Schlüsselwörter

1 Einleitung

Im Beruf stehende sowie angehende Lehrkräfte stellen sich nicht erst seit der Corona-Pandemie die Frage, wie Unterricht in einer digitalen Gesellschaft aussehen kann. Das Impulspapier Zentrale Entwicklungsbereiche für das Lernen in der digitalen Welt (MSB 2022) zeigt diesbezüglich die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen schulischer Lehr-/Lernprozesse auf. Auf deren Umsetzung müssen angehende Lehrkräfte vorbereitet werden. Für die erste Phase der Lehrkräftebildung stellt sich deshalb die Frage, welche Inhalte im Lehramtsstudium vermittelt und welche Kompetenzen gefördert werden müssen, damit zukünftige Lehrkräfte Schüler:innen dabei unterstützen können, in einer Kultur der Digitalität (Stalder 2016) als mündige Bürger:innen zu agieren. Während der Orientierungsrahmen Lehrkräfte in der digitalisierten Welt (Eickelmann 2020) die dazu notwendigen Kompetenzen auflistet, ist die hochschuldidaktische Ausgestaltung von deren Vermittlung im Lehramtsstudium allerdings erst im Entstehen.

2 Die Community of Practice Inklusionssensible Lehrer:innenbildung im Projekt BiLinked

„Der Kompetenzerwerb für Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung als Professionalisierungsaufgabe angehender Lehrkräfte ist an sich schon komplex. Gesteigert wird diese Herausforderung, wenn zusätzlich die Perspektiven der Inklusion und der Bildung in einer digital geprägten Kultur berücksichtigt werden sollen.“ (Website der Community of Practice Inklusionssensible Lehrer*innenbildung). Dieser Herausforderung stellt sich die Community of Practice (CoP) Inklusionssensible Lehrer*innenbildung im von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderten Projekt Bielefelder Lehrinnovationen für kollaborative Entwicklung digitaler Lehr-/Lernformate (BiLinked). Im Rahmen eines bildungswissenschaftlichen Seminares im Bachelor des Lehramtsstudiums planen Studierende in sogenannten Tridems gemeinsam mit Fachdidaktiker:innen und Lehrkräften digitale Lernwege. Durch die Kooperation mit interessierten Lehrkräften der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule in Minden und den Versuchsschulen Laborschule und Oberstufen-Kolleg in Bielefeld wird zusätzlich die dritte Phase der Lehrkräftebildung adressiert. Aus den Fachdidaktiken der Universität Bielefeld sind Biologie, Mathematik, Musik, Sachunterricht, Sozialwissenschaft, Sport und Deutsch als Zweitsprache bzw. sprachsensibler Fachunterricht als überfachliche Didaktik in der CoP vertreten.

3 Das Seminar Inklusionssensibler Unterricht in einer digitalen Welt

Seit dem Wintersemester 2021/22 wird das Seminar Inklusionssensibler Unterricht in einer digitalen Welt durchgeführt und ständig weiterentwickelt. In den ersten Wochen des Semesters werden überfachliche Grundlagen digitalisierungsbezogener Bildung thematisiert, um die Studierenden auf die anschließende Phase der Unterrichtsplanung vorzubereiten. Den didaktischen Rahmen hierfür liefert das DPACK-Modell, das Digitalitätskompetenz, pädagogische Kompetenz und inhaltliche Kompetenz von Lehrkräften sowie deren Schnittmengen beschreibt (Pädagogische Hochschule Schwyz 2022). Seminarinhalte sind u. a. Lernen und Lehren in einer Kultur der Digitalität, verantwortungsvolle Mediennutzung, rechtliche Grundlagen sowie Funktionen digitaler Tools und deren didaktische Einbettung in einen inklusionssensiblen Unterricht. Das Seminar findet im Blended Learning-Format statt. Neben 12 synchronen Sitzungen gibt es im Moodle-basierten Lernmanagementsystem der Universität Bielefeld Selbstlernmodule, die die Studierenden asynchron bearbeiten. Diese dienen der Vorbereitung, der Vertiefung und der Festigung der in den Seminarsitzungen thematisierten Inhalte, wobei individuelle Selbstlern- mit kollaborativen Austauschphasen verknüpft werden. So werden die Studierenden in ihren Lernprozessen begleitet und die Ergebnisse in die Seminarsitzungen eingebunden. Die dabei gemachten Lehr- und Lernerfahrungen werden einer gemeinsamen Metareflexion unterzogen.

Nach etwa vier Wochen beginnt die Phase der Unterrichtsplanung in den fachlichen Tridems. Jedes Tridem plant dabei eine Unterrichtseinheit für eine Lerngruppe, in der die Lehrkraft unterrichtet. Je nach Situation kann das eine Unterrichtseinheit innerhalb einer Reihe sein, in der sich die Lerngruppe gerade befindet, oder ein Projekt, das inhaltlich für sich steht. Digitalität kann dabei in Form von Unterrichtsinhalten, -materialien und/oder -methoden eine Rolle spielen. Aufgabe der Studierenden ist es zunächst, Ideen zu Thema und Gestaltung der Unterrichtseinheit zusammenzutragen. Die/Der Fachdidaktiker:in unterstützt die Studierenden bei der Eingrenzung ihrer Ideen auf einen Unterrichtsgegenstand, der Auswahl geeigneter Methoden und digitaler Materialien und/oder Tools und gibt Einblick in den aktuellen fachdidaktischen Forschungsstand. Die Lehrkraft gibt regelmäßig Feedback, u. a. zur Umsetzbarkeit des Unterrichtsentwurfs in ihrer Lerngruppe. Für viele Lehrkräfte bietet das Tridem einen (ersten) Anlass, sich mit digitalen Tools und der Rolle von Digitalität in ihrem Fach auseinanderzusetzen. So erhalten die beteiligten Lehrkräfte zusätzlich Impulse für ihren eigenen Unterricht. Schließlich führen die Studierenden und die Lehrkräfte den Unterricht gemeinsam durch. Die dabei gemachten Erfahrungen der Studierenden und die Rückmeldungen der Person aus der Fachdidaktik und der Lehrkraft gehen in die abschließende Reflexion ein, die als Studienleistung der gesamten Seminargruppe präsentiert wird.

4 Herausforderungen

Die Erfahrungen der letzten Semester zeigen, dass sich aus der phasenverbindenden Arbeit der CoP Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen ergeben. Auf der Ebene Technik und System bestimmt bspw. die Ausstattung der Schule mit Hard- und Software, mit welchen digitalen Ressourcen der Unterricht überhaupt geplant werden kann.

Auf hochschuldidaktischer Ebene steht die CoP vor der Herausforderung, in den stark reglementierten Institutionen Schule und Hochschule bzw. Lehramtsstudium, Erprobungs- und Reflexionsräume zu schaffen. Zukünftige Lehrkräfte, die an ganz unterschiedlichen Punkten ihres Studiums stehen, sollen dazu befähigt werden, innerhalb weniger Wochen eine Unterrichtseinheit größtenteils selbstständig zu erarbeiten und durchzuführen. Abhängig davon, welches fachliche und didaktische Wissen und welche Vorerfahrungen hinsichtlich Unterrichtsplanung und -durchführung die Studierenden mitbringen, müssen die Fachdidaktiker:innen jedes Semester neu eruieren, wie sie dem im Planungsprozess begegnen. Dabei zeigt sich immer wieder, dass alle Akteur:innen bewusste wie auch unbewusste Erwartungen an die Arbeit im Tridem mitbringen, die mitunter schwer miteinander vereinbar sind. (vgl. auch Liegmann et al. 2022).

Auf der Ebene Digitalität und Digitalisierung in der Bildung stehen die Akteur:innen der Tridems immer wieder vor der Frage, wie digitalisierungsbezogene Bildung in der Schule gestaltet sein sollte. Die bisher entstandenen Unterrichtseinheiten bewegen sich auf einem breiten Spektrum von klassischem Unterricht, in dem digitale Werkzeuge als reines Additiv genutzt werden, bis hin zu projektförmigen Lernsettings, in denen digitale Elemente verwendet werden, um beispielsweise kollaborative Zusammenarbeit und das entdeckende Lernen der Schüler:innen zu fördern.

Die Arbeit der CoP Inklusionssensible Lehrer*innenbildung ist stets geleitet von der Frage, ob und wie sich Kultur der Digitalität und Bildungssystem langfristig integrieren lassen. Antworten auf diese Frage sollen die wissenschaftliche Begleitung des Seminares und die Tridemarbeit liefern. Im Rahmen des Promotionsprojektes von Anne Trapp werden mittels leitfadengestützter Interviews und Fragebögen Perspektiven von Studierenden, Fachdidaktiker:innen und Lehrkräften eingefangen und sowohl qualitativ als auch quantitativ analysiert. Erste Auswertungen dieser empirischen Erhebungen zeigen, dass die beteiligten Akteure einen großen Gewinn in dieser Form der Kollaboration von Wissenschaft und Praxis sehen. Zudem zeigt sich der Bedarf, den hier aufgeführten Herausforderungen mit Angeboten phasenverbindender Lehrkräftebildung zu begegnen, um (zukünftige) Lehrkräfte im Umgang mit Transformationsprozessen in der Bildung, die durch die Digitalisierung angestoßen werden, zu unterstützen.