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1 Feedback-Portfolio

Das Projekt „Feedback-Portfolio“ verfolgt das Ziel, Lehramtsstudierenden ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, um Verbindungen innerhalb und zwischen den einzelnen Lerninhalten im bildungswissenschaftlichen Studium herzustellen, die Erfahrungen aus den praktischen Phasen mit den an der Universität vermittelten Lerninhalten zu verknüpfen sowie aus den gewonnenen Kompetenzen eine individuelle Lehrer:inpersönlichkeit zu entwickeln.

Das digitale Portfolio bündelt einzelne, von Studierenden ausgewählte Artefakte (bspw. Dokumente, Präsentationen, Podcasts, Notizen) aus dem Studium und den Praktika, die sie für den eigenen Lernprozess als besonders bedeutsam einschätzen. Diese Artefakte dienen zum einen der Dokumentation und bieten zum anderen die Grundlage für eine vertiefte Auseinandersetzung und Reflexion des erreichten Wissens und der eigenen Kompetenzen. Da der Schritt von Dokumentation zur Reflexion kein selbstverständlicher ist, erhalten die Studierenden entsprechende Impulse in Form von konkreten Reflexionsaufgaben, die durch mehrfache und auf unterschiedlichen Ebenen einsetzende Feedbackschleifen begleitet werden. Entsprechend sind die initiierten Reflexionsprozesse explizit in eine sichtbare Feedback-Kultur eingebettet. Wiederholtes Feedback aus verschiedenen Perspektiven fördert den Austausch von persönlichen Erfahrungen im Professionalisierungsprozess.

2 Feedback Seeking Behavior

Dabei wird berücksichtigt, dass Studierende stets individuell und zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Informationen über ihre Lernentwicklung suchen (feedback seeking behaviour). In der konkreten Handlung lässt sich dabei zwischen inquiry (direktes Fragen) und monitoring (Informationen aus der Umgebung) unterscheiden (Anseel et al. 2015): Studierende mit stärkerer Motivation, Herausforderungen beim Lernen zu meistern und Kompetenzen zu entwickeln (mastery orientation), zeigen eher inquiry-Prozesse als Studierende mit stärkerer performance orientation. Dies zeigt sich darin, dass sie Feedback eine höhere Bedeutung beimessen, öfter aktiv Feedback in ihrem Umfeld erfragen, einen positiven Umgang mit Kritik zeigen und weniger Angst vor Misserfolgen haben (Geitz et al. 2015; Leenknecht et al. 2019). Wichtig an dieser Stelle ist im Blick zu behalten, dass sich die individuellen Unterschiede im feedback seeking behaviour mit der Zeit manifestieren (Anseel et al. 2015). Daher ist es für die Entwicklung von Feedback-Kompetenzen entscheidend, Feedback schon früh im Studium einzuüben und die Studierenden zu ermutigen, sich aktiv Feedback einzuholen. Da im Portfolio Artefakte aus dem Studium, Selbstreflexionen sowie persönlich gesetzte Zielsetzungen zusammenfließen, können die Studierenden ihren individuellen Lernweg effektiv zeichnen und durch punktuelles Einholen und Verarbeiten von Feedback gestalten.

3 Feedbackkultur etablieren

Um diese Feedbackkultur zu etablieren, erfahren die Studierenden eine stufenweise Einführung in die vier Säulen: Feedback geben, Feedback nehmen, Feedback erfragen und schließlich dieses auch zu verarbeiten. Die Einführung beginnt im Bachelorstudiengang auf der Grundlage von zwei Säulen: (a) dem Feedback geben und (b) dem Feedback nehmen.

3.1 Feedback geben

Die Studierenden geben ihren Kommiliton:innen Rückmeldung auf Ausarbeitungen, gelöste Aufgaben und Reflexionen, welche sie in ihrem Portfolio zur Verfügung gestellt haben, mit dem Ziel, den individuellen Lernprozess zu unterstützen. Dabei orientieren sie sich an im Vorfeld diskutierten und bereitgestellten Feedback-Regeln. Durch das Geben von Rückmeldung auf das erhaltene Feedback lernen die Studierenden zudem, wann ein Feedback hilfreich ist und wann eher nicht. Die Wirksamkeit von dem erhaltenen Feedback ist jedoch abhängig davon, wie die Studierenden das Feedback interpretieren (Boud und Molloy 2013). Studierende sind aktive Akteure im Feedback-Prozess, indem sie ihr eigenes Verständnis von Feedback konstruieren. Ein Mangel an Feedback-Kompetenz bei Studierenden ist letztlich auch ein Hindernis für die Effektivität von Feedback in der universitären Ausbildung (Carless und Boud 2018).

3.2 Feedback nehmen

Eine wichtige Voraussetzung für das Feedbacknehmen ist, dass Studierende das Feedback zunächst als Möglichkeit zur individuellen Entwicklung verstehen und dieses annehmen. Die Studierenden lernen in dem Zusammenhang, dass nicht nur ein korrigierendes, sondern auch positives Feedback – im Sinne des Aufzeigens von gelungenen Aspekten – für den eigenen Entwicklungsprozess relevant ist. Die Fähigkeit, Feedback zum Lernen annehmen zu können (Feedback Literacy), erfordert die Wertschätzung von Feedback, die Fähigkeit, angemessene Urteile fällen zu können, ein wirksames Emotions-Management sowie die aktive Beteiligung am Feedback-Prozess (Sutton 2012). Indem Studierende schon früh in ihrem Studium regelmäßig strukturiertes Feedback erhalten, entwickeln sie eher einen positiven Umgang mit Kritik und fordern früher aktiv Feedback auf ihre Arbeit ein (Altahawi et al. 2012). Im weiteren Verlauf des Bachelorstudiums werden nach und nach weitere Impulsaufgaben in das digitale Feedback-Portfolio eingebettet, in welchem die zwei weiteren Säulen, nämlich Feedback erfragen und Feedback verarbeiten, systematisch aufgebaut werden.

3.3 Feedback erfragen

Mit Feedback erfragen erhalten die Studierenden den Impuls, sich aktiv Feedback einzuholen, und zwar an dem Punkt, wo sie es benötigen. Das setzt voraus, dass Studierende reflektieren, an welcher Stelle und von wem sie Feedback erhalten möchten bzw. benötigen. Dabei lernen die Studierenden, dass nicht nur Dozent:innen als Quelle für ein qualitativ hochwertiges Feedback infrage kommen, sondern auch Peers oder Lehrer:innen, mit denen sie in den Praktika zusammenarbeiten. Diese Erkenntnis wird praktisch erprobt und eingeübt. Sie basiert auf zahlreichen Befunden (z. B. Liu und Carless 2006; Welsh 2012), welche die Effektivität unterschiedlicher Feedbackquellen – inklusive des Selbst-Feedbacks – für den eigenen Lernprozess und die Kompetenzentwicklung empirisch nachweisen. Feedback, welches aus multiplen Perspektiven gegeben wird, geht dabei mit höchsten Effekten einher (Birjandi und Hadidi Tamjid 2012; Taras 2003).

3.4 Feedback verarbeiten

Beim „Feedback verarbeiten“ geht es darum, die erhaltenen Feedback-Impulse im Portfolio festzuhalten und dieses hinsichtlich des Mehrwerts für den individuellen Lernweg unter Berücksichtigung der individuellen Ziele zu analysieren. Das erhaltene Feedback kann dabei komplett, in Teilen oder auch gar nicht in den individuellen Lernprozess einfließen. Das Portfolio bietet den Vorteil, auch nicht weiter verarbeitetes Feedback zu dokumentieren, um gegebenenfalls an späterer Stelle doch noch einmal darauf zurückgreifen zu können.

Letztlich stehen die vier Feedback-Säulen nicht für sich allein, sondern bedingen sich gegenseitig. Die Verarbeitung des erhaltenen Feedbacks gibt den Studierenden die Möglichkeit, weiteres und noch spezifischeres Feedback einzuholen. Es liefert ihnen zudem relevante Informationen dazu, welches Feedback für sie selbst aber auch für andere hilfreich ist und lernen auf diese Weise besseres Feedback zu geben.

4 Bedingungen für eine erfolgreiche Portfolioarbeit

Damit das Portfolio erfolgreich ist, müssen einige Bedingungen gegeben sein. Zunächst brauchen die Studierenden technische Kompetenzen im Umgang mit dem Portfolio (Imhof und Picard 2009). Hierzu werden den Studierenden Tutorials zum Umgang mit der Portfolioplattform mahara zur Verfügung gestellt sowie eine mahara-Sprechstunde angeboten. Ein weiterer relevanter Faktor ist Scaffolding (Welsh 2012). Die Studierenden bekommen für die jeweiligen Lehrveranstaltungen Vorlagen mit Reflexionsfragen, welche sie für ihr eigenes Portfolio nutzen können. Als außerordentlich zielführend hat sich gezeigt, die Arbeit mit dem Portfolio direkt in der Lehre zu verankern, um bei den Studierenden eine Gewohnheit und Verbindlichkeit mit dem Portfolio herzustellen – eine rein optionale Nutzung des Portfolios erscheint demgegenüber weniger effektiv (Kicken et al. 2009).

Ein weiterer Faktor, der maßgeblich für Erfolg oder Misserfolg des Portfolios steht, ist Motivation (Abrami et al. 2013). Um das Portfolio motivierend zu gestalten, wird das Kompetenzempfinden der Studierenden durch Achievements gestärkt und das Erleben von Autonomie durch freie und private Arbeit mit dem Portfolio geboten. Bei der Portfolioarbeit ist der Eindruck von Mehraufwand zu vermeiden. Die Konstruktion angemessen komplexer Reflexionsaufgaben sowie die Etablierung einer geschützten Zeit in Lehrveranstaltungen für die Arbeit mit dem Portfolio soll diesen Eindruck entschärfen. Eine positive Arbeitsatmosphäre bei der Zusammenarbeit mit anderen Studierenden auf der Portfolioplattform kann die Motivation zusätzlich erhöhen.