6.1 Einleitung

Digitale Transformation und Nachhaltigkeit sind zwei Megatrends, welche die Welt in den kommenden 15–20 Jahren tiefgreifend verändern werden (Berg & Ramesohl, 2019; Krys, 2017). Nachhaltigkeit und globale Verantwortung sind Anliegen der Weltgemeinschaft. Im Jahr 2015 wurden von den Vereinigten Staaten 17 Ziele (Sustainable Development Goals) für nachhaltige Entwicklung festgelegt (United Nations, 2015). Diese globalen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung haben zum Entstehen vieler Initiativen auf regionaler (z. B. Europäische Union) und nationaler Ebene geführt. Sie reichen von neuen Umweltrichtlinien zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (z. B. Green Deal der Europäischen Union) bis hin zu Maßnahmen zur Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Huber, 2000). Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Transformation zu (mehr) Nachhaltigkeit ist seit der Verabschiedung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) für nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gewachsen.

Der zweite Megatrend, die Technologiedynamik und Innovation, wird meistens auch mit dem Begriff Digitalisierung, digitaler Transformation oder auch Industrie 4.0 bezeichnet (Hofmann & Rüsch, 2017). Der Trend verändert bestehende Prozesse und hat zu komplett neuen Geschäftsmodellen geführt. Technologien zur Automatisierung, Vernetzung und autonomem Agieren von Maschinen und Programmen erfassen unterdessen sämtliche Branchen. Die neuen Herangehensweisen verändern die Sicht auf Produktions- und Lieferketten nachhaltig. Dabei entstehen Chancen wie bspw. erhöhte Effizienz, welche einerseits zu sinkenden Kosten, andererseits aber auch zu einer geringeren Umweltbelastung führen kann (Deckert, 2015).

Die beiden Megatrends können miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die digitale Transformation fördert, so die Perspektive in diesem Beitrag, in der Geschäftswelt die Ressourceneffizienz. Neue Technologien, basierend auf Echtzeitdaten, verringern den Ressourcenverbrauch bei stabiler Leistung.

Gemäß dem IT-Berater PTC kann die Einführung digitaler Lösungen in einem Teil der Wertschöpfungskette eine Dynamik auslösen, von welcher alle Stakeholder profitieren können. Beispielsweise können Lieferzeit- und Kosten gesenkt werden oder Reparaturen aus der Distanz sind möglich durch den Einsatz von Augmented Reality (Hannen, 2021). Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei Optimierung von Prozessen führt einerseits zu höherer Effizienz, es können aber auch ökologisch positive Effekte entstehen, beispielsweise weniger Abfälle, Reduktion von Ressourcen und damit zusammenhängend geringere Emissionen in der Lieferkette (Strandhagen et al., 2017). Dies trägt zu einer nachhaltigen Wirtschaft generell und einer Reduktion der negativen Umweltauswirkungen bei.

Die Ressourceneffizienz ermöglicht die Erreichung der Ziele nachhaltiger Entwicklung, unabhängig davon, ob ein Unternehmen über eine Nachhaltigkeitsstrategie verfügt oder nicht, solange der Ressourcenverbrauch gesenkt wird. Mit dem Einsatz neuer Technologien kann die Produktion von Gütern und Dienstleistungen mit weniger Kosten und weniger Zeitaufwand erbracht werden (Huber, 2000). Dieser Ansatz wurde in den letzten Jahren verstärkt auch in der Logistikbranche verwendet. So werden unterdessen beispielsweise im Güterverkehr Technologien wie das Internet of Things (IoT), Big Data, Cloud Logistics, digitale Identifikatoren sowie Sensorik, Blockchain und Automatisierungstechnik eingesetzt, die das Potenzial haben zu einer Transformation der Branche zu mehr Nachhaltigkeit in der Leistungserbringung (Hofmann & Rüsch, 2017).

Dass die Transportbranche sich verstärkt mit der Nachhaltigkeit befassen sollte, wurde auch in den vergangenen Jahren mit der Corona-Pandemie sichtbar. Während der Pandemie hatte sich der Konsum und insbesondere das Kundenverhalten stark vom Offline- zum Online-Kauf entwickelt. Dies wurde für die Unternehmen eine große Herausforderung, denn die globalen Lieferketten, insbesondere aber die Transportkapazitäten, waren stark belastet. Die Logistikdienstleister gerieten unter Druck, ihre Prozesse effizienter zu gestalten und mehr Transportkapazität und -leistungen auf dem Markt zur Verfügung zu stellen. Als mögliche Lösung zeigte sich der Einsatz digitaler Technologien wie Big Data Analytics, datenbasierte Entscheidungsfindung, Echtzeit-Verkehrsüberwachung sowie die Reduzierung von Prozessineffizienzen. Diese neuen Ansätze erhielten mehr Aufmerksamkeit und beschleunigten Entwicklungen, indem mehr in digitale Technologien investiert wurde. Solche Ansätze in der Logistikbranche lassen das Potenzial erahnen, wie mit zunehmendem Einsatz datengestützter Prozessoptimierung und neuer Technologien die Erbringung von Transportleistungen zu mehr Nachhaltigkeit verändert werden kann (GS1 Switzerland, 2017).

Ausgehend von der Vermutung eines positiven Zusammenhangs zwischen dem Einsatz von digitalen Technologien und dem ökologischen Fußabdruck sowie ökonomischer Nachhaltigkeit wurde eine empirische Untersuchung bei Logistikdienstleistern in der Schweiz durchgeführt.

6.2 Theorie/Modell/Framework

Im nachfolgenden Abschnitt werden die Konzepte Digitalisierung und Nachhaltigkeit erläutert. Zusätzlich werden, zwecks besseren Verständnisses, die digitalen Technologien in der Logistik vorgestellt sowie deren Wechselwirkungen mit der nachhaltigen Entwicklung.

6.2.1 Digitalisierung

Die Digitalisierung vernetzt die physische mit der digitalen Welt, wodurch mit dem Internet of Things (IoT) eine neue Dimension entsteht. Die IT-Systeme der Unternehmen kommunizieren über Smartphones und Apps wie auch über verschiedene Sensoren miteinander. Nicht nur die bekannten Endgeräte, auch Maschinen und beispielsweise Fahrzeuge werden nun mit Sensoren versehen und damit in die Unternehmens-IT integriert. Dank Smart Connectivity entsteht ein Ökosystem von Daten und physischen Geräten. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt, insbesondere aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit von Internetzugang und mobilen Geräten (Wei et al., 2019). Die Vorteile der Digitalisierung sind zahlreich. Einer der wichtigsten Vorteile ist die verbesserte Effizienz und Produktivität, die durch die Automatisierung von Prozessen und den Einsatz von Echtzeitdaten erreicht wird. Die Digitalisierung ermöglicht es auch, auf eine breitere Palette von Kunden zuzugreifen und schneller auf sich ändernde Marktanforderungen zu reagieren. Ein weiterer Vorteil ist die verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation, die durch die Nutzung von digitalen Tools und Plattformen möglich ist (Junge, 2019). Neben den Vorteilen gibt es auch Nachteile der Digitalisierung, wie beispielsweise die Abhängigkeit von Technologie und die potenziellen Sicherheitsrisiken, die mit der Speicherung und Übertragung von digitalen Daten verbunden sind. Es besteht auch die Gefahr, dass der Mensch durch die Automatisierung von Prozessen und die zunehmende Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in bestimmten Bereichen überflüssig wird.

Mit dem steigenden Einsatz der digitalen Technologien stellt sich die Frage des Wirkungsbereichs der Technologien in Unternehmen und der Wirtschaftlichkeit der Investitionen in die digitale Transformation. Verschiedene Autoren beschäftigen sich mit der Erfassung der Wirkungsbereiche und der Messbarkeit des Digitalisierungsgrades, was auch unter dem Begriff der digitalen Maturität Eingang in die Diskussion gefunden hat. Diese Modelle und Frameworks sind aber sehr anspruchsvoll, da keine allgemein gültigen KPI existieren und der Fortschritt sehr stark mit der individuellen Firma und Branche zusammenhängen (Back et al., 2022).

Forscher der IMD Business School haben ein Modell zur Messung der wichtigsten Wirkungsbereiche der Digitalisierung entwickelt. Dieses Modell umfasst 24 Indikatoren, verteilt auf vier Kategorien (operative Effizienz, Arbeitnehmer-Engagement, Kunden-Engagement und Neue Quellen der Erschöpfung). Diese hängen direkt mit Unternehmenszielen in unterschiedlichen Bereichen zusammen (Wade & Marcolivio, 2022).

Ein weiteres Messmodel des Digitalisierungsgrads ist der für Praktiker entwickelte Digital Excellence Checkup des Vereins swissICT. Dieses Modell bietet eine allgemeine Standortbestimmung, basierend auf einem Fragekatalog aus den Bereichen Strategie und Transformationsmanagement, Unternehmens- und Führungskultur, Innovationsmanagement, Customer Experience, Prozessautomatisierung, ICT und Daten); es ermöglicht den Vergleich innerhalb der Branche (swissICT, 2022).

6.2.2 Digitale Technologien in der Logistikbranche

Der Logistik- und Transportsektor befindet sich inmitten der digitalen Transformation. Zu einer Beschleunigung der Digitalisierung in dieser Branche hat unter anderem auch die Corona-Pandemie beigetragen. Während der Pandemie ist der Onlinehandel stark gewachsen, was zu einer erhöhten Nachfrage nach Logistik-Dienstleistungen geführt hatte. Dies wurde für die Unternehmen eine große Herausforderung, denn die globalen Lieferketten, insbesondere aber die Transportkapazitäten, waren stark belastet. Aufgrund der erhöhten Nachfrage, der Kapazitätsengpässe sowie hohem Wettbewerbsdruck setzen sich Dienstleister in dieser Branche stärker mit neuen, digitalen Technologien auseinander als beispielsweise normale Handelsunternehmen (GS1 Switzerland, 2017). Andererseits kann sich die digitale Transformation in der Logistikbranche verzögern aufgrund der sehr hohen Investitionen, die mit der Einführung der Technologien verbunden sind sowie des Fachkräftemangels und des fehlenden Know-hows (Wei et al., 2019).

Bereits weit verbreitete digitale Technologien betreffen die Systeme des Internet of Things (IOT) im Zusammenspiel mit Lagermanagementsoftwares. Dank Sensoren wie RFID Chips sind alle Geräte und Transporteinheiten (Paletten, Boxen und andere Gefäße) an ein einheitliches System gekoppelt. Dieses ermöglicht die effiziente Planung und Verwaltung des Lagers, gesteuert durch die Software. Die Software ihrerseits erstellt mit dem Einsatz von KI Bedarfsprognosen und generiert automatische Nachbestellungen. KI selbst ist Bestandteil von Robotiksystemen, welche in den voll automatisierten der großen Spediteure zum Einsatz kommen (Schedlbauer, 2016).

Um eine effiziente Lagerverwaltung bei manuellen oder halb-automatisierten Lagern sicherzustellen, sind Arbeitskräfte mit smarten Geräten ausgestattet. Smartphones und Scanner werden verwendet, dass die Bestände jederzeit aktuell sind, auch wenn die Waren manuell eingelagert werden. Systeme wie pick by voice oder pick by light unterstützen beim Kommissionieren (Zusammenstellen der Bestellungen und Lieferungen). Über Sprach-/oder Lichtsteuerung kann so direkt mit der Software kommuniziert werden, während die Hände frei sind (Rožić, 2018).

In der Transportlogistik werden teilweise ähnliche Technologien eingesetzt, jedoch in eingeschränkter Form, da der Transport von Waren im öffentlichen Raum stattfindet und somit reglementiert ist.

Die Sammlung und Analyse großer Datenmengen (Big Data) ermöglichen im Fahrzeug eingebaute Computer und Sensoren. Während der Fahrt und dem Be- und Entladen generieren im Fahrzeug eingebaute Computer laufend Daten zu Geschwindigkeit, Gewicht, Beschleunigungskräften oder zum Standort. Softwares erstellen damit Vorschläge für eine bessere Auslastung der Transportmittel und effizientere Fahrweise, dadurch sinkt der Kraftstoffverbrauch.

In den Transportmanagementsoftwares kommt ebenfalls die KI zum Einsatz und ermöglicht eine effizientere Routenplanung, minimiert Leerfahrten und entlastet die Lastwagen fahrende Person sowie die Disposition. Die Effizienzsteigerung kann gewährleistet werden, da verschiedene Faktoren wie Verkehrsaufkommen, Fahrverbote und das Gelände miteinbezogen werden (Grabara et al., 2014).

6.2.3 Technologie Trends in der Logistikbranche

Nebst den genannten Technologien sind bereits weitere in der Endphase der Entwicklung. Sie alle verfolgen das Ziel, die Logistik noch verlässlicher, kostengünstiger und transparenter zu gestalten. Manche stammen aus der Gaming Industrie (Augmented Reality) oder sind bekannt aus der Kryptowährungsszene (Distributed Ledger, Blockchain). Andere, wie die Autonomen Fahrzeuge, werden bereits im kleinen Rahmen eingesetzt und sind weiter verbreitet. All die genannten Trends bieten Erfolgschancen und haben das Potenzial, die Branche zu verändern und nachhaltiger werden lassen.

(Teil-)Autonome Fahrzeuge werden bereits in Lagern und auf Privatarealen eingesetzt. Für eine maximale Effizienzsteigerung sollen autonome Lastwagen das Transportpersonal überflüssig machen und somit auch im öffentlichen Raum eingesetzt werden. Dieser Automatisierungsschritt soll Einsparungen um bis zu 80 % ermöglichen. Obwohl die Technologie selbst Mehrkosten verursacht, kann durch den Wegfall der Kabine mit weniger Anschaffungskosten pro Lastwagen gerechnet werden. Die Effizienzsteigerung ergibt sich dadurch, dass unabhängig von Ruhezeiten der Angestellten geplant werden kann. Dadurch erhöht sich die verfügbare Einsatzzeit der Fahrzeuge erheblich. Die Expert*innen gehen davon aus, dass diese Technologie innerhalb der nächsten zehn Jahre soweit fortgeschritten sein wird, dass sie kommerziell eingesetzt werden kann (Kliesing, 2018).

Die Technologie Augmented Reality ist im Vergleich zu Systemen wie pick by voice weniger verbreitet. Sie wird oft in Form von smarten Brillen verwendet und erfüllt das wichtige Kriterium der freien Hände. Die in der Brille verbauten Kameras, Computerchips und Sensoren identifizieren die verschiedenen physischen Objekte und können sie mit Informationen oder Handlungshinweisen versehen. Zusätzlich kann der ins Sichtfeld projizierende Mini-Projektor für die Navigation und Kommunikation genutzt werden. Die AR-Brille kann in vielerlei Hinsicht bei Verladungs- und Transportprozessen helfen. Zum Beispiel kann sie dabei helfen, die Transporteinheiten korrekt auf der Ladefläche zu platzieren. Darüber hinaus kann sie dem Fahrer beim Führen des Lastwagens helfen, indem sie den ablenkenden Blick auf das Navigationssystem eliminiert. Die Disposition kann auch wichtige Informationen als Textnachrichten senden, die der Fahrer ohne Blick auf das Smartphone lesen kann. Diese Art der Kommunikation steigert die Effizienz der Arbeitenden und reduziert die Fehlerquote erheblich. Außerdem kann durch die Nutzung der Brille der Ausbildungsaufwand für die Fahrer erheblich reduziert werden (Niemöller et al., 2017).

Die Blockchain ist eine Technologie, welche am ehesten in der Verwaltung eingesetzt wird. Diese erlaubt den sicheren, papierlosen Austausch von Daten und Dokumenten wie Koordinaten oder Lieferscheinen. Da auf einer dezentralen Architektur aufgebaut, vermindert sich das Risiko vor Hackerangriffen und Datenverlusten im Zusammenhang mit Systemausfällen (Kersten et al., 2017).

6.2.4 Green Logistics

Unter Nachhaltigkeit wird verstanden, dass in einem bestimmten Zeitraum so viele Ressourcen verbraucht werden dürfen, wie später während desselben Zeitraums wieder zur Verfügung stehen im Sinne der Belastungsgrenzen der Erde (Stoknes & Rockström, 2018). Im betrieblichen Kontext bedeutet dies so zu wirtschaften, dass die Firma im Markt wettbewerbsfähig bleibt, dabei aber auch soziale Bedürfnisse respektiert und auch die Ressourcen für die Produktion nachhaltig berücksichtigt. Allgemein bekannt ist dieses Drei-Säulen-Modell als „Triple Bottom Line“ (ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit) (Scholz & Pastoors, 2018).

Bezogen auf die Logistikbranche spricht man in der Literatur von nachhaltiger Logistik beziehungsweis von „Green Logistics“. Dieses Konzept umfasst alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die Logistik umweltfreundlicher zu gestalten, konkret die Funktionen Transport, Lagerung und Verpackung an der Nachhaltigkeit – Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit – auszurichten. Hierbei werden alle Emissionen berücksichtigt, die durch die Logistikprozesse verursacht werden. Dies schließt nicht nur Treibhausgase und Landnutzung ein, sondern auch negative Externalitäten wie Lärm und Wasserverschmutzung, die zum Beispiel aufgrund von Unfällen entstehen können. Es gibt verschiedene Handlungsfelder, auf denen Unternehmen tätig werden können, um diese Externalitäten zu reduzieren. Green Logistics bietet Unternehmen die Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, indem sie nachhaltigere Praktiken in ihre Logistikprozesse integrieren (Koch, 2012).

Trotz dieser Vielzahl an positiven Aspekten von ökologisch nachhaltiger Logistik wird das Konzept nicht flächendeckend angewandt, da Verlässlichkeit und Rentabilität höher gewichtet werden. In der Schweiz trug der Gütertransport im Jahr 2019 alleine 20 % zu den Emissionen im Straßenverkehr bei (BFS, 2020). Ein Hauptgrund dafür ist, dass ein Großteil der Last- und Lieferwagen mit Dieselmotoren ausgestattet ist. Ein Umstieg auf hybrid oder vollelektrisch betriebene Fahrzeuge kann den Treibstoffverbrauch und so den direkten CO2 Ausstoß um 10–100 % verringern (Dönmez, 2012). Die Technologie wird vor allem in der urbanen Logistik bereits angewendet. Aufgrund der geringen Reichweite, langen Ladezeiten und des hohen Eigengewichts der Batterie sind Elektrofahrzeuge für lange Strecken und schwere Fracht noch ungeeignet und keine Alternative (Grazia Speranza, 2018).

Wirksame Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in den Dimensionen Transport, Lagerung und Verpackung sind die effiziente Routenplanung und ein weitsichtiges Lagermanagement. Durch eine hohe Auslastung der Fahrzeuge können Leerfahrten vermieden, der CO2 Ausstoß verringert und gleichzeitig die Arbeitnehmenden entlastet werden (Deckert, 2016).

Die Konzepte für eine nachhaltige Logistik bestehen – gleichzeitig entsteht durch den E-Commerce und den Trend zu Just-in-time-Bestellungen ein Druck auf die Branche (Rodrigue et al., 2017). Diese Erkenntnisse zeigen, dass aus der Sicht der betrieblichen Nachhaltigkeit in der Logistik sehr viel Potenzial vorhanden ist. Dieses liegt in einer Effizienzsteigerung, die ausgenutzt werden kann.

6.2.5 Digitale Technologien als Treiber der nachhaltigen Transformation in der Logistik

Aus der oben beschriebenen Verbreitung und Anwendung von digitalen Technologien wird ersichtlich, dass die technologischen Innovationen das Potenzial haben, den Ressourceneinsatz effizienter und somit auch nachhaltiger zu gestalten. Die zugrundeliegende Annahme lautet, dass die zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in der Logistik erforderliche Effizienzsteigerung mit neuen Technologien möglich ist (Deckert, 2015; Rodrigue et al., 2017).

Der Einsatz von digitalen Technologien ermöglicht eine bessere Zusammenarbeit zwischen Akteuren in der Wertschöpfungskette, welche durch eine höhere Transparenz erreicht wird. Mit der Verwendung von Cyber-physischen Systemen ist es möglich, Echtzeitdaten zu erfassen und auszutauschen. Dies ermöglicht schnellere Reaktionszeiten sowie eine bessere Disposition der verfügbaren Ressourcen (Junge, 2019). Gemäß einer Fallstudie von Kayikci (2018) entsteht ein belegbarer positiver Effekt zwischen der Anwendung von Technologien des IOT, (teil-)autonomen Prozessen und der Nachhaltigkeit. Dies ermöglicht eine erhöhte Verlässlichkeit bei gleichzeitig sinkenden Transportkosten und schädlichen Emissionen.

Die Möglichkeit zur Einführung solcher Technologien beschränkt sich jedoch mehrheitlich auf größere, etablierte Unternehmen, da die Investitionskosten hoch sind (Wei et al., 2019).

6.3 Ziel der Studie und Forschungsfrage

Die Literaturanalyse (Abschn. 6.2) hat gezeigt, dass es bisher wenige Erkenntnisse zur Nutzung der digitalen Technologien in der Schweizer Logistikbranche gibt, vor allem aber existieren zu wenige Daten und Erkenntnisse über den Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Weiter kann der Literaturanalyse entnommen werden, dass einige Autoren (Berg & Ramesohl, 2019; Gružauskas et al., 2018; Rožić, 2018) einen positiven Zusammenhang zwischen der Nutzung der digitalen Technologien (auch Digitalisierungsgrad oder digitale Maturität genannt) der Logistikunternehmen und dem messbaren nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen sehen.

Daraus ergibt sich die Hauptforschungsfrage wie folgt:

Besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Einsatz digitaler Technologien und nachhaltiger Leistungserbringung in der Logistikbranche in der Schweiz?

Um diese Fragestellung beantworten zu können wird der Digitalisierungsgrad (entspricht dem Einsatz digitaler Technologien) einerseits sowie die Nachhaltigkeit in Schweizer Logistikunternehmen analysiert. Konkret werden folgende Fragen in den Studien einbezogen:

  1. 1.

    Wie hoch ist der Digitalisierungsgrad von Schweizer Logistikunternehmen, bezogen auf die Lagerlogistik und auf die Transportlogistik?

  2. 2.

    Welche digitalen Technologien werden bezogen auf die Lagerlogistik und auf die Transportlogistik in Schweizer Logistikunternehmen eingesetzt?

  3. 3.

    Wie nachhaltig wirtschaften die Logistikunternehmen in der Lagerlogistik und der Transportlogistik? Nachhaltigkeit wird am Ressourcenverbrauch und an den Emissionen analysiert.

  4. 4.

    Besteht somit ein Zusammenhang zwischen dem Digitalisierungsgrad und nachhaltiger Leistungserbringung in der Logistikbranche in der Schweiz?

6.4 Methodologie

6.4.1 Empirische Studie

Um die oben definierte Forschungsfragen bzgl. des Stands der Digitalisierung sowie des Zusammenhangs zwischen Digitalisierungsgrad und nachhaltigem Verhalten in der Logistikbranche in der Schweiz beantworten zu können, wurde eine empirische Studie durchgeführt. Da keine Daten vorhanden waren, mussten diese in einer Umfrage (online) zuerst erhoben werden. Das Ziel war, einen möglichst großen Anteil der Logistikunternehmen in der Schweiz zu erreichen.

6.4.2 Stichprobe

Die Zielgruppe der empirischen Umfrage umfasst die Schweizer Unternehmen der Logistikbranche. Die Branche ist sehr heterogen und deshalb wurde die Zielgruppe bewusst stark eingegrenzt, um möglichst vergleichbare und aussagekräftige Antworten zu erhalten. Auf der Basis der Liste „Top 100 Logistikdienstleister der Schweiz“, herausgegeben vom Verein GS1 Switzerland und der Universität St. Gallen (GS1 Switzerland, 2017) wurde eine Stichprobe der Unternehmen mit folgenden Kriterien definiert.

  1. 1.

    Größe

    Die Unternehmen beschäftigen mindestens 80 Mitarbeitende und betreiben Lager- und Transportlogistik. Kleinere Gesellschaften wurden ausgeschlossen, da deren Investitionsmittel in neue Technologien sehr beschränkt sind. Es wurde bewusst auf finanzielle Indikatoren verzichtet, da Schweizer Logistikdienstleister sehr verschwiegen sind und öffentliche Zahlen nicht verlässlich sind.

  2. 2.

    Transportmittel

    Das Haupttransportmittel der gewählten Unternehmen sind Lastwagen. Die Transportmittel Schiene, Wasser und Luft unterscheiden sich stark und haben verschiedene Anwendungszwecke. Ebenfalls herrschen unterschiedliche Rahmenbedingungen für Volumen, Gewicht oder Besteuerung.

  3. 3.

    Güter

    Für diese Studie relevant sind Logistikdienstleister, welche hauptsächlich Stückgut transportieren oder lagern. Flüssigkeiten, lose Güter (Kies, Schutt, unverpacktes Getreide/Salz) oder Spezialgüter (u. a. Autos, Baumaschinen, übergroße Waren) müssen mit Spezialfahrzeugen transportiert und in besonderen Lagern aufbewahrt werden. Die Emissionen und angewendeten Technologien lassen sich nicht vergleichen.

Die Stichprobe umfasst 30 Schweizer Logistikunternehmen, welche befragt wurden. Die selektierten Unternehmen repräsentieren 4,5 Mrd. CHF Umsatz (28 %) und 18.012 Mitarbeitende (32 %) im Jahr 2018. Dies entspricht 28 % bzw. 32 % der 100 größten Transportdienstleister in der Schweiz (GS1 Switzerland, 2017).

6.4.3 Onlineumfrage

Die Umfrage wurde in drei Teile gegliedert: Informationen zum Unternehmen, Lagerlogistik und Transportlogistik.

Die beiden Teile der Lager- und Transportlogistik umfassten Fragen zum Einsatz von digitalen Technologien, deren Einführungsdatum sowie zu Ressourcen (bspw. Energie-, Treibstoffverbrauch, Personalbedarf, etc). Die Zahlen wurden über vier Jahre erhoben, um den Einfluss von digitalen Technologien analysieren zu können und Effekte von Einzelereignissen abzuschwächen.

6.4.4 Operationalisierung des Digitalisierungsgrades der Logistik

Das Design der Umfrage sieht eine Messung des Digitalisierungsgrads von Schweizer Logistikunternehmen vor. Die bestehenden Methoden zur Messung der digitalen Maturität wurden analysiert und evaluiert (Siehe Kap. 1). Da allerdings keine Frameworks existieren, welche die digitale Maturität von Logistikunternehmen beschreiben, benötigt es eine spezifische Messung der digitalen Maturität in der Lager- und Transport-Logistik. Basierend auf der Analyse der vorhandenen Methoden und Tools wurde eine Messskala für die Schweizer Logistikbranche entwickelt. Diese Messung beschränkt sich jedoch auf den operativen Bereich der Lager- und Transportlogistik in Anlehnung an die Kategorie „operative Effizienz“ des IDM Models von Wade und Marcolivio (2022) und die Kategorie „ICT and Data“ des Digital Excellence Checkup der swissICT (2022). Die Messung basiert auf der Intensität der Nutzung der digitalen Technologien in der Lager- und Transportlogistik. Die gängigsten digitalen Technologien in der Lager- sowie Transportlogistik (Abschn. 6.2.2) wurden aufgelistet und auf Basis der Literaturrecherche (Abschn. 6.2) nach Wirkung auf die Unternehmensprozesse kategorisiert. Die Liste der Technologien sowie die Bewertung ist in Tab. 6.1 erläutert.

Tab. 6.1 Bewertung der Items der digitalen Technologien in der Lagerlogistik. (Quelle: Eigene Darstellung)

Je höher der Wert für das Unternehmen ausfällt, desto höher ist der Digitalisierungsgrad des jeweiligen Unternehmens im Bereich der Lager- und der Transportlogistik.

Tab. 6.2 erläutert den erhobenen Wert für den Digitalisierungsgrad in der Transportlogistik.

Tab. 6.2 Bewertung der Items der digitalen Technologien in der Transportlogistik. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.4.5 Operationalisierung der Nachhaltigkeit

Die Auswertung der Kategorie Nachhaltigkeit wurde auf die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit beschränkt (Ausschluss der sozialen Nachhaltigkeit). Der Ressourcenverbrauch pro Bezugseinheit (bspw. Energieaufwand Lager/m2, Treibstoffverbrauch/t Fracht) wurde gemessen und als Indikator für die nachhaltige Leistungserbringung verwendet. Dabei wurden nicht die Werte eines bestimmten Zeitpunkts, sondern die Veränderung des Ressourcenverbrauchs nach der Einführung der digitalen Technologien berücksichtigt. Dazu wurde ein Indexwert aus den Daten wie folgt gebildet. Der Wert vor der Einführung der ersten digitalen Technologie entspricht dem Indexwert 100. Der Indexwert 100 beschreibt somit das Jahr vor dem Zeitpunkt, in welchem die erste der in den Tab. 6.1 und 6.2 aufgeführten Technologien eingeführt wurde. Die Veränderung zu den Jahren 2018–2020 wird in Indexpunkten ermittelt und danach in der Analyse berücksichtigt. An einem Beispiel von „transportierter Fracht 2020“ entspricht ein Wert von 122 einer Steigerung der transportierten Fracht von 22 % gegenüber dem Wert vor der Einführung der digitalen Technologien.

Tab. 6.3 zeigt die detaillierte Übersicht der Indikatoren und deren Messeinheiten.

Tab. 6.3 Operationalisierung Nachhaltigkeitsindikatoren. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.4.6 Durchführung Online-Umfrage

An der Umfrage nahmen insgesamt 16 Unternehmen teil, was einer Bruttorücklaufquote von 53 % entspricht. Von den 16 Beantwortungen waren sieben unvollständig und konnten nicht in die Auswertung mit einbezogen werden. Die verbleibenden neun aussagekräftigen Antworten wurden ausgewertet. Somit beläuft sich die Nettorücklaufquote auf 30 %. Die teilnehmenden Firmen repräsentieren ca. 10 % der Schweizer Logistikbranche, basierend auf Umsatz (8 %) und Mitarbeiteranzahl (9 %).

Tab. 6.4 zeigt den anonymisierten Überblick der neun Teilnehmer. Die Definition der Größe erfolgte auf Basis der Anzahl Mitarbeitenden, da die Angaben zu Umsatz aufgrund der Verschwiegenheit in der Branche weniger verlässlich sind. Die Einteilung erfolgte auch auf Grundlage der Struktur der Teilnehmenden und ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit und Darstellung der Ergebnisse.

Tab. 6.4 Übersicht teilgenommene Unternehmen, sortiert nach Anzahl Mitarbeitende. (Quelle: GS1 Switzerland, 2017)

6.5 Resultate

Die Auswertung der Resultate der empirischen Umfrage wird entsprechend der Ziele der Studie und den Forschungsfragen aus Abschn. 6.3 gegliedert. Die Resultate werden in den folgenden Unterkapiteln dargestellt:

  1. 1.

    Digitalisierung von Schweizer Logistikunternehmen:

    Deskriptive Resultate zum Einsatz von digitalen Technologien und Digitalisierungsgrad

  2. 2.

    Nachhaltigkeit von Schweizer Logistikunternehmen:

    Deskriptive Resultate zur Entwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren (Ressourcenverbrauch und Emissionen)

  3. 3.

    Zusammenhang zwischen dem Digitalisierungsgrad und nachhaltiger Leistungserbringung in der Logistikbranche in der Schweiz

Diese Auswertungen fassen die deskriptiven Resultate zum Einsatz von digitalen Technologien und Digitalisierungsgrad zusammen. Nachfolgend wird der Nutzen der einzelnen Technologien einerseits in der Lagerlogistik und andererseits in der Transportlogistik aufgezeigt. Alle teilnehmenden Unternehmen verwenden digitale Technologien im Geschäftsalltag. Die Anzahl Nennungen unterscheidet sich teilweise zwischen den Bereichen Lager- und Transportlogistik.

Nutzung der digitalen Technologien in der Lagerlogistik

Abb. 6.1 zeigt, dass Cyber-physische Systeme (CPS) sowie die Anwendung des Internet of Things und künstlicher Intelligenz die meistgenutzten digitalen Technologien in der Lagerlogistik sind. Jede Firma gibt an, mindestens CPS zu nutzen; andere Technologien wie autonome Fahrzeuge, smarte Geräte sowie Robotik und voll-automatisierte Lager (VAL) werden deutlich weniger genutzt.

Abb. 6.1
figure 1

Anzahl Nennungen der digitalen Technologien in der Lagerlogistik. (Quelle: Eigene Darstellung)

Nutzung der digitalen Technologien in der Transportlogistik

In der Transportlogistik bilden CPS ebenfalls die am häufigsten genutzte Technologie, vor KI, digitalen Lieferscheinen (DGL) und Big Data, wie Abb. 6.2 zeigt. Deutlich weniger verbreitet sind miteinander kommunizierende Fahrzeuge (IoT).

Abb. 6.2
figure 2

Anzahl Nennungen der digitalen Technologien in der Transportlogistik. (Quelle: Eigene Darstellung)

Kombiniert ausgewertet ist in Abb. 6.3 zu erkennen, dass teilweise bedeutende Unterschiede in der Nutzung von Technologien zwischen der Lager- und Transportlogistik bestehen. So wird offensichtlich, dass manche Technologien bisher nur in einem der Logistikbereiche Anwendung finden; so werden bspw. autonome Fahrzeuge nur in der Lagerlogistik und somit intern verwendet, nicht aber in der Transportlogistik (auf öffentlichen Straßen). Andererseits wird Big Data Analytics bisher nur in der Transportlogistik verwendet, was auf die Optimierung der Routen zurückgeht. Diese Feststellung suggeriert, die Bereiche im Weiteren getrennt zu betrachten.

Abb. 6.3
figure 3

Kombinierte Übersicht der Nennungen digitaler Technologien. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.5.1 Digitale Maturität der Logistikbranche

Die digitale Maturität für die Bereiche Lager und Transport wird anhand der definierten Werte in Tab. 6.1 und 6.2 gemessen. Je mehr Technologien eingesetzt werden und je komplexer diese sind, desto höher fällt der Score der digitalen Maturität-Logistik aus.

Die Analyse der digitalen Maturität nach Unternehmensgröße in Abb. 6.4 gemäß Tab. 6.1 zeigt auf, dass die sehr großen Unternehmen im Bereich Lager einen höheren Score erreichen als die großen und mittleren. Basierend auf der Auswertung der aktuellen Literatur würde das Maximum der digitalen Maturität einen Maximalwert von 22 Punkten erreichen. Der höchste gemessene Score in der Lagerlogistik war 17 Punkte. Aggregiert nach Unternehmensgröße erreichen die sehr großen Unternehmen einen Durchschnitt von 13 Punkten, die großen Unternehmen 5,4 Punkte und die mittleren Unternehmen 3 Punkte von 22 möglichen.

Abb. 6.4
figure 4

Erreichte Punkte für digitale Maturität-Logistik (Lager) nach Unternehmensgröße. (Quelle: Eigene Darstellung)

Im Bereich der Transportlogistik sind die Unterschiede zwischen den Größenklassen der Unternehmen etwas geringer ausgefallen. Die digitale Maturität in der Transportlogistik wurde höher gemessen als derjenige in der Lagerlogistik. Das höchste Ergebnis beträgt 9 von maximal 11 erreichbaren Punkten, basierend auf den definierten Technologien in Tab. 6.2. Abb. 6.5 zeigt, dass die sehr großen Unternehmen im Schnitt eine Bewertung von 8,5 Punkten, die großen Unternehmen 5,2 Punkte und die mittleren Unternehmen ebenfalls nur 3 Punkte von maximal 11 erreichen.

Abb. 6.5
figure 5

Erreichte Punkte für digitale Maturität-Logistik (Transport) nach Unternehmensgröße. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.5.2 Nachhaltigkeit von Schweizer Logistikunternehmen

Die Auswertung der Nachhaltigkeitsindikatoren folgt der in Abschn. 6.4.5 definierten indexierten Werte. Verglichen werden jeweils die Zeitpunkte vor Einführung der ersten digitalen Technologie (v. DT) und das jeweils letzte Jahr von der Erhebung (2020). Die Bereiche Lager- und Transportlogistik wurden aufgrund der unterschiedlichen Indikatoren separat betrachtet.

Nachhaltigkeit in der Lagerlogistik

Abb. 6.6 zeigt die Veränderung der Indikatoren vom Zeitpunkt v. DT (Indexwert 100) und dem Jahr 2020. Der Indikator Fläche wurde als Vergleichsgröße beigezogen, um die Beurteilung der Entwicklung von den weiteren Indikatoren besser zu verstehen (größere Lagerfläche Ô mehr Energie, Personal und finanzielle Aufwände, bspw. Miete).

Abb. 6.6
figure 6

Veränderung der Fläche gegenüber Aufwänden v.DT zu 2020. (Quelle: Eigene Darstellung)

Die Lagerfläche hat in dieser Periode um durchschnittlich 11 % zugenommen, Energie und Personal haben ebenfalls zugenommen, jedoch weniger stark als die Fläche. Der Lageraufwand hat in dieser Zeit durchschnittlich um 3,6 % abgenommen. Diese Resultate weisen darauf hin, dass mit der Einführung von digitalen Technologien eine Effizienzsteigerung erfolgt sein könnte. Da die benötigte Lagerfläche stärker als der Energie-, Personalbedarf und der Lageraufwand gewachsen ist.

Nachhaltigkeit in der Transportlogistik

Zur Analyse der Nachhaltigkeitsindikatoren im Bereich Transportlogistik müssen analog zur Fläche beim Lager die Produktionsindikatoren mit einbezogen werden. Im Fall der Transportlogistik handelt es sich um die zurückgelegte Distanz und die transportierte Fracht. Die erste Analyse (vgl. Abb. 6.7) zeigt deren Entwicklung im Zeitraum vor Einführung der ersten digitalen Technologie bis 2020. Beide Kurven verlaufen ansteigend, wobei diejenige der Fracht stärker zulegt. Dies deutet auf eine bessere Auslastung der eingesetzten Fahrzeuge hin (mehr oder schwere Fracht pro zurückgelegte Kilometer).

Abb. 6.7
figure 7

Veränderung Fracht und Distanz über die vier Messzeitpunkte. (Quelle: Eigene Darstellung)

Um aussagekräftigere Aussagen über die Entwicklung von Aufwänden und Emissionen zu generieren, wird das Produkt von Fracht * Distanz gebildet. Dies entspricht der in der Logistikbranche verbreiteten Kerngröße Tonnenkilometer und berücksichtigt die gleichzeitige Entwicklung beider Produktionsindikatoren. Ein Anstieg der transportierten Fracht und zurückgelegten Distanz kann zur Folge haben, dass mehr Fahrzeuge eingesetzt wurden, was zu höheren Werten bei den Nachhaltigkeitsindikatoren (bspw. Treibstoffverbrauch) führt.

Abb. 6.8 zeigt, dass sich Emissionen und Aufwände um maximal 7,5 % erhöht haben (Personal), während 27 % mehr Tonnenkilometer geleistet wurden.

Abb. 6.8
figure 8

Veränderung Fracht * Distanz zu den Nachhaltigkeitsindikatoren. (Quelle: Eigene Darstellung)

Diese unterschiedlich starke Entwicklung weist ebenfalls darauf hin, dass nach Einführung der digitalen Technologien die Fahrzeuge besser ausgelastet wurden und vergleichsweise weniger Treibstoff und Personal benötigt wurden, was wiederum zu geringeren Kosten und Umweltbelastung führt.

6.5.3 Zusammenhang zwischen dem Digitalisierungsgrad und nachhaltiger Leistungserbringung

Die bereits präsentierten Analysen der Entwicklung von transportierter Fracht und der zurückgelegten Distanz im Verhältnis zu Treibstoff-, Personalbedarf und Aufwand weist auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Einführung der digitalen Technologien und der Ressourceneffizienz hin. Um diese Annahme zu testen, wurde eine zusätzliche Analyse durchgeführt. Dabei wurde die Veränderung der Auslastung mit dem Score der digitalen Maturität der Unternehmen in Beziehung gesetzt.

Der Score der teilnehmenden Unternehmen wurde ermittelt und nach der Bewertung in drei Gruppen aufgeteilt:

  • Werte 8 – 11 = Hoch (n = 2)

  • Werte 4 – 7 = Mittel (n = 4)

  • Werte 0 – 3 = Tief (n = 3)

Die Auslastung wird als Relation der transportierten Fracht zu gefahrener Distanz ermittelt. Je stärker die Zunahme von Fracht verglichen mit Distanz ausfällt, desto höher ist die Auslastung. In Abb. 6.9 ist ersichtlich, dass die Unternehmen mit einem hohen Score eine deutlich höhere Auslastung erreicht haben.

Abb. 6.9
figure 9

Entwicklung Auslastung der Fahrzeuge nach Score digitale Maturität Logistik. (Quelle: eigene Darstellung)

6.6 Diskussion der Resultate

In Abschn. 6.5 wurden zuerst die eingesetzten Technologien und anschließend die Entwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren vor- und nach Einführung der digitalen Technologien analysiert.

Die Auswertung der Ergebnisse hat ergeben, dass alle befragten Unternehmen digitale Technologien in der Lager- und Transportlogistik einsetzen. Der ermittelte Digitalisierungsgrad hängt dabei mit der Größe des Unternehmens zusammen. Dieses Ergebnis ist keine Überraschung und bestätigt die Annahme aus der Literatur, dass die benötigten hohen Investitionen für kleine und mittelgroße Unternehmungen ein Hindernis bei der digitalen Transformation darstellen (Wei et al., 2019).

In beiden Bereichen, in der Lagerlogistik sowie in der Transportlogistik, ist in der beobachteten Periode (2018–2020) eine Zunahme der Produktionsindikatoren Fläche, Distanz und Fracht zu beobachten. Gleichzeitig blieben die Indikatoren des Ressourcenverbrauchs unverändert und nahmen nur leicht zu. Dies lässt eine steigende Effizienz in der Logistikbranche vermuten.

In der Lagerlogistik stieg die Fläche in der Vergleichsperiode um 9 %, die aufgewendete Energie und Anzahl Mitarbeitenden stiegen um rund 2,5 %, während der Gesamtaufwand um 3,6 % abnahm. Die Werte zeigen, dass eine Effizienzsteigerung seit Einführung der digitalen Technologien in den Schweizer Logistikunternehmen erfolgt ist. Kayikci (2018) hat mit einer Fallstudie in der Türkei diese Annahme bereits aufgestellt. Die Ergebnisse der Umfrage unter den Schweizer Logistikern bestätigen diese These nun. Experten des WEF (2016) gehen davon aus, dass durch den Einsatz von smarten Technologien die Effizienz weiter zunehmen wird und bei gleichbleibender Lagerfläche weniger Personal benötigt wird.

Gemäß einer Studie aus Litauen von Gružauskas et al. (2018) haben künstliche Intelligenz, Big Data und (teil-)autonome Fahrzeuge starken Einfluss auf den Treibstoffverbrauch im Bereich Transport. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, wurde die Veränderung von Tonnenkilometern u. a. mit der Veränderung von Ressourcenverbrauchsindikatoren verglichen. Obwohl die geleisteten Tonnenkilometer im untersuchten Zeitrahmen (2018–2020) um 27 % zunahmen, verblieben die Indikatoren Treibstoffverbrauch und Transportaufwand auf dem Niveau von vor Einführung der digitalen Technologien. Der Effekt kann bspw. durch verbesserte Auslastung der Fahrzeuge und der gleichzeitigen Reduktion von Leerfahrten erklärt werden. Grabara et al. (2014) haben festgehalten, dass insbesondere der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Routenplanung zu diesem Ergebnis führen kann.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch weitere Einflussfaktoren neben der Einführung der digitalen Technologien zur Effizienzsteigerung und somit nachhaltigerem Umgang mit den Ressourcen geführt haben. Zu solchen Einflussfaktoren könnten bspw. der während und nach der Corona-Pandemie steigende Bedarf und somit auch Druck auf Kapazitätserhöhung der Logistikdienstleistungen gehören.

Dennoch hat die Analyse des Digitalisierungsgrads der befragten Unternehmen und deren Auslastung der Fahrzeuge eindeutige Resultate ergeben. Die Unternehmen mit einem höheren Digitalisierungsgrad haben eine deutlich höhere Auslastung der Fahrzeuge erreicht und somit deren Logistikdienstleistung effizienter und nachhaltiger erbracht als die Unternehmen mit einem niedrigeren Digitalisierungsgrad. Dies stützt wiederum die Annahme der Effizienzsteigerung von Kayikci (2018).

Die präsentierten Resultate sollen unter Berücksichtigung der Limitationen der empirischen Untersuchung sowie der angewendeten Methodologie interpretiert und weiterverwendet werden. Für die Studie konnten aufgrund des Umfangs nicht alle relevanten Faktoren für die Messung von Nachhaltigkeit und digitaler Maturität verwendet werden. Daher stellen die Resultate erste Annäherungen an diese Indikatoren dar. Aufgrund der geringen Zahl an teilnehmenden Unternehmen (n = 9) konnten keine kausalen Zusammenhänge untersucht und die präsentierten Ergebnisse sollen als erste Hinweise auf Zusammenhänge interpretiert werden. Weiter soll berücksichtigt werden, dass die Indexwert-Methode für den Zeitpunkt vor Einführung der ersten digitalen Technologie den Nachteil aufweist, dass dieser unter den befragten Unternehmen verschieden sein kann und somit die Entwicklungen von unterschiedlichen Zeiträumen verglichen wurde. Und nicht zuletzt könnten neben den digitalen Technologien auch andere Einflüsse (die in der Studie nicht berücksichtig wurden) auf die Nachhaltigkeit Einfluss haben, bspw. das Alter der Flotte, der Zustand der Lagergebäude oder besondere Markteffekte wie die Corona-Pandemie.

6.7 Fazit/Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Schweizer Logistikbranche einige digitale Technologien bereits erfolgreich einsetzt. Dabei sind die Cyber-physischen Systeme (CPS) sowie die Anwendung des Internet of Things und künstlicher Intelligenz die meistgenutzten digitalen Technologien in der Lagerlogistik. In der Transportlogistik bilden CPS ebenfalls die am häufigsten genutzte Technologie, vor KI, digitalen Lieferscheinen (DGL) und Big Data.

Die Messung des Digitalisierungsgrades in der operativen Lager- und Transportlogistik zeigt, dass die digitale Transformation zwar begonnen hat, aber noch nicht weit fortgeschritten ist. Die Schweizer Logistikunternehmen haben einen höheren Digitalisierungsgrad bei der Transportlogistik als in der Lagerlogistik erreicht, jedoch in beiden Fällen gibt es noch viel Potenzial. Die Resultate zeigen ebenfalls, dass größere Unternehmen bereits weiter fortgeschritten sind in der digitalen Transformation als kleinere. Angesichts der hohen Investitionen in die Technologie und der Veränderung der operativen Prozesse ist dies wenig überraschend.

Die Resultate der vorliegenden Studie lassen die These aufstellen, dass die Investitionen in digitale Technologien einen positiven Einfluss auf die Ressourceneffizienz und somit auch auf die Nachhaltigkeit der Unternehmen haben.

Die Ergebnisse der Studie lassen vermuten, dass der Einsatz von digitalen Technologien (wie bspw. KI, Big Data) dazu führt,

  • dass weniger CO2 durch unnötige Leerfahrten und durch tieferen Treibstoffverbrauch pro Logistikleistung ausgestoßen wird,

  • dass weniger Ressourcen durch die geringere Anzahl an benötigten Fahrten bzw. Lastwagen dank optimierter Auslastung verbraucht werden,

  • und dass Effizienzsteigerungen und die damit verbundene höhere Wirtschaftlichkeit zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit beiträgt.

In weiteren Forschungsarbeiten sollen diese Annahmen mittels geeigneter Forschungsmethoden getestet werden. Weiter besteht Bedarf an mehr Wissen bezüglich der Herausforderungen der digitalen Transformation der Logistikbranche und der Einflussfaktoren nach Implementierung der digitalen Technologien in der Lager- und Transportlogistik.