Die wesentlichen Kerninhalte dieses Abschnittes sind:

In diesem Abschnitt wird das typische Vorgehen bei einer neutralen QScore-Analyse erläutert, an dessen Ende die Ermittlungen des QScores steht.

Die Unternehmensbeispiele zeigen den „QScore in der Praxis“.

5.1 Der Weg zum neutralen QScore-Zertifikat

Wie oben erwähnt, lassen sich der QScore eines Unternehmens und die Verbesserungspotenziale auf dem Weg zu mehr Zukunftssicherheit in einem sehr kompakten Analyse-Projekt ermitteln. Wesentlich ist, dass die Analyse und Aggregation von Risiken, die zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit schwerer Krisen – „bestandsgefährdender Entwicklungen“ – erforderlich ist, in den Projektablauf integriert ist. Gerade bei mittelständischen Unternehmen, die heute noch oft die aus § 1 StaRUG ableitbaren Mindestanforderungen an das Risikomanagement nicht erfüllen, erhalten damit quasi „nebenher“ eine StaRUG-konforme Beurteilung der „Gefährdungswahrscheinlichkeit“, also der Wahrscheinlichkeit einer bestandsgefährdenden Entwicklung, z. B. durch die Verletzung von Mindestanforderungen an das Rating oder von Covenants (siehe dazu Gleißner, 2022).

Die nachfolgende Abbildung zeigt nun in einer Übersicht einen typischen Projektablauf, der sich aus zwei konzentrierten Arbeitstagen – oder auch 4 Halbtagen – zusammensetzt (Abb. 5.1).

Abb. 5.1
figure 1

Der typische Projektablauf zur Bestimmung des QScores

Der erste Tag dient dabei der Bearbeitung sogenannter „Fokusthemen“. In Abhängigkeit der Ausgangssituation des Unternehmens, seines Geschäftsmodells und Branchenspezifika werden dabei zur Vorbereitung der eigentlichen QScore-Analyse an Tag 2 bestimmte Informationsgrundlagen systematisch verbessert. Häufig ist dies gerade in Anbetracht der aktuellen Verschärfungen der gesetzlichen Anforderungen an das Risikomanagement – und der zentralen Bedeutung von Risiken für den nachhaltigen Unternehmenserfolg – insbesondere auch die fokussierte Identifikation, Quantifizierung und simulationsbasierte Aggregation von Risiken; letzteres zur Auswertung der Kombinationseffekte von Risiken. Aber grundsätzlich lassen sich hier auch andere Themen behandeln, wie z. B. – sofern nicht schon vorhanden – die Ableitung einer kompakten integrierten Unternehmensplanung, die Diskussion der Aufstellung des Unternehmens im Hinblick auf Nachhaltigkeit oder eine strukturierte Beschreibung der Unternehmensstrategie, die dann wiederum Grundlage ist für eine strategische Risikoanalyse. Bei einer solchen für die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit besonders wichtigen strategischen Risikoanalyse wird nämlich diskutiert, inwieweit die heute wesentlichen Erfolgspotenziale des Unternehmens bedroht sind oder Veränderungen des Marktumfelds die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigen.

Zur Vorbereitung des ersten Tages werden Informationen des Unternehmens, die schon unmittelbar verfügbar sind, angefordert und strukturiert ausgewertet, z. B. die dokumentierte Strategie, Unternehmensplanung und die Ergebnisse aus der Risikoanalyse.

Der zweite Arbeitstag dient der Verdichtung der Informationen zur Beurteilung der 10 Hauptkriterien (Q1 bis Q10). Beim Analysten-basierten Ansatz ist es dabei Zielsetzung, durch eine neutrale – durchaus auch kritische – Analyse eine fundierte Lagebeurteilung des Unternehmens zu erstellen. Tiefgang und Schwerpunktsetzung der einzelnen Aspekte sind dabei durchaus unternehmens- und branchenspezifisch. Zentrale Kernfragen, die die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens immer beeinflussen, werden aber grundsätzlich behandelt.

Die nur durch vom QScore-Institut akkreditierten QScore-Analyseunternehmen erstellten QScore-Analysen werden konsequent qualitätsgesichert. Die Analyseergebnisse werden durch neutrale und erfahrene Spezialisten im QScore-Institut, die selbst nicht an der Analyse beteiligt waren, geprüft und gegebenenfalls modifiziert. Erst dann erhält das Unternehmen sein „QScore-Zertifikat“ mit der Beurteilung der Dimensionen Q1 bis Q10 und den ermittelten QScore sowie die sich daraus ergebenden richtungsweisenden Vorschläge für die Verbesserung der Zukunftsfähigkeit. Das Unternehmen erhält dann auch die für den Zweck der Analyse verwendete Software „Strategie Navigator“, ausgefüllt mit seinen Daten, insbesondere im Hinblick auf Planung, Rating, Risikoanalyse und simulationsbasierte Risikoaggregation (auch Eckdaten der Strategie etc. lassen sich hier abbilden). Die Software kann das Unternehmen nutzen, um an der Verbesserung der wesentlichen finanziellen Kennzahlen des QScores zu arbeiten und auch in Zukunft den gesetzlichen Anforderungen an das Risikomanagement (gemäß § 1 StaRUG), insbesondere im Hinblick auf die Risikoaggregation, gerecht zu werden. Auf Wunsch erhält das Unternehmen ergänzend eine Bestätigung, dass mit der QScore-Analyse auch die gesetzlichen Anforderungen gemäß § 1 StaRUG im Hinblick auf Risikoanalyse zur Krisenfrüherkennung erfüllt wurden.

5.2 Warum QScore? Fallbeispiele

Warum stehen viele Familienunternehmen gerade jetzt vor einer besonders großen Transformation, oft der größten in der Familiengeschichte?Footnote 1

  1. 1.

    Transformation der Familienstruktur

Bei vielen Unternehmen steht in den nächsten Jahren die Übertragung von Eigentumsrechten und Leitungsverantwortung auf die nächste Generation der Familienmitglieder an. Statistiken zeigen, dass nur etwa 4 bis 5 % aller Familienunternehmen die 4. Generation erreichen – und bei vielen Unternehmen, speziell solchen aus der Nachkriegszeit, ist aktuell schon die 3. Generation in der Verantwortung. Der zunehmende zeitliche Abstand zur Gründung und der Person des Gründers sowie eine oft auch zunehmend heterogenere Familienstruktur gefährdet Unternehmen (und speziell die an sich vom Gründer oft angestrebte „Enkelsicherheit“).

  1. 2.

    Erhalt der Unabhängigkeit

Das oberste Ziel vieler Unternehmerfamilien besteht darin, die Unabhängigkeit ihres Unternehmens nachhaltig zu sichern. Unabhängigkeit erfordert Zukunftsfähigkeit und ist anspruchsvoller als das Ziel des einfachen „Überlebens“ (also des Vermeidens einer Insolvenz, was auch durch den Verkauf des Unternehmens erreicht werden kann). Unabhängigkeit, insbesondere die hierfür notwendige finanzielle Unabhängigkeit, ist für viele deutsche Familienunternehmen aufgrund der häufig schwieriger werdenden Rahmenbedingungen am Standort Deutschland und vielfältigen Herausforderungen (siehe auch 3., 4. und 5.) zunehmend schwieriger geworden. Mehr denn je bedeutet die Sicherung der Zukunftsfähigkeit eine Orientierung an dem in diesem Buch skizzierten Leitbild des „kapitalmarktfähigen Familienunternehmens“, das die Vorteile von Familienunternehmen (wie die langfristige Orientierung) mit den professionellen Strukturen börsennotierter Unternehmen verbindet. So sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um bei Bedarf (z. B. zur Wachstumsfinanzierung) auf eine (Fremd-)Finanzierung durch den Kapitalmarkt zurückgreifen zu können. Ganz entsprechend des Paradigmas der wertorientierten Unternehmensführung soll dabei neben einem niedrigen Insolvenzrisiko eine für das Wachstum ausreichende Eigenkapitalrendite erreicht werden: Die Eigenkapitalrendite (nach Steuern) ist die Obergrenze für die langfristigen Wachstumsrate des Unternehmens (ohne Eigenkapitalzufuhr). Eine zu niedrige Eigenkapitalrendite, z. B. wegen „netter“, aber nicht erforderlicher Aktivitäten, kann speziell in wachsenden Märkten zu einem Verlust an Marktanteilen und damit auch an Wettbewerbsfähigkeit führen (Erfahrungskurveneffekt/Größendegression).

  1. 3.

    Technologischer Wandel

Praktisch jedes Unternehmen muss sich zunehmend dem schnellen verändernden technologischen Fortschritt und dessen Auswirkungen auf den Märkten anpassen. Technologische Anpassungsfähigkeiten sind bei der Beurteilung und Verbesserung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens von immer größerer Bedeutung. Digitalisierung, mit zunehmender Möglichkeit von digitalen Produkten und digitalen Geschäftsmodellen, digitale Plattformen, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz sowie 3D-Druck seien hier nur beispielhaft genannt.

  1. 4.

    Der richtige Umgang mit dem Thema „Nachhaltigkeit“

Eine „nachhaltige Unternehmensführung“ wird für Unternehmen zunehmend bedeutend und es ist ein zentrales Thema bei der Bestimmung des QScores, den hier erreichten Status und die Potenziale eines Unternehmens einzuschätzen. Wie in Abschn. 4 erläutert, ist nachhaltige Unternehmensführung etwas ganz anderes als ein „guter ESG-Score“. Ein für die Unternehmensstrategie und die Zukunftsfähigkeit wichtiges Thema ist es zu beurteilen, welche konkreten Maßnahmen eines Unternehmens, z. B. im Hinblick auf „Umwelt und Gesellschaft“, für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens tatsächlich wichtig sind (und welche nicht).

  1. 5.

    Das Management von Komplexität

Die Komplexität in und um die Familienunternehmen nimmt zu. Das Kunstwort VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) drückt diesen Sachverhalt aus. In einer komplexen Welt nimmt der Umfang bestehender Chancen und Gefahren – die Unsicherheit – zu. Neben der Verbesserung der Fähigkeit im Umgang mit Unsicherheit im Allgemeinen sind die Implikationen von „VUCA“ bei der Weiterentwicklung von Unternehmenskultur, Führungsstil und Organisation zu beachten (z. B. in Form der Delegation von größeren Entscheidungsspielräumen). Der QScore-Ansatz trägt den Herausforderungen durch Komplexität dadurch Rechnung, dass hier die für die Zukunftsfähigkeit tatsächlich wichtigen Themen fokussiert aufgegriffen werden – was die Komplexität zukünftiger (strategischer) Entscheidungen deutlich reduziert.

Allen QScore-Projekten in der Praxis ist gemein, dass die Unternehmen eine fundierte Beurteilung ihrer Zukunftsfähigkeit und konkrete Ansatzpunkte für die Verbesserung erhalten wollen. Auch wenn Überlebens- und Zukunftsfähigkeit gerade für Familienunternehmen höchste Bedeutung haben, gibt es häufig einen spezifischen Anlass für den Projektstart. So kann die QScore-Analyse helfen, bei einer anstehenden oder bereits gerade durchgeführten Übergabe der Unternehmensführungsverantwortung auf einen Nachfolger, den Status des Unternehmens fundiert einzuschätzen – fundierter als dies mit traditionellen Unternehmensanalysen oder üblichen Health-Checks möglich ist.

Auch anstehende strategische Grundsatzentscheidungen machen es erforderlich, Ausgangssituationen und Handlungsspielraum, gerade im Hinblick auf akzeptable Risiken, fundiert einzuschätzen. Manche Unternehmen sehen den Vorteil der Durchführung einer QScore-Analyse gerade jetzt darin, die relevanten Facetten des Themas „Nachhaltigkeit“ aus der strategischen Perspektive zu beurteilen oder – projektbegleitend – erstmals eine quantitative Risikoanalyse und simulationsbasierte Risikoaggregation durchzuführen. Diese ist, wenn entsprechende Daten noch nicht vorliegen, immer Teil einer QScore-Analyse, da die Beurteilung des Gesamtrisikoumfangs und Identifikation möglicher bestandsgefährdender Zukunftsszenarien für die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit natürlich von grundlegender Bedeutung ist (und entsprechend werden projektbegleitend die neuen Anforderungen aus § 1 StaRUG an alle Kapitalgesellschaften erfüllt). Dies war beispielsweise mit ein Grund dafür, dass die Dockweiler AG die QScore-Analyse mit sowieso anstehenden Maßnahmen zur Verbesserung des Risikomanagements kombiniert hat. Herr Block, Vorstandsvorsitzender der Dockweiler AG, erläutert den Gedanken wie folgt: „In unserem managementgeführten und inhabergesteuerten Familienunternehmen ist das oberste Ziel die Erhaltung der Dockweiler AG als unabhängiges Familienunternehmen. Dabei gilt bei uns das Credo der Gesellschafter-Familie: Stabilität ist wichtiger als Rendite und viel wichtiger als Wachstum“. Der QScore hilft uns, Transparenz für alle Beteiligten zu schaffen, er zeigt uns aber auch die notwendigen Verbesserungen auf dem anspruchsvollen Weg zum kapitalmarktfähigen Familienunternehmen in aller Konsequenz auf.“

Die Fressnapf Holding SE hatte dagegen schon vor der QScore-Analyse ein leistungsfähiges Risikomanagement implementiert, das in der Lage war, unter Beachtung bestehender Risiken und deren Kombinationseffekte Insolvenzwahrscheinlichkeit und Ertragsrisiken – und damit die finanzielle Nachhaltigkeit – fundiert zu beurteilen. Intention und Nutzen der QScore-Analyse fasst der (damalige) Geschäftsführer von Fressnapf, heute Geschäftsführer des QScore-Instituts, wie folgt zusammen: „Zum einen wollten wir eine neutrale Standortbestimmung, wo wir mit der Neuausrichtung und Professionalisierung des Unternehmens konkret stehen – und dann daraus eine Roadmap ableiten, wie es weitergehen soll. Zum anderen standen wir vor einem personellen Übergang, den es möglichst transparent und handlungsorientiert zu gestalten galt. Und für alles hat sich der QScore bestens bewährt.“