Die Gestaltung von Lernumgebungen ist zumeist darauf ausgerichtet, Lernprozesse hinsichtlich der optimalen Entwicklung von SchülerInnen zu unterstützen. Affektive und motivationale Faktoren des Lernprozesses wurden in Bezug auf die Lernumgebungsgestaltung in der erziehungswissenschaftlichen sowie fachdidaktischen Forschung und entsprechend in der Umsetzung im Unterricht dabei lange vernachlässigt. Die Erforschung von Emotionen im Bildungskontext beschränkte sich lediglich auf prominente Phänomene wie beispielsweise Prüfungsangst.

Mittlerweile sind sich ForscherInnen der wesentlichen Bedeutung von Emotionen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen sowie der damit zusammenhängenden Motivation und deren Einfluss und Wechselwirkung auf Lernleistung immer mehr bewusst. Studien in der Erziehungswissenschaft und pädagogischen Psychologie in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten bekräftigen diese Auffassung und stellen positives emotionales und motivationales Befinden als bedeutende Voraussetzungen schulischen Lernens und längerfristigen Bildungserfolgs heraus. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse stellt die Förderung positiver und Reduzierung negativer Emotionen sowie die Unterstützung motivationaler Aspekte, im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsauftrags, ein grundlegendes Anliegen von Schule und Unterricht dar.

Insbesondere im Fach Mathematik zeigt sich allerdings im Laufe der Schulzeit, vor allem in der Sekundarstufe I, ein genereller Rückgang der mathematikbezogenen Lernfreude und des Interesses an Mathematik sowie ein Anstieg von beispielsweise Langeweile, wie die Längsschnittstudie PALMA unlängst offenlegte (vgl. Pekrun, vom Hofe, Blum, Frenzel, Goetz & Wartha, 2007). Weitere Studien zeigten, analog zum Absinken lernförderlicher Emotionen über die Schulzeit, eine Reduzierung von Motivation bei SchülerInnen im Fach Mathematik. Auf Grundlage dieser Befunde stellt sich die Frage, wie Unterricht, vor allem im Fach Mathematik, gestaltet werden kann, der gezielt lernförderliche Emotionen und Motivation bei den SchülerInnen hervorruft, um das Lernen im Moment und in zukünftigen Lernsituationen zu fördern und zu unterstützen.

Unterschiedliche Theorien sowie darauf basierende Untersuchungsergebnisse weisen auf verschiedene Kontextfaktoren und Gestaltungsmerkmale eines emotions- und motivationsförderlichen Unterrichtsarrangements hin. Methodische Gesichtspunkte, wie beispielsweise die Durchführung von Projekten und die damit in Verbindung stehende Möglichkeit selbstreguliertes und kooperatives Arbeiten im schulischen Kontext zu unterstützen oder das Einbeziehen von Aspekten der alltäglichen Lebenswelt der SchülerInnen, wie die Nutzung oder Erstellung von Medienprodukten, stellen mögliche gestalterische Elemente von Unterricht dar, die emotions- und motivationsfördernde Wirkung haben können.

Der Untersuchung emotionaler und motivationaler Effekte von Interventionen im Feld von Schule und Unterricht stehen jedoch zahlreiche Schwierigkeiten gegenüber. Emotionen und Motivation folgen beispielsweise nur bedingt einem allgemeinen und kausal festgelegten Schema, können je nach Tagesform variieren und sich mit der Zeit verändern oder verfestigen. Emotionen im Lernkontext können zudem nicht nur fachspezifisch, sondern darüber hinaus themen- und sogar aufgabenspezifisch geprägt sein. Das heißt, emotionales Erleben eines oder einer Lernenden kann innerhalb des Mathematikunterrichts zum Beispiel bezüglich der Bearbeitung von Problemlöse- im Vergleich zu Modellierungsaufgaben variieren. Auf dieser Grundlage sind Auswirkungen von Interventionen bezüglich der Förderung der emotionalen und motivationalen Entwicklung lediglich an konkreten Unterrichtsmaßnahmen zu untersuchen und demzufolge nur eingeschränkt allgemeingültig.

Aus den aufgeführten Gründen entstand die Forderung nach der Anwendung und Untersuchung konkreter Interventionsmaßnahmen im Mathematikunterricht, die eine Förderung der Mathematikemotionen von Lernenden auf der einen Seite und von modellierungs-, anwendungs- und problemlöseorientierten mathematischen Kompetenzen auf der anderen Seite zum Ziel haben (vgl. Blum, 1999). Aus dieser Forderung ergibt sich das Forschungsinteresse dieser Arbeit, welches im Folgenden dargestellt wird:

In der vorliegenden Arbeit wird ein Unterrichtsvorhaben in Form eines Projekts entwickelt und auf die Durchführbarkeit im Unterricht, den Einfluss auf emotionale und motivationale sowie kognitive Merkmale der Kompetenzentwicklung der ProjektteilnehmerInnen hin untersucht. Im Zentrum dieses Unterrichtsprojekts steht die selbstständige und kooperative Produktion von mathematischen Erklärvideos zum Thema geometrische Körper. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Aktivitäten im Projekt Motivation zur aktiven Beteiligung und positive Emotionen gegenüber dem Fach Mathematik hervorrufen können. Darüber hinaus soll untersucht werden, inwieweit dadurch mathematische Kompetenzen hinsichtlich der Leitideen Raum und Form sowie Messen gefördert werden.

Das geplante Unterrichtsprojekt stellt demnach ein konkretes Unterrichtsvorhaben dar, welchem eine Lernumgebung zugrunde liegt, die sich an theoriegestützten Gestaltungsmerkmalen zur Emotions- und Motivationsförderung orientiert. Das Projekt ist für die Durchführung in der neunten Klasse am Gymnasium an zwei Projekttagen konzipiert und fungiert als inhaltliche Zusammenfassung des Themas Raumgeometrie, konkret der geometrischen Körper, in der Sekundarstufe I.

Bei diesem Themenkomplex handelt es sich zum einen um ein zentrales Thema hinsichtlich der Herausbildung tragfähiger Vorstellungen beispielsweise durch das Erfassen von Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhängen auf verschiedenen Repräsentationsebenen und zum anderen um einen Inhaltsbereich, welcher sich anschaulich in audio-visueller Form darstellen lässt und Bezug zur Alltagswelt der SchülerInnen zulässt.

Zur Beantwortung der oben formulierten Fragen werden quasi-experimentelle Untersuchungen zum beschriebenen Projekt in sieben Klassen der neunten Jahrgangsstufe an zwei Gymnasien in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, welche durch drei Kontrollklassen begleitet werden. Die Durchführung der Gesamtstudie gliedert sich dabei in zwei Phasen. In der ersten Studienphase, der Entwicklungsstudie, liegt der Schwerpunkt, neben ersten Hinweisen auf dessen Affekt-, Motivations- und Lernwirksamkeit, auf der Durchführbarkeit des Projektformats. An dieser Untersuchung nehmen drei Klassen teil, welche das Projekt unter Anleitung der wissenschaftlichen Projektleitung durchführen. Die Erkenntnisse aus der ersten Studienphase werden auf die zweite Phase, die Feldstudie, übertragen und angewendet. In der Feldstudie wird das Projekt in realen Unterrichtsbedingungen von den jeweiligen Mathematiklehrkräften durchgeführt und auf dessen Wirkung überprüft.

Die empirische Untersuchung des Projekts, sowohl in der Entwicklungs- als auch in der Feldstudie, wird in einem Pre, Post und Follow-up Design durchgeführt. Dazu werden Instrumente zur Ermittlung von Effekten auf Emotionen und Motivation genutzt. Hinsichtlich der Datenauswertung wird die Auswirkung des Lernarrangements auf lernrelevante Emotionen und subjektive Bewertungsprozesse sowie Motivation und sach- bzw. fachbezogenes Interesse der SchülerInnen direkt nach und drei Monate nach der Projektdurchführung überprüft. Dabei sollen sowohl unmittelbare als auch langfristige Effekte auf das emotionale Erleben und die Motivation bezüglich des Fachs untersucht werden. Zur Überprüfung der Auswirkung auf die Mathematikleistung werden kognitive Tests verwendet, um die Kompetenzentwicklung in drei übergeordneten Aufgabenbereichen zum inhaltlichen Themenschwerpunkt hinsichtlich unterschiedlicher Anforderungsniveaus unmittelbar nach dem Projekt und langfristig analysieren zu können. Zusätzlich werden Daten im regulären Mathematikunterricht und während des Projekts erhoben, um die motivationale Wirkung des Projekts während der Durchführung zu ermitteln.

Gliederung der Arbeit: In Kapitel 2 wird die theoretische Rahmung in Bezug auf Emotionen und Motivation dargestellt. Dazu werden Emotionen zunächst allgemein beschrieben (2.1) und anschließend, entsprechend der Lokalisierung dieser Forschungsrichtung, im Kontext schulischer Lernsituation betrachtet (2.1.1). In diesem Teilabschnitt werden insbesondere die Entstehung (2.1.3) und Wirkung (2.1.4) von Emotionen in dem spezifischen sozialen Setting Schule veranschaulich. Diesbezüglich stellt die Kontroll-Wert-Theorie von Pekrun (2006) das zentrale theoretische Rahmenmodell dar. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird Motivation thematisiert (2.2). Analog zu den Darstellungen von Emotionen in der Schule, wird auch Motivation in diesem Kontext (2.2.1), auf Grundlage der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985), und Interesse (2.2.2) näher betrachtet. Anschließend wird die Verflechtung emotionaler und motivationaler Variablen erläutert (2.3) und die Auswirkungen von Emotionen, auf der Basis kognitiver und motivationaler Faktoren, auf die schulische Leistung (2.4) sowie das reziproke Bedingungs- und Wirkverhältnis (2.5) aufgezeigt.

Basierend auf diesen Darstellungen werden im 3. Kapitel Gestaltungsmerkmale für einen emotions- und motivationsförderlichen Unterricht, unter Berufung auf theoretische und studienbasierte Ausführungen, beschrieben. Dazu werden zunächst lehr- und lerntheoretische Grundlagen zur Gestaltung von Lernprozessen dargestellt (3.1). Anschließend werden die theoretischen Rahmenmodelle der Kontroll-Wert-Theorie und Selbstbestimmungstheorie hinsichtlich der Gestaltung von Lernumgebungen analysiert (3.2) und konkrete Kriterien abgeleitet (3.3).

Kapitel 4 umfasst didaktisch-methodische Aspekte im Hinblick auf das geplante Projekt. Zunächst wird der mathematische Inhaltsbereich Geometrie unter der Perspektive der Kompetenzorientierung mit Bezug zu den Bildungsstandards skizziert (4.1). Danach wird die Unterrichtsform Projekt beschrieben. Zuerst werden der Begriff des Projekts hinsichtlich seiner Bedeutung und historischen Genese erläutert (4.2.1) und verschiedene Phasenmodelle (4.2.2), die als Durchführungsorientierung dienen, sowie die Projektmerkmale des kooperativen und selbstregulierten Lernens dargestellt (4.2.3). Schließlich werden Projekte unter besonderer Berücksichtigung der inhalts- und themenspezifischen Ausrichtung im Fach Mathematik betrachtet (4.2.4).

Im 5. Kapitel wird das Unterrichtsprojekt dargestellt. Zunächst wird der Ablauf des Projekts beschrieben und insbesondere die einzelnen Projektphasen betrachtet sowie anschließend mit den Projektkomponenten nach Frey (2010) in Bezug gesetzt werden (5.1). Im Anschluss daran werden die inhaltlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Planung und Umsetzung des Unterrichtsprojekts erläutert (5.2). Die Umsetzung in Bezug auf die affekt-, motivations- und lernwirksame Ausrichtung des Projekts wird im darauffolgenden Abschnitt (5.3) thematisiert. Diesbezüglich werden zunächst die übergeordnete konzeptionelle Ausrichtung erläutert und anschließend die Gestaltung der einzelnen Phasen im Hinblick auf Gestaltungsmerkmale für einen emotions- und motivationsförderlichen Unterricht, wie Autonomiegewährung, Kooperation und Wertinduktion, konkretisiert.

Die empirische Studie wird im 6. Kapitel dargestellt. Dabei werden zunächst die Forschungsfragen formuliert (6.1) und die Erhebungsinstrumente beschrieben (6.2). Anschließend wird der Aufbau der Studie anhand des Forschungsdesigns skizziert (6.3) und die ProbandInnen hinsichtlich der einzelnen Untersuchungsgruppen vorgestellt (6.4). Im Anschluss daran werden die Auswertungsmethoden bezüglich der Forschungsfragen beschrieben (6.5) und die Ergebnisse der Studie anhand dieser dargestellt (6.6, 6.7 & 6.8).

Im letzten Kapitel 7 werden die Ergebnisse zunächst vor dem Hintergrund der Forschungsfragen diskutiert und in Bezug auf die theoretischen Ausführungen eingeordnet (7.1, 7.2 & 7.3). Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Fazit zur Gesamtstudie gezogen (7.4), bevor eine Reflexion vorgenommen wird (7.5) und Perspektiven für die Forschung und die Unterrichtspraxis aufgezeigt werden (7.6).