7.1 Einleitung

Der Non-Food-Einzelhandel in der Schweiz durchlebt stürmische Zeiten. Dies nicht erst seit der Corona-Pandemie, die mit Veränderungen im Konsumverhalten, wirtschaftlichen Auswirkungen und Lockdowns verbunden war, sondern bereits Jahre zuvor war Vieles im Umbruch. Neue Konkurrenten drangen und drängen auf einen Markt, der zu großen Teilen gesättigt ist und auf dem bereits eine fortlaufende Konsolidierung stattfindet. Ein Beispiel hierfür ist die jüngere wechselhafte Geschichte des Schweizer Mode-Einzelhandelsunternehmens Schild das 2015 von der Migros-Tochter Globus aufgekauft wurde, welches den eigenständigen Markenauftritt von Schild 2019 einstellte. Gleichzeitig erfolgte bis 2021 ein vollständiger Verkauf aller Teile der Globus-Gruppe an diverse in- und ausländische Investoren. Die Konkurrenzsituation wird auch, in der Nachpandemiephase wieder forciert, durch den Einkaufstourismus ins grenznahe Ausland weiter intensiviert. Die mittel- bis langfristig größten Auswirkungen kommen jedoch aus der zunehmenden Digitalisierung und Globalisierung der Gesellschaft. Um in dieser Situation auch künftig Bestand haben zu können, müssen sich stationäre Einzelhändler anpassen. Es reicht nicht mehr, nur einen stationären Absatzkanal zu betreiben, sondern mehrere Kanäle müssen betrieben und ineinander verflechtet werden. Man greift zunehmend auf sogenannte „Omni-Channel-Strategien“ zurück. Diese Strategien haben jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Vertrieb, sondern wirken auf das Unternehmen als Ganzes und prägen die Transformation zu zukunftsfähigen Detailhandelsunternehmen, die sich den Herausforderungen einer immer digitaler und komplexer werdenden Gesellschafts- und Marktsituation stellen.

Nachfolgend wird untersucht, auf welche Strategien die Händler im Non-Food-Einzelhandel der Schweiz in ihren Vertriebsorganisationen aktuell zurückgreifen und unter welchen Voraussetzungen diese erfolgreich sind. Weiter wird der Frage nachgegangen, welche globalen Trends aus anderen Bereichen künftig voraussichtlich bei der Ausgestaltung der Vertriebsstrategien relevant werden dürften. Auf dieser Grundlage werden konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen abgeleitet, die sich für eine Omni-Channel-Strategie entscheiden. Hierfür wird ein theoriegestütztes Modell zur Entwicklung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien konzipiert und empirisch erhärtet. Folgende vier Forschungsfragen sollen hierbei beantwortet werden:

  • Wie sind Omni-Channel-Strategien im Rahmen des Strategischen Managements zu verorten, und welchen Einfluss haben diese auf die anderen strategischen Gestaltungsperspektiven?

  • Welche Omni-Channel-Strategien setzen sich aktuell im Non-Food-Einzelhandel in der Schweiz durch und weshalb (Voraussetzungen/Erfolgsfaktoren)?

  • Welche Omni-Channel-Strategien könnten künftig im Kontext der technologischen und marktspezifischen Veränderungen in der Schweiz an Relevanz gewinnen?

  • Lassen sich generelle Empfehlungen für die Ausgestaltung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien im Non-Food-Einzelhandel in der Schweiz ableiten?

7.2 Theoretische Grundlagen

7.2.1 Omni-Channel-Strategien

Ursprung, Evolution und Definition

Das Internet hat innert kürzester Zeit unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt (Kollmann, 2013, S. 21). Nicht nur die Art und Weise wie wir miteinander kommunizieren oder umgehen, sondern auch wie wir Geschäfte abwickeln oder als Unternehmen Leistungen erbringen (Abts & Mülder, 2013, S. 297). Der Bezug von Waren oder Dienstleistungen über das Internet hat sich fest im Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten etabliert und nimmt stetig zu. Das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen über das Internet wird als „E-Commerce“ bezeichnet. Der Begriff „E-Commerce“ ist relativ offen verstanden auf das gesamte Marketing inklusive Vertrieb zu beziehen, während in einer fokussierteren Auslegung lediglich die technischen Vertriebsaspekte betrachtet werden (Böing, 2001, S. 3 ff.). In diesem Beitrag wird E-Commerce definiert als elektronischer Handel mit Waren und Dienstleistungen, bei welchem zumindest ein Teil der Transaktionen mithilfe des Internets durchgeführt wird (in Anlehnung an Hoffmann & Zilch, 2000, S. 20; Chaffey, 2007, S. 17; Stallmann & Wegner, 2015, S. 6; Deges, 2020, S. 2). Die Voraussetzung für die rasante Entwicklung des E-Commerce war die Erfindung des Internets, das 1969 mit der Entwicklung von Arpnet für das amerikanische Verteidigungsministerium seinen Anfang nahm. In den frühen 1990er-Jahren kamen nach einer Verbreitung der Technologie in der Wissenschaft mit der Entwicklung des World Wide Web, von Browsern, Übermittlungsprotokollen wie Hypertext Transfer Protocol (http) und von Programmiersprachen wie Hypertext Markup Language (HTML) wichtige Voraussetzungen für die Lancierung des E-Commerce hinzu (Deges, 2020, S. 6). Als das Internet 1994/1995 für die Wirtschaft geöffnet wurde, stieg die Anzahl der Unternehmen, welche darüber Geschäfte abwickeln wollten, stark an. Mit der Lancierung von Amazon 1994 und von ebay 1995 etablierte sich auch der Begriff „E-Commerce“. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase anfangs des 21. Jahrhunderts (Schieb, 2011) hat sich der internetbasierte Handel jedoch stark erholt und ist seither enorm gewachsen. Belief sich der E-Commerce-Umsatz 2017 weltweit noch auf ca. 1,3 Bio. CHF, waren es im Jahr 2020 bereits 2,4 Bio. CHF. Bis 2025 wird ein weiteres Wachstum auf ca. 3,4 Bio. CHF erwartet. Dies wäre mehr als eine Verdoppelung in weniger als 10 Jahren (Statista, 2021a). Je nach Region oder Branche konnte sich der E-Commerce anders durchsetzen. Gesamthaft profitiert der E-Commerce jedoch von der weiteren Verbreitung des Internets, welche 2019 weltweit bei 57,6 % lag und in Europa bei 76,8 %. Auch haben heute deutlich mehr Menschen ein Smartphone. In Europa liegt die Quote der Smartphonebesitzer mit über 70 % sehr hoch, was bedeutet, dass auch mehr Kundinnen und Kunden Zugriff auf E-Commerce haben (Statista, 2021b, S. 24–26).

Die verschiedenen Vertriebsstrategien unterscheiden sich primär darin, welche Kanäle betrieben werden, wie diese definiert werden, und wie stark diese aufeinander abgestimmt sind oder miteinander interagieren. Ein Kanal kann dabei als Kontaktpunkt verstanden werden, über welchen Unternehmen mit ihren Kunden interagieren. Solche Kontaktpunkte können Absatzkanäle wie eine Filiale eines Einzelhändlers, der Vertrieb per Telefon oder Katalog oder ein Online-Shop sein. Zu den Kontaktpunkt-Kanälen gehören aber auch reine Kommunikationskanäle wie TV, Radio oder Social-Media-Plattformen. Die Kanäle entwickeln sich in Abhängigkeit von Veränderungen ihres Umfelds und der Kanalnutzenden stetig weiter (Mehn & Wirtz, 2018, S. 6).

Eine Interaktion ist ein verbaler und nicht-verbaler Austausch von Handlungen zwischen zwei oder mehreren Partnern, wobei Aktion und Reaktion voneinander abhängig sind. Eine Interaktion kann also online oder auch face-to-face erfolgen (Gronover, 2003, S. 41). Maßgeblich in der Unterscheidung der einzelnen Kanal-Strategien ist, welche Kontaktpunkte als Absatzkanäle verwendet werden. Weiter von Relevanz ist, wie stark die Kanäle ineinander integriert sind. Bei der Integration sind zwei Perspektiven unterscheidbar. Aus Sicht der Unternehmen kann dies heißen, dass z. B. dieselben Inhalte beworben werden, gemeinsame Ziele bestehen, gemeinsame Lagerhaltungen betrieben werden oder in sämtlichen Kanälen eine einheitliche Preisstrategie betrieben wird. Aus Sicht der Konsumierenden bedeutet dies, dass sie während einer Transaktion den Kanal wechseln können und diese nicht als getrennt wahrgenommen werden (Mehn & Wirtz, 2018, S. 7).

Die Vertriebsstrategien im stationären Einzelhandel haben sich im Verlaufe der letzten 20 Jahre vom Single-Channel-Retailer zum Omni-Channel-Retailer entwickelt. Es kann in Bezug auf die Anzahl der bedienten Vertriebskanäle auch von einer Evolution des Einzelhandels gesprochen werden. Während vor dem großen Aufschwung des E-Commerce nach dem Platzen der Dotcom-Blase die meisten Einzelhändler noch rein stationär verkauften, hat sich dies nach der Jahrtausendwende signifikant verändert. Durch die rasante Verbreitung des Internets und mobiler Endgeräte kamen bald erste Multi-Channel-Strategien hinzu. Diese waren dadurch gekennzeichnet, dass zwar mehrere Kanäle betrieben wurden, die aber nicht interagierten, sondern sich oftmals sogar konkurrenzierten. Erst ab 2015 entwickelten sich die heute geläufigen Omni-Channel-Strategien, die dem entgegenwirken und eine komplette Integration sämtlicher Kanäle vorsehen (siehe Abb. 7.1) (Mehn & Wirtz, 2018, S. 7; Stieninger et al., 2019, S. 47).

Abb. 7.1
figure 1

Omni-Channel Evolution. (Mehn & Wirtz, 2018, S. 7)

Multi-Channel-Retailing bedeutet somit, dass ein Händler mehr als einen Kanal betreibt. Ein Kanal ist im Regelmodell der klassisch stationäre und ein zweiter ein Online-Shop, die um weitere Kanäle ergänzt werden können. Reine Kommunikationskanäle, über die kein Vertrieb stattfindet, werden hier nicht weiter berücksichtigt, und die Kanäle werden voneinander unabhängig betrieben. Dies zeigt sich z. B. dadurch, dass separate Umsatzziele und eigenständige Lagerhaltungen existieren. Auch erfolgt die Interaktion mit den Konsumentinnen und Konsumenten primär ausgehend vom Unternehmen. Es gibt zwar auch Ansätze, welche im Multi-Channel-Handel eine stärkere Verzahnung der Kanäle propagieren, diese sind jedoch in der Minderheit (Mehn & Wirtz, 2018, S. 6 ff.; Zaharia, 2013, S. 124; Hölter & Schmidt-Ross, 2020, S. 109).

Durch die heute beinahe flächendeckende Verbreitung von internetfähigen mobilen Endgeräten haben sich bestehende Kanalkonflikte im Multi-Channel-Retailing intensiviert. So ist es für Konsumentinnen und Konsumenten heute normal, in der Verkaufsstelle ein Produkt dann online zu bestellen, weil zum Beispiel eine Farbe oder eine Größe eines Produktes nicht mehr zur Verfügung steht (Hölter & Schmidt-Ross, 2020, S. 108). Um darauf zu reagieren, verfolgen stationäre Einzelhändler heute sogenannte „Omni-Channel-Strategien“. In diesen werden sämtliche Kanäle integriert. Die damit verbundene Managementperspektive spiegelt sich in der weit verbreiteten Definition von Verhoef et al., 2015 wider, die auch hier verwendet werden soll:

„Omnichannel management is the synergetic management of the numerous available channels and customer touchpoints, in such a way that the customer experience across channels and the performance over channels is optimized. We thereby acknowledge that the different channels interact with each other and are used simultaneously.“

Kernaspekte dieser definitorischen Grundlage sind also das kanalübergreifende Management sämtlicher verfügbarer Kanäle (Vertriebs- und Kommunikationskanäle) sowie ein bewusstes Touchpoint-Management bei Omni-Channel-Strategien. Im Fokus stehen dabei die Kundinnen und Kunden und deren Customer Journey im ganzen Kaufprozess. Ebenfalls wichtig ist, dass die Kundinnen und Kunden die Kanäle teilweise gleichzeitig nutzen und im Verlaufe ihres Kaufprozesses zwischen den Kanälen wechseln. Die wesentlichsten Unterschiede zur Vorstufe, dem Multi-Channel-Retailing, sind in Tab. 7.1 aufgeführt.

Tab. 7.1 Multi-Channel versus Omni-Channel Retailing. (Führung von Vertriebsorganisationen 2020, S. 110)

Megatrends und deren Einfluss auf den E-Commerce

Die Entwicklung von E-Commerce und zugehöriger Omni-Channel-Strategien wird maßgeblich durch Megatrends beeinflusst. Der Megatrend Digitalisierung, respektive die damit einhergehende Konnektivität ist der Megatrend, welcher aktuell wohl den größten Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaft hat (Sigmund & Thomas-Dingemann, 2018, S. 153). Die Entwicklung des E-Commerce, und damit auch des stationären Einzelhandels, wird jedoch zusätzlich noch durch weitere Megatrends beeinflusst. Die nachfolgende Tab. 7.2 führt die wichtigsten Megatrends auf, beschreibt diese und spezifiziert deren Einfluss auf den E-Commerce.

Tab. 7.2 Megatrends und deren Einfluss auf den E-Commerce. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Tewes & Tewes, 2020, S. 23)

Neben den Megatrends gibt es noch sogenannte Digital- und Technologietrends, welche für den E-Commerce und Omni-Channel-Strategien von sehr hoher Bedeutung sind. Diese sind unter anderem Entwicklungen im Bereich der Artificial Intelligence, von Big Data oder Augmented und Virtual Reality, aber auch das Internet of Things (Tewes & Tewes, 2020, S. 25–26). Diese können auch als derzeitige Haupttreiber des Megatrends Digitalisierung verstanden werden.

Es ist für die Entwicklung einer langfristigen Omni-Channel-Strategie von großer Bedeutung, dass die Megatrends als zentrale Einflussgrößen der Umweltentwicklung berücksichtigt werden, um einen fortwährenden Umwelt-Strategie-Fit zu generieren.

Haupttreiber der Entwicklung von Omni-Channel-Strategien

Neben dem immer schnelleren technologischen Wandel haben sich auch die Kundenbedürfnisse und die Kundenloyalität in den letzten Jahren massiv verändert (Micha & Koppers, 2016, S. 49). Diese beiden Faktoren können vor dem Hintergrund der Megatrends als erster Haupttreiber der steigenden Relevanz von Omni-Channel-Strategien für stationäre Einzelhändler betrachtet werden.

Kundinnen und Kunden können heute ganz anders beim Kauf von Produkten entscheiden und dabei dank neuer Informationstechnologien in Echtzeit Preise vergleichen oder Produktbewertungen konsultieren (Hosseini et al., 2018, S. 74). Diese Transparenz heißt für die Händler, dass Serviceleistungen immer wichtiger werden, um Kunden zu gewinnen. Dies gilt umso mehr, wenn man beachtet, dass gute Serviceleistungen heute von vielen Kundengruppen als selbstverständlich erachtet werden. Der Umstand, dass Kunden heute sehr leicht an weitreichende Produktinformationen kommen, steigert auch die Ansprüche an die Ausbildung des Personals. Dieses muss mehr wissen, als der Kunde selbst recherchieren kann (Bachrach et al., 2016, S. 176 ff.). Mit der zunehmenden Bedeutung von Multi- oder Omni-Channel-Strategien hat sich auch der Zweck stationärer Verkaufsflächen verändert. Neben der reinen Verkaufsfunktion steigt die Bedeutung als wichtigster Touchpoint der Kundinnen und Kunden mit dem Unternehmen in verschiedenen Phasen der Customer Journey (Gallino & Moreno, 2019, S. 7; Alexander & Blazquez Cano, 2019, S. 197). Auch übertragen die Kundinnen und Kunden heute ihre Erfahrungen aus dem E-Commerce auf den stationären Handel. Gerade in den Bereichen Produktinformationen, Warenverfügbarkeit, Sortimentsbreite, respektive -tiefe als auch Liefermöglichkeiten bedeutet dies, dass heute deutlich mehr verlangt wird (Turban et al., 2018, S. 111; Spanke, 2020, S. 6 f.). Ferner sind die Zielgruppen heute immer differenzierter und haben zunehmend unterschiedliche Bedürfnisse oder Kanalpräferenzen. Es empfiehlt sich deshalb für das Gros der Einzelhändler mehrere Kanäle zu betreiben, wenn man die Gesamtheit der erreichbaren Zielgruppen nicht stark einschränken will (Kleinjohann & Reinecke, 2020, S. 7). Während in einem klassischen Kaufprozess der Verkaufspunkt und der Informationspunkt identisch sind, sind diese Kontaktpunkte heute zunehmend in unterschiedlichen Kanälen platziert. Der Verkaufsprozess verändert sich somit fortlaufend. Im Rahmen einer Omni-Channel-Strategie sollte die Customer Journey, also die Abfolge der einzelnen Touchpoints der Kundinnen und Kunden mit dem Unternehmen, deshalb ganzheitlich und wiederkehrend betrachtet werden. Die Customer Journey beginnt vor dem Kauf und endet erst nach dem Kauf mit der avisierten Kundenbindung (Zimmermann & Westermann, 2020, S. 5; Deges, 2020, S. 75; Gizycki & Elias, 2018, S. 117 ff.; Hölter & Schmidt-Ross, 2020, S. 112 ff.).

Der zweite Haupttreiber einer steigenden Relevanz von Omni-Channel-Strategien und der damit einhergehenden Evolution im Einzelhandel ist, auch eng verbunden mit dem Megatrend der Digitalisierung, die technologische Entwicklung. Durch sie ergeben sich für die stationären Einzelhändler Vorteile, da sie zum Beispiel in der Verkaufsstelle analoge und digitale Kanäle miteinander verbinden können. Dies ermöglicht es, die Kunden und Kundinnen auf neue Art zu erreichen und zielgerichteter zu kommunizieren und zu interagieren. Grundsätzlich können Einzelhändler die neuen technologischen Komponenten über den gesamten Kaufprozess hinweg zu ihren Gunsten, aber auch mit Mehrwert für Kundinnen und Kunden einsetzen. Auch der Einsatz von Artificial Intelligence am POS bietet interessante neue Möglichkeiten. Dadurch, dass beinahe alle Konsumentinnen und Konsumenten heute über Smartphones mit GPS verfügen, ist es möglich, diesen, wenn sie sich in der Nähe einer Filiale befinden, gezielt Push-Nachrichten zu schicken. Sind diese in der Verkaufsstelle, können moderne Chatbots zum Beispiel über eine App die Verkaufsberatung übernehmen. Ebenfalls denkbar ist, dass man mit dem eigenen Smartphone durch Augmented Reality-Technologie Produkte in der echten Welt platzieren oder probieren kann. Durch das gezielte Sammeln und Auswerten von Daten können die Händler Erkenntnisse über ihre Kunden gewinnen und diese wiederum kanalspezifisch gewinnbringend einsetzen (Micha & Koppers, 2016, S. 49 ff.; Goic & Olivares, 2019, S. 144; Stieninger et al., 2019, S. 49). Ein wichtiger Faktor in der digitalen Transformation stationärer Einzelhändler ist ferner das Internet of Things, das es erlaubt, durch die Verknüpfung physischer Gegenstände mit virtuellen Netzen neue wertgenerierende Vertriebszusammenhänge zu generieren (Ivanova, 2021, S. 126).

Die dynamischen Entwicklungen der Informationstechnologie sind eng mit den veränderten Anforderungen der Kunden und Kundinnen an den stationären Handel verbunden, die sich positiv oder negativ auf den Verkaufsprozess auswirken können. So können über die Smartphones während des Besuchs eines stationären Ladens von Kundinnen und Kunden Beratungsdienstleistungen beansprucht werden, die aufgrund vor- oder nachgelagerter Online-Preisvergleiche zum digitalen Kauf bei einem anderen Unternehmen führen. Wird die digitale Interaktion jedoch auf stationären Verkaufsflächen systematisch genutzt, kann dieser Gefahr des Showroomings, beziehungsweise Beratungsdiebstahls begegnet werden.

Vor- und Nachteile von Omni-Channel-Strategien

Omni-Channel-Strategien sind sehr ressourcenintensiv und erfordern von stationären Händlern grundsätzlich auch die Aneignung vieler Fertigkeiten, die sie oftmals noch nicht vorweisen. Es gibt neben den Protagonisten von Omni-Channel-Strategien auch kritische Stimmen, die auf ein Missverhältnis von Aufwand und Ertrag bei der Verfolgung und Umsetzung dieser Zukunftsperspektive für den Handel verweisen. Die wesentlichsten Vor- und Nachteile von Omni-Channel-Strategien werden in Tab. 7.3 aufgeführt.

Tab. 7.3 Vor- und Nachteile von Omni-Channel-Strategien. (Eigene Darstellung)

Die Vorteile einer Omni-Channel-Strategie für stationäre Einzelhändler in Marktsegmenten mit einem hohen Anteil E-Commerce überwiegen klar. Denn in diesen Segmenten auf den stationären Handel ausgerichtete Einzelhändler müssen darum besorgt sein, dass sie in keine Kostenfalle geraten. Dies kann dann geschehen, wenn zur Haltung des Gewinnniveaus der Personaleinsatz zwecks Kostensenkung reduziert wird, was dann jedoch wiederum in eine schlechtere Servicequalität mündet. Diese führt dazu, dass der Ertrag weiter zurückgeht. Für Umsatzsteigerungen führt in diesen Marktsegmenten kein Weg an E-Commerce vorbei (Heinemann, 2020, S. 398 f.; Haug, 2013, S. 33 f.; Gauri et al., 2021, S. 48; Kruse Brandão & Wolfram, 2018, S. 56).

Konzeptionelle Perspektiven von Omni-Channel-Strategien

Es kann nicht von archetypischen generischen Omni-Channel-Strategien gesprochen werden. Diese sind immer kontextabhängig auf ein spezifisches Unternehmen bezogen. Es gibt kanalbezogene Vertriebskonzepte, die als essenzielle Perspektiven zur Festlegung und Implementierung einer Omni-Channel-Strategie verwendet werden können. Je nach Unternehmen und Branche differiert deren sinnvolle Verwendung und gegebenenfalls auch Kombination. In Tab. 7.4 werden einige dieser potenziellen konzeptionellen Perspektiven vorgestellt.

Tab. 7.4 Konzeptionelle Perspektiven für Omni-Channel-Strategien. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Gauri et al. 2021, S. 51 ff. u. a.)

Die angeführten konzeptionellen Perspektiven für Omni-Channel-Strategien sind nicht statisch, sondern entwickeln sich rasch weiter. Zentral für den erfolgreichen Einsatz ist deren situative, branchen- und produktabhängige Verwendung bei der Festlegung und Implementierung der Strategien (Gauri et al., 2021, S. 51 ff.).

Erfolgsvoraussetzungen

Damit im Rahmen einer Omni-Channel-Strategie die ausgewählten konzeptionellen Elemente erfolgreich umgesetzt werden können, müssen gewisse Voraussetzungen gegeben sein. Hier kann an den Schlüsselerfolgsfaktoren für erfolgreichen E-Commerce angesetzt werden: Die Erzielung von Skaleneffekten, das Erzeugen von digitaler Innovation, das Erreichen eines hohen Kundenfokus sowie ein datenbasiertes Marketing (Große Holtforth, 2016, S. 11). Tab. 7.5 führt weitere Voraussetzungen auf und beschreibt diese.

Tab. 7.5 Voraussetzungen für erfolgreiche Implementierungen von Omni-Channel-Strategien. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Sigmund & Thomas-Dingemann, 2018, S. 153 f.; Hölter & Schmidt-Ross, 2020, S. 117 ff.)

Zukünftige Entwicklungen

Der Handel steht jedoch nicht nur vor großen Herausforderungen, die durch den technologischen Wandel getrieben sind. Auch der Trend zu mehr Nachhaltigkeit führt dazu, dass Händler sich neu erfinden müssen. So werden Recycling, Sharing Economy sowie Umweltfreundlichkeit in Vertrieb und Logistik immer wichtiger. Diese Aspekte lassen sich jedoch gut in eine Omni-Channel-Strategie einbinden (Lacy et al., 2020, S. 197 ff.). Auch neue Trends wie Mobile Commerce und Internet of Things werden künftig vermehrt einen Einfluss auf die Ausgestaltung von Omni-Channel-Strategien haben, nicht nur im Vertrieb, sondern speziell auch in der Interaktion mit den Kunden (Turban et al., 2018, S. 205; Chen et al., 2018, S. 4). Zweifelsohne wird der Omni-Channel-Gedanke für die Händler auch in Zukunft an Relevanz gewinnen. Dabei ist zu beachten, dass mit dem Ansatz und einhergehenden technologischen Entwicklungen Komplexität und Aufwand der Geschäftstätigkeit steigen, während Preise durch die immer stärkere Transparenz unter Druck geraten. Damit umzugehen ist eine besondere Herausforderung (Brill, 2018, S. 363 f.). Ein guter Ansatzpunkt, um künftige Entwicklungen hinsichtlich Mehrkanalnutzung einschätzen zu können, ist zunächst die Untersuchung, welche Kunden aktuell welche Kanäle wieso verwenden, und ob hier Verhaltensänderungen zu erwarten sind. Wenn die Unternehmen dies verstehen, können sie versuchen, die Aufgaben ihrer analogen und digitalen Kanäle entsprechend optimal auszurichten (Wallström et al., 2017, S. 243; Esch & Knörle, 2015, S. 135 f.). Dabei gilt es insbesondere auch die Entwicklung in Bezug auf im Detailhandel zunehmend vertretene neue Kundengruppen zu berücksichtigen (Popa et al., 2019, S. 129). Auch potenzielle Schwächen des Omni-Channel-Ansatzes, wie etwa Beeinträchtigungen von Produktinnovationen dürfen nicht außer Acht gelassen werden (Metzler, 2018, S. 245 f.).

7.2.2 Bestandsaufnahme im Schweizer Non-Food-Detailhandel

Um den Stand der Verbreitung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien im Schweizer Non-Food-Detailhandel zu untersuchen, wurden als Kunde wahrnehmbare Omni-Channel-Ausrichtungen systematisch untersucht. Dies erfolgte durch eine Analyse der Homepages/Online-Shops und durch Besuche von Filialen bekannter größerer Unternehmen (mindestens 10 Filialen) in verschiedenen Segmenten auf dem Schweizer Non-Food-Markt im Frühling 2021. Die betrachteten Marktsegmente und Unternehmen, die bei der Bestandsaufnahme berücksichtigt wurden, sind in Tab. 7.6 angeführt.

Tab. 7.6 Bestandsaufnahme Omni-Channel-Ausrichtung – Untersuchte Unternehmen im Schweizer Non-Food Detailhandel. (Eigene Darstellung)

Die Marktsegmente wurden hinsichtlich vier für eine Omni-Channel-Perspektive besonders relevanter Aspekte untersucht: Vertrieb, Kommunikation, Vernetzung und Logistik. Um den Grad der Umsetzung typischer Omni-Channel-Merkmale segmentbezogen aggregiert zu messen, wurden Omni-Channel-basierte Kriterien definiert und anhand von Leitfragen konkretisiert, die als „erfüllt“ oder „nicht erfüllt“ für alle Unternehmen eines Segments beantwortet werden konnten. In einem einfachen Scoring-Verfahren mit Gleichgewichtung der aggregierten Aspektbereiche wurde mittels einer numerischen Skala von 0 (keine Omni-Channel-Ausrichtung erkennbar) bis 5 (sehr starke Omni-Channel-Ausrichtung erkennbar) das Ausmaß einer Omni-Channel-Orientierung je Unternehmen und segmentbezogen als Durchschnittswert näherungsweise ermittelt. Die je Omni-Channel-Aspektfeld zugehörigen Fragestellungen sind Tab. 7.7 entnehmbar.

Tab. 7.7 Bestandsaufnahme Omni-Channel-Ausrichtung – Aspekte und Kriterien. (Eigene Darstellung)

Der Gesamtdurchschnittswert für eine Omni-Channel-Orientierung über alle betrachteten Segmente hinweg beträgt 3,7. Von insgesamt 58 untersuchten Einzelhändlern verfügten zum Zeitpunkt der Erhebung 88 % auch über einen Online-Shop. Wer einen Online-Shop betreibt, hat die entsprechende Homepage auch für mobile Endgeräte optimiert. Unternehmen, die keinen Online-Shop betreiben, finden sich am häufigsten im Segment Bekleidung/Schuhe. Dies sind vor allem national ausgerichtete Unternehmen, die aktuell einen Online-Shop planen und Unternehmen mit ausgeprägter Preisorientierung. 95 % aller analysierten Unternehmen betreiben einen Newsletter und einen Facebook-Account. Ein Instagram-Account wird von 93 % der untersuchten Unternehmen betrieben. Von den vier Unternehmen, die auf Instagram nicht aktiv sind, sind zwei im Bereich der Consumer Electronics zu finden. Hinsichtlich der Kommunikation spielen spezifische Apps noch eine untergeordnete Rolle. Nur 31 % aller untersuchten Einzelhändler verfügen über eine eigene App, wobei diese vor allem im Segment der Warenhäuser verortet sind. In Bezug auf eine für Kundinnen und Kunden sichtbare Vernetzung der Kanäle zeigt sich auch ein gemischtes Bild. In 62 % der analysierten Unternehmen wird auch in den Filialen sichtbar auf den Online-Kanal verwiesen. Diese 36 Unternehmen unterscheiden sich jedoch deutlich darin, wie diese Verweise auf Online-Kanäle erfolgen. Während etwa bei einigen Unternehmen auf sämtlichen Preisetiketten QR-Codes angebracht sind, welche auf den Online-Shop verweisen, wird bei anderen Detailhändlern nur der Link auf den Online-Shop auf dem Schaufenster beworben. Wenig verbreitet sind Möglichkeiten für die Kundinnen und Kunden, um selbstständig vor Ort aus den Filialen online bestellen zu können. Bei den 8 Einzelhändlern, die dies anbieten, kann zwischen drei Möglichkeiten unterschieden werden: Nutzung von Tablets oder die Nutzung von Computer-Stationen, über die Kundinnen und Kunden auf den Online-Shop zugreifen können. Eine dritte Option ist der Zugriff via QR-Code-Reader oder App des Einzelhändlers auf den EAN- oder QR-Code an den Preisetiketten. Im Anschluss kann dann auf dem Online-Shop im Internet oder der App zum Beispiel auf andere Größen oder Farben zugegriffen werden. Die Filialbestände zeigen 67 % der analysierten Unternehmen in ihrem Online-Shop an. Von den Unternehmen, die einen Online-Shop betreiben, bieten, mit Ausnahme von drei Unternehmen, alle Heimlieferung an. Die drei Ausnahmefälle bieten jeweils nur „Click & Collect“ (Bestellen und in Filiale abholen) oder „Click & Reserve“ (Bestellen und in Filiale nach Reservierung entscheiden) als Wahloptionen an. Zwei dieser Anbieter sind im Bereich Spielwaren/Games/Bücher/Musik angesiedelt. 71 % der analysierten Einzelhändler bieten den Kundinnen und Kunden Click & Reserve-Optionen für die stationären Filialen an. Bei 60 % der untersuchten Unternehmen können die Online-Retouren in der Verkaufsstelle abgewickelt werden. Insbesondere Großunternehmen oder Unternehmen, die einem größeren Konzern angehören, erzielen einen höheren Score in Bezug auf die Omni-Channel-Orientierung. Weitere Ergebnisse der Bestandsaufnahme sind in Tab. 7.8 enthalten.

Tab. 7.8 Bestandsaufnahme Omni-Channel-Ausrichtung – Marktsegmentbewertungen mit Score-Mittelwerten. (Eigene Darstellung)

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass Segmente, die stärker von der Verschiebung der Umsätze in den E-Commerce betroffen sind, im Omni-Channel-Retailing in der Schweiz weiter fortgeschritten sind. Hier hervorzuheben sind speziell die Marktsegmente Consumer Electronics und Bekleidung. Denn trotz des tieferen Gesamtwertes des Segments hat hier eine große Zahl der betrachteten Unternehmen hohe Scores erzielt. Tiefere Werte werden vor allem in Marktsegmenten ausgewiesen, in denen die persönliche Beratung oder das physische Erlebnis im Vordergrund steht. Dies sind zum Beispiel die Segmente Parfümerie/Kosmetik/Körperpflege oder Wohnungseinrichtung.

Losgelöst von der eigenen Untersuchung ist noch auf vermutete Sondereffekte der Corona-Pandemie hinzuweisen. Diese hat den Trend zu Home-Office massiv verstärkt und man kann zwischenzeitlich von nachhaltigen Konsequenzen für die künftige Organisation der Arbeitswelt ausgehen. Dies hat wiederum starke Auswirkungen auf den Detailhandel in den Innenstädten, da durch die Home-Office-Option ländliche Gebiete als Wohnlage an Attraktivität gewinnen. Dies beschleunigt die Reduktion der Verkaufsflächen im stationären Einzelhandel und verstärkt die Verschiebung der Umsätze von Offline- zu Online-Kanälen (Adler, 2021, S. 13 ff.). Generell wird die Umsatzverschiebung vom stationären Handel in Richtung E-Commerce wohl auch in Zukunft anhalten. Darüber hinaus werden in der Literatur eine Reihe weiterer Trends für den Non-Food-Einzelhandel gesehen, die für das Omni-Channel-Retailing von Bedeutung sind. Eine Übersicht hierzu gibt Tab. 7.9.

Tab. 7.9 Trends im Schweizer Non-Food-Einzelhandel. (Eigene Darstellung)

7.2.3 Phasenmodell zur Ableitung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien

Zielsetzung des Modells

Auf Basis der erfolgten konzeptionellen und marktseitigen Bestandsaufnahme wird nachfolgend ein ganzheitliches, handlungsorientiertes Modell zur erfolgreichen Auswahl, Planung und Implementierung einer Omni-Channel-Strategie mit Fokus auf den Schweizer Non-Food Einzelhandel entwickelt. Konkret soll ein Modell erstellt werden, das Voraussetzungen, Wirkungszusammenhänge und mögliche strategische Optionen für Omni-Channel im Non-Food-Detailhandel aufzeigt. Das Modell knüpft an kontingenztheoretische Grundlagen (Preisendörfer, 2016, S. 86 ff.) und klassische Phasenmodelle der strategischen Unternehmensführung (Bea & Haas, 2017, S. 58) und des digitalen strategischen Managements (Erner & Hammer, 2019, S. 147) an, da hier Omni-Channel nicht nur als Vertriebsmodell, sondern als Ansatz zur nachhaltigen marktorientierten Weiterentwicklung von Detailhandelsunternehmen verstanden wird. Für die Vorgehensbeschreibung in den verschiedenen Phasen des Strategieprozesses wird auf andere bestehende Konzepte zurückgegriffen, die in den Omni-Channel-Kontext gesetzt werden. Das Modell soll Schweizer Non-Food-Detailhändlern mit derzeit noch geringer oder keiner Omni-Channel-Orientierung ermöglichen, eine Omni-Channel-Strategie anhand eines einfachen, auf den eigenen situativen Unternehmenskontext hin adaptierbaren Phasenschemas zu erarbeiten und zu implementieren.

Komponenten und Aufbau des Modells

Das in Abb. 7.2 dargestellte Modell setzt sich aus zwei verschiedenen Hauptelementen zusammen. Das Unternehmensumfeld, beziehungsweise hieraus resultierende Impulse und Einflüsse, die den Strategieprozess anstoßen und beeinflussen, sind farblich heller von den abgegrenzten klassischen Phasen des Strategieprozesses abgehoben, die dunkler dargestellt sind. Die Größenveränderungen von den Umwelttrends ausgehend bis hin zur Strategiewahl stehen für die sich reduzierende Anzahl an Optionen im Sinne von organisationalen Pfadabhängigkeiten.

Abb. 7.2
figure 2

Phasenmodell zur Entwicklung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien. (Eigene Darstellung)

Zielbildung für eine Omni-Channel-Strategie

Ausgangspunkt eines Strategieprozesses ist die Zielbildung. Dies ist auch bei der Ausarbeitung einer Omni-Channel-Strategie nicht anders. Da Omni-Channel Auswirkungen auf die komplette Organisation eines Detailhandelsunternehmens hat, ist eine Omni-Channel-Strategie zwangsläufig nicht nur eine Teilstrategie, sondern eine umfassende gesamtstrategische Perspektive für ein Unternehmen. Entsprechend sind die Elemente einer strategischen Zielhierarchie zu spezifizieren: Vision, Leitbild, Mission, Unternehmensziele, Geschäftsbereichsziele und Funktionsbereichsziele (Bea & Haas, 2017, S. 74). Dabei gilt es zu beachten, dass es zu diesem frühen Zeitpunkt im Strategieprozess noch nicht möglich sein wird, sämtliche Omni-Channel-Ziele voll zu operationalisieren. Dies erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt nach einer eingehenderen strategischen Analyse und der Festlegung der eigentlichen Ausgestaltung der Strategie.

Analyse von Omni-Channel-Einflussfaktoren

Die strategische Analysephase wird üblicherweise in zwei Teilphasen zerlegt: die externe Analyse der Unternehmensumwelt und die interne Analyse des Unternehmens. Ziel ist es, die Unternehmensumwelt mit Bezug auf die Omni-Channel-Perspektive so gut zu verstehen, dass die Anforderungen, die sich daraus an das Unternehmen aktuell und künftig ergeben, abgeleitet werden können. Zum anderen soll eine möglichst konsistente und vollständige Bestandsaufnahme der aktuellen Situation eines Unternehmens erfolgen, welche Stärken und Schwächen offenlegt und gleichzeitig Potenziale aufzeigt. Hintergrund ist dabei immer die Startperspektive einer potenziellen vertriebskanalbezogenen Neuausrichtung. Die strategische Analyse ist die Grundlage der konkreten Strategieauswahl (Erner & Hammer, 2019, S. 147).

Hauptziel der Umweltanalyse ist die Benennung von Chancen und Risiken aus der Unternehmensumwelt eines Detailhandelsunternehmens. Diese Umwelt kann in eine Mikro- und eine Makro-Umwelt unterteilt werden. Die Mikro-Umwelt bezeichnet die eigentliche Branche, in welcher sich ein Unternehmen bewegt, hier also die Non-Food-Detailhandelsbranche. Sie lässt sich beispielsweise mit dem etablierten Five-Forces-Modell von Michael E. Porter strukturiert beschreiben. Im Kern werden dort fünf Wettbewerbskräfte unterschieden, welche zusammen die Rentabilität eines Unternehmens und die Attraktivität seines Marktes ausmachen. Die Makro-Umwelt deckt die darüberliegenden Einflusssphären eines Unternehmens ab und kann etwa durch das Instrument der PEST-Analyse systematisch erfasst werden(Identifikation von relevanten politischen, ökonomischen, sozio-kulturellen und technologischen Einflussfaktoren) (Bea & Haas, 2017, S. 94 ff.; Erner & Hammer, 2019, S. 147 ff.).

Hauptziel der Unternehmensanalyse ist es, dessen Stärken und Schwächen zu identifizieren. Dazu müssen in einem ersten Schritt die für das Unternehmen relevanten strategischen Erfolgsfaktoren identifiziert werden, anschließend erfolgt darauf basierend eine Konkurrentenanalyse, um das eigene Unternehmen korrekt einordnen zu können, und im letzten Schritt die eigentliche Stärken- Schwächenanalyse vorzunehmen. Die strategischen Erfolgsfaktoren können aus den Potenzialen des strategischen Managements (Bea & Haas, 2017, S. 126 ff.) abgeleitet werden. Diese Potenziale werden in Führungs- und Leistungspotenziale unterteilt. Während die Führungspotenziale die Planung, Kontrolle, das Informationsmanagement, die Organisation und die Unternehmenskultur beinhalten, sind mit den Leistungspotenzialen die Beschaffung, die Produktion, der Absatz, das Personal, das Kapital und die Technologie gemeint. Ein Unternehmen kann sich bezüglich dieser Potenziale bewerten und gleichzeitig definieren, welche Potenziale besonders hoch zu gewichten sind. In einem nächsten Schritt wird die Konkurrenz gleichgerichtet analysiert und ebenfalls bewertet. In einem letzten Schritt müssen die vorhandenen Erfolgsfaktoren und Potenziale innerhalb eines Unternehmens mit den Fähigkeiten der Konkurrenten und den Anforderungen auf dem Markt abgeglichen werden. Daraus lassen sich dann die Stärken und Schwächen des Detailhandelsunternehmens ableiten (Bea & Haas, 2017, S. 126 ff.; Erner & Hammer, 2019, S. 150 ff.). Omni-Channel-Retailing erfordert im Vergleich zum klassisch stationären Handel teils völlig neue Kompetenzen, was zu einer Veränderung im Erfolgsfaktorensetting führt. Dies muss in der Unternehmensanalyse entsprechend berücksichtigt werden.

Im Anschluss an die Unternehmensanalyse können deren Ergebnisse mit den Ergebnissen der Umweltanalyse zusammen in eine SWOT-Analyse überführt werden (Bea & Haas, 2017, S. 152). Dort werden die Stärken und Schwächen eines Unternehmens den Chancen und Risiken der Umwelt gegenübergestellt. Daraus können nun wichtige Impulse für die Strategiewahl abgeleitet werden. Dies, indem man versucht, Stärken für die Realisierung von Chancen zu nutzen und Bedrohungen durch Risiken in Bereichen, in welchen man Schwächen hat, zur reduzieren oder auszuschließen (Bea & Haas, 2017, ebd.).

Omni-Channel-Strategiekonkretisierung und -auswahl

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse sind nun strategische Optionen abzuleiten und auszuwählen. Strategien können anhand einer Vielzahl von Aspekten kategorisiert werden, so zum Beispiel anhand der Wachstumsrichtung (Wachstums-, Stabilitäts-, Desinvestitionsstrategie), mittels Produkt-Markt-Kombination nach Ansoff (Marktdurchdringungs-, Marktentwicklungs-, Produktentwicklungs-, Diversifikationsstrategie), gemäß Ansatzpunkten für Wettbewerbsvorteile nach Porter (Kostenführerschaft, Differenzierung, Nischenstrategie), nach Funktionsbereichen, nach regionalem Geltungsbereich oder nach dem Grad der Eigenständigkeit der Strategie (Bea & Haas, 2017, S. 179). Im Rahmen eines Omni-Channel-Strategieentwicklungs- und Strategieauswahlprozesses sind diese Überlegungen ebenfalls perspektivisch einzubeziehen. Gleichzeitig müssen einige spezifische Komponenten einer Omni-Channel-Strategie geklärt werden. Dabei kann gemäß dem in Tab. 7.10 dargestellten Strukturierungsschema von Schawel und Billing (2018, S. 240 f.) vorgegangen werden.

Tab. 7.10 Kernelemente einer Omni-Channel-Strategie. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Schawel & Billing, 2018, S. 240 f.)

Die Ergebnisse des strategischen Zielbildungsprozesses, der Umwelt- und Unternehmensanalyse und der spezifischen Omni-Channel-Strategie-Konkretisierung werden hinsichtlich Kompatibilität miteinander verglichen und in Rückkopplungsprozessen aufeinander abgestimmt, sodass im Idealfall eine strategisch breit fundierte und in der Vision und Mission des Unternehmens verankerte Omni-Channel-Strategie abgeleitet werden kann. Dieser Abstimmungsprozess ist sicherlich eine der herausforderndsten Aufgabenstellungen im Rahmen der strategischen Neuausrichtung.

Omni-Channel-Strategieimplementierung

Die Omni-Channel-Strategieimplementierung hat zum Ziel, die ausgewählte Omni-Channel-Strategie weiter zu operationalisieren und mittel- bis kurzfristige Teilziele für deren Umsetzung abzuleiten. Darüber hinaus muss die Auf- und Ablauforganisation so angepasst werden, dass die strukturellen Voraussetzungen zur Implementierung gegeben sind. Bei der Implementierung können geläufige Verfahren des Change- und Projektmanagements zum Einsatz kommen, gegebenenfalls auch mit externer Begleitung, insbesondere, wenn bei der Umsetzung mit Widerständen aufgrund von Ziel-, Verteilungs- oder Kulturkonflikten zu rechnen ist. (Bea & Haas, 2017, S. 216 ff.; Erner & Hammer, 2019, S. 155 ff.). Spätestens zu diesem Zeitpunkt im Strategieprozess sind nun die Ziele innerhalb der Geschäfts- und Funktionsbereiche der Zielhierarchie definiert.

Omni-Channel-Strategie-Überprüfung

Ziel der Omni-Channel-Strategie-Überprüfung ist es, im Rahmen der Strategieimplementierung Abweichungen zwischen den definierten Zielgrößen und dem Ist-Zustand zu ermitteln. Durch dieses strategische Controlling kann erkannt werden, in welchem Mass die Omni-Channel-Strategie umgesetzt wird, und ob diese immer noch richtig ist. Auch hier kann auf etablierte Konzepte zurückgegriffen werden, wie etwa der Drei-Komponenten-Ansatz einer strategischen Kontrolle von Schreyögg und Steinmann, der eine regelmässige Prämissenkontrolle, eine strategische Durchführungs- und Erfolgskontrolle anhand von Meilensteinen und eine strategische Überwachung der in- und externen Umwelt vorsieht (Bea & Haas, 2017, S. 251 ff.; Erner & Hammer, 2019, S. 157 ff.). Angesichts der vor allem technologiebedingt hohen Dynamik der Entwicklungen im Omni-Channel-Umfeld kommt der strategischen Überwachung eine besonders wichtige Rolle im Controlling-Prozess zu, sodass die Omni-Channel-Strategie bei Bedarf schnell angepasst werden kann.

Im Rahmen der Omni-Channel-Strategie-Überprüfung sollte eine Strategie periodisch im Sinne einer Rückkopplungsschleife auf ihre Aktualität und Adäquanz hin überprüft und bei Bedarf agil angepasst werden. (Erner & Hammer, 2019, S. 144 f.).

7.3 Empirische Untersuchung

7.3.1 Methodik und Forschungsdesign

Im Rahmen einer weiteren empirischen Durchdringung des Themas wurde in einem qualitativen Forschungssetting eine Primärerhebung anhand von Experteninterviews (Hildebrandt, 2015, S. 241) durchgeführt, die aufgrund der im Schweizer Kontext noch wenig verfügbaren empirischen Daten im Themenfeld Omni-Channel-Strategien geeignet erscheint, ein besseres Gesamtverständnis für die strategischen Implikationen im Schweizer Non-Food-Detailhandelsmarkt zu bekommen (vgl. zu Adäquanz einer Primärerhebung Riesenhuber, 2009, S. 6; Kornmeier, 2007, S. 158). Im Rahmen der qualitativen Datenerhebung wurden branchenbezogen zehn Personen aus Wissenschaft und Praxis in Form von teilstrukturierten, leitfadenbasierten Interviews im Frühling 2021 befragt, die über weitreichende Kenntnisse der Situation und strategischer Entwicklungen im Schweizer Non-Food-Detailhandel verfügen: Führungskräfte aus dem mittleren Management im E-Commerce, Führungskräfte aus dem oberen Management, Dozentinnen und Dozenten an Hochschulen und Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberater mit entsprechender Fachexpertise (siehe Tab. 7.11).

Tab. 7.11 Übersicht der durchgeführten Interviews. (Eigene Darstellung)

Die Interviews zur Datenerhebung erfolgten mündlich und videogestützt. Der Gesprächsleitfaden wurde den interviewten Personen vorab zur Orientierung und Vorbereitung zugestellt. Als maximale Gesprächsdauer wurde eine Stunde festgelegt. Die Gespräche werden aufgezeichnet und anschließend vollständig transkribiert und mittels der Analysesoftware Atlas.ti codiert und systematisch ausgewertet.

7.3.2 Ergebnisse

Definition, Treiber und Bewertung von Omni-Channel-Retailing

Beim Verständnis des Begriffes „Omni-Channel-Retailing“ bestehen deutliche Unterschiede bei den Befragten. Insbesondere in Abgrenzung zu anderen Begriffen wie „Multi-Channel-“ oder „Cross-Channel-Retailing“. Am häufigsten genannt wurde die kanalübergreifende Komponente des Omni-Channel-Retailings zur Charakterisierung des dahinterstehenden Sachverhalts. Als begriffsprägend wurde die Vernetzung von Vertriebs- und Kommunikationskanälen, aber auch die Vernetzung von Produkten, Dienstleistungen und logistischen Wegen gesehen. In diesem Zusammenhang wurde wiederholt auch auf das Touchpoint-Management hingewiesen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht mehr überlegt wird, welchen Kanal man als Unternehmen nutzen will, sondern welchen Kanal sich die Kundinnen und Kunden wünschen. Insbesondere die Art und Weise wie die Kanalverbindungen gestaltet werden, wird mehrfach als Unterscheidungsmerkmal zu Multi- oder Cross-Channel-Retailing genannt. Ein weiterer Faktor, der mehrfach erwähnt wurde, ist die ausgeprägte Kundenzentrierung im Omni-Channel-Retailing. Kundinnen und Kunden sollten demnach ein Detailhandelsunternehmen immer identisch und gemäß dem definierten Auftrittsprofil wahrnehmen, egal auf welchem Kanal es sich bewegt. Gemäß des Gros der Befragten ist es erforderlich, die Kundinnen und Kunden so gut zu verstehen, dass man eine Customer Journey schaffen kann, die ihren Vorstellungen entspricht. Mehrfach wurde der Begriff „Omni-Channel“ auch als „alter Wein in neuen Schläuchen“ oder Modebegriff bezeichnet und die Abgrenzungserfordernis zur Cross- und Multi-Channel-Perspektive kritisch hinterfragt. Wichtig sei, gemäß der Mehrheit der Befragten, dass ein Unternehmen den Begriff für sich selbst anhand der wesentlichen Aspekte definiert, und dass alle innerhalb der Organisation diese Perspektive inhaltlich nachvollziehen können.

Ein wesentlicher Treiber für Omni-Channel-Retailing sind die sich verändernden Anforderungen der Konsumentinnen und Konsumenten. Die Mehrheit der Befragten verwies darauf, dass das Anspruchsniveau gegenüber dem Einzelhandel stark gestiegen sei. Dieser Anstieg sei vor allem anbietergetrieben, da die Kundinnen und Kunden für beinahe jeden Wunsch heutzutage ein Unternehmen fänden, welches ihnen diesen erfüllt. Ein Befragter weist darauf hin, dass insbesondere innovative Großunternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple hier die Anspruchsniveaus von Kundinnen und Kunden maßgeblich beeinflussen. Auch adaptierten die Kundinnen und Kunden Erfahrungen aus den Online-Handelskanälen auf die stationären Kanäle. Daher erwarteten die Kundinnen und Kunden heute eine deutlich größere Sortimentsbreite und -tiefe. Gleichzeitig seien auch die Anforderungen an die Geschwindigkeit und Einfachheit des Einkaufs gestiegen. In dem Zusammenhang wurde wiederholt angemerkt, dass die Bereitschaft für diese Ansprüche einen Mehrpreis zu bezahlen jedoch sehr klein sei, was eine Herausforderung für die Handelsunternehmen darstelle. Eine erhöhte Bedeutung für Omni-Channel-Handelsaktivitäten wurde auch auf irreversible gesellschaftliche und demografische Entwicklungen zurückgeführt. So hätten jüngere Käuferschichten heute andere Erwartungen an die Einzelhandelsunternehmen, und Konsumentinnen und Konsumenten seien heute nicht mehr bereit, so viel Zeit ins Einkaufen zu investieren, wie dies früher der Fall war. Auch informierten sich die Kundinnen und Kunden vor einem Einkauf deutlich stärker und beachteten dabei auch Bewertungsportale, was die Anforderung an die stationäre Beratung stark erhöht habe. Auf der technischen Seite wurden als Treiber in Richtung Omni-Channel-Retailing von beinahe allen Befragten das Smartphone und das Mobile Internet genannt. In diesem Kontext wurde durch einen Befragten angemerkt, dass dieser Bereich zwar im Detailhandel stark in Bewegung sei, aber den vorhandenen Möglichkeiten immer noch hinterherhinke. Die immer höhere Leistungsfähigkeit der Smartphones, verbunden mit den immer höheren Bandbreiten des mobilen Internets, ermöglichten gemäß der Befragten auch neue Konzepte auf der technischen Seite wie Augmented Reality. Auch seien Konsumentinnen und Konsumenten immer mehr always-on, was deren Konsumverhalten verändert habe. Dies generiere auch immer mehr Daten, welche von den Unternehmen ausgewertet werden könnten (Big Data), um die Kundinnen und Kunden noch besser zu verstehen, und sich anzupassen. Durch die immer stärkere Verbreitung von Sozialen Netzwerken würden sich Nutzerinnen und Nutzer auch immer stärker kommunikativ online bewegen. Als weiteren Treiber für das Omni-Channel-Retailing sehen viele Befragte immer neue Möglichkeiten im Bereich der letzten Meile bei der Auslieferung von Produkten an Kundinnen und Kunden.

Bei der Frage nach einer Grundbewertung von Omni-Channel Retailing für den Non-Food-Detailhandel sahen beinahe alle Befragten die Vorteile als überwiegend gegenüber potenziellen Nachteilen. Als zentraler positiver Aspekt wurde vor allem die Intensivierung der Beziehungen zu den Kundinnen und Kunden angeführt. Hauptnachteil seien die sehr hohen Kosten und Investitionen, welche Omni-Channel-Retailing mit sich bringt. Hervorgehoben wurde dabei auch die Tatsache, dass man hierbei vermehrt ausländische Konkurrenten habe, welche sehr finanzkräftig seien und ihre Konzepte wesentlich stärker skalieren könnten, als dies Schweizer Unternehmen möglich sei. Als weiterer Nachteil wurde die Komplexität des Themas angeführt, etwa weil man sich als Unternehmen reorganisieren müsse und andere Kompetenzen notwendig seien, was auch die Jobprofile verändere. Omni-Channel-Retailing erfordert aus Sicht der Befragten auch einen Kulturwandel, was für viele Unternehmen eine Herausforderung sei. Als weitere potenziell schwierige Aspekte des Omni-Channel-Retailings wurden die erhöhte Preistransparenz, der daraus resultierende Margendruck und ein eventuell zu starker Fokus auf die Onlinekanäle genannt.

Strategische Verortung von Omni-Channel-Retailing

Alle befragten Personen sind der Ansicht, dass die Verantwortung für eine Omni-Channel-Strategie in der obersten Führungsebene anzusiedeln sei. Der Geschäftsführer und das gesamte Topmanagement müssten eine Omni-Channel-Strategie mittragen, damit diese erfolgreich sein könne. Es wurde mehrfach erwähnt, dass eine Omni-Channel-Strategie nicht funktionieren könne, wenn lediglich ein eigens dafür abgestelltes Mitglied der Geschäftsleitung für den Erfolg verantwortlich sei. Dies läge auch daran, dass eine Omni-Channel-Strategie alle Bereiche eines Unternehmens durchdringe und weil ein kultureller Wandel notwendig sei, der nur so gelingen könne. Ein Befragter bezeichnet eine Omni-Channel-Strategie gar als „absolute strategische Schlüsselfrage“.

Unter den Befragten herrschte breiter Konsens, dass eine Omni-Channel-Strategie sämtliche Unternehmensbereiche betrifft. Die besondere Bedeutung des Verkaufs wurde dabei betont. Im Verkauf müsse ein Silo-Denken verhindert werden. Ferner sei das Marketing von großer Bedeutung, welches die allenfalls neuen Kanäle betreiben und verzahnen müsse. Die neuen Omni-Channel-Konzepte veränderten die Anforderungen an die Logistik, sowohl die Produktbereitstellung, als auch die Retourenlogistik. Der Beschaffungsbereich sei vor allem im Stammdatenmanagement, aber auch im Produktmanagement gefordert. Die Personalabteilung sei ebenfalls stark betroffen, da sich in einer Omni-Channel-Welt die Anforderungen an die Mitarbeitenden spürbar veränderten und somit Auswirkungen auf Rekrutierungsprozesse und die innerbetriebliche Ausbildung habe. Auch stelle eine Omni-Channel-Strategie die Rechtsabteilung vor neue Herausforderungen, die es im klassisch stationären Einzelhandel bisher nicht gab. Eine Schlüsselrolle für eine erfolgreiche Implementierung von Omni-Channel-Strategien kommt gemäss der Befragten dem IT-Bereich zu, welcher stark gefordert sei, um bestehende Systeme zu integrieren und die neuen Prozesse abzubilden. Aber auch der Kundendienst bekomme eine andere Rolle, die es zu bewältigen gelte, um den Kundinnen und Kunden eine gute Customer Experience im neuen Setting zu ermöglichen.

Bei der Frage, was die relevanten Faktoren bei der Omni-Channel-Strategieauswahl sind, wurden stark unterschiedliche Antworten gegeben. Als möglicher Ausgangspunkt für die Strategiewahl wurde eine konsequente Kundenorientierung genannt, also die Frage welches Problem man für die Kundinnen und Kunden lösen möchte, und was deren Bedürfnisse sind. Daraus sei abzuleiten, was man nun anbieten wolle, und wie das möglich gemacht werden könne. Außerdem wurde auf die Konkurrenzaktivitäten als sehr relevanter Faktor für die Strategiewahl verwiesen. Was die Auswahl der heranzuziehenden Omni-Channel-Konzepte und -Kanäle angeht, wurden die Art und Größe der Produkte, deren Preis und wie beratungsintensiv diese sind als bestimmende Faktoren genannt. Die finanziellen Möglichkeiten wurden als einschränkender Faktor der Strategieauswahl angeführt.

Aktuelle Situation im Schweizer Non-Food-Einzelhandel

Zu den aktuell konkret etablierten Elementen von Omni-Channel-Strategien erfolgten in der Gesamtheit zwar viele Nennungen, einzelne Komponenten wurden aber oftmals nur von einer bis zwei der befragten Personen erwähnt. Genannt wurden Tablets in den Verkaufsstellen, eine verlängerte Ladentheke, Live-Videoberatung, QR-Codes auf Produkten oder im Store um auf den Online-Kanal zu verweisen, Click & Collect, respektive Click & Reserve, Online-Retouren in der Verkaufsstelle abwickeln, Standortsuche auf der Homepage, Öffnungszeiten auf der Homepage, ein Regalfinder, der einem hilft, in einer Filiale ein Produkt zu finden sowie die Online-Bestandsanzeige.

Darauf angesprochen, wo die Schweiz derzeit in Bezug auf Omni-Channel-Retailing im Vergleich zum Ausland stehe, gingen die Meinungen der Befragten auseinander. Während die Mehrheit zwar der Ansicht war, dass man auf einem guten Niveau sei, gab eine Minderheit auch an, dass man noch nicht so fortgeschritten sei wie das Ausland. Ein Befragter stufte die Schweiz als durchschnittlich ein. Man habe keine First-Mover in diesem Bereich, sei aber gut im Aufgreifen von Trends aus dem Ausland. Viele der Befragten gaben an, dass die Schweiz davon geprägt sei, dass große Online-Player wie Amazon keinen direkten Markteintritt vornähmen. Das führe zu einem geringeren Wettbewerb, und die Schweizer Anbieter hatten und haben dadurch mehr Zeit sich zu entwickeln. Die zusätzliche Zeit ermögliche es den Anbietern auch, Geschäftsmodelle nicht nur als Reaktion übereilt anzupassen, sondern diese so weiterzuentwickeln, dass diese profitabel sind. Der geringere Leidensdruck ginge aber auch mit einem geringeren Innovationsdruck im Schweizer Non-Food-Einzelhandel einher, was langfristig problematisch werden könnte. Gemäß der Befragten ist in der Schweiz im E-Commerce eine Dominanz gewisser Anbieter festzustellen, namentlich wurde insbesondere Digitec Galaxus genannt. Auch sei der Schweizer Detailhandel stark davon geprägt, dass mit den beiden Genossenschaften Migros und Coop zwei Anbieter den Markt in gewissen Bereichen dominieren. Positiv daran sei, dass diese aufgrund ihrer Rechtsform ihre Gewinne reinvestieren, unter anderem in impulsgebende innovative Geschäftsmodelle. Als einschränkender Faktor für Omni-Channel-Strategien in der Schweiz wurde die fehlende Anbietervielfalt in der Logistik genannt, da zwei Unternehmen den Markt beherrschen, und so den Händlern wenig Raum für eine wirkliche Abhebung gegenüber der Konkurrenz in diesem Bereich lassen. Positiv hervorgehoben wurden die fortschrittlichen technologischen Rahmenbedingungen, die in der Schweiz mit einem sehr gut verfügbaren Internet vorherrschen. Damit einher gingen technisch affine Konsumentinnen und Konsumenten, die darüber hinaus mit hoher Kaufkraft ausgestattet sind.

Zukünftige Entwicklungen im Schweizer Non-Food-Detailhandel

Auf die zukünftige Entwicklung im Schweizer Non-Food Detailhandel angesprochen, sind sich alle befragten Expertinnen und Experten einig, dass der Online-Anteil am Gesamtumsatz weiter stark zunehmen wird, obwohl das Tempo je nach Segment unterschiedlich sei. Man geht von einer weiteren Konzentration, respektive Polarisierung der Anbieter aus, sodass am Ende des Entwicklungsprozesses vermutlich vor allem noch Großunternehmen und Nischenplayer existieren würden, während es mittlere Unternehmen zukünftig schwer haben dürften. Der Wettbewerb wird laut der Befragten voraussichtlich weiter stark zunehmen, auch für die Online Pure Player. Gleichzeitig sei mit einer steigenden Relevanz von Online-Marktplätzen zu rechnen. Das sei für Non-Food-Händler eine starke Herausforderung, da diese auf diesen Markt-Plattformen nur auf das Produkt reduziert würden. Generell dürfte der Kundenzugang durch den intensiveren Wettbewerb teurer werden, gerade im Online-Bereich, wo zum Beispiel Google mit Google Ads derzeit sehr stark sei. Es wäre aus Sicht der Befragten auch möglich, dass vermehrt Online Pure-Player den Zugang zum stationären Markt suchten. Nahezu alle Befragten erwarten eine starke Reduktion der stationären Verkaufsflächen. Dies habe unter anderem damit zu tun, dass der stationäre Handel im Non-Food-Bereich seine Aufgabenstellung wechsle. Seine Vorteile lägen zukünftig vermehrt im Erlebnis, das dem Kunden geboten werde und in der Face-to-Face-Beratung. Es würden deshalb in der Zukunft weniger Produkte auf weniger, aber attraktiverer Fläche angeboten, während das volle Sortiment zum Beispiel über eine verlängerte Ladentheke verfügbar sei, oder die Produkte den Kunden direkt nach Hause geliefert würden. Flächen, die wegfallen, würden künftig wohl auch vermehrt für Angebote der Gastronomie oder andere Dienstleistungen genutzt. Es wird seitens der Expertinnen und Experten davon ausgegangen, dass die Logistik starke Fortschritte machen wird, und dadurch neue Distributionskonzepte möglich werden. Gerade für die letzte Meile werden innovative Konzepte für eine Lieferung am selben Tag oder noch schneller erwartet. Dazu komme auch, dass es immer besser möglich werden wird, die Kundendaten zu nutzen.

Hinsichtlich neuer Entwicklungen im Omni-Channel-Retailing der Zukunft, wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten genannt, welche mehrheitlich technologiegetrieben sind. Es wurden Online-Terminvereinbarungen, Location Based Services und Artificial Intelligence als potenzielle Entwicklungsfelder genannt. Aber auch die verlängerte Ladentheke dürfte sich stark weiterentwickeln. Auch wird mit neuen Ansätzen im Kontext der Sharing Economy gerechnet. Erneut wurde auf potenziell neue Logistikkonzepte hingewiesen, die vor allem für die Auslieferung auf der letzten Meile in urbanen Gebieten wirksam werden dürften.

In Verbindung mit der generell wachsenden Bedeutung von Online-Aktivitäten gewinnen gemäß der Befragten auch Online-Kanäle weiter an Relevanz, sowohl für den Vertrieb als auch in der Kommunikation. Der Trend zu mobilen Endgeräten, speziell dem Smartphone, werde sich voraussichtlich weiter akzentuieren. Auch dürfte Social Media in der Kommunikation weiter an Bedeutung gewinnen, und zwar sowohl als Vertriebs-, als auch als Kommunikationskanal. Aber auch Apps hätten noch viele ungenutzte Potenziale, gerade im Zusammenhang mit neuen Technologien wie Location Based Services, respektive kontextbezogener Interaktion mit den Kundinnen und Kunden. Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Kommunikationskanäle zukünftig grundsätzlich personalisierter sein werden, z. B. in Form individualisierter Newsletter. Stationäre Kanäle werden sich voraussichtlich stärker zu Showrooms entwickeln, die sich über besondere Kundenerlebnisse und persönliche Beratung profilieren müssten.

Voraussetzungen für erfolgreiche Omni-Channel-Strategien

Hinsichtlich der Voraussetzungen, die Unternehmen aufweisen müssen, damit eine Omni-Channel-Strategie erfolgreich ist, wurden von den befragten Personen eine Reihe von Aspekten genannt, die den Gestaltungsfeldern Strategie, Organisation und Kompetenzen zugeordnet werden können. Einige Grundvoraussetzung sollten stets gegeben sein: Zum einen eine hohe Finanzkraft, verbunden mit einer entsprechenden Investitionsbereitschaft. Auch sollte ein Unternehmen eine kritische Größe überschreiten, da nur so die Skalierbarkeit von Omni-Channel-Aktivitäten gegeben sei. Gegebenenfalls sei auch die Bereitschaft eines Unternehmens erforderlich, kurzfristig seine Profitabilität aufgrund der hohen Implementierungskosten zu senken, um zu einem späteren Zeitpunkt Erfolg zu haben. Die Verfügbarkeit der erforderlichen Digitalisierungs- und Projektmanagementkompetenzen zur Umsetzung von Omni-Channel-Strategien wird als zwingend betrachtet.

Die erfolgreiche Umsetzung einer Omni-Channel-Strategie hängt laut einigen Befragten wesentlich auch davon ab, dass die Strategie durch die Geschäftsführung und das Topmanagement getragen wird. Ferner sei es wichtig, dass im Strategieprozess die Analyse der Kundinnen und Kunden und deren Bedürfnisse eine genug hohe Gewichtung erhalte, damit nur Angebote kreiert würden, welche deren Anforderungen erfüllten. Dabei seien die Bedürfnisse je nach Marktsegment und Produkt sehr unterschiedlich. Diese „Selbstverständlichkeit“ werde oftmals schon heute nicht genügend berücksichtigt. Wesentlicher Bestandteil der Strategieumsetzung sei eine stimmige Unternehmenskultur, eine moderne Fehlerkultur und die Verankerung der Perspektive einer lernenden Organisation. In dem Zusammenhang sei es auch wichtig, dass die Omni-Channel-Strategie durchgängig und intensiv kommuniziert werde, um den Change-Prozess so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Auch sollten der Planungshorizont und die Überwachungssysteme so ausgestaltet werden, dass die Strategie laufend den Entwicklungen der Kundenbedürfnisse und der Technologie im Sinne von Agilität angepasst werden könnten. Bezüglich der Organisation des Unternehmens wurde von den Befragten als Erfolgsvoraussetzung genannt, dass neben der Ablauforganisation auch die Aufbauorganisation angepasst werde. Speziell müsse dafür gesorgt werden, dass keine Konkurrenz zwischen den Kanälen aufkomme. Dasselbe gelte auch für das Incentivierungssystem des Unternehmens. Verantwortlichkeiten für die Omni-Channel-Strategie müssten innerhalb der Organisation so geregelt werden, dass diese hoch genug angesiedelt und breit abgestützt seien. In technischer Hinsicht hoben die Befragten auf verfügbare erforderliche IT-Systeme, die digitale Produktabbildung und damit verbunden die kundenorientierte Produktstammdatenpflege und -nutzung ab.

Empfehlungen zur Entwicklung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien

Konkrete Handlungsempfehlungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den identifizierten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Omni-Channel-Strategie. Darüber hinaus wurde seitens der Befragten nochmals bekräftigt, dass es für die Ausgestaltung einer Omni-Channel-Strategie elementar ist, die Kundenbedürfnisse zu verstehen. Damit einher ginge eine fortwährende, aktive Marktbeobachtung, um Trends frühzeitig aufzunehmen. Einer der Befragten hob zudem hervor, dass stationäre Einzelhändler nicht versuchen sollten, Online Pure-Player in ihrem Feld zu schlagen, sondern es elementar sei, dass man die eigenen Assets wie Kundennähe oder Beratung in die Strategie einbaue. Wiederholt erwähnt wurde, dass Unternehmen grundsätzlich bereit sein müssten, in das Omni-Channel-Retailing und die Digitalisierung des Unternehmens zu investieren. Halbherzigkeiten in diesem Bereich würden nicht funktionieren. Man müsse offen und flexibel sein und neue Ideen im Sinne eines Tests schnell zur Umsetzung bringen. Dies müsse nicht zwingend im Alleingang, sondern könne auch über sinnvolle Kooperationen gemeinsam mit anderen Unternehmen wie z. B. Logistikanbietern erfolgen.

7.3.3 Auswirkungen auf das Phasenmodell und Beantwortung der Forschungsfragen

Aus den empirischen Ergebnissen der Bestandsaufnahme im Schweizer Non-Food-Detailhandel und der qualitativen Expert*innenbefragung können keine Aspekte abgeleitet werden, die eine Anpassung im Grundaufbau des illustrierten Phasenmodells nahelegen. Vereinzelt können jedoch die Erkenntnisse bei der konkreten Ausgestaltung der Phasen hilfreich sein. Viele der in der Befragung gewonnenen Erkenntnisse sind ferner in hohem Maße mit den aus der Literaturanalyse abgeleiteten Implikationen für das Modell kompatibel.

Für die Phase der Zielbildung einer Omni-Channel-Strategie kann vor dem Hintergrund der Befragung noch einmal hervorgehoben werden, dass alle involvierten Personen im Unternehmen möglichst ein gleiches Verständnis von Omni-Channel-Retailing mitbringen sollten, und dass die mit der Strategieausarbeitung beauftragten Personen über eine hohe Kompetenz in den Bereichen Projektmanagement und Digitalisierung verfügen sollten. Die Notwendigkeit der Erarbeitung und Verankerung der Omni-Channel-Strategie auf der obersten Führungsebene wurde bestätigt. In der Analysephase der Omni-Channel-Strategie sollte die Analyse mit Bezug auf die identifizierten Erfolgsvoraussetzungen für das eigene Unternehmen und die Konkurrenten durchgeführt und auf dieser Basis das entsprechende SWOT-Profil abgeleitet werden. Bei der Omni-Channel-Strategieauswahl wurde seitens der Expertinnen und Experten die hohe Priorisierung der Kundenzentrierung uneingeschränkt bestätigt. In Bezug auf die nachfolgenden Phasen sind Offenheit, Flexibilität und Agilität zielführende Leitprinzipien für eine fortwährende Anpassungsfähigkeit der Omni-Channel-Strategie.

Abschließend werden die einleitend gestellten Forschungsfragen vor dem Hintergrund der erfolgten konzeptionellen und empirischen Analyse beantwortet.

Wie sind Omni-Channel-Strategien im Rahmen des Strategischen Managements zu verorten, und welchen Einfluss haben diese auf die anderen strategischen Gestaltungsperspektiven?

Omni-Channel-Strategien sind als Gesamtstrategien eines Unternehmens zu betrachten, da mit diesen wettbewerbsprägende strategische Schlüsselfragen für die Schweizer Detailhandelsunternehmen verbunden sind, die alle Bereiche eines Unternehmens betreffen, und nur so der zur erfolgreichen Implementierung notwendige Kulturwechsel möglich ist. Omni-Channel-Strategien sollten deshalb auf der höchsten Managementebene erarbeitet und vertreten werden. Omni-Channel-Strategien betreffen somit sämtliche Bereiche eines Unternehmens. Aus ihnen resultieren andere und teilweise völlig neue Kompetenzbedarfe in den Bereichen Führung, Marketing, Verkauf, Kundendienst, Logistik, Personalwesen, IT und Recht.

Welche Omni-Channel-Strategien setzen sich aktuell im Non-Food-Einzelhandel in der Schweiz durch und weshalb (Voraussetzungen/Erfolgsfaktoren)?

Wesentliche Komponenten aktuell und zukünftig relevanter Omni-Channel-Strategien sind Tablets in den Verkaufsstellen, eine verlängerte Ladentheke, Live-Videoberatung, QR-Codes auf Produkten oder im Store, um auf den Online-Kanal zu verweisen, Click & Collect, respektive Click & Reserve, Online-Retouren in der Verkaufsstelle abwickeln, Standortsuche auf der Homepage, Öffnungszeiten auf der Homepage, ein Regalfinder, der einem hilft in einer Filiale ein Produkt zu finden sowie die Online-Bestandsanzeige. Marktsegmente, die stärker von der Verschiebung der Umsätze in den E-Commerce betroffen sind, sind im Omni-Channel-Retailing in der Schweiz weiter fortgeschritten. Weniger weit entwickelte Omni-Channel-Strategien sind im Schweizer Non-Food-Einzelhandel in Segmenten anzutreffen, in denen die persönliche Beratung oder das physische Erlebnis besonders im Vordergrund stehen. Als Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strategieimplementierung konnten folgende Faktoren identifiziert werden: Eine hohe Finanzkraft und Investitionsbereitschaft, das Überschreiten einer kritischen Unternehmensgröße, hohe Kompetenzen im Unternehmen bezüglich Digitalisierung und Projektmanagement, das Tragen der Strategie durch die oberste Führungsebene, eine hohe Kundenzentriertheit der Strategie, eine stimmige Unternehmenskultur, eine durchgängige Kommunikation der Strategie, eine auf die Strategie hin angepasste Aufbau- und Ablauforganisation, ein kompatibles Incentivierungssystem, das kein Silodenken zwischen den Kanälen fördert, stimmige IT-Systeme, welche eine gute Customer Experience ermöglichen, ein professionelles Stammdatenmanagement, die intensive Nutzung von Kundendaten sowie eine generell flexible und agile Grundhaltung.

Welche Omni-Channel-Strategien könnten künftig im Kontext der technologischen und marktspezifischen Veränderungen in der Schweiz an Relevanz gewinnen?

Es ist davon auszugehen, dass die Online-Kanäle weiter an Bedeutung gewinnen werden, und die stationären Kanäle im Schweizer Non-Food-Einzelhandel sich deutlich verändern werden. Neue Technologien ermöglichen ein besseres Verzahnen der Kanäle. Konkret können für den Online-Bereich folgende Trends eruiert werden: Direct to Customer-Verkauf, steigende Relevanz von Marktplätzen, Internationalisierung des Wettbewerbs, steigende Relevanz von Social Media und neue Konzepte im Bereich der letzten Meile. Stationär ist davon auszugehen, dass die Emotionalisierung des Einkaufserlebnisses wichtiger wird, die Flächen weiter reduziert und funktional neu ausgerichtet werden, dass Convenience wichtiger wird und die Sharing Economy vermehrt auch im Non-Food-Detailhandel Eingang findet. Ferner dürfte das Auswerten von Kundendaten (Big Data) deutlich an Relevanz gewinnen und neue Mobile-Konzepte dürften weitere Perspektiven für das Omni-Channel-Retailing ermöglichen.

Lassen sich generelle Empfehlungen für die Ausgestaltung und Umsetzung von Omni-Channel-Strategien im Non-Food-Einzelhandel in der Schweiz ableiten?

Generelle Empfehlungen, die für alle Unternehmen gleichermaßen greifen, lassen sich nur bedingt ableiten, da im Schweizer Non-Food-Handel teils große Unterschiede herrschen, was die Größe der Unternehmen, aber auch deren Angebote angeht. Was für ein kleines Unternehmen im Bekleidungssegment gilt, gilt nicht für das Großunternehmen im Bereich Consumer Electronics. Vor dem Hintergrund der identifizierten Marktentwicklungen scheinen jedoch für alle Non-Food-Einzelhandelsunternehmen der Schweiz eine Auseinandersetzung mit der Omni-Channel-Thematik auf strategischer Ebene und die Prüfung von Optionen für eine individuelle Omni-Channel-Strategie zwingend. Das konzipierte einfache Phasenmodell kann dabei eine Hilfestellung geben.

7.4 Fazit und Ausblick

Der Schweizer Non-Food-Detailhandel hat grundsätzlich eine gute Ausgangslage, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, da große Marktplätze in diesem Land noch nicht gleich präsent sind wie in anderen Ländern. Dies ermöglicht es, dem hiesigen Einzelhandel Omni-Channel-Strategien so zu erarbeiten, dass diese auch profitabel sind. Das spiegelt sich auch darin wider, dass neue Omni-Channel-Konzepte und -Ideen selten ihren Ursprung in der Schweiz haben, sondern aus dem Ausland kommen. Die starke Prägung des Schweizer Detailhandels durch die beiden großen Genossenschaften Migros und Coop und die Dominanz des Paketmarkts durch zwei Anbieter verstärken diese Tendenz. Die im internationalen Vergleich hervorragende technische/digitale Infrastruktur der Schweiz wirkt wiederum sehr erfolgsfördernd für die Umsetzung von Omni-Channel-Strategien. Insgesamt sind also die Voraussetzungen zur Weiterentwicklung des Omni-Channel-Retailing an sich sehr gut, während der Entwicklungsstand zum Zeitpunkt der Analyse im internationalen Vergleich eher durchschnittlich erscheint. Für die Zukunft kann einhergehend mit einer weiteren Konzentration der Anbieterstrukturen und Nischenbildungen in verschiedenen Marktsegmenten eine zunehmende Verbreitung von Omni-Channel-Strategien im Schweizer Non-Food-Detailhandel erwartet werden.