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1 Anlass und Hintergrund

In der Lern- und Arbeitswelt im Zeitalter des digitalen Wandels ist das Thema Kulturwandel von besonderer Bedeutung. Organisation sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber, die mit den bisherigen Arbeitsweisen, Prozessabläufen und Organisationsstrukturen nicht mehr zu bewältigen sind. Netzwerkartige Strukturen ersetzen Linienhierarchien, Lernen ist permanent erforderlich angesichts sich schnell ändernder Rahmenbedingungen und der u. a. durch Technologien entstandenen Beschleunigung und Komplexität. New Work erhält Einzug in Organisationen, Workplace Learning gewinnt zunehmend an Bedeutung, ebenso der kollegiale Austausch und das Arbeiten und Lernen in verschiedenen Teams.

„Zudem ist heute die Fähigkeit zur Kommunikation und unmittelbaren Problemlösung mindestens ebenso entscheidend wie das zur Verfügung stehende fachliche Know-how. Fachwissen und Fachkompetenz können in den neuen Arbeitsbezügen zumeist nur über Kooperation sowie selbstgesteuertes und vernetztes Arbeiten produktiv wirksam werden.“ (Arnold, 2017, S. 160)

Es kristallisiert sich heraus, dass die Kompetenzen, selbstgesteuert zu lernen und in Netzwerken kollaborativ arbeiten zu können von wesentlicher Bedeutung für die gelingende Bewältigung aktueller und zukünftiger Anforderungen in der Arbeitswelt sind. „Selbstlernkompetenzen sind die eigentlichen Schlüsselfähigkeiten im Wandel“ (Arnold, 2017, S. 111). Es wird immer wichtiger, Wissen bereitwillig zu teilen, voneinander zu lernen, Quellen nötigen Wissens erschließen zu können, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen, Netzwerkpartner zu finden und selbst als Netzwerkknoten Netzwerke bereichern zu können.

„Future Skills haben dabei die Aufgabe, Akteurinnen und Akteure zu befähigen, selbstorganisiert handlungsfähig zu sein. Sogenannte Selbstkompetenzen wie beispielsweise Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmung, Selbstkompetenz, Reflexionskompetenz und auch das selbstgesteuerte Lernen, ermöglichen es den Individuen, die notwendigen Anpassungsvorgänge in hochemergenten Kontexten produktiv leisten zu können.“ (Ehlers 2020, S. 50)

Neue Kulturen des Lernens und der Zusammenarbeit sind erforderlich, die es zu entwickeln gilt. Die Aus- und Weiterbildung von Future Skills ist deshalb stärker in den Fokus zu stellen (Stifterverband 2021). Hochschulen sind gefragt, ihre Lehrkonzepte so zu gestalten, dass diese Formen des (fächerübergreifenden) Lernens und Zusammenarbeitens erlernt, erprobt und verinnerlicht werden können und dabei auch Methoden erlernt werden, die in der Arbeitswelt Einzug gehalten haben.

Der Beitrag zeigt den didaktischen Ansatz auf, mit dem das von John Stepper entwickelte Format Working Out Loud (WOL) auf die Hochschullehre übertragen wurde. Es wurden zwei Lehrveranstaltungen als digital organisierte Working Out Loud-Prozesse durchgeführt, mit dem Ziel herauszufinden, ob die Methode WOL zielführend auf den Hochschulkontext übertragbar ist.

2 Einordnung des Ansatzes

Der Begriff Working Out Loud wurde 2010 von Bryce Williams geprägt:

“One of my favorite phrases to use for describing behaviors and critical out-comes of using Social Collaboration tools is “Work Out Loud.”” (Williams 2010, o.S.). In seinem Blogbeitrag definiert er den Begriff wie folgt: „Working Out Loud = Observable Work + Narrating Your Work“ (Williams 2010, o.S.).

Er fokussiert darauf, dass soziale Kollaboration geprägt ist durch ein Berichten über die eigene Arbeit, die gleichzeitig für andere sichtbar (und damit konsumierbar) gemacht wird, damit diese davon lernen (und daran wachsen) können. Dabei geht es darum, neue Verhaltens- und Sichtweisen zu ermöglichen und Formen einer offenen sozialen Zusammenarbeit zu praktizieren.

John Stepper (2020, o.S.) bezeichnet sein Konzept von WOL als „A 12-Week Method to Build New Connections, a Better Career, and a More Fulfilling Life“.

Bessere Beziehungen, mehr Kollaboration, Sichtbarkeit der eigenen Arbeit, professionelles Netzwerken, Experimentieren und Lernen mit Peers, sind dabei zentrale Ansätze mit dem Ziel, Arbeit zu einer positiveren Erfahrung zu machen, eigene berufliche Karrieren besser gestalten und persönlich wachsen zu können. Dieses Konzept wurde zu einer wachsenden Bewegung in Organisationen, die dazu führte, dass der Guide inzwischen in viele Sprachen übersetzt wurde und in zahlreichen Ländern eingesetzt wird (Stand 2020).

„A WOL Circle is a confidential peer support group of four or five people. You meet for an hour a week for twelve weeks, following simple guides to make progress toward individual goals you each choose at the beginning, and to build relationships related to that goal. By the end of the twelve weeks, you have a bigger network, better communications skills, and more confidence.“ (Stepper 2020, S.13)

Ondrusch et al. ordnen die Methode in den Bereich des agilen Lernens ein: „Working Out Loud (WOL) can be categorized as another agile method of learning and self-development.“ (Ondrusch et al. 2021, S. 60)

Salowski et al. (2022) wiederum weisen Working Out Loud dem „Lernen am Modell“ nach Bandura zu, bei dessen Ansatz soziales Lernen durch Beobachtung stattfindet und bei dem die Selbstwirksamkeit im Hinblick auf Lernmotivation und Lernleistung untersucht wird. Die lernende Person beobachtet bestimmte Objekte gezielt und gliedert diese in eigene Gedächtnisstrukturen ein. Dabei werden diese entweder bestehenden Modellen hinzugefügt oder neue entwickelt. Diese Modelle werden in Anwendungssituationen benutzt durch Reproduktion oder Variation und Anpassung. Je nach Erfahrung wird das Modell beibehalten, wenn die lernende Person eine Verstärkung durch die Umwelt erfahren hat – ggf. werden die Gedächtnisstrukturen auch verändert oder verworfen (Salowski et al. 2022, S. 18–19).

„Bei Working Out Loud findet eine Kontextualisierung des Lernens am Modell statt, indem das zielgerichtete Netzwerken gewissermaßen als Vehikel genutzt wird, um (mehr) Lerngelegenheiten zu schaffen. Indem sich WOL-Teilnehmende Gedanken über die sogenannte Beziehungsliste machen, eine Liste von Personen, die zu dem von ihnen identifizierten Thema und Ziel für ihre WOL-Teilnahme aktiv und sichtbar sind, wählen sie Objekte für das Lernen am Modell aus. Innerhalb verschiedener Wochen eines WOL-Zyklus werden sie durch die WOL Guides dazu angeleitet, mit diesen Personen in Verbindung zu treten und auf unterschiedlichen Stufen deren Verhalten zu beobachten.“ (Salowski et al. 2022, S. 19)

Es handelt sich damit um ein Konzept, das Ansätze von Social Learning, Lernen in Netzwerken, Circle/Peer/Agile Learning vereint.

3 Zielsetzung

Bei der Konzeption der Lehrveranstaltungen für die rein digitale Lehre während der Corona-Pandemie wurde die Idee entwickelt, eine Lehrveranstaltung als WOL-Prozess digital zu organisieren mit dem Ziel Studierenden in Zeiten von Social Distancing den systematischen Beziehungsaufbau bei gleichzeitiger Kompetenzentwicklung zu ermöglichen.

Die Lehrperson übernimmt in diesem von Selbstlernen geprägten Ansatz die Rolle der Lernbegleitung und sorgt für die Orchestrierung des Rahmens der Lehrveranstaltung. Sie stellt die Materialien bereit: Ein sog. WOL-Guide führt die Lerngruppen durch den Prozess. Der Guide ist wochenweise strukturiert und enthält unterstützende Aufgaben für die Lerngruppen, die einerseits dem Erreichen des eigenen Lernziels dienen und anderseits die Basis für den Austausch innerhalb der Lerngruppe bieten. Die Lehrperson führt eingangs in Ablauf und Zielsetzung der Veranstaltung ein, gestaltet und moderiert die PitStops (gemeinsame Online-Meetings alle 2–3 Wochen), evaluiert die Veranstaltung und feiert abschließend gemeinsam mit den Studierenden Geschafftes und Erreichtes. Während des gesamten Prozesses steht die Lehrperson den Studierenden als lernbegleitende:r Ansprechpartner:in für Rückfragen zur Verfügung und sorgt für eine wertschätzende und unterstützende Kommunikation im digitalen Raum.

Im Detail wurden mit dem Einsatz von WOL in der Hochschullehre mehrere Zielsetzungen verfolgt:

Stärkung und Entwicklung von digitaler Kultur in der Lehre

Das Format, das durch die Übungen und Reflexionen im WOL-Guide u. a. auf wertschätzende Kommunikation, Beziehungsgestaltung und Reflexion eigener Haltungen fokussiert, schien besonders geeignet zu sein, neue Formen der Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung zu fördern. Darüber hinaus haben die Erfahrungen in außeruniversitären Kontexten gezeigt, dass es als reines Online-Format sehr gut funktioniert. Daher wurde mit dem Transfer des Konzeptes auf eine digitale Lehrveranstaltung beabsichtigt, zu einer digitalen Kultur in der Lehre beizutragen. Schließlich sind Wertschätzung, Unterstützung, Kollaboration und Selbsttätigkeit wesentliche Faktoren, die eine gelingende Lernkultur mitgestalten und die in dieser Form in anderen Lehrveranstaltungen weniger im Fokus stehen.

Förderung von Kompetenzen zur Gestaltung selbstgesteuerter Lernprozesse

Das zentrale Element bei WOL ist die Festlegung eines eigenen Lernziels und das selbstgesteuerte Organisieren des eigenen Lernprozesses, der in einem strukturierten Begleitprozess mit regelmäßiger Peer-Gruppen-Beratung statffindet: Zielsetzung, Planung, Umsetzung, Beratung, Reflexion obliegen der Selbsttätigkeit des/der Lernenden. Intendiert war demzufolge, selbstgesteuertes und kollaboratives Lernen in der Lehre stärker zu verankern. Damit ist auch beabsichtigt, die Befähigung zum selbstgesteuerten Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen in einer sich schnell verändernden Welt zu fördern.

Förderung von (digitaler) Vernetzungskompetenz

Die begleitenden Übungen und Reflexionen im WOL-Guide zielen auf die Fähigkeiten, Netzwerke für eigene Lernprozesse aufzubauen und zu gestalten, Kontakt in (insbesondere digitale) Netzwerke zu knüpfen und als eigener Netzwerkknoten zu agieren. Netzwerkbasierte Lernprozesse stellen einen hoch innovativen didaktischen Ansatz dar. Es kann vermutet werden, dass das Format durch Vermittlung von Regeln, Techniken und Haltungen zum Aufbau lernförderlicher Vernetzungsstrukturen beiträgt.

Förderung von Kompetenzen für kollaboratives Lernen und Arbeiten

Im wöchentlichen Peer-Circle findet ein Austausch über die Übungen und Reflexionen des Guides statt. In diesem Kontext beraten sich die Lernenden gegenseitig zu Problemen, Lösungsansätzen, tauschen Quellen aus und tauchen dabei in kollaborative Prozesse des Lernens und Arbeitens im digitalen Raum ein: Gestaltung eines bewussten Austauschs von Wissen und Ideen zum Nutzen einzelner Personen und zum Nutzen des gesamten Netzwerks. Diese Prozesse zu generieren und damit zielgerichtet Kompetenzen zu fördern und einen weiteren Beitrag zur Lernkultur zu leisten, war ebenfalls eine Zielsetzung des Seminarkonzepts.

Methodenkompetenz

Mit WOL wurde über das Seminarkonzept hinaus auch eine Methode bekannt macht, die sich in der Arbeitswelt in Zeiten der Transformation in den letzten Jahren zunehmend verbreitet hat. Die Studierenden erreichen damit in der Lehrveranstaltung beiläufig auch eine Methodenkompetenz zur Methode WOL.

Sichtbarkeit der Aktivitäten von Lernenden

Der WOL-Prozess und die damit verbundenen Aktivitäten der Vernetzung führen zudem zur Förderung der öffentlichen Sichtbarkeit der Lernenden für ihre Lernthemen im Studium und später im Beruf. Mitunter entwickeln sich über diesen Weg bereits Netzwerke, die für den Berufseinstieg oder die spätere berufliche Weiterentwicklung nutzbar und förderlich sein können.

4 Didaktisches Konzept der Veranstaltung

4.1 Formale Eckdaten

Tab. 1 zeigt auf, in welchen Veranstaltungen WOL eingesetzt wurde.

Tab. 1 Formale Eckdaten der Seminare.

4.2 Ablauf des WOL-Seminars

Über einen Zeitraum von 12 Wochen erarbeiteten alle Studierenden in Kleingruppen ein selbstgewähltes Thema. Jede Person setzte sich ein selbst gewähltes Ziel, das im Kontext ihres Studienfachs angesiedelt ist. Solch ein Ziel konnte z. B. lauten:

  • „Ich möchte mehr über technologiebasierte Interventionen in der Sozialen Arbeit mit Älteren erfahren.“

  • „Ich möchte mich beruflich (um-)orientieren und meine eigene Rolle definieren.“

  • „Ich möchte mein Herzensthema (in der Organisationspädagogik) vorantreiben.“

  • „Ich möchte meine eigenen (sozialpädagogischen) Stärken erkennen und stärken.“

Dieses Thema wurde als individuelles Lernziel im Rahmen des WOL-Circles systematisch über das gesamte Semester selbstgesteuert erarbeitet. Die Studierenden wurden per Zufallsprinzip in Gruppen von 4–5 Personen eingeteilt, dem sog. WOL-Circle. Pro Woche wurden für jede:r Seminarteilnehmer:innen die WOL-Materialien freigeschaltet: der sog. WOL-Guide ist ein strukturierter Leitfaden. Aufgeteilt in wöchentliche Abschnitte enthält er Aufgaben/Übungen, die zur Zielsetzung der Woche passen und die Lernenden in ihren Lernprozessen unterstützen sollen. Zu diesen Reflexions- und Aktivierungsaufgaben gehören ebenso Fortschrittsberichte in Bezug auf das inhaltlich selbst gewählte Thema. Diese WOL-Übungen und Aufgaben absolviert jede Person für sich selbst. Die Circle treffen sich pro Woche für ca. 1 h online. Hier diskutieren und reflektieren die Lernenden anhand des WOL-Guides gemeinsam ihre bearbeiteten Aufgaben und entwickeln sich dadurch persönlich als auch inhaltlich weiter. Parallel dazu arbeitet jede:r Lernende an seinem persönlich gewählten Thema – die Übungen helfen dabei, Beziehungen aufzubauen, die beim Erreichen des Lernziels hilfreich sein können. Begleitende Übungen helfen, Lernaktivitäten zu planen, Netzwerke aufzubauen, das Lernziel im Fokus zu behalten, Lösungsansätze zu finden und den Lernprozess und die eigene Haltung zu reflektieren. Darüber hinaus bildeten gemeinsame Meetings (Auftakt, Abschluss sowie 3–4 sog. PitStops) den organisatorischen Rahmen, zu dem sich Lehrende und Studierende im digitalen Raum trafen. Dabei wurden die PitStops je nach Bedarf individuell gestaltet, indem z. B.

  • Expert:innen aus der WOL-Bewegung eingeladen wurden, ihre Erfahrungen teilten, inspirierten und Fragen beantworteten

  • ein expliziter Austausch zwischen den Circles ermöglicht wurde

  • ehemalige Studierende eingeladen wurden, die bereits an einem anderen WOL-Seminar teilgenommen hatten und über ihre beruflichen Erkenntnisse zu der Methode berichten konnten.

Das Seminar endete mit der Abschlussveranstaltung.

4.3 Lernorganisation

Die Lehrveranstaltung wurde online durchgeführt.

Für die organisatorische Realisierung der Veranstaltung standen zwei Optionen zur Auswahl:

  • Nutzung der Lernplattform der Universität Hildesheim (Moodle)

  • Nutzung der Community-Plattform von John Stepper.

Die Community-Plattform von John Stepper ist frei zugänglich. Jede interessierte Person kann sich auf dieser Plattform registrieren und erhält Zugang. Auf dieser Plattform wäre es möglich gewesen, den aktuellen Guide online interaktiv zu bearbeiten und von der Community, die auf der Plattform aktiv ist, ggf. zu profitieren. Eine Nutzung des Guides in eigenen Plattformen ist nur über eine Lizensierung möglich, für die im Bildungsbereich Sonderkonditionen vereinbart werden können. Da für diese Option eine nicht DSGVO-konforme Registrierung mit personenbezogenen Daten erforderlich gewesen wäre, wurde diese Option nicht in Betracht gezogen. Die Studierenden wurden gleichwohl über diese Plattform und ihre Möglichkeiten informiert, für den Fall, dass sie später individuell damit arbeiten möchten.

Die Lehrveranstaltung wurde aus Datenschutzgründen mit der an der Universität Hildesheim bestehenden Plattform Moodle realisiert. Als Guide wurde keine aktuelle, sondern die unter CC-Lizenz stehende frühere Version 4.5 von John Stepper verwendet.

Anredeform

In WOL-Kontexten ist die gängige Anredeform das „Du“. Dieses respektvolle und wertschätzende „Du“ im Sinne des „skandinavischen Du“, das auch in New Work-Kontexten Verwendung findet, wurde von Beginn an realisiert. Erleichternd hinzu kam, dass dieses wertschätzende „Du“ auf Augenhöhe bereits in allen anderen Lehrveranstaltungen der durchführenden Lehrenden verwendet wurde. Studierende schätzen diese Vorgehensweise sehr, die zu einer als durchgehend positiv empfundenen Kommunikationskultur in den Lehrveranstaltungen führt.

4.4 Ablauf

Vor Beginn der Vorlesungszeit wurde eine vorbereitende Informationsveranstaltung durchgeführt, in der WOL als Methode vorgestellt und der Ablauf als Lehrveranstaltung erläutert wurde. Die Veranstaltung sollte Studierenden als Entscheidungshilfe für eine verbindliche Einschreibung in das Seminar dienen. Die Verbindlichkeit ist, anders als in anderen Veranstaltungen besonders wichtig, damit die Arbeit in den gebildeten WOL-Circles nicht durch Ausscheiden von Circle Mitgliedern gestört und die Entwicklung der Verbleibenden so erschwert wird. Aus diesem Grunde wurde von Beginn an ein verantwortungsvoller und respektvoller Umgang miteinander eingefordert, der sich durch das gesamte Seminar gezogen hat und eine wesentliche Grundlage für eine gelingende Zusammenarbeit darstellt.

Sodann fand ein erstes Online-Treffen zur Vorbereitung statt. In diesem wurde die Lernplattform mit vorbereitenden Materialien vorgestellt, ein einstimmendes Video gezeigt, der Ablauf nochmals erläutert, Fragen beantwortet und die Circles per Zufallsprinzip gebildet. Danach hatten die Circles eine Woche Zeit, sich zu organisieren, bevor der WOL-Prozess „richtig“ startete (vgl. unten im Ablaufplan Woche 0).

Beim eigentlichen Auftakt, dem sog. Kick-Off, fand eine erneutes Online-Meeting statt, zu dem eine erfahrene WOL-Expertin eingeladen wurde und die Fragen der Studierenden beantwortet hat. Vor allem die Formulierung des individuellen Ziels stellt in dieser Phase eine Herausforderung dar. Diese wurde deshalb durch eine begleitende Übung unterstützt. Nach diesem Meeting begann dann die Selbstlernphase in den Circles bis zum ersten PitStop.

Dieses Vorgehen mit zwei Vorbereitungstreffen diente vor allem dazu, die Unsicherheiten, die am Anfang zu erwarten waren und sich zeigten, abzufangen. Dabei handelt es sich zum einen um die Unklarheit, wie der Prozess genau abläuft und zum anderen um die Frage, wie man sein individuelles Ziel findet und passend im Umfang und Inhalt formulieren kann. Die Erfahrung hat gezeigt, dass mit diesen vorbereitenden Meetings eine gute Basis für den Einstieg in die selbstorganisierte Lernreise gebildet wurde.

4.5 Ablaufplan

Tab. 2 zeigt einen exemplarischen Ablauf der Lehrveranstaltung.

Tab. 2 Exemplarischer Ablauf der Lehrveranstaltung.

4.6 Begleitmaßnahmen

Materialien zu Zielformulierungen

Erfahrungsgemäß treten bei der Phase der Zielformulierung Probleme und Unsicherheiten auf. Diese Phase wurde deshalb kommunikativ eng begleitet durch

  • das Angebot von individuellem Austausch mit den Lehrenden,

  • dem Austausch in einem digitalen Kommunikationskanal aller WOL-Teilnehmenden sowie

  • ergänzendes Lernmaterial auf der Lernplattform.

In dieser Phase zeigte sich eine hohe Unsicherheit. Studierende diskutieren zwar angeregt in ihrem Circle. Interessanterweise wird gleichzeitig wenig Hilfestellung von Lehrenden eingefordert. Deshalb wurde es als erforderlich erachtet, begleitendes Material bereit zu stellen, das dabei helfen sollte, seinen „personal purpose“ zu finden und Ziele inhaltlich und im Umfang geeignet zu gestalten und zu formulieren.

Role Model Videos

Bei diesen Videos handelt es sich um 20minütige Videos, in denen WOL-Expert:innen über ihre Erfahrungen mit WOL berichten, Einblicke in eigene WOL-Prozesse geben, die eigene Reflexion dazu offen teilen und damit inspirierende Anregungen geben und auch eigene Unsicherheiten einordnen helfen und damit für den persönlichen Prozess sehr hilfreich sind. Diese Videos wurden ursprünglich für einen außeruniversitären WOL-Prozess (#Frauenstärken) produziert, den die Lehrenden als Teilnehmende absolviert hatten. Für das Seminar wurden die Nutzungsrechte von den Produzent:innen erworbenFootnote 2.

Wöchentliche Sprechstunde

In der ersten WOL-Lehrveranstaltung wurde eine wöchentliche Sprechstunde mit den Lehrenden angeboten. Faktisch wurde diese nicht genutzt, sodass sie im zweiten Durchgang nicht mehr Bestandteil des Konzeptes war. Die Erfahrung zeigt, dass die Unterstützung und Hilfestellung über die Peers erfolgt und weniger über die Lehrenden. In Einzelfällen wurden die klassischen Kanäle wie Mail und Kommunikationstools in Moodle verwendet.

Messenger-Gruppe

Für die schnelle Kommunikation wurde eine Messenger-Gruppe angeboten, die jedoch für inhaltliche Diskussion gar nicht und kaum für organisatorische Fragen in Anspruch genommen wurde.

WOL-unterstützende Tools

Den Peer-Groups (WOL-Circles) blieb es frei überlassen, wie sie sich organisieren. Jede Gruppe hat sich unterschiedlich organisiert und es wurden verschiedene Tools verwendet, wie z. B. Messenger-Gruppen und E-Mail für die Kommunikation und Videokonferenzlösungen für die Gruppen-Treffen.

5 Peer-Reflexion Lehrende

Den Autorinnen, die die hier vorgestellten Lehrveranstaltungen an der Universität Hildesheim durchgeführt haben, war aus ihrer eigenen Netzwerkarbeit bekannt, dass bereits wenige Erfahrungen zu WOL bei Lehrenden anderer Hochschulen vorlagen. Getreu dem WOL-Prinzip, die eigene Arbeit zu zeigen und mit anderen zu teilen, wurde der Kontakt zu diesen Kolleg:innen hochschulübergreifend proaktiv gesucht und ein interaktiver Erfahrungsaustausch initiiert.

So hatte Dr. Julia Schönbrunn von der Hochschule Heilbronn den Einsatz von WOL in der Hochschullehre bereits ausprobiert.

In Vorbereitung auf die Lehrveranstaltung im SoSe 2021 fand deshalb eine intensive Online-Beratung mit Dr. Julia Schönbrunn statt. Ihre wertvollen Erfahrungen haben dazu beigetragen, unsere Lehrveranstaltung gelingend zu gestalten: So hat sie beispielsweise Materialien für die Zielformulierung zur Verfügung gestellt, die sie nach ihren ersten Erfahrungen mit WOL in der Hochschullehre entwickelt hatte. Auch wurde mit ihr ein Einführungsvideo für die Studierenden aufgenommen und zur Verfügung gestellt, in dem sie den Studierenden hilfreiche Tipps für die Zielformulierung gibt.

Parallel zur zweiten WOL-Lehrveranstaltung, die im WiSe 2021/2022 stattfand, wurde an der Universität Göttingen eine ähnlich konzipierte Lehrveranstaltung durchgeführt, initiiert von Daniella Cunhart-Teichert. Diese richtete sich an Studierende des Lehramtes sowie Lehrkräfte und Fortbildungsinteressierte. Die Idee, diese beiden Veranstaltungen ggf. zu verbinden und damit mehr Vielfalt in den einzelnen Circle zu bringen und unterschiedliche Erfahrungshorizonte zu erreichen, wurde aus Datenschutzgründen nicht umgesetzt, da in Göttingen die Nutzung der WOL-Plattform intendiert wurde.

Darüber hinaus wurde eine Reflexion mit Prof. Dr. Nicole Ondrusch von der Hochschule Heilbronn gesucht, die ihrerseits mehrere Circle organisiert und mit Bachelor-Erstsemestern realisiert hatte. Im Mittelpunkt dieses Austausches stand die Passung des WOL-Guides. Ähnlich wie in Hildesheim wurden in Heilbronn die Grenzen des Guides deutlich, weil Aufgaben und Übungen allzu sehr auf Unternehmen und ihre Mitarbeitenden formuliert waren und Studierende dadurch verunsichert und damit nicht ausreichend durch den Guide unterstützt wurden.

Mit Nicole Engelhardt als Expertin für Lernen in Netzwerken in der Fernuniversität Hagen wurde ebenfalls eine Reflexionssitzung durchgeführt. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der Reflexion der verschiedenen Formate, mit denen Lernen in Netzwerken an Hochschulen realisiert wird – neben WOL wurden weitere Formate in den Blick genommen und deren Vor- und Nachteile gegenübergestellt.

6 Evaluation

Die Evaluation war durch folgende Maßnahmen gekennzeichnet:

  1. 1.

    Semester-Abschluss-Fragebogen (Seminar-Evaluation)

  2. 2.

    Reflexionsphasen in den PitStops

  3. 3.

    Abschließende Befragung mit fokusbezogener Reflexion in der Abschluss-Sitzung

  4. 4.

    Auswertung der Reflexion der Lernreise (Lerntagebücher)

6.1 Semester-Abschluss-Fragebogen

Die semesterweise Seminar-Evaluation fand anhand eines standardisierten Fragebogens statt, der an der Universität Hildesheim fachbereichsübergreifend und regelmäßig für die Evaluation von Seminarveranstaltungen verwendet wird. Dieser Bogen wird vom universitätsinternen Evaluationsteam ausgewertet, wenn mehr als sechs Personen den Bogen ausfüllen. Für das erste WOL Seminar (Masterstudierende) liegt die Auswertung aus diesen Gründen nicht vor (vgl. Zahlen zur Veranstaltung: Abschn. 4.1). In dieser Veranstaltung wurde eine ausgeprägte veranstaltungsinterne Evaluation vorgenommen (siehe weitere Evaluationsmaßnahmen). Für das zweite Seminar (Bachelorstudierende) liegt die Auswertung der Abschlussfragebögen für ca. ein Drittel der Teilnehmenden (n = 8) vor. Von allen Befragten wurde das verwendete Online-Format als sehr gut oder gut bewertet (z. B. Bereitstellung von Texten, Videos, Chatmöglichkeiten, Gruppenarbeiten mittels Audio/Videokonferenz, kollaboratives Arbeiten an Dokumenten). Ebenfalls alle Befragten fühlten sich zu einer Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten angeregt und konnten das Konzept der Veranstaltung nachvollziehen. Auch der persönliche Austausch wurde von allen Befragten geschätzt.

Die Freitextkommentare ergänzen die Ergebnisse des Surveys. So wird bspw. die Organisation mit der Informationsveranstaltung und die Verbindlichkeit der Übung genauso wie das skandinavische ‚Du‘ und die ‚offenherzige‘, ‚aufmunternde‘ und nachvollziehbare Art der Dozierenden geschätzt. Als verbesserungswürdig wurde der Austausch zwischen den Circles und die Sichtbarkeit der inhaltlichen Ergebnisse von den befragten Studierenden bewertet.

6.2 Reflexionsphasen in den PitStops

Bei jedem PitStop standen Reflexionen in Form eines offenen Austausches im Plenum im Mittelpunkt. Als Ergebnis des ersten Durchgangs kann festgehalten werden, dass bei diesen Treffen vor allem Vergewisserungen über das eigene Vorgehen oder Rückfragen zu den Aufgaben im Guide („die Aufgabe passte nicht“) im Mittelpunkt standen und mehr Möglichkeiten für solch einen Austausch gewünscht wurden. Im zweiten Durchgang haben wir deshalb einen PitStop mehr eingeplant und den offenen Austausch dahingehend geändert, dass jeder Circle zunächst aktiv aus seinem Prozess berichtet hat. Dieser Einblick in die gegenseitigen Erfahrungen und Entwicklungen haben den Studierenden erheblich geholfen, sodass dieses Vorgehen auch für künftige Durchführungen empfohlen wird.

Die individuelle Offenlegung eigener Ziele und Fortschritte im Lernprozess war für das Seminar nicht verpflichtend, weil so eine kreative Offenheit ermöglicht werden sollte. Die Rückmeldungen zeigten allerdings, dass diese Verpflichtung von den Studierenden gewünscht worden wären. Für den Hochschulkontext wird deshalb empfohlen, dass das offene Teilen der Zielsetzungen und individuellen Fortschritte im Seminarkonzept mehr Berücksichtigung finden sollte.

6.3 Abschließende Befragung mit fokusbezogener Reflexion in der Abschluss-Sitzung

Die Abschluss-Sitzung des ersten Durchgangs wurde genutzt, um aus den drei nachfolgend beschriebenen Perspektiven auf das Seminar zurück zu blicken.

Das nehme ich aus der Veranstaltung mit

In den Freitextrückmeldungen zeigt sich, dass WOL die Studierenden unterstützt hat, die Bedeutung und Wertigkeit von Netzwerken wahrzunehmen.

„Netzwerke sind hilfreich und weiterführend bei Problemen; nicht scheuen einfach andere Personen anzusprechen und zu fragen.“

„Wie wertvoll es sein kann, sich den Mitstudierenden im Circle zu öffnen, wenn es Probleme gibt. Da habe ich zum Beispiel viele wertvolle Tipps und andere Perspektiven mitnehmen können.“

Diese Rückmeldungen zeigen, dass die Zielsetzung, die Vernetzungskompetenzen der Studierenden zu fördern, über dieses Format erreicht werden konnten. Überdies lässt sich erkennen, dass die Wirkmechanismen von Netzwerkarbeit bereits in dem begrenzten Zeitraum von einem Semester erfahrbar wurden und zur wahrnehmbaren Perspektiverweiterung beigetragen haben.

Zudem war intendiert, einen Beitrag zur Stärkung und Entwicklung von digitaler Kultur in der Lehre zu leisten. Auch die Erreichung dieses Ziels kann den Freitexten entnommen werden, denn die Methode wurde wahrgenommen als eine „super“, „neue“, „schöne“ Erfahrung, die

„(…) den Weg zu einer neuen Lernkultur [eröffnet].“

Gleichzeitig wurden Einschränkungen gesehen und Verbesserungsvorschläge unterbreitet, wie der folgende Abschnitt zeigt.

Das empfehle ich für das nächste WOL-Seminar

Die Studierenden formulierten, dass sie mehr Hilfestellung bei der Zielfindung benötigen und der Guide insgesamt viel mehr auf den universitären Kontext ausgerichtet werden sollte. Die Studierenden wünschten sich einen regelmäßigeren (proaktiven) Kontakt durch die Lehrenden, um Fragen zu klären. Als Dozierende hatten wir den Kontakt durch den Messenger-Dienst angeboten. Dieser wurde wie eingangs beschrieben nicht wahrgenommen. Es braucht also eher einen proaktiven Zugang zu den Studierenden. Die Kontaktaufnahme von den Studierenden wurde eher als ‚Bringschuld‘ der Dozierenden gesehen denn als ‚Holschuld‘ der Studierenden, wie das folgende Beispielzitat zeigt:

„Tipps zur Vernetzung, Hilfestellungen bei der Zielfindung, regelmäßig in die Gruppen reinschauen und ggf. Fragen klären“

Ausblick in vier Richtungen

Dem Lehrenden-Team war wichtig, die Einschätzung der Studierenden in persönlicher, beruflicher und technischer Hinsicht zu erhalten. Hierbei interessierte die wahrgenommene persönliche Weiterentwicklung, ob die Methode im Beruf weiterhelfen könnte, ob sich durch den Prozess die eigene berufliche Perspektive ggf. erweitert hat und ob der digitale Raum für den Prozess geeignet war. Daher ging es in einer Mentimeter-Umfrage auf einer Skala von 1 bis 6 um eine persönliche Einschätzung (n = 6) zu den folgenden Aussagen:

  • Hat mich persönlich weitergebracht (als Privatperson) (Mittel 4,3)

  • Hat mich beruflich weitergebracht (als Studierend) (Mittel 4,4)

  • Hat meine Berufsperspektive erweitert (Mittel 4,1)

  • Die Lernplattform hat mir dabei geholfen (Mittel 3,9).

Die Aussagen wurden überwiegen als positiv bewertet. Ob der geringen Anzahl von n = 6 wird von einer detaillierten deskriptiven Darstellung abgesehen.

6.4 Auswertung der Reflexion der Lernreise (Lerntagebücher)

Als Seminarleistung waren die Studierenden als Gruppe aufgefordert, ihre Lernreise zu dokumentieren und dabei ein Medium ihrer Wahl zu verwenden. Eingereicht wurden vorwiegend Podcasts und wenige Berichte. Diese Artefakte wurden inhaltlich-strukturierend nach Mayring (2010) analysiert und mit MAXQDA ausgewertet. Die Kategorien wurden induktiv generiert und am Material ausgerichtet. Aus forschungspragmatischen Gründen wurden die Artefakte von einer einzigen Person analysiert und die Podcasts nicht vollständig und regelhaft transkribiert. Vielmehr hörte der Wissenschaftler die Podcasts, extrahierte als bedeutsam erachtete Aussagen und codierte diese im Anschluss inhaltsanalytisch anhand der folgenden Codes:

  • Kontext/Rahmen

  • Aufgaben und Ziel

  • Offenheit

  • Struktur

  • Prozess

  • Netzwerke

  • Social Media

  • Methode

  • Wirkungen

Die nachfolgenden Abschnitte erläutern die Erkenntnisse im Hinblick auf die erfolgte Codierung.

Kontext/Rahmen

Das gewählte WOL-Format hat nach Aussagen der Studierenden im Rahmen der digitalen Semester „zu mehr Kontakt als in anderen Seminaren“ geführt, wurde als „gutes Austausch-Format im Online-Semester“ und als „willkommene Abwechslung im Lockdown“ bezeichnet. Eine Rückmeldung bezeichnet den Rahmen gar als „vorantreibendes Sicherheitsnetz“. Diese Aussagen lassen erkennen, dass WOL trotz des rein digitalen Raumes zu gelingenden sozialen Kontakten und Beziehungen und damit zu positiven kommunikativen Erfahrungen in einer digitalen Lehr-Lernkultur beiträgt.

Gleichzeitig wurde in der Evaluation von Studierenden angemerkt, dass Circles mit „erfahreneren“ Personen ggf. hilfreich wären und das Format „in einem anderen Kontext“ zu testen von Interesse wäre. Die Produktivität wurde in Präsenz höher vermutet und die Vereinbarkeit mit dem „Privatbereich“ bzw. „Rest des Lebens“ hinterfragt.

Die Aussagen zeigen, dass der Kontext/Rahmen unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird, in die Einschätzung zahlreiche Faktoren einfließen und Lern- und Arbeitsweisen von Vielfalt geprägt sind.

Aufgaben und Ziel

Hinsichtlich der Aufgaben im Guide sowie der eigenen Zielsetzung zeigt sich ebenfalls eine Bandreite in den Aussagen.

Die Struktur des Guides wurde von den Studierenden als positiv eingestuft, einzelne Aufgaben als hilfreich für die Gruppe oder den/die Lernende/n selbst empfunden.

Auf der anderen Seite wurden die Aufgaben durch die Studierenden als zu abstrakt und schwer verständlich beschrieben. Besonders schwierig erwies sich die Findung des eigenen Lernziels und die Passung dieses Ziels zu den im Guide befindlichen Aufgaben und Prozesshinweisen. Der Prozess der Zielfindung hat offensichtlich viel Energie und Zeit beansprucht.

Aus diesen Rückmeldungen lässt sich erkennen, dass diese Phase am Anfang des WOL-Prozesses ggf. intensiver begleitet und Meilensteine dazu in das Konzept einplant werden sollten. Die zusätzlich zum Guide für die Zielfindung bereitgestellten Materialien scheinen nicht ausreichend zu sein.

Offenheit

Die in den Lehrveranstaltungen gelebte Offenheit wurde von den Teilnehmenden durchweg positiv eingeschätzt. Erwähnt wurden die terminliche und thematische Flexibilität, die Methodeneinführung und die Toleranz des Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung durch die Studierenden (z. B. die Freiheit, Aufgaben im Guide auch auszulassen). Die Methode wurde „intensiv ausgeführt“ und positiv erlebt und der fehlende Zwang bei der Methode gewürdigt.

Erwähnt wurde zudem, dass „die Ungewissheit, was passiert“ als Herausforderung erlebt wurde und dass die Beziehung wichtig sei – die Methode helfe „verschlossen Menschen“ beim „offener werden“.

Diese Rückmeldungen zeigen, dass die auf Beziehungen und Offenheit ausgelegte Methode WOL als solche erlebt und damit eine besondere Lehr-Lernkultur gelebt und erfahrbar gemacht wurde.

Struktur

Hinsichtlich der Struktur wurden durch die Studierenden die kleine Lerngruppe und die zufällige Gruppenzusammensetzung positiv gewürdigt. Probleme zeigten sich bei der Terminfindung und -einhaltung der wöchentlichen Treffen. Zudem wurde erwähnt, dass „ein gleiches Ziel/ähnlicher Bereich effektiver gewesen“ wäre und bei mehr Personen ggf. mehr Austausch stattgefunden hätte.

Die Aussagen zu diesem Aspekt zeigen konkrete Hinweise zu Problemen in der Selbstorganisation in einer Gruppe, deren Bewältigung zu den intendierten Lernzielen dieser Methode gehören. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Ziele wäre ggf. zu erforschen, ob diese zu mehr Effektivität im Circle führen würden.

Prozess

Die Methode mutete bei den Studierenden anfangs als „merkwürdig“ an. Gewürdigt wurde in den Circles die „Gruppendynamik“, der „Austausch und die gegenseitige Unterstützung“ sowie die „Harmonie in der Zusammenarbeit“ oder „schöne Momente“.

Die Moderation, Motivation und Tipps wurden als sehr hilfreich empfunden, ebenso die extern eingeladenen Personen, die in PitStops ihre Erfahungen zu WOL geteilt hatten.

Kritisch reflektiert wurde, dass ein inhaltlicher Austausch unter den Circles wünschenswert gewesen wäre. Zudem wurden Aspekte wie fehlende Zielerreichung, Zeitknappheit sowie „Phasen, wo es nicht läuft“ thematisiert.

Diese Einschätzungen lassen erkennen, dass die Vernetzung der Circles untereinander in der didaktischen Konzeption der PitStops berücksichtigt werden sollte. Zudem zeigt sich, dass die Einladung externer Personen mit WOL-Erfahrungen wertvoll für die Unterstützung im Lernprozess waren – auch dieses sollte im Lehrveranstaltungskonzept eingeplant werden.

Netzwerke und Social Media

Die Aussagen der Studierenden zum aktiven Netzwerken und der Nutzung von Social Media bilden eine Spannbreite an Einschätzungen: Von den „Problemen beim Netzwerken überwunden“ bis hin zur „Ablehnung der Nutzung neuer Online-Plattformen“ wird erkennbar, dass sich Studierende teilweise sehr schwer tun, diese Medien, die sie mitunter privat benutzen, auch im beruflichen Kontext einzusetzen. Das WOL-Konzept enthält jedoch viele Ansätze, die die Nutzung von Social Media als Mittel zum Netzwerken intendieren, sodass hierfür ggf. vorbereitend oder begleitend mehr Unterstützung eingeplant werden sollte.

Methode

Die Methode wurde von dem Seminarteilnehmenden hinsichtlich der individuellen Schwerpunktsetzung, des eigenen Lerntempos und den einzelnen methodischen Ansätzen bei den Aufgaben im Guide sehr positiv für Austausch, Einsatz bei New Work und die Übertragung auf andere Bereiche eingeschätzt.

Kritisch angemerkt wurde indes die Passung des Guides für den Kontext des Hochschulstudiums – hier wird deutlich erkennbar, dass es zielgruppenbezogener Konzeptionen und Formulierungen für die einzelnen Schritte im Guide bedarf.

Wirkungen

Hinsichtlich der Wirkungen der WOL-Lernreise wird von Studierenden auf das Erlernen einer langfristigen Zielverfolgung hingewiesen, „Aha-Momente“ werden erwähnt, Wiederholungen gewünscht, WOL als „fast Therapie“ eingestuft sowie darauf hingewiesen, dass die Methode aus der Komfortzone lockt, außerhalb der eigenen Blase gedacht, die Entwicklung von Empathie als wertvoll erlebt wird, ein Einfluss auf das Private und persönliches Wachstum empfunden wird.

7 Zusammenfassung

Insgesamt zeigt sich eine Spannbreite von Erfahrungen und dimensionale Ausprägungen zu Bewertungen. Deutlich wird gleichwohl, dass insbesondere im Hinblick auf die Lernkulturen die Methode nennenswert positive Beiträge geliefert und dazu beigetragen hat, neue Ansätze in der digitalen Lehr-Lernkultur erfahrbar zu machen. Das zeigt sich besonders in den Aussagen zu Wirkungen oder im Kontext der Beziehungen, Hilfsbereitschaft und Offenheit.

Die Erkenntnisse aus den ersten Seminaren zeigen wertvolle Ansätze für die persönliche Entwicklung der Studierenden, für die Kultur der (digitalen) Zusammenarbeit und für die Lehr-Lernkultur in der Hochschullehre auf. Die beiden Veranstaltungen haben gezeigt, dass WOL grundsätzlich diesen Beitrag leisten kann:

  • Im Prozess wird persönliches Wachstum erlebt.

  • Beziehungen werden aktiv gestaltet.

  • WOL fokussiert stark auf respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander, der in diesem Prozess eine wertvolle Erfahrung ausmacht.

  • Insbesondere für digitale Lernsettings ist WOL ein geeignetes Format, um in einer Gruppe zu arbeiten und Lernerfolge mit Peers zu erreichen, die sich bisher wenig kennen (vgl. dazu auch Ondrusch et al. 2021).

  • Der Austausch zu Lernzielen führt zu Reflexion und Konzentration auf das eigene Lernziel.

  • Der Austausch im Circle führt zu gegenseitigen kollegialen Beratungen und Empfehlungen, das eigene Wissen wird aktiv unter den Peers geteilt.

  • Der Austausch über Inhalte führt zu einer Wissensvertiefung durch Diskurs, Erläuterung und Reflexion.

  • Die Diversität der Peers führt zu Inspiration durch unerwartete Fragen, andere Sichtweisen, andere Zugänge – es entstehen neue Anregungen.

  • Der Austausch kann auch zu einer Optimierung der Lehr-Lernorganisation führen, indem Inhalte gemeinsam gesammelt werden, ggf. gemeinsam an Dingen gearbeitet wird und neue Tools eingesetzt/kennen gelernt werden.

  • Der Fokus bei WOL wird auf Netzwerke und Beziehungen gelegt. Diese sind für komplexere und unklare Herausforderungen unabdinglich und deren Gestaltung gehört daher mit Blick auf das Handeln in der Zukunft zukünftige Entwicklungen zu wichtigen erforderlichen Fähigkeiten.

Gleichzeitig lassen sich kritische Aspekte identifizieren:

  • Der WOL-Guide passt nicht ideal im Kontext der Hochschullehre.

  • Es bestehen Unsicherheiten in den Cirlces insbesondere am Anfang. Hier sollte das Begleitsystem verstärkt Ansätze für stabilisierende Maßnahmen vorsehen.

  • Als Hürde entpuppte sich die Hemmung bei der öffentlichen Sichtbarkeit beim aktiven Aufbau von Netzwerken und dem Zugehen auf (fremde) Personen, es bestand ein hoher Respekt vor aktiver Ansprache bei Vernetzungsvorhaben. Hier könnten eine konkrete Vorbereitung und Auseinandersetzung helfen, die Barrieren abzubauen. Zudem hängt diese Haltung auch mit den persönlichen Erfahrungen im Hinblick auf die Aktivitäten in sozialen Netzwerken zusammen. Diversere Circle könnten hier über das Teilen von Erfahrungen, den Austausch von Sichtweisen und Zugängen sowie gegenseitiger Beratung unterstützend sein.

  • Der Austausch zwischen den Circles und die Sichtbarkeit der inhaltlichen Ergebnisse scheinen für die Studierenden von hoher Wichtigkeit. Im Ablauf sollten deshalb in den PitStops oder asynchron dafür didaktische Elemente eingeplant werden.

  • Wöchentliche Sprechstunden mit Lehrenden wurden nicht in Anspruch genommen. Dieses Instrument scheint überflüssig. Das Etablieren neuer digitaler Lernkulturen kann durch Ausweitung selbstgesteuerter, begleiteter Lernformate in der Hochschullehre wie WOL gefördert werden.

  • Selbstlernprozesse erfordern Begleitung: Überlassung der Verantwortlichkeit für den Lernprozess führt nicht per so zu besseren Lernprozessen, gerade bei wenig Vorerfahrung mit selbstgesetzten Lernzielen und selbstgesteuerter Organisation aller Prozesse kann es zu Überforderung und Verunsicherungen kommen, sodass der Gestaltung des Umfeldes von Selbstlernprozessen eine zentrale Bedeutung zukommt.

8 Fazit

Das übergreifende Ziel der beiden WOL-Veranstaltungen war Studierenden in Zeiten von Social Distancing den systematischen Beziehungsaufbau bei gleichzeitiger Kompetenzentwicklung zu ermöglichen. Dieses Ziel wurde erreicht. Auch kann wohl behauptet werden, dass eine digitale Kultur in der Lehre durch die Methode WOL gestärkt und weiterentwickelt wurde. Auch die Netzwerkkompetenz, Selbstlernkompetenz und die Fähigkeit kollaborativ zu arbeiten wurde durch diese Methode gefördert. Gleichzeitig zeigte sich, dass der Guide auf den Hochschulkontext anzupassen ist. Insgesamt ist unklar geblieben, welche konkreten Anpassungen es braucht, damit die Methode WOL sich effektiv in den Hochschulkontext einbettet und erwünschte Wirkungen zielsicher ermöglicht. Um belastbare Antworten auf diese Fragen zu finden, sind tiefergehende Evaluationen und begleitende Forschung zukünftig erforderlich.