3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenfassend lassen sich folgende Forschungsergebnisse festhalten:

  1. 1.

    Der Datenbegriff wird im Patentrecht nicht gesetzlich definiert. Der Rechtsprechung ist jedoch ein vom Begriff der „Information“ gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG / Art. 52 Abs. 2 lit. c EPÜ abweichendes Verständnis von Daten zu entnehmen („Verpackung“, BGH; „codierte Begriffe“, BPatG; „funktionale Daten“, Beschwerdekammern), das mit der Zech’schen Definition der „maschinenlesbar codierten Informationen“ in Einklang zu bringen ist, da Daten hiernach weder eine strukturelle oder verkörperte Form haben, noch eine ausschließlich an den menschlichen Verstand gerichtete Mitteilung darstellen. Unter Berücksichtigung informatorischer Wertungen wie dem Schichtenmodell und der Computersteuerungsfunktion kann der patentrechtliche Datenbegriff als Unterkategorie des Programmbegriffs im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG / Art. 52 Abs. 2 lit. c EPÜ verstanden werden.

  2. 2.

    Daten in diesem patentrechtlichen Sinne sind dem Verfahrenserzeugnisschutz nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG / Art. 64 Abs. 2 EPÜ zugänglich, sofern (1) sie im Rahmen eines Verfahrens neu oder abweichend von einer bisherigen Datenstruktur codiert werden, (2) ihr Zweck nicht ausschließlich darin besteht, erfasst, analysiert oder übertragen zu werden, und (3) sie ihre wesentlichen Eigenschaften, namentlich ihre mittelbar-potentielle Wahrnehmbarkeit in üblicher Form, ihre wiederholbare Nutzbarkeit sowie ihre sachlich-technische Prägung nach der Verkehrsauffassung nicht einbüßen.

  3. 3.

    Das Kriterium der sachlich-technischen Prägung umschreibt ebenso wie die Technizität, den der Erfindung innewohnenden technischen Charakter. Da weder Daten als Codierungsvorschriften noch Informationen als semantischer Bedeutungsgehalt per se von technischer Natur sind, ist im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit nach § 4 PatG / Art. 56 EPÜ zu prüfen, ob die Daten oder Informationen einen technischen Beitrag zum technischen Gesamtcharakter der Erfindung leisten, mithin ein technisches Lösungsmittel darstellen können.

  4. 4.

    Daten stellen ein solches Lösungsmittel dar, wenn sie „computerimplementiert“, also in Verbindung mit einem technischen Mittel beansprucht werden und einen weiteren technischen Effekt auslösen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn (1) durch sie spezifizierte Komponenten des technischen Mittels modifiziert bzw. abweichend adressiert werden, d. h. derart in den Verfahrensablauf einbezogen werden, dass keine bloße Kommunikation (z. B. Anfordern, Verarbeiten, Weitergeben) zwischen den Modulen mehr vorliegt, wenn (2) sie auf technische Gegebenheiten innerhalb des Datenträgers Rücksicht nehmen, was insbesondere dann erfüllt ist, wenn der Verfahrensablauf auf die vorhandenen Rechnerarchitekturen bzw. Ressourcen zugeschnitten ist (z. B. die Rechenleistung, Bildauflösung oder Bildschirmgröße), oder (3) wenn die Daten technische Gegebenheiten außerhalb des technischen Mittels bestimmen können.

  5. 5.

    Informationen stellen ein solches Lösungsmittel jedenfalls dann dar, wenn das ihnen zugrundeliegende Verfahren „computerimplementiert“ beansprucht wird und sie unter Rücksichtnahme auf physiologische Aspekte der menschlichen Informationswahrnehmung, d. h. bestimmte körperliche, objektiv messbare Reaktionen oder Reflexe, die weder bewusst steuer- noch verhinderbar sind wie z. B. die Veränderung der Pupillengröße, die Erhöhung des Herzschlages oder Aktivierung von Schweißdrüsen, zu einer bedienungssichereren und bedienungsfreundlicheren Mensch-Computer-Kommunikation führen.

  6. 6.

    Um bei der Gewährung eines daten- und/oder informationsbezogenen Verfahrenserzeugnisschutzes die Eigentumsinteressen des Patentinhabers (Art. 14 GG) in angemessener Weise mit der Meinungs- und Informationsfreiheit der Allgemeinheit (Art. 5 GG) in Einklang zu bringen und jegliche Gefahren einer etwaigen Wissensmonopolisierung zu vermeiden, muss bei jeder Patentprüfung gefragt werden, ob der semantische Bedeutungsgehalt der Daten hinweggedacht werden kann, ohne dass die technische Lösung des Problems entfiele.

  7. 7.

    Daten sind dem Erzeugnisschutz gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG mangels Körperlichkeit nicht zugänglich.

  8. 8.

    Das Erfordernis der Körperlichkeit im Rahmen des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG lässt sich weder durch eine entsprechende Anwendung des Verfahrenserzeugnisschutzes, die Grundsätze des pbp-Anspruches oder das Konzept der technischen Überlegungen substituieren, da ansonsten kein brauchbares Abgrenzungskriterium zum Verfahrensschutz nach § 9 S. 2 Nr. 2 PatG verbleibt.

  9. 9.

    Ein hypothetischer Verzicht auf das Körperlichkeitskriterium – etwa im Wege der Substitution durch technische Überlegungen einer sog. KI – birgt Rechtsunsicherheiten im Patenterteilungs- und Verletzungsverfahren sowie Probleme bei der Anwendung des auf die körperlichen Erzeugnisse ausgerichteten Erschöpfungsgrundsatzes.

3.2 Bewertung und Ausblick

Die vorstehenden Ergebnisse zeigen, dass die Patentierbarkeit von Daten in den engen Grenzen des Verfahrenserzeugnisschutzes möglich ist. Als Anwendungsfall kommen etwa Daten in Betracht, die von einem Fahrzeug aufgrund eines technisierten Verfahrens erzeugt werden und gleichzeitig Einfluss auf das Fahrzeug selbst nehmen.Footnote 1 Die von der Rechtsprechung vorgegebenen Kriterien bieten eine geeignete Basis und zugleich die nötige Flexibilität für die rechtliche Bewertung des Patentschutzes von Daten.Footnote 2 Zudem wird deutlich, dass die aktuelle Gesetzeslage ausreicht, um Gegenstände wie Daten zu erfassen, die bis vor kurzem noch einen Fremdkörper im patentrechtlichen Diskurs dargestellt haben.Footnote 3

Der Rückgriff auf die Grundsätze der computerimplementierten Erfindungen ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite handelt es sich um Grundsätze, die sich in mehreren Jahrzehnten der Entscheidungs- und Rechtsprechungspraxis herausgebildet haben. Auf der anderen Seite gehört die Frage der Patentierbarkeit von Computerprogrammen nach wie vor zu einer der schwierigsten des Patentrechts. Denn mit zunehmender „Entmaterialisierung“ der beanspruchten Technologien muss die Disziplin mit einem immer höheren Abstraktionsgrad umgehen können.Footnote 4

Das Erfordernis der Körperlichkeit erscheint dabei die letzte Bastion der physischen, anfassbaren und materialisierten Natur der Erfindung zu sein. Gleichzeitig besteht Einigkeit darüber, dass eine weitere, unverrückbare Grenze der Abstraktion die an den Menschen gerichtete Information, das Wissen und damit letztlich die bloße Idee einer Erfindung darstellt. Der Ansatz, die unmittelbare Verbindung des Erfindungsgedankens zu Objekten der realen Welt durch technische Überlegungen einer KI zu substituieren, mag nach der momentanen Rechtslage scheitern. Allerdings ist zu erwarten, dass die zahlreichen technischen Innovationen im Bereich der neuronalen Sensorik dazu beitragen werden, dass die physikalischen, chemischen oder biologischen Abläufe im menschlichen Gehirn zunehmend präziser erfasst, ausgewertet und analysiert werden können.Footnote 5 Daten werden damit auch zukünftig eine bedeutende Rolle bei der patentrechtlichen Bewertung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine einnehmen.