Schlüsselwörter

1 Ausgangssituation

Durch die zunehmende Verbreitung von Digitalisierungslösungen und Künstlicher Intelligenz sowie durch den steigenden Wert von Daten für Unternehmen ist der Einsatz industrieller Datenanalysen unumgänglich geworden, um im Markt zu bestehen (Han & Trimi, 2022). Die Anwendungsmöglichkeiten sind dabei ebenso divers wie funktionsspezifisch: Beispielsweise können im Qualitätsmanagement durch eine Anomalieerkennung Produktionsfehler in großen Datenmengen identifiziert werden (Schlegl et al., 2022, S. 1 ff.; West et al., 2021c, S. 762 ff.). Mit prädiktiver Instandhaltung können Anlagenausfälle vorausgesagt werden, bevor sie auftreten (Wöstmann et al., 2019, S. 94 ff.). Durch selbstlernende Agentensysteme kann die Produktionsplanung durch zielgerichtete Empfehlungen unterstützt werden (West et al., 2021b, S. 347 ff.). Durch die Vorhersage von dynamischen Engpässe kann die Produktionssteuerung künftige Entwicklungen antizipieren und proaktiv darauf reagieren (West et al., 2022a, S. 612 ff., b, S. 3 ff.).

Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterliegen in diesem hochgradig spezialisierten Umfeld einem erheblichen Innovationsdruck, um sich in globalisierten Märkten und gegen größere Wettbewerber behaupten zu können. Durch die fortschreitende digitale Transformation stehen viele Daten zur Verfügung, die bessere und schnellere Entscheidungen ermöglichen. Unternehmen erkennen, dass die Nutzung dieser Daten bedeutend für sie ist (Safar, 2023, S. 254). So sind sie in der Lage, Produkte und Prozesse nachhaltig zu optimieren.

Im Rahmen des AKKORD Projekts konnte ein Referenzbaukasten entwickelt werden, der spezielle Lösungen insbesondere für KMU bietet. Dabei wurden Möglichkeiten zur Kollaboration und Kompetenzentwicklung, für eine einfache, integrierte Datenanalyse sowie zur Schaffung einer vollständigen und vernetzten Datenbasis entwickelt. Zusätzlich konnten durch die breit gefächerten industriellen Anwendungsfälle Handlungsempfehlungen auf organisatorischer Ebene abgeleitet werden. So wurden Anforderungen menschlicher, technischer und organisatorischer Art beachtet (Syberg et al., 2023, S. 64 f.). Insbesondere für KMUs, die oft über begrenzte Ressourcen unterschiedlicher Ausprägung und begrenzte Erfahrung in der Datenanalyse verfügen, hat sich jedoch gezeigt, dass neben vielversprechenden Potenzialen bei der Implementierung neue Herausforderungen entstehen. Die Betrachtungsweise der Einflussfaktoren für den erfolgreichen, nachhaltigen Einsatz in Unternehmen verschiebt sich.

In diesem Kapitel diskutieren wir diese Herausforderungen und Hindernisse bei der Implementierung von industrieller Datenanalyse in KMUs und beleuchten die Potenziale für die Zukunft in diesem Bereich.

2 Schlussfolgerungen

Folgt man in der Implementierung den Gestaltungsprinzipien Mensch, Technik und Organisation (vgl. Pardo Escher, 1997), ist im Rahmen der Einführung industrieller Datenanalyse erkennbar, dass insbesondere die menschliche und technische Komponente in vielen Lösungen adressiert wird.

Mensch. Im menschlichen Bereich steht die Kompetenzentwicklung zur Qualifizierung der an der Implementierung beteiligten Menschen im Vordergrund, die nicht entsprechend ausgebildet sind. Dazu existieren zahlreiche Open-Source-Plattformen wie Udemy oder Coursera. In AKKORD wurde mit der Work&Learn-Plattform eine maßgeschneiderte Lösung für den industriellen Einsatz entwickelt, die sich in diese Reihe eingliedert. Ihr berufsbegleitender und integrierter Ansatz von Kompetenzentwicklung ist ein zielführender Ansatz für die Entwicklung beteiligter Mitarbeiter in die entscheidenden Rollen für den Einsatz industrieller Datenanalysen.

Technik. Technisch gibt es unterschiedliche Strömungen und Ansätze, da die Herausforderungen in KMU unterschiedlich sind. In den Anwendungsfällen des Forschungsprojekts galt es in einigen Anwendungsfällen, überhaupt erst entscheidende Daten zu generieren, in anderen Fällen ist die Verfügbarkeit entsprechender IT-Tools zur Analyse nicht gegeben. Darüber hinaus müssen Datensicherheit und -eigentümerschaft geklärt und sichergestellt werden. Auch hier konnte in AKKORD ein Resultat entwickelt werden (siehe Kap. 5).

An die Schnittstelle Mensch-Technik ordnen wir technische Lösungen ein, die den Datenanalyseprozess selbst vereinfachen und so zugänglicher machen. Dies verringert die Einstiegshürde und erfordert damit eine weniger intensive Qualifizierung. Marktreife Lösungen wie RapidMiner, die Advanced Analytics mit einem Low Code Ansatz ermöglichen, sind verfügbar. Die entwickelte AI-Toolbox ist ein weiterer Ansatz an genau dieser Stelle, die aber durch die browserbasierte Umsetzung mit den auf industrielle Anwendungsfälle zugeschnittenen Analysemodulen speziell für KMUs den Einstieg in den Bereich schafft (siehe Kap. 6).

Organisation. Die beteiligten Unternehmen befinden sich nicht nur im Rahmen des Projekts in einer Phase der organisatorischen Transformation im Hinblick auf eine zukünftig digitale Ausrichtung. Die Implementierung des Referenzbaukastens und seiner Teillösungen zeigte in allen Unternehmen, dass organisatorische Maßnahmen immer begleitend einhergehen. Diese Maßnahmen sind facettenreich. Dabei sind eine klare Zielsetzung und Priorisierung sowie ein Verständnis der zu vergebenen Rollen. Als strukturgebendes Werkzeug ist ein ganzheitliches Change Management als vielversprechend anzusehen.

Die Gestaltung einer solchen Digitalisierungsimplementierung wie der Einführung von industrieller Datenanalyse ist mit der Betrachtung von M-T-O als Gestaltungsprinzipien nicht abgeschlossen. So erscheint durch den hohen Aufwand im Bereich der Datenakquise und -verarbeitung der Bereich Daten als eigener Betrachtungsgegenstand in der Gestaltung sinnvoll. In AKKORD stehen mit Plattformen zur Kompetenzentwicklung und Datenanalyse Systeme im Vordergrund, die nicht zuletzt durch die benötigten Schnittstellen zu bestehenden Systemen der Unternehmen ein eigener Betrachtungsgegenstand sein müssen. Ergänzend ist es der Analyst selbst mit seinen vorhandenen Fähigkeiten und der Rolle, die einzunehmen ist, entscheiden für das Ergebnis eines Prozesses und muss in der Lage sein, industriellen Kontext und analytische Komplexität miteinander zu verbinden.

2.1 Herausforderungen

Im Projekt haben sich anwenderübergreifend Herausforderungen und Hindernisse in verschiedenen Bereichen gezeigt, die für den nachhaltigen Einsatz von industrieller Datenanalyse anzugehen sind.

Organisation. Allein funktionierende Plattformen mit Dateanalyse als Kern und guten Ideen reichen nicht, um KMU für den flächendeckenden Einsatz von Datenanalysen zu befähigen. Der Roll Out von Digitalisierungslösungen – und die industrielle Datenanalyse im speziellen – erfordert einen strategischen Ansatz. Da es sich im Rahmen der Implementierung unabdinglich um komplexe Vorgänge handelt, erfordern sie Personaleinsatz und Zeit. Im Projekt hat sich, nicht zuletzt im Rahmen einer Umfrage (siehe Kap. 2 und Kap. 16, gezeigt, dass darüber hinaus Managementunterstützung unabdinglich ist. All diese Punkte fallen in den Bereich der Organisation. Dieser Aspekt ist für die nachhaltige Implementierung der Datenanalyse in Prozesse entscheidend. Es lässt sich beobachten, dass viele Unternehmen bereits einzelne Tools einsetzen und im Rahmen der Implementierung Mitarbeiter insofern qualifiziert haben, als dass sie vereinzelte Pilotanwendungen umgesetzt haben. Es fehlt jedoch die angesprochene organisatorische Grundlage für eine flächendeckende Umsetzung. Aufbauend auf Managementverständnis und -unterstützung in der strategischen Herangehensweise ist ein organisatorischer Change-Prozess der Schlüssel.

Zielsetzung. Dabei ist auch auffällig, dass in vielen Unternehmen prädiktive und präskriptive Ansätze zwar langfristiges Ziel sind, viele akute Probleme aber durch eine klare, problembeschreibende und –erklärende Lösung erfolgreich vereinfacht werden können. Gleichzeitig helfen Lösungen dieser Art, beispielsweise Visualisierungen von Ist-Daten sowie Erklärungen auf den ersten Blick auf Basis von Korrelationsanalysen oder Klassifikationen in der Akzeptanz von Entscheidungen von Mitarbeitern durch Kunden oder Management. Die Transparenz von Prozessen wird entscheidend erhöht.

Return on Invest für technische Infrastruktur. Darüber hinaus ist auffällig, dass der Weg zu prädiktiven und präskriptiven Anwendungsfällen in vielen KMU weit ist. Die Digitalisierung an sich bietet große Potenziale zur Datenaufnahme und -verarbeitung, ein häufiges Hindernis ist es aber, diese nicht heben zu können. Ein häufiges Hindernis ist der Mangel an geeigneten Datenquellen mit entsprechender Datenqualität durch die Verwendung alter Anlagen oder von individuellen Systemen mit fehlenden Schnittstellen (West et al., 2021a, S. 131 ff.). Die in AKKORD erarbeitete Lösung bedient dieses Hindernis, es ist aber an den KMU, technisch für die Anbindung entscheidender Datenquellen zu sorgen. Hier schließt sich an, dass viele Unternehmen nicht zur Investition in die technische Verfügbarkeit bereit sind, da sie den Mehrwert nur langfristig oder gar nicht sehen. Eine gute Datenverfügbarkeit ist heute wertschöpfend. Dieser Gedanke muss im Rahmen der organisatorischen und kulturellen Veränderung in Unternehmen Einzug halten.

2.2 Potenziale

Über die genannten Hindernisse hinaus birgt die industrielle Datenanalyse zahlreiche Potenziale für KMU.

  • Datenbasierte Entscheidungsfindung als Standard. Datenbasierte Entscheidungen sind elementar, wenn man im kompetitiven und zugleich volatilen Umfeld bestehen möchte. Das Risiko von Fehlentscheidungen durch den Rückgriff auf Erfahrungswerte sinkt. Der Einsatz von industriellen Datenanalysen und Maschinellem Lernen in diesen Prozessen ermöglicht es, weitaus mehr Informationen in solche Entscheidungen mit einzubeziehen. Außerdem wirkt dies indirekt dem demographischen Wandel und komplexem Wissensmanagement entgegen, welches insbesondere in KMU zu Problemen führt (Tachkov & Mertens, 2016, S. 29 f.).

  • Schutz vor Wissensverlust. Je mehr Entscheidungen datenbasiert getroffen werden können, desto weniger Gefahr besteht, aufgrund des Verlustes von Erfahrungswissens in einen Wettbewerbsnachteil zu gelangen. Hier setzt auch die Work&Learn-Plattform an.

  • Anwender als Akteure im Markt. Durch gezielte Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter im Bereich der industriellen Datenanalyse ist man in einem zukunftsträchtigen Feld führend und auch in der Lage, gestaltend im Markt zu agieren. Neben dem verbesserten Überblick über das eigene Unternehmen hilft die Fähigkeit zum zielgerichteten Einsatz von Datenanalysewerkzeugen Trends und Verhaltensweisen im Markt, von Kunden und von Wettbewerbern früh erkennen zu können.

  • Geschäftsmodellentwicklung. Eigene Geschäftsprozesse werden optimiert. Dabei spielt auch die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells selbst eine Rolle. Smarte Produkte und Services können so in den Fokus rücken und auch für KMU eine näherliegende Option werden. Weiterentwicklungen in der industriellen Datenanalyse bringen Unternehmen so in die Lage, datenbasiert einen neuen Mehrwert für den Kunden zu generieren (Machchhar et al., 2022, S. 1).

  • Schneller Hochlauf. Ein weiteres Potenzial besteht für KMU explizit im Einsatz der entwickelten modularen Datenanalyseplattform des Referenzbaukastens, der AI Toolbox. So ist eine Schlussfolgerung des Projekts, dass es vielen KMU primär insbesondere beim Einstieg nicht um das beste Analyseergebnis geht, sondern um eine gute Lösung, die aber schnell anwendbar und adaptierbar ist. Der modulare Ansatz zur Datenanalyse ist hier ein passender Einstieg. Anwenderunternehmen sind in der Lage, aufwandsarm Analysen durchzuführen und zu experimentieren. Gleichzeitig schafft die Work&Learn-Plattform ein Grundverständnis für datenanalytische Zusammenhänge. Wenn gute Ergebnisse schnell erzielt werden können, wird Entscheidern der Mehrwert deutlich. Aufbauend auf diesen Entwicklungen können Unternehmen dann spezifischere und komplexere Lösungen erarbeiten.

3 Fazit

Auch die Zukunft der industriellen Produktion wird von innovativen Technologien wie dem Internet der Dinge und Künstlicher Intelligenz geprägt sein. Unternehmen werden zukünftig weitreichende Möglichkeiten haben, Daten zu sammeln, sie auszuwerten und für sich nutzen, um bessere Produkte zu entwickeln, die sie effizienter produzieren. Die unterschiedlichen Anwendungsfälle im AKKORD-Projekt zeigen, dass die Anwenderunternehmen diese Entwicklung sehen und sich entsprechend rüsten wollen. Dabei spielen Sensor- und Produktionsdaten genauso eine Rolle wie Kundenbewertungen sowie Markt- und Vertriebsdaten, mit denen sich die Unternehmen beschäftigen. Sie wollen eine Infrastruktur schaffen, mit deren Hilfe diese Pipeline von der Datenaufnahme mit der Transformation in Wissen bis hin zur datenbasierten Entscheidung Standard ist. Entscheidend sind hier immer Datenzugriff, Datenanalyse und -anwendung mitsamt entsprechender Kompetenzentwicklung in Kombination, die zu einem nachhaltigen Erfolg führen (Deuse et al., 2021, S. 3).

Industrielle Datenanalyse durchgängig als wichtiges Werkzeug im digitalisierten Unternehmen zu integrieren, ist unter dieser Prämisse vielmehr erreichbarer Zielzustand als Vision. Es ist außerdem erkennbar, dass viele Teillösungen oder Ansätze auf dem Markt verfügbar oder gar im industriellen Einsatz sind, es durch ihren Einsatz ohne Berücksichtigung der anderen Aspekte aber häufig bei Pilotumsetzungen bleibt. Wenn Unternehmen die Aspekte Daten, Analyst, System und Organisation entsprechend in der Gestaltung berücksichtigen, ist die nachhaltige Integration industrieller Datenanalyse in Unternehmen gesichert. AKKORD hat mit dem Referenzbaukasten eine Lösung geliefert, die den Einstieg flächendeckende und wertschöpfende Nutzung von industriellen Datenanalysen ermöglicht.