Schlüsselwörter

1 Data Literacy als begriffliche und konzeptionelle Grundlage

Die zunehmende Durchdringung aller Lebensbereiche durch digitale Technologien und Medien ist verbunden mit einem enormen Bedeutungszuwachs von Digital und Data Literacy Skills als sich neu entwickelnde Kompetenzbereiche in Ausbildung und Beruf. Zugleich verweisen die im Januar 2021 verabschiedete Datenstrategie der Bundesregierung (vgl. BPA 2021) sowie die vom Stifterverband veröffentlichte Data Literacy Charta (vgl. Schüller et al. 2021) auf den hohen Stellenwert von Datenkompetenzen und datenbasierten Entscheidungen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.

Rekurrierend auf Ridsdale et al. (2015) wird Data Literacy als die Fähigkeit definiert, Daten in kritischer Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden (vgl. ebd., S. 3). Die Stärkung von Data Literacy als „Wissensvermittlung von grundlegenden Fähigkeiten im Umgang mit Daten in verschiedenen Anwendungsdomänen“ (Heidrich et al. 2018, S. 13) lenkt den Blick zunehmend auf eine Förderung von Data Literacy Skills in der Ausbildung von Pädagog:innen. Daher wird es in der Hochschullehre zukünftig verstärkt das Ziel sein, Studierende und Absolvent:innen der erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Studiengänge für zunehmend datenbezogene Aufgaben und Anforderungen in pädagogischen Arbeitsfeldern (z. B. Bildungsmonitoring, Erwachsenenbildung, datenbasierte Unterrichtsentwicklung) zu qualifizieren.

Von diesen Entwicklungen ausgehend werden an der Universität Bielefeld aktuell digitale Lernszenarien konzipiert und erprobt, die die Vermittlung von Data Literacy adressieren. Orientiert an dem Data Literacy-Begriff nach Ridsdale et al. (2015) und einem daraus abgeleiteten Kompetenzrahmen sowie dem Datenlebenszyklus werden insgesamt sechs Module eines interaktiven Online-Kurses erstellt, die die Studierenden selbstorganisiert oder angeleitet durch Lehrende nutzen können. Auf diese Weise werden Studierende der Erziehungswissenschaft und des Lehramts darin unterstützt, den Umgang mit Daten zu erlernen und perspektivisch auf eine zunehmend digitale und datendurchdrungene Lebens- und Arbeitswelt vorbereitet.

2 (Digital) Storytelling als didaktisches Konzept

Die Motivation zum selbstständigen Durcharbeiten von Selbstlerneinheiten/-modulen soll durch die didaktische Einbettung der Lerninhalte in eine Geschichte (Story) erhöht werden. Hierbei liegt die Annahme zugrunde, dass Geschichten durch ihre emotionale Ansprache, ihre eingängige Struktur, ihre Ordnungs- und Orientierungsfunktion sowie die starke Erinnerungsfähigkeit kommunizierter Informationen im besonderen Maße dazu geeignet sind, Lernprozesse anzuregen und zu begleiten (vgl. Nüssle et al. 2017, S. 44). Zudem beinhalten lernanregende Geschichten lebensweltnahe und authentische Situationen, die den Rahmen und Anwendungskontexte der zu erwerbenden Lerninhalte abstecken (vgl. Slopinski 2015, S. 4). Die empirische Forschung stützt diese Sichtweise und zeigt auf, dass mit Storytelling sowohl positive Effekte auf Motivation und Performanz von Schüler:innen (vgl. z. B. Sarıca und Usluel 2016; Tabieh et al. 2021) als auch lernförderliche Effekte bei Studierenden verbunden sind (vgl. z. B. Jamissen et al. 2017; Çetin 2021).

Digitales Storytelling stellt Geschichten mittels interaktiver digitaler Medien dar. Diese werden mithilfe von spezialisierter Computersoftware (z. B. Articulate Storyline) zusammengefügt, um eine Geschichte zu erzählen, die ein bestimmtes Thema und die Sichtweise einzelner Akteur:innen umfasst (vgl. Robin 2016, S. 18). Um das Potenzial selbstbestimmten Lernens auszuschöpfen, sollten die digital präsentierten Geschichten nach den Interessen und Informationsbedürfnissen der Lernenden ausgerichtet sein, einen Spannungsbogen aufweisen und idealerweise vielfältige Informationseinheiten unterschiedlicher Detailgrade transportieren, ohne ihre erzählerische Kohärenz oder Lernziele zu verlieren. Dies kann durch die Wahl zielgruppenspezifischer Darstellungsformen (z. B. Ich-Erzählung oder Charaktere mit Identifikationspotenzial) und lernförderliche interaktive Elemente (z. B. Wissensfestigung durch Quizze) erreicht werden (vgl. Woletz und Volkwein-Mogel 2020, S. 85). Diese didaktischen Anregungen werden in der von uns entwickelten Selbstlerneinheit aufgegriffen.

3 Mit Emma durch den Datendschungel – ein Praxisbeispiel

Im entwickelten interaktiven Online-Kurs begleiten die Studierenden ihre fiktive Kommilitonin Emma und lernen so schrittweise, ein eigenes empirisches Projekt im Rahmen einer Qualifikationsarbeit umzusetzen.

Der Kurs gestaltet sich wie ein Gespräch zwischen Emma und den Studierenden. Zu Beginn des Kurses stellt sich Emma als Studentin der Erziehungswissenschaft vor, die momentan ihre Abschlussarbeit schreibt. Die Studierenden teilen dann Emma ihren Namen mit, mit dem sie im Laufe des Kurses angesprochen werden möchten. Emma berichtet anschließend von ihren anfänglichen Problemen beim Umgang mit Daten und ermuntert die Studierenden, ihr zu folgen, wenn sie vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Zu Beginn des ersten Moduls begleiten die Studierenden Emma bei der Entwicklung ihrer Forschungsidee, die sie im Rahmen eines Seminars entwickelt hat. Im Anschluss daran erarbeiten sie gemeinsam mit Emma den Unterschied zwischen einer lektüre- und einer datenbasierten Arbeit. Dazu holt sich Emma Unterstützung durch eine Dozentin, die ihr verschiedene interdisziplinäre Daten-Definitionen präsentiert. Dadurch erlernen die Studierenden, welche Formen Daten annehmen können und wie sich quantitative von qualitativen Daten unterscheiden. Daran knüpft sich die Entscheidung an, ob sich Emmas Fragestellung eher für eine qualitative oder quantitative Untersuchung eignet. Das erste Modul schließt mit der Formulierung einer quantitativen Fragestellung im Rahmen einer datenbasierten Abschlussarbeit ab. In den weiteren Modulen erlernen die Studierenden dann die Sammlung und Analyse von (Sekundär-)Daten sowie die sich daraus ergebende Darstellung und Interpretation der gewonnenen Informationen.

Im Kurs begegnen die Studierenden verschiedenen interaktiven Elementen, mit denen sie sich zusätzliche Informationen und Hinweise anzeigen lassen können. Emma verweist bspw. auf hochschulinterne sowie -externe Angebote (z. B. Bibliotheksschulungen, Literatur- oder Messinstrumentendatenbanken). Darüber hinaus werden in dem Kurs Quizze zur Überprüfung des erworbenen Wissens und der erreichten Lernziele eingesetzt. Mittels der Quizze sammeln die Studierenden Puzzleteile von Pokalen, die den jeweiligen Lernfortschritt symbolisieren. Zudem erhöht sich nach jedem bearbeiteten Abschnitt die Bearbeitungsquote, sodass die Studierenden sehen können, wie viel Prozent des Kurses sie bereits bearbeitet haben.

4 Ausblick

Die Evaluation des Kurses steht noch aus. Potenzielle Effekte sollen im Rahmen eines Mixed Methods-Designs untersucht werden. Von bereits vorliegenden Testinstrumenten ausgehend bietet es sich an, die erworbenen Kompetenzen bei den Studierenden quasi-experimentell zu untersuchen. Um auch die Chancen und Grenzen der Nutzung sowie die Akzeptanz der Lerneinheiten in der Hochschullehre zu erfassen, ist der Einsatz qualitativer Methoden geplant (bspw. Fokusinterviews oder Gruppendiskussionen mit Studierenden).