9.1 Einleitung

Im strategischen Management wird die Strategie eines Unternehmens festgelegt. Dieser langfristige unternehmerische Plan positioniert die Organisation in einem dynamischen Umfeld, um die Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Anhaltende Veränderungen und Trends, u. a. Digitalisierung, Globalisierung und Automatisierung, prägen die Welt zunehmend mit „Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität“ (VUCA). Eine VUCA-Welt erschwert die Planung, da sich die Bedingungen schnell ändern und die Abhängigkeiten komplexer werden (Gläser, 2020). Laut Verganti (2008) kann Design als strategische Ressource dienen, um Probleme mit Empathie, Kreativität und rationalem Denken zu lösen. Design Thinking, ein Innovationsansatz, der auf diesen Prinzipien basiert, versucht, die Risiken zu verringern, die mit neuen Produkt- und Marktentwicklungen verbunden sind, indem durch iteratives Vorgehen eine schnelle Reaktion auf Marktveränderungen ermöglicht wird. Design Thinking in den strategischen Planungsprozess zu integrieren kann somit neue Perspektiven eröffnen, um auf Marktveränderungen zu reagieren. Im Zentrum steht die Frage, ob und wie sich einzelne Komponenten von Design Thinking in den Strategieprozess einbetten lassen, um auf Veränderungen zu reagieren und die komplexen Bedürfnisse der Kund*innen besser zu verstehen. Die Hauptforschungsfrage lautet entsprechend: Inwieweit ist Design Thinking im Strategieprozess möglich und zielführend, um aus veränderten Umweltbedingungen neue Wettbewerbsvorteile zu generieren?

9.1.1 Unternehmensstrategie

Strategie kann nach Porter definiert werden als die Art und Weise, wie ein Unternehmen gegenüber Wettbewerbern auftritt (Harvard Business Review, 2005). Sie umfasst nach Mintzberg die künftige Ausrichtung sowie kreative Wege im Umgang mit anderen Marktteilnehmer*innen und internen Interessengruppen (Mintzberg, 1987) in einem dynamischen Umfeld, um die ökonomische Nachhaltigkeit zu sichern (Ehringer, 2019; Arend et al., 2017; Grant & Jordan, 2015; Harvard Business Review, 2005; Wheatley et al., 1991). In der Strategiearbeit ist es daher wichtig, Trends früh zu erkennen und daraus einen Wettbewerbsvorteil zu generieren; entsprechend wichtig ist strategisches Denken für eine Strategie. Laut Garratt (1995) wird darunter die Fähigkeit von Führungskräften verstanden, über sich hinauszuwachsen und Einsicht in die internen und externen Umweltfaktoren zu gewinnen, um effektiver zu werden. Davies (2003) hebt hervor, wie wichtig es dabei ist, in die Zukunft und in die Vergangenheit zu blicken und gleichzeitig zu wissen, wo eine Organisation aktuell steht. Dies ermöglicht es, kalkulierte Risiken einzugehen, Unternehmensziele zu erreichen und Fehler nicht zu wiederholen (Davies, 2003). Für Freedman (2013) ist es jedoch unrealistisch, die Zukunft vorherzusehen. Für ihn ist das beste Vorgehen daher, nach Möglichkeiten zu suchen, die Positionierung zu verbessern. Allen Formen der strategischen Planungsprozessen gemein ist, dass neue Informationen organisatorisch verarbeitet und in Veränderungen übersetzt werden müssen.

Bei der Strategieentwicklung wird die Ausrichtung einer Organisation festgelegt, um ihr langfristiges Bestehen zu sichern. Eine Strategie kann grundsätzlich geplant oder emergent entstehen, meist wird sie jedoch als Mischform entwickelt. Dazu werden Erfolgspotenziale generiert und an die Umweltbedingungen angepasst, die sich ständig ändern (Schermann et al., 2010). Eine Strategie ist somit nie statisch (Mussnig, 2007). Veränderte Rahmenbedingungen erfordern, dass die Strategie regelmäßig evaluiert und angepasst wird. Als Basis für eine erfolgreiche Strategieentwicklung dienen die vorangegangenen Analysen (Schermann et al., 2010). Für Porter (1985) kann sich ein Unternehmen von der Konkurrenz differenzieren, indem es Produkte und Dienstleistungen schafft, die sich nur schwer nachahmen lassen. Damit Unternehmen eine Differenzierung erreichen, müssen sie ihr Umfeld kontinuierlich beobachten und sicherstellen, dass die Anforderungen der Kundschaft mit ihren strategischen Prioritäten übereinstimmen. Dafür werden Erfahrungswerte miteinbezogen (Daft & Weick, 1984). Aufgrund der starken Ausrichtung auf spezifische Kundin*innenbedürfnisse und des Einbezugs der Umweltbedingungen eignet sich die Differenzierungsstrategie für die vorliegende Untersuchung am besten. Entsprechend wird im weiteren Verlauf von einer Differenzierungsstrategie ausgegangen.

9.1.2 Design Thinking

Design Thinking wurde 1962 erstmals an der Stanford University vorgestellt. Ursprünglich lag das Ziel darin, Designer*innen bei der Lösung von komplexen Problemen zu unterstützen (Rowe, 1987; Cross, 1982). Mittlerweile existieren viele Denkschulen mit unterschiedlichen Ansätzen und Anwendungsfeldern von Design Thinking. Entsprechend schwierig ist eine einheitliche Definition (Liedtka, 2014; IDEO, o. J.). Gemeinsam haben sie jedoch, dass sie sich auf die Bedürfnisse der Menschen fokussieren und für die Problemlösung bestimmte Methoden anwenden (Prud’homme van Reine, 2017; Johansson-Sköldberg et al., 2013). Design Thinking wird daher als „Denken wie Designer*innen“ (als direkte Übersetzung der englischen Bezeichnung) verstanden, indem die Bedürfnisse der Kundschaft untersucht und iterativ Lösungen entwickelt werden.

Beispielhaft soll hier der Design Thinking-Prozess nach Ninck (o. J.) vorgestellt werden (siehe Abb. 9.1). Er ist eine Kombination der Methoden der Standford d.school und des UK Design Council. Der Prozess besteht aus sechs Schritten, der von Iteration sowie vom Doppeldiamanten geprägt ist. Iteration bedeutet, dass während des Prozesses schnell gelernt werden kann und sich die Innovation in jedem Prozessschritt basierend auf den Erkenntnissen des vorherigen Schritts adaptieren lässt. Dies führt dazu, dass bestimmte Schritte wiederholt werden (Ninck, o. J.). Der Prozess im Doppeldiamanten ist bestimmt von einer Phase des divergierenden Denkens, um neue Ideen aus einem möglichst großen Spektrum zu sammeln, und von einer Phase des konvergierenden Denkens, um aus der Vielzahl an Ideen wenige auszuwählen (Lewrick et al., 2018).

Abb. 9.1
figure 1

Modell des Design Thinking Prozesses. (Eigene Darstellung, angelehnt an Ninck (o. J.))

Der Prozess beginnt mit dem Problemraum. Dabei wird im ersten Schritt Verstehen die Problemstellung nachvollzogen und das Umfeld definiert (Vetterli et al., 2012). Dazu gehört, die wichtigsten Einflussfaktoren, Anspruchsgruppen und Bedürfnisse des Auftraggebenden zu ermitteln (Lewrick et al., 2018; Vetterli et al., 2012; Ninck, o. J.). Um die Bedürfnisse besser zu verstehen, werden Menschen im Schritt zwei beobachtet (Ninck, o. J.). Beobachten liefert oft bessere Einsichten als Befragungen, da die wenigsten ihr Verhalten bewusst machen und objektivieren können (Vetterli et al., 2012). Für die Befragten ist es zudem schwierig, spezifische Anforderungen auszudrücken (Vlaskovits, 2011). Zentrale Anforderungen an die geplante Lösung werden im dritten Schritt Fokussieren erstellt, indem ein gemeinsamer Wissensstand erreicht und ein gemeinsames Ziel definiert wird (Lewrick et al., 2018; Ninck, o. J.). Die gesammelten Erkenntnisse werden anschließend vereinfacht, sodass auch Außenstehende die Lösung verstehen (Ninck, o. J.).

Wenn die Problemsituation verstanden und das Problem explizit definiert sind, werden im Lösungsraum geeignete Lösungen entwickelt. Der Schritt vier Ideen finden soll Raum für neue, unkonventionelle Ideen schaffen. Methoden wie Brainstorming oder Ideensteckbriefe bieten diesem Prozess einen geeigneten Rahmen und sollen die Kreativität steigern (Lewrick et al., 2018; Vetterli et al., 2012). Sobald Vorschläge vorhanden sind, werden sie nach den Kriterien Nützlichkeit, Machbarkeit und Lebensfähigkeit überprüft. Eine Idee, die erfolgreich zu einer Innovation entwickelt werden kann, findet sich in der Schnittmenge der Kreise in Abb. 9.2 (Ninck, o. J.).

Abb. 9.2
figure 2

Ideen, die erfolgreich zu Innovationen entwickelt werden können. (Angelehnt an IDEO (o. J.))

Nützlichkeit: Die Problemlösung wird an den menschlichen Bedürfnissen ausgerichtet (Vetterli et al., 2012). Eine Innovation ist daher erst nützlich, wenn das Richtige getan wird. So sollen die Erwartungen der Stakeholder auf die Lösung untersucht werden (Ninck, o. J.).

Machbarkeit: Es wird geprüft, ob genügend Kompetenz vorhanden ist, um die Innovation richtig umzusetzen. Entsprechend wird nach Mitteln gesucht, die zur Umsetzung benötigt werden (Ninck, o. J.). Die technologische Komponente simplifiziert die Lösung (Vetterli et al., 2012).

Lebensfähigkeit: Die Lebensfähigkeit einer Innovation hängt davon ab, ob sie nachhaltig umgesetzt wird. So soll geklärt werden, ob die Lösung im ökonomischen Kontext existieren kann, und ob die Mittel zweckmäßig verwendet werden (Vetterli et al., 2012; Ninck, o. J.).

Mit einfachen Umsetzungen soll im fünften Schritt Prototyping das „emotionale Erleben“ der Ideen ermöglicht werden. Entscheidend für einen guten Prototypen ist, dass die Testperson Nutzen und Funktion des Produkts erkennen und prüfen kann (Vetterli et al., 2012). Dabei sollen weitere Erkenntnisse bezüglich der Machbarkeit erarbeitet werden (Ninck, o. J.). Im letzten Schritt des Design Thinking-Prozesses Testen wird die entwickelte Lösung den Stakeholdern vorgestellt und dann von diesen bewertet und diskutiert (Vetterli et al., 2012). Folglich kann die Idee frühzeitig angepasst und viele Entwicklungsrisiken minimiert werden (Lewrick et al., 2018). Obschon die Idee möglichst erfolgreich abschneiden soll, gilt die Prämisse, dass Misslingen ebenso begrüßt wird, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse in den nächsten Prototyp einfließen. Testen ist daher als Lernprozess anzusehen (Ninck, o. J.).

9.1.3 Charakteristika von Design Thinking

Die meisten Design Thinking-Ansätze folgen ähnlichen Prinzipien und haben typische Elemente. So wurde in der Studie „Without a whole“ des Hasso-Platter-Instituts (HPI) die Anwendung von Design Thinking in Unternehmen untersucht und in diversen Kontexten diskutiert (Schmiedgen et al., 2015). Die in der Studie untersuchten Elemente iteratives Vorgehen, User-Centeredness und Mindset sind von besonderem Interesse, da sie sich für den strategischen Prozess nutzen lassen.

Design Thinking ist in verschiedene Phasen unterteilt, wobei in jeder Phase eine Iteration der aktuellen oder früheren Phase stattfinden kann (Hofmann & Vetter, 2014), um ein tieferes Verständnis des Problem- oder Lösungsraums zu gewinnen (Vetterli et al., 2012). Der einhergehende Effizienzverlust wird mit besserem Verständnis gerechtfertigt. Iterationen sind damit ein Ausdruck des Lernens.

Ein typisches Element von Design Thinking ist, Einfühlungsvermögen für eine bestimmte Zielgruppe zu entwickeln. Dies widerspiegelt auch die Studie des HPI, in der die meisten Beteiligten Design Thinking als userzentriert wahrnahmen (Schmiedgen et al., 2015). Die Literatur erkennt hier einen Wechsel im Fokus. Traditionell gestalten Ingenieure ein Produkt funktionell (Tonkinwise, 2011). Dafür orientieren sie sich an Statistiken, Fakten und quantitativen Methoden und leiten daraus Produktspezifikationen ab (Prud’homme van Reine, 2017). Dies geschieht in der Überzeugung, die Kundschaft bestens zu kennen. Im Gegensatz dazu fokussiert Design Thinking auf das Verhalten von Kundinnen und Kunden im Kontext (Prud’homme van Reine, 2017), v. a. darauf, deren Emotionen auf der Grundlage ihrer ausgesandten Signale zu verstehen (Mayer & Geher, 1996; Salovey & Mayer, 1990). Es gilt, ein umfassendes Verständnis für die beobachtbaren und verborgenen Bedürfnisse und Einstellungen einer bestimmten Zielgruppe entwickeln (Roberts et al., 2016). Dies kann durch eine praxisorientierte, relativ objektive Sicht geschehen, indem die gesamte User-Experience nachvollzogen wird, d. h. das gesamte Einkaufserlebnis wird aus verschiedenen Perspektiven beobachtet und analysiert (Prud’homme van Reine, 2017; Geertz, 1973). Brown und Wyatt (2010, S. 29) bestätigen, dass sich dies lohnt: “Although people often can’t tell us what their needs are, their actual behaviors can provide us with invaluable clues about their range of unmet needs.” Darüber hinaus ist Hippel der Überzeugung, dass Kundinnen und Kunden sich auch als Co-Creator in den Design Thinking-Prozess integrieren lassen, um innovativere Produkte zu schaffen (Prud’homme van Reine, 2017; von Hippel et al., 2011; von Hippel, 1986). Unabhängig vom Grad der Einbindung ermöglicht eine starke User-Centeredness, die Kundschaft besser zu verstehen und daraus wettbewerbsfähigere Produkte zu entwickeln.

Ein weiteres Merkmal von Design Thinking ist die typische Denkweise – das Mindset. Teilnehmende der HPI-Studie beschrieben Design Thinking als kreative Denkweise, um Probleme anzugehen (Schmiedgen et al., 2015). Britos Cavagnaro und Lawrence Neely (2016, S. 1) definieren das Mindset für Design Thinking mit den folgenden Attributen: focus on human values, embrace experimentation, „show, don’t tell“, craft clarity, be mindful of process, bias toward action, radical collaboration. Da es sich bei diesen Beschreibungen um eine Zuschreibung von Attributen handelt, wird „Mindset“ folgend vertieft behandelt.

In der Literatur bezieht sich der Begriff „Mindset“ auf die Vorstellungen einer Person über die eigenen Eigenschaften (Dweck, 1999, 2008b). Dazu hat Carol Dweck eine Lerntheorie formuliert, welche die Denkweise als Kontinuum von Starrheit und Wachstum definiert (Dweck, 2008b, 2015). Untersuchungen von Dweck belegen, dass Schüler*innen, die ihre Intelligenz als entwicklungsgesteuert betrachten (Growth Mindset), bessere Leistungen erbringen als jene, die ihre Intelligenz als starr oder statisch (Fixed Mindset) ansehen (Dweck, 2015). Folglich zeigt die Forschung, dass die Denkweise einen erheblichen Einfluss auf Lernen, Motivation, Widerstandsfähigkeit, Innovation und Leistung hat – und damit auch die Performance eines Unternehmens beeinflussen kann (Dweck & Yeager, 2019; Murphy & Dweck, 2016; Burnette et al., 2013; Dweck, 2009, 2010, 2012; Cury et al., 2008; Good et al., 2003; Stipek & Gralinski, 1996). Wichtig hierbei ist, dass das Mindset eine bevorzugte Denkweise in einem bestimmten Kontext beschreibt. Wir alle haben verschiedene Mindsets und nutzen diese je nach Situation; es geht also darum, welches Mindset bevorzugt im Design Thinking verwendet wird oder erfolgversprechend ist. Die folgenden Abschnitte stellen die Ausprägungen nach Dweck und deren Bedeutung im Unternehmenskontext vor.

Die Entitätsmentalität (Fixed Mindset) basiert auf der Annahme, dass bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten, z. B. Intelligenz, festgelegt sind und sich nicht, bzw. nur geringfügig verbessern lassen (Gieldanowski, 2019; Dweck & Yeager, 2019; Dweck, 2008a). So vermeiden Menschen mit einer festen Denkweise typischerweise Herausforderungen, da sie befürchten, eine Schwäche in ihren eigenen Fähigkeiten zu offenbaren. Solche Personen scheuen oft auch Anstrengungen, wie Lernen, und verlieren schnell die Motivation, wenn sie einen Rückschlag erleiden (Gieldanowski, 2019; Dweck & Yeager, 2019; Dweck, 2016; Nussbaum & Dweck, 2008; Blackwell et al., 2007; Robins & Pals, 2002; Hong et al., 1999). In der Folge verändern sich Individuen mit einer statischen Denkweise nur minimal (Dweck & Yeager, 2019; Dweck, 2008a). Im Fixed Mindset wird der Status quo gelebt, sodass Mitarbeitende aus Risikoaversion ein Unternehmen kaum weiterentwickeln. Für Innovationen, die Risiken mit sich ziehen und Mitarbeitende beteiligen, die sich nicht bereits als innovativ wahrnehmen, ist dieses Mindset wenig geeignet.

Personen mit einer Wachstumsmentalität (Growth Mindset) glauben hingegen, dass Eigenschaften wie Intelligenz durch Anstrengung veränderbar sind (Dweck, 2008a; Dweck & Yeager, 2019): Jeder und jede kann sich mit genügend Übung und Engagement also weiterentwickeln; obwohl das grundlegende Talent oder Eigenschaften wie Intelligenz deutlich unterschiedlich verteilt sind, gilt die Prämisse, dass wir nicht genau wissen, wo die Grenzen dieser Anlagen sind (Dweck, 2007). Personen mit einer wachstumsorientierten Denkweise lernen motivierter und sehen Herausforderungen als Wachstumschancen (Dweck, 2007, 2016; Dweck & Yeager, 2019; Aronson et al., 2002; Blackwell et al., 2007; Burnette et al., 2013; Good et al., 2003, 2012; Myers et al., 2016). Darüber hinaus erachten sie Feedback als wichtig und wertvoll, da es den Weg zum Wissenserwerb öffnet und blinde Flecken aufdeckt. Selbst ein Misserfolg sehen sie als Ansporn und Lernchance für den nächsten Versuch – ein Indiz für ihre Entschlossenheit (Gieldanowski, 2019). Entsprechend beruht eine wachstumsorientierte Denkweise auf den Faktoren harte Arbeit, Lernen und Beharrlichkeit (Gieldanowski, 2019; Dweck, 2007). Die genannten Eigenschaften implizieren, dass für das Design Thinking ein Growth-Mindset erfolgversprechender ist, da es ermöglicht, Risiken einzugehen, Fehler zu machen, über sich hinauszuwachsen und sich zu entwickeln.

Im Unternehmenskontext fördert demnach ein Growth Mindset engagierte Arbeitnehmende und ermöglicht es, effektiver zusammenzuarbeiten und Innovationen zu entwickeln (Caniëls et al., 2018; Dweck, 2007, 2014, 2016; Dweck & Hogan, 2016; Keating & Heslin, 2015). Unternehmen sollten daher wissen, wie sie diese Denkweise bei ihren Mitarbeitenden fördern können, um ihnen zu helfen, effektiver zu lernen (Foster, 2020). Aus strategischer Sicht ist es damit möglich, mehr Mitarbeitenden aktiv in den Innovationsprozess zu integrieren und eine kundenzentrierte sowie fehlertolerante Unternehmenskultur zu fördern.

9.1.4 Integration von Design Thinking in den Strategieprozess

Obschon vergleichsweise wenig Erfahrungen mit Design Thinking im strategischen Kontext in der Literatur zu finden sind, kann der Ansatz dazu dienen, Kundinnen und Kunden besser zu verstehen (Novais, 2019). Die Bedeutung von Design Thinking haben auch Beratungsunternehmen wie Deloitte oder Accenture erkannt. Mit der Übernahme von spezialisierten Unternehmen haben sie eigene Design-Services geschaffen, um Informationen über das Verhalten, Denken und Fühlen der Kundschaft zu sammeln und daraus neue Dienstleistungen zu entwickeln (Prud’homme van Reine, 2017; Kolko, 2015). Einige der Beratungsfirmen gehen einen Schritt weiter und integrieren den Ansatz direkt in die Strategieberatung (Knight et al., 2020). Eine Studie von McKinsey & Company zeigt, dass sich dies lohnt. Die Untersuchung erstreckte sich über fünf Jahre und umfasste 300 börsennotierte Unternehmen. Jene, die mit Design Thinking arbeiteten, erzielten ca. 32 % höhere Umsätze und 56 % höhere Aktionärsrenditen als ihre Konkurrenz (Sheppard et al., 2018). Dies kann auf den Produkt-Markt-Fit zurückzuführen sein (Knight et al., 2020). Denn nach Ansicht von Liedtka und Kaplan (2019) ist es ein strategisches Anliegen, zu verstehen, was die Kundschaft will, und was ihr Problem ist. Dies unterstützt Unternehmen nicht nur dabei, die Effizienz des bestehenden Geschäfts zu verbessern, sondern auch das gesamte Geschäftsmodell zu reformieren. In diesem Sinne lassen sich Chancen wahrnehmen und durch Prototyping kann gelernt werden (Liedtka & Kaplan, 2019). Da sich der Markt durch die Umweltbedingungen und erwähnten Trends so schnell verändert, kann Design Thinking in der Strategie als besonders relevant erachtet werden.

Die vorliegende Studie zu Möglichkeiten, wie Design Thinking und Strategie verbunden werden können, orientiert sich an den Arbeiten von Knight et al. (2020) und Liedtka (2000, 2015). Dabei werden die kognitiven, strukturellen und organisationskulturellen Perspektiven erörtert.

In der kognitiven Perspektive wird das Design aus der Sicht des Denkens analysiert. Wie bereits erörtert, setzt strategisches Denken die Fähigkeit voraus, Umweltfaktoren zu berücksichtigen, sich auf vergangene Daten zu stützen, Prognosen zu erstellen und kontinuierlich nach Optimierungsmöglichkeiten zu suchen (Freedman, 2013; Davies, 2003; Garratt, 1995). Wenn Unternehmen dieses analytische mit dem kreativ-intuitiven Denken eines Designers oder einer Designerin verbinden, führt dies nach Martin (2007) zu Wettbewerbsvorteilen. Diese Kombination von analytischem und intuitivem Denken wird im Design Thinking sichtbar (Xavier, 2014). Auch Liedtka (2000) geht davon aus, dass sich diese neue Denkweise als Grundlage für Entscheidungsfindung im Strategieprozess nutzen lässt. Tab. 9.1 zeigt einen Vergleich der ursprünglichen und der neuen Denkweise.

Tab. 9.1 Vergleich von Strategic Thinking und Design Thinking. Eigene Darstellung in Anlehnung an Liedtka (2000) und Xavier (2014)

Die strukturelle Perspektive untersucht, wie Design Thinking in der Organisation verankert werden kann. So wurden in einer Studie von Micheli et al. (2018) mehrere Praktiken ermittelt, die dazu beitragen, Design Thinking auf organisationaler Ebene zu etablieren. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass neben der Unterstützung des Topmanagements auch ein größeres Bewusstsein für Design zu schaffen ist und der Prozess zur Produkt- und Dienstleistungsentwicklung formalisiert werden sollte (Micheli et al., 2018). Der Strategieprozess lässt sich dabei teilweise in einen iterativen Prozess umwandeln, indem eine Analyse und ein Prototyping erfolgen und zeitnah ein Feedback von der Zielgruppe eingeholt wird, um Verbesserungsmöglichkeiten umzusetzen (Novais, 2019). Design Thinking ermöglicht demnach, die Strategie iterativ zu adaptieren.

Der organisationskulturelle Ansatz analysiert, wie sich Design Thinking im Laufe der Zeit auf eine Organisation auswirkt. Untersuchungen von Body (2008) ergaben, dass Design Thinking-Methoden dazu führen können, dass Teams kooperieren, die zuvor noch nie zusammengearbeitet haben. Vetterli et al. (2016) bestätigen diese Verbindung zwischen Funktionsbereichen ohne vorherige Zusammenarbeit. Micheli et al. (2018) fanden zudem heraus, dass strategisches Design effektiver ist, wenn Designer*innen abteilungsübergreifend arbeiten. Perks et al. (2005) teilen eine ähnliche Meinung und stellen fest, dass Design unterschiedliche Auswirkungen auf die Unternehmensleistung hat, je nachdem, ob es als funktionales Spezialgebiet oder als Mittel zur Integration multifunktionaler Teams angesehen wird. Werden neue Praktiken in bestehende organisatorische Ansätze eingebunden, entwickeln interdisziplinäre Teams gemeinsame Vorstellungen, was zu neuen Formen der Zusammenarbeit führt (Vetterli et al., 2016; Body, 2008). Entsprechend kann Design Thinking in Unternehmen einen Lernprozess auslösen, der das Potenzial hat, neue Aspekte der Unternehmenskultur hervorzubringen, die sich durch den Fokus auf die Kundschaft, eine stärkere Zusammenarbeit sowie zunehmende Lern- und Risikobereitschaft auszeichnet (Elsbach & Stigliani, 2018). Der organisationskulturelle Ansatz ist somit besonders in der Strategieimplementierung und als Ergänzung zum Strategieprozess wichtig, stand jedoch nicht im Fokus der vorliegenden Studie.

9.2 Methodologie

Um Faktoren zu identifizieren, die Anwendungsmöglichkeiten von Design Thinking im strategischen Kontext bieten, wurden 16 leitfadengestützte Interviews mit Experten und Expertinnen aus den Bereichen Unternehmensberatung, -entwicklung und Innovation geführt, also mit Personen, die nach Przyborski und Wohlrab-Sahr (2008, S. 16) „über ein spezifisches Rollenwissen verfügen, solches zugeschrieben bekommen und eine darauf basierende besondere Kompetenz für sich selbst in Anspruch nehmen“. Dieses Kriterium ist aufgrund der spezifischen Tätigkeitsfelder Strategie und Innovation gegeben. Die Auswahl erfolgte systematisch: Um zu gewährleisten, dass alle Befragten mit Design Thinking vertraut sind, erfolgte zu Beginn der Forschungsarbeit eine LinkedIn-Recherche. Darin wurde ersichtlich, welche Unternehmen Design Thinking bereits verwenden bzw. den Einsatz von Design Thinking nach aussen kommunizieren. Mit Ausnahme von zwei Interviews, die vor Ort stattfanden, wurden sämtliche Interviews online mit MS Teams geführt und dauerten durchschnittlich 35 min. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet (Audioaufnahme) und verschriftlicht. Nach der Transkription erfolgte eine qualitative Inhaltsanalyse mit der Software ATLAS.ti. Hierfür wurden Textstellen mit Codes markiert oder bestehenden Codes zugeordnet. Nachdem alle Interviews kodiert waren, wurden Codegruppen gebildet, denen die Codes zugeordnet werden konnten. Die Codegruppen wurden mit Bezug zu den Forschungsfragen benannt. Anhand der Codegruppen war es möglich, mehrere Reports zu erstellen und den Themen aus der Literatur zuzuweisen. Die Reports ermöglichten es, die Inhalte isoliert zu betrachten und detailliert zu untersuchen. Die kodierten Passagen wurden im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfrage miteinander verglichen. Inhaltliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei den Expertinnen und Experten ließen sich dabei identifizieren. Die wichtigsten Erkenntnisse wurden schließlich zusammengefasst. Ziel dieser Studie war es, den Einsatz von Design Thinking im Strategieprozess und den dabei bevorzugten Mindset zu untersuchen. Dazu wurden die Befragten auf ihre Problemlösungsfähigkeit, ihre Kundenzentriertheit und ihre im strategischen Kontext bevorzugte Denkweise untersucht.

9.3 Empirische Ergebnisse

9.3.1 Strategiezyklus und Strategieentwicklung

Aus den Interviews geht hervor, dass die meisten Unternehmen ihre Strategie für drei bis fünf Jahre aufstellen. Weiter wurde deutlich, dass die befragten Personen mehrheitlich einen klassischen Strategieprozess verfolgen. Zu Beginn der Strategieentwicklung ist ein interner oder externer Anstoß nötig. Viele der Interviewten orientieren sich an aktuellen Trends. Eine Innovationsmanagerin aus der Energiebranche verwendet dafür einen Trendmanagementprozess und leitet daraus die Bedeutung für die gesamte Branche ab. Ein Innovationsmanager aus der Logistik nutzt neben der strategischen Früherkennung und Bottom-up-Inputs auch Trends als Anstoß für die Strategieentwicklung und reflektiert deren Bedeutung für das Unternehmen. Neben Megatrends wird im Rahmen der strategischen Analyse auch die Unternehmens- und Konkurrenzsituation untersucht: „Man schaut sich natürlich Megatrends an (…), wo unsere Mitwettbewerber sind (…), wo wir sind, speziell auch in den einzelnen Geschäftsfeldern. Was wir viel zu wenig, meines Erachtens, miteinbeziehen, ist das Kundenbedürfnis und die Customer-Journey per se und wohin die Kundenreise gehen könnte“ (P7:9).

Aus den Ergebnissen wird weiter ersichtlich, dass Anpassungen auch während der Strategieperiode erfolgen können. So adaptieren zwei Interviewte aus der Energie- bzw. aus der Logistikbranche ihre Strategie jährlich. Ein Geschäftsentwickler aus dem Bankwesen legte dar, warum die Anpassung während des Strategiezyklus notwendig ist:Dann geht man in die Umsetzung, die ersten Dinge funktionieren gut, die anderen brauchen ein bisschen länger. Und dann, nach einer gewissen Zeit, nützt sich das typischerweise auch ab. Also braucht es wieder einen Energieschub. Entweder adjustiert man, verfeinert man gewisse Elemente, man nimmt neue hinzu, oder dann kommt vielleicht eine neue personelle Konstellation, sodass man damit am Anfang eines Strategiezyklus ist“ (P13:18).

Die interviewten Personen wurden gebeten, zu erläutern, ob und wie sich die Art der Strategieentwicklung in den letzten Jahren verändert hat. Eine Expertin meinte, dass die digitale Transformation noch keine gravierende Veränderung ausgelöst hat. Hingegen wurde vieles digitaler und die Kundschaft ist mehr in den Fokus gerückt. Ein befragter Unternehmensberater sieht dies ähnlich: „Ich glaube, die Strategieentwicklung selbst hat sich nicht geändert, aber der Output ist viel mehr auf Resultaten, die näher an etwas sind, was implementiert werden kann. Also auch hier das Design Thinking erwähnt, Prototypen, das schnelle Testen mit Kunden, um Feedback zu gewinnen, steht viel, viel mehr im Fokus“ (P5:14). Andere Befragte berichteten von einer deutlichen Veränderung. Ein Experte aus dem Versicherungsbereich erwähnte beispielsweise, dass sie vor zwanzig Jahren noch keinen spezifischen Strategieprozess verfolgten und nun eine Ambition-getriebene Methode anwenden. Eine Expertin aus dem Bankwesen nutzt ebenfalls einen neuen Strategieansatz: „Zuvor war es mehr eine Diskussion zwischen Bankrat und Geschäftsleitung und dann hat man die Strategie festgesetzt und jetzt ist es wirklich ein organisierter Prozess, der auch im Unternehmen Stimmen abholt oder auch Markttrends“ (P7:14). Weiter wird vermehrt auf Trends, wie die Individualisierung oder Globalisierung eingegangen, wie folgende Aussage eines Geschäftsentwicklers belegt: „Ich denke auch, dass die ganzen Trends, Umwelt halt, einen extremen Einfluss hat auf die Strategie. (…) vor zwanzig, dreißig Jahren oder so, hat man eher wirklich nahe am Kerngeschäft eine Strategie aufgesetzt. Mittlerweile, mit der ganzen Individualisierung, Globalisierung, kommen neue Themen auf, die man vorher noch nie auf dem Schirm hatte“ (P8:16). Drei Befragte aus den Bereichen Transport, Beratung und Bank erkennen unabhängig voneinander eine signifikante Zunahme in der Einbindung von Kundschaft und Mitarbeitenden: „Wir arbeiten halt sehr stark so, dass wir eigentlich jeweils die Mitarbeitenden auch an Bord holen (…) machen regelmäßig während der Strategieentwicklung sogenannte Soundings. (…) weil sonst wird die Strategie auch nicht gut ins Unternehmen getragen“ (P14:17). Generell meinte ein interviewter Geschäftsentwickler, es sei wichtig, ein gewisses Maß an unternehmerischer Freiheit aufrechtzuerhalten, in kürzeren Zyklen zu arbeiten und dabei neue Trends in die Strategie mitaufzunehmen, denn das Zielbild entwickle sich durch neue Trends und Konkurrenten kontinuierlich weiter. Entsprechend finden auch emergente Strategien zunehmend Raum im Strategieprozess: „(…) basierend auf zum Beispiel Kundenbedürfnissen, die plötzlich entweder von uns neu entdeckt wurden oder sich irgendwie neu ergeben haben aus anderen technologischen Fortschritten“ (P7:13).

9.3.2 User-Centeredness

Besonders zentral für Design Thinking ist das menschenzentrierte Denken, das sich mit Empathie gegenüber den Stakeholdern entwickeln lässt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Anstoß zu einer neuen Strategie oft durch das Strategieteam, den Verwaltungsrat und/oder die Geschäftsleitung erfolgt. Nebst dem Managementteam sowie den Expertinnen und Experten wird die Strategie intern mit den Mitarbeitenden besprochen. Eine Expertin aus dem Bankwesen, deren Unternehmen interdisziplinär aufgestellt ist, erläuterte zudem, welche internen Bereiche bei der Strategieentwicklung beteiligt sind: „Meistens ist es jemand aus dem Bereich Legal, jemand aus dem Bereich Compliance, jemand aus dem Bereich IT, dann die entsprechenden Funktionen, die es sonst noch betrifft“ (P7:20). In der Auswertung fällt auf, dass die Kundschaft nur teilweise hinzugezogen wird. So erwähnte lediglich eine der 16 Befragten, dass Kund*innen die Entwicklung der Strategie explizit unterstützen.

Im Weiteren wurden die Teilnehmenden befragt, inwieweit sie Kund*innen zuhören, um deren Ansprüche zu berücksichtigen. Während der Entwicklung eines Projekts ist regelmäßiges Feedback der Kundschaft von Vorteil, wie dies zwei Interviewte aus der Unternehmensberatung beschrieben: „(…) eine Offert-Präsentation ist schon der erste Punkt, um Feedback abzuholen. (…) Und dann aber auch regelmäßig den Austausch mit dem Auftraggeber (…) und da eigentlich auch immer das offene Ohr haben, um zu spüren, sind wir auf dem richtigen Weg? (…)“ (P4:16); „Und ein Projekt ist ja auch kein statisches Ding, (…), sondern es unterliegt kontinuierlichen Wechseln und kleinen Richtungsänderungen und Anpassungen. Man startet natürlich mit den besten Annahmen, wie das alles ablaufen soll, und dann gemeinsam mit dem Kunden adaptiert man dann jeweils das Vorgehen, sodass am Ende das gewünschte Resultat rauskommt“ (P5:22). Ein Innovationsmanager hielt zudem fest, dass sich aus den gesammelten Rückmeldungen ein Trend für eine neue Innovation ableiten lässt: „Aber die Idee ist ja auch, wenn immer wieder gleiche Anfragen kommen, (…), dass wir diese Informationen sammeln und dann einen Trend, vielleicht so eine Innovation ableiten können“ (P1:20). Dies kann damit verbunden werden, proaktiv zu handeln und neue Ideen für die User*innen zu generieren: „Das ist an sich sehr wichtig, dass wir die Kundenanliegen aufnehmen. Und uns aber auch proaktiv vielleicht Gedanken machen“ (P12:20). In einigen Unternehmen existieren zudem Customer-Standards, um die Erfüllung der Ansprüche der Nutzer*innen sicherzustellen. Im Unterschied zu den bisher erläuterten Antworten der Interviewten erwähnte ein Geschäftsentwickler, dass es bei der Entwicklung von strategischen Maßnahmen schwierig sein kann, die Kundschaft adäquat abzuholen: „Also, es ist natürlich so in dieser Phase, wo sie auch diese Iterationen fahren, (…), also mit den Kunden können sie ja grundsätzlich die Strategien der ganzen Breite eh nicht besprechen. (…) Also, sie sprechen sich höchstens über Teilaspekte (…)“ (P15:21). Als mögliche Lösung sieht er breit gestützte Studien, deren Aussagen den ganzen Markt umfassen und ein hohes Konsistenzniveau haben.

Auf Feedback der Kundschaft reagieren die meisten befragten Personen binnen 48 h, wie folgende Aussagen untermauern: „(…) wenn eine Frage kommt, sie ein Problem haben, dann ist das Credo: Das lösen Sie innerhalb von 24 h“ (P1:19); „einer dieser Standards ist, dass man innerhalb von 48 h auf jegliches Kundenfeedback reagiert“ (P2:31); „Negative innerhalb von 24 h“ (P3:17). Dabei spielt auch der Einbindungsgrad eine Rolle, wie ein Geschäftsentwickler ausführte: „Es gibt zwei Arten von Kundenfeedback. Also, wenn wir den Kunden im Entwicklungsprozess einbeziehen, logisch, das ist geplant, und dort können wir entsprechend das Feedback einarbeiten. Wenn natürlich Feedback im Sinne von Kundenreklamation (…) kommt, haben wir auch einen institutionalisierten Prozess“ (P13:10). In diesem Zusammenhang erwähnten vor allem die befragten Unternehmensberater*innen, dass sie mit der Kundschaft eine partnerschaftliche Beziehung pflegen und deswegen schnell auf Rückmeldungen reagieren: „Wir (…) reagieren sehr, sehr schnell auf Kundenfeedback, also, und wir haben zu allen unseren Kunden, würde ich mal behaupten, eine sehr, sehr partnerschaftliche Beziehung“ (P5:22). Bei einem Strategen aus dem Bankenwesen gilt: „Wenn wir die Möglichkeit haben, sehr einfach und kurzfristig eine Verbesserung zu ermöglichen, dann machen wir das“ (P12:21). Dies ist auch bei einem Experten einer Versicherungsgesellschaft so. Umfangreiche Feedbacks werden hingegen gesammelt und ausgewertet, um Prozesse zu optimieren. Der Experte teilte zudem mit, dass dies auch in größeren Zyklen geschehen kann, was die Agilität minimiert.

Die Frage, ob die Interviewten bereit wären, eine funktionierende Strategie anzupassen, falls sie den Bedürfnissen einzelner Gruppen der Kundschaft widerspricht, sollte klären, wie ausgeprägt die befragten Personen sich auf die Kundinnen und Kunden ausrichten. Es zeigt sich, dass verschiedene Segmente zu bedienen, ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Dies bestätigt eine Geschäftsentwicklerin eines Telekommunikationsunternehmens: „Wir haben auf der einen Seite die 18-Jährigen, die jetzt irgendwie völlig in ihrem eigenen Mobile Universe sind, und die 65-Jährigen, die am besten ihr Fixed Net brauchen. Also, von daher, ja. Wir müssen da eine gewisse Flexibilität behalten und auch uns gezielt auf einzelne Kundengruppen vielleicht anders einlassen“ (P16:21). Die meisten befragten Personen würden eine Änderung der Strategie in Kauf nehmen, wenn die internen Bedürfnisse zufriedengestellt werden. Die Strategie wird aber auch verändert, wenn die Usergruppe entscheidende Erfolgspotenziale bietet. Dies bestätigte eine Unternehmensberaterin: „(…) es ist natürlich relevant, wie wichtig (…) die Kundengruppen für uns sind und was ihnen an der Strategie genau nicht passt“ (P14:28). Nebst dem Gewinn, den ein Segment abwirft, kann auch die Größe entscheidend sein: „Also eine Strategie hat grundsätzlich zum Ziel, möglichst den gesamten Fokus über einen definierten Markt abzudecken. Was heißt Anteil? Wenn das fünfzig Prozent sind, (…) neue Strategie. (…) zwanzig bis fünfzig Prozent, muss ich die Strategie überarbeiten (…)“ (P15:22). Grundsätzlich bestehen laut einem befragten Strategen immer Zielkonflikte, da aufgrund der Segmentation unterschiedliche Bedürfnisse angesprochen werden. Entsprechend gibt es einige Interviewte, welche die Strategie nicht anpassen würden: „Eine Strategie hat ja den Zweck, sich zu fokussieren und zu definieren, (…) es wird immer Gruppen geben, die vielleicht jetzt ein bisschen zu kurz kommen oder nicht idealerweise abgeholt werden können vom eigenen Offering (…), da muss man auch akzeptieren, dass man vielleicht nicht alle Kundenbedürfnisse dieser Randgruppen für das Unternehmen bedienen kann“ (P13:8). Ein E-Commerce-Stratege bestätigte, dass die Strategie in einem sinnvollen Verhältnis stehen soll: „Also, wenn man Kundengruppen hat, die Bedürfnisse entwickeln, die in keinem sinnvollen Verhältnis mehr vom Service, Kosten, Erträgen passt, dann muss man effektiv auch Entscheidungen treffen, Kunden nicht mehr zu bedienen“ (P11:21).

9.3.3 Mindset

Die Charakteristiken von Design Thinking setzen Personen mit einem bestimmten Mindset voraus, die sich entwickeln wollen und Fehler als Lernmöglichkeit sehen. Um zu erkennen, ob die Teilnehmenden über ein solches Growth Mindset verfügen, wurden Fragen zu den Themen Kontrolle von strategischen Maßnahmen, Fehlerkultur, First-Mover, Intuition und Reflexion sowie Kultur gestellt.

Im Weiteren wurde untersucht, wie die befragten Personen auf Abweichungen reagieren, d. h., wenn strategische Maßnahmen nicht nach Plan umgesetzt werden. Ein Unternehmensberater hinterfragt die Abweichungen und sucht zunächst nach internen Erklärungen: „Erst mal fragen wir uns, warum? Da versuchen wir zu verstehen, woran es gelegen hat. Und die Gründe können ja vielschichtig sein. Das Bedürfnis wurde nicht getroffen oder wir haben uns zu wenig Mühe gegeben oder wir sind von falschen Annahmen ausgegangen“ (P4:26). Eine Strategin aus dem Versicherungsbereich teilte im Interview mit, dass sie die Abweichungen ebenfalls identifiziert, gemeinsam mit dem Management bespricht und entsprechende Schritte einleitet, um der Implementierung näher zu kommen. Ein anderer Stratege aus der Transportbranche sieht Abweichungen als Lernmöglichkeit. Nebst der Untersuchung des Umfelds wird dann ein vorbereitetes Alternativszenario eingeführt oder die Strategie aktualisiert. Zudem werden Veränderungen im strategischen Umfeld für künftige Konzepte aufgenommen. Ähnlich beurteilte dies ein Geschäftsentwickler aus dem Bankenwesen, der Lernerfahrungen aus den Abweichungen zieht: „Gut, da gibt es immer zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich was daraus gelernt oder (…) man macht Anpassungen und hält am Thema aber fest, weil es eben wichtig ist. Oder es gibt vielleicht Learnings, die dazu führen, dass man sieht, dass ein Thema doch schwieriger ist und vielleicht auch an Relevanz verliert gegenüber anderen Themen, die gut performen“ (P13:6). Ein befragter Unternehmensberater untersucht die Widerstände der Mitarbeitenden und führt passende Maßnahmen ein. Die zeitliche Komponente hoben schließlich zwei Interviewte aus dem E-Commerce- bzw. Logistikbereich hervor: „Da muss man relativ schnell eingreifen und adjustieren (…) Immer, wenn man eine Veränderung durchführt, muss man sehr nahe an der Umsetzung sein, denn es braucht nicht viel Zeit und dann kann eine Situation völlig entgleisen“ (P11:19); „Es ist wichtig, dass wir einerseits früh merken, dass es nicht gut geht, und zweitens verstehen, wieso (…), und drittens wir konkrete Aktionen (…) vornehmen“ (P17:26).

Um die Risikobereitschaft zu untersuchen, wurden die Interviewten gefragt, ob sie bereit wären, geringere Gewinnspannen in Kauf zu nehmen, um mit einer Strategie eine First-Mover-Position einzunehmen. Ausdrückliche Befürworterin eines First-Mover-Ansatzes war eine Geschäftsentwicklerin aus der Telekommunikationsindustrie, deren Unternehmen sich derzeit in einem rückläufigen Markt befindet und versucht, die Umsatzrückgänge des Kerngeschäfts mit Online-Digital-Experiences wieder einzuholen. Ein E-Commerce-Experte erkannte ebenfalls die Notwendigkeit einer Fist-Mover-Position und erklärte: „Ja, würde ich, (…) wenn quasi die Analyse darstellt, dass der bestehende Markt zunehmend unter Druck kommt und wenn man diesen Sprung nicht macht in einen anderen Markt, in ein Marktsegment, dass man sich dann langfristig eigentlich nur noch aus dem Markt rausreduziert“ (P11:18). Ein Marktleiter und eine Expertin zweier Banken ziehen eine solche Strategie in Betracht, wenn die Positionierung auf lange Sicht einen finanziellen Vorteil verspricht. Schließlich erwähnte ein Geschäftsentwickler aus der Logistik, dass es zum strategischen Umsetzungsprozess gehört, Märkte zu kaufen und dafür Eintrittsgelder zu zahlen: „(…) wir kaufen ja auch über anorganisches Wachstum Märkte und Kunden (…)“ (P15:26). Für eine Expertin eines Versicherungsunternehmens bedeutet die First-Mover-Strategie hingegen ein Spannungsfeld zwischen Innovation und Sicherstellung des Kerngeschäfts. Ein anderer Experte aus der Transportbranche schilderte zudem, dass sie früher First-Mover sein wollten und individualisierte Züge beschafft haben, dabei aber verschiedene Komplikationen miterleben mussten. In der Folge wird nun lieber auf bewährte Strategien und Technologien gesetzt.

Bei der Reflexion waren sich die Teilnehmenden einig und anerkannten die Bedeutung des reflexiven Denkens im strategischen Kontext. Die Reflexion dient gemäß einem befragten Experten dazu, zu erkennen, ob Veränderungsbedarf besteht oder die existierende Strategie weiterverfolgt werden soll. Zugleich kann die Reflexion bei einer neuen Strategie als Korrekturinstrument verwendet werden, wie dies ein Experte einer Versicherung und eine Unternehmensberaterin schilderten: „(…) die Reflexion, also im Sinne von wieder messen, wieder schauen, war jetzt der Entscheid richtig? Müssen wir korrigieren?“ (P6:26); „(…) man schauen muss, okay, wo stehen wir, was haben wir erreicht, wo müssen wir eben je nachdem noch an anderen Hebeln schrauben“ (P14:36). Ein Experte aus dem E-Commerce empfindet die Reflexion zudem als wichtig, da Kritik an der Strategie berechtigt sein kann. Das Feedback, das durch die Reflexion entsteht, erhöht laut einem Experten aus der Transportbranche zudem die Akzeptanz der Strategie: „(…), dass man entsprechend eben durch die Reflexion, zuerst die Lösungsentwicklung hinterfragt und mit dem Feedback (…) die Akzeptanz der Strategie auch schon erhöhen kann“ (P12:28). Reflexion wurde auch im Zusammenhang mit agilen Arbeitsweisen genannt. So schilderten ein Berater und eine Geschäftsentwicklerin: „(…) Reflexion ist dann insbesondere relevant, wenn es um auch agile Arbeitsweisen geht.“ (P5:29); „(…) dann ist eher Reflexion schon im Sinne von (…) eben regelmäßig zurückschauen und dann, weil wir so agil arbeiten, Retros.“ (P16:25). Eine Expertin einer Bankgesellschaft offenbarte schließlich, dass Reflexion zwar als wichtig erachtet, jedoch zu wenig gemacht wird: „Wir versuchen immer, aus Fehlern oder auch Gutgemachtem zu lernen, aber wirklich eine Reflexion gibt es nur, wenn etwas wirklich schief gegangen ist, damit man nicht das Gleiche noch mal macht“ (P7:30).

Im letzten Interviewblock wurden die Interviewten gebeten, über Chancen und Gefahren zu sprechen, mit denen aus ihrer Sicht Design Thinking im strategischen Kontext verbunden ist. Ein befragter Innovationsmanager sieht die Risikominimierung und eine schnelle Anpassungsmöglichkeit als Chancen. Darüber hinaus entstehen mehr innovative Lösungen, wie ein Stratege festhielt: „(…) je breiter man Themen bearbeitet, umso größer oder respektive auch vernetzter, je größer die Community ist, umso mehr erreicht man auch innovative Lösungen. Das ist erst mal die große Chance“ (P11:11). Laut einem Unternehmensberater ist das Verständnis der Kundschaft ein entscheidender Faktor. Eine Expertin erklärte in diesem Zusammenhang: „Chancen gibt es sehr, sehr viele, weil, im Endeffekt kann nur ein Unternehmen erfolgreich sein, das die Kundenbedürfnisse kennt und auch zu einem gewissen Grad erfüllt, und nur ein Unternehmen, das wirklich langfristig auch Kundenbedürfnisse antizipiert, kann sich einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten“ (P7:33). Ein Geschäftsentwickler nannte als Chance die Strategieumsetzung, indem die Strategie durch den iterativen Prozess an Akzeptanz gewinnt: „(…) dass man eine Strategie entwickelt, die auf die Mitarbeitenden passt, die das Unternehmen auch stützt. Das kann im Nachgang sehr wichtig werden. Wenn man die neue Strategie einführt, gibt es ja auch die verschiedenen Stufen der Akzeptanz (…) mit diesen Iterationen könnte man dort schon sehr viel Vorarbeit leisten“ (P8:38).

Als Gefahr erwähnt ein Unternehmensberater, dass man das Gesamtziel aus den Augen verlieren kann, wenn zu viele Details berücksichtigt werden. Ein wesentliches Problem liegt gemäß einem Experten weiter darin, wenn zu viele Meinungen in den Prozess einfließen: „Die Gefahr ist, je mehr Meinungen oder Gedanken da sind, umso eher ist wieder der Hang dazu, sich auf eine bestehende Ausgangslage dann wieder anzunähern (…) und da muss man sicher sehr aufmerksam sein, dass man zum richtigen Zeitpunkt die richtige Idee eigentlich dann auch mit aufnimmt“ (P11:12). Für eine andere Unternehmensberaterin können die Iterationen zu viel für die Strategieentwicklung werden, worunter dann die Glaubwürdigkeit des Unternehmens leiden kann, wie eine Innovationsmanagerin ausführte: „Da besteht die Gefahr, dass man sich vielleicht verzettelt oder dass man den Fokus nicht hinkriegt und nicht glaubwürdig den Mitarbeitenden mitgeben kann“ (P1:35). Gemäß einem Unternehmensberater hat die Befragung der Kundschaft den Nachteil, dass viele Themen angesprochen werden, die teilweise keine Antwort auf die Problemstellung liefern: „Und wenn du mit dem Kunden (…) sprechen gehst, wirst du natürlich sehr breites Feedback erhalten. Sachen, die sind für deine Fragestellung relevant und vielleicht Sachen, die sind auch relevant, aber jetzt auf einer anderen Flugebene“ (P4:34). Zugleich liegt die Schwierigkeit darin, dass sich gewisse Aussagen nicht validieren lassen. Zudem erläuterte eine Expertin, dass Kund*innen unterschiedlich sind und es schwierig ist, alle Segmente abzudecken. In diesem Kontext wurde ein Zitat von Steve Jobs angesprochen: „(…) das berühmte Beispiel, wo Steve Jobs gesagt hat, ja, aber der Kunde weiß nicht, was er will. Ich weiß, was der Kunde zukünftig will. Und das, kann man jetzt sagen, ist richtig oder falsch, aber für mich ist schon ein Körnchen Wahrheit darin“ (P2:17). Die Kompetenz thematisierten im Interview ein Unternehmensberater und eine Expertin: „Die Risiken sind, dass es angewendet wird von Leuten, die eigentlich keine Ahnung davon haben und deshalb auch keine sinnvollen Resultate zustande bringen“ (P5:34); „(…) wenn man das von oben einfach nur versucht zu erzwingen, anstelle den Mitarbeitenden dafür die Möglichkeiten gibt und die Tools und sie langsam daran heranführt und ihnen zeigt, warum mir das wichtig ist, dann kann es nicht funktionieren“ (P7:34).

In der letzten Frage wurden die Interviewten gefragt, ob sie bereit wären, Design Thinking-Elemente in ihre Strategieentwicklung zu integrieren. Dabei fällt auf, dass sechs von sechzehn Teilnehmenden Design Thinking-Elemente bereits in die Strategieentwicklung integrieren, wie folgende Aussagen belegen: „Definitiv ja. Also, ich weiß, dass wir das schon so machen“ (P8:37); „Ja, also durchaus, wenn es wie gesagt in Teilen nicht schon passiert“ (P11:13); „Wir haben jetzt bei der Erarbeitung der Rollmaterialstrategie schon gewisse Elemente aus dem Design Thinking angewandt“ (P12:30). Ein Unternehmensberater sieht den Erfolg von Design Thinking im strategischen Kontext darin, „dass wir daran glauben, dass am Ende der Fokus auf den Kunden, und der Kunde kann auch ein interner Mitarbeitender sein, entscheidend ist, um erfolgreich zu sein und innovative Lösungen zu entwickeln“ (P5:32). Andere Interviewte erachteten Design Thinking auch als positiv, wiesen jedoch auf Schranken in der Umsetzung hin. Eine Innovationsmanagerin erwähnte hierzu, dass die iterative Anpassung der Strategie besonders im Kontext der Umweltveränderungen von Vorteil sein kann, jedoch nicht zu konsequent eingehalten werden soll: „(…) eine Strategie sollte nie in Stein gemeißelt sein. Man sollte sie immer wieder hinterfragen mit jedem Ereignis, das auf der Welt passiert (…). Von dem her wäre der iterative Ansatz sicherlich gut. (…) Aber ich denke, man dürfte es nicht zu strikt anwenden, Design Thinking (…)“ (P1:33). Im Weiteren erläuterte ein Geschäftsentwickler, dass Entscheidungen ab einem bestimmten Punkt notwendig sind. Ähnlich sieht dies ein Experte aus dem E-Commerce, der es als wichtig empfindet, eine sinnvolle Balance zwischen unternehmerischem und entscheidungsspezifischem Verhalten zu bewahren. Abschließend erzählte ein Experte eines Transportunternehmens von positiven Erfahrungen: „(…) das ist jetzt absolut nicht abwegig, dass man etwas Agiles, etwas Design Thinking, in etwas sehr Klassisches, in die Strategieentwicklung integriert. Und wie ich das vorgängig in auch schon anderen Fragen gesagt habe: Wir haben dort eben durch den user-zentrierten Ansatz und die Strategieentwicklung sehr gute Erfahrungen gemacht und probieren, das auch in der Folgearbeit zu berücksichtigen (…)“ (P12:33).

9.4 Diskussion

Design Thinking kommt aus dem Bereich Produktentwicklung. Die empirische Untersuchung zeigt, dass der Innovationsansatz bereits bei sechs von 16 Unternehmen in der Strategiearbeit aufgenommen wurde. Der Grund dafür liegt insbesondere im Fokus auf die Kundschaft. Auch Prud’homme van Reine (2017) argumentiert, dass die User*innen-Experience von verschiedenen Blickwinkeln möglichst objektiv beobachtet und analysiert werden soll. Zudem sollen nach Roberts et al. (2016) Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Zielgruppe entwickelt werden, um erfolgreich zu innovieren. Wenn dies geschieht, bietet sich nebst dem verbesserten Verständnis der Kundschaft auch die Chance, das Risiko bei der Lancierung der Strategie zu minimieren und die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden zu erhöhen. Zu berücksichtigen gilt jedoch, dass nur einzelne Aspekte von Design Thinking mit der Strategiearbeit kompatibel sind. Entsprechend ist die Frage, ob Integrationspotenzial existiert, aufgrund der vorliegenden Ergebnisse sicher zu bejahen, der prinzipiell zugrundeliegende Strategieprozess ändert sich jedoch dadurch nicht.

Um zu bestimmen, welche Design Thinking-Elemente den Strategieprozess positiv beeinflussen, wurden basierend auf den für diese Forschungsarbeit relevanten Design Thinking-Charakteristika drei Unterfragen aufgestellt, die nachfolgend beantwortet werden.

a. Inwiefern ist der Integrationserfolg abhängig vom Mindset der Führungskräfte?

Ob Design Thinking-Elemente im Strategieprozess erfolgreich eingesetzt werden, hängt im Wesentlichen vom Mindset des strategischen Managements ab, das die Richtung des Unternehmens bestimmt (Möller, 2019; Ramnarayan & Reddy, 1989). Dabei kann es sich entweder um ein Fixed Mindset oder ein Growth Mindset handeln.

Die Antworten der Interviewpartner*innen ergaben einerseits, dass die Strategien der Unternehmen mithilfe von Key-Performance-Indicators (KPIs) und qualitativen Richtwerten auf ihre Erfüllung überprüft werden. Werden die gewünschten Ergebnisse nicht erreicht, erfolgt eine Analyse des Wettbewerbsumfelds, um dann ein Alternativszenario einzuleiten. Dieses Vorgehen entspricht dem strategischen Denken, das nach Liedtka (2000) und Xavier (2014) auf einer klar definierten Analyse basiert, die Zusammenhänge untersucht und Fehler nicht toleriert. Entgegen der Erwartung zeigten einige Befragte aber eine ausgeprägte Fehlerhaltung. Denn die missratene Strategieumsetzung wird als Lernerfahrung wahrgenommen, um die Erkenntnisse in künftigen Strategiekonzepten zu berücksichtigen. Diese Fehlerkultur entspricht einem Growth Mindset (Gieldanowski, 2019). Mit neuen Strategien gehen in der Regel auch Risiken einher, was Risikobereitschaft voraussetzt. Nach Davies (2003) werden in strategischer Hinsicht nur kalkulierte Risiken eingegangen, was auf ein Fixed Mindset schließen lässt. Die Mehrheit der Befragten zeigte sich jedoch risikobereit und damit gibt es erneut Indizien für ein Growth Mindset, das Risiken als Wachstumschancen erkennt und Widerstandsfähigkeit zeigt (Dweck, 2007). Die Gründe für diese unerwartete Risikobereitschaft liegen im zunehmenden Marktdruck oder im finanziellen Vorteil, der gegenüber der Konkurrenz entstehen könnte. Ausgehend von den Resultaten ist bei den meisten befragten Personen im Befragungskontext ein Growth Mindset vorhanden. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass Design Thinking bereits bei der strategischen Arbeit verwendet wird. Ob ein Growth Mindset für den Integrationserfolg von Design Thinking zwingend notwendig ist, lässt sich mit den Resultaten der empirischen Untersuchung aber nicht abschließend beantworten. Laut der Theorie können Lernwilligkeit und Fehlertoleranz, die bei einem Growth Mindset vorhanden sind, ein designgetriebenes Denken fördern – dies kann wiederum zu Wettbewerbsvorteilen führen.

b. Welche Rolle spielen Kund*innen in der Strategieentwicklung?

Mit einer Differenzierungsstrategie sind Unternehmen in der Lage, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die einzigartig sind und einen Mehrwert für die Kundschaft schaffen (Schermann et al., 2010; Thudium, 2005; Sharma, 2002). Entsprechend wichtig ist, ein grundlegendes Verständnis für die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu schaffen.

Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass sich die befragten Personen ausgeprägt an den Kundinnen und Kunden orientieren. Auf Feedback der Kundschaft wird beispielsweise generell innerhalb von 48 h geantwortet. Dabei spielt der Einbindungsgrad eine wesentliche Rolle. Denn bei Unternehmensberatenden, womöglich ausgelöst durch die enge Zusammenarbeit, kann eine partnerschaftliche Beziehung entstehen, was wiederum ein noch schnelleres Handeln zur Folge hat. Um die Ansprüche der Kundschaft abzudecken, wird wenig überraschend regelmäßig Feedback eingeholt. Darüber hinaus werden die Anforderungen durch eine Auftragsklärung, eigene Customer-Standards und Erkenntnisse aus bestehenden Studien berücksichtigt. Nach Ansicht von Liedtka und Kaplan (2019) lässt sich diese Haltung darauf zurückführen, dass das Bedürfnis und das Verständnis der Kundinnen und Kunden als strategisches Anliegen erachtet wird.

Obschon sich die Teilnehmenden an den Kundinnen und Kunden orientieren und diese am Anfang des Strategieprozesses mit Interviews integrieren, zeigten die Antworten, dass die Kundschaft in der Erstellung der Strategie insgesamt wenig Beachtung findet. Demnach integrieren die Befragten primär den Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung, externe Berater und teilweise die Mitarbeitenden in die Strategieentwicklung. Mit Ausnahme einiger Unternehmen, die Tests mit Userinnen und Usern durchführen, wird die Kundschaft in dieser Phase der Strategie kaum berücksichtigt. Einzig um eine bestehende Strategie anzupassen, werden die Bedürfnisse der Kundschaft beachtet. So teilte die Mehrheit der befragten Personen mit, dass sie einer Änderung der Strategie nur zustimmen, wenn die internen Bedürfnisse zufriedengestellt oder die betroffene Zielgruppe über Erfolgspotenziale wie beispielsweise eine signifikante Seelengröße verfügt. Da Design Thinking die Interaktion mit der Kundschaft voraussetzt, wird für den adaptierten Strategieprozess deren Einbindung als aktive Stimme im Entwicklungsprozess vorausgesetzt. Um möglichst viele Anforderungen abzudecken, wird somit eine Integration in die Strategieanalyse und -entwicklung empfohlen.

c. Wie kompatibel sind iterative Elemente mit dem Strategieprozess?

Entgegen der Erwartung wenden einige der Befragten Design Thinking bereits im Strategieprozess an. Vereinzelt wurde in diesem Kontext zudem die Berücksichtigung von emergenten Strategien genannt. Dies bedeutet, dass die unternehmerische Freiheit und damit die Wettbewerbsfähigkeit durch zusätzliche, ungeplante Strategien gesichert wird, die in kürzeren Zyklen entwickelt werden (Seidel, 2000). Eine Neuausrichtung der gesamten Strategie folgt erst mit Ablauf des Strategiezyklus, wenn sich die Umweltbedingungen drastisch ändern oder wenn ein CEO-Wechsel ansteht. Der Studie zufolge hat die Mehrheit der Befragten nur begrenzte iterative Elemente in ihren aktuellen Strategieprozessen. Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Integration von Design Thinking im Strategieprozess. Für einige Interviewte kann dadurch der Fokus verloren gehen. Andere erwähnten, nicht über die nötigen Fähigkeiten zu verfügen. Weiter wird vorgeschlagen, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen unternehmerischem und entscheidungsorientiertem Verhalten zu finden.

Design Thinking ist ein etablierter Ansatz, um schneller und flexibler auf veränderte Umweltbedingungen reagieren zu können. Abgeleitet von den diskutierten Inhalten lässt sich festhalten, dass sich die drei untersuchten Elemente von Design Thinking – Mindset, iteratives Vorgehen und User-Centeredness – prinzipiell gut in einen konventionellen Strategieprozess integrieren lassen. Während die Methoden und Vorgehensweisen relativ einfach zu etablieren sind, bedarf es der Weiterentwicklung individueller Fähigkeiten bzw. der Förderung eines Growth Mindsets im strategischen Management, um den Strategieprozess gesamthaft weiterzuentwickeln. Damit das „Denken wie Designer*innen“ mit größtmöglichem Nutzen in Unternehmen angewandt wird, ist eine übergeordnete Einbettung von Design Thinking in die Organisationentwicklung häufig sinnvoll (vgl. Abb. 9.3).

Abb. 9.3
figure 3

Potenzial zur Integration von Design Thinking-Elementen in den Strategieprozess. (Quelle: Eigene Darstellung)

9.5 Schlussfolgerungen

Eine Weiterentwicklung des Strategieprozesses durch eine Integration von Design Thinking-Elementen ist möglich und sinnvoll. In der empirischen Datenerhebung wurde jedoch ersichtlich, dass während des Strategiezyklus kaum adaptiert wird, was typisch für Design Thinking wäre. Für eine schnellere unternehmerische Anpassungsfähigkeit schlagen deshalb einige Expert*innen eine Formalisierung der Design Thinking-Elemente innerhalb des Strategieprozesses vor. Insbesondere erscheint es zielführend, Design Thinking als Ergänzung bei der Strategieanalyse einzusetzen, um die Bedürfnisse der Kundschaft im Sinne eines „Problemraums“ besser abzuholen. In der Strategieentwicklung wird die Erarbeitung der Strategie mit einer Pilotgruppe als besonders lohnenswert angesehen. Dies hat den Vorteil, dass die Strategie vertraulich bleibt, die Maßnahmen aber in einem Prototyping getestet werden können. Um Design Thinking in den Strategieprozess zu integrieren, braucht es neben den Methoden eine Förderung des Growth Mindset sowie einen Wandel zum designgetriebenen Denken. Dies gilt es im Rahmen von organisationsentwicklerischen Maßnahmen zu fördern. Insgesamt hat die Forschungsarbeit das Potenzial aufgezeigt, Design Thinking in strategische Planungsprozesse sinnvoll zu integrieren, um diese zu verbessern, damit Unternehmen schneller und flexibler auf Umweltänderungen reagieren können, ohne jedoch die zugrundeliegenden Strategieprozesse wesentlich zu verändern.