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1 Rollen in der Hochschullehre im Kontext der Digitalisierung

Die Anforderungen an Lehrende im Kontext der digital gestützten Hochschullehre nehmen stetig zu. Lehrplanung und -gestaltung erhalten durch den Einsatz digitaler Werkzeuge einen erweiterten Möglichkeitsrahmen. Damit verbunden sind veränderte Selbstverständnisse, Aufgaben, Erwartungen und Herausforderungen, denen sich Lehrende gegenübersehen. So sollen sie im Kontext des Shifts from teaching to learning (Welbers und Gaus 2005) lernendenzentrierte und interaktive Lehr-Lern-Szenarien umsetzen und gleichzeitig die Potenziale der digitalen Medien nutzen, um ihre Lehre entsprechend weiterzuentwickeln.

Die Reflexion der eigenen Rolle in der Lehrtätigkeit wird dabei als Grundlage für die Entwicklung eines professionellen Selbstverständnisses von Hochschullehrenden verstanden und in hochschuldidaktischen Weiterbildungsangeboten adressiert (vgl. Weil 2020). Um diese Reflexion zu unterstützen, ist es zunächst erforderlich, die Selbsteinschätzung von Lehrenden in Bezug auf ihr Rollenverständnis zu kennen und die von den Lehrenden benannten Erwartungen und Herausforderungen, mit denen sie sich bei der Ausübung der Rolle konfrontiert sehen, wahrzunehmen. Gerade im Kontext der Digitalisierung ist anzunehmen, dass sich das Verständnis von Lehrrollen und die Einschätzung der damit verbundenen Erwartungen, Kompetenzen und Aufgaben verändern. Um diese Fragestellung zu adressieren und Impulse für die Entwicklung hochschuldidaktischer Reflexionsangebote anzubieten, wurde im Kontext des Verbundprojektes Digitalisierung der Hochschulbildung in Sachsen (DHS)Footnote 1 ein Scholarship-of-Academic-Development-Projekt (SoAD-Projekt) durchgeführt.

Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse einer qualitativen und explorativen Erhebung unter Hochschulangehörigen aus dem Bereich der Lehre und der Lehrunterstützung vor, die einen Einblick darin geben, inwiefern Lehrende eine Veränderung ihrer Rollen im Kontext der Digitalisierung wahrnehmen (siehe auch Riedel et al. 2023). Hierfür werden zunächst bestehende Rollentypologien vorgestellt (Abschn. 2). Nach einer Darstellung des methodischen Vorgehens (Abschn. 3) fokussiert die hier vorgestellte Auswertung die Veränderung von konkreten Rollenprofilen im Kontext der Digitalisierung und legt dar, in welchen Bereichen die Digitalisierung zu neuen Aufgaben, Kompetenzanforderungen, Erwartungen und Herausforderungen führt (Abschn. 4).

2 Typologien und Merkmale von Rollen in der Hochschullehre

Das Konstrukt der Rolle wird in diesem Beitrag verstanden als die expliziten und impliziten Erwartungen, die an eine Person in der Ausübung ihrer Tätigkeit gerichtet werden (für den Kontext der Lehre, vgl. Thomann 2019). Eine Person kann dabei mehrere Rollen in unterschiedlichen Kontexten innehaben und sich möglicherweise auch widersprüchlichen Erwartungen von unterschiedlichen Akteur:innen gegenübersehen (vgl. Kalt 2010).

Im Kontext der Hochschullehre werden neben der Lehrtätigkeit noch weitere Tätigkeitsbereiche (Forschung, Akademische Selbstverwaltung und sonstige Tätigkeiten) relevant (vgl. Müller-Christ et al. 2018). Diese werden im Folgenden als Funktionen verstanden (vgl. Thomann 2019). Innerhalb der Funktion Lehre nehmen Personen verschiedene Rollen ein, die bereits in verschiedenen Rollentypologien zusammengetragen wurden.

Thomann (2019) formuliert acht verschiedene Rollen, wobei er seine Typologie allgemein auf Lehrtätigkeit an Institutionen bezieht, ohne die Besonderheiten von Digitalisierung explizit zu betonen. Vielmehr sind digitalisierungsbezogene Aufgaben nach seinem Verständnis Teil der Rollen. Eine andere Herangehensweise wählten Bett (2011) und Graf (2004), die spezielle Rollentypologien für den Kontext der E-Moderation entwickelten und darauf verweisen, dass in diesem Kontext neben didaktischen und kommunikativen Aufgaben auch technische und administrative Aufgaben zu bewältigen sind. Tab. 1 stellt die drei Rollentypologien gegenüber.

Tab. 1 Rollentypologien für (digitale) Lehre.

Die unterschiedlichen Rollentypologien weisen Gemeinsamkeiten im Bereich der didaktischen und kommunikativen Aufgaben auf, setzen aber unterschiedliche Schwerpunkte, welche weiteren Aufgaben in den Blick genommen werden. So verweist Thomann (2019) auf die Rollen Institution vertreten und Staat und Gesellschaft vertreten, Aspekte, die in den anderen Rollentypologien nicht vertreten sind. Graf (2004) betont hingegen die Bedeutung der Rolle des Lernenden, die sie als einzige der drei Autor:innen aufführt.

Gemäß der hier verwendeten Definition von Rollen sind für deren Charakterisierung folgende Kriterien zentral: (1) die Beschreibung der wahrgenommenen Aufgaben, (2) die Erwartungen, die von außen und individuell an die Ausübung einer Rolle gestellt werden, sowie (3) der Kontext, in dem die Ausübung der Rolle stattfindet. Die folgende Untersuchung wendet diese Kriterien als Operationalisierung für die Diskussion der eigenen Rollenverständnisse an. Hinzu kommt als vierte Kategorie die Arbeitsteilung. Darunter soll die Zusammenarbeit mit anderen, v. a. hochschulinternen Stellen bzw. Personen verstanden werden. Diese Kategorie wurde von den Autorinnen dieses Beitrags ergänzt, da sich in der gemeinsamen Diskussion die gestiegene Relevanz der kooperativen Zusammenarbeit in der digital gestützten Hochschullehre abzeichnete.

3 Methodisches Vorgehen

Die diesem Beitrag zugrunde liegende Forschungsfrage Wie beschreiben Lehrende und lehrunterstützendes Personal ihre Rollen und die damit verknüpften Aufgaben bei der Realisierung digital gestützter Hochschullehre? wurde anhand von Arbeits- und Diskussionsergebnissen beantwortet, die im Kontext einer dreitägigen Online-Veranstaltung erarbeitet wurden. Die Veranstaltung fand im Juni 2022 statt und diente der Vernetzung und dem Austausch von Personen aus den drei Programmlinien des Projektes DHS (vgl. Fn. 1). An den drei Veranstaltungstagen gab es jeweils Input- und Arbeitsphasen, die der Erarbeitung gemeinsamer (Zwischen-)Ergebnisse dienten. Diese wurden in einem Conceptboard dokumentiert. An Tag 1 wurde zunächst ein Rollenpanorama erarbeitet, welches eine Sammlung der durch die Teilnehmenden wahrgenommenen Rollen in Form eines Rollentitels darstellt. An Tag 2 sollten zunächst Aufgaben und damit verbundene Kompetenzen, Erwartungen, Herausforderungen sowie wahrgenommene Arbeitsteilung aus dem eigenen Lehrkontext gesammelt werden. Außerdem wurden ausgewählte Rollen näher beschrieben und für diese Rollensteckbriefe ausgearbeitet. An Tag 3 wurden weitere Rollensteckbriefe erstellt, sowie eine auf wesentliche Informationen zur Charakterisierung der Rolle beschränkte Quartettkarte entwickelt. Die Forscherinnen waren als Co-Moderatorinnen involviert.

An der Veranstaltung nahmen insgesamt 27 Angehörige zehn sächsischer Hochschulen aus den Bereichen Lehre (N = 15), Lehrunterstützung (N = 10) sowie Studienorganisation/Verwaltung (N = 2) teil. Dabei handelte es sich um 17 Personen von Universitäten, sechs von Hochschulen angewandter Wissenschaft, eine von Kunst- und Musikhochschulen sowie zwei von nicht-staatlichen Hochschulen. Die 15 Lehrenden verteilen sich auf die Fachbereiche Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (N = 6), Naturwissenschaften, Mathematik (N = 5), Ingenieurwissenschaften, Informatik (N = 3) und Geisteswissenschaften (N = 1). Bei der Stichprobe handelt es sich um eine anfallende Stichprobe (auch: Ad-hoc-Stichprobe; vgl. Döring/Bortz 2016), wobei diese engagierte Akteur:innen der sächsischen Hochschulen umfasst.

Die Dokumentation der Arbeitsphasen erfolgte anhand von Moderationskarten und Stichpunktlisten, die überwiegend von den Teilnehmenden selbst verfasst wurden. Diese wurden mittels einer qualitativen, zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2002) ausgewertet. Die hier vorgestellte Auswertung widmet sich den (Zwischen-)Ergebnissen der einzelnen Tage in jeweils separaten Auswertungsteilen.

Die Schrittfolge bei der Durchführung der zusammenfassenden Inhaltsanalyse fand in verkürzter Form statt, da die Auswertungseinheiten (Schlagworte auf Karten, die in Stichpunktlisten als Rollensteckbrief zusammengeführt wurden) aufgrund der Dokumentationsform bereits als Paraphrasen und in einer generalisierten sowie reduzierten Form vorlagen, wobei diese Schritte durch die Teilnehmenden selbst durchgeführt wurden. Die Paraphrasen wurden von den Teilnehmenden innerhalb vorgegebener Kategorien gesammelt, die die Forscherinnen aus der Literatur abgeleitet haben (Kompetenzen, Erwartungen, Herausforderungen, Arbeitsteilung). Innerhalb der vier Hauptkategorien identifizierten die Forscherinnen Paraphrasen, die einen Digitalisierungsbezug aufwiesen, weil diese Begriffe wie „online“, „digital“, „E-Learning“ oder konkrete digitale Anwendungen enthielten. Nur in der Hauptkategorie Herausforderungen fanden sich so viele Karten mit Digitalisierungsbezug, dass diese durch die Forscherinnen in Sub-Kategorien gebündelt wurden, die deduktiv aus typischen Handlungsbereichen der digital gestützten Hochschullehre abgeleitet wurden: Didaktik, Organisation, Technik, Recht (vgl. Handke und Schäfer 2012).

Das Forschungsprogramm wurde im Rahmen eines Scholarships of Academic Development (SoAD) umgesetzt. Ziel des SoAD ist es, das Tätigkeitsfeld in der Hochschuldidaktik systematisch zu reflektieren, um dabei die eigene berufliche Praxis zu verbessern (vgl. Daele und Ricciardi Joos 2016). Dabei steht der Anschluss an die wissenschaftliche Literatur, die Systematik des Vorgehens und das öffentliche Teilen der Ergebnisse mit Relevanz für die eigene Tätigkeit im Fokus (vgl. Daele und Ricciardi Joos 2016). Die Forschungsmethoden und der Theoriebezug können frei gewählt werden (vgl. Huber 2014). Die Forschung findet eingebettet in einen sozialen Kontext und als sozialer Prozess statt (vgl. Huber 2014).

4 Traditionelle Aufgaben, gestiegene Erwartungen und neue Herausforderungen

Die Darstellung der Auswertungsergebnisse erfolgt gegliedert nach dem jeweils zugrunde liegenden Material und den (Zwischen-)Ergebnissen der einzelnen Veranstaltungstage. Die Auswertung des Rollenpanoramas in Riedel et al. (2023) zeigte, dass die Lehrenden keine neuen Rollen wahrnehmen. Dominiert wird das von den Teilnehmenden entwickelte Rollenpanorama von tradierten Lehrrollen. Die meisten Sub-Rollen lassen sich dabei sowohl auf tradierte Lehrkontexte als auch digital gestützte Lehrszenarien beziehen. Die Auswertung fokussiert die zusammengetragenen Aufgaben und notwendigen Kompetenzen, Erwartungen, Herausforderungen sowie die Arbeitsteilung (Moderationskarten mit Paraphrasen, geclustert nach Thementischen) (Abschn. 4.1). Anschließend werden die für ausgewählte Rollen erstellten Rollensteckbriefe (Stichpunktlisten) im Hinblick auf ihren Digitalisierungsgehalt analysiert (Abschn. 4.2).

4.1 Wahrnehmung von Aufgaben, Herausforderungen und Erwartungen im Kontext der Digitalisierung

Am zweiten Veranstaltungstag setzten sich die Teilnehmenden intensiv mit den Aufgaben, Kompetenzen, Herausforderungen und Erwartungen, die mit ihrer Funktion als Lehrende verbunden sind, auseinander. Tab. 2 stellt dar, wie sich die Karten und die Digitalisierungsaspekte auf die jeweiligen Kategorien verteilen.

Tab. 2 Verteilung von Karten (Paraphrasen) mit und ohne Digitalisierungsbezug auf Hauptkategorien.

Im Bereich der Aufgaben und notwendigen Kompetenzen wurden insgesamt 38 Karten erstellt. Mit der Medien- sowie der Informationskompetenz enthielten lediglich zwei dieser Karten einen Digitalbezug. Hinsichtlich der an die Lehrtätigkeit gestellten Erwartungen wurden ebenfalls nur recht verhalten explizite Digitalisierungsbezüge hergestellt. Von den insgesamt 41 Karten wiesen sieben Karten einen Digitalisierungsbezug auf. So wurden etwa als Erwartungen genannt, dass Videos zur Nachbereitung der Lehrveranstaltung bereitgestellt werden sollten, alle Kompetenzen bereits mitgebracht werden müssten, bspw. Tools bekannt sein sollten, und Studierende aufgrund der Digitalisierung nicht „verloren“ werden dürfen und insbesondere auf die soziale Eingebundenheit geachtet werden müsse. Ergänzt wurden diese relativ konkreten Nennungen durch zwei allgemein gehaltene Formulierungen. Die Erwartungen seien vielfältig: „digital, hybrid, exzellent“ und aufgrund des Digitalisierungsschubs infolge der COVID-19-Pandemie insgesamt höher geworden, ohne jedoch zu spezifizieren, worin die nunmehr höheren Erwartungen Ausdruck finden.

Ein gänzlich anderes Bild zeigte sich im Hinblick auf die mit der Lehrtätigkeit verbundenen Herausforderungen. Hier wurden – im Gegensatz zu allen anderen Thementischen – vielfältige Digitalisierungsbezüge hergestellt. Von den 25 Karten wiesen 12 einen expliziten Bezug zur digital gestützten Lehre auf. Die Bandbreite der Nennungen reicht von organisatorischen Herausforderungen (N = 2), über Aspekte der räumlich-technischen Ausstattung (N = 2), didaktische Überlegungen (N = 5) bis hin zu rechtlichen Unsicherheiten (N = 2). Weitere zwei Karten (digitale Prüfungen; Abwertung von mobiler Arbeit/digitalen Formaten) sind nicht eindeutig zuordenbar.

Im Bereich der organisatorischen Herausforderungen wurde der „Wechsel zwischen Präsenz- und Online-Terminen“ genannt, verbunden mit der Anforderung, das eigene Engagement für die Lehre und die persönlichen Leistungsgrenzen auszuloten und eine „Work-Life-Balance“ herzustellen. Ebenfalls in diesem Bereich verorten lässt sich die Aussage, ein „hohes Maß an Flexibilität“ sei erforderlich. Im Bereich der räumlich-technischen Herausforderungen nannten die Teilnehmenden die Abhängigkeit von den technischen Rahmenbedingungen und der technischen Infrastruktur. Hierunter fällt etwa, wie gut die Räumlichkeiten der Hochschulen für hybride Lehre ausgestattet sind, welche Hard- und Software durch die Hochschulen für Lehrende, aber auch Studierende bereitgestellt wird, dass Lehrende ihr „eigenes Equipment als ‚Notlösung‘“ nutzen mussten oder die Leistungsfähigkeit der zur Verfügung stehenden Internetverbindung. Einen weiteren Komplex bilden die didaktischen Herausforderungen. Lehrende standen vor der Entscheidung, ob sie ihre Lehrveranstaltungen synchron, asynchron oder in einer Kombination aus beidem anbieten. Später mussten sie entscheiden, ob sie vollständig online, in Präsenz oder hybrid lehren wollten. Mit der Digitalisierung der Lehre ist auch die Gestaltung von (barrierefreien) Lehr-/Lernmaterialien stärker in den Fokus gerückt. Zwar ist weder die Aufgabe neu, Lehr-/Lernmaterialien zu erstellen, noch diese auch in barrierefreier Form bereitzustellen, allerdings sind für viele Lehrende neue Formen von Lehrmaterialien hinzugekommen (z. B. Videos oder Audios), deren Erstellung zumindest anfänglich mit einem spürbar höheren Zeitaufwand verbunden war. Hinzu kommt, dass auch das Thema Barrierefreiheit noch einmal eine deutlich höhere Aufmerksamkeit erfahren hat. Ausdrücklich genannt wurde außerdem, dass digitale Kompetenzen auch aufseiten der Studierenden nicht vorausgesetzt werden konnten und Studierende bei der Entwicklung digitaler Kompetenzen begleitet und unterstützt werden müssen. Didaktisch herausfordernd war auch die Motivation der Studierenden. Schließlich hat auch das „Handeln in rechtlicher Unsicherheit“ bzw. im „rechtlichen Graubereich“ die Lehrenden stark beschäftigt. Explizit genannt wurde hier die Anrechnung digitaler Veranstaltungen auf das Lehrdeputat und, dass die Prüfungsordnungen mehrheitlich keine digitalen Prüfungen vorsahen. Darüber hinaus fällt – wie in der anschließenden Diskussion angesprochen – aber auch die Nutzung von Software in diesen Bereich (Stichwort Datenschutz und Persönlichkeitsrechte).

Danach gefragt, mit wem und in welcher Form sie zusammenarbeiten, trugen die Lehrenden eine Vielzahl einzelner Personen/Stellen und zentraler Einrichtungen zusammen. Auch hier scheint sich keine digitalisierungsspezifische Veränderung ergeben zu haben. Zwar wurden auf den 14 Karten auch die Rechenzentren und E-Learning-Teams genannt, die nach Ansicht der Teilnehmenden als Ansprechpersonen für die Lernmanagementsysteme und durch die Hochschulen bereitgestellte Software sowie Lehrveranstaltungs- und Studienganggestaltung bereitstehen. Jedoch wurden daneben noch zahlreiche weitere Stellen (Kolleg:innen, Fakultätsleitungen, Prüfungsämter, Studierendenvertretungen, Verwaltung) genannt. Eine Priorisierung wurde durch die Teilnehmenden nicht vorgenommen. Die Angaben lassen keine Rückschlüsse auf die Nennung neuer Stakeholder oder eine Bedeutungsveränderung bei einzelnen Struktureinheiten zu.

4.2 Veränderungen von bestehenden Rollenbildern im Kontext der Digitalisierung

Die im Anschluss verfassten Rollensteckbriefe brachten hinsichtlich der auf den ersten Blick zunächst nur wenig durch die Digitalisierung der Lehre geprägten Rollentitel weitere aufschlussreiche Erkenntnisse. Die Teilnehmenden bekräftigten, dass sie keine Veränderung der Rollen per se wahrnähmen, sondern vielmehr auf Ebene der mit diesen verbundenen Aufgaben, Kompetenzen, Erwartungen und Herausforderungen. Hieraus ergeben sich nunmehr deutliche Digitalisierungsbezüge in allen acht vorliegenden Rollensteckbriefen. Tab. 3 gibt einen Überblick, in welchen Kategorien zur Beschreibung der Rollen die Teilnehmenden digitale Aspekte in den Rollensteckbriefen angegeben haben.

Tab. 3 Nennung digitaler Aspekte in den Rollensteckbriefen (+ = Digitalbezug vorhanden; − = kein Digitalbezug vorhanden).

Auf fast allen Karten gibt es in mindestens einer Kategorie einen Bezug zur Digitalisierung (in der Tabelle durch + dargestellt). In zweierlei Hinsicht gibt es hiervon Ausnahmen. Bei den Rollen Wertevermittler:in und Berater:in werden in den ausgearbeiteten Rollenbeschreibungen überhaupt keine Bezüge zu digitalen Aspekten der Lehre hergestellt. Im Gegensatz hierzu weist die Rolle Botschafter:in für digitale Lehre nicht nur aufgrund ihrer Bezeichnung, sondern auch aufgrund der beschriebenen Aufgaben, Kompetenzen, Erwartungen und Herausforderungen deutliche Digitalisierungsbezüge auf. Der/die Botschafter:in soll als „Ansprechperson für Kolleg:innen für Fragen rund um die digital gestützte Lehre zur Verfügung stehen“ und „Medienkompetenz und medienpädagogische Kompetenzen“ mitbringen. Von ihm/ihr wird erwartet, dass er/sie den routinierten Umgang mit Medien vorlebt. Als Herausforderungen wurden etwa die „inhaltliche Auseinandersetzung [mit dem] (Un-)Sinn bestimmter Tools“ und der „Widerstand [gegen die] Nutzung von Tools“ bei Lehrenden genannt. Der/die Medienbeauftragte zeichnet sich ebenfalls durch einen hohen Digitalisierungsbezug aus. Er/sie hat ein breites Aufgabenspektrum, das von Verwaltungsaufgaben (Bestellung von Hard- und Software), über unterstützende und beratende Aufgaben wie die Erstellung von Handreichungen und Durchführung von technischen wie mediendidaktischen Weiterbildungen bis hin zur Leitung von Projekten reicht. Dementsprechend werden von ihm/ihr vielfältige Kompetenzen erwartet, die sich nicht nur auf Technik- und Medienkompetenz beschränken, sondern auch didaktische, kommunikative und Managementkompetenzen umfassen. Die besonderen Herausforderungen dieser Rolle liegen folglich in dem sehr weiten Wirkungsfeld des/der Medienbeauftragten. Lediglich bei den Erwartungen wurden keine explizit digitalbezogenen Aspekte genannt. Vielmehr stand hier die Aussage im Vordergrund, der/die Medienbeauftragte werde als Dienstleister:in für Lehrende gesehen. Der/die Lernbegleiter:in weist lediglich einen Digitalisierungsbezug bei den mit dieser Rolle verbundenen Herausforderungen auf. Dort heißt es, Studierende sollten im Hinblick auf deren digitale Kompetenzen begleitet werden, wobei Notwendigkeit und Umfang dieser Begleitung je nach Studiensemester variieren können. In allen anderen Rubriken werden ausschließlich Aspekte genannt, die vom Lehrveranstaltungssetting unabhängig sind.

In der begleitenden Diskussion arbeiteten die Teilnehmenden noch einmal deutlich heraus, dass sie grundsätzlich keine neuen Rollen sähen. Beim Wechsel in die digital gestützte Lehre handele es sich zunächst nur um einen Medienwechsel; die zu vermittelnden Inhalte blieben jedoch identisch. Vielmehr hätten sich infolge der Digitalisierung der Lehre Veränderungen auf der Ebene der Aufgaben, Erwartungen, Kompetenzen und Herausforderungen gezeigt. Zudem habe sich ihres Erachtens das Verhältnis der bestehenden Rollen untereinander verändert. Vormals als selbstverständlich wahrgenommene Aufgabenteilungen und Zuständigkeiten hätten sich aufgelöst und Aufgaben zwischen verschiedenen Struktureinheiten, Funktionen, Personen verschoben. Beispielhaft wurde an dieser Stelle dargelegt, dass vor der COVID-19-Pandemie Videos durch den Medienservice erstellt worden seien. Heute übernähmen das Lehrende überwiegend selbst („Arbeitsteilung wird weniger“).

5 Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen eines Scholarship-of-Academic-Development-Ansatzes wertet dieser Beitrag die Ergebnisse einer hochschuldidaktischen Veranstaltung zur Reflexion von Rollenbildern in der digital gestützten Hochschullehre aus. Dabei wurden die im Rahmen der dreitägigen Online-Veranstaltung entstandenen Dokumente systematisch ausgewertet. Gegenstand dieses Beitrages sind ein durch die Teilnehmenden – Lehrende und Personen aus dem Bereich der Lehrunterstützung und Studienorganisation – erstelltes Rollenpanorama und Rollensteckbriefe. Diese wurden im Hinblick auf neu entstandene Rollen, aber auch veränderte Rollenwahrnehmungen im Bereich von Aufgaben und Kompetenzen, Erwartungen sowie Herausforderungen infolge der Digitalisierung der Lehre analysiert. Da es sich um eine explorative Erhebung handelt, sind die Ergebnisse nicht verallgemeinerbar. Gleichwohl können sie richtungsweisende Impulse für Diskussionen um die weitere Digitalisierung der sächsischen Hochschullehre geben.

Interessant ist vor allem, dass die Teilnehmenden kaum neue Rollen wahrnehmen, sondern Digitalisierung und Digitalität als selbstverständlichen Bestandteil von bisherigen Rollen mitdenken. Veränderungen infolge der Digitalisierung der Hochschullehre zeigten sich weniger auf Ebene der Rollen, sondern vielmehr auf Ebene von Aufgaben und erforderlichen Kompetenzen, Erwartungen, vor allem aber mit der Lehre verbundenen Herausforderungen. Dabei wird seitens der Teilnehmenden eine Aufgabenverschiebung wahrgenommen, die dazu führt, dass einige bisher beim lehrunterstützenden Personal verortete Sub-Rollen in das Rollenpanorama von Lehrenden übergehen.

Die Teilnehmenden äußerten, sie nähmen in ihrem Arbeitsalltag deutlich mehr Herausforderungen und einen gestiegenen Erwartungsdruck wahr. Ursächlich dafür können verschiedene Faktoren sein. Zum einen wurde das Aufgabenspektrum von Lehrenden im Zuge der Digitalisierung erweitert. Zum anderen werden diese neuen Aufgaben zunehmend zur Routine. Die zu Beginn der COVID-19-Pandemie bei Hochschulleitungen, Studierenden, aber auch den Lehrenden selbst herrschende Nachsicht, die digitale Lehre müsse nicht perfekt sein, wich allmählich einem neuen Lehrverständnis, dass digital gestützte Lehre nicht mehr nur emergency remote teaching (Hodges et al. 2020) ist, sondern dauerhaft Bestandteil von Hochschullehre bleiben wird. Damit geht auch einher, dass die vor Pandemiebeginn an eine „gute Lehre“ gestellten Anforderungen nunmehr auch auf die digital gestützte Lehre übertragen werden.

Es wird deutlich, dass perspektivisch die Auseinandersetzung von Lehrenden mit ihren eigenen Rollen und den damit verbundenen Aufgaben und Kompetenzen, Erwartungen und Herausforderungen an Bedeutung gewinnen wird. Denn die zentrale Frage ist, wie die Teilnehmenden selbst anmerkten, ob alle mit der Lehrendenrolle verbundenen Anforderungen erfüllt werden können. Das setzt eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle voraus: Kann ich alle Aufgaben angemessen erfüllen? Verfüge ich über die dafür notwendigen Kompetenzen? Kann und will ich allen Erwartungen gerecht werden? Und wie positioniere ich mich zu den bestehenden Herausforderungen? Fragen, die hochschuldidaktische Veranstaltungen aufgreifen und dabei die Perspektive von Hochschullehrenden widerspiegeln sollten. Erste Impulse und Anknüpfungspunkte auf die Sicht der Lehrenden liefert der vorliegende Beitrag.