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1 Hintergründe zur Entstehung des Seminars

Im Rahmen des Innovations-Programms „Vordenker:innen – Lehre neu gedacht”Footnote 1 des QLB-Projektes DikoLa (digital kompetent im Lehramt) entstand in der Zusammenarbeit mit Prof.in Anke Reichardt das Konzept für ein durch digitale Medien unterstütztes Lehr-Lernlabor-Seminar für Grundschullehramtsstudierende mit dem Erstfach Deutsch. Das Seminar ist in das Forschungsprojekt Ladiff (Lernaufgaben im differenzsensiblen Rechtschreibunterricht) eingebettet. Es wurde ein in den naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken bereits etabliertes Konzept zur Professionalisierung Lehramtsstudierender für die sprachdidaktische Lehramtsausbildung fruchtbar gemacht, welches sich insbesondere durch die enge Verzahnung von Theorie, Praxis, Reflexion und Planungsadaption auszeichnet (Rehfeldt et al. 2020, S. 150). Die Zielgruppe des so entstandenen Vertiefungsseminars mit dem Themenschwerpunkt „Lernaufgaben im Rechtschreibunterricht” sind Grundschullehramtsstudierende ab dem 5. Fachsemester.

2 Theorieteil

Der Idee eines Lehr-Lernlabors folgend, setzen sich die Studierenden zunächst über mehrere Seminarsitzungen hinweg theoretisch mit Rechtschreiblernen und der Konzeption differenzsensibler Lernarrangements für die Primarstufe auseinander, um dann in Tandems eigene theoriebasierte Lernaufgaben zu entwickeln.

Übersicht

Neben fachlicher Korrektheit sollen die Aufgaben folgende Aspekte berücksichtigen:

  • kognitiv aktivieren (Einsiedler und Hardy 2010, S. 194–209),

  • induktives Denken trainieren (Klauer 2014, S. 5–19),

  • argumentative Kommunikation anbahnen (Leuchter und Hardy 2021, S. 17–30),

  • verständnisorientiertes Lernen ermöglichen (Lipowsky et al. 2019, S. 373–402),

  • entdeckendes Lernen ermöglichen (Neber und Neuhaus 2018, S. 119–127).

Die Aufgabenentwürfe werden anschließend unter lerntheoretischen und sprachdidaktischen Gesichtspunkten im Sinne einer kollegialen Fallberatung durch die Mitstudierenden und die Dozentin kritisch beleuchtet. Die Rückmeldungen fließen in das überarbeitete Aufgabendesign für die Realerprobung ein.

3 Praxisteil

Der Idee eines LLL Rechnung tragend, findet eine Erprobung der entwickelten Lernaufgaben mit Grundschüler:innen der Klassenstufen 2–4  in universitären Räumlichkeiten im komplexitätsreduzierten Rahmen statt, um einem möglichen „Praxisschock” vorzubeugen (Klempin et al. 2019, S. 154 f.).

Übersicht

Komplexitätsreduziert meint in diesem Fall, die Studierenden unterrichten:

  • im Team,

  • maximal 12 Kinder,

  • in Ihnen bekannten Räumlichkeiten,

  • mit technischer Unterstützung durch eine studentische Hilfskraft,

  • 30–40 min reine Unterrichtszeit.

Die Auswahl der teilnehmenden Klassen zielt auf die Repräsentation möglichst vieler Diversitätsmerkmale ab, um die Aufgabenzugänglichkeit in Hinblick auf gemeinsamen bzw. inklusiven Unterricht zu überprüfen. Da die Schüler:innen in Partner:innenarbeit die Aufgaben an Tablet-PCs mittels Smart-Pencil bearbeiten, besteht die Möglichkeit einer multimedialen Prozessdokumentation.

Übersicht

Der methodisch-didaktische Ablauf der Unterrichtsminiaturen folgt dabei stets einem Muster:

  • kognitiv aktivierende thematische Einführung durch die Studierenden,

  • Bearbeitung der Aufgaben am Tablet in Partner:innenarbeit,

  • Konklusion im Plenum.

Während der Partner:innenarbeitsphase werden die schriftlichen Fixierungen der Proband:innen sowie ihre sprachlichen Äußerungen via Screencast aufgenommen und abgespeichert. Die sprachlichen Äußerungen sind insofern besonders relevant und für die spätere Analyse interessant, als dass die entwickelten Lernaufgaben (s. o.) argumentative Kommunikationsprozesse anregen und fördern sollen. Diese Screencast-Aufnahmen stehen den Studierenden im Nachgang zur Verfügung.

4 Reflexionsteil

Die so entstehenden Vignetten bieten eine reichhaltige Grundlage, um in Folgeseminaren ins Gespräch zu kommen und evidenzbasiert Gelingensbedingungen und Stolperstellen zu diskutieren. In Vorbereitung auf die Folgeseminare erhalten die Studierenden die Aufgabe, aus den umfangreichen Vignetten zu ihren eigens entwickelten Aufgaben, kurze Sequenzen als Schlüsselsituationen zu isolieren und diese Videoclips im Seminar zu präsentieren. Gemeinsam mit der Seminargruppe und der Dozentin wird im Sinne einer kollegialen Fallberatung erörtert, wie die Schüler:innen beim Bearbeiten vorgegangen sind und welche Rückschlüsse sich daraus für die Adäquatheit des differenzsensiblen Lernarrangements ziehen ließen. Ziel der Reflexionsgespräche sind hierbei insbesondere die Sensibilisierung für Charakteristika von heterogenen Lerngruppen und dem damit einhergehenden Austarieren von Individualisierung und Gemeinsamkeit. Außerdem findet so ein schrittweise angeleiteter Theorie-Praxistransfer statt, der eine vertiefende Auseinandersetzung und Reflexion über Fachinhalte und fachdidaktische Herausforderungen ermöglicht. Damit soll ein Beitrag zur Professionalisierung angehender Grundschullehrkräfte einerseits hinsichtlich der Reflexion differenzsensibler Lernaufgaben und andererseits hinsichtlich der Möglichkeit digital unterstützter Lerner:innendiagnostikFootnote 2 geleistet werden. Folgend kann als Seminarleistung eine evidenzbasierte und reflektierte Adaption der entwickelten Lernarrangements durch die Studierenden stattfinden.

5 Diskussion

Bei dem beschriebenen Lehr-Lern-Szenario handelt es sich um ein planungsintensives und organisatorisch herausforderndes Seminarkonzept, welches an bestimmte technische Voraussetzungen (Tablet-PCs, Smart-Pencil, sichere Server für große Datenmengen) geknüpft ist. Dennoch ist der organisatorische Aufwand lohnenswert und zukunftsweisend, denn:

  • die Verzahnung von Theorie und Praxis kann von den Studierenden real erlebt werden und wird auch äußerst positiv von den Teilnehmer:innen in einer Evaluation hervorgehoben.

  • die Studierenden professionalisieren sich in Hinblick auf ihre Reflexionskompetenz.

  • die Studierenden erhalten den Einblick in eine niedrigschwellige und kostengünstige Möglichkeit der digital gestützten Diagnostik, die sie auch später im Lehrer:innenalltag einsetzen können.

  • die Videovignetten können nachhaltig weiter genutzt werden (in folgenden Seminaren und Vorlesungen der Dozentin und im Fachbereich).

Der Idee eines Lehr-Lernlabors folgend wäre überdies ein iterativer Ablauf, also eine erneute Erprobung der überarbeiteten Aufgaben, verbunden mit einer erneuten Reflexion und Aufgabenadaption, wünschenswert. Dies ließe sich möglicherweise in einem zweisemestrigen Veranstaltungsformat realisieren.

6 Ausblick

Das umrissene Seminarformat wird bereits zum dritten Mal durchgeführt. Das Lehr-Lerndesign wird dabei fortlaufend optimiert: Bei gleichem inhaltlichen Anspruch werden die Lernarrangement-Konzeptionen für die Schüler:innen nun nicht mehr als digitales Arbeitsblatt umgesetzt, sondern von den Lehramtsstudierenden als interaktive Lernplattform in Scratch 3.0 programmiert.

Dieser Beitrag soll Akteur:innen der Lehrer:innenbildung aller drei Phasen dazu ermuntern, niedrigschwellige digitale Prozessdokumentation, z. B. über Screencasts, für tiefgehende Reflexionsangebote nutzbar zu machen.