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1 Ausgangssituation

Die Anwendung industrieller Datenanalysen eröffnet produzierenden Unternehmen innovative Möglichkeiten zur nachhaltigen Optimierung von Produkten und Prozessen. Gleichzeitig wird die Initiierung neuer Geschäftsmodelle und Kollaborationen in Wertschöpfungsnetzwerken ermöglicht. Aus dieser Ausgangsage entstammt das BMBF-Forschungsvorhaben. Das auch mit der Kurzbezeichnung „AKKORD“ benannte Forschungsvorhaben, dessen Ergebnisse zentraler Bestandteil dieses Werks sind, trägt den folgenden Titel:

Vernetzte und integrierte Anwendung industrieller Datenanalyse für die wertschaffende, kompetenzorientierte Kollaboration in dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken

In ingenieurwissenschaftlich geprägten Unternehmen werden betriebliche Entscheidungen seit jeher anhand von faktenbasierten Auswertungen getroffen (Deuse et al., 2022, S. 2 f.). Die Anwendung von industriellen Datenanalysen stellt somit eine logische Weiterentwicklung dar, die sich die digitalen Möglichkeiten für Auswertung immer größer werdender Datenmengen zu Nutze macht (West et al., 2021, S. 131). Zu Beginn des Vorhabens im Frühjahr 2019 zeichnete es sich ab, dass insbesondere Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) einen sinnvollen und zielgerichteten Einsatz moderner Analysetechnologien aus eigener Kraft nicht leisten können (Mazarov et al., 2019, S. 874 f.). Es mangelte zum einen an den erforderlichen Kompetenzen und Strategien innerhalb der Unternehmen und zum anderen an einem auf KMU ausgerichteten Dienstleistungs- und Technikangebot zur nachhaltigen Nutzung der umfangreichen Potenziale. In Kap. 2 werden die Hintergründe der Forschungsförderung weiterführend beschrieben. Neben einem Überblick der Projekthistorie wird dort insbesondere das Potenzial der Forschungsergebnisse für KMU beschrieben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bestehenden Hindernisse bei der technischen, aber vor allem auch bei der organisatorischen Integration von Anwendern, Systemanbietern und Dienstleistern die Realisierung initialer Leuchtturmprojekte sowie die langfristige Durchdringung weiterer Industriebereiche mit Datenanalysetechnologien erschweren. Es fehlten sowohl ein integriertes Konzept zur Überwindung der existierenden Barrieren und Hemmnisse als auch konkrete Lösungen (Nolte et al., 2020, S. 734).

2 Verbundprojektziel

Zur erfolgreichen Anwendung von industriellen Datenanalysen ist eine ganzheitliche Betrachtung betrieblicher Abläufe erforderlich. Da die betrachteten Betriebsabläufe häufig komplex sind, involvieren industrielle Datenanalysen viele unterschiedliche Prozesse, Systeme, Datenquellen, Akteure und Zusammenhänge. Erst durch den Dreiklang von Mensch, Technik und Organisation (MTO) kann die dafür notwendige Harmonie entstehen. Kap. 20 nimmt einen weiterführenden Ausblick auf die künftige Entwicklung von MTO vor. Als Kurzbezeichnung für das Forschungsvorhaben wurde deshalb der bereits erwähnte Begriff „AKKORD“ gewählt, der in der Musik den Zusammenklang vieler Stimmen mit verschiedenen Funktionen bezeichnet. Auch zur industriellen Umsetzung von Datenanalysen ist ein derartiges Zusammenspiel erforderlich. An die Stelle von Melodie, Bass oder Begleitstimme treten in diesem Falle sowohl menschliche Akteurinnen und Akteure aus unterschiedlichen Fachbereichen als auch die technischen und organisatorischen Einflussfaktoren, unter denen die Datenanalysen stattfinden. Damit produzierende Unternehmen, und insbesondere KMU, diesen Akkord erklingen lassen können benötigen sie entsprechende Instrumente.

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Der im Rahmen des Verbundprojekts entwickelte Referenzbaukasten zur Anwendung industrieller Datenanalysen stellt in dieser Analogie einen Werkzeugkoffer zur erfolgreichen Umsetzung von integrierten und vernetzten Anwendungen von industriellen Datenanalysen dar. Typischerweise werden Datenanalyseprojekte von interdisziplinären Teams umgesetzt, die bei der Bearbeitung unterschiedliche Rollen einnehmen und entsprechende Werkzeuge in der Bearbeitung benötigen (Schwenken et al., 2023, S. 83). Der Baukasten beinhaltet ein umfangreiches Angebot von Werkzeugen, die bedarfsgerecht und modular zusammengestellt und genutzt werden können. Mithilfe dieser Werkzeuge wird eine kompetenzorientierte Kollaboration in dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken anwenderfreundlich ermöglicht (Syberg et al., 2023, S. 65, Kap. 3). In Anlehnung an den Gedanken eines Baukastens werden einzelne Module im Weiteren als Bausteine bezeichnet. Um eine einsteigerfreundliche Verwendung des Referenzbaukastens und seiner Bausteine zu ermöglichen, wird der ganzheitliche Ansatz in einer kollaborativen Online-Service-Plattform vereint. Eine ausführliche Beschreibung des Referenzbaukastens und seiner Bausteine findet sich weiterführend in Kap. 4.

3 Forschungspartner

Im Forschungsprojekt AKKORD arbeiteten von 2019 bis 2023 vierzehn Konsortialpartner aus unterschiedlichen Branchen zusammen. Die Partner können anhand ihrer Ausrichtung in drei Gruppen unterteilt werden. Zu den Anwendungspartnern zählen vier produzierende Unternehmen, die die Nutzung von industriellen Datenanalysen anstreben. Die Entwicklungspartner stellen sechs Unternehmen dar, die entweder Software- oder Hardware-Lösungen anbieten und so die Grundlage zur Umsetzung sowie Nutzung von Datenanalysen liefern. Abgerundet wird das Konsortium durch vier Forschungspartner, die im Projekt eine Brücke zwischen den technischen Lösungen und der praxisorientierten Nutzung schlagen. Abb. 1.1 zeigt eine Übersicht der vierzehn Partner innerhalb dieser drei Gruppen.

Abb. 1.1
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Darstellung der beteiligten Konsortialpartner im Forschungsprojekt AKKORD unter Berücksichtigung der Unterscheidung von Anwendungs-, Entwicklungs- und Forschungspartnern

Ein detaillierter Einblick in die Arbeiten der beteiligten Forschungspartner findet sich auf der Projekt-Webseite (www.akkord-projekt.de/partner). Neben einer ausführlichen Partnervorstellung wird dort die individuelle Rolle im Projekt erläutert und die individuell erzielten Ergebnisse vorgestellt. In diesem Kapitel werden die in Abb. 1.1 gezeigten Forschungspartner aus dem Vorhaben AKKORD stichpunktartig vorgestellt.

  • Anwendungspartner:

    • ERCO GmbH (Elektroindustrie): Architekturbeleuchtung mit besonderem Fokus auf präziser und effektiver LED-Technologie

    • Miele & Cie. KG (Weiße Ware): Premium Haushalts- und Gewerbegeräte mit Hauptbeteiligung durch das zentrale Qualitätsmanagement und Serienpflege der Haushaltswascher

    • PolyMerge GmbH (Sondermaschinenbau): Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Maschinen für die Automobilzulieferer und Kunststoffverarbeitendes Gewerbe

    • Volkswagen AG (Automobilindustrie): Fahrzeuge mit Hauptbeteiligung durch die zentrale Industrial Engineering Abteilung

  • Entwicklungspartner:

    • Arendar IT-Security GmbH (Industrie 4.0 Kommunikation): Industrieller Datensammler mit Schwerpunkt auf Cyber-Security

    • CONTACT Software (Softwareentwicklung): Lösungen für Produktdatenmanagement, Product Lifecycle Management, Projektmanagement und Internet of Things

    • mosaiic GmbH (Unternehmensberatung): Beratung, Konzeption und Einführung von IT für produzierende Unternehmen

    • NEOCOSMO GmbH (Softwareentwicklung): Lösungen für Kommunikations- und Lernplattformen für Informations- und Wissensvermittlung

    • PDTec AG (Softwareentwicklung): Lösungen für Daten- und Informationsmanagement innerhalb des Produktlebenszyklus

    • RapidMiner GmbH (Softwareentwicklung): Lösungen für Predictive Analytics, Data Mining und Text Mining [Konsortialführer]

  • Forschungspartner:

    • Lehrstuhl für Berufspädagogik für technische Fächer (Universität Hamburg): Technologiebasierte Erfassung und Entwicklung von Fachkompetenzen

    • Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (Institut für Wirtschaftsinformatik, Saarbrücken): Angewandte Informatikforschung

    • Institut für Produktionssysteme (Technische Universität Dortmund): Datengetriebene Problemlösung mittels industriellen Datenanalysen für diverse Fragestellungen aus dem produzierenden Gewerbe [Projektleitung]

    • Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung (Technische Universität Kaiserslautern): Produkt- und Service Lifecycle Management sowie Datenintegration und -vernetzung

Während der Bearbeitung des Forschungsprojekts AKKORD veröffentlichten die aufgezählten Projektpartner regelmäßig Arbeitsberichte zu Fortschritten und Ergebnissen auf der Projekt-Webseite. Diese Beiträge finden sich ebenfalls weiterführend auf der Projekt-Webseite (www.akkord-projekt.de/news).

4 Vorgehensweise

Um die Umsetzung des Referenzbaukastens als übergeordnetes Gesamtziel zu erreichen, werden im Forschungsprojekt mehrere wissenschaftliche und technische Teilziele verfolgt. Anhand dieser Teilziele strukturieren sich die Aufgaben der vierzehn Projektpartner.

  1. 1.

    Übergreifende und vernetzte Datenbasis: Durch ein leistungsfähiges PLM-basiertes Daten-Backend-System werden Erfassung, Integration und Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen entlang des Produktlebenszyklus umgesetzt und die Grundlage für anschließende Datenanalysen geschaffen (siehe Kap. 5).

  2. 2.

    Integrierte und vernetzte Datenanalysen: Durch einen benutzerorientierten Konfigurationsassistenten mit einheitlichen Analysemodulen und vorkonfigurierbaren Dashboards werden automatische und individualisierbare Analyseprozesse umgesetzt (siehe Kap. 6).

  3. 3.

    Kompetenzentwicklung und -sicherung: Durch einen digitalen Wissensdienst werden situierte Lernmodule zielgerichtet und anwendergerecht bereitgestellt, um die Kompetenzprofile von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedarfsgerecht zu erweitern (siehe Kap. 7).

  4. 4.

    Kollaborationsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle: Durch einen Empfehlungsassistenten werden Vorschläge und Handlungsempfehlungen für innovative und wirtschaftliche Geschäftsmodelle zur kollaborativen Wertschöpfung abgegeben, die auf den Ergebnissen der vernetzten und integrierten Datenanalysen beruhen (siehe Kap. 8).

In Abb. 1.2 werden diese vier Teilziele im Kontext von Mensch, Technik und Organisation gezeigt. Aufgrund der vielen Akteure, die zum Erfolg von industriellen Datenanalyseprojekten beitragen, erfordert ein ganzheitlicher Ansatz auf stets die Berücksichtigung aller Einflussfaktoren. Im Forschungsvorhaben werden diese Teilzeile in den folgenden Kapiteln als Leistungsbereiche bezeichnet. Die wissenschaftlich-konzeptionellen Arbeiten orientierten sich an dieser Unterteilung und wurden in einem übergeordneten Referenzbaukasten zusammengeführt.

Abb. 1.2
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Darstellung der vier Leistungsbereiche aus dem Forschungsprojekt AKKORD im Spannungsfeld von Mensch, Technik und Organisation

Neben der Umsetzung dieser Zielsetzungen in einem integrierten Referenzbaukasten erfolgt in AKKORD außerdem die exemplarische Erarbeitung von industriellen Anwendungsszenarien sowie der Aufbau von Demonstratoren. Durch die Umsetzung von Anwendungsszenarien in Form von Software- und Hardware-basierten Demonstrations- bzw. Pilotanwendungen werden sowohl der Anwendernutzen als auch die Akzeptanz für Datenanalysetechnologien gesteigert.

An der Struktur orientiert sich auch der weitere Aufbau des vorliegenden Sammelbands. In den verbleibenden Beiträgen von Teil 1 werden zunächst der unmittelbare Nutzen für mittelständige Anwender, die grundsätzliche Problemstellung zu Beginn des Vorhabens sowie das übergeordnete Konzept des Referenzbaukastens vorgestellt. Innerhalb von Teil II werden die als Leistungsbereiche bezeichneten Teillösungen des Referenzbaukastens beschrieben. Die Leistungsbereiche orientieren sich an den Teilzielen 1 bis 4 und wurden federführend von je einem der Forschungspartner und mit mehreren Anwendungs- und Entwicklungspartnern erarbeitet. Die angesprochenen Anwendungsszenarien werden als acht Erfolgsgeschichten innerhalb von Teil III vorgestellt. Der abschließende Teil IV fasst dann die Anwendung der erarbeiteten Service-Plattform zusammen und greift dafür u. a. die entwickelten Demonstratoren auf.