gruppe der negativ-aktivierenden Emotionen, wie Angst, Ärger und Scham, sowie den positiv-deaktivierenden Emotionen im Schulkontext, wie Erleichterung oder Zufriedenheit, können keine einheitlichen Aussagen über deren Wirkung gemacht werden. Ärger, Angst und Scham können beispielsweise kognitive Ressourcen reduzieren und wirken sich damit negativ auf Lernprozesse aus, können allerdings auch positive Auswirkungen auf die zukünftige Wahl von Lernstrategien haben. Auch bei den positiv-deaktivierenden Lern- und Leistungsemotionen ist eine ambivalente Wirkung zu beobachten. So können diese negative Effekte durch eine kurzfristige Reduzierung der Aufmerksamkeit und Leistungsbereitschaft, längerfristig allerdings positiven Einfluss auf das Lernverhalten haben, da die Lernbereitschaft erhöht werden kann (vgl. Pekrun, Lichtenfeld, Marsh, Murayama & Götz, 2017; Götz, 2004).

In den jeweiligen Emotionsgruppen lassen sich darüber hinaus noch weitere Differenzierungen hinsichtlich des Objektfokus vornehmen. Dabei unterscheidet man Emotionen, die sich auf eine Aktivität (z. B. Lernfreude bei positiv-aktivierenden Emotionen) und jene, die sich auf das Ergebnis einer Aktivität beziehen. Bei Lern- und Leistungsemotionen, die sich auf ein Ergebnis beziehen, wird zudem zwischen Emotionen vor einem Ergebnis (z. B. Angst als negativ-aktivierende Emotion) und Emotionen nach einem Ergebnis (z. B. Stolz als positiv-aktivierende Emotion) unterschieden (vgl. Pekrun & Perry, 2014).

Eine differenziertere Betrachtung der Wirkung von spezifischen Lern- und Leistungsemotionen folgt in Abschnitt 2.1.4 hinsichtlich kognitiver und in Abschnitt 2.3 in Bezug auf motivationale Prozesse. Die Auswirkungen von verschiedenen Typen von Lern- und Leistungsemotionen auf die schulische Leistungsentwicklung von SchülerInnen werden ausführlich in Abschnitt 2.4 dargestellt.

2.1.2 Habitualisierung von Lern- und Leistungsemotionen

Auch im Kontext von Schule und Unterricht betrachtet man Emotionen, die sich auf die aktuelle Situation beziehen, als State Emotionen, wohingegen emotionale Traits als habituelle Emotionen zu verstehen sind (vgl. Ulich & Mayring, 1992). Der Zusammenhang von State und Trait Emotionen wird insbesondere in Lern- und Leistungssituationen ersichtlich. Werden in diesen Situationen häufig lernförderliche Emotionen erlebt, so erhöht sich nicht nur kurzfristig die Qualität der Lernprozesse (vgl. Hascher, 2004). Auch zukünftiges Verhalten in vergleichbaren Situationen kann beeinflusst werden, indem ähnliche emotionale Reaktionen, Trait Emotionen, hervorgerufen werden (vgl. Sansone, Weir, Harpster & Morgan, 1992; Ainley, 2006). Die Entwicklung von negativen Trait Emotionen kann wiederum durch vermehrtes Erleben von negativen Erfahrungen bei SchülerInnen begünstigt werden (vgl. DeBellis & Goldin, 2006; Hannula, 2002). Erlebt eine Schülerin beispielsweise häufig Frustration beim Bearbeiten von Mathematikaufgaben, so ist anzunehmen, dass sich daraus emotionale Dispositionen entwickeln und in ähnlichen Situationen erneut Frustration entsteht. Diese Habitualisierung von emotionalen States beschreibt dementsprechend eine Festigung affektiver Tendenzen und kann als individuelle Lernvoraussetzung betrachtet werden (vgl. Hascher & Brandenberger, 2018).

2.1.3 Entstehung von Emotionen

Die Relevanz von Lern- und Leistungsemotionen hinsichtlich der Lernprozesse von SchülerInnen führt zu der Frage, inwieweit Unterricht über die kognitiven Instruktionseffekte hinausgeht und lernförderliche Emotionen bei den Lernenden hervorruft. Um eine Antwort darauf geben zu können muss zunächst der Frage nach der Entstehung von Emotionen insbesondere in Lern- und Leistungssituationen nachgegangen werden.

Die emotionstheoretische Forschung bietet eine Vielzahl an Modellen, welche sich mit dieser grundlegenden und zugleich strittigen Frage bezüglich der Entstehung von Emotionen befassen (vgl. Huber, 2018). Es fällt auf, dass verschiedene Menschen auf ein spezifisches Ereignis komplett unterschiedlich reagieren. Andersherum gibt es Situationen in denen Menschen eine ähnliche emotionale Reaktion zeigen. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Angst vor Höhe, welche die meisten Menschen in unterschiedlich intensiver Ausprägung aufweisen.

Eine Erklärung dafür bieten in der Emotionsforschung die sogenannten Appraisal-Theorien (vgl. Scherer, Schorr & Johnstone, 2001). Diese besagen, dass Emotionen nicht durch die Situation oder eine Tätigkeit selbst, sondern vielmehr durch die subjektive Bewertung dieser Situation, der Tätigkeit oder der eigenen Person, hervorgerufen werden (vgl. Frenzel, Götz & Pekrun, 2020). Welche Emotionen in welcher Intensität von einem Menschen erlebt werden, hängt von der individuellen Konstellation und Gewichtung dieser kognitiven Bewertungsprozesse, den sogenannten Appraisals, ab (Scherer et al., 2001). In seinem Komponenten-Prozess-Modell beschreibt Klaus Scherer (1984, 2009) vier Einschätzungsdimensionen einer Situation: (1) Relevanz/Wichtigkeit, (2) Auswirkung/Implikation, (3) Bewältigungspotential und (4) normative Signifikanz, aus deren subjektiver Einzelbewertungen die endgültige Bewertung und folglich die emotionale Reaktion resultiert (Scherer, 2009).

Insbesondere bei schulischem Lernen können Appraisal-Theorien zur Erklärung emotionaler Reaktionen herangezogen werden. In der Kontroll-Wert-Theorie (Pekrun, 2006), welche auf appraisal-theoretischen Grundlagen basiert, werden, neben genetischer Veranlagung und neurophysiologischen Prozessen, insbesondere die kognitiven Appraisals wahrgenommene Kontrolle über und Wert einer Situation, Tätigkeit oder eines Ergebnisses als relevant für die Entstehung von Lern- und Leistungsemotionen angesehen.

Individuell wahrgenommene Kontrolle bezieht sich demnach auf situative Kontrollwahrnehmungen („Diese Aufgabe ist zu schwer, ich kann sie nicht lösen“), zukunftsgerichtete Kausalerwartungen („Wenn ich mich anstrenge, kann ich die Prüfung bestehen“) sowie rückblickende Kausalattributionen, wobei die Ursachenzuschreibung sowohl nach innen („Ich habe die Prüfung bestanden, weil ich sehr viel dafür gelernt habe“) als auch nach außen („Ich habe die Prüfung bestanden, weil die Lehrerin sehr leichte Aufgaben gestellt hat“) gerichtet sein kann (vgl. Loderer, Pekrun & Frenzel, 2018). Es wird angenommen, dass Kontrollkognitionen positiv mit lernförderlichen Emotionen korrelieren (vgl. Pekrun, 2006). Studien zeigten diesen Zusammenhang hinsichtlich Freude, Stolz und Hoffnung sowie negative Korrelationen in Bezug auf Prüfungsangst, Scham, Hoffnungslosigkeit und Langeweile (vgl. Ahmed, Minnaert, & van der Weerf, 2010; Davis, DiStefano, & Schutz, 2008; Folkman & Lazarus, 1985; Goetz, Frenzel, Hall & Pekrun, 2008; Pekrun, Goetz, Frenzel, Barchfeld, & Perry, 2011; Zeidner, 1998). Die kognitiven Konstrukte des Selbstkonzepts, die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Leistung, und der Selbstwirksamkeit, die Überzeugung eine Aufgabe zu meistern, stehen in enger Verbindung mit der situativen Kontrollwahrnehmung. Sie formen Erwartungen hinsichtlich Erfolg und Vermeidung von Misserfolg und legen somit die Grundlage für die wahrgenommene Kontrolle in Lernsituationen (vgl. Pekrun & Perry, 2014; Van der Beek, Van der Ven, Kroesbergen, & Leseman, 2017). Das Selbstkonzept von SchülerInnen korreliert dabei im Fach Mathematik positiv mit Freude und negativ mit Angst und Scham (vgl. Pekrun, vom Hofe, Blum, Frenzel, Goetz & Wartha, 2007).

Der wahrgenommene Wert beschreibt hingegen die Beurteilung einer Lernaktivität oder eines Lern- und Leistungsergebnisses als positiv oder negativ und die subjektive Bedeutsamkeit, welche sich zum einen auf intrinsische („Ich empfinde die Aufgabe als sehr interessant“) und zum anderen auf extrinsische Faktoren („Die Prüfung ist wichtig in Bezug auf meinen zukünftigen beruflichen Werdegang“) beziehen kann (vgl. Loderer et al., 2018). Mit Ausnahme von Langeweile korrelieren Wertkognitionen positiv sowohl mit positiven als auch mit negativen Lernleistungsemotionen (vgl. Artino & Jones, 2012; Goetz, Pekrun, Hall & Haag, 2006; Pekrun, vom Hofe, Blum, Frenzel, Goetz & Wartha, 2007). Für Langeweile zeigen sich hingegen negative Korrelationen: Eine hohe Bedeutsamkeit geht demzufolge mit reduzierter Langeweile einher (vgl. Vogel-Wakutt, Fiorella, Carper, & Schatz, 2012).

Nach der Kontroll-Wert-Theorie (vgl. Pekrun, 2006) bestimmt die Kombination aus Kontroll- und Wertkognitionen zu einem hohen Maß, welche Emotionen in Lern- und Leistungskontexten erlebt werden. Es ist also davon auszugehen, dass Lernfreude durch eine hohe Kontrollwahrnehmung, basierend auf einer hohen Selbstwirksamkeit sowie akademischem Selbstkonzept und einer intrinsischen Bedeutsamkeit in Bezug auf das Lernen als Tätigkeit und dem Referenzobjekt, dem Lernmaterial, hervorgerufen wird.

Diese individuelle Ausprägung der Kontroll- und Wertkognitionen deutet dabei auf die fachspezifische Differenzierung in der Entstehung und im Erleben von Emotionen im Schulkontext hin (vgl. Bong, 2001). So zeigten Goetz und Kollegen (2007) lediglich geringe Zusammenhänge hinsichtlich des emotionalen Erlebens von SchülerInnen in verschiedenen Fächern. Die Zusammenhänge von Emotionen in Fächern innerhalb einer fachlichen Ausrichtung, wie naturwissenschaftliche Fächer oder Sprachen, sind hingegen deutlicher ausgeprägt. Ein Schüler oder eine Schülerin hat beispielsweise Freunde im Mathematikunterricht, wenn er sich kompetent genug fühlt die Aufgaben zu bewältigen und die Tätigkeiten sowie das Lernmaterial als etwas Positives und Bedeutsames empfindet. Dieser Schüler bzw. diese Schülerin kann jedoch im Gegenzug während des Kunstunterrichts Ärger verspüren, wenn er sich zwar kompetent genug fühlt, allerdings keine persönliche Bedeutsamkeit darin sieht. Schukajlow (2015) weist darüber hinaus auf eine weitergehende Differenzierung des emotionalen Erlebens hinsichtlich verschiedener Themengebiete innerhalb eines Faches, unterschiedlicher fachspezifischer Tätigkeiten oder spezifischer Aufgaben innerhalb eines Fachs hin. Hinsichtlich des Fachs Mathematik zeigen sich beispielsweise Unterschiede im emotionalen Erleben von Modellierungs- und Problemlöseaufgaben (vgl. Pekrun, vom Hofe, Blum, Frenzel, Goetz & Wartha, 2007).

Die individuellen Kontroll- und Wertkognitionen stehen dabei in einem reziproken Wirkungsverhältnis zu Lern- und Leistungsemotionen. So haben diese Appraisals Einfluss auf Emotionen im Schulkontext, werden jedoch auch gleichzeitig von Emotionen beeinflusst. Bestimmten Tätigkeiten können beispielsweise ein höherer Wert oder höhere Bedeutung beigemessen werden, wenn diese in der Vergangenheit oftmals mit positiven Emotionen verknüpft waren (vgl. Anderman & Wolters, 2006).

2.1.4 Wirkung von Emotionen auf kognitive Prozesse

Um den Zusammenhang von emotionalen Parametern und schulischer Leistungsentwicklung zu erklären, muss die Wirkung von Emotionen auf die Lernprozesse näher betrachtet werden. Auf Grundlage experimenteller Stimmungs- und Emotionsforschung wird angenommen, dass lernbezogene Prozesse, welche der Kompetenzentwicklung zugrunde liegen, durch Emotionen induziert und beeinflusst werden (vgl. Pekrun, Goetz, Titz & Perry, 2002b). Studien zeigen, dass Emotionen Wirkung auf eine Vielzahl spezifischer kognitiver Prozesse, wie der Informationsverarbeitung, der Nutzung von Lern- und Problemlösestrategien oder Gedächtnisprozesse haben (vgl. Barrett, Lewis & Haviland-Jones, 2016; Lerner, Valdesolo & Kassam, 2015). Im Teilmodell der Kontroll-Wert-Theorie, dem kognitiv-motivationalen Modell der Wirkung von Emotionen auf kognitive Leistung, beschreibt Pekrun (1992, 2018b) den Einfluss von Emotionen auf die kognitiven Mechanismen: Aufmerksamkeit, Gedächtnisprozesse und Einsatz von Lernstrategien sowie die Selbstregulation von Lernprozessen.

Emotionen lenken unsere Aufmerksamkeit. In Prüfungssituationen können beispielsweise Angst vor Misserfolg oder Vorfreude auf eine gute Benotung und deren Konsequenzen die Aufmerksamkeit auf Tätigkeitsirrelevantes richten. Demzufolge würden diese Emotionen, nicht vordergründig bezüglich ihrer Valenz, Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses beanspruchen und damit die aufgabenbezogene Aufmerksamkeit senken (vgl. Meinhardt & Pekrun, 2003). Durch die Bindung von Aufmerksamkeit und Beanspruchung von kognitiven Ressourcen können Emotionen zu einer Reduktion von kognitiven Leistungen, insbesondere hinsichtlich der Bearbeitung von komplexen Aufgaben, beitragen. Dabei muss allerdings zwischen ergebnis- und tätigkeitsbezogenen Emotionen unterschieden werden. Bei letzteren stellt die Aufgabe bzw. die Tätigkeit das Objekt der Emotion dar, wodurch die Aufmerksamkeit und entsprechend die kognitiven Ressourcen auf die Aufgabenbearbeitung gerichtet werden (vgl. Pekrun, 2018b). Wenn die Aufmerksamkeit uneingeschränkt auf die Tätigkeit gerichtet ist, wird in der Literatur von Flow gesprochen (vgl. Csikszentmihalyi, 1975). Positive, tätigkeitsbezogene Emotionen begünstigen das Hervorrufen dieses Zustandes und korrelieren negativ mit irrelevantem Denken. Negative Emotionen wie Angst, Ärger und Langeweile hingegen reduzieren aufgabenbezogene Aufmerksamkeit und wirken somit der Entstehung von Flow entgegen (vgl. Götz, 2004; Pekrun, Goetz, Titz & Perry, 2002b; Pekrun & Hofmannn, 1999; Zeidner, 2014). Die erlebte Intensität der negativen Emotion beeinträchtigt dabei das Maß an zur Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen. Intensive Angst kann in Lern- und Leistungssituationen beispielsweise zu Wahrnehmungsfehlern oder Denkblockaden führen (vgl. Abele, 1996).

Emotionen haben darüber hinaus einen Einfluss auf das Speichern, Abrufen und Aktivieren von Gedächtnisinhalten. In der Emotionsforschung wird hinsichtlich des mood congruent recall (vgl. Fiedler, Nickel, Muehlfriedel & Unkelbach, 2001; Levine & Burgess, 1997) angenommen, dass Inhalte leichter abgerufen und aktiviert werden können, wenn die emotionale Valenz des Individuums in dieser Situation dieselbe wie bei der Speicherung dieser Information ist. Der affektive Zustand prägt zudem kognitive Prozesse der Informationsverarbeitung, welche wiederum die Speicherung von Wissenselementen beeinflusst. So deuten Befunde aus der Stimmungsforschung auf eine Begünstigung von divergentem, heuristischem und entsprechend kreativem und flexiblem Denken durch positive emotionale Zustände hin. Die Integration und Vernetzung von Wissenseinheiten im Gedächtnis kann somit durch positive Emotionen gefördert werden. Negative affektive Zustände, ausgenommen der deaktivierenden negativen Emotionen, können hingegen die analytische und detailorientierte Informationsverarbeitung fördern (vgl. Fiedler & Beier, 2014; Spachtholz, Kuhbandner & Pekrun, 2014).

Ein weiterer kognitiver Prozess, welcher von Emotionen in Lern- und Leistungskontexten beeinträchtigt wird, ist die Wahl und der Einsatz von Lernstrategien. Die unterschiedlichen Befunde hinsichtlich der Speicherung und Aktivierung von Wissenseinheiten in positiven und negativen emotionalen Zuständen lassen sich auf den Einsatz verschiedener Lernstrategien übertragen. Demzufolge sollte die Nutzung von flexiblen, kreativen und verständnisorientierten Lernstrategien, wie Elaboration, durch positiv aktivierende Emotionen, wie Freude und Hoffnung, unterstützt werden, während negative Lern- und Leistungsemotionen, wie Angst und Ärger, eher rigide Lernstrategien, wie beispielsweise dem Wiederholen oder Auswendiglernen von Lerninhalten, begünstigen (vgl. Isen, 2000; Pekrun et al., 2011). Deaktivierende negative Emotionen, wie Langeweile, sollen hingegen jeglichem systematischen Einsatz von Lernstrategien entgegenwirken (vgl. Tze, Daniels & Klassen, 2016).

In enger Verbindung mit der Nutzung von Lernstrategien steht die Selbstregulation des Lernens, welche die eigenständige Planung und Durchführung sowie die Reflexion und Bewertung der eigenen Lernhandlungen umfasst. Die selbstständige Ausrichtung dieser Lernhandlungen an Leistungsanforderungen und Lernzielen erfordert den flexiblen Einsatz sowohl kognitiver als auch motivationaler Strategien (vgl. Azevedo, Behnagh, Duffy, Harley & Trevors, 2012). In diesem Zusammenhang wird angenommen, dass positive Lern- und Leistungsemotionen die Selbstregulation des Lernens fördern, da sie diese kognitive Flexibilität begünstigen. Fremdregulation und das damit einhergehende Befolgen extern vorgegebener Regulierung soll, nach Wolters (2003), mit negativen Emotionen assoziiert sein.

2.2 Motivation

„Perhaps no single phenomenon reflects the positive potential of human nature as much as intrinsic motivation, the inherent tendency to seek out novelty and challenges, to extend and exercise one’s capacities, to explore, and to learn.“

Ryan & Deci (2000, S. 70)

Das Zitat von Ryan und Deci (2000) beschreibt das Vermögen von insbesondere der intrinsischen Motivation Handlungen zu initiieren und Verhalten zu lenken. In diesem Abschnitt wird das komplexe Konstrukt der Motivation näher beleuchtet. Dazu wird der Begriff Motivation definiert, die verschiedenen Ausprägungen erläutert und dessen Entstehung anhand verschiedener theoretischer Modelle dargestellt. Anschließend wird der Zusammenhang von Motivation und Emotionen insbesondere in Lern- und Leistungskontexten aufgezeigt.

Motivation ist Forschungsgegenstand vieler Studien und Forschungsausrichtungen. Je nach Forschungsschwerpunkt und theoretischer Position wird der Fokus auf verschiedene Aspekte der Motivation gelegt. Eine einheitliche Definition des Begriffes gibt es demzufolge also nicht. Weitgehend anerkannt gilt die Einschätzung, dass Motivation ein zentrales Konstrukt der Verhaltenserklärung darstellt. In diesem Zusammenhang werden die Zielrichtung (was tut eine Person?), die Intensität (wie sehr strengt sich eine Person an?) und die Ausdauer (wie lange tut eine Person etwas?) als motivationsabhängige Verhaltensmerkmale angesehen (vgl. Rheinberg & Vollmeyer, 2019; Schunk, Pintrich & Meece, 2008). Reeve (2012, S. 150 f.) definiert Motivation demnach folgendermaßen: „Motivation refers to any force that energizes and directs behavior. Energy gives behavior its strength, intensity, and persistence. Direction gives behavior its purpose and goal-directedness“.

Hinsichtlich der Erklärung von Verhalten fokussiert sich die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 1985) auf das Konzept der Intentionalität. Eine Person gilt demnach als motiviert, wenn ihrem Verhalten ein bestimmter Zweck zugrunde liegt. Verhaltensweisen, die keinem bestimmten Zweck folgen werden als „amotiviert (amotivated)“ (Deci & Ryan, 1993, S. 224) bezeichnet.

2.2.1 Motivation im Kontext von Schule und Lernen

Im Kontext des schulischen Lernens bezieht sich motiviertes Verhalten auf die Intention spezifische Lerninhalte oder Fähigkeiten hinsichtlich bestimmter Ziele bzw. Zielzustände zu erlernen und wird entsprechend von vielen AutorInnen als Lernmotivation bezeichnet (u. a. Krapp & Weidenmann, 2001; Kuntze & Reiss, 2006; Schiefele & Schaffner, 2015). Die Ziele, die mit dem Verhalten oder der Handlung erreicht werden sollen, lassen sich in zwei übergeordnete Kategorien einteilen. Zum einen kann der Erlebenszustand (innerhalb) der Handlung und zum anderen die Konsequenz (außerhalb) der Handlung als Ziel angesehen werden (vgl. Schiefele & Schaffner, 2015).

Wenn der Zielzustand innerhalb der Handlung liegt, wird diese Art der Lernmotivation als intrinsisch bezeichnet. In diesem Fall wird die Handlung um ihrer selbst willen durchgeführt. Interesse und Freude am Lernmaterial liegen der Lernmotivation zugrunde (vgl. Krapp, 1992; Pekrun, 2018b). In der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1985) ist intrinsisches Verhalten eng mit Autonomie (autonomy) verknüpft. Autonomie bzw. Selbstbestimmung wird in dieser Theorie als psychologisches Grundbedürfnis angesehen, welches eine wesentliche Bedingung für das Entstehen und Erleben intrinsischer Motivation darstellt:

„Intrinsisch motivierte Handlungen repräsentieren den Prototyp selbstbestimmten Verhaltens. Das Individuum fühlt sich frei in der Auswahl und Durchführung seines Tuns. Das Handeln stimmt mit der eigenen Auffassung von sich selbst überein. Die intrinsische Motivation erklärt, warum Personen frei von äußerem Druck und inneren Zwängen nach einer Tätigkeit streben, in der sie engagiert tun können, was sie interessiert“ (Deci & Ryan, 1993, S. 226).

Neben der Autonomie nennen die Autoren zudem das Erfahren von Kompetenz (competence) und soziale Bezogenheit (relatedness) als weitere angeborene psychologische Bedürfnisse (basic needs) eines jeden Menschen. Die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse liegt, insbesondere in Bildungskontexten (vgl. Skinner, Pitzer & Brule, 2014), dem Erleben von intrinsischer Motivation und einer handlungsbegleitenden positiven Erlebnisqualität zugrunde (vgl. Deci & Ryan, 1985; Ryan & Deci, 2002). Daher gilt die intrinische Motivation „als besonders wünschenswerte Art der Lernmotivation, weil sich die Lernenden als selbstbestimmt erleben können und Freude beim Lernen empfinden“ (Spinath, 2011, S. 47).

Liegt der angestrebte Zielzustand außerhalb der Handlung, wird von extrinsischer Motivation gesprochen. Extrinsisch motiviertes Verhalten basiert auf einer instrumentellen Absicht, „um eine von der Handlung separierbare Konsequenz zu erlangen“ (Deci & Ryan, 1993, S. 225). Im schulischen Kontext lassen sich häufig Formen extrinsisch motivierte Handlungen wiederfinden. So kann sich extrinsische Lernmotivation beispielsweise in Lernanstrengungen, um eine gute Note zu erreichen oder eine Bestrafung zu vermeiden, widerspiegeln (vgl. Pekrun, 2018b).

Intrinsische und extrinsische Motivation sind in ihrer Reinform in der Realität und insbesondere im Schulkontext allerdings kaum vorzufinden (vgl. Spinath, 2011). Während intrinsische Motivation mit Selbstbestimmung einhergeht, variiert nach Deci und Ryan (1985) das Maß der Selbstbestimmung hinsichtlich extrinsischer Motivation. Obwohl extrinsischer Motivation kein innerer Eigenanreiz zugrunde liegt, können in Bezug auf verschiedene Internalisierungsstufen extrinsisch motivierte Handlungen als selbstbestimmt erlebt werden. Entsprechend ist auch extrinsisch motiviertes Verhalten mit dem Bedürfnis nach Kompetenz, sozialer Bezogenheit und Selbstbestimmung verbunden.

In der Organismic integration theory (Deci & Ryan, 1985), welche Teil der Selbstbestimmungstheorie ist, beschreiben die Autoren, durch Prozesse der Internalisation und Integration, die Überführung von extrinsisch motivierten Verhaltensweisen in selbstbestimmte Handlungen. In dieser Theorie wird angenommen, dass durch Internalisation externale Werte in die internalen Regulationsprozesse eines Individuums übernommen und durch Integration diese internalisierten Werte und Regulationsprinzipien in das individuelle Selbst eingegliedert werden, sodass sich das Selbstkonzept auf Zielvorstellungen und Verhaltensnormen ausrichten kann (vgl. Deci & Ryan, 1991). Das Individuum fühlt sich dadurch als Mitglied seiner sozialen Umwelt und erfährt das eigene Verhalten als selbstbestimmt (vgl. Deci & Ryan, 1993). Deci und Ryan (1985) unterscheiden dabei vier Formen extrinsischer Verhaltensregulation, die je nach Ausprägung der Internalisierung mit einem höheren oder niedrigeren Grad der Selbstbestimmung einhergehen.

Die externale Regulation umfassen extrinsisch motivierte Verhaltensweisen, die von äußeren Anregungs- und Steuerungsprozessen abhängig sind. Beispiele dafür sind entsprechend Handlungen, die zur Generierung externer Belohnungen oder Vermeidung von Bestrafungen durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang erfahren die handelnden Personen keine Autonomie und Freiwilligkeit. Diese Form extrinsischer Motivation wird als Kontrast zur intrinsischen Motivation angesehen, entspricht demnach der Motivation, welche die geringste Selbstbestimmung impliziert. Im Zusammenhang mit externaler Regulation werden der Handlung zugrundeliegende Ziele nicht internalisiert.

Ein weiterer Typ der extrinsischen Motivation ist die introjizierte Regulation. Diese beschreibt Verhaltensweisen, die aufgrund von innerem Druck und internen Anstößen, zur Erhaltung der Selbstachtung, ausgeführt werden. Es handelt sich dabei um eine relativ kontrollierte Form der Regulation, um beispielsweise Schuld oder Angst zu vermeiden oder eine Steigerung des Selbstwertgefühls herbeizuführen. Es werden zwar keine äußeren Handlungsanstöße benötigt, dennoch wird diese Handlungsregulation nicht als Teil des individuellen Selbst wahrgenommen. „Die introjizierte Regulierung beschreibt somit eine Form von Motivation, bei der die Verhaltensweisen durch innere Kräfte kontrolliert oder erzwungen werden, die außerhalb des Kernbereichs des individuellen Selbst liegen“ (Deci & Ryan, 1993, S. 227 f.).

Die Regulation durch Identifikation bezieht sich auf eine autonomere und selbstbestimmtere Form der extrinsischen Motivation. Wird eine Handlung als persönlich wertvoll erachtet, identifiziert sich die Person mit den zugrundliegenden Zielen und internalisiert diese in das eigene Selbstkonzept. Dem entsprechen Verhaltensweisen, die beispielsweise dem Erreichen eines übergeordneten Ziels dienen, wie das Anstreben eines bestimmten Berufs und damit einhergehend intensives Lernen.

Der Typ von extrinsischer Motivation, der am stärksten durch Selbstbestimmung geprägt ist, wird in der Organismic Integration Theory (Deci & Ryan, 1985) integrierte Regulation genannt. „Integration occurs when identified regulations are fully assimilated to the self, which means they have been evaluated and brought into congruence with one’s other values and needs“ (Ryan & Deci, 2000, S. 73).

Die beschriebenen Stufen der Internalisierung können als Entwicklungsphasen betrachtet werden. Hinsichtlich dieser Entwicklung ist es jedoch nicht notwendig alle Phasen zu durchlaufen. So kann in Lernkontexten beispielsweise eine persönliche Relevanz von einer Schülerin oder einem Schüler in einem Lernhandlungsziel, im Sinne der identifizierten Regulation, erkannt werden, ohne die Phase der introjizierten Regulation durchlaufen zu haben. In diesem Fall erfährt dieser Schüler oder diese Schülerin eine Verschiebung des Orts der Handlungskontrolle, von extern auf eher intern, und vorgegebene Lernziele werden in die eigene Zielhierarchie eingefügt (vgl. Brandenberger & Moser, 2018).

Die integrierte Regulation und intrinsische Motivation gehen mit dem höchsten Grad an Selbstbestimmung einher. Intrinsische Motivation bezieht sich jedoch auf die Handlung als solche, während Verhaltensweisen, die einem integriertem Regulationsstil zuzuordnen sind, auf ein von der Handlung separiertes Ziel ausgerichtet sind, die selbstbestimmt ausgeführt werden, weil dem Ergebnis ein subjektiv hoher Wert zugesprochen wird.

Die Selbstbestimmung bzw. die Autonomie in einer Lernhandlung wird hinsichtlich extrinsischer Motivation insbesondere anhand des Grades persönlicher Relevanz erfahren: „To be autonomous is not so much to be free from external forces; rather, students experience autonomy in accordance with how much they personally endorse the value and significance of the way of thinking or behaving“ (Reeve, 2012, S. 154).

Studien in Bildungskontexten deuten auf eine Korrelation zwischen verschiedenen Arten extrinsischer Verhaltensregulierung und Interesse, Wert und Leistungsbereitschaft, den Emotionen Freude, Angst sowie dem Umgang mit Misserfolg hin. Lernende entwickeln, in Zusammenhang mit Fremdbestimmung bzw. externer Kontrolle, wie externaler Regulation, demnach weniger Interesse und Leistungsbereitschaft, sehen einen geringeren Wert in Lernhandlungen und weisen eine höhere Quote an Schulabbrüchen auf.

Gegenteilige Ergebnisse zeigen sich hinsichtlich introjizierter Regulation, mit Ausnahme von Ängstlichkeit und dem Umgang mit Misserfolg, und insbesondere mit identifizierter Regulation, welche mit Interesse, Lernqualität und -freude, Leistungsbereitschaft und Leistung korreliert (vgl. Connell & Wellborn, 1991; Grolnick & Ryan, 1987; Ryan & Connell, 1989; Vallerand & Bissonnette, 1992). Diese Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Grad der Selbstbestimmung, die mit bestimmten Formen von extrinsischer Motivation einhergeht, und kognitiven sowie emotionalen Faktoren: Je mehr Selbstbestimmung den Lernhandlungen zugrunde liegt und entsprechend eine höhere subjektive Wertschätzung in Bezug auf das Handlungsziel besteht, desto positiver die Auswirkungen auf das Lernen. Folglich wirkt sich wahrgenommener Druck durch Fremdbestimmung von außen (external) und innen (introjiziert) negativ auf Lernhandlungen aus.

Dieser Zusammenhang wird insbesondere erkennbar, wenn man die Auswirkung intrinsischer Motivation auf Lernprozesse betrachtet. Intrinsisch motiviertes Lernverhalten, welches im höchsten Maß selbstbestimmt ist, geht mit vermehrter Anstrengungsbereitschaft und höherem Aufgabeninteresse (vgl. Pekrun, 2006; Pekrun & Schiefele, 1996; Shernoff, Csikszentmihalyi, Schneider & Shernoff, 2003) sowie Persistenz der Lernhandlung (vgl. Elliott & Dweck, 1988) und positiven emotionalen Lernerfahrungen (vgl. Pekrun, Goetz, Titz & Perry, 2002b) einher.

In Bezug auf intrinsische Motivation ist allerdings nicht nur die Selbstbestimmung entscheidend. Auch die weiteren, in der Selbstbestimmungstheorie genannten, psychologischen Bedürfnisse tragen zum Hervorrufen von intrinsischer Motivation bei (vgl. Deci & Ryan, 1985). Das Bestreben nach sozialer Bezogenheit beschreibt dabei das Sicherheitsbedürfnis und die emotionale Bindung zu anderen (vgl. Deci & Ryan, 1991). Das Bedürfnis nach Kompetenz bezieht sich auf den Wunsch sich selbst als effektiv in der positiven Gestaltung von Handlungsergebnissen zu erleben (vgl. Skinner, Pitzer & Brule, 2014). Im Kontext von Schule und Lernen spielt, neben der Selbstbestimmung, insbesondere das Kompetenzerleben eine zentrale Rolle. Studien zum Kompetenzerleben und nahen Konstrukten wie Selbstwirksamkeitserwartungen, dem akademischen Selbstkonzept oder wahrgenommene Kontrolle zeigen, dass die Überzeugung von SchülerInnen, gestellte Aufgaben und Probleme lösen zu können, mit Anstrengungsbereitschaft, Engagement, Persistenz von Lernhandlungen und akademischer Leistungsfähigkeit assoziiert ist (vgl. Elliot & Dweck, 2005; Malmivouri, 2006). Helmke und Weinert (1997) bezeichnen Selbstwirksamkeitserwartungen und das akademische Selbstkonzept sogar als stärkste Prädikatoren für schulische Leistung. Das Ausbleiben von Kompetenzerleben und daraus resultierende Hilflosigkeit sowie Mangel an Selbstbewusstsein können der Anstrengungsbereitschaft von SchülerInnen entgegenwirken und zu Passivität, Traurigkeit und Vermeidung oder zum Abbruch von Lernhandlungen führen (vgl. Peterson, Maier, & Seligman, 1993), womit die Entstehung von intrinsischer Motivation vermindert wird. Diese Studien zeigen, dass vor allem Selbstbestimmung und Kompetenzerleben zusammen grundlegende Bedingungen für die Entstehung von intrinsischer Motivation in Lernsituationen sind.

2.2.2 Interesse

In vorangegangenen Kapiteln (2.1.1 und 2.1.3) wurde bereits eine fachspezifische Prägung von Emotionen im Schulkontext dargestellt. Hinsichtlich der Motivation zeigt sich eine ähnliche strukturelle Ausrichtung, in welcher motivationale Tendenzen bereichs- und gegenstandsspezifisch konzipiert sein könnten. Liegt demnach einer motivationalen Tendenz ein Gegenstandsbezug zugrunde, wird von Interesse gesprochen (vgl. Krapp, 2002). Handlungen, die unter Bezug zum Interessengegenstand ausgeführt werden, weisen oftmals, insbesondere bei überdauerndem und nicht situationsspezifischem Interesse, eine starke intrinsische Motivation sowie eine hohe Handlungsintensität auf (vgl. Götz, 2011).

Im schulischen Kontext wird Interesse, welches sich im Laufe der Schulzeit herausbildet, als überdauernde und fachspezifische Disposition verstanden, die bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung intrinsischer Motivation hat (vgl. Flowerday, Schraw & Stevens, 2004; Krapp, 2005). Interesse ist dabei individuell geprägt (vgl. Krapp, 2002; Schiefele, 2001), wird von positiven Emotionen sowie Ausdauer begleitet (vgl. Hidi & Ainley, 2002; Köller, Baumert & Schnabel, 2001) und wirkt sich positiv auf die Lernleistung von SchülerInnen aus (vgl. Schiefele, 1996). Darüber hinaus bildet es, nach Krapp (2002), einen grundlegenden Bestandteil des domänenspezifischen Selbstkonzepts, aus generalisierten Kognitionen, Emotionen und motivationalen Prozessen, die individuell im Zusammenhang mit dem Bezugsgegenstand hervorgerufen werden. Die schulfachspezifische Prägung von Interesse zeigt sich in einer Vielzahl von Studien, die einen Zusammenhang zwischen fachlicher Leistung und Interesse an den entsprechenden Fächern bestätigen (vgl. Artelt, Demmrich, & Baumert, 2001; Gläser-Zikuda, Fuß, Laukenmann, Metz & Randler, 2005; Schiefele, Krapp & Schreyer, 1993). Pekrun und Kollegen (2002b, 2003) sprechen in Bezug auf das Fach Mathematik von den Teildispositionen Sachinteresse an Mathematik sowie Fachinteresse und intrinsische Motivation für das Fach Mathematik (vgl. auch Götz, 2004; Wendland & Rheinberg, 2004). Diese drei motivationalen Facetten gehen, bedingt durch persönliches Interesse an der Mathematik oder am Mathematikunterricht, mit einer Anstrengungs- und Lernbereitschaft bei den SchülerInnen einher.

2.3 Der Zusammenhang von Emotionen und Motivation

Die bisherigen Ausführungen deuten bereits auf einen starken Zusammenhang von Emotionen und Motivation hin. In welcher Weise sich diese Konstrukte einander bedingen und beeinflussen wird im folgenden Abschnitt beispielhaft dargestellt.

Je nach Perspektive lässt sich der Einfluss von Emotionen auf Motivation oder die Wirkung von Motivation auf Emotionen beschreiben. Emotionen und Motivation sind demnach unterschiedliche Phänomene, die jedoch konzeptuelle Überschneidungen aufweisen (vgl. Schukajlow, Rakoczy & Pekrun, 2017).

Emotionen beinhalten, nach der Komponentendefinition (vgl. u.a Scherer, 1984; Pekrun, 2000), eine motivationale Komponente, welche auf Grundlage der empfundenen Emotionen, dem gefühlten Kern, Handlungsimpulse initiiert. Emotionen werden in dieser Hinsicht als Impulsgeber verstanden, wodurch motiviertes Handeln ohne Emotionen nicht möglich wäre (vgl. Geppert & Kilian, 2018). Durch die Funktion als Handlungsimpulsgeber werden Emotionen auch eine zentrale Bedeutung in der Regulation von motiviertem Verhalten, beispielsweise als Instrument zur Aufrechterhaltung oder Verringerung handlungsbegleitender Motivation, zugesprochen (vgl. Hänze 2003; Rothermund & Eder, 2009). Emotionen können der Motivation jedoch nicht nur vorgelagert oder handlungsbegleitend, sondern auch Ergebnis von Motivation sein (vgl. Pekrun, Goetz, Titz, & Perry, 2002b).

Insbesondere in schulischen Lernsituationen wird der Zusammenhang von Emotionen und Motivation, hinsichtlich der Aufnahme und Aufrechterhaltung von Lernhandlungen sowie in Bezug auf spezifische Lern- und Leistungsziele, deutlich.

In der Selbstbestimmungstheorie beschreiben Deci und Ryan (1985) die Bedingungen für die Entstehung von intrinsischer Motivation und für Lernfreude durch die Erfüllung psychologischer Grundbedürfnisse (vgl. Kapitel 2.2.1). In diesem Zusammenhang kann entsprechend der Rückgang schulischer Lernfreude bzw. das Erleben von negativen Emotionen mit dem Ausbleiben der Erfüllung der Grundbedürfnisse erklärt werden (vgl. Hagenauer, 2011; Hascher & Brandenberger, 2018).

In der Kontroll-Wert-Theorie von Pekrun (2006) werden die Wirkmechanismen von Emotionen und Motivation im kognitiv-motivationalen Modell (Pekrun, 1992, 2006, 2018b) aufgezeigt. Wie bereits im letzten Kapitel dargestellt, beschreibt dieses Teilmodell die Wirkung von Emotionen auf schulische Leistung in Lern- und Leistungssituationen. Dabei wirken sich Emotionen nicht unmittelbar auf die Leistung der SchülerInnen aus, sondern beeinflussen diese indirekt über Wirkung auf kognitive (vgl. Kapitel 2.1.4) und motivationale Prozesse (vgl. Pekrun, 1992). Die Auswirkungen von Emotionen auf die Motivation in Lern- und Leistungskontexten divergieren dabei je nach spezifischer emotionaler Ausprägung entsprechend ihrer Valenz und ihres Aktivierungspotentials.

Im Allgemeinen wird positiven Emotionen eine förderliche Wirkung auf kognitive und motivationale Ressourcen zugesprochen (vgl. Fredrickson, 1998; 2001). Hinsichtlich positiv-aktivierender Emotionen sprechen Pekrun und Kollegen (2002b) allgemein von einer Erhöhung der Motivation. Lernfreude hat beispielsweise einen positiven Einfluss sowohl auf intrinsische als auch auf extrinsische Motivation (vgl. Pekrun et al. 2010; Pekrun & Perry, 2014). Auch weitere positiv-aktivierende Emotionen wie Hoffnung auf Erfolg und Stolz auf Erreichtes korrelieren positiv mit intrinsischer Motivation sowie Interesse und können motiviertes Herantreten an Aufgaben und Leistungsstreben begünstigen (vgl. Pekrun et al. 2002b; Zeidner 1998). Darüber hinaus verweisen Eccles & Wigfield (2002) darauf, dass von positiven Emotionen begleitete Lernhandlungen Persistenz aufweisen und zukünftig eher ausgeführt werden.

Gegenteilige Effekte werden hingegen negativ-deaktivierenden Emotionen, wie Langeweile, durch eine Minderung von Lernhandlungsbestrebungen, und Hoffnungslosigkeit, bezüglich einer negativen Beeinträchtigung von wahrgenommener Kontrolle, zugesprochen (vgl. Turner & Schallert, 2001). Diese Emotionen haben eine negative Wirkung sowohl auf intrinsische als auch extrinsische Lernmotivation (vgl. Pekrun et al., 2010).

Die Wirkmuster von positiv-deaktivierenden und negativ-aktivierenden Emotionen auf Motivation sind wiederum komplexer, uneinheitlicher und differenzierter zu betrachten.

So können die positiv-deaktivierenden Lernemotionen wie Entspannung und Erleichterung nach einem Erfolg kurzfristig die Motivation sich weiterhin oder wieder mit den Unterrichtsinhalten zu befassen unterminieren. Langfristig können diese Emotionen allerdings die Motivation erhöhen, indem das Erreichen von Lern- und Leistungszielen durch persistente Befassung mit dem Lernmaterial gefördert wird (vgl. Sweeny & Vohs, 2012; Turner & Schallert, 2001).

Negativ-aktivierende Emotionen, wie Angst und Scham, können Interesse und intrinsischer Lernmotivation entgegenwirken. Im Hinblick auf die Vermeidung von Misserfolg können diese Emotionen hingegen positive Effekte auf extrinsische Motivation in Lern- und Leistungskontexten, durch eine Erhöhung der Anstrengungsbereitschaft, haben (vgl. Zeidner, 2014). Dieser Fall tritt insbesondere in Verbindung mit dem Optimismus ein, den Misserfolg auch tatsächlich abwenden zu können (vgl. Turner & Schallert, 2001).

2.4 Auswirkungen von emotionalen und motivationalen Faktoren auf schulische Leistung im Fach Mathematik

In diesem Abschnitt werden Effekte von Lern- und Leistungsemotionen auf die schulische Leistung betrachtet. Die Kontroll-Wert-Theorie (Pekrun, 2006; 2018b), welche als theoretische Rahmung dieser Studie fungiert, bezieht sich im kognitiv-motivationalen Modell der Wirkung von Emotionen auf kognitive Leistung auf diesen Zusammenhang.

In diesem Teilmodell der Kontroll-Wert-Theorie deutet Pekrun (2006, 2018b) auf einen indirekten Einfluss von Lern- und Leistungsemotionen auf schulische Leistung über kognitive und motivationale Prozesse hin. Effekte durch Lern- und Leistungsemotionen auf die schulische Leistung werden demnach als emotionaler Einfluss auf ein komplexes Zusammenspiel dieser Wirkmechanismen und der Interaktion dieser Mechanismen mit schulischen Problem- und Aufgabenstellungen und deren Anforderungen verstanden (vgl. Pekrun, 2016). Die Auswirkungen spezifischer Lern- und Leistungsemotionen wurden in Bezug auf kognitive Prozesse des Lernens (Aufmerksamkeit, Gedächtnisprozesse, Lernstrategien und Selbstregulation) bereits in Kapitel 2.1.4 sowie bezüglich motivationalen Mechanismen in Kapitel 2.3 dargestellt. Inwieweit sich der emotionale Einfluss auf die beschriebenen Prozesse in der schulischen Leistung der einzelnen Schülerin bzw. des einzelnen Schülers niederschlägt, kann aufgrund individueller Merkmale variieren. Die Bandbreite individueller Ausprägungen bezieht sich dabei sowohl auf die kognitive, wie die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses oder das Wissen über die Anwendung bestimmter Lernstrategien, als auch die affektive oder motivationale Ebene sowie die komplexe Interaktion dieser Faktoren (vgl. Pekrun & Perry, 2014; Seegers & Boekaerts, 1993).

Im folgenden Abschnitt werden Studien und Forschungsergebnisse aufgezeigt, die sich, unter Rücksichtnahme der genannten kognitiven Lernprozesse und motivationalen Faktoren, mit konkreten Zusammenhänge von spezifischen Lern- und Leistungsemotionen und schulischer Leistung befasst haben. Insbesondere werden dabei Ergebnisse zur Lernleistung im Fach Mathematik betrachtet und hinsichtlich ihrer Entwicklung im Laufe der Schulzeit diskutiert. Die fachspezifische Differenzierung des Einflusses von Lern- und Leistungsemotionen auf die schulische Leistungsentwicklung ist dabei in der fachspezifischen Ausprägung von Emotionen (vgl. Kapitel 2.1.3) begründet.

Als lernförderlich werden im Allgemeinen die positiv-aktivierenden Emotionen, wie (Lern-) Freude, Stolz und Hoffnung, angesehen (u. a. Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014; Pekrun & Perry, 2014). Wie bereits in Kapitel 2.1.4 und 2.3 beschrieben, haben diese positiven Einfluss sowohl auf kognitive Prozesse des Lernens als auch die Entwicklung von Motivation und Interesse. Daraus resultiert ein flexibler Denkstil sowie eine höhere Wahrnehmungs- und Bearbeitungsgeschwindigkeit, die sich insbesondere bei herausfordernden Aufgaben positiv auf Lernergebnisse auswirkt (vgl. Edlinger & Hascher, 2008).

In einer Meta-Studie von Camacho-Morles und Kollegen (2021) wird die positive Korrelation von positiv-aktivierenden Emotionen und akademischer Leistung bestätigt. In ihrer Analyse wurden 68 Studien über diesen Zusammenhang in Bezug auf die tätigkeitsbezogenen Emotionen Freude, Ärger, Frustration und Langeweile zusammengefasst. Für die positiv-aktivierende Emotion Freude, welche in 57 Untersuchungen thematisiert wurde, konnte eine mittlere positive meta-analytische Korrelation mit Leistungsergebnissen ermittelt werden (vgl. Gignac & Szodorai, 2016). Vereinzelte Ergebnisse der Studien innerhalb der Meta-Analyse zeigten allerdings keine Signifikanz oder sogar negative Zusammenhänge (vgl. Ellis, Seibert & Varner, 1995; Ranellucci, Hall & Goetz, 2015; Trevors, Muis, Pekrun & Winne, 2016) und weisen somit daraufhin, dass (Lern-) Freude im Allgemeinen nicht in einem kausalen Verhältnis zu schulischen Leistungsergebnissen stehen. Gründe dafür könnten in Divergenzen in Bezug auf die ProbandInnen, wie das Alter, die Jahrgangsstufe, die Schulform oder den sozio-kulturellen Kontext, die Erhebungsmethoden und -instrumente, das schulische und unterrichtliche Setting oder in fachspezifischen Unterschieden liegen. So lassen sich hinsichtlich aktivitätsbezogener Emotionen im Fach Mathematik eindeutigere Befunde hinsichtlich Mathematikfreude und Leistungsergebnissen erkennen. Unter Verwendung des mathematikspezifischen Testinstruments Achievement Emotions Questionnaire – Mathematics (AEQ-M; Pekrun, Goetz, Frenzel, Barchfeld, & Perry, 2011), zur Erhebung von mathematikbezogenen Emotionen, wurden noch stärkere Zusammenhänge gemessen (vgl. Camacho-Morles, Slemp, Pekrun, Loderer, Hou & Oades, 2021).

Auch Götz (2004) bestätigt eine signifikante positive Korrelation zwischen Freude im Unterricht und Mathematikleistung. Gestützt wird dieser Befund durch positive Zusammenhänge von Freude mit der Verwendung flexibler Strategien, Anstrengung sowie negativer Korrelation von Freude mit aufgabenirrelevantem Denken. Die Auswirkungen von positiven tätigkeitsbezogenen Lern- und Leistungsemotionen auf kognitive Prozesse, wie Aufmerksamkeit bis hin zum Erleben von Flow, werden durch diese Ergebnisse verdeutlicht (vgl. Abschnitt 2.1.4).

In der Längsschnittstudie „Projekt zur Analyse der Leistungsentwicklung in Mathematik“ (PALMA; Pekrun et al., 2007; Pekrun et al., 2017) wurden u. a. affektive Schülermerkmale und Kontextbedingungen in Bezug auf die Leistungsentwicklung im Fach Mathematik im Verlauf der Sekundarstufe I untersucht. Die Befunde zeigten positive Effekte dieser Emotionsgruppe auf kognitive und motivationale Faktoren und auf die Leistung von SchülerInnen im Laufe der Sekundarstufe I im Fach Mathematik. So korrelierten, in den jährlichen Messungen von der 5. bis zur 9. Klasse, (Lern-) Freude und Stolz im Fach Mathematik positiv mit den Zeugnisnoten der SchülerInnen (vgl. Pekrun et al., 2017).

Basierend auf den PALMA Daten untersuchten Murayama und Kollegen (2013) Faktoren, die entscheidend zur Leistungsentwicklung im Fach Mathematik beitragen. Ausgehend von zwei Untersuchungsphasen (Klassen 5–6; Klassen 7–10) wurden wahrgenommene Kontrolle, intrinsische und extrinsische Motivation sowie die Nutzung von Lernstrategien (deep learning; surface learning) als potentielle Prädikatoren betrachtet. Zu Beginn der beiden Untersuchungsphasen zeigten wahrgenommene Kontrolle und extrinsische Motivation sowie bezüglich der ersten Phase auch intrinsische Motivation signifikant prädiktive Zusammenhänge mit der Mathematikleistung. Hinsichtlich der langfristigen Entwicklung stellten sich insbesondere wahrgenommene Kontrolle im ersten Untersuchungsintervall und intrinsische Motivation sowie elaborierte Lernstrategien in der zweiten Untersuchungsphase als Anzeichen für eine positive Leistungsentwicklung heraus. Überraschenderweise zeigte sich Intelligenz nicht signifikant als voraussagender Faktor zur Leistungsentwicklung im Fach Mathematik über die erste und zweite Phase.

Im Hinblick auf negative Emotionen im Schulkontext zeigt sich ein leistungsmindernder Effekt (vgl. Linnenbrink & Pintrich, 2004; Pekrun, 2006). In ihrer Meta-Analyse stellten Camacho-Morles und Kollegen (2021) eine starke negative meta-analytische Korrelation zwischen Ärger und schulischer Leistung sowie mittlere negative Zusammenhänge zwischen Langeweile und akademischen Leistungsergebnissen heraus. In Bezug auf Frustration wurde keine signifikante Korrelation zu schulischer Leistung gefunden. Ähnlich wie bei den Befunden zur Freude, wurden auch hinsichtlich Ärger und Langeweile stärkere Korrelationen in Erhebungen im Rahmen des Mathematikunterrichts ermittelt (vgl. Camacho-Morles et al., 2021), was auf eine besondere Relevanz von Lern- und Leistungsemotionen im Fach Mathematik hindeutet.

Die in der PAMLA Langzeitstudie ermittelten Ergebnissen bestätigen die negativen Zusammenhänge von Ärger und Langeweile mit Leistungsergebnissen in Mathematik von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe (vgl. Pekrun et al., 2017). Darüber hinaus wurden von Pekrun und Kollegen (2017) negative Korrelationen zwischen den negativ-aktivierenden Emotionen Angst und Scham und der Mathematikleistung über diesen Zeitraum gezeigt.

Auch Götz (2004) berichtet von einer negativen Korrelation der negativ-deaktivierenden Emotion Langeweile sowie den negativ-aktivierenden Emotionen Angst und Ärger im Mathematikunterricht mit der entsprechenden fachspezifischen Leistung. Gründe dafür könnten insbesondere hinsichtlich Ärger die Bindung von kognitiven Ressourcen, durch aufgabenirrelevantes Denken im Mathematikunterricht, sein.

Weitere mögliche Gründe für die gezeigten negativen Zusammenhänge wurden in der Untersuchung von Murayama und Kollegen (2013) dargestellt. Darin beschreiben die Autoren kognitive und motivationale Prozesse, die entscheidend für die Leistungsentwicklung im Fach Mathematik sind. Die Ergebnisse zeigten beispielsweise eine signifikante negative Korrelation zwischen oberflächlichen Lernstrategien, welche im Zusammenhang mit negativen Lern- und Leistungsemotionen stehen (vgl. Abschnitt 2.1.4), und der Kompetenzentwicklung im Fach Mathematik im Verlauf der Jahrgangsstufen 5 und 6.

Die Befunde der dargestellten Studien stützen die Hypothese über einen positiven Einfluss von positiv-aktivierenden sowie eine leistungsmindernde Wirkung von negativen Emotionen auf das Lernen und auf die entsprechende Leistung, insbesondere im Mathematikunterricht (vgl. Camacho-Morles et al., 2021; Götz, 2004, Pekrun et al., 2007; Pekrun et al., 2017; Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014; Pekrun & Perry, 2014). Dabei wirken sich die Lern- und Leistungsemotionen indirekt über kognitive und motivationale Prozesse auf das Lernen und die Leistung aus (vgl. u. a. Götz, 2004; Murayama et al., 2013; Pekrun, 2006; Pekrun et al., 2011; Zeidner, 2014).

2.5 Reziproke Wirkung von Emotionen und Leistung

In der Forschung zu Effekten von Emotionen in Lern- und Bildungskontexten werden allerdings nicht nur eine eindimensionale Wirkrichtung, also die Auswirkungen von Emotionen auf schulische Lernleistungen, sondern auch Rückkopplungseffekte von Leistungsergebnissen auf das emotionale Erleben von SchülerInnen untersucht. Im Kognitiv-motivationalen Modell (vgl. Pekrun, 2018b) wird ein reziprokes Wirkungssystem zwischen Lern- und Leistungsemotionen und schulischer Leistung beschrieben.

In verschiedenen Studien wurde dabei die multidirektionale Wirkrichtung von Emotionen im Schulkontext sowie Lern- und Leistungsergebnissen bestätigt. Gute Leistungsergebnisse prognostizierten dabei vermehrt positive und vermindert negative Emotionen. Unzureichende Leistungen hingegen zogen vermehrt negative Lern- und Leistungsemotionen nach sich. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Leistung von SchülerInnen auf die Entstehung, insbesondere bezüglich wahrgenommener Kontrolle, und das Erleben von Emotionen, je nach Leistungsergebnis, auswirkt (vgl. Götz, Pekrun, Zirngibl, Jullien, Kleine, vom Hofe & Blum, 2004; Meece, Wigfield & Eccles, 1990; Pekrun, Lichtenfeld, Marsh, Murayama & Götz, 2017; Pekrun & Perry, 2014).

Für das Fach Mathematik zeigten Pekrun und Kollegen (2017) in ihrer Studie „Achievement Emotions and Academic Performance: Longitudinal Models of Reciprocal Effects“ positive Zusammenhänge sowohl von den positiv-aktivierenden Emotionen Freude und Stolz auf die Mathematikleistung als auch Rückkopplungseffekte von Leistungsergebnissen auf diese Lern- und Leistungsemotionen. Darüber hinaus wurden negative reziproke Zusammenhänge hinsichtlich der negativen Emotionen Ärger, Angst, Scham, Langeweile sowie Hoffnungslosigkeit und Mathematikleistung ermittelt (vgl. Pekrun et al., 2017). Diese Befunde werden von Ergebnissen der Untersuchung von Putwain und Kollegen (2017) in Bezug auf die Lern- und Leistungsemotionen Freude und Langeweile im Fach Mathematik gestützt.