11.1 Einleitung

Unternehmertum und Neugründungen von Unternehmen haben einen direkten Einfluss auf die Volkswirtschaft und den Wohlstand eines Landes (Economiesuisse, 2020). In der Schweiz gibt es aktuell ca. 4000 Start-ups, die weniger als 10 Jahre alt sind und damit rund 1 % der Schweizer Unternehmen entsprechen. Die Ausfallquote von Schweizer Start-ups ist im Vergleich zum Ausland zwar niedriger, dennoch scheitern auch immer wieder Start-ups in der Schweiz (Economiesuisse, 2020). Start-ups gelten aufgrund ihrer Innovationskraft und dem überdurchschnittlichen Wachstum als Pioniere für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung (Kollmann et al., 2021). Economiesuisse (2020) zeigt auf, dass Start-ups einen wesentlichen Teil zum Beschäftigungswachstum beitragen und Treiber des Strukturwandels sind. In den vergangenen Jahren haben die Schweizer Wirtschaft und die Politik diverse Maßnahmen implementiert, um Rahmenbedingungen insbesondere für Neugründungen zu stärken. Dabei werden vor allem institutionelle, steuerliche und regulatorische Faktoren verbessert, um Unternehmensaktivitäten kontinuierlich zu fördern (Savoia, 2018). Ein gutes Start-up-Ökosystem und hohe Gründungsaktivitäten erhöhen zudem die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Start-ups werden daher oft Maßnahmen unternommen, um Aktivitäten zu fördern und Ökosysteme für Start-ups zu verbessern (Savoia, 2018).

Grundsätzlich sind Start-ups und deren Gründer:innen in einem Umfeld aktiv, das durch Unsicherheiten geprägt ist. Die Gründe für Erfolg oder Misserfolg sind daher vielfältig (Eichler et al., 2021) und die Frage, was Start-up-Gründer:innen erfolgreich macht, kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Ein Erklärungsansatz folgt dabei der Human- und Sozialkapitaltheorie, welche begründet, das Human- und Sozialkapital von Start-up-Gründer:innen einen wesentlichen Einfluss auf die erfolgreiche Start-up-Aktivität haben (Davidsson & Honig, 2003). Unter Humankapital versteht man Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, die durch Bildung und Erfahrung entstehen. Unter Sozialkapital versteht man die Fähigkeit einer Person aus sozialen Beziehungen, wie: Familie, Freunde, Bekannte und anderen sozialen Beziehungen, einen Nutzen zu generieren.

Human- und Sozialkapital im Unternehmertum wurde durch zahlreiche Studien bereits untersucht. Die Erkenntnisse und Anwendungen sind dabei vielfältig und breit. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Studien, die sich mit dem Humankapital von Gründer:innen (Frese et al., 2007; Marvel et al., 2016; Preisendörfer & Voss, 1990; Unger et al., 2011) beschäftigen und Studien, die das Sozialkapital von Gründer:innen beleuchten (Florin et al., 2003; Glaeser et al., 2002; Greene & Brown, 1997; Greve & Salaff, 2003; Uzzi, 1999). Weiter sind Studien vorhanden, welche einen multitheoretischen Ansatz verfolgen und Human- und Sozialkapital von Gründer:innen in Untersuchungen kombinieren (Backes-Gellner & Moog, 2013; Davidsson & Honig, 2003; Kang & Snell, 2009; Slotte-Kock & Coviello, 2010). Die Studien konnten dabei aufzeigen, dass es einen positiven Einfluss von Human- und-oder Sozialkapital auf die Nachhaltigkeit von Unternehmen gibt (Marvel et al., 2016). Die Transformation von Human- und Sozialkapital im Start-up-Prozess, also die Veränderung, bzw. das Wachstum der unterschiedlichen Skills und ihrer Bedeutung, ist verhältnismäßig wenig erforscht. In diesem Zusammenhang zeigen Davidsson und Honig (2003) und Unger et al. (2011) auf, dass unklar ist, in welchen Phasen die verschiedenen Ausprägungen und Anwendungen des Human- und Sozialkapitals bei Start-up-Gründer:innen im Start-up-Prozess zur Anwendung kommen. Die betrachtete Literatur lässt daher vermuten, dass eine Forschungslücke beim Transformationsprozess des Human- und Sozialkapitals von Gründer:innen im Start-up-Prozess besteht, jedoch davon auszugehen ist, dass dieses insbesondere mit Wachstum des Unternehmens eine Weiterentwicklung erfahren muss.

Die vorangegangene Erläuterung der wirtschaftlichen Relevanz und der Problemstellung sowie der Forschungslücke bilden die Basis für die Entwicklung der nachfolgenden Forschungsfrage:

„Wie wachsen und verändern sich Human- und Sozialkapital von Start-up Gründer:innen im Verlauf der Start-up Entwicklung?“

Dieser Beitrag hat das Ziel diese Forschungsfrage tiefer gehend zu beleuchten. In einem ersten Schritt wird dafür die bestehende Literatur, insbesondere zum Lebenszyklus von Gründungsunternehmen und zu Humankapital und Sozialkapital im Gründungsprozess analysiert und synthetisiert (Abschn. 11.2 ff.). Die Autoren haben neben der theoretischen Analyse sechs Expert:innen befragt und die Aussagen der Expert:innen vor der Literatur gespiegelt, um daraus ein übergeordnetes Modell abzuleiten. Dieses wird im abschließenden Abschn. 11.5 dargestellt.

11.2 Der Lebenszyklus eines Start-ups

Der Lebenszyklus eines Start-ups ist geprägt von Unsicherheit, einem dynamischen Umfeld und einem kontinuierlichen Wandel. Die Entwicklung und die damit verbundenen Schwierigkeiten werden deshalb oft in verschiedene Phasen eingeteilt. Die jeweiligen Entwicklungsstadien können die Rahmenbedingungen verändern sowie die Weiterentwicklung und damit verbundene Chancen, Risiken, Ziele und Aufgaben beeinflussen (Bogott et al., 2017). Für Start-ups kann es daher bedeutend sein, zu wissen in welcher Phase sie sich befinden und welche Herausforderungen sie künftig erwarten (Petch, 2016). In der Literatur gibt es unterschiedliche Definitionen des Entwicklungsprozesses von Start-ups. Grundsätzlich wird der Lebenszyklus von Start-ups in der Literatur anhand von drei bis fünf Phasen beschrieben. In Abb. 11.1 werden die verwendeten Definitionen der Start-up-Phasen zusammengefasst.

Abb. 11.1
figure 1

Definitionen Start-up-Phasen. (Quelle: Eigene Darstellung)

Die Analyse der Literatur zeigt auf, dass die Phasen oft unterschiedlich benannt werden und Phasen aufgespalten oder zusammengefasst werden. Die Definitionen sind sich sehr ähnlich und verfügen über umfassende Parallelen. Im vorliegenden Beitrag wird der Start-up-Prozess deshalb in die folgenden vier Phasen unterteilt und die Bezeichnungen von Bogott et al. (2017) verwendet:

  • Vorgründungsphase

  • Gründungs-/Umsetzungsphase

  • Wachstumsphase

  • Etablierungs-/Reifephase

Die Definition der jeweiligen Phasen wird jedoch auf sämtliche obenstehenden Quellen (Abb. 11.1) gestützt und nachfolgend beschrieben. Die „Etablierungs-/Reifephase“ wird nicht näher behandelt. Da die Phase oft mit dem Übergang in ein herkömmliches KMU identifiziert wird (Bogott et al., 2017; Eichler et al., 2021). Es werden daher nur Gründer:innen und deren Transformation der ersten drei Phasen betrachtet.

Die Abb. 11.2 zeigt den definierten Entwicklungsprozess von einem Start-up grafisch. Gemäß Bogott et al. (2017) kann der Übergang in die nächste Entwicklungsphase nicht immer eindeutig bestimmt werden, sondern erfolgt oftmals fließend.

Abb. 11.2
figure 2

Entwicklungsprozess Start-up. (Quelle: Eigene Darstellung)

11.2.1 Vorgründungsphase

In der Vorgründungsphase liegen die Haupttätigkeiten in der Ent-/Weiterentwicklung und der Evaluierung der Idee sowie in der Überprüfung, ob eine Geschäftstätigkeit auf der Grundlage der Idee möglich ist (Paschen, 2017). Die Idee wird im nahen Umfeld diskutiert und anschließend adaptiert. In einem weiteren Schritt findet ein Austausch mit Branchenexperten, vorhandenen Marktteilnehmer:innen oder potenziellen Kund:innen statt. Das Ziel liegt in der Verbesserung des Problem-Solution-Fits, der anhand von Feedbacks und Diskussionen mit potenziellen Kund:innen erreicht wird (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Petch, 2016). Die Aktivität ermöglicht außerdem den Markt und damit verbundene Chancen und Gefahren, aber auch Trends besser kennenzulernen (Asplund, 2020). Dabei sollte der Zielmarkt wie auch potenzielle Konkurrent:innen, aber auch Partner:innen oder mögliche Distributoren und Absatzkanäle identifiziert werden (Paschen, 2017). Die ersten Planungs- und Vorgründungsaktivitäten finden parallel zur Evaluierung der Idee statt. Das Level der Unsicherheit und der Einsatz von Ressourcen, insbesondere Zeit und Geld, nehmen laufend zu (Salamzadeh & Kawamorita Kesim, 2015). Dazu zählen in einem ersten Schritt die Analyse des Geschäftsmodells und die Erstellung eines Businessplans (Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Die ersten Modelle oder Prototypen können in dieser Phase entwickelt werden (Paschen, 2017). Zudem werden in der Vorgründungsphase Gedanken über die Finanzierung des Start-ups angestellt und in diesem Zusammenhang teilweise erste Gespräche im nahen Umfeld der Gründer:innen geführt (Petch, 2016; Salamzadeh & Kawamorita Kesim, 2015). Die Gründer:innen müssen in der ersten Phase viel lernen und herausfinden, ob sie über die nötige Eigenmotivation verfügen (Bogott et al., 2017). Petch beschreibt dies auch als „Seelensuchphase“ des Start-ups. Aufgrund fehlender Strukturen und Ressourcen ist in dieser Phase ein hoher Grad an Flexibilität wichtig. In dieser Phase kann es bedeutend sein, wenn aus der Idee eine Hands-on-Mentalität entsteht (Bogott et al., 2017). Die Gründer:innen tragen dabei eine hohe Selbstverantwortung in Bezug auf das Lernen und das Selbstmanagement (Salamzadeh & Kawamorita Kesim, 2015). Weiter ist der Umgang und die Kreativität in Bezug auf Ressourcen von hoher Bedeutung (Bogott et al., 2017; Salamzadeh & Kawamorita Kesim, 2015). Die gesamte Vorgründungsphase dauert nach Bogott et al. (2017) für gewöhnlich ein Jahr.

11.2.2 Gründungs- und Umsetzungsphase

Die zweite Phase wird durch die formale Unternehmensgründung eingeleitet. Erste Strukturen werden geschaffen und der Grundstein für die Unternehmenskultur wird gelegt (Bogott et al., 2017). Die in der Vorgründungsphase weiterentwickelte Idee wird in ein marktreifes Produkt oder in eine Dienstleistung transferiert und am Markt eingeführt (Paschen, 2017; Petch, 2016). Im Übergangsprozess der ersten Phase in die zweite Phase wird das Produkt oder der Service basierend auf den Informationsbeschaffungen definiert, angepasst und designt. Weiter wird unter Einbezug der Zielgruppen und deren Bedürfnissen die Positionierung und die Value Proposition des Produkts erarbeitet (Asplund, 2020). Die Markteinführung kann auch anhand eines Prototyps oder eines „minimal viable Products“ erfolgen (Paschen, 2017). Der Kundenzufriedenheit kommt in dieser Phase des Start-ups eine zentrale Rolle zu, da sich mit dem Eintritt in den Markt die Kundeninteraktion maßgeblich erhöht. Das Start-up muss sicherstellen, dass die Produkte oder Dienstleistungen die Bedürfnisse der Zielgruppe möglichst umfassend befriedigen. Die Rückmeldungen der Zielgruppen sind die Basis, um das Produkt weiterzuentwickeln und den Produkt-Market-Fit zu stärken (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Die Schaffung der ersten Strukturen ist mit dem Aufbau der Organisation verbunden, zudem können erste Mitarbeiter:innen eingestellt werden (Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Hierbei gilt es zu beachten, dass die ersten fünf Mitarbeitenden für ein Start-up Schlüsselfiguren sind, welche das Unternehmen entscheidend mitgestallten. Die Führungskompetenzen stehen dabei jedoch noch im Hintergrund (Bogott et al., 2017). Die sozialen Werkzeuge des Networkings und der Social-Media-Interaktion sind in der Gründungs- und Umsetzungsphase von hoher Bedeutung und unterstützen ein Start-up in den Bereichen Sales, Rekrutierung, Reichweite und Bekanntheit maßgeblich (Bogott et al., 2017). Die strategische Nutzung der aufgeführten Elemente kann die Etablierung am Markt stärken und Partnerschaften fördern. Die Gründer:innen müssen mit dem Markteintritt zudem Preise festlegen und optimale Wege zur Monetisierung der Idee finden (Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Die Weiterentwicklung des Start-ups ist in dieser Phase bedeutend, dabei sollten Überlegungen und Pläne aufgestellt werden, wie die Idee und die Geschäftsfelder ausgebaut werden können (Paschen, 2017). Die Gründung, der Markteintritt und das Vorbereiten des Wachstums sind mit Investitionen und Kapitalbedarf verbunden. Die Gründer:innen müssen daher sicherstellen, dass das benötigte Kapital zur Verfügung steht. In dieser Phase sind: Flexibilität, Lernfähigkeit und konstantes Anpassen des Unternehmens und dessen Strukturen zentral. Weiter gelten Kreativität, Mut neue Wege zu beschreiten und Offenheit gegenüber Neuem als wichtige Kompetenzen (Bogott et al., 2017).

11.2.3 Wachstumsphase

In der dritten Phase des Lebenszyklus eines Start-ups steht das Wachstum und die Skalierung im Vordergrund. Dabei werden die Marktdurchdringung und die Ausweitung des Geschäftsmodells angestrebt. Hierbei bilden die Schaffung einer beständigen Einkommensquelle und die stetige Akquise von Neukund:innen die Basis (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Petch, 2016). Die Kapitalintensivität in dieser Phase steigt mit dem fortlaufenden Unternehmenswachstum. Gründer:innen müssen sicherstellen, dass dem Start-up stets genügend Geld zur Verfügung steht, um das Wachstum zu finanzieren (Bogott et al., 2017). Die Unsicherheit kann sich aufgrund des Kapitalbedarfs, trotz einem verbesserten operativen Cashflow, erhöhen (Paschen, 2017). Weiter kann sich die Beschaffung von Kapital als zeitintensiv und schwierig erweisen (Bogott et al., 2017; Salamzadeh & Kawamorita Kesim, 2015). Die Gründer:innen müssen sich fortlaufend in die Führungsposition des Unternehmens bewegen und die Entwicklung des Unternehmens steuern und die organisationalen Veränderungen lenken (Petch, 2016). Dabei werden neue Mitarbeiter:innen mit komplementären Fähigkeiten eingestellt und oft eine zweite Managementebene zwecks Dezentralisierungen geschaffen (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Diese Dezentralisierung beinhaltet die Delegation von Verantwortlichkeiten und erhöht die Kommunikationsanforderungen innerhalb des Unternehmens (Paschen, 2017; Petch, 2016). Die Abläufe und Strukturen werden in dieser Phase fortlaufend verstärkt und die Kultur des Unternehmens festigt sich. Gemäß Petch (2016) müssen Gründer:innen das Unternehmen führen und dabei stets an vorderster Front sein, um das Unternehmen optimal zu lenken und die Marktbedürfnisse oder Schwierigkeiten zu verstehen. Die größte Herausforderung in der Wachstumsphase für Gründer:innen liegt folglich im Aufteilen von Zeit und Aufmerksamkeit. Die Gründer:innen müssen in dieser Phase als Manager:innen verschiedene Disziplinen der Betriebswirtschaft auf einmal bewältigen und das Unternehmen führen sowie die Anspruchsgruppen befriedigen (Asplund, 2020; Petch, 2016). Hinzu kommt, dass die Finanzierung des Wachstums die Gründer:innen dazu drängen kann, weitere Anteile abzugeben, was zu zusätzlichem persönlichem Druck oder Stress führen kann (Paschen, 2017).

11.3 Humankapital

Im nachfolgenden Kapital werden die theoretischen Grundlagen des Humankapitals dargelegt und der Begriff für die vorliegende Arbeit definiert. Im Anschluss wird die vorhandene Forschung von Humankapital im Unternehmertum beschrieben und aufgearbeitet.

11.3.1 Definition und theoretische Grundlagen

Die Humankapitaltheorie wurde durch Becker (1994), Mincer und National Bureau of Economic Research (1974) und Schultz (1959) begründet. Die Theorie beschreibt, dass Wissen die kognitive Fähigkeit eines Einzelnen steigert und zu einem effizienteren Tätigkeitspotenzial führt. Im Ursprung besagt die Theorie, dass Personen über unterschiedliches Wissen und Fähigkeiten verfügen, die sich in Einkommensunterschieden auswirken. Die Ungleichheit ist auf unterschiedliche Investitionen in das Humankapital zurückzuführen, die Individuen unternehmen. Becker (1994) unterteilt Humankapital in zwei differenzierte Konzeptualisierungen. Das eine Konzept unterscheidet Humankapitalinvestitionen von Ergebnissen aus Humankapitalinvestitionen. Hierbei werden Ergebnisse aus Humankapitalinvestitionen als erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten verstanden. Nach Becker (1994) führen reine Humankapitalinvestitionen in die Ausbildung und die Arbeitserfahrung nicht zwingend zu Wissen oder Fähigkeiten. Das andere Konzept bezieht sich auf die Aufgabenbezogenheit der Humankapitalinvestition oder deren Ergebnissen. Hierbei wird zwischen aufgabenbezogenem Humankapital und nicht-aufgabenbezogenem Humankapital unterschieden. Eine aufgabenbezogene Humankapitalinvestition oder deren Ergebnis dient dazu Wissen für eine bestimmte Aufgabe zu gewinnen. Nach Marvel et al. (2016) wird dies durch spezifische Erfahrungen innerhalb einer Industrie, einem Start-up oder durch die Anwendung von unternehmerischen Fähigkeiten erlangt. Während eine aufgabenunabhängige Humankapitalinvestition oder deren Ergebnisse keine spezifischen Aufgaben fördert und durch die Allgemeine Bildung oder Erfahrung entsteht. Davidsson und Honig (2003) stimmen dieser Argumentation zu und beschreiben, dass Humankapital durch die formale Bildung, die nicht formale Bildung und durch Erfahrung oder praktisches Wissen entsteht. Unger et al. (2011) definiert auf der Basis von Becker (1994) Humankapital als Wissen und Fähigkeiten, welches durch Investitionen in Bildung, betriebliche Ausbildung, Arbeitsmarkterfahrung, Branchenerfahrung, Industrieerfahrung, Managementerfahrung, unternehmerische Erfahrung, Start-up-Erfahrung und andere entstehen kann. Marvel et al. (2016) beschreiben Humankapital als Investition in die Bildung, die Erfahrung und die Fähigkeit neues Wissen zu erlangen. Die Folgen der Investitionen bezeichnen sie als Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten.

11.3.2 Humankapital und Start-up-Gründer:innen

Im Kontext des Unternehmertums wird Humankapital mit verschiedenen Aspekten und Mechanismen in Verbindung gebracht. Die Literatur nennt wiederkommende Argumente, die darlegen, dass Humankapital eine distinktive Ressource im Unternehmertum ist. Humankapital wird als unterstützendes Element beim Entdecken und Kreieren von unternehmerischen Möglichkeiten betrachtet (Davidsson & Honig, 2003; Marvel et al., 2016; Sarasvathy, 2008). In der Umsetzung von unternehmerischen Opportunitäten befähigt Humankapital die Beschaffung von nützlichen Ressourcen wie Finanz- oder Sachkapital (Unger et al., 2011). Humankapital kann als Basis oder als unterstützender Faktor für das Erlangen von zusätzlichem Wissen oder neuen Fähigkeiten betrachtet werden (Unger et al., 2011). Frese et al. (2007) und Unger et al. (2011) beschreiben, dass Humankapital die Fähigkeit des Planens und der Ausarbeitung von Strategien erhöht und zur effizienten und effektiven Führung von Unternehmen beiträgt. Unger et al. (2011) beschreiben, dass insbesondere Ergebnisse aus Humankapitalinvestitionen und aufgabenbezogenes Humankapital zum Erfolg von Unternehmen beitragen, da sich diese Formen direkt auf das Wissen und die Fähigkeiten auswirken. Weiter beschreiben sie, dass Humankapital insbesondere aufgrund der Transfermöglichkeit auf unternehmerische Aktivitäten bedeutend ist. Unger et al. (2011) konnten zudem belegen, dass Humankapital Gründer:innen bei Informationsmangel oder fehlenden Qualifikationen unterstützen kann.

Humankapital ist spezifisch für junge Unternehmen und deren Gründer:innen von Essenz (Davidsson & Honig, 2003). Im vorliegenden Beitrag wird das Humankapital im unternehmerischen Prozess betrachtet. Dies ist nach Marvel et al. (2016) von Bedeutung, um Entwicklungen und Veränderungen festzustellen. Hierbei raten sie zur Untersuchung des Humankapitals in den drei Phasen: Entstehung, Start und operative Tätigkeit. Der Beitrag untersucht den Entwicklungsprozess anhand der beschriebenen Start-up-Phasen, die dem Vorschlag von Marvel et al. (2016) jedoch sehr ähnlich sind.

In den verschiedenen Unternehmensphasen können dabei unterschiedliche Attribute des Humankapitals von divergierender Nützlichkeit sein (Preisendörfer & Voss, 1990). Nach Davidsson und Honig (2003) ist jedoch unklar, in welcher Phase welche Ausprägungen von Humankapital bedeutend sind. Die Anforderungen und Ausprägungen des Humankapitals können sich im Verlauf des unternehmerischen Prozesses zudem verändern (Unger et al., 2011). Ziel dieses Beitrags ist es, diese Lücke zu schließen.

11.4 Sozialkapital

Im nachfolgenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen in Bezug auf Sozialkapital gelegt und insbesondere erfolgt die Darlegung der vorhandenen Forschung der Bedeutung von Sozialkapital im Gründungsprozess.

11.4.1 Definition und theoretische Grundlagen

Sozialkapital beschreibt das persönliche Netzwerk als soziale Ressource. Als Bestandteile dieses Netzwerks werden die Familie, Freunde, Bekannte und andere sozialen Beziehungen betrachtet. Die sozialen Beziehungen, die im Netzwerk unterhalten werden, sind desgleichen als soziale Ressourcen oder als Sozialkapital zu betrachten (Runia, 2003). Adler und Kwon (2002) beschreiben Sozialkapital als Faktoren und Auswirkungen, die in sozialen Beziehungen entstehen. Das Sozialkapital wird neben dem ökonomischen Kapital und dem kulturellen Kapital als komplementäres Kapital eines Individuums betrachtet (Bourdieu, 2002). Die Theorie des Sozialkapitals beschreibt dabei die Fähigkeit einer Person aus sozialen Strukturen einen Nutzen zu generieren (Portes, 1998). Bourdieu (2002) beschreibt Sozialkapital als die Gewinnung von Ressourcen, welche aus aktuellen oder potenziellen Beziehungen entstehen. Putnam (1995) erklärt, dass Sozialkapital ein Individuum beim Zugang zu Ressourcen unterstützen kann. Diese Ressourcen können dabei in Form von Wissen, Unterstützung, Hilfeleistungen, Verbindungen und Vermittlungen auftreten. Auch Lin (2012, S. 20 ff) betrachtet Sozialkapital als die Nutzung von sozialen Beziehungen und Netzwerken für die Mobilisierung von Ressourcen. Die sozialen Kontakte müssen dabei gepflegt und erhalten werden, um weiterhin an Ressourcen zu gelangen. Granovetter (1983) versteht Sozialkapital als wichtige Ressource eines Einzelnen. In seinem Werk differenziert er zwischen starken und schwachen Beziehungen. Als starke Beziehungen gelten Familie und enge Freunde. Diese Beziehungen sind intim, intensiv, dauerhaft und reziprok. Dahingegen existieren bei schwachen Beziehungen keine starken Bindungen zu den jeweiligen Personen oder Gruppen. Diese können als Bekannte oder entfernte Bekannte definiert werden. Schwache Sozialbeziehungen sind insbesondere bedeutend, da diese in der Lage sind Brücken zu nicht bekannten Personen oder Netzwerken zu schlagen. Der Nutzen dabei liegt in der Beschaffung von Ressourcen oder Informationen, welche ohne die schwachen Beziehungen nicht verfügbar wären oder erworben werden müssten (Adler & Kwon, 2002).

Sozialkapital wird in der Literatur als multidimensionaler Faktor betrachtet. Dabei wird die Nutzung des Sozialkapitals nach der individuellen Ebene und der Unternehmensebene unterschieden. Auf beiden Ebenen können die sozialen Beziehungen und Kontakte Wert generieren (Nahapiet & Ghoshal, 1998). In der vorliegenden Arbeit wird auf die individuelle Ebene eingegangen, da das Sozialkapital von Gründer:innen betrachtet wird.

11.4.2 Sozialkapital und Start-up-Gründer:innen

Im Unternehmertum unterstützen soziale Beziehungen und Netzwerke die Entdeckung von Chancen wie auch die Identifizierung, Sammlung und Zuweisung von knappen Ressourcen (Davidsson & Honig, 2003). Das Sozialkapital ist insbesondere relevant für Gründer:innen, da durch soziale Beziehungen Chancen entdeckt und identifiziert werden können und ein Zugang zu neuen Ressourcen erleichtert wird (Greene & Brown, 1997; Uzzi, 1999). Davidsson und Honig (2003) beschreiben den Weg zum Unternehmertum als sozialer Prozess, in dem das bestehende Netzwerk und die Erschließung von neuen Kontakten von Bedeutung sind. Das Sozialkapital ist ein kritischer Faktor in der Evaluierung der Unternehmensidee, denn es gewährt Gründer:innen einen weiteren Bezugsrahmen, in dem Ideen diskutiert und adaptiert werden können (Greve & Salaff, 2003). Gründer:innen sind insbesondere auf Informationen angewiesen, die sowohl durch starke wie auch schwache Beziehungen herangetragen werden. Weiter können soziale Beziehungen dazu beitragen nötige Ressourcen zu beschaffen. Beispielsweise bei der Finanzierung von Jungunternehmen können sowohl starke wie auch schwache Beziehungen bedeutsam sein (Greve & Salaff, 2003). Personen aus starken Beziehungen können zudem eine wichtige Ressource sein, die im Aufbau des Unternehmens durch ihre eigene Arbeitstätigkeit, Erfahrung oder Kontakte den Prozess unterstützen (Davidsson & Honig, 2003). Bosma et al. (2004) konnte einen positiven Zusammenhang zwischen kommerziellen Beziehungen und unternehmerischem Erfolg feststellen. Er beschreibt, dass die Aufrechterhaltung von Beziehungen mit anderen Unternehmer:innen oder Mitgliedschaften in Verbänden sich positiv auf den Informationsfluss oder die Beschaffung von Ressourcen auswirken kann. Glaeser et al. (2002) betont ebenfalls die Wichtigkeit der schwachen Beziehungen und weist daraufhin, Beziehungen mit Stakeholdern wie Kunden, Investoren, Schuldnern und Lieferanten laufend zu pflegen. Nach Florin et al. (2003) unterstützt das Sozialkapital die Kreation, die Erhaltung und den Ausbau von Wettbewerbsvorteilen eines Unternehmens. Weiter unterstützt das Sozialkapital die Gewinnung von Kund:innen oder Mitarbeiter:innen sowie die Etablierung von Produkten am Markt (Florin et al., 2003).

Im unternehmerischen Prozess können verschiedene Aspekte des Sozialkapitals bedeutend sein und sich stetig verändern (Greve & Salaff, 2003). Im vorliegenden Beitrag wird spezifisch auf die Entwicklung und Veränderung des Sozialkapitals eingegangen und aufgezeigt, wie Start-up-Gründer:innen dieses in ihrem Prozess entwickeln und nutzen.

11.5 Die Transformation von Human- und Sozialkapital im Zeitverlauf einer Gründung aus theoretischer Perspektive

Der Beitrag verfolgt einen multitheoretischen Ansatz und untersucht sowohl Humankapital wie auch Sozialkapital, insbesondere die Entwicklung im Zeitverlauf. Aufgrund dessen werden nachfolgend die Themenbereiche in Kombination theoretisch aufgearbeitet und synthetisiert. Im Anschluss wird die Theorie in der Abb. 11.3 zusammengefasst dargestellt.

Abb. 11.3
figure 3

Zusammenhang theoretische Grundlagen. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Marvel et al. (2016))

11.5.1 Human- und Sozialkapital und Start-up-Gründer:innen

Der unternehmerische Prozess und die Aufgaben von Gründer:innen sind komplex. Die Forschung verfolgt deshalb oft einen multitheoretischen Ansatz, um die Einflüsse und Wirkungen zu erklären. Backes-Gellner und Moog (2013) bezeichnen Humankapital oder Sozialkapital allein als unzureichend, falls diese nicht durch den jeweiligen anderen Faktor ergänzt werden. Lazear (2005) beschreibt in seiner Theorie „Jack-of-all-trades“ die Wichtigkeit eines ausgewogenen Humankapitals, dass diverse Unternehmensbereiche unterstützt. Dabei sollten Gründer:innen über Kenntnisse der Betriebswirtschaft verfügen und über breite Fähigkeiten innerhalb der tätigen Branche. Persönlichkeiten mit ausgewogenem Humankapital sind für Unternehmertum besser geeignet als Persönlichkeiten mit spezifischen Fähigkeiten. Backes-Gellner und Moog (2013) adaptieren Lazear’s (2005) Modell auf das Sozialkapital und beschreiben die Wichtigkeit eines ausgewogenen Sozialkapitals mit sozialen Beziehungen zu verschiedenen Personen und Netzwerken. In ihrer Forschung konnten sie herausfinden, dass Personen mit einem ausgewogenen Profil von Human- und Sozialkapital über eine höhere Wahrscheinlichkeit verfügen erfolgreiche Unternehmerin oder Unternehmer werden zu können. In Anlehnung an die Effectuation Theorie von Sarasvathy (2008) beschreiben Backes-Gellner und Moog (2013), dass Personen mit ausgewogenem Human- und Sozialkapital über die Fähigkeit verfügen Probleme besser zu lösen und dadurch erfolgreichere Unternehmer:innen sein dürften. Was in ihrer Forschung jedoch offen bleibt ist, wie sich die Fähigkeiten der Gründer:innen im Zeitverlauf verändern müssen.

Die Abb. 11.3 zeigt die Zusammenhänge der theoretischen Grundlagen im Start-up-Prozess.

11.5.2 Die Transformation von Fähigkeiten im Zeitverlauf

Human- und Sozialkapital sind wichtige Ressourcen im Start-up-Prozess. Zahlreiche Studien konnten dies aufzeigen und singulär betrachten oder zu einem bestimmten Zeitpunkt im Gründungsprozess. Besonders interessant ist jedoch, wie sich Human- und Sozialkapital im Zeitverlauf entwickeln und ggf. auch gegenseitig beeinflussen. Da sich die Gesellschaft, die Ökonomie und daraus resultierend auch die Unternehmen in einem Umbruch befinden, auf Grund von Digitalisierung, Globalisierung und einem Wertewandel, wurden die theoretischen Erkenntnisse dieses Beitrags zusätzlich noch mit Expert:inneninterviews gespiegelt.

Es wurden auf der Basis der theoretischen Erkenntnisse Interviews mit sechs Expert:innen (zwei Start-up-Berater:innen und vier Gründer:innen) geführt. Die Dauer der Interviews lag zwischen 43 und 68 min und erfolgte mit einem semistrukturierten Interview. Die Interviews wurden im Anschluss mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet (Mayring, 2016) und im Anschluss mit den theoretischen Erkenntnissen abgeglichen, um so eine neue Theorie zu bilden. Diese manifestiert sich vor allem im übergeordneten Modell (siehe Abb. 11.4). Die Ausführungen der Experten:innen machen deutlich, dass eine fortlaufende Entwicklung von Human- und Sozialkapital stattfindet, wobei sich die Kapitale bei der Entwicklung positiv beeinflussen.

Abb. 11.4
figure 4

Modell Human- und Sozialkapital von Start-up-Gründer:innen im Start-up-Prozess. (Quelle: Eigene Darstellung)

Im Rahmen der Betrachtung des Entwicklungsprozesses von Start-up-Gründer:innen werden nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse des Human- und Sozialkapitals in den jeweiligen Phasen (Vorgründungsphase, Gründungs- und Umsetzungsphase; Wachstumsphase) zusammengefasst.

Vorgründungsphase

In der Vorgründungphase beschreiben die Theorie wie auch die befragten Experten:innen, dass insbesondere marktbezogenes Wissen aufgebaut werden sollte. Hierbei sollten Start-up-Gründer:innen einen aktiven Austausch mit potenziellen Kunden:innen oder Martkteilnehmer:innen führen, um das nötige Wissen aufzubauen, damit ein bestmöglicher Problem-Solution-Fit erreicht werden kann (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Petch, 2016). Für die Erfüllung dieser Aufgabe und die Erarbeitung des beschriebenen Wissens verweisen die Experten:innen insbesondere auf die Fähigkeiten Offenheit und aktives Zuhören. Diese Fähigkeiten ermöglichen es Rückmeldung der Kunden:innen aktiv aufzunehmen und in die Entwicklung des Problem-Solution-Fits einfließen zu lassen, wie folgende Aussagen unterstreichen:

„Den Leuten zuhören und Feedback in die Entwicklung einfließen lassen“ (Experte 5)

„Wenn man den Markt analysiert, auch nur regulatorisch, dann muss man die Idee ändern“ (Experte 2)

„Da meine ich halt wirklich sehr selbstkritisch die Idee zu zerstören wollen. (…) Sondern auch Teufelsadvokat hineinnehmen und sich fragen warum ist unsere Idee schlecht, warum funktioniert sie nicht, welche Schwachstellen gibt es.“ (Experte 6)

In diesem Zusammenhang wurde weiter die Fähigkeit „Kill your Darling“ identifiziert, die beschreibt, dass Gründer:innen bereit sein müssen ihre Ideen zu verwerfen und neu zu denken. Die Vorgründungsphase ist weiter geprägt durch fehlende Strukturen, Unsicherheit und Selbstmanagement (Bogott et al., 2017; Petch, 2016). Die empirischen Resultate zeigen in diesem Zusammenhang, dass Zielstrebigkeit und visionäres Denken wichtige Fähigkeiten für die Bewältigung dieser Herausforderungen sein können. Empirie und Theorie beschreiben weiter die Auseinandersetzung mit Business Modellen als notwendig (Bogott et al., 2017).

Das Sozialkapital wird in der Vorgründungsphase für die Gewinnung von Co-Founder:innen und die Erarbeitung von Wissen genutzt. Die Experten:innen führen aus, das Start-up-Gründer:innen ihr Netzwerk und die Netzwerke ihrer sozialen Beziehungen für Vermittlungen einsetzen sollten. Die Expert:innen sagten dazu unter anderem folgendes:

„Ich habe mir überlegt, den aus meinem Netzwerk möchte ich für das und sind das die Besten in ihrem Fach. Ich habe mir überlegt, was brauche ich“ (Experte 2)

„Wer in meinem Bekanntheitsnetz hat einen Zweitkontakt, die eine Person kennt, welche eine Tür aufmachen kann“ (Experte 6)

„Ich denke nicht, dass Freunde oder Familie hier Sinn machen (…) Erst recht hier bei uns in der Schweiz, wo alle anständig sein wollen und alle positiv reden, das bringt nicht sehr viel“. (Experte 6)

Gründungs- und Umsetzungsphase

Die Experten:innen beschreiben, dass der Aufbau von zusätzlichem Wissen über den Markt und die Kundenbedürfnisse auch in dieser Phase von Bedeutung ist. Hierbei verwiesen die empirischen Resultate und die Theorie spezifisch darauf, Kundenfeedbacks in die Weiterentwicklung einfließen zu lassen (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Die Experten:innen betrachten ferner den Aufbau von Wissen über die Akquise von Kunden:innen als bedeutend. In der Gründungs- und Umsetzungsphase nimmt die Rekrutierungsarbeit laufend zu (Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Die befragten Personen beschreiben in diesem Zusammenhang, dass Humankapital in Form von Wissen und Fähigkeiten aufgebaut werden muss. Weiter beschreiben sowohl die befragten Personen wie auch die Literatur, dass sich Start-up Gründer:innen fortlaufend mit Leadership beschäftigen sollten. Gemäß den Experten:innen und der Theorie sind in dieser Phase Flexibilität und Lernfähigkeit wichtige Aspekte des Humankapitals, welche Start-up-Gründer:innen innehaben sollten (Bogott et al., 2017). Für die Bewältigung des Markteintritts, die Schaffung der ersten Strukturen und die Führung des Start-up beschreiben die Experten:innen die Übersetzungsfähigkeit als wichtige Kompetenz. Diese ermöglicht es visionäre Vorstellung und Ideen in eine operative Form zu transformieren. Start-up-Gründer:innen sollten Visionen und Ideen für Ihre Mitarbeiter:innen verständlich und zugänglich machen können, was auch folgende Interviewausschnitte illustrieren:

„Weiter denke ich, dass zusätzlich zum visionären Denken auch eine Übersetzungsfähigkeit des visionären Luftschlosses in das Operative wichtig ist. Weil, nur träumen bringt einen nicht weiter“. (Experte 6)

„In der gleichen Zeit ist es wichtig, dass du die Sachen einfach Mal machst sonst kommst du gar nicht vorwärts“ (Experte 5)

„Die Aufgaben von uns ändern sich alle Jahre. Mein Aufgabengebiet hat sich ständig verändert“. (Experte 3)

Das Sozialkapital unterstützt die Gründungs- und Umsetzungsphase in der Gewinnung von internen und externen Stakeholdern. Hierbei beschreiben die Experten:innen die Wichtigkeit von Networking, was sich mit der Theorie deckt (Bogott et al., 2017). Start-up-Gründer:innen sollten ihre Beziehungen nutzen für die Rekrutierung von Mitarbeiter:innen und die Gewinnung von Investoren:innen wie auch Kunden:innen. Das Sozialkapital wird gezielt eingesetzt, um die aufgeführten Stakeholder zu erreichen. Hierbei stellen persönliche Vorstellungen und Intros eine wichtige Funktion und Ressource des Sozialkapitals dar. Das Sozialkapital wurde auch in dieser Phase zudem für den Aufbau von Wissen genutzt. Die Expertinnen drückten es so aus:

„Wenn du Glück hast und jemand kennst in deinem Umfeld, dann hervorragend. Und ansonsten kann man wieder andere Leute fragen.“ (Experte 5)

„Erzählen gehen und dann trifft man vielleicht auf eine Person, welche dies stark interessiert, ich spreche jetzt von Business Angels. Man nennt das auch Smart Money, die haben Wissen und auch Connections und geben auch ein bisschen Geld rein.“ (Experte 1)

Wachstumsphase

Die Literatur und die Interviewpartner:innen führen aus, dass sich Gründer:innen in der Wachstumsphase über die Weiterentwicklung des Unternehmens Gedanken machen sollten. Die Gründer:innen und die Literatur weisen darauf hin, dass strategisches Wissen und Wissen über Finanzierungsmöglichkeiten aufgebaut werden muss (Bogott et al., 2017; Salamzadeh & Kawamorita Kesim, 2015). Die Wachstumsphase ist weiter geprägt durch die Einstellung von Mitarbeiter:innen, was sich wiederum gemäß den Start-up-Gründer:innen und der Literatur auf die Leadership Anforderungen auswirkt (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Paschen, 2017; Petch, 2016). Die Start-up-Experten:innen beschreiben, dass sie weiters Wissen und zusätzliche Fähigkeiten in Bezug auf Leadership und Rekrutierung, aber auch Entlassungen erarbeiten mussten. Die Phase ist weiter geprägt durch die Dezentralisierung (Asplund, 2020; Bogott et al., 2017; Paschen, 2017). Hierbei beschreiben die Start-up-Gründer:innen, dass sie lernen mussten zu erkennen, wenn sie einer Aufgabe nicht weiter gewachsen waren. In diesem Zusammenhang führen sie weiter aus, dass sie lernen mussten Entscheidungen zu treffen und Verantwortung abzugeben, wie folgende Interviewausschnitte zeigen:

„Leadership kann man organisch entwickeln, aber es ist wichtig, dass man sich damit beschäftigt“ (Experte 1)

„Die sogenannte T-shaped-Person. Personen, die geformt sind wie ein T, damit ist gemeint, dass sie in einem Bereich viel Tiefe haben, aber auch in der breite viel abdecken können.“ (Experte 6)

„Ich sage auch immer, wir sind ja mega unerfahren und wir müssen einfach auch uns reviewen und fragen, ob wir die richtigen sind, vor allem wenn es größer wird“. (Experte 4)

Im Rahmen dieses Prozess beschreiben die Gründer:innen, dass sie fortlaufend Schlüsselpersonen für ihre Start-ups gewinnen mussten oder wollten. In diesem Zusammenhang ist das Sozialkapital von Bedeutung, da es helfen kann diese Schlüsselpersonen zu erreichen. Weiter wurde das Sozialkapital in Form der bestehenden Investoren:innen genutzt, um neue Investoren:innen kennenzulernen. Die Interviewpartner:innen berichteten:

„Im Start-up ist es so, dass die ersten Investoren helfen die zweiten Investoren zu finden und dann so weiter“. (Experte 3)

„Überlegen mit wem man zusammenspannen könnte. Es gibt immer wieder Kollaborationspotential“ (Experte 6)

„Du musst dir dein Netzwerk aufbauen. Genau in diesem Bereich ist diese Person der/die Beste auf dieser Welt, deshalb muss ich mit dem schwatzen“ (Experte 5)

Das Sozialkapital kam ferner zur Anwendung bei der Identifizierung und Gewinnung von möglichen Kollaboratoren. Im Rahmen der Nutzung des Sozialkapitals und der damit verbundenen Aufgaben, zeigen die empirischen Resultate, dass Begeisterungsfähigkeit ein wichtiger Humankapitalaspekt ist, der hierbei die Entwicklung des Sozialkapitals unterstützt.

Transformationsprozess

Im Verlauf des Transformationsprozesses beschreiben die empirischen Resultate, das Start-up-Gründer:innen in ihrer Entwicklung Humankapital organisch erlangen können. Die Expert:innen belegen weiter, dass die Entwicklung im Start-up-Prozess durch eine Vision oder einen übergeordneten Grund unterstützt werden kann. Die befragten Personen beschreiben zudem Selbstreflexion als eine der wichtigsten Fähigkeiten. Weiter beschreiben sie Mut, Durchhaltevermögen und das Streben nach Verbesserung als wichtiges Humankapital. Diese Attribute können insbesondere in Verbindung mit den Charaktereigenschaften interne Kontrollüberzeugung, Leistungsbedürfnis und Durchhaltevermögen gebracht werden. Außerdem können einzelne Attribute der verschiedenen Start-up-Phasen in Verbindung mit dem Big-Five-Modell gebracht werden. Bei den aufgeführten Attributen gilt es anzumerken, dass dies Charaktereigenschaften sind, die schwer imitierbar sein können. Dies zeigen auch die folgenden Aussagen:

„Es ist ein kontinuierliches Aneignen von Wissen, wo man aber wirklich auch proaktiv dahinter muss“ (Experte 5)

„Das ist bestimmt das wichtigste. Selbstreflexion und der Wille besser zu werden jeden Tag.“ (Experte 5)

„Never take no for answer. Das ist eine konstante Herausforderung, da gibt es keine Woche, wo nichts schief geht. Es geht einfach weiter und du musst weiter und weiter machen.“ (Experte 3)

Das Sozialkapital wurde über den gesamten Prozess für die Gewinnung von Ressourcen in Form von externen und internen Stakeholdern genutzt wie auch zur Gewinnung von Wissen. Die Funktion des Sozialkapitals war dabei die Vermittlung und die Herstellung von Verbindungen zu Personen, Netzwerken oder anderen Kontakten:

„Das Netzwerk sollte genutzt werden, um Kontakte zu knüpfen oder Wissen aufzubauen, dass ist bis heute mein wichtigstes Vorgehen“. (Experte 2)

„Never take no for answer. Das ist eine konstante Herausforderung, da gibt es keine Woche, wo nichts schief geht. Es geht einfach weiter und du musst weiter und weiter machen.“ (Experte 6)

11.6 Fazit und Handlungsempfehlungen

Das Modell (Abb. 11.4) fasst die Erkenntnisse zusammen und stellt die ermittelten wichtigsten Aspekte des Human- und Sozialkapitals in den jeweiligen Start-up-Phasen dar. Beim Humankapital werden zudem die Hilfsmittel aufgeführt, welche Start-up-Gründer:innen beim Aufbau von Humankapital unterstützen können. Die gegenseitigen Einflüsse von Human- und Sozialkapital werden im Modell mit Pfeilen dargestellt und sollen verdeutlichen, dass die Kombination beider Kapitale für eine erfolgreiche Start-up-Gründertätigkeit von hoher Bedeutung ist. Weiter wird das Model ergänzt durch den Faktor Umfeld oder Kontext-Bedingungen, denn die Gründer:innen wie auch die Literatur führen aus, dass branchenspezifische Aspekte bei der Betrachtung von Human- und Sozialkapital berücksichtigt werden sollten (Davidsson & Honig, 2003; Marvel et al., 2016). Die Ausführungen zu den jeweiligen Aspekten des Human- und Sozialkapitals sind dem zu entnehmen.

Im Grundsatz kann festgehalten werden, dass sich Human- und Sozialkapital von Start-up-Gründer:innen im Start-up-Prozess dynamisch entwickeln. Die gegenseitigen positiven Einflüsse von Human- und Sozialkapital sind von Gründer:innen aktiv einzusetzen und tragen zur Entwicklung und dem Fortschritt der jeweiligen anderen Kapitale erheblich bei. Gründer:innen sollten ihr Human- und Sozialkapital neben der operativen Tätigkeit bewusst weiterentwickeln, um im dynamischen und unsicheren Start-Up-Umfeld bestehen zu können. Die Ausführungen der Expert:innen machen deutlich, dass sich vieles in Bezug auf Human- und Sozialkapital in einer invisiblen Transformation entwickelt und dadurch auch tacit Knowledge ensteht, welches schwer beschreibbar und erfassbar ist. Dennoch kann klar festgehalten werden, dass akribisches Entwickeln, Hinterfragen und Erweitern von Human- und Sozialkapital bedeutend sind. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für die Entwicklung von Human- und Sozialkapital Selbstreflexion eine wichtige Resource im Transformationsprozess darstellt. Gründer:innen, die sich ständig reflektieren, können erkennen, welche Aspekte des Human- und Sozialkapitals sie missen und diese konsequent erarbeiten. Die Entwicklung des Sozialkapitals ist insbesondere geprägt durch deren Nutzung. Für die Erweiterung des Sozialkapitals sollten Gründer:innen ihr bestehendes Kapital aktiv einsetzen, dadurch können soziale Beziehungen vertieft und hinzugewonnen werden, die Start-up-Gründer:innen in ihrem Prozess unterstützen.

Die wichtigsten Erkenntnisse für die Praxis, insbesondere, wie sich Gründer:innen im Zeitverlauf transformieren können, im Einklang mit ihrem Unternehmen, können wie folgt zusammengefasst werden.

  • Humankapital und Sozialkapital gehören zu den wichtigsten Ressourcen, die ein:e Gründer:in braucht. Sie sollten schon zu Beginn des Gründungsprozesses vorhanden sein und entwickeln sich im Transformationsprozess. Das bedeutet für Gründer:innen eine kontinuierliche Bereitschaft zu haben zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

  • Humankapital und Sozialkapital hängen eng zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Das bedeutet bei Schwachstellen im Skillportfolio von Gründer:innen entweder eine persönliche Weiterentwicklung anzustreben, oder das Gründungsteam mit Personen zu ergänzen, die diese Skills mitbringen.

  • Human- und Sozialkapital sind aktiv und zielgereichtet zu entwickeln. Das bedeutet, dass es eine kontinuierliche Reflexion der Bedürfnisse und Anforderungen des Unternehmens geben muss. Aber auch das Individuum muss neben der invisiblen Transformation, die Entwicklung der Kapitale selbstständig und bewusst erarbeiten.

  • Die Fähigkeiten „Kill your Darling“ und Selbstreflexion sind in der Entwicklung von Human- und Sozialkapital sehr bedeutende Fähigkeiten, um im Transformationsprozess zu bestehen. Das bedeutet, das Gründer:innen stets ihre Arbeit und Ideen reflektieren sollten und bereit sind, Ideen zu verwerfen und neu zu denken.

  • Human- und Sozialkapital kann sich unbewusst entwickeln, Start-up-Gründer:innen sollten jedoch bereit sein in die Kapitale Zeit und Energie zu investieren und auch ggf. Gründungsberatung und Coaching in Anspruch nehmen. Es gibt zahlreiche Beratungsangebote, die jedoch noch nicht umfassend genutzt werden. Auch Berater:innen können von dem vorgelegten Modell profitieren, wenn sie aufeinander aufbauende Coachingkonzepte entwickeln und damit Gründer:innen in ihrer Entwicklung ganzheitlich unterstützen.