Für diese Studie wurden ein exploratives Vorgehen und ein qualitativ-rekonstruktiver Ansatz gewählt, „um dem Untersuchungsfeld in seiner Komplexität und der ihm eigenen Struktur möglichst offen zu begegnen“ (Zeitler/Heller/Asbrand 2012: 49). Im Folgenden sollen zunächst die methodologischen und methodischen Bezugspunkte der Forschungsarbeit expliziert werden (3.1). Anschließend folgt das konkrete Vorgehen bei der Erhebung (3.2) und der Auswertung (3.3), sowie die Erläuterung der Ergebnisdarstellung in dieser Arbeit (3.4).

3.1 Grundannahmen der rekonstruktiven Sozialforschung

Die zuvor formulierte Forschungsfrage zielt, methodologisch gesprochen, auf die Rekonstruktion von Orientierungen pädagogischer Fachkräfte in Bezug auf das Thema sexuelle Gewalt in pädagogischen Institutionen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Orientierungen der Fachkräfte in einem Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Diskurs um sexuelle Gewalt in Institutionen stehen und handlungsleitend für den pädagogischen Alltag sind.

Somit wurde im Forschungsprojekt von einer „Seinsverbundenheit des Wissens“ (Mannheim 1929, 1964) ausgegangen und methodologisch an die Tradition der Wissenssoziologie nach Karl Mannheim angeschlossen. „Jedes Denken und Wissen wurzle nach Mannheim in sozialen Konstellationen, die es zugleich ermöglichen und begrenzen. Den Begriff, mit dem Mannheim dieses Phänomen fassen will, nennt er Seinsverbundenheit des Wissens.“ (Raith 2020: 244; Hervorh. i. O.).

Mit dieser Annahme stellt Mannheim fest, dass Wissen nicht absolut sein kann, sondern dass „[g]esellschaftliches Sein, gesellschaftliche Lagerung“ (Bohnsack 2014: 191) als konstruiert „durch biografisches Erleben“ (ebd.) verstanden werden müssen. „Soziales Sein resultiert aus der erlebnismäßigen Einbindung in eine kollektive Handlungspraxis“ (ebd.). Für die fachliche Auseinandersetzung Anfang des 20. Jahrhunderts war dieser Grundgedanke der Seinsverbundenheit des Wissens wegweisend und auch heute noch ist er für die Soziologie und die qualitative Sozialforschung grundlegend (Raith 2020: 254). Die Seinsverbundenheit, die auch Standortgebundenheit genannt wird, ist für dieses methodologische Verständnis auf zwei Ebenen relevant (Loos/Schäffer 2001a: 38). Auf der Ebene des Forschungsgegenstandes müssen die Orientierungen auf ihre kollektive Rahmung hin befragt werden. Gleichzeitig muss die Seinsverbundenheit des*der Forscher*in und damit der Interpretation mitberücksichtigt werden (ebd.).

Ralf Bohnsack (1981, 1983) entdeckte Anfang der 1980er Jahre die Wissenssoziologie von Mannheim wieder. Er adaptierte den empirischen Forschungsansatz, den Mannheim selbst in Ansätzen beschrieben hatte, und entwickelte ihn weiter (Raith 2020: 251). Im Folgenden wird nun auf einige grundlegende wissenssoziologische Prämissen sowie deren Operationalisierung in der dokumentarischen Methode eingegangen. Zunächst ist die Unterscheidung von Wissen in zwei Ebenen grundlegend. Es wird davon ausgegangen, dass es eine reflexiv zugängliche Ebene des Wissens gibt, die methodologisch als explizites, theoretisches, immanentes oder kommunikatives Wissen gefasst wird. Die andere Ebene umfasst Wissen, das nicht ohne weiteres reflexiv zugänglich ist, weil es inkorporiert wurde. Das Wissen wird in der Folge als atheoretisch, dokumentarisch oder konjunktiv bezeichnet (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 21). „,Atheoretisch‘ ist dieses Wissen, weil wir in unserer Handlungspraxis darüber verfügen, ohne dass wir es alltagstheoretisch auf den Punkt bringen und explizieren müssten.“ (Nohl 2017: 6). Das „(a)theoretische Wissen verbindet Menschen, beruht es doch auf einer gleichartigen Handlungspraxis und Erfahrung. Deshalb spricht Mannheim (1980: 225) hier von einer verbindenden, einer ‚konjunktiven Erfahrung‘, die man mit anderen teilt.“ (Nohl 2017: 7). Dieser konjunktive Erfahrungsraum ist ebenfalls eine grundlegende methodologische Annahme der dokumentarischen Methode. Es wird davon ausgegangen, dass sich in Gesprächen und Gruppendiskussionen von „Realgruppen (…) kollektiv geteilte ‚existentielle Hintergründe‘ der Gruppen, also gemeinsame biographische und kollektivbiographische Erfahrungen“ (Loos/Schäffer 2001a: 27) dokumentieren. Diese verweisen auf „milieu-, geschlechts- und generationsspezifische[] Gemeinsamkeiten“ (ebd.), die sich in Gruppendiskussionen „in Form ‚kollektiver Orientierungsmuster‘“(ebd.) zeigen.

Die Frage der Kollektivität, bzw. des konjunktiven Erfahrungsraumes muss also für diese Studie genauer betrachtet werden. Es geht hier um Teams, die, wie die spätere Vorstellung zeigen wird, sehr unterschiedlich zusammengesetzt sind. So sind einige Teams bezüglich des Alters der pädagogischen Fachkräfte sehr heterogen, andere wiederum sehr homogen. Auch die Dauer der Zugehörigkeit zur Organisation ist unterschiedlich. Zudem sind alle Teams geschlechtsheterogen zusammengesetzt, d. h. in allen Teams sind sowohl männliche als auch weibliche Fachkräfte vertreten (Selbstauskunft). Aufgrund der Diversität der Gruppen ist es zunächst sinnvoll, von einem geteilten interaktiven Erfahrungsraum auszugehen (vgl. Henn 2018). Gleichzeitig ist diese Studie jedoch so angelegt, dass die mediale Skandalisierung von sexueller Gewalt in Institutionen als gemeinsam geteilte Erfahrung angenommen wird. Der gesellschaftliche Diskurs um sexuelle Gewalt in Institutionen bildet die wirkmächtige Hintergrundfolie, welche – so die Annahme – sich auf die Handlungspraxis der Professionellen auswirkt. Insofern kann es als eine methodologische Frage der Arbeit gesehen werden, ob der Diskurs um sexuelle Gewalt in Institutionen einen konjunktiven Erfahrungsraum für die Teams darstellt und inwieweit sich Unterschiede und Brüche im kollektiven Erleben der pädagogischen Fachkräfte zeigen. Der zuvor dargestellte Forschungsstand legt nahe, dass sich die Erfahrungen von männlichen und weiblichen Fachkräften unterscheiden. Offen ist, ob unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtungen von Trägern zu unterschiedlichen Erfahrungen führen.

Um Erkenntnisse über mögliche Unterschiede in den Erfahrungen von Fachkräften aus konzeptionell differenten Institutionen zu bekommen, bedarf es einer komparativen Analyse. Diese ist „nicht [als] eine Methode neben anderen“ zu verstehen, sondern als ein die gesamte Forschungspraxis und alle Einzelmethoden durchwirkender Stil“ (Nohl 2013: 272). Der Fallvergleich wird von Nohl als ein wesentliches Element der komparativen Analyse beschrieben. Dabei werden Fälle sowohl nach fallimmanenten und themenbezogenen Vergleichshorizonten, sowie rekonstruierten Orientierungsrahmen ausgewählt (ebd.: 273). Die fallimmanenten und themenbezogenen Vergleiche liegen dabei auf der Ebene des immanenten Sinnes. Es geht um explizite Abgrenzungen der untersuchten Gruppen zu anderen und um themenbezogene Gemeinsamkeiten. Die Orientierungsrahmen, also die Art und Weise, wie Gruppen handlungsleitendes Wissen generieren, lassen sich erst in der Rekonstruktion des konjunktiven Wissens herausarbeiten. Der Vergleich zielt dann auch darauf ab, eine Verbindung zwischen dem handlungsleitenden Wissen und unterschiedlichen „Erfahrungsdimensionen“ (ebd.: 277) herzustellen.

Um Vergleiche anstellen zu können, braucht es einen gemeinsamen Ausgangspunkt, entlang dessen verglichen werden kann. In der dokumentarischen Methode wird dieser Tertium Comparationis genannt, „das den Vergleich strukturierende gemeinsame Dritte“ (Bohnsack 2014: 222), welches jedoch „im Zuge des Vergleichens […] unsichtbar bleibt“ (Bohnsack/Nentwig-Gesemann/Nohl 2013: 31). Das Tertium Comparationis muss über den gesamten Prozess der Rekonstruktion herausgearbeitet und währenddessen stets präzisiert und abstrahiert werden (Nohl 2013: 280). Abhängig von Zeitpunkt des Vergleiches und der Fokusebene verändert sich das Tertium. Ausgehend vom Tertium Comparationis wird ein Fallvergleich angestellt.

Die kollektiven Orientierungsrahmen konturieren sich erst in der komparativen Analyse verschiedener Passagen desselben Falls, vor allem aber im Vergleich zwischen Fällen. Diese Analysen führen zunächst zu einer sinngenetischen Typenbildung, d.h. zur Unterscheidung unterschiedlicher Formen von kollektiven, impliziten und handlungsleitenden Orientierungen für einen bestimmten Gegenstandsbereich.

(Amling/Hoffmann 2013: 183)

Ziel dieser Forschungsarbeit ist zum einen der thematische Vergleich. In der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Fälle wird entlang von Themen der Gegenstand umfassend ausgeleuchtet. Zum anderen ist auch die sinngenetische Typenbildung Ziel der Arbeit, erarbeitet durch den Kontrast einzelner Fälle und ihrer Orientierungen.

Eine soziogenetische Typenbildung, die als letzter Schritt der dokumentarischen Methode vorgeschlagen wird und die zum Ziel hätte, strukturidentische Erfahrungen herauszuarbeiten, ist nicht Ziel dieser Analyse.

3.2 Zur Erhebung mit dem Gruppendiskussionsverfahren

Für die empirische Erhebung wurden Gruppendiskussionen als Instrument gewählt. Im Folgenden wird diese Entscheidung begründet und die Art der Gruppendiskussionen genauer beschrieben.

Gruppendiskussionen schießen besonders gut an die Axiome qualitativer Forschung an, da sie zu einer partizipierenden Kommunikation anregen, die durch ihren Prozesscharakter relativ nah an Alltagsinteraktionen und dem Handeln der Akteur*innen miteinander in der Alltagspraxis ist (Kutscher 2002: 59). Zudem zeichnen sie sich durch Offenheit aus, „da die TeilnehmerInnen den Verlauf und die Themenhierarchie durch die multilaterale Interaktion (im Gegensatz zur bilateralen im Interview) in großem Maße selbst bestimmen können“ (Kutscher 2002: 59). Gruppendiskussionen werden in der Sozialforschung sehr unterschiedlich genutzt (Lamnek 2005). Gemeinsam ist ihnen, dass es sich um “ein gemeinsames Gespräch mehrerer Teilnehmer zu einem Thema, das der Diskussionsleiter benennt, [handelt, M.W.], (…) und das dazu dient, Informationen zu sammeln“ (Lamnek 1995: 125).

Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist die Erhebung von kollektiven Orientierungen, für die sich ein spezifisches Gruppendiskussionsverfahren eignet, welches mit Lamnek als „qualitativ-ermittelnd“ (Lamnek 2005: 30) zu bezeichnen ist. Gruppendiskussionen sind ein „Ort, an dem gemeinsame und strukturidentische Erfahrungen besonders eindrücklich artikuliert und exemplifiziert werden können“ (Leibig/Nentwig-Gesemann 2009: 103). Damit bietet sich die Möglichkeit, das implizite, konjunktive Wissen zu rekonstruieren. Grundlegend sind dafür Erzählungen und Beschreibungen der Alltagpraxis. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Erfahrungen der Sprecher*innen im Diskursverlauf des Gespräches dokumentieren. Die Rekonstruktion zeigt, wie die Propositionen und Reaktionen der Sprecher*innen aufeinander ihre Orientierungsrahmen widerspiegeln und so ihre „Einbettung in einen umfassenden Sinnzusammenhang“ (Loos/Schäffer 2001a: 38) zeigen. Das wissenssoziologisch angeleitete Gruppendiskussionsverfahren ist darauf angelegt, dass im Gespräch von Gruppen mit gemeinsamen Erfahrungen, eine kommunikative Bewältigung der Erfahrungen stattfindet, bei der sich kollektive Orientierungen herausbilden (ebd.: 40). Voraussetzung dafür, dass es kollektive Orientierungen gibt, ist, dass die Akteur*innen ein kollektiver Erfahrungsraum verbindet (ebd.: 41). Dass die Annahme kollektiver Erfahrungsräume für pädagogische Teams auch problematisch ist, ist zuvor bereits dargestellt worden. Brigitte Leibig und Iris Nentwig-Gesemann verweisen darauf, dass die Homogenität, bzw. Heterogenität der Gruppe „nur in Abhängigkeit von der Erkenntnisabsicht beantwortet werden“ (Leibig/Nentwig-Gesemann 2009: 105) kann.

Für diese Studie wird angenommen, dass die umfassenden Diskussionen und Maßnahmen infolge der Aufdeckung von sexueller Gewalt in Institutionen ab 2010, wie sie in Kapitel 2 dargestellt wurden, einen konjunktiven Erfahrungsraum bilden. Zudem besteht ein interaktiver Erfahrungsraum, indem die pädagogischen Fachkräfte eine gemeinsame berufliche Aufgabe teilen, nämlich die Betreuung, Versorgung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen, die in der Wohngruppe leben. Die Forschungsfrage schließt damit daran an, was – so die Annahme – die Fachkräfte der Teams jeweils miteinander verbindet: (1) die mediale Thematisierung von sexueller Gewalt in Institutionen als antizipierter existenzieller Erfahrungshintergrund, bzw. gemeinsamer konjunktiver Erfahrungsraum und (2) die gemeinsame Handlungspraxis.

Nachdem nun die Grundlagen des hier eingesetzten Gruppendiskussionsverfahrens dargestellt wurden, wird im Folgenden die Planung und Durchführung beschrieben. Die methodischen und methodologischen Begründungen des Vorgehens werden im Weiteren am konkreten Gegenstand der Arbeit deutlich gemacht.

Die Kontaktaufnahme zu den Einrichtungen erfolgte auf unterschiedlichen Wegen. Eine Gruppendiskussion kam aufgrund eines persönlichen Kontaktes zustande. Eine der Forscherin bekannte pädagogische Fachkraft einer Nachbargruppe hatte das Forschungsanliegen weitergegeben, was zu einer Einladung führte. Bei zwei weiteren Gruppen ist der Kontakt über die Einrichtungsleitung hergestellt worden, die die Forscherin auf einer Tagung kennen gelernt hatte. Bei zwei Einrichtungen nahm die Forscherin zunächst telefonisch Kontakt mit der Leitung auf. In einem Fall führte dies dazu, dass die Forscherin zunächst von der Einrichtungsleitung eingeladen wurde, um das Vorhaben darzustellen. Im Weiteren wurden dann Kontakte zu zwei Gruppenleiter*innen hergestellt. Bei der anderen Gruppe erfolgte nach einem telefonischen Gespräch eine Vermittlung an die Gruppe. Bei allen angefragten Einrichtungen konnte mindestens eine Gruppendiskussion durchgeführt werden. Das ist außergewöhnlich, gemessen an den Schwierigkeiten, die andere Forscher*innen im persönlichen Gespräch in Bezug auf die Forschung zu sexueller Gewalt in Institutionen beschreiben.

Die Gruppendiskussionen fanden in den Räumen des jeweiligen Trägers statt, in fünf Wohngruppen in Gemeinschaftsräumen (Ess- und Wohnzimmer), in einem Fall im Verwaltungsgebäude der Einrichtung das sich auf demselben Gelände wie die Wohngruppe befindet. Peter Loos und Burkhard Schäffer (2001a: 49) gehen davon aus, dass es für die Erhebung gut ist, wenn der Ort den Befragten nicht fremd ist, da sie sich so oftmals sicherer fühlen. Auch der Zeitaufwand für die Befragten wurde so minimiert. Aufgrund von begrenzten zeitlichen Ressourcen der Fachkräfte planten die Teams die Gruppendiskussion vor, im Anschluss an oder statt einer Teamsitzung, bzw. eines Team-Tages. So war gewährleistet, dass alle Teammitglieder anwesend sein konnten und organisational dafür gesorgt war, dass die Kinder und Jugendlichen anderweitig versorgt wurden. Meist fanden die Gruppendiskussionen vormittags statt, sodass die Kinder und Jugendlichen in der Schule waren. Die Wahl des Zeitpunktes und des konkreten Ortes oblag gänzlich den pädagogischen Fachkräften. Während die Zeitpunkte durchaus ähnlich gestaltet waren, waren die Orte, an denen gesprochen wurde, sehr unterschiedlich. Ein Team hatte das für ihre Teamsitzung typische Frühstück zubereitet, die Diskutant*innen saßen eher gemütlich auf Sesseln. Die anderen Diskussionen fanden an eckigen Tischen statt, es wurde meist Tee, Kaffee und Wasser gereicht. Alle Teams begegneten der Forscherin wohlwollend und aufmerksam, sodass sie sich herzlich willkommen geheißen fühlte. Meist waren die pädagogischen Fachkräfte bei Ankunft der Forscherin noch mit letzten Vorbereitungen für die Diskussion oder anderen Arbeiten beschäftigt, sodass es ein gemeinsames entspanntes Hineingleiten in das gemeinsame Gespräch ergab. Einigen pädagogischen Fachkräften war trotz Vorabinformationen das Thema der Gruppendiskussion zu Beginn nicht präsent. Andere hatten sich explizit mit dem Forschungsgegenstand beschäftigt, um sich vorzubereiten.

Zur Vorbereitung auf die Gruppendiskussionen wurde ein flexibler Leitfaden erstellt (siehe Abbildung 3.1 und 3.2). Der Leitfaden diente als Grundlage für ein möglichst natürliches Gespräch zwischen der Forscherin und den Beforschten. Die Formulierungen der Fragen wurden je nach Gesprächssituation angepasst. Je nachdem, welche Themen von den pädagogischen Fachkräften eingebracht wurden, verschoben sich Schwerpunkte im Gespräch und es wurden weitere Nachfragen gestellt.

Abbildung 3.1
figure 1

Leitfaden Gruppendiskussion Seite 1

Abbildung 3.2
figure 2

Leitfaden Gruppendiskussion Seite 2

Wie für Gruppendiskussionen üblich, die dokumentarisch ausgewertet werden sollen, wurden die Diskussionen mit einigen einleitenden und organisatorischen Hinweisen eröffnet (Leibig/Nentwig-Gesemann 2009). Das Thema der Diskussion wurde noch einmal benannt und die Diskutant*innen wurden ebenfalls aufgefordert, sich kurz vorzustellen. Weiter wurde die Gruppendiskussion dann jedoch nicht direkt mit einem erzählgenerierenden StimulusFootnote 1 (ebd.) eröffnet. Die Diskutant*innen wurden als erstes aufgefordert, über die Wohngruppe und ihren gemeinsamen Handlungsalltag zu erzählen. So ergab sich eine erweitere Eröffnungsphase, die der Forscherin zum einen die Möglichkeit gab, einen genaueren Eindruck von der Selbstbeschreibung der Wohngruppe zu bekommen. Zum anderen eröffnete sich für die pädagogischen Fachkräfte die Möglichkeit, sich an die Gesprächssituation zu gewöhnen. Dieses Vorgehen beruht auf der Annahme, dass die Aufforderung, über das Thema sexuelle Gewalt in Institutionen zu sprechen, aufgrund der tabuisierten Thematik für die Diskutant*innen schwierig sein könnte. So wurde zunächst eine angenehme Gesprächssituation hergestellt, um die antizipierte generelle Spannung in Bezug auf die Untersuchungssituation abzubauen. Die erweitere Eröffnungsphase gewährleistete, dass die Diskutant*innen sich bereits an die Aufnahmesituation gewöhnt hatten, als der Stimulus gestellt wurde. Die Wahl des Vorgehens wurde in einer Vorstudie erprobt (Hartmann 2011b) und hat sich in allen Gruppendiskussionen als zielführend erwiesen. Die eigentliche Gruppendiskussion wurde dann mit folgendem erzählgenerierenden Stimulus eröffnet:

Ob und wie haben Sie mit dem Thema schon einmal zu tun gehabt und vor allem, inwiefern spielt das Thema sexuelle Gewalt durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in IHRER ARBEIT eine Rolle.

(Aus dem Leitfaden)

Die Formulierung des Stimulus ist zweigeteilt. Zunächst wird danach gefragt, ob die pädagogischen Fachkräfte generell schon einmal mit dem Thema sexuelle Gewalt durch Mitarbeiter*innen zu tun gehabt haben. Dieser Teil der Frage zielte darauf ab, zu eruieren, ob das Thema schon einmal an sie herangetragen wurde. Hintergrund war hier das Wissen um den gesellschaftlichen Diskurs und die Frage, ob und wie dieser von den Diskutant*innen wahrgenommen wurde. Zudem eröffnete der Teil des Stimulus die Möglichkeit, persönliche Erfahrungen mit einzubringen. Der zweite Teil des Stimulus zielte auf die professionelle Praxis der pädagogischen Fachkräfte und intendierte, Erzählungen und Berichte über die eigene Praxis anzuregen, die für die Rekonstruktion der handlungsleitenden Orientierung der Fachkräfte notwendig sind. Weiter wurde in der Formulierung der Begriff des „Themas“ eingeführt, um deutlich zu machen, dass es nicht allein um Taten sexueller Gewalt ging. Die Rekonstruktion des Stimulus und der Reaktionen darauf finden sich in Kapitel 5.

In allen sechs Gruppendiskussionen ist es im Anschluss an den Stimulus I zu einem selbstläufigen Gespräch gekommen, welches zwischen 12 und 55 Minuten dauerteFootnote 2. Im Anschluss daran wurden je nach Verlauf passende immanente Nachfragen gestellt. Bei einer Gruppendiskussion mit relativ kurzem selbstläufigen Teil (GD2) wurde noch einmal gebeten, weitere Beispiele aus der Alltagspraxis anzuführen. Das Team 6 wurde nach 55 Minuten aus forschungspraktischen Gründen unterbrochen, da das Team bereits über eine Dreiviertelstunde für die Vorstellung der Gruppe gebraucht hatte und zeitlich sichergestellt werden sollte, dass der zweite Stimulus ebenfalls noch bearbeitet werden konnte.

Die Aufnahme des zweiten erzählgenerierenden Stimulus bedarf noch einer Erläuterung. In der ersten Version des Leitfadens war dieser nicht enthalten. In den ersten Rekonstruktionen der Gruppendiskussion 1 stellte sich jedoch heraus, dass die pädagogischen Fachkräfte sich in ihren Erzählungen und Berichten vor allem auf Situationen der Nähe konzentrierten, die für die Fachkräfte selbst problematisch wurden. Das an sich ist ein sehr wichtiges Ergebnis dieser Arbeit, welches in den weiteren Gruppendiskussionen bestätigt wurde. In der Interpretation dieses Phänomens wurde die Vermutung aufgestellt, dass es für die Fachkräfte nur schwer vorstellbar ist, dass es zu sexueller Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen in ihrer Arbeit kommen kann. Um diesem Umstand nachzugehen, wurde ein zweiter erzählgenerierender Stimulus aufgenommen. Mit der fiktiven, schematischen Erzählung eines Übergriffs einer pädagogischen Fachkraft gegenüber einem Bewohner wurden die Diskutant*innen dazu aufgefordert, sich konkret eine Tat sexueller Gewalt durch einen Kollegen vorzustellen. Der Stimulus rief noch einmal selbstläufige Erzählungen zwischen 10 Minuten und 25 Minuten hervor. Die Reaktionen auf diesen Stimulus zeigen wie unter einem Brennglas die Schwierigkeiten der pädagogischen Fachkräfte, diese Situation zu imaginieren. Die Ergebnisse dieser Interpretationen sind in Kapitel 11 dargestellt.

Im Anschluss an den zweiten selbstläufigen Teil der Gruppendiskussion wurden noch immanente und exmanente Nachfragen gestellt. Insgesamt dauerten die Gruppendiskussionen zwischen 1 Stunde 44 Minuten und 3 Stunden 20 MinutenFootnote 3. Zum Abschluss der Diskussion füllten alle Diskutant*innen Einwilligungserklärungen und Sozialdatenbögen aus und bekamen Datenschutzerklärungen von der Forscherin ausgehändigt.

3.3 Zur Auswertung mit der dokumentarischen Methode

Die Auswertung der empirischen Daten erfolgte mit der dokumentarischen Methode (Bohnsack 2014; Loos/Schäffer 2001a; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014; Przyborski 2004), die ihrem qualitativen Selbstverständnis folgend an den Gegenstand angepasst wurde. Nach jeder Gruppendiskussion wurde als erstes ein Gedächtnisprotokoll angefertigt, um ethnografische Eindrücke der Forscherin sowie besondere Ereignisse und nicht-auditive Daten festzuhalten (Loos/Schäffer 2001a: 55). Besonders zu Beginn der Erhebung war dieser Schritt sinnvoll, weil so bereits Ideen zur Kontrastierung entstanden.

Im zweiten Schritt wurden Volltranskripte von den Hauptteilen der Gruppendiskussionen erstellt (ab Stimulus I) sowie von thematisch relevanten Passagen aus der Eröffnungsphase. Die Entscheidung, sehr große Teile der Gruppendiskussionen zu transkribieren, beruhte auf den ersten Eindrücken, dass es sehr viele thematisch relevante und dichte Sequenzen gab und eine Identifizierung von Schlüsselstellen auf Grundlage von thematischen verläufen und Audios nicht zufriedenstellend möglich war. Die Transkription erfolgte nach dem in der dokumentarischen Methode üblichen System (Przyborski 2004: 331ff) mit einem „mittleren Niveau der Detaillierung“ (Loos/Schäffer 2001a: 56), welche die Bezugnahme der Sprecher*innen aufeinander berücksichtigt, sprachliche Eigenheiten darstellt und wichtige parasprachliche Phänomene mit aufnimmt. Im Zuge der Transkription wurden die Sprecher*innen sowie die genannten Personen und Orte pseudonymisiert. Für die Benennung der Sprecher*innen wurden für die bessere Lesbarkeit Namen verwendet. In den jeweiligen Gruppendiskussionen stellten sich die pädagogischen Fachkräfte der Forscherin entweder alle mit Vor- oder alle mit Nachnamen vor. Die durch das Forschungsfeld eingeführte Adressierung im Du oder Sie wurde auch in den Transkripten übernommen.

Nach der Transkription wurde von jeder Gruppendiskussion ein thematischer Verlauf angefertigt. Dieser wurde genutzt, um Sequenzen zu identifizieren, welche sich durch eine besondere interaktive und metaphorische Dichte auszeichnen, sogenannte FokussierungsmetaphernFootnote 4 (Bohnsack 2013: 250). Zudem wurden alle auf die Stimuli folgenden Sequenzen sowie thematisch besonders relevante Textstellen berücksichtigt. Bei der Identifikation der Sequenzen sind insbesondere thematische Wechsel relevant, die oftmals den Beginn bzw. das Ende einer Sequenz darstellen. Da die dokumentarische Methode in den folgenden Schritten die Diskursbewegungen als Analysekategorie zentral setzt, ist es wesentlich, die Sequenzen in Gänze zu analysieren (Przyborski 2004: 51).

Die Auswertung der Sequenzen erfolgte besonders zu Anfang des Forschungsprojektes im Zuge gemeinsamer Interpretationsbündnisse mit anderen Forscher*innen und Forschungswerkstätten. Die gemeinsame Rekonstruktion, die den eigenen Standpunkt offenlegte und hinterfragte, war dabei von wesentlicher Bedeutung für das Verstehen des Datenmaterials. Gemäß der zuvor eingeführten wissenssoziologischen Unterscheidung zwischen dem immanenten und dem konjunktiven Wissen (siehe 3.1) hat die dokumentarische Interpretation von Sequenzen zwei Schritte. In einem ersten Schritt – der formulierenden Interpretation – wird die Frage nach dem Was gestellt. Dabei geht es darum, das von den Befragten dargestellte explizite Wissen für die wissenschaftliche Erkenntnis zu rekonstruieren. Es erfolgt eine „(Re-) Formulierung des immanenten, des generalisierenden, sozusagen allgemein verständlichen Sinngehalts“ (Przyborski 2004: 53). Bei der Übersetzung in die Sprache der Forscher*innen erfolgt ein Sinnverstehen, idealer Weise in einem Interpretationskontext mit mehreren Personen, in dem die Standortgebundenheit kontrolliert werden kann. Wesentliches Instrument dieses Analyseschrittes ist es, die thematische Gliederung einer Passage zu rekonstruieren (ebd.: 54).

Die Vergegenwärtigung verschiedener Textsorten, wie Nohl sie für die Analyse von Interviews vorschlägt (Nohl 2017, 2005), war hier an einigen Stellen durchaus gewinnbringend. Die Unterscheidung von Argumentationen, Bewertungen, Beschreibungen und Erzählungen verweist auf die Wissensebenen, die in den Passagen angesprochen werden. Während Argumentationen und Bewertungen eher auf theoretisches, explizierbares Wissen zurückgreifen, deuten Beschreibungen und Erzählungen eher auf konjunktives Wissen hin, hinter welchem sich Erfahrungsaufschichtungen verbergen.

Auf die formulierende folgt die reflektierende Interpretation. In diesem Schritt liegt das Augenmerk auf der Rekonstruktion des dokumentarischen Sinngehaltes. Es stellt sich die Frage nach dem Wie des Sprechens. Die Frage nach der Art und Weise des Sprechens stellt sich sowohl in Bezug auf den Verlauf der Diskussion, als auch im Hinblick auf die Sprachpraxen: Formulierungen, Metaphern, Mundartwechsel, Geschwindigkeit des Sprechens, etc. (Przyborski 2004). Mit dieser Analyseeinstellung wird methodologisch das konjunktive, habitualisierte Wissen in den Blick genommen, welches den Diskutant*innen nicht mittelbar zugänglich ist. „Ziel dieses Interpretationsschrittes ist die Rekonstruktion von Orientierungen“ (ebd.: 55). Die Rekonstruktion der Orientierungen erfolgt im fallinternen und -übergreifenden Vergleich, durch den sich die Spezifik des einzelnen Falls herausarbeiten lässt.

Aglaja Przyborski hat das Vorgehen bei der dokumentarischen Diskursanalyse systematisch dargestellt. Ihre Ausführungen waren besonders für die reflektierende Interpretation leitend. Das von ihr skizzierte Vorgehen soll an dieser Stelle kurz dargestellt werden: Die dokumentarische Methode bietet ein sehr präzises Begriffsinventar, mit dem die Art und Weise der Sprechakte im Diskurs beschrieben werden kann. Am Anfang einer Sequenz steht die Proposition, welche den „Orientierungsgehalt“ (ebd.: 65) einer Äußerung anzeigt. In der Interpretation stellt sich dann die Frage, welcher Orientierungsrahmen hinter dem Gesagten steht. Der aufgeworfene Orientierungsrahmen ruft dann entsprechend des konjunktiven Erfahrungsraumes Reaktionen hervor. So kann es durch Argumente oder Beispiele, die den propositionalen Gehalt bestätigen, zu einer Elaboration kommen. Die Proposition kann aber auch differenziert und damit verschoben werden. Ebenso kann es zu einer Validierung kommen, in der die Proposition bestätigt wird, oder lediglich zur Bestätigung, dass sie gehört wurde (Ratifizierung). Weiter kann der Proposition widersprochen werden, dabei handelt es sich um eine Antithese, Divergenz oder Opposition. Die Sequenz wird meist mit einer Konklusion beendet. Diese kann in einer inhaltlichen Einigung über den propositionalen Gehalt bestehen oder aber in einer rituellen Konklusion. Im letzteren Fall wird entweder der inhaltliche Fokus verschoben oder aber die Diskussion (der Passage) wird abgebrochen. Die Rekonstruktion dieses Dreischrittes ist wesentlich, um den Orientierungsgehalt herausarbeiten zu können und ihn mit anderen Passagen und Diskussionen zu vergleichen. Mit dem „Wechsel der Analyseeinstellung vom Was zum Wie“ (Bohnsack/Pfaff o. J.: 3f) geht die dokumentarische Methode dem modus operandi nach und sucht nach dem „der Praxis zugrunde liegenden Habitus“ (ebd.: 4), bzw. der der Praxis zugrunde liegenden Orientierung.

Ergänzend zur Rekonstruktion der Orientierungsrahmen war für die Beantwortung der Forschungsfrage zentral, herauszuarbeiten, auf welche Weise das Thema sexuelle Gewalt gegen Schutzbefohlene zum Thema wurde. Die Beantwortung dieser Frage zielt zunächst auf subjektive Deutungen der pädagogischen Fachkräfte und damit auf das Explizieren ihres immanenten Wissens. Was für Anlässe also benennen die pädagogischen Fachkräfte, die das Thema relevant werden lassen? Für solch ein umfassendes Interesse an den subjektiven, expliziten Deutungen der Diskutant*innen brauchte es eine Ergänzung zur Sequenzanalyse. Geeignet zeigte sich hier, zusätzlich zu der Analyse der Fokussierungsmetaphern, das empirische Material im Sinne der Grounded Theory offen zu kodieren (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 211ff), um einen besseren Überblick über die Anlässe der Thematisierung zu gewinnen und Kategorien zu entwickeln, welche diese gut beschreiben können.

Die Rekonstruktion der Orientierungsrahmen der Teams gelang mit diesem methodischen Inventar sehr gut. Dabei wurden einige Besonderheiten deutlich, auf die unter methodischen Gesichtspunkten noch eingegangen wird. Wohl am auffälligsten an den empirischen Ergebnissen ist, dass es sehr große Homologien in den Orientierungen der Teams gibt. In weiten Teilen kann von einer geteilten Orientierung gesprochen werden. Damit zeigt sich ein breiter, gemeinsam geteilter Erfahrungsraum über alle sechs Teams hinweg. Diese Erkenntnis führte dazu, dass das gemeinsam geteilte Dritte in den Vordergrund der Arbeit gestellt wurde. Dies zeigt sich auch in der Darstellung der Ergebnisse (s. u.). In einem letzten Arbeitsschritt wurden dennoch die Unterschiede der einzelnen Fälle rekonstruiert. Hier deutete sich an, dass strukturell unterschiedliche Bedingungen, unter denen die Teams arbeiten, wesentlich sind für deren Bewältigung von Nähesituationen.

3.4 Zur Darstellung der Ergebnisse

Im Folgenden soll der Aufbau der Ergebnisdarstellung beschrieben werden, um die Struktur zu verdeutlichen. Die Darstellung beginnt mit dem Übergangskapitel 4, das im Sinne des theoretical samplings die Datenerhebung mit ersten Analysen verschränkt und aufzeigt, wie bei der Auswahl der Teams vorgegangen wurde. Hierzu wird das zu Beginn angelegte Tertium Comparationis des Trägerkonzeptes, bzw. in der Weiterentwicklung die Positionierung der Wohngruppe zur Familialität herausgearbeitet. Diese grundlegende Basistypik des Vergleichs der familienanalog und der nicht familienanalog arbeitenden Teams wird in den weiteren Auswertungen immer wieder bestätigt.

Die empirischen Kapitel 5 bis 11 sind aufgrund der großen Homologien nicht nach Typen sortiert, sondern stellen das Gemeinsame der Orientierung der sechs Teams in den Vordergrund, sowohl auf der konjunktiven Ebene (Kap. 5 und 11), als auch auf der kommunikativen Ebene (Kap. 6 bis 10). Diese breite Basis der Orientierung ist eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit. Zwar ist das Sample insgesamt nicht groß, die Orientierungen sind jedoch so stabil, dass sie vermuten lassen, dass sie auf viele Teams im Bereich der Heimerziehung übertragbar sind. Interessant wäre im Anschluss an diese Arbeit ein Vergleich mit Fachkräften aus weiteren pädagogischen Handlungsfeldern.

Gegenstand von Kapitel 5 ist der Orientierungsgehalt des ersten erzählgenerierenden Stimulus und die Reaktionen der Teams darauf. Deutlich wird in diesem Kapitel, dass eine Distanzierung von einem Erleben sexueller Gewalt in Institutionen und damit verbunden eine Positionierung als unbeteiligt für alle Teams grundlegend ist, um in der Gruppendiskussion über das Thema sexuelle Gewalt sprechen zu können. Hier handelt es sich um eine erste Homologie, die Teil der breiten geteilten Orientierung der Teams ist.

In den Kapiteln 6 bis 10 werden die Anlässe der Thematisierung in den Blick genommen. Dabei ist das Kapitel 6 einleitend und stellt Ausbildung und biografische Ereignisse als zwei besondere Anlässe der Thematisierung dar, die sich nicht für alle Teams finden. Die vier weiteren Kategorien mediale Berichterstattung (Kap. 7), organisationale Bedingungen (Kap. 8), Tatverdacht und Gewalttat (Kap. 9) und kindliche Bedürfnisse nach körperlicher Versorgung und Nähe (Kap. 10) finden sich hingegen in allen Gruppendiskussionen. Die Kategorien der Thematisierung dienen jeweils als Tertium Comparationis, vor dessen Hintergrund die Teams miteinander kontrastiert werden.

Im Kapitel 11 wird ein zweites Mal die konjunktive Ebene fokussiert und damit die Art und Weise der Sprechakte. Hier zeigt sich, dass die meisten pädagogischen Fachkräfte die Möglichkeit nicht denken, dass es zu sexueller Gewalt durch ihre Kolleg*innen in der eigenen Wohngruppe kommen könnte. Methodisch gesprochen kann festgestellt werden, dass sexuelle Gewalt durch Kolleg*innen außerhalb des Orientierungsrahmens liegt.

In Kapitel 12 kommt es ganz im Sinne der dokumentarischen Methode zu einem Fallvergleich mit dem Ziel, neben den umfassenden thematisch sortierten Erkenntnissen die Spezifika der einzelnen Fälle herauszuarbeiten und zu überprüfen, ob sich systematische Erklärungen finden lassen. Das Tertium Comparationis des Vergleiches sind dabei zum einen Synopsen aus den bislang rekonstruierten Orientierungen sowie die Bewältigungsstrategien von Nähesituationen, die von den Teams als risikovoll identifiziert werden. Die Sortierung des Fazits des Kapitels ist eine Annäherung an eine sinngenetische Typenbildung.

Das Fazit der gesamten Arbeit (Kap. 13) greift die Ergebnisse auf und bringt sie in einen Zusammenhang mit aktuellen Forschungsergebnissen.