Im ersten Schritt der Diskursanalyse wird die Oberflächenstruktur des Managementdiskurses inhaltsanalytisch erschlossen. Mit dieser Vorgehensweise werden diskursive Ergebnisse entlang der Mikro-, Meso- und Makroebene analysiert, um Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Akteur*innengruppen und Anrufungen von akademischen Subjekten zu rekonstruieren. Im zweiten Schritt werden mithilfe von Hypothesen zum diskursspezifischen Interpretationsrepertoire, die während des historischen Abrisses generiert worden sind, die Tiefenstruktur und die Subjektivierungsformen des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft erschlossen.

5.1 Ein historischer Abriss des Managementdiskurses im universitären Feld der BRD

Bei dem historischen Abriss von 1993 bis 2019 wird der NPM-Diskurs entlang von wiederkehrenden und sich wandelnden Problematisierungen, Zielsetzungen, Maßnahmen sowie Plausibilisierungen inhaltlich analysiert und zudem ein Bezug auf diskursive Ereignisse in der deutschen Hochschullandschaft und Gesellschaft hergestellt.

5.1.1 Konstituierungsphase

Die erste historische Phase erstreckt sich von 1993 bis 2000. In dieser Zeitspanne konstituiert sich der Managementdiskurs durch verschiedene Problematisierungen, aus denen Ziele, Maßnahmen und Plausibilisierungen abgeleitet werden, um die deutsche Hochschullandschaft mit neoliberalen Ideen und managerialen Verwaltungspraktiken zu reorganisieren. Die Konstituierungsphase wird durch Ereignisse wie die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) im August 1998 geprägt und das deutsche Hochschulsystem wird unter der Erprobung von unternehmerisch- managerialen Praktiken zu einem Krisenlabor von herrschenden Subjekten des NPM-Diskurses (vgl. HRK 1998b; 1999b).

Problematisierungen: Als wesentliche Probleme werden eine Unterfinanzierung sowie mangelnde Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Hochschulen und ihren Angehörigen, Effizienz- und Qualitätsverluste in Lehre und Forschung, traditionelle akademische Steuerungsmodelle sowie Abhängigkeitsverhältnisse, Ressourcenverteilung, Bürokratie, rechtliche Rahmenbedingungen, eine fehlende Differenzierung und Profilbildung an deutschen Hochschulen thematisiert (vgl. HRK 1995a,b; 1997; 1998b,d; WR 1993: 5 f.; 1996: 35).

Auf der Makroebene wird in den 1990er-Jahren durch eine mangelnde staatliche Hochschulfinanzierung eine „Zeit knapper Ressourcen“ (WR 1993: 24) bzw. „Zeiten knapper öffentlicher Finanzen“ (HRK 1995a) konstatiert. Der Zustand knapper Ressourcen wird mit weiteren gesellschaftlichen Problemlagen der 90er-Jahre verknüpft. Im Kontext einer Akademisierung der Bevölkerung wird eine Überlastung von Hochschulen infolge „der Unterfinanzierung und unterlassener Strukturreformen“ (WR 1993: 5) kritisiert. Mit einer mangelnden staatlichen Hochschulfinanzierung und versäumten Strukturreformen werden im Verlauf der Konstituierungsphase ebenfalls immer wieder fehlende rechtliche Rahmenbedingungen problematisiert, die „die Hochschulen in die Freiheit […] entlassen [sollen]“ (HRK 2000). In diesem Zusammenhang wird die geringe Autonomie der Hochschulleitung „in allen akademischen, finanziellen, personellen und organisatorischen Angelegenheiten“ gegenüber staatlichen Entscheidungsträger*innen kritisiert, wodurch „bürokratische[r] Interventionismus der Ministerien“ (ebd.) zum Problem für herrschende Subjekte des Managementdiskurses wird. Dahingehend werden das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen sowie die „unterlassenen Strukturreformen“ (WR1993: 5) herangezogen, um Krisensymptome auf der Organisationsebene zu thematisieren.

Die zentralen Problematisierungen auf der Mesoebene sind sowohl eine mangelnde Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Hochschule als auch Effizienz- und Qualitätsverluste in Lehre und Forschung durch traditionelle akademische Steuerungsmodelle und Werte. Vor diesem Hintergrund moniert der WR (1996: 4 f.):

„Diese horizontale Ausdifferenzierung der Universität und ihre auf dem Kollegialitätsprinzip beruhende Organisationsform waren für die Universität angemessen, solange sie eine überschaubare und homogene Institution bildete. Mit der zunehmenden Komplexität des Forschungsprozesses und dem Ausbau der Hochschulen seit Mitte der 60er Jahre haben sich diese jedoch vielfach zu ,Großbetrieben‘ entwickelt, für die die historisch gewachsene Organisationsform nur noch bedingt angemessen ist. Denn Kollegialorgane tendieren zu Strukturkonservatismus und sind nur in begrenztem Maße in der Lage, über die Aushandlung der Interessen der Mitglieder hinaus übergreifende Gesichtspunkte zu verfolgen.“

Die Kritik an der „Organisation durch ein Nebeneinander zahlreicher Fachbereiche mit einer kollegialen Organisationsstruktur und einer traditionell schwachen Ebene zentraler Entscheidungsstrukturen“ (ebd.: 61) wird als Ursache für Effizienz- und Qualitätsverluste in Forschung und Lehre angeführt. An dieser Stelle werden überdies traditionelle akademische Werte und Leitideen des deutschen Hochschulsystems problematisiert.

„Damit stehen traditionelle Grundsätze der deutschen Universität zur Disposition: Einheit von Forschung und Lehre für alle Universitätsmitglieder, Verbindung von Forschung und Lehre für jeden Universitätslehrer, Freiheit von Studium und Lehre, Kollegialität und Selbstverwaltung. Diese Prinzipien gehören auf den Prüfstand ebenso wie die bislang übliche Steuerung der Hochschulen durch ein enges Regelungsgeflecht von Gesetzen, Verordnungen und Vorgaben für die Ressourcenverwendung“ (WR 1993: 19).

Darüber hinaus geraten in der Konstituierungsphase von NPM interne Mittelverteilungsmodelle nach dem „Gießkannenprinzip“ in die Kritik, da „Hochschulen als staatliche, d. h. vom steuerzahlenden Bürger finanzierte Einrichtungen […] verpflichtet [sind], Öffentlichkeit und Politik Rechenschaft über Leistungen und Mittelallokation in den Hochschulen zu geben“ (HRK 1995a).

Schließlich spiegeln sich die Problematisierungen von traditionell verfassten Hochschulen auf der Mikroebene wider. Hier werden insbesondere mangelnde Leistungsanreize für Wissenschaftler*innen als Ursache für eine ungenügende internationale Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Hochschulen und ihren Angehörigen verantwortlich gemacht (vgl. HRK 1998c, 1999b; WR 1993: 48). Zugespitzt wird die Problematisierung von fehlenden individuellen Anreizstrukturen und einer prognostizierten mangelnden Leistungsfähigkeit in einem Zeitungsinterview mit Klaus Landfried, dem damaligen HRK-Präsidenten. Im Interview werden „faule Professoren“ (Deutschlandfunk 1999) thematisiert, die nur durch eine leistungsorientierte Besoldung bis hin zur Androhung des „Rausschmiß“ (ebd.) mobilisiert werden können, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Außerdem werden mit „stagnierenden und verkrusteten“ (ebd.) Personalstrukturen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen wissenschaftlich Beschäftigten und Professor*innen kritisiert, die zu einer „fehlenden Selbständigkeit des Nachwuchses“ (WR 1996: 57) führen. Bemerkenswert ist, dass die „Selbstständigkeit des Nachwuchses“ (ebd.) mit der Einwerbung von Drittmitteln verbunden ist, weil die Verfügung über Sach- und Personalmittel durch wissenschaftlich Beschäftigte als Unabhängigkeit von Professor*innen gedeutet wird (ebd.: 57 f.). Wohingegen persönliche Abhängigkeiten durch Betreuungsverhältnisse zwischen Professor*innen und den Angehörigen des akademischen Mittelbaus nicht zum Gegenstand von Problematisierungen werden. Die Problemkonstellationen von vorwiegend wissenschaftspolitischen Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes bilden einen zentralen Ankerpunkt für ein Set von Reformzielen, Maßnahmen und Plausibilisierungen in der Konstituierungsphase von NPM.

Zielsetzungen und Maßnahmen: Gesamtgesellschaftlich wird in den 90er-Jahren das Ziel verfolgt, Hochschulen auf den Wandel von einer „Arbeitsgesellschaft“ zu einer „wissens- und wissenschaftsbasierte[n] Gesellschaft [vorzubereiten]“ (vgl. HRK 1998d). Dergestalt wird Bezug auf den Terminus der Wissensgesellschaft genommen (vgl. Willke 2007). Anders als in einer klassischen Industriegesellschaft, in der Modernisierung und Wirtschaftswachstum mit herkömmlicher industrieller Produktionsarbeit verbunden ist, werden sozialer Wandel und Wohlstand in einer Wissensgesellschaft mit der Akkumulation von Wissen durch Wissenschaft und (Hochschul-)Bildung verknüpft (vgl. Schumacher 2011: 761). Durch die Verschiebung von der Produktionsarbeit zur Wissensarbeit gewinnen Dienstleistungen sowie Technik und Wissenschaft eine gesteigerte Bedeutung für Märkte, wodurch Bildung und Wissenschaft zur Triebfeder einer wissensbasierten Ökonomie erklärt werden – oder anders formuliert: „The capitalist knowledge economy requires a non capitalist sector that can define knowledge as valuable, and the diverse mechanisms of evaluation in the academy help to provide this service“ (Schulze-Cleven, Reitz, Maesse & Angermuller 2017: 805). Eine wissensbasierte Ökonomie ist somit auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen, die ihre Bildung als Ressource in Bereichen der Wissensarbeit einsetzen und in einen industriellen Wertschöpfungsprozess einfließen lassen (vgl. Willke 2007). Kurzum:

„Von einer Wissensgesellschaft oder einer wissensbasierten Gesellschaft lässt sich sprechen, wenn die Strukturen und Prozesse der materiellen und symbolischen Reproduktion einer Gesellschaft so von wissensabhängigen Operationen durchdrungen sind, dass Informationsverarbeitung, symbolische Analyse und Expertensysteme gegenüber anderen Faktoren der Reproduktion vorrangig werden“ (ebd.: 195).

Um diesem prognostizierten gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen, wird am Ende der 90er-Jahre das Verhältnis von Staat und Hochschulen mit einem unternehmerisch-managerialen Autonomieverständnis herausgefordert. Außerdem findet über manageriale Hochschulautonomie eine Abgrenzung zum traditionellen akademischen Freiheitsverständnis statt, denn nach einem managerialen Freiheitsbegriff sollen Hochschulen nicht durch die akademische Gemeinschaft geleitet werden, sondern in der „Selbststeuerung durch ein entscheidungsfähiges Hochschulmanagement“ (WR 1993: 24) sowie durch „privatrechtliche Organisationsformen für Hochschulen in staatlicher Trägerschaft“ (HRK 1997). Vor diesem Hintergrund erlangt unternehmerische Autonomie von Hochschulen und ihren Angehörigen einen zunehmenden Geltungsanspruch im universitären Feld der BRD. Gefördert wird die ökonomische Freiheit im deutschen Hochschulsystem durch einen staatlich inszenierten Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg (vgl. HRK 1999b; 2000; WR 1996: 26).

Durch das unternehmerisch-manageriale Autonomieverständnis werden dem Staat und Hochschulen neue Rollen zugeschrieben. Fortan soll sich der Staat aus der Detailsteuerung von Hochschulen zurückziehen, aber „die rechtlichen Rahmenbedingungen für die hier vorgeschlagene Leitungsstruktur der Hochschulen […] schaffen“ (WR 1993: 61) und sich auf „die Finanzierung im Rahmen eines Globalhaushalts beschränken“ (HRK 1997). Diesbezüglich wird das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen zunehmend durch Hochschulverträge geregelt (vgl. HRK 1998b). Das Kontraktmanagement zwischen Hochschulen und Staat sowie der Hochschulleitung und Fakultäten wird als ein Lösungsansatz betrachtet, um in einer „Zeit knapper Ressourcen“ (WR 1993: 24) für Planungs- und Finanzierungssicherheit zu sorgen (vgl. HRK 1999a). Zur Plausibilisierung einer unternehmerisch-managerialen Hochschulautonomie und der Novellierung von (Hochschul-)Gesetzen werden Narrative herangezogen wie jene, „dass die Hochschule [nicht] von anderen gesteuert wird, und […] ungewollt das ,divide et impera‘ der Landesbürokratie förder[t]“ (HRK 2000). Aber auch Erzählungen wie „der Erfolg im Wettbewerb hängt zunehmend von der Aktions- und Reaktionsgeschwindigkeit der Hochschulen ab“ (HRK 1998b) dienen der Plausibilisierung einer eigenverantwortlichen Hochschulleitung und eines „entscheidungsfähigen Hochschulmanagements“ (WR 1993: 24). Mit diesen Narrationen entsteht eine Analogie zum neoliberalen Interdiskurs, da hier ebenfalls ein intervenierender, bürokratischer Staat und ein Zustand knapper Ressourcen thematisiert werden, um auf rechtliche und soziale Rahmenbedingungen der Gesellschaft so einzuwirken, dass kein Widerspruch zu einer marktförmigen sozialen Wettbewerbsordnung entsteht (vgl. Hayek 1991: 338). In diesem Zusammenhang fordert die HRK (1998a) mehr Flexibilität und Autonomie für Hochschulleitungen, denn „mehr Wettbewerb zwischen und in den Hochschulen setzt ein größeres Maß an Autonomie der Hochschulen voraus. Dazu gehört vor allem mehr Flexibilität im Organisations-, Personal- und Haushaltsbereich.“

Ferner werden Anrufungen einer entstehenden Wissensgesellschaft – Hochschulen als „Großbetrieb“ (WR 1993: 11) und „Dienstleistungsinstitution“ (ebd.: 24) – genutzt, um eine grundlegende Reorganisation der deutschen Hochschullandschaft zu legitimieren und umzusetzen. Plausibilisiert wird die unternehmerisch-manageriale Reorganisation von Hochschulen durch Ressourcenknappheit und scheinbar notwendige gesellschaftliche Modernisierungsprozesse, wie z. B.

„als hochindustrialisiertes, rohstoffarmes Land befindet sich Deutschland auf dem Weg von der Produktionsgesellschaft zur Wissensgesellschaft. Wissenschaft wird zum zentralen Produktionsfaktor. Die Globalisierung von Wissen und von Informations- und Wissensübermittlung wird Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland nachhaltig verändern. Es kommt darauf an, die Veränderungen als Herausforderungen zu begreifen und selbst zu gestalten“ (HRK 1998a).

Unter den Anrufungen einer entstehenden Wissensgesellschaft und dem Zustand knapper Ressourcen beginnt eine Differenzierung der deutschen Hochschullandschaft nach Stärken einzelner Hochschulen, um Profile zu bilden und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Vor diesem Hintergrund sollen Hochschulen in einer wissensbasierten Gesellschaft für mehr als ein Drittel eines Altersjahrgangs Aus-, Weiter- und Bildungsangebote bereitstellen, das gesamte Spektrum der Wissenschaft repräsentieren sowie in Lehre und Forschung Problemlösepotenziale entwickeln (ebd.). Des Weiteren sollen sie zusammen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und privatwirtschaftlichen Unternehmen Arbeitskräfte in allen Wissenschaftsbereichen, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung ausbilden sowie als „Unternehmensschmieden“ (HRK 1998d) und „Zukunftswerkstätten“ (HRK 1998a) Dienstleistungen in Krankenversorgung, Wissens- und Technologietransfer und Beratung erbringen. Diesen Anforderungen einer Wissensgesellschaft kann, dem WR (1993: 23) zufolge, lediglich ein „differenziertes Hochschulsystem“ erfüllen. Dazu werden Universitäten und Fachhochschulen funktional differenziert, denn „in Anbetracht der großen Zahl an Studierenden ist die gleichzeitige und gemeinsame Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht länger sachgerecht“ (ebd.: 20). Gemäß des Leitbilds eines differenzierten Hochschulsystems zählen zu den Hauptaufgaben von Universitäten die Ausbildung des wissenschaftlichen NachwuchsesFootnote 1 sowie von Fach- und Führungskräften für den Arbeitsmarkt, Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung, Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie die Vermarktung von Forschungsergebnissen durch Patente, denn „in der Wissensgesellschaft kommt geistigem Eigentum als Produktionsfaktor zunehmende Bedeutung zu“ (HRK 1999b; vgl. WR 1993: 21; 1996: 48 f., 68, 70). Zur Ausbildung und Gewinnung von (internationalen) Nachwuchswissenschaftler*innen wird eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gefordert, weil es

„in diesem Wettbewerb […] sinnvoll und unerlässlich [ist], auch mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten. Deshalb haben mehrere Universitäten bereits internationale Graduiertenkollegs mit Hilfe der DFG eingerichtet oder auch Initiativen aufgenommen, mit Max Planck-Instituten ,International Max Planck Research Schools at Universities‘ einzurichten. Dieses neue Förderinstrument wurde vom Plenum in einem Gespräch mit dem MPG-Präsidenten im November 1999 im Grundsatz gutgeheißen“ (HRK 2000).

Auch Fachhochschulen sollen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Lehre und Forschung zusammenarbeiten, da „in Zeiten der Ressourcenknappheit, […] eine effektive Kooperation notwendig [ist]“ (WR 1996: 67). Allerdings sollen sich Fachhochschulen in Lehre und Forschung stärker von Universitäten durch ein anwendungsorientiertes Profil abgrenzen (vgl. HRK 1995a). In diesem Zusammenhang konstatiert die HRK (1995b):

„Aufgabe der Fachhochschule ist die Vermittlung einer praxisorientierten Ausbildung, die zur Beherrschung und Anwendung des Standes der Technik bzw. der in der Praxis eingeführten wissenschaftlichen Verfahrensweisen und zur Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Problemlösung befähigt.“

Des Weiteren sollen Fachhochschulen ihr Fächerprofil erweitern, um Universitäten in der Lehre zu entlasten (vgl. WR 1993: 22).

Durch die Differenzierung von Universitäten und Fachhochschulen soll ebenfalls ein „Wettbewerb um Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Reputation und knappe öffentliche und private Mittel“ (HRK 1998b) entstehen. Denn nationaler Wettbewerb um knappe Ressourcen wird sowohl als Anreiz für einzelne Hochschulen betrachtet, ihr Profil zu schärfen, als auch zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit (ebd.). In diesem Sinn werden Maßnahmen ergriffen, um deutsche Hochschulen wettbewerbsförmig und anreizorientiert zu steuern (ebd.). Besonders eine leistungsorientierte Mittelverteilung (LOM) und Evaluationen werden als geeignete Mittel eingestuft, um eine Steigerung der Effizienz, Leistung und Transparenz zu erzielen sowie „Leistungsstärken und -schwächen von Fachbereichen und Instituten“ (HRK 1995b) sichtbar zu machen. Zur LOM und internen Evaluation an Hochschulen soll die Leistungsfähigkeit mit Berichten der Hochschulleitung offengelegt und mit quantitativen Indikatoren wie der Anzahl von Studienanfänger*innen und Absolvent*innen sowie mit eingeworbenen Drittmitteln, Publikationen und Auszeichnungen erfasst werden (vgl. HRK 1995b; 1998c). Bei externen Evaluationen sollen ebenso Gutachten einer Evaluierungsagentur einfließen (vgl. HRK 1995b). Diese Agentur soll eine „von staatlichen Eingriffen unabhängige und bundesländerübergreifende Koordinierungs-/Anlaufstelle“ (ebd.) bilden. Plausibilisiert werden Evaluierungen durch eine Qualitätssicherung, denn „es gibt kein besseres Argument im Wettbewerb um knappe Ressourcen als die nachweisbare Qualität von Lehre (und Forschung)“ (HRK 2000).

Es kann festgehalten werden, dass sich im Verlauf der 90er-Jahre ein zunehmender Drittmittelwettbewerb in der deutschen Hochschullandschaft entwickelt und „der Wettbewerb um Drittmittel [als] der wichtigste Weg für eine leistungsbezogene Vergabe von Forschungsressourcen“ (WR 1996: 10) erachtet wird. Darüber hinaus fordert der WR (1996: 62) „vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für alle Konkurrenten“. Durch diese Forderung entsteht ebenfalls eine Analogie zum neoliberalen Interdiskurs, weil die angestrebte Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen Hochschulen und ihren Angehörigen eine Verbindung zu Rüstows (1949: 153) Ideal der „Startgerechtigkeit“ aufweist.

Darüber hinaus werden Ende der 90er-Jahre zur Qualitätssicherung und Transparenzsteigerung der Hochschullehre (Programm-)Akkreditierungsverfahren von Bachelor- und Masterstudiengängen entwickelt (HRK 1998b). Bei diesen Akkreditierungsverfahren

„werden Studiengänge aufgrund eines entsprechenden Antrags der Hochschule im Hinblick auf die (Mindest-)Qualität des Lehrangebots, die zu vermittelnden Qualifikationen und vorhandene Ausstattung extern durch schriftliche Gutachten oder durch Besuch einer Gutachtergruppe überprüft und auf dieser Grundlage akkreditiert. Bei der Einführung von Studiengängen wird eine vorläufige Akkreditierung auf der Grundlage einer Begutachtung ausgesprochen. Bei einer endgültigen, immer zeitlich befristeten Akkreditierung wird auch der Berufserfolg von Absolventinnen und Absolventen einbezogen“ (ebd.).

Gerechtfertigt wird die Implementierung von Akkreditierungsverfahren durch eine steigende Nachfrage von Studierenden und von Arbeitgeber*inner nach differenzierten Studiengängen, Qualitätssicherung, Profilschärfung von Hochschulen sowie durch eine Internationalisierung der deutschen Hochschullandschaft (ebd.).

Auf der Mikroebene von Hochschulen wird in der Konstituierungsphase von NPM die mangelnde Leistungsfähigkeit des Hochschulpersonals problematisiert (vgl. Deutschlandfunk 1999). Vor diesem Hintergrund soll ein leistungs- und anreizorientiertes Dienst-, Besoldungs- und Tarifrecht für Professor*innen, wissenschaftliches sowie für administratives und technisches Personal eingeführt werden (vgl. HRK 1998c). Insbesondere die leistungsorientierte Besoldung von Professor*innen bildet eine zentrale Reformanstrengung in den 90er-Jahren. Hierzu argumentiert die HRK (2000), dass eine „Flexibilisierung zu starrer Beschäftigungs- und Besoldungsvorschriften […] zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen führ[t]“. Darüber hinaus trage eine leistungs- und anreizorientierte Personalführung zu einer Leistungssteigerung des gesamten Hochschulsystems bei (vgl. HRK 1998c). In diesem Kontext sollen Anreize für Professor*innen wie Forschungssemester und höhere Dienstbezüge eingeführt werden (ebd.). Des Weiteren sollen „Berufungs-, Bleibe- und Sonderzuschüsse […] künftig […] nur noch befristet mit der Möglichkeit der Verlängerung bei entsprechender Leistung gewährt [werden]“ (ebd.). Mit einer leistungs- und anreizorientierten Personalführung wird demnach versucht, das Hochschulpersonal zu mobilisieren, effizienter zu arbeiten (vgl. Deutschlandfunk 1999). Zur individuellen Leistungsbewertung in der Forschung sollen quantitative Indikatoren wie eingeworbene Drittmittel, Publikationen, Preise und wissenschaftliche Gutachter*innentätigkeiten herangezogen werden (vgl. HRK 1998c). In der Lehre dienen Kennzahlen wie „überdurchschnittliche Lehrleistungen, die durch Preise (z. B. Landeslehrpreise) oder Evaluation ausgewiesen sind“ (ebd.) sowie die Anzahl durchgeführter Lehrveranstaltungen und abgenommener Prüfungen als Grundlage für Berufungs- und Bleibeverhandlungen. Des Weiteren sollen Leistungs- und Zielvereinbarungen zwischen Professor*innen und der Hochschulleitung Anreize der persönlichen Leistungssteigerung erzeugen (ebd.). In diesem Zusammenhang stellt die HRK (1998a) fest:

„In der kommenden Legislaturperiode sind Änderungen des öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Tarifrechts für das wissenschaftliche, technische und administrative Personal hin zu mehr Leistungsorientierung und Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen unerläßlich. Die Hochschulen müssen flexibel auf Änderungen in der Wissenschaft und auf den Arbeitsmärkten reagieren können.“

Für wissenschaftlich Beschäftigte wird eine Befristung von Qualifikationsstellen auf maximal sechs Jahre gefordert (vgl. HRK 1998c). Weiterhin soll „künftig zwischen befristeten Qualifikations- und unbefristeten Funktionsstellen unterschieden werden. Die Zahl der unbefristeten Funktionsstellen ist im Interesse des wissenschaftlichen Nachwuchses so gering wie möglich zu halten“ (ebd.).

Neben der Zielsetzung, das Hochschulpersonal durch Flexibilisierung, Befristung und Anreize zu mobilisieren, effizienter zu arbeiten, soll die Persönlichkeit von Angehörigen deutscher Hochschulen transformiert werden. Denn eine unternehmerische Persönlichkeit wird als Grundlage betrachtet, um als Einzelner in einer wissensbasierten Ökonomie bestehen zu können, denn eine Wissensgesellschaft

„wird weniger als in der Vergangenheit nur Vollzeitbeschäftigte und nur abhängig Beschäftigte kennen. In Zukunft wird zunehmend Eigeninitiative gefragt sein: Teilzeit-Tätigkeiten und berufliche Selbständigkeit werden einen sehr viel größeren Anteil an der Arbeitswelt haben. Deshalb sollten sich Hochschulabsolventinnen und -absolventen auf eine zeitweilige oder auch dauerhafte selbständige berufliche Existenz einstellen“ (HRK 1998d).

Gemäß der Zielsetzung, die „wirtschaftliche Wagnisbereitschaft, Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Einzelnen“ (ebd.) zu fördern, soll eine unternehmerische „Kultur der Selbständigkeit“ an deutschen Hochschulen durch Lehrangebote entstehen, die „selbständiges (unternehmerisches) Handeln“ (ebd.) hervorbringt. Dazu

„müssen Professorinnen und Professoren die Förderung eigenständigen Handelns als ein wichtiges Element der Lehre und der Ausbildung der Studierenden und des wissenschaftlichen Nachwuchses erkennen und praktizieren. Sie müssen Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zur Selbständigkeit ermutigen, um das vorhandene Potential für Selbständigkeit zu identifizieren und gezielt zu fördern“ (ebd.).

Zudem sollen an deutschen Hochschulen „Career-Services“ (ebd.) entstehen, die den Übergang in den Arbeitsmarkt und Unternehmensgründungen von Studierenden fördern. Untermauert wird die Förderung von unternehmerischen Persönlichkeiten in der Hochschullehre von der HRK (ebd.) durch die

„Wahrnehmung ihrer Verantwortung für ihre Studierenden und ihrer Verpflichtung zur Dienstleistung im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit für die Gesellschaft […]. Die Hochschulen haben mehr denn je die Verpflichtung, die Studentinnen und Studenten auch mental auf die Möglichkeit der beruflichen Selbständigkeit vorzubereiten und sie dafür zu trainieren.“

Auch wenn es sich bei den Zielsetzungen in der Konstituierungsphase weitestgehend um Zukunftsentwürfe handelt, können in den 90er-Jahren erste Ereignisse dokumentiert werden, die einen grundlegenden Transformationsprozess in der deutschen Hochschullandschaft unter NPM ankündigen.

Ereignisse: Gesellschaftliche Ereignisse wie die Akademisierung der Bevölkerung im Zuge einer entstehenden Wissensgesellschaft treiben die Reorganisation der deutschen Hochschullandschaft durch neoliberale Ideen und manageriale Verwaltungspraktiken voran (vgl. HRK 1998d). Im Zuge einer sich formierenden Wissensgesellschaft stellt die HRK (2000) fest, dass

„nach den Prognosen der Kultusministerkonferenz […] die Studienberechtigtenzahlen aufgrund hoher Schülerzahlen an weiterführenden Schulen und einer ansteigenden Übergangsquote von der Schule auf die Hochschule in den neuen Ländern bis zum Jahre 2008 um weitere 15% anwachsen [werden]. Dies ist im Prinzip eine erfreuliche und notwendige Entwicklung, ist doch der Anteil der Studierenden an der gleichaltrigen Bevölkerung in der Bundesrepublik, deren wirtschaftliche Zukunft wesentlich von der Qualifikation ihrer Arbeitskräfte abhängt, niedriger als in einigen vergleichbaren Ländern.“

Der soziale Wandel bietet Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes einen Anlass, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen von deutschen Hochschulen zu verändern. Die Wirkung von Problematisierungen, Zielsetzungen, Maßnahmen und Plausibilisierungen werden in Ereignissen wie der Änderung von (Hochschulrahmen-)Gesetzen sichtbar. Hier kann die Novellierung des HRG im August 1998 genannt werden, denn in dieser Gesetzesänderung (§ 6 der HRG-Novelle) vergegenständlichen sich manageriale Verfahren zur Qualitätssicherung und -bewertung an deutschen Hochschulen (vgl. HRK 2000). Dementsprechend bildet die Novellierung des HRG einen rechtlichen Rahmen, um Evaluierungen in regelmäßigen Abständen durchzuführen.

Weiterhin ist der Autonomiezuwachs von Hochschulleitungen ein zentrales Ereignis in der Konstituierungsphase von NPM, denn durch das novellierte HRG verpflichtet sich der Staat, sich sukzessive aus der Detailsteuerung von Hochschulen zurückzuziehen (vgl. HRK 1997). Dessen ungeachtet bleiben rechtliche Rahmenbedingungen von Hochschulen im Fokus von Problematisierungen des unternehmerisch-managerialen Regimes. So fordert die HRK (1999b),

„die erheblichen Deregulierungen des neuen Hochschulrahmengesetzes […] nun in den Ländern umzusetzen. Die bisher vorgelegten bzw. schon verabschiedeten Novellen der Landeshochschulgesetze lassen erkennen, dass hier noch vielfache Überzeugungsarbeit durch die Landesrektorenkonferenzen geleistet werden muss, damit den Hochschulen der erforderliche Gestaltungsspielraum gewährt wird.“

Ein weiteres Gesetz, das insbesondere durch Problematisierungen einer mangelnden Leistungsfähigkeit des Hochschulpersonals angestoßen wurde, ist das am 1. Juli 1997 in Kraft getretene „Gesetz zur Reform des Öffentlichen Dienstrechts“ (vgl. HRK 1998c). Jedoch wird auch hier eine fehlende Berücksichtigung von strategischen Maßnahmen zur Flexibilisierung der wissenschaftlichen Personalstruktur kritisiert, weil das Gesetz nicht

„zur Realisierung dieser Ziele im Hochschulbereich […] aus[reicht], da es sich nicht auf Professorinnen und Professoren bezieht, die als Leistungsträger die Leistungen und die Leistungsfähigkeiten der Hochschulen entscheidend bestimmen. Ferner reichen die Änderungen für das administrative und technische Hochschulpersonal nicht aus“ (ebd.).

Damit befinden sich deutsche Hochschulen am Ende der 90er-Jahre „zwischen Eigenverantwortung und bürokratischen Interventionen“ (HRK 2000). Ein weiteres zentrales Ereignis in der Konstituierungsphase von NPM ist die Entstehung eines europäischen Hochschulraums (EHR) im Zuge der Bologna-Erklärung am 19. Juni 1999 (vgl. HRK 2002; 2006b). Mithilfe des EHRs soll die Mobilität von Studierenden und Wissenschaftler*innen gefördert sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU durch transnationale Hochschulbildung und Forschung gesteigert werden. In diesem Kontext bemerkt der WR (1996: 4), dass „die Möglichkeit einer befristeten projektbezogenen Kooperation über Staatsgrenzen hinweg […] bereits in Einzelfällen [besteht]“. Die Profil- und Internationalisierungsmaßnahmen an deutschen Hochschulen werden durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen mit der Novellierung des HRG von 1998 sowie dem „Studienführer“ (HRK 1999b) vorangetrieben (vgl. WR 2006: 89). Diese Orientierungsgrundlage für Studieninteressierte, herausgegeben von der HRK sowie dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und der Stiftung Warentest, soll „Leistungsprofile der Hochschulen auf der Ebene der einzelnen Fächer transparent und vergleichbar […] machen“ (HRK 1999b). Gleichwohl wird der „Studienführer“ (ebd.) zur Weiterentwicklung von Hochschul- und Forschung-RankingsFootnote 2 in den frühen Nullerjahren herangezogen (vgl. WR 2004: 17). Eine wesentliche Voraussetzung des „Studienführers“ (HRK 1999b) ist die Gründung des CHE 1994.

„Ausgangspunkt für die Gründung des CHE (durch Bertelsmann-Stiftung und HRK) als Ideenwerkstatt und Serviceunternehmen für die Hochschulreform war der Wunsch, ein Instrumentarium für mehr Wettbewerb und Transparenz im Hochschulbereich unter Beteiligung der Hochschulen zu entwickeln, um der staatlichen Bevormundung durch bürokratische realitäts- und praxisferne Vorschriften etwas Neues entgegenzusetzen“ (HRK 2000).

Fortan zählt das CHE als wissenschaftsbasiertes Beratungsunternehmen zu den zentralen Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes und ist maßgeblich an der arbeitsteilig organisierten Transformation der deutschen Hochschullandschaft beteiligt. Weiterhin werden Hochschulen mit strategischer, problematisierender Öffentlichkeitsarbeit sichtbar gemacht (vgl. Deutschlandfunk 1999). Zu diesem Zweck werden beispielsweise „im Rahmen von zahlreichen Interviews und Hintergrundgesprächen mit Medienvertretern, von 12 Pressekonferenzen (teilweise gemeinsam mit der Bundesbildungsministerin oder anderen Institutionen) und über 50 Pressemitteilungen […], die Interessen der Hochschulen öffentlichkeitswirksam […] vertreten“ (HRK 2000). Plausibilisiert wird die zunehmende Relevanz von Öffentlichkeitsarbeit und PR-Strategien durch eine notwendige Sichtbarkeit von deutschen Hochschulen in einem nationalen und internationalen Wettbewerb (vgl. HRK 1999b). Mit einer strategischen Öffentlichkeitsarbeit wurde ebenfalls versucht, die Studierendenprotestbewegung von 1997 für die Reformanstrengungen unter NPM zu integrieren, da der Zustand knapper Ressourcen sowohl für die Protestierenden als auch für die deutsche NPM-Reformbewegung einen wesentlichen Fixpunkt darstellt (vgl. HRK 1999b).

Auf der Mesoebene markieren Pilotprojekte zur Erprobung von managerialen Verwaltungspraktiken zentrale Ereignisse in der Konstituierungsphase. Durch die Novellierung des HRG kann ein Akkreditierungsverfahren eines neuen Studiengangs in einer „Erprobungsphase (§ 19 HRG – neu) zunächst zeitlich als Pilotprojekt […] und ohne unnötigen bürokratischen Aufwand gestalt[et werden], damit es rasch eingeführt werden kann“ (HRK 1998b). Eine erste Institutionalisierung erfährt die Erprobung von managerialen Verwaltungspraktiken mit dem „Projekt Qualitätssicherung (Projekt Q), das die HRK von 1998 bis 2000 mit Mitteln und im Auftrag von Bund und Ländern (BLK) durchgeführt hat“ (HRK 2002) sowie der Konstituierung eines Akkreditierungsrats im Juli 1999 (vgl. HRK 2000). Der Rat

„soll die fachlich-inhaltliche Begutachtung der neuen genannten Studiengänge koordinieren und vor allem dazu Agenturen zertifizieren, die die Aufgabe der Akkreditierung übernehmen wollen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Akkreditierungsverfahren nach fairen und nachvollziehbaren Regeln ablaufen“ (ebd.).

In den 90er-Jahren entsteht allmählich auch ein Berichtswesen an deutschen Hochschulen, da „in manchen Landeshochschulgesetzen […] entsprechend den Empfehlungen von KMK und HRK zur Umsetzung der Studienstrukturreform vom Juli 1993 festgelegt [ist], daß Lehrberichte regelmäßig vorzulegen sind“ (HRK 1995b).

Ungeachtet der zahlreichen Ereignisse an deutschen Hochschulen wird das Reformgeschehen von Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes in den 90er-Jahren als schleichend bewertet (vgl. HRK 2000). Speziell für eine mangelnde Autonomie der Hochschulleitung wird die Länderpolitik verantwortlich gemacht, weil „ein Großteil der Länder zwar von Wettbewerb und Profilierung der Hochschulen redet, bei der Hochschulzulassung z. B. aber nicht die dafür erforderlichen Instrumente zur Verfügung stellen will“ (HRK 1999b). Die Wahrnehmung von Angehörigen des unternehmerisch-managerialen Regimes deckt sich mit organisationssoziologischen Befunden über NPM, da die Zeitspanne von 1993 bis 2000 an deutschen Hochschulen mehr durch „talk“ als durch „action“ (Schimank 2002: 30) gekennzeichnet ist. Gleichzeitig wandelt sich das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen in der Konstituierungsphase mit den Novellen der HRG und der LHG. Dementsprechend avancieren einzelne Hochschulen mit der Erprobung von managerialen Verwaltungspraktiken zum Krisenlabor von Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes. Darüber hinaus wird versucht, mit einer strategischen, problematisierenden Öffentlichkeitsarbeit politische Entscheidungsträger*innen und andere Interessensgruppen von der Dringlichkeit einer Reorganisation der deutschen Hochschullandschaft unter NPM zu überzeugen. Kurzum: In der Konstituierungsphase werden grundlegende Problematisierungen, Zielsetzungen, Maßnahmen und Plausibilisierungsstrategien für eine tiefgreifende Transformation von Hochschulen und ihren Angehörigen erprobt. Durch gesellschaftliche Ereignisse zur Jahrtausendwende wie die Bologna-Reform und die Lissabon-Strategie erlangen die Zielsetzungen und Plausibilisierungen von Angehörigen des unternehmerisch-managerialen Regimes einen stärkeren Geltungsanspruch als in den 90er-Jahren und werden zunehmend durch manageriale Praktiken und unternehmerische Handlungsweisen von Hochschulangehörigen umgesetzt (vgl. HRK 2006a: 242).

5.1.2 Actionphase

Die Jahrtausendwende markiert den Anfang der Actionphase von NPM in der deutschen Hochschullandschaft. In der Actionphase werden Problematisierungen, Maßnahmen sowie Zielsetzungen und Plausibilisierungen des Managementdiskurses aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Actionphase ist also kein Abschluss der Konstituierungsphase, sondern ein Anschluss an den Entwicklungsprozess des Managementdiskurses in 1990er-Jahren. Die Prozesshaftigkeit der managerialen Wissens- und Identitätspolitik wird besonders an wiederkehrenden Problematisierungen im Verlauf der Actionphase von 2000 bis 2010 deutlich.

Problematisierungen: Wie bereits in der Konstituierungsphase werden insbesondere eine mangelhafte Finanzierung sowie die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Hochschulen und ihren Angehörigen, Effizienz- und Qualitätsverluste in Lehre und Forschung, traditionelle akademische Steuerungsmodelle und Leitideen sowie rechtliche Rahmenbedingungen problematisiert (vgl. DFG 2009; HRK 2005b: 4; WR 2006: 71). Die Thematisierung eines „brain drain“ (HRK 2004a: 6; WR 2010a: 123) und von nicht-intendierten Effekten der (Hochschul-)Reformen sind hingegen neue Problemfelder des NPM-Diskurses (vgl. DFG 2009; HRK 2007: 19; WR 2006: 70; 2010a: 133).

Gesamtgesellschaftlich werden in den 2000er-Jahren Finanz- und Qualitätsprobleme von Hochschulen konstatiert, die von einer sich formierenden Wissensgesellschaft, der Bologna-Reform und durch das europäische Regierungsprogramm der Lissabon-Strategie beeinflusst werden (vgl. Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006). In diesem Zusammenhang geht man davon aus, dass deutsche Hochschulen

„für mehr Studierende und weitere gesellschaftliche Anspruchsgruppen ein breiteres Aufgabenspektrum bedienen und zudem die Qualität ihrer Leistungen verbessern [sollen] […]. Es ist evident, dass in einer Situation der chronischen strukturellen Unterfinanzierung und der im Wesentlichen ohne substantielle zusätzliche Mittel initiierten Reformen die Hochschulen, insbesondere die Universitäten, angesichts solcher permanenten Erwartungen systematisch überfordert sind und sich in einem ,Stresszustand‘ befinden“ (WR 2010b: 16 f.).

Anders als in den 1990er-Jahren werden nun die Problematisierungen einer mangelnden Hochschulfinanzierung und sinkender Qualität in Lehre und Forschung zunehmend von Parteien in Regierungsprogrammen thematisiert. Diesbezüglich hält die SPD (2004: 6) in den „Weimarer Leitlinien Innovation“ fest: „Im Vergleich zu anderen Ländern sind unsere Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu gering.“ Als Folgen des Zustands knapper öffentlicher Ressourcen wird eine sinkende Qualität in Lehre und Forschung an deutschen Hochschulen prognostiziert. Den Bezugsrahmen für Qualitätsbewertungen bilden Kennzahlen. Vor diesem Hintergrund problematisiert der WR (2006: 92 f.) in der Hochschullehre, dass sich „das Verhältnis der Studierenden pro Professor […] zwischen 1980 und 2003 von 49,5 Studierende auf 63 Studierende pro Professor verschlechtert [hat] (Fachhochschulen: 1980: 21,3 – 2003: 34,8)“. Oder anders zusammengefasst:

„Insgesamt wird – so steht zu befürchten – die zunehmende Schere zwischen wachsenden Aufgaben, zunehmend notwendigen Qualitätsanstrengungen und schwindenden Ressourcen zu weiterer Verschlechterung der Studienbedingungen führen und die Bemühungen in Frage stellen, die ohnehin breit kritisierten Defizite (überlange Studiendauer, hohe Abbruchquoten) zu korrigieren; solche Korrektur ist jedoch auch angesichts des wachsenden internationalen Wettbewerbs um die ,besten Köpfe‘ dringend nötig. Die quantitative Belastung mit Aufgaben in der Lehre bedroht ferner die den Hochschulen verbliebenen Potenziale für die Forschung und damit auch für die berufliche Perspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses, der an deutschen Hochschulen nach wie vor vorzüglich ausgebildet wird. Nicht auszuschließen ist schließlich, dass diese Gesamtentwicklung zunehmend auch einen negativen Einfluss auf die Reformbereitschaft der Hochschulmitglieder haben könnte; davor ist daher nachdrücklich zu warnen“ (HRK 2004b).

Die Problematisierung des „brain drain“ stellt eine wiederkehrende Verknüpfung von Problemen in der deutschen Hochschullandschaft mit gesellschaftlichen Notständen dar. Hierzu proklamiert die HRK (2005c: 4 f.), wenn

„die Chancen einer Steigerung des Akademikeranteils nicht wahrgenommen und nicht umgehend abgestimmte Maßnahmen von Staat und Hochschulen in Angriff genommen [werden], droht für künftige Studierendengenerationen entweder die Einschränkung der Chancen auf ein Studium oder eine weitere drastische Verschlechterung der Studienbedingungen. Außerdem ist in dem Fall eine weitere Verstärkung des Trends zur Abwanderung der ,besten Köpfe‘ ins Ausland zu befürchten. Das gemeinsame bildungspolitische Ziel des Staates und der Hochschulen, wissenschaftliche Ausbildung für die sich entwickelnde Wissensgesellschaft in Quantität und Qualität im nationalen und internationalen Kontext deutlich zu verbessern, würde durch ein solches Szenario konterkariert werden.“

Mit der Verbindung von gesellschaftspolitischen Problemfeldern wie einer drohenden Abwanderung von hochqualifizierten Fachkräften und Wissenschaftler*innen ins Ausland gelingt es Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes, den NPM-Diskurs in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen sowie für Zielsetzungen und Maßnahmen eine höhere Anschlussfähigkeit zu generieren als in den 1990er-Jahren. Die breite öffentliche Zustimmung zu den Hochschulreformen unter NPM verleihen ebenfalls Problematisierungen auf der Meso- und Mikroebene einen gesteigerten Geltungsanspruch, da die Annahme geteilt wird, dass „die Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Hochschul- und Wissenschaftssysteme […] entscheidend dafür sein [werden], ob eine Gesellschaft den Anschluss an internationale Entwicklungen halten kann“ (HRK 2009: 7 f.; vgl. Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006). Diese Plausibilisierungsstrategie, gesellschaftliche mit hochschulischen Problemen zu verknüpfen, ist aus der Perspektive von Angehörigen des unternehmerisch-managerialen Regimes äußerst effektiv, da sich neben Parteien in den 2000er-Jahren auch zunehmend Medienvertreter*innen die Problematisierungen des Managementdiskurses aneignen. Hierzu werden im „Studentenspiegel“ ein „überlaufenes, unterfinanziertes Uni-System“ (Friedmann, Koch & Mohr 2004), mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Qualitätsverluste des deutschen Hochschulsystems thematisiert. Als Ursache für diese Problemlagen werden auf der Mesoebene traditionelle akademische Steuerungsmodelle und Leitideen angeführt. Insofern werden der „Typenzwang“ (WR 2010b: 13) zwischen Universität und Fachhochschule, „traditionelle Fakultäts- und Fachbereichsstrukturen“ (WR 2006: 75), traditionelle Mittelverteilung „mit der Gießkanne“ (DFG 2009) sowie eine „Überregulierung, normative Steuerung, Bürokratisierung, Zentralisierung und fehlende Führungs-/Steuerungskompetenz auf der dezentralen Ebene“ (HRK 2005a: 2) kritisiert.

Diese Problemkonstellationen wurden bereits in der Konstituierungsphase genutzt, um deutsche Hochschulen und ihre Angehörigen mit neoliberalen Ideen und managerialen Verwaltungspraktiken zu konfrontieren. Neu ist in der Actionphase, dass insbesondere am Ende der Nullerjahre Bestandteile der Hochschulreformen und von managerialen Praktiken selbst zum Problem erklärt werden. In diesem Kontext thematisiert der WR (2006: 45 f.) unbeabsichtigte Folgen eines staatlich inszenierten Wettbewerbs sowie des Hochschulmanagements:

„Wettbewerb unter ungeeigneten Rahmenbedingungen kann mit Blick auf die Gesamtleistungen der Hochschulbildung suboptimale und politisch nicht intendierte Konsequenzen haben. Wenn die Hochschulen ihre Angebote nicht koordinieren, können Entscheidungen der einzelnen Hochschulen, die aus ihrer Sicht strategisch begründet und betriebswirtschaftlich rational sind, zu Lücken im Gesamtsystem der Studienangebote führen, etwa wenn alle Hochschulen aktuell wenig nachgefragte oder sehr kostenintensive Studienangebote einstellen, unabhängig davon, ob sie gesellschaftlich von Relevanz sind. Wird die Finanzierung der Universitäten zu sehr von der Bildungsnachfrage abhängig gemacht, kann Wettbewerb an einzelnen Stellen auch zu einer unerwünschten Senkung des Lehrniveaus führen. Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass Wettbewerb Prozesse befördert, die im Ergebnis Strukturangleichung bewirken, statt Profilbildung und Differenzierung hervorzubringen.“

Diese Probleme, die u. a. erst durch den Managementdiskurs entstanden sind, werden jedoch nicht genutzt, um neoliberale Ideen zu verwerfen und manageriale Verwaltungspraktiken einzuschränken, sondern die Thematisierung von selbst geschaffenen Problemen bildet einen Anlass, um auf diese mit weiteren unternehmerischen und managerialen Praktiken zu reagieren. Dahingehend kann Lemke (2000: 43) zugestimmt werden, dass „ein Programm gerade deshalb ‚gut‘ [funktioniert], weil es nicht oder jedenfalls nur schlecht funktioniert bzw. es die Probleme erst schafft, auf die es dann vorgeblich reagiert“.

Sichtbar wird dieser Zusammenhang auch auf der Mikroebene von Hochschulen. Wie bereits in den 90er-Jahren werden in der Actionphase eine mangelnde Leistungsbereitschaft von Hochschulangehörigen und traditionelle akademische Selbstbilder zu Problemen erklärt (vgl. WR 2006: 87; 2010a: 84 f.). Neben wissenschaftlich Beschäftigten wird in den Nullerjahren zunehmend die Leistungsfähigkeit von Studierenden problematisiert. Hier werden vor allem das – im internationalen Vergleich – hohe Alter von Studienabsolvent*innen sowie die hohe Abbrecher*innenzahl kritisiert und als Indikatoren für eine mangelnde Leistungsfähigkeit von Hochschulangehörigen herangezogen (vgl. WR 2006: 91 f.). Aus diesem Grund stellt der WR (2006: 87) resümierend fest:

„Obwohl die Ausgaben für die Lehre pro Studierendem und Jahr in Deutschland unterdurchschnittlich sind, ist ein Studium in Deutschland überdurchschnittlich teuer, weil ein großer Anteil der Studierenden an Universitäten studiert und die Studiendauer auch, aber nicht nur deswegen überdurchschnittlich lang ist.“

In diesem Kontext weiten sich in der Actionphase Problematisierungen von der Sozialfigur der „faulen Professoren“ (Deutschlandfunk 1999) auf andere Statusgruppen wie (Langzeit-)Studierende aus, die innerhalb des NPM-Diskurses einen Kostenfaktor darstellen und hinsichtlich einer hohen Studiendauer und Abbruchquote ineffizient sind (vgl. WR 2006: 91 f.).

Darüber hinaus wird auf der Mikroebene ein Spannungsverhältnis zwischen unternehmerisch-managerialen Interessen der Hochschulleitung und der „Autonomie der Wissenschaftler [thematisiert], deren individuelle Interessen nicht ohne weiteres mit den institutionellen Interessen der Hochschulen zusammenfallen“ (HRK 2004d: 7). Um dieses Spannungsverhältnis zu lösen, wurden in den 90er-Jahren peu à peu Wettbewerbe und Anreizsysteme an deutschen Hochschulen etabliert, die wissenschaftliche Interessen kanalisieren und steuern sollen. In einem „wissenschaftsadäquaten Wettbewerb müssen die wissenschaftlichen Leistungen von Fächern und individuellen Wissenschaftlern ausschlaggebend für finanzielle Förderung sein, nicht jedoch Qualitätsurteile über ganze Hochschulen“ (HRK 2004a). Der „wissenschaftsadäquate Wettbewerb“ (ebd.) um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg verursacht allerdings ebenso nicht-intendierte Effekte. Vor diesem Hintergrund wird ein Spannungsverhältnis zwischen Lehre und Forschung zum Problem erklärt, das durch einen „eindimensionalen Wettbewerb im Forschungsbereich“ (WR 2010b: 82) entsteht. Mit dieser Problematisierung findet eine Abgrenzung vom Exzellenzdiskurs in der deutschen Hochschullandschaft statt und „auch ein politisches Bekenntnis zur Legitimität des (skalierbaren) Qualitätsbegriffs im Unterschied zum (nicht skalierbaren) Exzellenzbegriff […], da Qualitäten in mehrfacher Hinsicht die Voraussetzung für die Exzellenz bilden“ (ebd.: 28). Insbesondere der Exzellenzwettbewerb im EFR wird für ungewollte Effekte kritisiert, da diese

„Forschungsinfrastrukturen […] große Projekte privilegieren, sie können zur Förderung weniger risikoreicher Forschung (normal science) tendieren und sie bevorzugen empirische gegenüber theoretischen Teildisziplinen. Zu bedenken ist aber vor allem, dass Forschungsinfrastrukturen langfristig Ressourcen binden und insofern die Fähigkeit der wissenschaftlichen und politischen Akteure einschränken, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren“ (WR 2010a: 122).

Die langfristige Bindung von Ressourcen ist insbesondere für ein „entscheidungsfähiges Hochschulmanagement“ (WR 1993: 24) ein Problem. Wie bereits in den 90er-Jahren bilden in der Actionphase Problematisierungen den Ankerpunkt für Zielsetzungen und Maßnahmen, mit denen Angehörige des Managementdiskurses auf (selbst verursachte) Probleme reagieren.

Zielsetzungen und Maßnahmen: Die Actionphase wird stark von den gesellschaftlichen Kontextbedingungen der Globalisierung, Wissensgesellschaft und Nachhaltigkeit beeinflusst (vgl. HRK & Deutsche UNESCO-Kommission 2010: 3; SPD 2004: 2; WR 2010a: 5). Gerade ein Nachhaltigkeitsdiskurs führt bei Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes zu kreativen (Um-)Deutungen. Diesbezüglich wird das erklärte Staatsziel der Nachhaltigkeit (Artikel 20a GG) innerhalb des NPM-Diskurses als „effektives Ressourcenmanagement“ und „energieeffizienter Hochschulbau“ gedeutet (vgl. HRK & Deutsche UNESCO-Kommission 2010: 3). Diese Deutung des Nachhaltigkeitsdiskurses sowie der anhaltende Zustand knapper öffentlicher Ressourcen verleiht den Zielsetzungen des Managementdiskurses Plausibilität. Deswegen empfiehlt die HRK (2005b: 2) „eine grundlegende Überprüfung der Forschungslandschaft in Deutschland […], um bei begrenzten Ressourcen den wachsenden Wettbewerbsdruck weltweit, aber auch innerhalb Europas bestehen zu können“. Um diese Ziele zu erreichen, sollen vermehrte (Forschungs-)Evaluierungen durchgeführt, Kooperation und Vernetzung zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie die „Zusammenführung mehrerer oder Auflösung einzelner Einrichtungen im Interesse größerer wissenschaftlicher Leistungsstärke und insgesamt effizientere[r] Mitteleinsatz [angestrebt werden]“ (ebd: 5).

Eine weitere Maßnahme zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, Effizienz und Transparenz im deutschen Hochschulsystem ist die zunehmende Implementierung von Rankings. Wie bereits bei dem „Studienführer“ (HRK 1999b) in den 90er-Jahren werden in der Actionphase Rankings genutzt, um Leistungen von Hochschulen und ihren Angehörigen mithilfe von Benchmarks zu vergleichen (vgl. WR 2004: 17). Mit der zunehmenden Institutionalisierung von Rankings in den Nullerjahren entsteht eine objektive Wirklichkeit, die Hochschulangehörige und andere Akteur*innen mit normativen (Leistungs-)Anforderungen konfrontiert. In diesem Zusammenhang erzeugen Rankings (Un-)Sichtbarkeiten von Hochschulen und ihren Angehörigen, da die komplexe soziale Wirklichkeit an deutschen Hochschulen auf wenige Leistungskriterien in Form von Kennzahlen reduziert wird (vgl. WR 2004: 45 f.). Beispielsweise werden im CHE-Hochschulranking von 2003 u. a. Forschungsleistungen von deutschen Hochschulen anhand der Indikatoren Drittmittel, Patente und Publikationen pro Professor*in gemessen. Das verschafft Hochschulen mit überdurchschnittlich vielen Drittmitteln, Patenten und Publikationen eine erhöhte Sichtbarkeit. Hochschulen, die sich unterhalb des Benchmarks befinden, werden demgegenüber marginalisiert. Die Unsichtbarkeit von einzelnen Hochschulen in Rankings kann die Attraktivität des Hochschulstandorts schmälern und zu Wettbewerbsnachteilen führen (ebd.: 18). Eines der wirkungsvollsten Rankings in der deutschen Hochschullandschaft bildet die Exzellenzinitiative, denn im Wettbewerb um Drittmittel und symbolisches Kapital entsteht gleichzeitig eine Rangordnung der deutschen Hochschulen. Über die Platzierung im Exzellenzranking entscheidet der Antragserfolg, der neben der wissenschaftlichen Qualität vom symbolischen Kapital der Antragsteller*innen und der Standortgröße der jeweiligen Hochschule beeinflusst wird (vgl. Münch 2009; 2010). In diesem Kontext konstatiert der WR (2010b: 25 f.), dass

„zwar […] auch zuvor der Erfolg in der Einwerbung von Drittmitteln (etwa in den DFG-Verfahren) unmittelbare Auswirkungen auf die Ausstattung und das Renommee der jeweiligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. der Fachbereiche [hatte], die Kombination von Antragserfolg und öffentlicher Aufmerksamkeit für den Exzellenzwettbewerb verstärkte aber die Konsequenzen vor allem auf der Ebene der institutionellen Reputation und der Finanzausstattung. [Weiterhin] […] veränderte der Exzellenzwettbewerb das tertium comparationis: Wurden zuvor in aller Regel die Forschungsleistungen von Personen und Fachbereichen oder Fakultäten verglichen, so wurde nun die Forschungsqualität ganzer Universitäten zum Gegenstand des Vergleichs.“

Unter der Problematisierung eines „eindimensionalen Wettbewerbs“ (ebd.: 28) der Exzellenzinitiative und in Rekurs auf eine skalierbare Qualität werden manageriale Rankings in der Hochschullehre erprobt. Im Rahmen der Bologna-Reform werden nun zunehmend QualitätsmanagementprogrammeFootnote 3 implementiert und „Benchmarking Clubs“ (ebd.: 72) gegründet.

„Der Wissenschaftsrat regt an, funktionierende Verbünde als Plattform für Leistungsvergleiche zu nutzen (so genannte benchmarking clubs). Er rät dazu, die hierfür erforderlichen Daten auszutauschen. Der Wissenschaftsrat hält die Verbünde zudem für geeignete Instrumente, um eine Kooperation über die Grenzen von Hochschultypen zu erleichtern. Komplementäre Verbünde im Spektrum der Universitäten wie der Fachhochschulen sind hier ebenso denkbar wie die Mitgliedschaft geeigneter Fachhochschulen in einem Universitätsverbund und vice versa“ (ebd.: 72).

Die „Benchmarking Clubs“ (ebd.) stellen eine Antwort von Akteur*innen des Managementdiskurses auf die Forderung der Bologna-Reform nach mehr Sichtbarkeit und Qualität der Hochschullehre dar (vgl. HRK 2006a: 198). Innerhalb von Hochschulen sollen „Benchmarking Clubs“ (WR 2010b: 72) zur Optimierung von Entscheidungs- und Verwaltungsprozessen genutzt werden. Vor diesem Hintergrund bilden Rankings nicht nur für beherrschte Subjekte wie Studierende und Wissenschaftler*innen eine Handlungsgrundlage, sondern herrschende Subjekte wie Hochschulleitungen und Hochschulmanager*innen ziehen ebenfalls institutionalisiertes Wissen von Rankings als Basis für Interaktionen heran (vgl. Berger & Luckmann 2012: 49–62; Link 2007: 221). In diesem Kontext wird neben einer Institutionalisierung die Standardisierung von Qualitätsmanagementverfahren nach DIN EN ISO 9000ff sowie nach dem Total-Quality-Management-Ansatz angestrebt (vgl. HRK 2006a: 197).

Mit dieser Zielsetzung entsteht eine weitere Verbindung zwischen dem Managementdiskurs und einem neoliberalen Diskurs, da Praktiken von der Wirtschaft auf Hochschulen übertragen werden sollen (vgl. Bröckling 2007: 215–267). Die neoliberale Idee, öffentliche Einrichtungen wie Unternehmen zu organisieren, wird in unternehmerischen Leitbildern von deutschen Hochschulen reflektiert. Insofern wird auf der Mesoebene die Zielsetzung verfolgt, dass

„die Hochschulen […] das Qualitätsmanagement von Lehre und Forschung verstärkt als Kernelement ihrer Autonomie verstehen und dafür effiziente, wissenschaftsadäquate Verfahren entwickeln [sollen]. Insbesondere im Bereich der Lehre besteht hier dringender Handlungsbedarf. Auf längere Sicht könnte durch eine Stärkung des hochschuleigenen Qualitätsmanagements eine selektivere Vorgehensweise bei der Einzelakkreditierung von Studiengängen ermöglicht werden“ (WR 2006: 5).

Zur gleichen Zeit verlieren Programmakkreditierungen am Ende der 2000er-Jahre zunehmend ihren Geltungsanspruch. Während Programmakkreditierungen kurz nach der Jahrtausendwende noch vermehrt genutzt wurden, um Studiengänge zu bewerten, verliert die Akkreditierung einzelner Studienprogramme am Ende der Nullerjahre zunehmend an Bedeutung, da neue Programme als weitestgehend implementiert und Programmakkreditierungsverfahren in ihrer Detailliertheit als ineffizient gelten, weshalb man 2007 SystemakkreditierungenFootnote 4 einführt (vgl. WR 2012: 54 f.). „In diesem Sinne hält der Wissenschaftsrat die Systemakkreditierung für ein besonders geeignetes Instrument, um die Verantwortung der Hochschulen für ihre Studiengänge sowohl herauszustellen als auch extern zu zertifizieren“ (ebd.: 10 f.).

Neben einer strategischen Ausrichtung durch ein geprüftes Qualitätsmanagement sollen Hochschulen unternehmerisch handeln, indem

„eine Neujustierung der Rollen von Wissenschaftlern und Hochschulen als Institution [stattfindet]. Der Wettbewerb der einzelnen Wissenschaftler um Reputation und um vorteilhafte Bedingungen zur individuellen wissenschaftlichen Selbstverwirklichung wird um einen institutionellen Wettbewerb ergänzt, der eine strategisch handelnde Hochschulleitung erfordert. Denn die Hochschulen müssen zunehmend die Erfolgsbedingungen der Arbeit ihrer Mitglieder selbst gewährleisten, indem sie ihre Ressourcen effizient einsetzen, ihre Attraktivität für leistungsfähige Studierende, Wissenschaftler und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter steigern, ihre Position auf den Bildungsmärkten zu verbessern suchen, ihre Einkommensquellen zu diversifizieren versuchen, ihre interne Flexibilität erhöhen, Leistung und Innovation fördern und Nichtleistung oder Desinteresse gegenüber den Zielen der Institution bestrafen“ (HRK 2004d: 7).

Durch diesen Rollenwandel werden deutsche Hochschulen und ihre Anhörigen vom Managementdiskurs in der Actionphase stärker als manageriale und unternehmerische Akteur*innen als in den 90er-Jahren angerufen. Gleichzeitig ist die

„Betonung der institutionellen Handlungsfähigkeit […] nicht gleichbedeutend mit der vielfach formulierten Aufforderung an Hochschulen, eine eigene ‚Marke‘ auszubilden und kein Aufruf zur bloßen Selbstvermarktung. Die gesellschaftlichen Funktionen, Zielsetzungen und somit auch die Handlungs- und Strategiefähigkeit von Hochschulen unterscheiden sich grundsätzlich von derjenigen von Unternehmen. Entsprechend missverständlich sind auch die zum Teil bemühten Analogien von Hochschulsektor und Wirtschaftssystem“ (WR 2010b: 30).

Die zentrale Anrufung für deutsche Hochschulen und ihre Angehörigen lautet demzufolge: Handle strategisch und unternehmerisch, ohne zum Unternehmen zu werden. Zur Umsetzung dieser paradoxen Anrufung werden an deutschen Hochschulen Maßnahmen einer BinnendifferenzierungFootnote 5 ergriffen, denn eine „strukturelle Bündelung einzelner Leistungsbereiche“ (WR 2010b: 78) in Lehre und Forschung, berufs- und anwendungsbezogener Ausbildung, Weiterbildung, Diversity ManagementFootnote 6 sowie Technologietransfer soll zu einer stärkeren Eigenfinanzierung sowie zu einer Steigerung der Leistungs- und Steuerungsfähigkeit beitragen. Vor diesem Hintergrund findet innerhalb von Hochschulen eine Differenzierung nach Leistungsbereichen statt, während das deutsche Hochschulsystem unter der Problematisierung des „Typenzwangs“ (WR 2010b: 13) entdifferenziert wird.

Der Wandel von einer mechanischen Differenzierung nach traditionellen Disziplinen und Fächern hin zu einer funktionalen Differenzierung nach Leistungsbereichen soll eine inneruniversitäre Konkurrenz erzeugen und zu einer Effizienzsteigerung des Mitteleinsatzes führen, denn

„die Universitäten [sollen] Wege finden […], ihre eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren. Der Erfolg der Universität im Wettbewerb um staatliche Mittel, um Reputation und um hervorragende Wissenschaftler hängt von der Leistung aller Fachbereiche ab. Mehr und mehr bedarf es interdisziplinärer, fachbereichsübergreifender Kooperationen, um erfolgreiche Forschungsprojekte und innovative Lehrangebote zu realisieren. Deswegen können es sich auch die starken Fachbereiche nicht mehr leisten, den weniger leistungsfähigen gegenüber indifferent zu bleiben. All dies erzeugt ein Klima, in dem fächerübergreifend verglichen wird und Anreiz entsteht, sich auf seine jeweiligen Stärken zu konzentrieren“ (WR 2006: 34).

Demnach kann funktionale Arbeitsteilung unter Anreizen des Wettbewerbs gemäß Durkheim (1988: 162 ff.) als Maßnahme interpretiert werden, um die Leistungsfähigkeit von Hochschulen und ihren Angehörigen zu steigern. Durch die Maßnahmen der internen Differenzierung und externen Entdifferenzierung nach dem Leitbild von Professional Schools und Colleges entsteht eine Analogie zum internationalen Managementdiskurs (WR 2010b: 8). Die Entdifferenzierung von traditionellen Hochschultypen wird, neben einer Steigerung der unternehmerischen und managerialen Autonomie, als Maßnahme gegen einen „brain drain“ (HRK 2004a: 6) betrachtet, da „die Kombination solcher Sonderformate mit der Teilanpassung des Bildungsangebotes an den regionalen Bedarf […] möglicherweise [eine] beschleunigende Abwanderungstendenz verhinder[t]“ (WR 2010b: 60). Gleichzeitig grenzt sich der WR (ebd.: 28) vom Typ der amerikanischen „Super Research University“ und „World Class University“ ab, indem (Ent-)Differenzierungsmaßnahmen eines internationalen Managementdiskurses kritisiert werden. Dennoch sollen aufgrund eines stärkeren internationalen Wettbewerbs deutsche Hochschulen nach amerikanischen Modellen „moderat stratifiziert“ (ebd.: 76) werden, d. h., „im künftigen Hochschulsystem müssen darum bestimmte Universitäten sich durch eine in der Summe höhere Forschungsleistung auszeichnen. Sie sollen mit den internationalen Spitzenuniversitäten eine eigene Gruppe von Konkurrenten bilden können“ (ebd.). Zur Plausibilisierung der moderaten Stratifikation von deutschen Hochschulen nach dem Leitbild der „Super Research University“ (ebd.: 28) werden internationale Vergleiche wie das Schanghai-Ranking herangezogen, denn

„unter den TOP 20 finden sich 2009 neben 17 US-amerikanischen Hochschulen nur zwei europäische (Oxford und Cambridge) sowie mit der Universität Tokio eine japanische. Die ersten deutschen Universitäten finden sich auf den Plätzen 55 (Universität München), 57 (TU München) und 63 (Universität Heidelberg). So hat Europa auch bei den Durchbrüchen in der Grundlagenforschung deutlich an Terrain gegenüber den USA verloren. Während Anfang des 20. Jahrhunderts die Liste der Nobelpreise noch von europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angeführt wurde, dominieren mittlerweile Forschende aus den USA den renommierten Preis“ (WR 2010a: 16).

Weiterhin kann in den 2000er-Jahren eine Institutionalisierung von externen und internen Evaluierungen an deutschen Hochschulen beobachtet werden. Grundlegende Unterschiede zwischen Evaluierungen und Rankings entstehen

„durch die Fokussierung auf die Messung und Bewertung des Outputs – sie beinhalten keine Handlungsempfehlungen und sind nicht prozessorientiert – sowie die Vergleichsabsicht, es werden also mehrere Institutionen oder Förderprogramme nach den gleichen Maßstäben analysiert und bewertet. Unter den verschiedenen Verfahren des Leistungsvergleichs zeichnet Rankings aus, dass die Objekte einer bestimmten Menge (z. B. „Universitäten in Deutschland“) möglichst vollständig erfasst, dass die Leistungskriterien durch ein Kennzahlensystem operationalisiert und dass die Ergebnisse der Leistungsmessung durch die Bildung von Ranglisten verdichtet werden“ (WR 2004: 2).

Die flächendeckende Einführung von Rankings und Evaluierungen dient zur Unterstützung der Qualitätssicherung und Transparenz, aber auch der Profilbildung und Hochschulsteuerung durch manageriale Verwaltungspraktiken (vgl. HRK 2004b; 2006a: 192).

Infolgedessen wandelt sich in den Nullerjahren der Geltungsanspruch von Evaluierungen im Vergleich zur Konstituierungsphase von NPM in der deutschen Hochschullandschaft. Während Evaluierungen in den 90er-Jahren lediglich an vereinzelten Hochschulen als Instrument zur Qualitätssicherung eingesetzt worden sind, kann in der Actionphase eine Institutionalisierung als Profilbildungs- und Steuerungsinstrument beobachtet werden, da mit Evaluierungsergebnissen sowohl hochschulspezifische Leistungsstärken und -schwächen sichtbar gemacht als auch zur LOM herangezogen werden (vgl. HRK 2006a: 192; WR 2006: 46 f.). Gleichzeitig wird mit regelmäßigen Evaluierungsverfahren eine „skalierbare Qualität“ (WR 2010b: 28) erzeugt, die es ermöglicht, hochschulintern sowie zwischen Ländern und Hochschulen

„qualitätsgesicherte Outputgrößen [zu] vereinbaren, die eine zielkonforme Anreizstruktur schaffen. Eine Steuerung, die überwiegend nach Input- und Kapazitätsgrößen (wie Studienanfänger und Studienplätze) erfolgt, setzt falsche Anreize, da sie die Ressourcenverteilung vom Studienerfolg unabhängig macht, und bewirkt somit eine ineffiziente Mittelverwendung“ (WR 2006: 46).

Im Vergleich zu den 90er-Jahren kann in der Actionphase eine Ausdifferenzierung von Leistungs- und Qualitätsindikatoren festgestellt werden. Neben dem traditionellen Peer Review sollen zunehmend Expert*innenurteile in die Leistungsbewertung von Hochschulen und ihren Angehörigen einfließen (ebd.: 72 f.). Der Wandel vom Peer Review zu evidenzbasierten Expert*innenurteilen findet unter der Problematisierung von traditionellen akademischen Steuerungsmodellen statt, die subjektiv seien und zu nicht-intendierten Effekten führten (vgl. WR 2004: 30 ff.). Durch die Verzahnung einer akademischen Expert*innenkultur mit einer indikatorenbasierten Qualitäts- und Leistungsbewertung wird ebenfalls der aufkommenden Kritik an managerialen Praktiken Rechnung getragen, ohne sich jedoch von der Wissenspolitik des Managementdiskurses zu entfernen. Vielmehr bildet die Aneignung von Indikatoren und Kennzahlen durch akademische Expert*innen eine Erweiterung und Legitimation von managerialen Verwaltungspraktiken in der deutschen Hochschullandschaft, da durch persönliche Aneignungsprozesse eine objektive in eine subjektive Wirklichkeit übergeht und die Wissenspolitik des NPM-Diskurses von Wissenschaftler*innen (re-)produziert wird (vgl. Musselin 2013). Mit der Plausibilisierungsstrategie – akademische Subjekte als Vehikel zu nutzen – wird auf die Akzeptanz der Bewertung durch Peers im universitären Feld zurückgegriffen, da das

„Peer-Review […] [ein] international etablierter Standard in der Bewertung wissenschaftlicher Qualität [ist]. Allerdings sind der Verlässlichkeit von Peer Review Grenzen gesetzt. In jedem Fall benötigen Gutachter eine solide Datenbasis, damit die Ergebnisse von Begutachtungen nicht zu reinen Reputationsmaßen mit deren bekannten Nachteilen (Subjektivität, Verzögerung, Halo- und Star-Effekte) geraten“ (WR 2004: 30).

Durch den Bezug von akademischen Expert*innen auf eine „solide Datenbasis“ (ebd.) werden Bewertungskriterien von einem wissenschaftlichen Spezialdiskurs zu einem Managementdiskurs verschoben. Die Beteiligung von akademischen Subjekten an managerialen (Bewertungs-)Praktiken wird als ein wesentlicher Grund für die Entfesselung des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft zur Jahrtausendwende betrachtet. Darüber hinaus erlangen Evaluierungen und Rankings in der Actionphase für deutsche Hochschulen und (hochschul-)politische Entscheidungsträger*innen eine Navigationsfunktion. An dieser Stelle erinnert die handlungsleitende Funktion von Rankings und Evaluierungen an Anrufungen eines neoliberalen Diskurses, da sich die Veridiktion des akademischen Quasi-Marktes in managerialen Praktiken einschreibt und (akademische) Subjekte an ihrer Position ablesen können, ob sie richtig gehandelt haben (vgl. Foucault 2004b: 56).

Weiterhin kann sich in den Nullerjahren der Managementdiskurs durch Kontraktmanagement an deutschen Hochschulen institutionalisieren. Verträge zwischen Ländern und Hochschulen sowie Leistungs- und Zielvereinbarungen zwischen der Hochschulleitung und Professor*innen sollen soziale Beziehungen und die Regierungsweise im deutschen universitären Feld wandeln. Die HRK (2005a: 3) konstatiert, dass

„in den meisten Landeshochschulgesetzen […] Zielvereinbarungen zwischen Staat und Hochschule in den letzten Jahren verpflichtend festgeschrieben worden [sind] und werden seither auch vermehrt als hochschulinternes Steuerungsinstrument genutzt. […] Dem Wesen nach handelt es sich in der Regel um Leistungsvereinbarungen, mit denen nicht Ziele, sondern zu erbringende Leistungen definiert werden, ohne die hierfür erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Dies entspricht auch dem theoretischen Ansatz des Kontraktmanagements.“

Das Kontraktmanagement soll eine inputorientierte Detailsteuerung über staatliche Grundfinanzierung in eine operative, outputorientierte Steuerung durch Anreize eines inszenierten Wettbewerbs und dezentraler Verantwortung überführen (ebd.: 4). Mit diesem strategischen Steuerungsansatz werden Hochschulen mehr unternehmerische und manageriale Freiheiten als in den 90er-Jahren eröffnet. Komplementiert werden Leistungs- und Zielvereinbarung auf der Organisationsebene durch eine flächendeckende Einführung von Globalhaushalten. Einerseits wird durch ein Globalbudget manageriale Autonomie freigesetzt, da die Hochschulleitung weitestgehend unabhängig vom Staat über die Verteilung von Ressourcen entscheiden kann. Denn die Hochschulen werden unter der staatlichen Flexibilisierung ihrer Haushalte und dem Kontraktmanagement aufgefordert, managerial und unternehmerisch zu handeln, weil „die Länder dazu tendieren, eine stärkere Wettbewerbs- und Leistungsorientierung sowie eine größere Prozessverantwortlichkeit […] in den Hochschulen zu installieren“ (WR 2005: 11). Andererseits unterliegen deutsche Hochschulen durch ihre globalisierten Haushalte einer externen Steuerung in Form von kennzahlenbasierten Leistungs- und Zielvereinbarungen (ebd.: 11 f.).

Das neue Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen sowie zwischen Hochschulleitung/Management und Wissenschaftler*innen markiert den Übergang von einer pastoralen zu einer neoliberalen Regierungsweise in der deutschen Hochschullandschaft. Sichtbar wird die Gouvernementalisierung in den 2000er-Jahren an hochschulinternen Steuerungsinstrumenten und dem Modus der Hochschulfinanzierung. Vor der Actionphase wurden deutsche Hochschulen weitestgehend über eine bedarfsorientierte Grundfinanzierung des Wohlfahrtsstaats unterhalten, dessen Ziel es war, das „Heil der Herde“ (Foucault 2004a: 189) zu sichern (vgl. Huber 2012: 242 f.). In dieser Zeit wurden deutsche Hochschulen in wohltätiger Absicht mit einer Grammatik der Sorge regiert. Durch „Zeiten knapper öffentlicher Finanzen“ (HRK 1995a) und die Kritik an einer wohlfahrtsstaatlichen Mittelverteilung „mit der Gießkanne“ (DFG 2009) erodiert die pastorale Regierungsweise in der deutschen Hochschullandschaft, ohne sich jedoch aufzulösen. Parallel zu dieser Entwicklung wird der Staat von der Formierung einer wissensbasierten Ökonomie unter dem Regierungsprogramm der Lissabon-Strategie angerufen, die Wettbewerbsfähigkeit öffentlicher Teilbereiche zu steigern, um „die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“ (Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006: 4). Somit erhöht die Metamorphose vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat die Strahlkraft des Managementdiskurses auf deutsche Hochschulen und ihre Angehörigen, weil eine manageriale Wissenspolitik für gesellschaftliche und universitäre Problemlagen scheinbar plausible Lösungsvorschläge bereithält (vgl. Bührmann 2012; Fach 2015; HRK 2005b: 2; 2009: 7 f.). Der Wettbewerb um Ressourcen überträgt sich demnach in der Actionphase auf die Hochschullehre, denn

„werden den Hochschulen keine entsprechenden Anreize zu einer Profilierung im Bereich der Lehrqualität geboten, so ist angesichts der Unterfinanzierung der notwendige Qualitätssprung in den Bereichen Studium und Lehre nicht zu erzielen. Der Wissenschaftsrat begrüßt daher ebenso den Wettbewerb „Exzellente Lehre“, den Kultusministerkonferenz und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft veranstaltet haben, wie das Vorhaben, im Rahmen der dritten Säule des Hochschulpaktes Ressourcen zur Verbesserung der Qualität der Lehre wettbewerblich auszuschütten“ (WR 2010b: 83).

Bei der wettbewerbsförmigen Verteilung von Mitteln für Lehre und Forschung handelt es sich um einen inszenierten Wettbewerb auf einem akademischen Quasi-Markt, da die Nachfrage und das Angebot zum Großteil vom Staat gesteuert werden (vgl. Dohmen & Wrobel 2018: 87; Rogge 2015: 687 f.).

Insofern besteht zwischen der managerialen Wissenspolitik, Mittel in wettbewerbsförmigen Verfahren leistungsorientiert zu verteilen, und einem neoliberalen Diskurs eine ideelle Verbindung. Wohingegen manageriales Handeln in den 2000er-Jahren an deutschen Hochschulen hinter neoliberalen Anrufungen zurückbleibt und eher an Praktiken in zentralverwaltungswirtschaftlich organisiertenFootnote 7 DDR-Betrieben erinnert, da sich in managerialen Praktiken die „Nomenklatur zentral vorgegebener, verbindlicher Kennziffern“ (Steinitz & Walter 2014: 45) objektiviert. Oder anders formuliert: „Der Staat [soll] sich einerseits aus der Regulierung zurückziehen und andererseits stärker im Sinne von Zielvorgaben steuern“ (Schimank 2002: 4). Sichtbar wird die eigentümliche Verbindung von neoliberalen Ideen und planwirtschaftlichem Handeln beim Kontraktmanagement. So sollen beispielsweise mit Hochschulverträgen „die Leistungsstärke und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Hochschulen trotz der angespannten Finanzlage des Landes Berlin“ (Land Berlin 2010: 1) ausgebaut werden. Zur Umsetzung dieser Zielsetzung werden Indikatoren in Form von Drittmitteln und verbindliche Kennzahlenwerte wie konkrete Aufnahmekapazitäten von Studienanfänger*innen festgelegt (ebd.: 5 ff.). Damit bewegen sich die Berliner-Hochschulverträge in einer Konditionalprogrammierung, während die Zweckprogrammierung vernachlässigt wird. Die Zweckprogrammierung orientiert sich an Zielen und lässt die Mittel weitestgehend offen. Die Konditionalprogrammierung hingegen schränkt die Mittelwahl zur Erreichung der vereinbarten Ziele durch die Rahmenbedingungen und vorgegebene Handlungsoptionen ein (vgl. Heintz 2008: 113). Zur Überprüfung von vertraglich vereinbarten Kennzahlen zwischen den Ländern und Hochschulen dienen Berichte der Hochschulleitung sowie interne und externe Evaluierungen (Land Berlin 2010: 8 f.). Vor diesem Hintergrund bilden manageriale Praktiken in den 2000er-Jahren eine einzigartige Verbindung zwischen einer neoliberalen und pastoralen Regierungsweise, weil sich darin eine Grammatik der Sorge und eine Veridiktion des akademischen Quasi-Marktes widerspiegeln. Dementsprechend kann der Managementdiskurs in der deutschen Hochschullandschaft als „der bewegliche Effekt eines Systems von mehreren Gouvernementalitäten“ (Foucault 2004b: 115) betrachtet werden.

Diese Perspektive erlaubt es, NPM als Interdiskurs und als Intergouvernementalität zu beleuchten. Mit diesem analytischen Ansatz findet indes eine Abgrenzung zur Bedeutung von Intergouvernementalität innerhalb des Managementdiskurses statt, denn darunter wird nicht die Verbindung verschiedener Regierungsweisen verstanden, sondern eine „Mehrebenen-Governance“ (WR 2010a: 91) zwischen verschiedenen Institutionen und politischen Akteur*innen innerhalb des EHR und des Europäischen Forschungsraums (EFR), „um wissenschaftsadäquate multinationale Governance-Strukturen [zu] entwickeln“ (ebd.: 104). Kurzum: In den 2000er-Jahren kann sich in der deutschen Hochschullandschaft mithilfe von managerialen Praktiken eine wettbewerbsförmige Zentralverwaltungswirtschaft bilden, wodurch sich eine pastorale mit einer neoliberalen Regierungsweise verbindet. Dieses Phänomen kann jedoch vorwiegend auf der Makro- und Mesoebene beobachtet werden, denn auf der Mikroebene schreibt sich eine neoliberale Wissenspolitik stärker in die Praktiken von Akteur*innen des NPM-Diskurses ein.

Sichtbar wird die Vergegenständlichung einer neoliberalen Wissenspolitik an wettbewerbsförmigen individuellen Anreizstrukturen, mit denen die Interessen verschiedener Statusgruppen an deutschen Hochschulen kanalisiert werden sollen. Unter der Zielsetzung einer stärkeren Öffnung und wettbewerblichen Ausrichtung des akademischen Arbeitsmarktes werden in der Actionphase von NPM verschiedene Anreizsysteme eingeführt (vgl. WR 2010a: 124). Mithilfe von managerialen Anreizsystemen sollen Wissenschaftler*innen so gesteuert werden, dass ein Interessensangleich zwischen Prinzipal*innen (Hochschulleitung/Management) und Agent*innen (Wissenschaftler*innen) erfolgt (vgl. Saam 2002: 31 f.; WR 2006: 82).

„Dabei ist zu beachten, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Regel ein hohes Maß an intrinsischer Motivation aufweisen. Externe Anreizsysteme müssen so gestaltet sei[n], dass sie die intrinsische Motivation nicht verdrängen, sondern unterstützen. Im Vordergrund sollten deshalb Verbesserungen der Bedingungen für Forschung und Lehre sowie der Zeit- und Ressourcenautonomie der Leistungsträger stehen. Bei der Gestaltung finanzieller Anreizsysteme durch leistungsbezogene Vergütungsbestandteile ist dafür Sorge zu tragen, dass die Betroffenen an der Definition der Leistungsziele mitwirken können und dass der Vergaberahmen eine ausreichende Differenzierung ermöglicht, die den Schwerpunkt auf positive, als Belohnung wahrnehmbare Anreize setzt. Wichtig für den Erhalt der intrinsischen Motivation ist auch, dass Anreizsysteme unbürokratisch sind“ (WR 2006: 82).

Dahingehend werden bei Anreizsystemen auf der Mikroebene die Zielsetzungen offener formuliert als auf der Meso- und Makroebene, wo beispielsweise konkrete Kennzahlenwerte festgehalten werden (vgl. Land Berlin 2010). Sichtbar wird dieser Zusammenhang bei dem W-Besoldungssystem für Professor*innen, das am 1. Januar 2005 durch das Inkrafttreten des Professorenbesoldungsreformgesetzes (ProfBesRefG) auf der Länderebene eingeführt wird (vgl. WR 2005: 22). Fortan sollen Hochschullehrer*innen nach dem W-Besoldungssystem berufen werden, das wie folgt funktioniert:

„Mit der jeweiligen Besoldungsgruppe wird ein fixes, als Mindestbezug gewährtes Grundgehalt (§ 33) beziffert, das durch individuell mit der Hochschule auszuhandelnde Leistungsbezüge ergänzt werden kann, etwa für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und Nachwuchsförderung oder auch für die Wahrnehmung von Funktionen oder besonderen Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung oder der Hochschulleitung. Die Leistungsbezüge können sowohl unbefristet als befristet sowie als Einmalzahlung gewährt werden, allerdings besteht kein Rechtsanspruch auf Gewährung von Leistungsbezügen. Auch im Rahmen des neuen Besoldungssystems werden die Wissenschaftler bestrebt sein, in Berufungsverhandlungen ihr Gehalt zu verbessern, so dass die Hochschulleitung ihrerseits herausgefordert ist, die Bedeutung einer Professur für die Hochschulentwicklung einzuschätzen und die Professur entsprechend finanziell auszustatten“ (ebd.: 22).

Durch die Einführung der W-Besoldung wird manageriale Autonomie an deutschen Hochschulen freigesetzt, da die Vergütung von Professor*innen weniger durch staatliche Detailsteuerung geregelt, sondern das Grundgehalt durch flexible (Leistungs-)Zulagen ergänzt wird und die Definitionshoheit über Leistungen und Ziele bei der Hochschulleitung liegt (vgl. HRK 2001b). Um Betroffene an der Festlegung von Leistungszielen zu beteiligen, werden Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Hochschulleitung und Professor*in individuell verhandelt (ebd.). Untermauert werden die managerialen Ermessensentscheidungen der Hochschulleitung bei Besoldungs- und Bleibeverhandlungen durch das spezifische Profil und Leitbild der jeweiligen Hochschule. Die HRK (2003) fordert insofern eine Verfahrens- und Modellvielfalt für flexible Leistungsbezüge, da

„sowohl die Gewichtung von Entscheidungsgesichtspunkten als auch die konkrete Form der Entscheidungsverfahren […] strategische Weichenstellungen und unterschiedliche Organisationskulturen der einzelnen Hochschulen [reflektieren]. Standardisierte Verfahrensmodelle würden dem nicht gerecht, sondern stattdessen wie eine Wettbewerbsbremse wirken. Daher wird es nötig sein, Raum für unterschiedliche Verfahrens- und Vergabemodelle zu gewähren, wenn man die Reformziele befördern will.“

Weiterhin kristallisiert sich in den Nullerjahren bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen zunehmend die Relevanz der Fähigkeit von Professor*innen heraus, Drittmittel einzuwerben, da Anrufungen von der Makro- über die Meso- bis zur Mikroebene übertragen werden. In diesem Kontext soll „die Förderung der Forschung an den Universitäten […] so geregelt werden, dass für sie starke Anreize geschaffen werden, in erheblichem Umfang Mittel Dritter einzuwerben“ (WR 2006: 4). Durch die wettbewerbsförmige Forschungsförderung gehen institutionelle in individuelle Anreize über. Mit dem übergreifenden Anreizsystem wird einerseits die Zielsetzung verfolgt, eine „stärker[e] markt- wie leistungsorientierte Bezahlung des Personals“ (HRK 2002) voranzutreiben und andererseits institutionelle Herrschaftsinteressen über individuelle Anreizsysteme durchzusetzen und durch die Konkurrenz mit anderen Hochschulen, um wissenschaftliches Personal Wettbewerbsfähigkeit zu erzeugen (vgl. HRK 2001b; 2003).

Neben positiven Anreizen werden in den Nullerjahren auf der Mikroebene negative Anreizsysteme implementiert, die unerwünschtes Verhalten sanktionieren. Auch wenn mit dem Inkrafttreten des WissZeitVG am 18. April 2007 die wissenschaftspolitische Forderung nach einer Flexibilisierung der wissenschaftlichen Personalstruktur lediglich teilweise eingelöst wird, bilden Qualifikationsfristen negative Anreize (WR 2006: 81; 2007). Denn ein wesentliches Ziel des WissZeitVG ist die Effizienzsteigerung in der Qualifikation zum*zur Hochschullehrer*in durch eine Frist von 12 Jahren bzw. 15 Jahren in der Medizin (vgl. WR 2007). Positive Anreize entstehen wiederum durch die Sonderregelung des WissZeitVG, dass Wissenschaftler*innen nach dem Ablauf der 12- bzw. 15-Jahresfrist über eine drittmittelfinanzierte Stelle weiterbeschäftigt werden können (ebd.). Mit dem Anreiz der Fristverlängerung werden Wissenschaftler*innen als unternehmerisches SelbstFootnote 8 angerufen, da sie ihr Wissen und sich selbst in einem weitestgehend staatlich organisierten Drittmittelwettbewerb vermarkten sollen (vgl. Bröckling 2007; Dohmen & Wrobel 2018: 87). Darüber hinaus werden in der Actionphase für wissenschaftlich Beschäftigte individuelle Anreize durch die Einführung einer Tenure-Track-Qualifikation geschaffen. Die Professur auf Zeit bildet eine Verbindung zum Personalmanagement an amerikanischen Hochschulen, denn

„ebenso wie im amerikanischen Tenure-Track-System sollte es auch hierzulande nicht zur Selbstverständlichkeit oder Regel werden, dass ein Tenure-Verfahren mit dem Ruf auf eine unbefristete Professur (Tenure) abschließt“ (WR 2005: 14).

Eine wesentliche Bedingung zur erfolgreichen Absolvierung eines Tenure-Track-Programms sind die Evaluationsergebnisse während der Laufzeit der „Qualifizierungsprofessur“ (HRK 2000). Unter den Prämissen der Qualitätssicherung und Bestenauslese fordert der WR (2005: 73 f.),

„dass sich ein Nachwuchswissenschaftler im Verlauf der mit Tenure Track ausgestatteten Juniorprofessur zweimal – bei der Berufung zum Juniorprofessor sowie zum Ende seiner Dienstzeit – in einem Rekrutierungsverfahren einer umfassenden internen wie externen Leistungsbegutachtung und Eignungsprüfung unterziehen muss. Nachdrücklich verweist der Wissenschaftsrat jedoch darauf, dass in keinem Fall eine positive Zwischenevaluation oder die Ergebnisse von Statusgesprächen darüber entscheiden sollten, ob ein Hochschullehrer zum Ablauf seiner Dienstzeit an der eigenen Hochschule zum Professor auf Dauer berufen wird. Der Wissenschaftsrat hält es für unbedingt erforderlich, eine solche Entscheidung ausschließlich auf der Basis der im ordentlichen Berufungsverfahren oder im Tenure-Verfahren vollzogenen internen wie externen Leistungsbegutachtung zu treffen.“

Diese vorwiegend negativen Anreize aus Fristen, Ungewissheit, Sanktionen und Kontrolle werden durch positive Anreize der (wissenschaftlichen) Selbstständigkeit ergänzt. Aus diesem Grund sollen Juniorprofessor*innen wie ordentliche Professor*innen einen eigenen Lehrstuhl führen, „um die frühe Selbstständigkeit von jungen Wissenschaftlern und deren Gleichstellung mit den etablierten Wissenschaftlern zu fördern sowie die internationale Vergleichbarkeit der Karrierewege zum Hochschullehrer zu verbessern“ (ebd.: 68). „Mit der Juniorprofessur soll eine neue, stärker wettbewerbsorientierte Form der Qualifikation für die Berufung auf eine Professur eingeführt werden“ (HRK 2001b). Diesbezüglich wird angeregt, Juniorprofessuren international auszuschreiben und „die Entscheidungsfindung der Berufungskommission auf einer breiten Datenbasis sowie unter Berücksichtigung einer angemessenen Zahl vergleichender externer Gutachten [vorzunehmen]“ (WR 2005: 69), um die strategische Anforderungen der Qualitätssicherung, Wettbewerbsorientierung und Transparenz zu erfüllen.

Zusammenfassend kann für die Ziele und Maßnahmen des Managementdiskurses in den 2000er-Jahren festgehalten werden, dass sowohl Problematisierungen einer mangelnden Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit des wissenschaftlichen Personals als auch traditionelle akademische Steuerungsmodelle und Selbstbilder genutzt werden, um strategische Anreizsysteme einzuführen, akademische Verhaltensweisen zu kanalisieren, wissenschaftliche mit unternehmerisch-managerialen Interessen anzugleichen und traditionelle akademische Subjektivierungsformen zu transformieren. Zur Realisierung einer Qualitätssicherung, Effizienz- und Leistungssteigerung, Transparenz sowie einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit werden Anreizsysteme aus einem Konglomerat von kollektiven und individuellen Sanktionen, Fristen, Ungewissheiten, Kontrollregimen und Belohnungen implementiert. Die Wechselwirkung von negativen und positiven Anreizen soll bewirken, dass sowohl erwünschte als auch unerwünschte akademische Verhaltensweisen zielführend gesteuert werden und sich Wissenschaftler*innen unternehmerisch-manageriale Subjektivierungsformen aneignen. Vor diesem Hintergrund werden auch herrschende manageriale Subjekte über Anreizsysteme angerufen, strategisch und unternehmerisch zu handeln. Die institutionellen Anreizsysteme werden genutzt, um individuelle und kollektive Interessen zu kanalisieren, wie z. B. beim Verhältnis zwischen Hochschulen und Studierenden deutlich wird, denn

„die Studierenden haben einen Anspruch auf eine Verbesserung der Lehrqualität. Zugleich fehlen ihnen die Mittel, eine solche Verbesserung selbst zu erwirken. Daher empfiehlt der Wissenschaftsrat, die Diskrepanz zwischen den legitimen Ansprüchen dieser Gruppe und den faktischen Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Interessen dadurch zu beseitigen, dass es für die Hochschule attraktiver wird, sich um die Belange der Studierenden zu sorgen. Je ‚wertvoller‘ erfolgreiche Studienverläufe und -abschlüsse der Studierenden für eine Hochschule gemacht werden – sei es im Rahmen einer nicht belastungsbezogenen, sondern leistungsorientierten Mittelvergabe, sei es durch die Ausstattung der Studierenden mit ‚Kapital‘ in Form von Gutscheinen, das der Hochschule zufließt, sei es in Form von Studiengebühren – umso wahrscheinlicher ist es, dass einzelne Hochschulen sich auf die Leistungsdimension einer qualitativ hervorragenden Lehre und Betreuung hin ausrichten“ (WR 2010b: 83).

Weiterhin wird der Hochschulleitung in der Actionphase mehr unternehmerisch-manageriale Autonomie zugesprochen als in den 90er-Jahren, jedoch sind die neuen Freiheiten mit dem Zwang zum Gebrauch verbunden. Sichtbar wird der zwanglose Zwang von unternehmerisch-managerialer Autonomie am Kontraktmanagement in der deutschen Hochschullandschaft. Einerseits werden mit Hochschulverträgen unternehmerisch-manageriale Freiheitsgrade eröffnet. Andererseits spiegelt sich in den Verträgen zwischen Hochschulen und Ländern eine pastorale Regierungsweise mit planwirtschaftlichen Praktiken wider (vgl. Land Berlin 2010; Steinitz & Walter 2014: 45). Mit diesen Praktiken in der deutschen Hochschullandschaft werden Anrufungen einer neoliberalen und einer pastoralen Regierungsweise bedient, wodurch eine Intergouvernementalität mit interdiskursiven Praktiken entsteht (vgl. Foucault 2004b: 115; Link 2012: 58 f.). Damit befinden sich deutsche Hochschulen und ihre Angehörigen im Verlauf der Nullerjahre zwischen einer pastoralen und neoliberalen Regierungspraxis sowie in einem Spannungsverhältnis aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Eine Vergegenständlichung erfährt die intergouvernementale Regierungsweise während der Actionphase durch Ereignisse in der deutschen Hochschullandschaft und Gesellschaft.

Ereignisse: Zu den gesellschaftlichen Ereignissen zählt die Formierung einer wissensbasierten Ökonomie im Zuge des Regierungsprogramms der Lissabon-Strategie, weil sich darin der Notstand einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der transnationalen Wissensgesellschaft Europa äußert (vgl. Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006; Willke 2007). Die Lösung für das europäische Problem sieht man in einer Intergouvernementalität, denn der Staat soll den

„Ausbau der Wissensgesellschaft, wettbewerbsfähige Gestaltung der Märkte, weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit, konjunkturgerechte Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität und Wahrung der sozialen Sicherheit, Nutzung ökologischer Innovation als Wettbewerbsvorteil und die Ausrichtung der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik auf mehr Beschäftigung [vorantreiben]“ (Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006: 7 f.).

In den Zielsetzungen – unternehmerische Tätigkeiten zu fördern und öffentliche Finanzen an der gesamtwirtschaftlichen Lage festzumachen – schreibt sich eine neoliberale Regierungsweise ein, da sich staatliches Handeln am ökonomischen Tribunal des Marktes orientieren soll (vgl. Foucault 2004a: 163 f., 2004b: 342). Die Wahrung sozialer Sicherheit und die Steigerung der Beschäftigungsquote erinnert demgegenüber an die Grammatik eines Wohlfahrtsstaats (vgl. Fach 2015: 114 f.). Bereits in den frühen Nullerjahren wird von Lessenich (2003: 81) auf diese „neosoziale Form der Regierung“ hingewiesen. Ungeachtet dieser kritischen Hinweise hält man jedoch in den Gouvernementalitätsstudien an klassischen Programmatiken fest. Infolge dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse bildet die Lissabon-Strategie nicht nur ein intergouvernementales Programm einer neuen Regierungsweise der Gesellschaft, sondern führt zu interdiskursiven Ereignissen in der deutschen Hochschullandschaft, da mit dem Ziel des wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraums der Welt auch zahlreiche Transformationen an deutschen Hochschulen verbunden sind. So formieren sich im Zuge der Lissabon-Strategie und Bologna-Reform in den 2000er-Jahren ein EHR und EFR (vgl. WR 2010a: 7). Mit dem EHR und EFR findet eine Aktualisierung der liberalen Idee des europäischen Fortschritts im wissenschaftlichen Feld statt, denn durch europäische Hochschul- und Forschungsbündnisse soll die (trans-)nationale Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA, China und Indien bei gleichzeitigem Erhalt von Wettbewerb im Binnenraum gesteigert werden (vgl. Foucault 2004b: 88; WR 2010a: 7). Aus diesem Grund verfolgt man einen

„starken, nach Europa offenen Wissenschaftsstandort Deutschland und eines zur Welt geöffneten EFRs, der als Raum besonders geförderten und erleichterten wissenschaftlichen Austauschs und gebündelter Personal- wie Finanzressourcen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wissenschaft gegenüber der gewachsenen internationalen Konkurrenz nachhaltig stärkt“ (WR 2010a: 9).

Durch eine Europäisierung der nationalen Wissenschaftspolitik und die Formierung einer transnationalen Beutegemeinschaft im Rahmen des EHRs und EFRs wird der Managementdiskurs in der deutschen Hochschullandschaft entfesselt, weil NPM Lösungsvorschläge für den gesellschaftlichen Notstand mangelnder Wettbewerbsfähigkeit bereithält und sich manageriale Praktiken mit dem intergouvernementalen Programm der Lissabon-Strategie verbinden. Oder anders zusammengefasst:

„Zentrales Ziel der vom Europäischen Rat in Lissabon mitgetragenen Konzeption ist es daher, die europäische Forschungslandschaft zu strukturieren sowie die nationalen Forschungspolitiken und Förderprogramme Europas besser zu koordinieren, um einen optimalen Nutzen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der EU zu erzielen. Damit steht die Wissenschaftspolitik weiter deutlich im Dienste einer ökonomischen und politischen Zielsetzung. Das Konzept umfasst drei miteinander zusammenhängende Aspekte: 1) einen europäischen ‚Binnenmarkt‘ für Forschung, in dem Forschende, Technologie und Wissen ungehindert Grenzen passieren können, 2) eine effektive europaweite Koordinierung einzelstaatlicher und regionaler Forschungstätigkeiten, -programme und -strategien sowie zunehmend 3) Initiativen, die auf europäischer Ebene umgesetzt und finanziert werden“ (WR 2010a: 30).

In diesem Zusammenhang stellt die Gründung des European Research Councils (ERC) 2007 ein Ereignis dar, das sowohl einen nationalen Wettbewerb durch einen europäischen Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg ergänzt als auch unternehmerisch-manageriale Praktiken in der deutschen Hochschullandschaft beeinflusst. Während in den 90er-Jahren deutsche Hochschulen aufgefordert wurden, ihr Forschungsprofil durch die Einwerbung von Drittmitteln bei nationalen Fördereinrichtungen wie dem BMBF und der DFG zu schärfen, verlagern sich die Anrufungen der Profilbildung und des Wettbewerbs in den Nullerjahren zunehmend auf das ERC (vgl. HRK 1998b; WR 2010a: 104 f.). Das ERC entwickelt sich also zu einer materiellen Infrastruktur des NPM-Diskurses, weil die transnationale Fördereinrichtung zur „Qualitätssteigerung der Grundlagenforschung durch europäischen Wettbewerb“ (WR 2010a: 107) in der deutschen Hochschullandschaft genutzt wird. Grundsätzlich adressiert das ERC mit den Anreizstrukturen aus „Starting Grants“ und „Advanced Grants“ Postdoktorand*innen und Professor*innen (vgl. ERC 2019: 24). Die Einstiegsförderlinie soll zum Aufbau eines Forschungsteams genutzt werden. Wohingegen mit der weiterführenden Förderlinie „erfahrene Forschende“ mit „bis zu 3,5 Mio. Euro für eine Dauer von fünf Jahren“ (WR 2010a: 38) gefördert werden. Durch die Vergegenständlichung der Idee eines „wissenschaftsgeleiteten wettbewerblichen Verfahren[s]“ (ebd.: 37) in dem Förderprogramm des ERC entsteht eine weitere Verbindung zum Managementdiskurs, da hier ebenfalls mit Anreizsystemen eines „wissenschaftsadäquaten Wettbewerbs“ (HRK 2004a) akademische Verhaltensweisen gesteuert werden sollen. Insofern schreibt sich eine neoliberale Wissenspolitik in der europäischen Wissenschaftspolitik und in managerialen Praktiken ein, denn in beiden Fällen wird der inszenierte Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg mit einer Bestenauslese durch Marktmechanismen legitimiert (vgl. WR 2005: 73 f.).

Besonders sichtbar wird die Philosophie des Wettbewerbs in den 2000er-Jahren an Ereignissen auf der Mesoebene deutscher Hochschulen. So trägt beispielsweise die Novellierung des HRG im Jahr 2001 zu einer Entfesselung von Wettbewerb bei, denn mit dieser Gesetzesänderung werden einzelne Hochschulen zum Wintersemester 2000/01 an der Auswahlentscheidung von Studienbewerber*innen beteiligt (vgl. HRK 2001a). Während in den frühen Nullerjahren der Wettbewerb von Hochschulen um die „besten Köpfe“ (HRK 2004b) noch durch ein Auswahlverfahren der staatlichen zentralen Vergabestelle für Studienplätze eingeschränkt wurde, erhalten deutsche Hochschulen im Verlauf der Actionphase zunehmend mehr manageriale Autonomie, wodurch sich ein Wettbewerb um Humankapital entfalten kann (vgl. HRK 2001a).

Zunächst kann konstatiert werden, dass sich in den 2000er-Jahren eine neoliberale Wissenspolitik mit managerialer Autonomie im universitären Feld der BRD verbindet, denn man geht davon aus, dass

„die deutschen Hochschulen […] die an sie gerichteten Erwartungen im internationalen Wettbewerb nur erfüllen können, wenn ihre Eigenverantwortung und ihr Entscheidungsspielraum deutlich gestärkt werden. Ein Rückzug des Staates auf Bundesebene darf aber nicht ein Anwachsen der Regelungsdichte auf Seiten der Länder zur Folge haben. Eine denkbare Stärkung der Länderkompetenzen im Hochschulbereich muss vielmehr mit einer konsequenten Politik der Verselbständigung einhergehen, die dem Qualitätswettbewerb auch zwischen den Hochschulen einen größeren Raum zuweist. Nur diejenigen Bundesländer werden erfolgreiche Hochschulpolitik betreiben, die ihre gesetzliche Kompetenz nutzen, um den Hochschulen weitgehende Autonomie und Gestaltungsspielräume in einem Wettbewerb zu gewähren, der nach wissenschaftseigenen Kriterien erfolgt und sich daher längst nicht mehr allein national, sondern europäisch und international definiert. Dies gilt z. B. für die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung von Studiengebühren, die Entwicklung eigener profilorientierter Zulassungsverfahren, eine konsequent leistungsbezogene Mittelvergabe sowie die Entwicklung von Zielvereinbarungen, in denen die strategischen Vorstellungen des Landes und mit denen einzelnen Hochschulen vereinbart werden können“ (HRK 2005b: 7 f.).

In diesem Kontext erhalten Hochschulleitungen und dezentrale Verwaltungseinrichtungen des Hochschulmanagements in den Nullerjahren durch Gesetzesnovellierungen neben managerialer Autonomie zunehmend mehr Rechtssicherheit für manageriale Praktiken als in den 90er-Jahren. Deutlich wird dieser Zusammenhang an einer Institutionalisierung von Evaluierungs- und AkkreditierungsverfahrenFootnote 9 sowie an der Objektivierung von Anreizsystemen und managerialen Praktiken im WissZeitVG, ProfBesRefG oder in der Personalkategorie Juniorprofessor*in (vgl. HRK 2006a: 21; Land Berlin 2010: 8; WR 2005: 22, 41; 2006: 81; 2007). Des Weiteren wurden in der BRD mit der Novellierung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes im Jahr 2002 die Autonomie der Hochschulleitung und des Managements gestärkt, da „die Hochschulen [nun] in der Lage sind, das kommerzielle Potenzial von Erfindungen ihrer Angehörigen zügig zu beurteilen und im Rahmen einer Patent- und Verwertungsstrategie geeignete Erfindungen professionell zu vermarkten“ (WR 2006: 49). Auf europäischer Ebene wird die Institutionalisierung und Standardisierung von managerialen Praktiken an den 2005 eingeführten „Standards and Guidelines for Quality Assurance in the European Higher Education Area“ (WR 2012: 27) sichtbar. Gleichwohl sind die neuen managerialen und unternehmerischen Freiheiten in der deutschen Hochschullandschaft mit einem Zwang zum Gebrauch verbunden. Der Gebrauchszwang von unternehmerisch-managerialer Hochschulautonomie objektiviert sich in einer wettbewerbsförmigen Hochschulfinanzierung (vgl. WR 2010b: 62). Im Vergleich zu den 90-Jahren können deutsche Hochschulen und ihre Angehörigen nicht nur managerialer und unternehmerischer handeln, sondern sie werden durch einen staatlich inszenierten Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg zunehmend gezwungen, die neuen Freiheiten aktiv zu nutzen. Demnach schreibt sich in die Beziehung zwischen Staat und Hochschulen sowie zwischen Hochschulen und ihren Angehörigen eine neoliberale Politik der Freiheit ein (vgl. Hayek 1991: 26).

Der gesteigerte Geltungsanspruch managerialer Autonomie kann ebenfalls auf der Mikroebene von deutschen Hochschulen beobachtet werden. An Praktiken wie der Verhandlung über Honorare von Lehraufträgen, flexiblen Leistungsbezügen für (Junior-)Professor*innen oder der Befristungsdauer von wissenschaftlich Beschäftigten wird die manageriale Autonomie von Hochschulen in den 2000er-Jahren sichtbar (vgl. WR 2005: 22; 2006: 81–84). Insbesondere die Einführung des WissZeitVG und der W-Besoldung sind relevante Ereignisse. Gleichwohl vergegenständlicht sich in diesen Ereignissen die Grundannahme, das

„Universitätssystem kann nur dann Spitzenleistungen in der Forschung erbringen und zugleich Lehre auf hohem Niveau leisten, wenn die Universitäten in der Lage sind, institutionelle und personelle Schwerpunkte in Forschung und Lehre zu setzen. Sie müssen dafür Spielräume zur Flexibilisierung der Personalstruktur und zur Gestaltung der individuellen Leistungsanreize haben“ (WR 2006: 81).

Mit der Einführung von Juniorprofessuren entfesselt die 5. Novelle des HRG 2002 manageriale Autonomie auf der Mikroebene von deutschen Hochschulen, denn gegenüber ordentlichen Berufungsverfahren erhalten einzelne Hochschulen bei der Berufung von Juniorprofessor*innen mehr Entscheidungsbefugnisse über Auswahlkriterien (vgl. HRK 2001b). Im Weiteren bildet dieses Ereignis eine Annäherung zum NPM-Diskurs in Großbritannien und den USA, wo Tenure-Track-Verfahren bereits mehrere Jahrzehnte im Personalmanagement von Hochschulen angewendet werden, um angehende Professor*innen unter den Anforderungen von Qualitätssicherung, Wettbewerbsorientierung und Transparenz zu rekrutieren (vgl. WR 2005: 7, 69; 2010a: 133 f.). Ungeachtet der Vergegenständlichung des Managementdiskurses in zahlreichen Ereignissen erweist sich die Kritik an mangelnden Entscheidungsbefugnissen der Hochschulleitung und des Managements als beständig im Transformationsprozess der deutschen Hochschullandschaft. Dazu konstatiert der WR (2010b: 81), dass

„im internationalen Vergleich […] das deutsche Hochschulsystem bezüglich eines professionellen Managements auf nahezu allen Ebenen weit hinter den Standards führender Institutionen her[hinkt]. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass es kaum Karrierechancen auf einem dritten Weg zwischen Wissenschaft und Verwaltung an einer Hochschule gibt. Hier muss den Hochschulen die Freiheit gewährt werden, mit unterschiedlichen Governanceformen und den entsprechenden Personalkategorien neue Wege zu erproben. Dringend muss in den nächsten Jahren die Bildung eines Marktes unterstützt werden, der einerseits von Hochschulen mit hinreichend attraktiven Aufstiegsmöglichkeiten und Gehaltsstrukturen ausgestattet wird, andererseits auch durch entsprechende Schulungs- und Ausbildungsangebote die nötigen Qualifikationen schafft. Dauerstellen für Wissenschaftsmanagerinnen und -manager hält der Wissenschaftsrat für erforderlich.“

Durch die anhaltende Kritik des unternehmerisch-managerialen Regimes entsteht eine Analogie zur Konstituierungsphase, denn auch hier konnte beobachtet werden, dass trotz eingeleiteter Reformen mit einer problematisierenden Öffentlichkeitsarbeit Kritik an der Umsetzung des Transformationsgeschehens geäußert wurde. Auch in der Expansions-Phase von 2010 bis 2019 bilden die Problematisierungen von Reformbemühungen und die Bearbeitung des Knappheits- und Wettbewerbsnotstands einen wesentlichen Ankerpunkt des Managementdiskurses.

5.1.3 Expansionsphase

Die Expansionsphase ist einerseits durch eine Ausweitung von institutionalisierten unternehmerischen und managerialen Praktiken in der deutschen Hochschullandschaft gekennzeichnet. Sichtbar wird die Entfaltung von NPM besonders an einer Erschließung der Profilbildung durch das Personalmanagement und an strategischen Netzwerken zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Wettbewerb um knappe Ressourcen und Statusaufstieg (vgl. Berlin University Alliance 2019; Land Berlin 2018: 25 f.; WR 2013: 62). Andererseits kann in der Zeitspanne von 2010 bis 2019 eine stärkere Problematisierung von ungewollten Effekten als in den Nullerjahren beobachtet werden (vgl. DFG 2013: 43; HRK 2018c: 5 f.). In diesem Kontext nimmt die wissenschaftspolitische Kritik an unternehmerisch-managerialen Praktiken im Hochschulsystem der BRD zu (vgl. WR 2011a: 5, 2018a: 15).

Problematisierungen: Ungeachtet der zunehmenden Kritik an den Praktiken und nicht-intendierten Effekten des Managementdiskurses erweist sich auf der Makroebene der Notstand knapper Ressourcen und des Wettbewerbs als eine anhaltende Problematisierung (vgl. HRK 2014e: 2; WR 2013: 5 f.). Zurückgeführt werden kann die Stabilität dieses Problemfelds auf universitäre und gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie den prognostizierten Fachkräftemangel in einer globalisierten Wissensgesellschaft (vgl. HRK 2013a: 2 f.; WR 2018b: 34). Vor diesem Hintergrund bemerkt der WR (2010b: 16 f.), dass

„die Hochschulen […] für mehr Studierende und weitere gesellschaftliche Anspruchsgruppen ein breiteres Aufgabenspektrum bedienen und zudem die Qualität ihrer Leistungen verbessern [sollen] – dies entspricht einer gleichzeitigen Erwartungssteigerung in vier Dimensionen. Es ist evident, dass in einer Situation der chronischen strukturellen Unterfinanzierung und der im Wesentlichen ohne substantielle zusätzliche Mittel initiierten Reformen die Hochschulen, insbesondere die Universitäten, angesichts solcher permanenten Erwartungen systematisch überfordert sind und sich in einem ‚Stresszustand‘ befinden.“

Zur gleichen Zeit werden in der Expansionsphase die fehlende Verantwortung des Bundes für die Finanzierung von Hochschulen und eine zu starke wettbewerbsförmige Allokation von öffentlichen Mitteln thematisiert (vgl. HRK 2014c: 2; WR 2018a: 8). Während der staatlich inszenierte (Drittmittel-)Wettbewerb in den 1990er- und Nullerjahren noch ein adäquates Mittel darstellte, um die Leistungsfähigkeit von Hochschulen und ihren Angehörigen zu steigern sowie von den Hochschulen zur strategischen Profilbildung genutzt wurde, wird nun

„der starke Fokus auf Wettbewerbe sowie der hohe Drittmittelanteil an Finanzmitteln […][zum Problem, weil diese] unintendierte Auswirkungen auf die Autonomie der Hochschulen haben [können]. Wettbewerbliche Finanzierungskomponenten sollten daher nach Auffassung des Wissenschaftsrates wohlüberlegt und maßvoll eingesetzt werden, zumal die Orientierung an Ausschreibungen die strategische Entwicklung der Hochschulen auch behindern kann. Dies betrifft insbesondere thematisch fokussierte Wettbewerbe in der Forschung, aber auch die Beteiligung an anderen Ausschreibungen. Die Ausgestaltung der Mittelverteilungsmodalitäten zwischen Bund und Ländern sollte die Autonomie der Hochschulen stets berücksichtigen. Auch wenn sich bei wettbewerblichen Verfahren die Verteilung der Mittel an der Größe der Länder orientiert, sollte die Entscheidung, sich am Wettbewerb zu beteiligen, von den Hochschulen selber anhand ihrer eigenen strategischen Maßgaben getroffen werden können“ (WR 2018a: 91).

Gemäß dieser Problematisierung findet eine Abgrenzung zur neoliberalen Politik der Freiheit zugunsten von managerialer Autonomie der Hochschulen statt (vgl. Hayek 1991: 26 ff., WR 2018a: 91). Allerdings ist die unternehmerische Autonomie innerhalb des NPM-Diskurses per se kein Problem, solange diese spezifische Form von Freiheit mit managerialen Praktiken vereinbar ist. Einerseits offenbaren diese Problemkonstellationen ein neoliberales Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen, da der Bund auf die Rahmenbedingungen der deutschen Hochschullandschaft so einwirkt, dass sich eine marktförmige Wettbewerbsordnung entfalten kann (vgl. Foucault 2004b: 333; Rogge 2015: 691 ff.). Andererseits werden Interventionen der Länder über Hochschulverträge kritisiert, wenn dadurch ein Spannungsverhältnis zur managerialen Autonomie der Hochschulen und nicht-intendierte Effekte entstehen, denn

„orientieren sich die Hochschulen an den Modellen der Länder, die vor allem Zuwächse bei Absolventen, Promotionen und Drittmitteln belohnen, besteht hochschulintern die Gefahr der Bevorzugung von absolventenstarken sowie von drittmittelstarken Fakultäten, ohne dass tatsächlich fachliche Leistungsdifferenzen offen gelegt würden“ (WR 2011a: 27).

In diesem Zusammenhang wird die Kritik von traditionellen Mittelverteilungsmodellen „mit der Gießkanne“ (DFG 2009) auf eine wettbewerbsförmige Allokation von öffentlichen Mitteln erweitert. In jedem Fall erweisen sich die Notstände der knappen Ressourcen und mangelnden Wettbewerbsfähigkeit als anhaltende Problematisierungen. Insofern bleibt auch die Problematisierung, dass ein „überlaufenes, unterfinanziertes Uni-System“ (Friedmann; Koch & Mohr 2004) zu einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit führt, in der Expansionsphase aktuell (vgl. HRK 2014d: 2).

Weiterhin werden rechtliche Rahmenbedingungen von deutschen Hochschulen kritisiert und für eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie von Hochschulen verantwortlich gemacht (vgl. HRK 2015b: 2; 2015c: 5; 2016c: 4). So kritisiert der WR (2018a: 42) staatliche Eingriffe in die Detailsteuerung der Hochschulen, da

„trotz der von den Hochschulen erwarteten Autonomie und Strategiefähigkeit […] die Regelungstiefe, die durch die Landeshochschulgesetze und zusätzliche Verordnungen erzeugt wird, häufig noch sehr groß [ist]. Die den Hochschulen verbleibenden Spielräume bei der Gestaltung ihrer Entscheidungsstrukturen werden als gering empfunden, die Leitungen wünschen sich sowohl weniger Details als auch weniger Rahmenvorgaben.“

Resümierend ist festzuhalten, dass der Staat in der Expansionsphase durch die Problematisierungen des NPM-Diskurses stärker als passiver Finanzier und weniger als aktiver (Wettbewerbs-)Staat angerufen wird als in der Zeitspanne von 1993 bis 2010, weil pastorale und unternehmerische Praktiken des Staats zunehmend Interessenskonflikte mit der managerialen Autonomie von Hochschulen erzeugen. Oder anders formuliert:

„In der als ausufernd und ineffizient wahrgenommenen staatlichen Planung, Steuerung und Bürokratie wurde ein zentrales Hemmnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung gesehen. Das Leitbild stützte sich auf die Grundannahme, dass das Dienstleistungsmonopol des öffentlichen Sektors aufgrund fehlender wettbewerblicher Leistungsanreize zu Ineffizienzen und einer Verschwendung von Ressourcen führe. Im Rahmen des New Public Management (NPM) wurden Managementkonzepte aus dem Privatsektor zur Steigerung der Leistungsfähigkeit öffentlicher Verwaltungen übernommen. Die Rolle des Staates sollte auf die Definition allgemeiner Ziele beschränkt werden, die einzelnen Verwaltungseinheiten sollten eigenständig operierend Wege zur Erreichung dieser Ziele finden. Zentrale Instrumente des NPM waren Kontraktmanagement, Outputsteuerung und Dezentralisierung“ (ebd.: 29).

Das staatliche Handeln wird auch auf der Mesoebene problematisiert, da die Hochschulleitung in der strategischen Strukturplanung durch externe Vorgaben beeinflusst würde und die Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit einzelner Hochschulen gefährdet seien. Vor diesem Hintergrund bemerkt die HRK (2017: 2), dass

„die Differenzierung des Hochschulsystems und der Wettbewerb, in dem die Hochschulen zueinanderstehen, […] effektive Leitungsstrukturen [erfordern]. Dadurch treten dezentrale und zentrale Strukturen in ein Spannungsverhältnis mit Konfliktpotential. Übergreifend wirkt die Verwaltung, die dezentral und zentral für die Unterstützungsprozesse unverzichtbar ist.“

So werden beispielsweise an der FU Berlin (2019a: 12) rechtliche Rahmenbedingungen zum Problem für die manageriale Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der Hochschule erklärt, da

„in Bezug auf Besoldung und Tarif […] die Freie Universität Berlin abhängig von den Regelungen und Abschlüssen des Landes Berlin im Rahmen der Tarifgemeinschaft der Länder [ist]. Insgesamt lag das Besoldungs- und Tarifniveau im Land Berlin und damit auch an der Freien Universität Berlin in den vergangenen Jahren unterhalb des Durchschnitts der Bundesländer. Durch die Konkurrenz zu benachbarten Bundeseinrichtungen und zu Landeseinrichtungen in Brandenburg entsteht daraus ein relevanter Wettbewerbsnachteil.“

In Anbetracht dieser Problematisierungen ruft der Managementdiskurs den Staat an, die rechtlichen Rahmenbedingungen zugunsten von managerialer Autonomie der Hochschulen zu ändern (vgl. HRK 2012b: 3).

Außerdem werden in der Expansionsphase erneut traditionelle Steuerungsmodelle kritisiert. Hierzu wird Bezug auf die ineffizienten Strukturen von Gruppenuniversitäten genommen, in denen ein „Burgfrieden“ (WR 2018a: 28) zwischen Professor*innen geherrscht haben soll und divergierende Interessen zwischen Statusgruppen über längere Zeiträume ausgehandelt wurden sowie nicht präzise Ergebnisse durch die kleinste gemeinsame Schnittmenge der verschiedenen Interessensparteien entstanden seien (ebd.). Sowohl die kollektive Entscheidungsfindung durch verschiedene Statusgruppen als auch die Langwierigkeit von Aushandlungsprozessen erzeugt ein Problemfeld zur unternehmerisch-managerialen Autonomie der Hochschulleitung, weshalb traditionelle Steuerungsmodelle für die Bewältigung des historischen Notstands der knappen Ressourcen und Wettbewerbsfähigkeit ungeeignet seien (vgl. WR 2012: 44). Im Kontext der kollegialen Selbstorganisation von traditionellen Hochschulen wird ebenfalls die Intransparenz von Entscheidungsprozessen thematisiert – so werden eine mangelnde Ressourcensensibilität und Auswahlpraktiken von Berufungsverfahren kritisiert (vgl. WR 2018a: 61 f.). Überdies moniert der WR (2013: 48), dass den Hochschulleitungen zwar erweiterte strategische Gestaltungsspielräume vom Staat zugesprochen werden, „jedoch fehlt vielen Hochschulen eine korrespondierende Strategie- und Handlungsfähigkeit“, was u. a. auf eine mangelnde staatliche Finanzierung von hochschulinternen Anreizsystemen zurückgeführt wird (vgl. HRK 2012b: 3). Ferner können diese Problemfelder ebenfalls als eine anhaltende Kritik an der Qualität von Lehre und Forschung gelesen werden (vgl. HRK 2004a; 2004c: 2; WR 1993: 53). Während in der Zeitspanne von 1993 bis 2010 weitestgehend traditionelle Steuerungsmodelle für Qualitätsverluste verantwortlich gemacht wurden, rücken in der Expansionsphase ungewollte Effekte wie die Abwertung der Lehre zugunsten von Forschung durch Anreize eines Drittmittelwettbewerbs in den Fokus (vgl. WR 2011a: 39; 2015a: 37; 2018a: 29). In diesem Zusammenhang geht der WR (2014: 21) davon aus, dass

„Freiräume für die Forschung […] in Konkurrenz mit umfänglichen Lehr- und Verwaltungsaufgaben [stehen], und insbesondere im Vergleich mit anderen Wissenschaftsnationen fallen das hohe Lehrdeputat sowie ungünstige Betreuungsrelationen von derzeit im Mittel rd. 64 Studierenden pro hauptberuflicher Professorin bzw. hauptberuflichem Professor auf.“

Die Hochschulen werden „häufig mit der Schwierigkeit konfrontiert, erfolgreiche Qualifizierungsangebote dauerhaft aufrecht zu erhalten, da auch in diesem Bereich eine hohe Abhängigkeit von Drittmitteln und befristeten Landes- und Bundesmitteln sowie Vorgaben in Zielvereinbarungen besteht“ (HRK 2019b: 3). Aus diesem Grund fehle es an effektiven Anreizstrukturen, die das Reputationsgefälle zwischen Lehre und Forschung ausgleichen (vgl. WR 2011a: 32). Weiterhin wird mit der Problematisierung von Qualitätsverlusten eine mangelnde Datenbasis für Entscheidungen der Hochschulleitung thematisiert, denn ohne ein spezifisches Wissen über die Studien- und Arbeitsbedingungen sei kein indikatorenbasiertes Personal- und Qualitätsmanagement möglich (vgl. WR 2014: 15; 2015b: 92).

Hier liegt die Annahme nahe, dass manageriale Indikatoren und Kennzahlen neben RegierungswissenFootnote 10 ein wirksames akademisches Subjektivierungsprogramm produzieren. Die Annahme kann an dieser Stelle nicht ausführlich diskutiert werden, weil die empirischen Erkenntnisse der Deutungsmuster- und Subjektivierungsanalyse noch nicht vorliegen. Aber im Verlauf der empirischen Analyse wird die Annahme weiter verfolgt, weil die Kritik von organisationalen und persönlichen „Anpassungseffekten“ (WR 2018a: 7) erste Hinweise auf ein Subjektivierungsregime unter der Wissens- und Identitätspolitik von NPM liefern.

Infolge von „Anpassungseffekten“ (ebd.) werden in der Expansionsphase unerwünschte Verhaltensweisen von Professor*innen problematisiert, die drittmittelfinanzierten Mitarbeiter*innen potenzielle Daueraufgaben übertragen, um den Wissenschaftsbetrieb in einem Zustand knapper Ressourcen und des Wettbewerbs aufrechtzuerhalten (vgl. WR 2014: 79 f.). Das problematisierte Anpassungsverhalten von Wissenschaftler*innen bildet einen empirischen Anhaltspunkt für die zweite These der Arbeit, da akademische Subjekte offensichtlich durch den Managementdiskurs in einen „Aggregatszustand betriebsamer Konformität“ (Bröckling 2007: 241) versetzt werden. Erhärtet wird die Annahme durch unbeabsichtigte Effekte auf der Mikroebene. In diesem Kontext stellt der WR (2018a: 34) fest, dass

„quantitative und qualitative Aspekte […] in einem gegenläufigen Verhältnis zueinander stehen [können]. Zum Beispiel können Hochschullehrerinnen und -lehrer, die eine große Zahl an Promovierenden betreuen, den einzelnen Promovierenden nur einen geringeren Teil ihrer Zeit widmen, was sich negativ auf die Qualität der Betreuung auswirken kann. Zugleich werden dieselben Personen wegen ihrer intensiven Einwerbung von Drittmitteln in diesem Verhalten bestärkt. Eine einseitige Orientierung an Kennzahlen birgt die Gefahr, die kollegiale Gemeinschaft und die Kooperationsbereitschaft zu stören, etwa wenn Vorgaben für das Einwerben von Drittmitteln in der Forschung einer Person nur wenig Zeit lassen, sich in Lehre und akademischer Selbstverwaltung zu engagieren, und sie dieses aufwendige und zeitintensive Aufgabenfeld den Kolleginnen und Kollegen überlässt. Die quantitativen Kennzahlen erzeugen Anpassungsverhalten und stellen Risiken auch für die wissenschaftliche Integrität dar. Die Aussagekraft von kennzahlenbasierten Verfahren bezüglich wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit ist somit begrenzt.“

Mit einer zunehmenden quantitativen Leistungsbewertung wird neben einem Anpassungsverhalten an Kennzahlen wissenschaftliches FehlverhaltenFootnote 11 zum Problem erklärt. Insofern „wird die Dominanz quantitativer Indikatoren bei der Leistungsbewertung (z. B. Publikationszahl, Drittmitteleinwerbung) sowohl in der Berufungspraxis als auch bei der Mittelvergabe als Nährboden für wissenschaftliches Fehlverhalten beschrieben“ (WR 2015a: 24). Exemplarisch für den Zusammenhang von managerialen Praktiken und wissenschaftlichem Fehlverhalten können PublikationszwängeFootnote 12 (publish or perish) und Zitationskartelle, die durch eine Leistungsbewertung mit bibliometrischen Indikatoren entstehen, genannt werden (vgl. DFG 2013: 46). Auch andere unerwünschte Verhaltensweisen wie die Steigerung der Publikationszahlen durch Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen in den kleinstmöglichen Einheiten (Salamiveröffentlichungen, least publishable unit) werden gemeinsam mit managerialen Praktiken kritisiert (ebd.: 20, 43). Darüber hinaus wird auf der Mikroebene eine neoliberale Wissenspolitik infrage gestellt, da wissenschaftliches Fehlverhalten wie die Fälschung von Forschungsergebnissen zunehmend mit einem intensiver werdenden Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg in Verbindung gebracht wird (ebd.: 42). Anders formuliert:

„Vor allem im amerikanischen System der Forschungsförderung, wo schon seit Langem die Erfolgsquoten von Förderanträgen konsistent niedrig sind, muss die Motivation, durch regelwidriges Verhalten zum Erfolg zu kommen, hoch eingeschätzt werden. Unter vergleichbarem Druck sehen sich mittlerweile auch in Deutschland viele, vor allem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ (ebd.: 42).

Ein stark ausgeprägter Drittmittelwettbewerb – beispielsweise in der Medizin – wird als Gefahr für den Entwicklungsprozess von wissenschaftlichem Wissen eingeschätzt, da Forschungsinteressen durch Mittelgeber*innen gesteuert werden können (vgl. HRK 2016a: 6; WR 2011a: 30). An dieser Stelle werden mögliche Krisenszenarien konstruiert wie z. B., „dass Drittmitteleinwerbungen nicht mehr der Finanzierung spezifischer Forschungsfragen dienten, sondern ihren Zweck primär in ihrer Verwendung als zentraler Leistungsindikator in der leistungsbezogenen Mittelvergabe hätten“ (WR 2011a: 29). In Rekurs auf die Problematisierung der quantitativen Leistungsbewertung wird ebenfalls eine nicht-intendierte Zielverschiebung thematisiert, denn durch eine indikatorenbasierte Bewertung kann das Interesse am wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt durch die bloße Erfüllung von Kennzahlen verdrängt werden, sodass nicht die Qualität, sondern die Quantität der individuellen Leistung zunimmt (ebd.: 19–24). Hier gilt zu fragen, „ob durch individuelle monetäre Anreize eine nachhaltige Steuerung der Forschungsleistung zu erreichen ist“ (ebd.: 28)? Vor diesem Hintergrund werden nicht ausreichend differenzierte Förderlinien für die (Fehl-)Steuerung persönlicher Forschungsinteressen verantwortlich gemacht (vgl. HRK 2019a: 3 f.).

„Das trifft insbesondere auf nicht bedachte Themenfelder zu. Fragen der angewandten Forschung müssen dann mangels passender Finanzierungsoptionen so modifiziert werden, dass sie entweder im Rahmen von Grundlagenorientierten Förderprogrammen bearbeitet werden können, oder aber es muss in einem eigentlich zu frühen Stadium ein Partner aus der Praxis mit sehr spezifischen eigenen Interessen gefunden werden“ (ebd.: 3).

Zugespitzt kann gefragt werden, „ob das Wissenschaftssystem in Deutschland inzwischen einen Zustand erreicht hat, an dem der Bogen gewissermaßen überspannt ist und zunächst möglicherweise positive Wirkungen durch negative Nebeneffekte in ihr Gegenteil verkehrt werden“ (WR 2011a: 15)?

Neben den nicht-intendierten Effekten durch einen staatlich inszenierten Wettbewerb und manageriale Praktiken werden traditionelle wissenschaftliche Bewertungspraktiken wie das Peer Review problematisiert (ebd.: 44). Bereits in der Actionphase wurde die traditionelle Leistungsbewertung durch Wissenschaftler*innen kritisiert, jedoch ging es hier vorwiegend um die Bewertung der Leistung von Hochschulen und weniger um die Leistungsbewertung des Einzelnen (vgl. WR 2004: 30 ff.). Demnach weitet sich die Problematisierung einer traditionellen Leistungsbewertung in der Expansionsphase von der Organisations- auf die Mikroebene aus. In diesem Kontext werden (traditionelle) Abhängigkeitsverhältnisse zwischen unterschiedlichen Statusgruppen in der deutschen Hochschullandschaft problematisiert (vgl. WR 2014: 24). Im Fokus stehen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und Professor*innen. Diesbezüglich wird moniert, dass die Weisungsgebundenheit und Abhängigkeit von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen ihr selbstständiges berufliches Handeln einschränkt (ebd.: 24). Zudem werden (materielle) Abhängigkeitsverhältnisse seitens der Juniorprofessor*innen zu besser ausgestatteten Professor*innen thematisiert (ebd.: 24 f.). Schließlich wird auch mit diesen neuen Problemkonstellationen der Notstand knapper Ressourcen und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit aktualisiert.

Aus diesem Grund geraten in der Zeitspanne von 2010 bis 2019 die Befristungspraxis und Karrierewege von Wissenschaftler*innen in der deutschen Hochschullandschaft in mehrfacher Hinsicht in die Kritik (vgl. HRK 2019b: 3 f.; WR 2014: 24 f.): Erstens werden die hohen Befristungsquoten und die fehlende wissenschaftliche Karriereperspektive vor einer Professur für die mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschullandschaft um Humankapital verantwortlich gemacht, weshalb „dieser Umstand […] es den Universitäten [erschwert], die für Forschung und Lehre am besten qualifizierten und geeigneten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland zu gewinnen bzw. zu halten“ (WR 2014: 7). Zweitens seien deutsche Hochschulen auch national betrachtet im Humankapitalwettbewerb mit der Wirtschaft und anderen Arbeitsbereichen unterlegen (ebd.: 34). Und letztlich werden intransparente Rekrutierungsverfahren für (unbefristete) wissenschaftliche Stellen an Hochschulen problematisiert, wodurch eine „Bestenauswahl“ (ebd.: 8) gefährdet wird. Oder anders zusammengefasst:

„Die Karrierewege sind sowohl aus Systemperspektive als auch aus individueller Sicht verbesserungsbedürftig. Sie sind vielfach weder hinreichend wettbewerbsfähig mit anderen Sektoren innerhalb wie außerhalb des Wissenschaftssystems noch international anschlussfähig, effizient oder transparent“ (ebd.: 20).

Es bleibt zu resümieren, dass neben der traditionellen Verfasstheit von Hochschulen und ihren Angehörigen rechtliche Rahmenbedingungen, externe Detailsteuerung sowie eine mangelnde (Grund-)Finanzierung und Wettbewerbsfähigkeit nun zunehmend ungewollte Effekte problematisiert werden (vgl. HRK 2011a, 2011c: 2 f.; WR 2018a: 7). Wie bereits in der Zeitspanne von 1993 bis 2010 reagieren herrschende Subjekte des Managementdiskurses in der Expansionsphase ebenfalls mit Zielsetzungen und Maßnahmen auf die (teilweise selbst verursachten) Probleme in der deutschen Hochschullandschaft und Gesellschaft.

Zielsetzungen und Maßnahmen: Auf der Makroebene soll der Notstand knapper Ressourcen und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit durch eine verlässliche Erhöhung der Grundfinanzierung mittels Verträgen zwischen Ländern und Hochschulen, einer stärkeren finanziellen Beteiligung des Bunds sowie einer Erweiterung von unternehmerischen und managerialen Freiräumen von Hochschulen bewältigt werden (vgl. HRK 2011a, 2018c: 5 f.; WR 2013: 11 f.). In diesen Zielsetzungen wird eine Intergouvernementalität deutlich. Dieser Effekt von verschiedenen Regierungsweisen wird an einer pastoralen und gleichzeitig neoliberalen Regierungspraxis des Staats gegenüber den Hochschulen sichtbar, denn einerseits verpflichten sich die Länder in Hochschulverträgen, für Hochschulen und ihre Angehörigen Verantwortung zu übernehmen und eine Planungssicherheit zu schaffen (vgl. WR 2013: 10). Andererseits erinnern Maßnahmen wie die Ausweitung des staatlich inszenierten Wettbewerbs auf „unmarked spaces“ (Heintz 2008: 121) bzw. „protected spaces“ (Whitley 2014: 370) an eine neoliberale Regierungspraxis (vgl. WR 2018b: 49). Hierbei handelt es sich um eine strategische Reaktion auf die Problematisierungen von nicht-intendierten Effekten, da „unbeabsichtigte Steuerungswirkungen, die durch die Wahl eines einzigen Parameters für die Mittelverteilung entstehen können, […] durch eine kluge Kombination und Gewichtung unterschiedlicher Parameter sowie ggf. durch Korrektive vermieden werden [sollen]“ (ebd.: 60). Bei der LOM wird also im Rahmen von Hochschulverträgen nicht auf quantitative Indikatoren verzichtet. Vielmehr soll eine differenzierte Bewertung durch eine Erschließung von bisher nicht gemessenen, vernachlässigten Bereichen an deutschen Hochschulen stattfinden. Diesbezüglich soll die Lehrkapazität einer Hochschule nicht ausschließlich über die Zahl der Studierenden ermittelt werden, sondern sich stärker am Output orientieren, indem beispielsweise im Zukunftsvertrag die Zahl der Studienabschlüsse berücksichtigt wird (ebd.: 51). „Vor diesem Hintergrund muss das Kapazitätsrecht im Dialog aller Verantwortlichen grundlegend modernisiert und künftig weniger als staatliches Steuerungsinstrument denn als Mittel zur Umsetzung von Profilbildung und Differenzierung der Hochschulen begriffen werden“ (HRK 2018c: 9). Darüber hinaus wird die Ausweitung von quantitativen Indikatoren auf „unmarked spaces“ (Heintz 2008: 121) als effektive Maßnahme gegen nicht-intendierte Effekte betrachtet. Denn – um wieder auf den Zukunftsvertrag zurückzukommen – die „Zahl der Studienabschlüsse“ soll als „ein Korrektiv für den Parameter ‚Zahl der Studierenden‘ [dienen], weil für eingeschriebene Personen, die vorrangig soziale Vergünstigungen, nicht aber Lehrleistungen in Anspruch nehmen, kein Abschluss honoriert würde“ (WR 2018b: 51). Da indes durch diese Indikatorenkombination der nicht-intendierte Effekt von Langzeitstudierenden auftreten könnte, wird vorgeschlagen, die externe LOM zusätzlich an die Studiendauer in Form des Indikators „Zahl aller Studierenden in Regelstudienzeit plus zwei Semester“ (ebd.: 49) zu koppeln.

Ergänzend zur Expansion von Indikatoren sollen Leistungen von Hochschulen und ihren Angehörigen in Zukunft stärker qualitativ durch akademische Expert*innen bewertet werden (vgl. BMBF 2018: 26; HRK 2016b: 5 f.; WR 2019: 8). Sichtbar wird die akademische Expert*innenkultur insbesondere bei Systemakkreditierungen, da hier eine „besonders hohe Kompetenz […] [von] umfangreichen Erfahrungen in Leitung und Qualitätsmanagement“ (WR 2012: 58) bei den Gutachter*innen vorhanden sein soll. Ergänzt wird die Expert*innenkultur durch staatlich geförderte „Wirkungsanalysen“ (BMBF 2018: 26) im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftsforschung mit dem Ziel, „valide Informationen und wissenschaftliche Analysen [zu] erarbeiten, die für das Handeln von Wissenschaftspolitik und -management benötigt werden“ (ebd.: 31). An dieser Stelle trifft das unternehmerische Interesse von Forschungseinrichtungen wie CHE und DZHW auf das manageriale Interesse von BMBF und WR. Die Förderung von Wirkungsanalysen stellt eine Maßnahme gegen die mangelnde Datenbasis für Entscheidungen des Hochschulmanagements dar, denn „eine stärker qualitative Bewertung der Leistungen von Hochschulen ist ohne entsprechenden wissenschaftlichen Sachverstand nicht zu leisten“ (WR 2018a: 23). Auf diese Weise entsteht eine Verbindung zum wissenschaftlichen Spezialdiskurs und wird die Akzeptanz für strategische Zielsetzungen und Maßnahmen in der akademischen Gemeinschaft gefördert (vgl. Reitz 2016: 52). Überdies bildet die Diskursguerillastrategie einen Anschluss zur Actionphase, da auch hier akademische Subjekte als Vehikel für eine manageriale Wissenspolitik genutzt wurden (vgl. WR 2004: 30 ff.). Bemerkenswert ist, dass in der Expansionsphase neben wissenschaftlichen Expert*innen zunehmend Studierende an Praktiken des Qualitätsmanagements beteiligt werden sollen (vgl. WR 2012: 39 f.). Dazu gewähren Bund und Länder den Hochschulen und einigen ihrer Angehörigen neue strategische und unternehmerische Freiheiten. So soll die Verantwortung für das Qualitätsmanagement mittels einer flächendeckenden Systemakkreditierung vom Staat an die Hochschulen übergeben werden (vgl. HRK 2016b: 2; WR 2012: 55 ff.). Weiterhin werden den Hochschulen mehr unternehmerische Freiräume anheimgestellt, um beispielsweise Sanierungsengpässe in Eigenverantwortung zu bewältigen (vgl. HRK 2018c: 6 f.; Land Berlin 2018: 34). Insofern können Hochschulen im Rahmen des Facility Managements über Mieteinnahmen eigenständig verfügen und Mittel für Bauten von Bund und Ländern einwerben, womit eine „effiziente Gebäudebewirtschaftung und Flächennutzung“ (Land Berlin 2018: 34) erzielt werden soll (vgl. Land Berlin 2014: 11; FU Berlin 2018a: 27). Durch diese Zielsetzungen und Maßnahmen werden Hochschulen und ihre Angehörigen als unternehmerische und strategische Akteur*innen angerufen (vgl. WR 2018a: 35). Deutlich wird dieser Zusammenhang ebenfalls an der Zielsetzung, dass „die Verhandlungen über Zielvereinbarungen oder Hochschulverträge […] nicht durch hierarchische Vorgaben seitens des Landes dominiert werden [sollten]“ (ebd.: 88).

Darüber hinaus kann auf der Makroebene eine Flexibilisierung und Erweiterung von Forschungsförderlinien beobachtet werden, wodurch „Forschungsfragen mit unterschiedlichen methodischen und zeitlichen Anforderungen und thematischen Ausrichtungen mithilfe finanzieller Unterstützung durch Mittel Dritter bearbeitet werden [können]“ (WR 2011a: 29). Die Maßnahmen zur Flexibilisierung und Erweiterung der Forschungsförderlandschaft können als Erschließung von „unmarked spaces“ (Heintz 2008: 121) und als Antwort des unternehmerisch-managerialen Regimes auf eine ungewollte politische Steuerung von Forschungsinteressen durch nichtausreichend differenzierte Programme betrachtet werden (vgl. HRK 2019a: 3 f.). Ebenso werden (Drittmittel-)Wettbewerbe auf bisher weitestgehend unerschlossene Bereiche wie die Lehre und auf nichtwissenschaftliches Personal ausgeweitet (vgl. Land Berlin 2018: 23 f.; WR 2012: 84). Im Zusammenhang der Problematisierungen von Wettbewerb und nicht-intendierten Effekten erscheinen die Maßnahmen zur Ausweitung des Wettbewerbs auf unerschlossene Bereiche in der Hochschullandschaft paradox. Jedoch plausibilisiert die Annahme, dass nicht die wettbewerbsförmige Allokation von (öffentlichen) Mitteln, sondern fehlende Anreizstrukturen für ungewollte Folgen verantwortlich sind, die Maßnahme, den Wettbewerb auf geschützte Räume auszuweiten (vgl. HRK 2016a: 2; WR 2015b: 109; 2018b: 46 f.).

Die Kanalisierung von akademischen Verhaltensweisen über wettbewerbsförmige Anreizstrukturen bildet einen Teil der politischen Rationalität des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft. Dadurch entsteht eine Analogie zum neoliberalen Diskurs im europäischen Raum, da hier ebenfalls Herrschaftsinteressen über eine „Formalisierung der Wettbewerbsmechanismen“ (Foucault 2004b: 230 f.) durchgesetzt werden sollen (vgl. Foucault 2004a: 162, Rüstow 1949: 133 ff.). In diesem Kontext werden zunehmend hochschulinterne Wettbewerbe inszeniert – so wird beispielsweise an der FU Berlin (2014b: 26) jährlich ein zentraler Lehrpreis mit wechselnden Schwerpunkten ausgeschrieben. Durch die Festlegung der Auswahlkriterien kann die Hochschulleitung ihre Interessen auf der Mesoebene mittels Anreizen des Wettbewerbs und ohne unmittelbaren Zwang in die akademische Gemeinschaft manövrieren. Ergänzt werden die hochschulinternen Wettbewerbe durch interne LOM. An sich ist die LOM innerhalb von Hochschulen kein neues Steuerungsinstrument, da bereits in den 1990er-Jahren öffentliche Mittel nach (wenigen) quantitativen Indikatoren verteilt wurden (vgl. WR 2015a: 25). Was sich jedoch in der Expansionsphase aufgrund einer zunehmenden Kritik an nicht-intendierten Effekten der Hochschulreformen unter NPM verändert hat, ist eine Erschließung von bisher vernachlässigten Bereichen sowie eine Erweiterung und Kombination von verschiedenen Indikatoren bei internen Mittelverteilungsmodellen (vgl. WR 2011b: 19 f., 26 f.). So können durch Globalhaushalte neben Sachmitteln Personalmittel nach Indikatoren leistungsorientiert verteilt werden (ebd.: 24). Des Weiteren hat die wissenschaftspolitische Kritik an unbeabsichtigten Folgen des NPM-Diskurses zu einer Expansion und Verfeinerung der Indikatoren bei LOM-Modellen geführt. Während sich in den 90er-Jahren die LOM weitestgehend auf die Bereiche Lehre und Forschung beschränkte, werden in der Expansionsphase neue Bereiche wie Internationalisierung, Gleichstellung und Diversity über eine strategische Allokation von öffentlichen Mitteln erschlossen (vgl. FU Berlin 2014b: 152, 156; HRK 1995b, Land Berlin 2018: Anlage 1). Darüber hinaus wurde die Komplexität der verfügbaren Indikatoren zur Leistungsmessung im Vergleich zur Konstituierungsphase gesteigert. Anfänglich wurden beispielsweise eingeworbene Drittmittel und die Anzahl der Publikationen zur Messung der Forschungsleistung herangezogen (vgl. HRK 1995b). Im Verlauf der Expansionsphase werden die Forschungsleistungen durch eine Vielzahl von Indikatoren wie Forschungsaufenthalte, Patente, Forschungspreise/Auszeichnungen sowie Sonderforschungsbereiche und Forscher*innengruppen der DFG bewertet (vgl. DFG 2018: 15; ERC 2019: 24; FU Berlin 2019h). Mit der Ausweitung strategischer Indikatoren in den LOM-Modellen sowie in Evaluationsverfahren entsteht eine erhebliche Nachfrage nach Daten, die innerhalb des Managementdiskurses als Regierungswissen herangezogen werden, weil

„wissenschaftliche Einrichtungen […] ihre Leistungen beobachten [können] und auf informierter Grundlage, ggf. auch durch ein vergleichendes Benchmarking, strategische Entscheidungen hinsichtlich ihrer Weiterentwicklung und Profilbildung treffen. Schließlich erhält die Wissenschaftspolitik fundierte Informationen, um Entscheidungen über Ressourcenströme und wissenschaftspolitische Schwerpunktlegungen zu treffen sowie Erkenntnisse über die Effekte ihrer Maßnahmen zu gewinnen. Nicht zuletzt kann die Wissenschaftsforschung auf der Basis umfassender Datengrundlagen belastbarere Aussagen über beabsichtigte und unbeabsichtigte Effekte von Verfahren der Leistungsbewertung und Steuerung treffen“ (WR 2011a: 48).

Da bei der Generierung von „wissenschaftsspezifischen Managementwissen“ (WR 2014: 53) die Komplizenschaft von Wissenschaftler*innen notwendig ist, werden Anreize für akademische Subjekte geschaffen, indem sie an den Vorteilen von Regierungswissen beteiligt werden. Auf diese Weise soll die Nutzung von Datenbanken den Berichtsaufwand für Wissenschaftler*innen reduzieren und ihr persönliches Profil sichtbar machen (vgl. FU Berlin 2019g; WR 2011a:48). Weiterhin wird eine hochschulübergreifende standardisierte Datenerfassung in Form des „Kerndatensatzes Forschung“ (KDSF) (WR 2019: 15) gefordert. Einerseits wird mit der standardisierten Generierung von managerialem Regierungswissen eine Effizienzsteigerung in der Steuerung von Hochschulen verfolgt, da beispielsweise Live-Ratings auf Knopfdruck erzeugt werden können (vgl. HRK 2014a: 2). Andererseits erinnern die Strukturen von Forschungsinformationssystemen an die Archithektur einer Kontrollgesellschaft (vgl. Deleuze 1993). Denn mithilfe einer Klassifizierung von persönlichen Daten entsteht ein Subjektivierungsregime, das Interessen ohne unmittelbaren Zwang kanalisiert sowie Subjekte in Chiffren zerlegt und damit individualisierend, da die Persönlichkeit des Einzelnen auf (Kenn-)Zahlen reduziert wird (ebd.: 254–258).

Dieser Transformationsprozess kann auch bei Organisationeinheiten beobachtet werden, denn in der Expansionsphase institutionalisiert sich die Binnendifferenzierung in einzelnen Teilbereichen wie der Lehre. In diesem Kontext soll die innerinstitutionelle Ausformung spezifischer Funktionsbereiche an den einzelnen Hochschulen durch Lehrprofile gefördert werden (vgl. WR 2015b: 12). Mit Lehrprofilen werden Qualifizierungsziele festgehalten und spezifische Absolvent*innenprofile gebildet (vgl. WR 2015b: 100). Übergreifend sollen sich Lehrprofile am (Arbeits-)Markt orientieren, indem „Studierende in die Lage versetzt [werden], ‚in Situationen der Ungewissheit, konkurrierender Deutungen und Normenkonflikte, zugleich aber auch des Zeitdrucks und Handlungszwanges‘ erfolgreich zu agieren“ (ebd.: 62). Auf diese Weise soll durch Lehrprofile eine Entdifferenzierung von Fachbereichen und eine Dividualisierung von Hochschulabsolvent*innen erzeugt werden, weil sich ihre Persönlichkeit auf vermarktbare Fähigkeiten aufteilen soll. Gestärkt werden Lehrprofile durch Lehrverfassungen.

„Unter einer Lehrverfassung ist dabei eine grundsätzliche Klärung des Selbstverständnisses als Lehrinstitution, der fächerübergreifenden didaktischen Leitlinien und gegebenenfalls grundlegender Qualifizierungsziele zu verstehen, die für die Hochschule und ihren Lehrkörper normativ bindend ist“ (ebd.: 99).

Gleichzeitig können Lehrprofile und Lehrverfassungen als Antwort herrschender Subjekte des Managementdiskurses auf die Problematisierung externer Eingriffe in die Strukturentwicklung und Profilbildung von Hochschulen betrachtet werden, da die interne strategische Berücksichtigung gesellschaftlicher Interessen dem Staat die Legitimation für einen Eingriff von außen entzieht (vgl. WR 2005: 12).

Ähnliche Transformationsprozesse können ebenso in Berufungsverfahren beobachtet werden, weil sich hier ein wissenschaftliches zu einem managerialen Verfahren wandelt (vgl. WR 2018a: 60 f.). Denn fortan sollen Professuren strategisch ausgeschrieben und besetzt werden, um „die Profilbildung an Universitäten und Fachhochschulen in allen Leistungsdimensionen [voranzutreiben]“ (WR 2013: 62). In diesem Zusammenhang wird die Profilbildung an deutschen Hochschulen durch das Personalmanagement erschlossen. Dies führt dazu, dass die Hochschulleitung und das Management Berufungsprozesse strategisch beeinflussen können. Der Einfluss der akademischen Gemeinschaft auf Berufungsverfahren schwindet hingegen. Plausibilisiert werden strategische Berufungsverfahren unter einer managerialen Schirmherrschaft durch die Intransparenz, Subjektivität und Ineffizienz der kollegialen Selbstorganisation von Berufungen (vgl. WR 2018a: 61 f.). Strategische Berufungen können somit auch als Lösungsvorschlag des unternehmiersch-managerialen Regimes für diagnostizierte Probleme von traditionellen akademischen Steuerungsmodellen betrachtet werden. Gleichzeitig wird die akademische Gemeinschaft, weitestgehend durch Professor*innen vertreten, an strategischen Berufungsverfahren – jedoch unter einer gewissen Kontrolle – beteiligt, weil beispielsweise an der FU Berlin (2019c)

„bei der Wiederbesetzung von Professuren […] die Fachbereiche und Zentralinstitute aufgefordert [sind], deren Einbettung in die Wissenschaftslandschaft Berlin-Brandenburg, ihre Verknüpfung mit anderen Fächern, Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern sowie eventuelle Alleinstellungsmerkmale zu beschreiben.“

Zudem werden im Rahmen von strategischen Berufungen zunehmend Maßnahmen an Hochschulen ergriffen, um Professuren mit einer institutionellen Doppelzugehörigkeit zu besetzen (vgl. FU Berlin 2018a: 14; WR 2013: 15). Mithilfe von strategischen Doppelberufungen zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen entsteht ein übergreifendes Anreizsystem, da mit dieser Maßnahme wissenschaftliche und politische Interessen in zweifacher Hinsicht gesteuert werden können: Einerseits können durch strategische Doppelberufungen einrichtungsübergreifende wissenschaftliche Kooperationen gebildet und (menschliche) Ressourcen effizient geteilt werden (vgl. WR 2013: 90). Andererseits sollen Doppelberufungen die Sichtbarkeit einer Hochschule im internationalen Wettbewerb um Humankapital und Drittmittel erhöhen sowie zur strategischen Netzwerkbildung und als Multiplikator von symbolischem Kapital genutzt werden (vgl. FU Berlin 2018a: 14). In diesem Kontext bemerkt die HRK (2013a: 6),

„während die Kooperation in der Vergangenheit überwiegend in Form konkreter Projekte stattfand, sollten in Zukunft strategische Partnerschaften mit der Abstimmung mittel- bis langfristiger Planungen gestärkt werden. Flexible, handlungsfähige Netzwerke sind strategische Instrumente, die den Herausforderungen der Internationalisierung, der Vermehrung des Wissens unter Beteiligung möglichst vieler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und dem Wettbewerb am ehesten entsprechen.“

Gefördert wird die Bildung von strategischen Netzwerken zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen durch Anreize zwischen Hochschulen und den Ländern – so werden beispielsweise Berliner Hochschulen qua Kontraktmanagement verpflichtet, sich gemeinsam für die Förderlinie der Exzellenzuniversitäten zu bewerben (vgl. Land Berlin 2018: 25). Demnach bilden

„fachliche Qualität, disziplinäre Vielfalt, methodische Breite und intensive Kooperationen […] die gemeinsame Basis für eine neue Kultur der Profilbildung jenseits der Grenzen von Institutionen und Disziplinen. Die Verbundpartner stellen ihre komplementären Stärken in den Dienst einer international wettbewerbsfähigen Spitzenforschung, die nicht nur auf die universitäre Lehre ausstrahlt, sondern die auch zum Transfer wissenschaftlichen Wissens in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen wird. Die Identifizierung von übergreifenden thematischen Schwerpunkten und die Entwicklung von Instrumenten zur Förderung der Innovations- und Erneuerungsfähigkeit der Berliner Wissenschaft bilden dabei den aufeinander abgestimmten Zielhorizont“ (ebd.: 26).

Es kann folglich festgehalten werden, dass die Idee einer transnationalen Beutegemeinschaft durch den Managementdiskurs auf deutsche Hochschulen übertragen wird, indem Netzwerke in Forschung und Lehre zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und gegenseitigen Bereicherung aufgebaut werden (vgl. Foucault 2004b: 85 f.; HRK 2013a: 6). So wird beispielsweise durch „Franchising Studiengänge“ (HRK 2013b) in den 2010er-Jahren eine strategische Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen etabliert. Private Bildungsträger können mit gekauften Studiengängen ihre Ziele und Absolvent*innenprofile in staatlich anerkannte Hochschulen verlagern und über die Verleihung eines akademischen Grades durch die franchisegebende Hochschule verifizieren (ebd.: 5 f.). Über diese symbolische Ordnung von unternehmerischen Interessen sollen Franchisehochschulen ihr fachliches Profil schärfen und die Eigenfinanzierung stärken (ebd.: 2). Diesbezüglich sind gekaufte Studiengänge nicht nur eine Maßnahme zur Profilbildung, sondern bilden einen Anreiz für unternehmerisches Handeln von verschiedenen Statusgruppen an Hochschulen. Insofern findet in der Expansionsphase eine verstärkte Flexibilisierung und Marktorientierung in der Hochschullehre statt. Die Marktorientierung wird auch am Teilzeitstudium deutlich, denn hier sollen

„unter Einbeziehung der Lehrenden und Studierenden der Fakultäten und Fachbereiche […] eine professionelle Planung und Entwicklung zielgruppengerechter Studienangebote erfolgen, die entsprechende Markt- und Zielgruppenanalysen (s.o.) berücksichtigen. Die Intentionen der Hochschule im Bereich ‚Studieren in Teilzeit‘ sollten explizit in der Entwicklungsplanung erwähnt und festgeschrieben sowie die Zuständigkeiten in der Hochschulleitung definiert werden“ (HRK 2016c: 6).

Mit diesen Zielsetzungen findet eine diskursive Konstruktion von unternehmerischen Hochschulen statt und möglicherweise ebenfalls ein Wandel von akademischer Subjektivierung.

Unter dem Leitbild von unternehmerischen Hochschulen werden akademische Subjekte in den 2010er-Jahren zunehmend angerufen, unternehmerisch zu handeln. Anreize für unternehmerische Handlungsweisen werden durch hochschulinterne Wettbewerbe wie „Research to Market Challenge“ (FU Berlin 2018b) geschaffen. Mithilfe dieser hochschulinternen Wettbewerbe soll ein Wissens- und Technologietransfer von der Forschung in die Wirtschaft vorangetrieben werden. Ungeachtet der monetären Anreize durch Preisgelder kann die Effektivität hochschulinterner Wettbewerbe auf akademische Subjektivierung angezweifelt werden, da Reputationseffekte sowie die persönliche Zeit- und Ressourcenautonomie im Vergleich zu einem Wettbewerb von renommierten Fördereinrichtungen wie der DFG oder des ERC gering ausfallen dürften (vgl. FU Berlin 2018b; WR 2006: 82; 2011a: 28). Darum wird vorgeschlagen, das Innovationsmanagement an Hochschulen mit neuen Förderlinien von großen Drittmittelgeber*innen wie dem BMBF zu verknüpfen (vgl. HRK 2019a: 4 f.).

Die Verknüpfung von Förderprogrammen mit institutionellen Interessesen führt zu einem Wandel von akademischen Subjektivierungsformen, da das Innovationsmanagement gezielte Anreize für Ausgründungen mit Förderstipendien für Studierende und Doktorand*innen schafft (vgl. Berliner Morgenpost 2017). Eingebettet werden diese Anreizsysteme in Infrastrukturen von Gründer-Campi (ebd.). Demnach werden in der Expansionsphase Anreize auf der Mikro-, Meso- und Makroebene miteinander verknüpft. Exemplarisch wird die Optimierung von Anreizsystemen durch eine übergreifende Struktur des Innovationsmanagements an der FU Berlin (2019a: 16) deutlich, denn

„die Freie Universität Berlin unterstützt ihre Mitglieder dabei, potenzielle Innovationen zu erkennen und den Innovationsprozess voranzutreiben. Mit Maßnahmen wie dem Ideenwettbewerb ‚Research to Market Challenge‘ und dem Innovationsprogramm ‚InnoBridge‘ werden Wissenschaftler*innen angeregt, verwertbare Forschungsergebnisse darzustellen und weiterzuentwickeln. Um erfolgversprechende Projekte voranzubringen, werden Drittmittel aus marktorientierten Förderprogrammen eingeworben, zum Beispiel aus VIP+ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, aus ERC Proof of Concept des Europäischen Forschungsrats und aus dem Programm Erkenntnistransfer der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Mit regelmäßigen Veranstaltungen für Studierende und Wissenschaftler*innen werden Qualifikationen für den Innovations- und Transferprozess vermittelt. Entrepreneurship-Education ist zudem mit zahlreichen Lehrveranstaltungen an verschiedenen Fachbereichen verankert. Im Rahmen der Allgemeinen Berufsvorbereitung haben alle Studierenden der Bachelorstudiengänge fachübergreifend die Möglichkeit, an den Seminaren ‚BusinessplanLab‘ und ‚Funpreneur-Wettbewerb‘ teilzunehmen.“

Mithilfe der Verzahnung von Anreizsystemen werden verschiedene Statusgruppen in geschützten Räumen mit managerialen Praktiken und unternehmerischen Interpellationen konfrontiert. Während sich manageriale Praktiken in der Actionphase weitestgehend auf die Hochschulleitung, Verwaltungsangestellte und Wissenschaftler*innen beschränken, werden in den 2010er-Jahren vermehrt Studierende vom Managementdiskurs angerufen. Insbesondere die Ausbreitung des Innovationsmanagements im Bereich der Lehre über Lehrveranstaltungen zu Ausgründungen kann als Expansion des NPM-Diskurses betrachtet werden und weist auf einen gesteigerten Geltungsanspruch in der deutschen Hochschullandschaft hin (vgl. FU Berlin 2014b: 81).

Zudem kann eine Transformation der traditionellen akademischen LaufbahnFootnote 13 durch NPM beobachtet werden. So wird das Personalmanagement an Hochschulen unter den Problematisierungen intransparenter, nicht wettbewerbsfähiger Karrierewege und Rekrutierungsverfahren mit Praktiken der Profilbildung und des Qualitätsmanagements verknüpft (vgl. HRK 2019b: 3 f.; WR 2013: 39 f., 51; 2014: 6, 24 f.). Hierbei wird davon ausgegangen, dass „Deutschland ein faires, qualitätsorientiertes und wettbewerbsfähiges Wissenschaftssystem [braucht]. Dazu gehören adäquate Karriereziele und -wege an Universitäten“ (WR 2014: 6). Innerhalb des Managementdiskurses werden neue Personalstrukturen als neue Karrierewege betrachtet. Auf diese Weise wird eine traditionelle akademische Laufbahn durch Drittmitteldauerstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, Übergangs- und Drittmittelantragsstellen für Doktorand*innen bis hin zu befristeten, kofinanzierten Teilzeitprofessuren (Shared Professorship) und Fast-Track-Promotionen transformiert (vgl. FU Berlin 2018a: 71; Land Berlin 2014: 8; WR 2014: 56; 2015b: 75). Mit der Flexibilisierung der akademischen Laufbahn werden mehrere Ziele auf verschiedenen Ebenen adressiert: Erstens sollen die neuen Personalstrukturen Wissenschaftler*innen Alternativen zu den wenigen Professuren mit dem Beamtenstatus auf Lebenszeit bieten und die Durchlässigkeit von Karrierewegen in der Wissenschaft zu anderen Arbeitsmärkten fördern (vgl. WR 2014: 9). Zweitens werden insbesondere mit Drittmitteldauerstellen Interessen verschiedener Gruppen kanalisiert, da kontinuierlich Drittmittel für eine unbefristete Stelle eingeworben werden müssen (ebd.: 74). Drittens werden Personalstrukturen wie Shared Professorship sowohl zur strategischen Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen als auch zur Anpassung des Studiumangebots an die Nachfrage des Arbeitsmarktes genutzt (vgl. WR 2015b: 75, 212). Weiterhin sollen die neuen Personalstrukturen deutsche Hochschulen aktivieren, „die internationale Konkurrenzfähigkeit ihrer Personalgewinnung zu sichern und um dem Bedürfnis mobiler Forscherinnen und Forscher nach mehr Transparenz und einer besseren Planbarkeit wissenschaftlicher Karrierewege Rechnung zu tragen“ (vgl. HRK 2012c: 2). Und schließlich soll die Flexibilisierung akademischer Laufbahnen die Attraktivität der EU für internationale hochqualifizierte Fachkräfte erhöhen (ebd.: 3). Vor diesem Hintergrund werden gleichfalls traditionelle akademische Arbeitsbedingungen durch das Qualitätsmanagement erschlossen.

Auf der Mikroebene wird versucht, mit Jahresgesprächen zwischen Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten, Betreuungsvereinbarungen und Berufungsleitfäden die Qualität von unterschiedlichen Karrierewegen und Arbeitsbedingungen in der deutschen Hochschullandschaft zu steigern (vgl. FU Berlin 2019c; 2019e; 2019f; WR 2011b: 18). Demnach kann die Beeinflussung sozialer Beziehungen von akademischen Subjekten durch Praktiken des Qualitätsmanagements als Lösungsvorschlag für problematisierte traditionelle Abhängigkeitsverhältnisse zwischen verschiedenen Statusgruppen an deutschen Hochschulen interpretiert werden (vgl. WR 2014: 24 f.). Dieser Zusammenhang wird insbesondere bei Betreuungsvereinbarungen zwischen Doktorand*innen, Betreuer*innen und einem Promotionskomitee deutlich. Denn durch die vertragsförmige Regelung von sozialen Beziehungen werden nicht nur Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsparteien festgehalten, sondern es wird ein Raum der gegenseitigen Kontrolle geschaffen, da durch den Vertrag regelmäßige Zusammenkünfte zwischen Promovierenden sowie Betreuenden stattfinden sollen und das Promotionskomitee als „Schiedsstelle im Konfliktfall fungieren und gegebenenfalls Vorschläge für die Bestellung der Gutachterinnen und Gutachter unterbreiten [soll]“ (WR 2011b: 16). Außerdem soll neben dem Promotionsverlauf die Auswahl von Doktorand*innen stärker mit managerialen Praktiken durch die zuständigen Fakultäten überwacht werden (ebd.). Plausibilisiert wird die strategische Freiheit bei Auswahlwahlentscheidungen seitens der Fakultäten durch eine Qualitätssicherung in der akademischen Laufbahn, da „nicht in allen Fällen die wünschenswerte Ausschreibung der Promotionsstellen möglich ist, sollen die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten für eine Doktorarbeit und die Bewertung ihrer Qualifikation nach transparenten Kriterien erfolgen“ (ebd.). Weiterhin unterbreiten herrschende Subjekte des Managementdiskurses Lösungsvorschläge für das Qualitätsproblem in der Lehre.

In Hinblick auf unbeabsichtigte Effekte des Drittmittelwettbewerbs wird vorgeschlagen, strukturell bedingte Nebeneffekte durch individuelle Anreize zu korrigieren (vgl. WR 2013: 38). Dementsprechend sollten „die Hochschulen neben dem etablierten Instrument der Forschungsfreisemester verstärkt auch von dem Instrument der Lehrfreisemester Gebrauch machen […]; dies nicht nur im Sinne der Flexibilisierung, sondern auch, um die üblicherweise stärkere Anreizsetzung in der Forschung auszugleichen“ (WR 2011a: 36). Im Vergleich zur Actionphase zeigt sich hier, dass auf der Mikroebene durch „passgenaue Anreizsysteme“ (WR 2013: 49) eine Differenzierung in der managerialen Steuerung von akademischen Subjekten erfolgt, um den unterschiedlichen Profilen der Hochschulen Rechnung zu tragen und um nicht-intendierte Steuerungseffekte zu korrigieren. Insofern verliert der Managementdiskurs durch Problematisierungen unbeabsichtigter Effekte nicht seinen Geltungsanspruch, sondern weitet seinen Einfluss über die Verfeinerung von Anreizsystemen in der deutschen Hochschullandschaft aus. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass aufeinander abgestimmte Parameter

„jeweils spezifische Anreize [setzen], deren Steuerungseffekte einander ergänzen oder wechselseitig korrigieren können. Diese Effekte können ebenfalls durch die Gewichtung von Parametern beeinflusst werden, die für die Finanzwirkung der gewählten Bezugsgrößen ausschlaggebend ist. […] Auch können zur Dämpfung von ungewollten Nebenwirkungen Maßnahmen ergriffen werden, die vor allem der qualitativen Überprüfung quantitativer Indikatoren dienen und eine Korrektivfunktion erfüllen“ (WR 2018b: 46 f.).

Ein gezielter Ausgleichsversuch ungewollter Steuerungswirkungen durch quantitative Indikatoren kann bei der qualitativen Leistungsbewertung von (befristeten) wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen durch Vorgesetzte beobachtet werden (vgl. HRK 2012a: 3 f.). Anstatt Leistungen ausschließlich mit Kennzahlen zu bewerten, sollen Vorgesetze zusammen mit ihren Mitarbeiter*innen Ziele festlegen, die innerhalb von bestimmten Fristen zu erreichen sind. Auf Basis dieser Ziele und deren fristgerechter Verwirklichung sollen im Rahmen von Mitarbeiter*innengesprächen persönliche Leistungen evaluiert und ungewollte Effekte korrigiert werden (vgl. FU Berlin 2019g; HRK 2012a: 3 f.). Gleichzeitig werden Professor*innen mit der „Gewährung eines höheren Maßes individueller Autonomie für flexible Schwerpunktsetzung im Karriereverlauf von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ (WR 2011a: 37) angerufen, sich Kompetenzen einer strategischen Personalführung anzueignen. In Anbetracht eines professoralen Personalmanagements hält der WR (2014: 50) fest,

„um sich in solche neuen Tätigkeitsbereiche gezielt einarbeiten zu können und anfallende Aufgaben effizient wahrnehmen zu können, brauchen Professorinnen und Professoren Weiterqualifizierungsangebote: etwa mit Blick auf Personalführung (zumal mit der Professur fast immer eine Vorgesetztenfunktion einhergeht), Wissenschaftsmanagement, Hochschuldidaktik oder Selbstverwaltungs- und Leitungsaufgaben (z. B. im Dekanat oder in der Hochschulleitung).“

Gemäß diesen managerialen Aufgaben werden traditionelle Fähigkeiten von Hochschullehrer*innen durch den Managementdiskurs um Praktiken von Wissenschaftsmanager*innen erweitert. Diesbezüglich könnten akademische Subjekte als Vehikel des Managementdiskurses auch den Konflikt, der durch externe Berater*innen entsteht, entschärfen, da Professor*innen nicht als Fremde im universitären Feld wahrgenommen werden (vgl. Krücken & Serrano-Velarde 2016). In diesem Zusammenhang werden

„die Universitäten und Organisationseinheiten auf[gefordert], diesen Bereich Wissenschaftsmanagement und –administration gezielt zu professionalisieren, systematisch weiterzuentwickeln und in den empfohlenen Konzepten zur Ausgestaltung der Personalkategorie ‚wissenschaftlicher Mitarbeiter‘ angemessen zu berücksichtigen. Auch für Wissenschaftsmanagerinnen und -manager sind Karriereeinstiege zu gestalten und Angebote der Personalentwicklung vorzuhalten. In geeigneten Fällen sind ihnen Möglichkeiten des Aufstiegs zu eröffnen. Die Qualifikationsanforderungen an diese Stellen sind auch im Bereich Wissenschaftsmanagement divers und von der jeweiligen Hierarchiestufe abhängig. Der Aufgabenschwerpunkt kann je nach Stelle z. B. auf der Erarbeitung von Strategiekonzepten, auf der Konzipierung und Durchführung von Verfahren der Qualitätssicherung, auf Personalführung, Verwaltung großer Drittmittelaufkommen u.v.m. liegen“ (WR 2014: 54).

Als Bindeglied zwischen akademischer Gemeinschaft und Hochschulleitung werden ebenfalls Dekan*innen durch strategische Weiterbildungsangebote angerufen, managerial zu handeln (vgl. HRK 2017: 3 f.). Die planvolle Interpellation verschiedener akademischer Statusgruppen durch eine manageriale Wissens- und Identitätspolitik kann als Expansion des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund fungiert der NPM-Diskurs als Schnittstelle zwischen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interessen, was der Lesart, NPM als Interdiskurs zu beleuchten, eine empirische Bodenhaftung verleiht (ebd.). Sichtbar wird die Interdiskursivität und Expansion des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft an den Ereignissen in der Zeitspanne von 2010 bis 2019.

Ereignisse: Ein fundamentales Ereignis auf der Makroebene ist die 2010 beschlossene Strategie Europa 2020. Mit der europäischen Neuausrichtung der Kohäsionspolitik ist eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bunds an der Hochschulfinanzierung und eine Bildung von Regionalprofilen verbunden (vgl. HRK 2011b: 11 f.). Damit wird „Innovation der Rohstoff Europas“ (HRK 2014e: 2). Die Strategie Europa 2020 fördert die Expansion von NPM in der deutschen Hochschullandschaft, weil, so das Deutungsangebot der HRK (ebd.: 4 f.), „die ‚EU-2020‘-Strategie […] die Autonomie der Hochschulen als wichtigen Wert und als Ziel an prominenter Stelle heraus[stellt] und fordert, dass die europäischen Hochschulen von Überregulierung und Detailmanagement befreit und im Gegenzug voll rechenschaftspflichtig werden“. Objektiviert werden die Ziele der Strategie Europa 2020 und des Managementdiskurses ebenfalls durch eine Reihe von Gesetzesänderungen. In diesem Kontext schreibt sich die Forderung nach mehr managerialer Autonomie bei einer stärkeren finanziellen Absicherung durch den Bund in der Neufassung des Artikels 91b GG im Jahr 2015 ein (vgl. WR 2018b: 7). Der Hochschulpakt 2020 belegt ebenfalls die Expansion von Praktiken des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft und kann als interdiskursives Ereignis gedeutet werden, das akademische und wissenschaftspolitische Interessen berücksichtigt sowie auf die Kritik des Reputationsgefälles zwischen Lehre und Forschung mit einer Ausdehnung des Wettbewerbs reagiert (vgl. WR 2011a: 32; 2018b: 6). Weiterhin vergegenständlicht sich im Kontraktmanagement zwischen Staat und Hochschulen sowohl die neoliberale Idee einer wettbewerbsförmigen, leistungsorientierten Verteilung von öffentlichen Mitteln als auch die Kritik an nicht-intendierten Effekten des Managementdiskurses. Exemplarisch dafür kann der 2010 vereinbarte Qualitätspakt Lehre angeführt werden, mit dem Anreize zur Qualitätssteigerung der Hochschullehre durch einen inszenierten Wettbewerb um knappe Ressourcen gesetzt werden und kapazitätsbezogene Indikatoren wie die Zahl der Studienanfänger*innen durch die „projektförmige Entwicklung und Umsetzung innovativer Lehr-Lernformate und neuer Betreuungskonzepte“ (WR 2018b: 35) ergänzt werden sollen (vgl. WR 2012: 11).

Ergänzend zur Erschließung von „unmarked spaces“ (Heintz 2008: 121) durch einen staatlich inszenierten Wettbewerb und Kontraktmanagement kann in der Expansionsphase eine Erweiterung von Forschungsförderlinien und Programmen beobachtet werden, die darauf abzielen, die Generierung „wissenschaftsspezifischen Managementwissen[s]“ (WR 2014: 53) voranzutreiben. Zu diesem Zweck werden einzelne Projekte wie die Einführung des KDSF im Jahr 2017 gefördert und verstärkt Förderlinien im Bereich der Bildungs-, Hochschul- und Wissenschaftsforschung angelegt (vgl. BMBF 2018: 27–32; DFG 2018: 17). Die Expansion des Managementdiskurses wird von einer akademische Expert*innenkultur unterstützt, weil Einrichtungen wie das DZHW und das CHE einerseits wissenschaftliche Erkenntnisse generieren und andererseits liefert wissenschaftliches Wissen dem Wissenschaftsmanagement eine evidenzbasierte Grundlage zur Steuerung von Hochschulen und ihren Angehörigen (vgl. BMBF 2018: 31; WR 2011a: 23, 2015b: 50 f.). Aus diesem Grund ist es naheliegend, dass NPM die Wissenschaft und akademische Subjektivierungsformen transformiert (vgl. Bourdieu 1998: 19). Ob durch eine (quasi-)marktorientierte Wissenschaft akademische Subjektivierungsweisen von dienstfertigen Wissenschaftler*innen entstehen, „deren Vordringen auf dem universitären Feld […] zu einem entscheidenden Bruch mit den Grundsätzen akademischer Autonomie wie den Werten der Interessenlosigkeit, Zweckfreiheit und Unbeeinflußbarkeit durch Sanktionen und Anforderungen der Praxis führt“ (Bourdieu 1992: 206), wird mit einer kontrastierenden Deutungsmuster- und Subjektivierungsanalyse im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit diskutiert.

Allerdings kann konstatiert werden, dass Anreize des (Drittmittel-)Wettbewerbs bei Wissenschaftler*innen zu einem Anpassungsverhalten führen sollen. Wissenschaftler*innen orientieren sich somit an Indikatoren und Kennzahlen und richten ihre Forschungsinteressen an Themen und Profilen von Drittmittelgeber*innen aus. Insofern besitzt evidenzbasiertes Regierungswissen eine Doppelfunktion in der deutschen Hochschullandschaft: Einerseits können das Hochschulmanagement und die Wissenschaftspolitik mithilfe von managerialen Praktiken die Interessen von akademischen Subjekten kanalisieren und deren Verhaltensweisen steuern. Andererseits ist der Managementdiskurs auf die Partizipation von Wissenschaftler*innen angewiesen, um die Reichweite von managerialen Praktiken zu erhöhen (vgl. BMBF 2018: 26). Weiterhin dürfte eine akademische Expert*innenkultur die Akzeptanz von managerialen Praktiken in der akademischen Gemeinschaft steigern (vgl. WR 2004: 30 ff., 2012: 39 f.). Dementsprechend machen sich 2015 herrschende Subjekte des Managementdiskurses zur Evaluierung der Exzellenzinitiative das symbolische Kapital von akademischen Expert*innen zunutze, denn „die breite Akzeptanz, welche die Initiative in der Wissenschaft als Instrument zur Förderung der Spitzenforschung erfährt, beruht auch auf der weltweit anerkannten, außerordentlich hohen Reputation der Gutachterinnen und Gutachter“ (HRK 2015a: 3).

Diese Guerillastrategie kann desgleichen auf der Mesoebene beobachtet werden. Hier wird die Expansion einer akademischen Expert*innenkultur an Ereignissen wie dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 8/10) vom 17. Februar 2016 deutlich (vgl. HRK 2016b: 2). Denn fortan sollen bei Akkreditierungen und anderen Qualitätssicherungsverfahren verstärkt Wissenschaftler*innen und Studierende einbezogen werden. Außerdem objektiviert sich im Bundesverfassungsgerichtsbeschluss die manageriale Autonomie der Hochschulleitung, weil „es den Hochschulen ermöglicht [werden soll], ihr Studienangebot dem Verständnis ihrer individuellen Rolle im Wissenschaftssystem und ihrer Verantwortung für die Gesellschaft gemäß zu gestalten“ (ebd.: 2). Ferner werden Experimentierklauseln in die Hochschulgesetze der Länder aufgenommen, die

„die Hochschulen zur weiteren Ausgestaltung ihrer Governance nutzen können, oder konkret zulässige Ausnahmen von den allgemeinen Regelungen formulieren. So kann zum einen gewährleistet werden, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeiten der Hochschulen hinreichend verlässlich und legitimiert sind. Zum anderen sind die Hochschulen dann in der Lage, grundlegende Entscheidungen bezüglich ihrer Governance-Strukturen und Prozesse auf Basis ihrer jeweiligen Bedürfnisse zu treffen. Die dabei zunehmende Vielfalt von konkreten Governance-Strukturen und -Prozessen ist als eine Folge der funktionalen Differenzierung in Kauf zu nehmen“ (WR 2018a: 87).

Ebenso wird die manageriale Autonomie der Hochschulleitung durch die Novellierung von Landesbesoldungsgesetzen gestärkt, wie u. a. in Berlin im Jahr 2015 deutlich wird. Nun können gemeinsam berufenen Professor*innen an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen befristete Leistungsbezüge unabhängig von universitären Berufungs- und Bleibeverhandlungen gezahlt werden (vgl. FU Berlin 2019a: 12). Damit wird die Hochschulleitung in die Lage versetzt, gezielte Anreize für Shared Professorship zu setzen, da sich aus gemeinsamen Berufungen zusätzliche Leistungsbezüge für Professor*innen ergeben. In der Expansionsphase finden diverse Gesetzesänderungen statt, um die Differenzierung der deutschen Hochschullandschaft voranzutreiben (vgl. WR 2010b: 80).

Vor diesem Hintergrund ist Bourdieus (1992: 206) Kritik an der Transformation von Hochschulen nach wie vor aktuell, da Wissenschaftsmanager*innen das universitäre Feld als Laboratorium zur Erprobung ihrer Praktiken nutzen. So können 2016 auf der Organisationsebene von Hochschulen experimentelle Veränderungen infolge der Empfehlung des KDSF durch den WR konstatiert werden (vgl. WR 2019). Sichtbar wird der organisationale Wandel unter dem Primat eines ressourcenschonenden und effektiven (Forschungs-)Datenmanagements an Berichten der Hochschulleitung. In diesem Zusammenhang bemerkt das Präsidium der FU Berlin (2018a: 142 f.), dass man das Forschungsdatenmanagement aufgrund einer wachsenden Nachfrage nach hochschulinternen Daten und der Profilbildung ausbaut. Mithilfe von standardisierten (Forschungs-)Daten werden ebenso strategische Netzwerke wie die Berlin University AllianceFootnote 14 sichtbar gemacht (vgl. FU Berlin 2019a: 5 f.). Auf diese Weise sollen manageriale Instrumente entstehen, „die den Herausforderungen der Internationalisierung, der Vermehrung des Wissens unter Beteiligung möglichst vieler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und dem Wettbewerb am ehesten entsprechen“ (HRK 2013a: 6). In diesem Kontext wird an der FU Berlin (2019g) eine Forschungsdatenbank implementiert,

„um über [die] wissenschaftlichen Aktivitäten an der Freien Universität zu informieren und möglichen Partnern aus der Wirtschaft die Kontaktaufnahme zu erleichtern […]. Die Forschungsdatenbank stellt das Profil von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor und führt mehr als 8500 aktuelle und abgeschlossene Forschungsprojekte auf.“

Außerdem wird die Bildung von strategischen Forschungsdateninfrastrukturen an deutschen Hochschulen durch Ereignisse wie die Digitale Agenda der Bundesregierung 2014 und das europäische Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 gefördert (vgl. HRK 2015c: 3).

Ergänzend dazu werden vermehrt hochschulinterne und regionale Wettbewerbe wie der Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg durchgeführt oder der Innovationspreis Berlin-Brandenburg vergeben (vgl. FU Berlin 2018a: 72 f.). Die Preisgelder aus hochschulinternen und regionalen Wettbewerben bilden eine Erweiterung des (trans-)nationalen Drittmittelwettbewerbs. Gleichzeitig werden sowohl Profile von einzelnen Hochschulen und Regionen anerkannt als auch geschützte Räume an deutschen Hochschulen durch Anreize des Wettbewerbs erschlossen. Drittmittel avancieren darüber hinaus zu einem Symbol des wissenschaftlichen Erfolgs an deutschen Hochschulen (vgl. FU Berlin 2019b). Diesbezüglich ist es naheliegend, dass akademische Subjekte die Leistungen anderer Wissenschaftler*innen ebenfalls über die unternehmerische Fähigkeit beurteilen, Drittmittel einzuwerben. So bemerkt beispielsweise die DFG (2018: 13), dass sich

„Drittmittel […] nicht nur als ‚Gewinn‘ im monetären Sinne [erweisen]. Sie sind Ausweis der Forschungsqualität, die die Gutachterinnen und Gutachter in den einzelnen Anträgen erkennen. In ihrer Aggregation machen sie diese Qualität über die jeweilige Disziplin und den jeweiligen Standort hinaus sichtbar.“

Aus diesem Grund bildet der Indikator Drittmittel ein Symbol von wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit und transformiert wissenschaftliche Qualität in Kennzahlen. Exemplarisch wird dieser Transformationsprozess an der FU Berlin (2019b) sichtbar, denn hier „[zählt] die Drittmittelbilanz […] zu den Indikatoren, die den wissenschaftlichen Erfolg sowie die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Universität dokumentiert.“ Infolgedessen werden die Titel „internationale Netzwerkuniversität“ und „Exzellenzuniversität“ (FU Berlin 2014a: 3) als Symbol herausragender Forschung und Organisationentwicklung gedeutet.

Ungeachtet der erhöhten Sichtbarkeit von drittmittelbasierten und bibliometrischen Kennzahlen bei der organisationalen Leistungsbewertung deutet sich bei Ereignissen auf der Mikroebene eine Differenzierung in der Bewertung wissenschaftlicher Arbeit an. Dahingehend kann eine Kombination von verschiedenen Indikatoren beobachtet werden. Neben Drittmitteln sowie Publikations- und Zitationszahlen werden zunehmend Patente, Preise, Vorträge und Beiträge zur Organisation von Tagungen zur Leistungsbewertung von Wissenschaftler*innen herangezogen (vgl. WR 2011a: 19). Beispielhafte Ereignisse für die Entwicklung einer differenzierten quantitativen Leistungsbewertung stellen der Rückzug der Länder aus den Vorgaben zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren und die Übertragung des Berufungsrechts auf die Hochschulen dar (vgl. WR 2018a: 89). Weiterhin wird in den 2010er-Jahren (teilweise) die Dienstherreneigenschaft von den Ministerien auf die Hochschulen übertragen (ebd.: 107 f.). Diese Ereignisse tragen einerseits zur Steigerung der managerialen Autonomie auf der Mesoebene deutscher Hochschulen bei, da hierarchische Beziehungen zwischen den Ministerien und Hochschulen zugunsten des Hochschulmanagements abgebaut werden (ebd.: 32). Andererseits können diese Ereignisse als Objektivierung unterschiedlicher Profile der Hochschulen betrachtet werden, weil das Personalmanagement zum strategischen Instrument der Profilbildung wird und Mitarbeiter*innen anruft, sich konform zur strategischen Ausrichtung der Hochschule zu verhalten (vgl. WR 2013: 53). Gleichzeitig werden Mitarbeiter*innen in der deutschen Hochschullandschaft als Humankapital gehandelt, weil das Hochschulpersonal als wichtigste Ressource der Leistungs-, Wettbewerbs-, Verbund- und Innovationsfähigkeit angesehen wird (vgl. FU Berlin 2018a: 91, 98; HRK 2012c: 3).

In Anbetracht eines internationalen Wettbewerbs um Humankapital und der Kritik von nicht-intendierten Effekten erhält die strategische Flexibilisierung von wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen einen brisanten Stellenwert in der Expansionsphase von NPM. Zum einen seien Hochschulen auf einen hohen Anteil von befristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen angewiesen, um der Dynamik des akademischen Quasi-Marktes Rechnung zu tragen sowie Innovation in Lehre und Forschung zu fördern (vgl. HRK 2012a: 2 f.).

„Daher gibt es regelmäßigen Bedarf, sehr flexibel auf kurzfristige fachliche Anforderungen und Entwicklungen zu reagieren – etwa durch neue Verbundprojekte –, an der Freien Universität Berlin vorzugsweise durch zeitlich befristete Juniorprofessuren oder befristete W2-Professuren. Deshalb beinhaltet der Strukturplan eine schlanke feste Struktur mit unbefristeten Universitätsprofessuren und eine flexible und dynamische Struktur mit Juniorprofessuren und befristeten W2-Universitätsprofessuren. Damit wird es ermöglicht, Forschungsverbünde abzusichern, das wissenschaftliche Profil zu schärfen und dies mit der Förderung wissenschaftlicher Qualifizierungs- und Karriereverläufe zu verbinden“ (FU Berlin 2018a: 92).

Zum anderen gerät die manageriale Nutzbarmachung von akademischer Prekarität zunehmend unter politischen und rechtlichen Druck, wie an einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. Juni 2011 (7 AZR 827/09 – Rn. 37) deutlich wird (vgl. HRK 2012a: 3). Zwar lassen solche Ereignisse strategische Befristungspraktiken erodieren, gleichzeitig sorgt die Problematisierung von akademischer Prekarität für die Erschließung neuer Bereiche durch das Personalmanagement an deutschen Hochschulen. Exemplarisch hierfür können Drittmitteldauerstellen und die strategische Entwicklung von Dauerstellenkonzepten angeführt werden (WR 2014: 74). Denn

„die Gestaltung von Karrierezielen und -wegen an Universitäten und die damit verbundene Karriereförderung, Personalplanung und -entwicklung sind strategische Aufgaben der Universitätsleitungen und mit der strategischen Organisationsentwicklung zu verzahnen. Der Wissenschaftsrat adressiert zwar explizit die Universitäten, vielfach können die folgenden Empfehlungen aber auf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen übertragen werden“ (ebd.: 72).

Als Folge dessen werden mit unbefristeten Dauerstellen für Daueraufgaben im Bereich der (Drittmittel-)Forschung und Lehre neue Anreize für einen Großteil des befristet beschäftigten künstlerischen und wissenschaftlichen Personals an deutschen Hochschulen geschaffen (vgl. BuWiN 2017: 128 ff.; WR 2018b: 31). Es handelt sich also bei der Besetzung unbefristeter Dauerstellen um eine manageriale Maßnahme, weil Entfristungsentscheidungen mit strategischen Kriterien der Hochschulleitung und einer Spezialisierung von akademischen Aufgabenfeldern verbunden sind (vgl. FU Berlin 2019a: 9 f.; WR 2014: 57). Sichtbar wird die Trendwende im Personalmanagement an Ereignissen wie dem Hochschulpakt II und III. In deren Rahmen stellen Bund und Länder den Hochschulleitungen finanzielle Mittel zur (strategischen) Entfristung von künstlerisch und wissenschaftlich Beschäftigten bereit (vgl. WR 2015b: 74).

5.1.4 Teilergebnisse und Hypothesen der historischen Betrachtung des Managementdiskurses im deutschen Hochschulsystem

Resümierend kann festgehalten werden, dass sich der NPM-Diskurs über Problematisierungen eines Zustands knapper öffentlicher Ressourcen sowie einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen und ihren Angehörigen in der Konstituierungsphase von 1993 bis 2000 im universitären Feld der BRD bildet (vgl. HRK 1998c; 1999b; WR 1993: 24, 48). Darüber hinaus rücken sowohl rechtliche Rahmenbedingungen und traditionelle akademische Steuerungsmodelle als auch Effizienz- und Qualitätsverluste in Lehre und Forschung in den Fokus des Managementdiskurses (vgl. HRK 1995b; 2000; WR 1993: 24; 1996: 4 f.). Diese Problemfelder dienen dem NPM-Diskurs als Bezugsrahmen für Reformziele und Maßnahmen. In diesem Kontext fordert das unternehmerisch-manageriale Regime eine Steigerung des staatlich inszenierten Wettbewerbs, um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems zu erhöhen sowie die öffentlichen Mittel effizient zu nutzen und leistungsorientiert zu verteilen (vgl. HRK 1998b; 1999b; 2000; WR 1996: 26). Zur Umsetzung dieser Ziele erproben einzelne Hochschulen und Fachbereiche manageriale Steuerungsinstrumente wie Evaluierungen, LOM und Kontraktmanagement, wodurch die deutsche Hochschullandschaft in den 1990er-Jahren zu einem Krisenlabor von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses wird (vgl. HRK 1995b; 1998b; 1999a). Übergreifend sollen diese Maßnahmen die manageriale und unternehmerische Autonomie von Hochschulen und ihren Angehörigen steigern (vgl. HRK 1997; WR 1993: 24). Sichtbar werden diese Zielsetzungen und Maßnahmen an Ereignissen in der Konstituierungsphase. So verleiht die Formierung einer Wissensgesellschaft am Ende der 1990er-Jahre dem NPM-Diskurs einen gesteigerten Geltungsanspruch in der Gesellschaft und deutschen Hochschullandschaft, weil davon ausgegangen wird, dass die Akademisierung der Bevölkerung nur durch eine Reorganisation der deutschen Hochschullandschaft bewältigt werden kann (vgl. HRK 1998d; 2000). Vergegenständlichen kann sich die schleichende Transformation unter dem Primat von NPM ebenfalls in der Bologna-Erklärung von 1999, denn mit der Entstehung eines EHR soll die Wettbewerbsfähigkeit und Internationalisierung von deutschen Hochschulen zunehmen, was die Erprobung von managerialen Praktiken im Hochschulsystem der BRD plausibilisiert (vgl. HRK 1999b; WR 1996: 4). Überdies spiegeln sich 1998 in der Novellierung des HRG zentrale Ziele der deutschen Reformbewegung um den NPM-Diskurs wider, weil sich der Staat mit dieser Gesetzesänderung sukzessive aus der Detailsteuerung von Hochschulen zurückzieht (vgl. HRK 1999b). Schlussendlich kann dieses Ereignis als eine erste rechtliche Anerkennung der geforderten managerialen und unternehmerischen Freiheiten betrachtet werden. Trotz dieser Ereignisse und der Erprobung von managerialen Praktiken kennzeichnet sich die Konstituierungsphase von NPM in der deutschen Hochschullandschaft mehr durch „talk“ als durch „action“ (Schimank 2002: 30).

Deutlich wird dieser Zusammenhang in der darauffolgenden Actionphase von 2000 bis 2010, denn die Nullerjahre sind von einer Entfesselung managerialer Praktiken in der deutschen Hochschullandschaft geprägt. Als Ankerpunkte ziehen herrschende Subjekte des NPM-Diskurses Problematisierungen aus der Konstituierungsphase heran wie den Zustand knapper Ressourcen und einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit (vgl. DFG 2009; HRK 2005b: 4; WR 2006: 71). In Anbetracht wiederkehrender Problematisierungen weitet sich jedoch die Kritik an der Leistungsfähigkeit von Wissenschaftler*innen in den 2000er-Jahren auf Studierende aus (vgl. WR 2006: 87–92). Gleichwohl entstehen mit dem „brain drain“ (HRK 2004a: 6; WR 2010a: 123) neue Problemfelder. Wie bereits in der Konstituierungsphase nutzen Subjekte des Managementdiskurses auch in den Nullerjahren Problematisierungen als Bezugsrahmen von Zielen und Maßnahmen. Dahingehend stellen die analytisch gebildeten Entwicklungsphasen keinen Abschluss, sondern Anschlüsse an die vorherige Phase dar. Dieser Zusammenhang wird beispielsweise an einer anvisierten Effizienzsteigerung von Hochschulen und ihren Angehörigen bei der Nutzung von (knappen) öffentlichen Mitteln deutlich (vgl. HRK & Deutsche UNESCO-Kommission 2010: 3). Weiterhin soll die Qualität in Lehre und Forschung durch Rankings, Akkreditierungen und andere standardisierte Qualitätsmanagementverfahren verbessert werden (vgl. WR 2004: 17; 2006: 5). Solche Maßnahmen ließen sich bereits in der Konstituierungsphase beobachten – so wurde u. a. in den 1990er-Jahren mit dem „Studienführer“ (HRK 1999b), welcher als Orientierungshilfe für Studieninteressierte diente, ein erstes Ranking erprobt. Jedoch handelte es sich bei diesen Maßnahmen um einzelne Experimente, während in den Nullerjahren manageriale Steuerungsinstrumente in der deutschen Hochschullandschaft flächendeckend eingeführt werden (vgl. HRK 2002; 2005b: 7 f.; WR 2012: 26). Dementsprechend fand in der Konstituierungsphase eine schleichende Flexibilisierung von wissenschaftlicher Arbeit statt, indem projektförmige, drittmittelfinanzierte Forschung an Hochschulen langsam zunahm. Für eine umfassende manageriale Nutzbarmachung des akademischen Prekariats fehlten jedoch die rechtlichen Rahmenbedingungen in den 90er-Jahren (vgl. HRK 1998c: 25 f.; WR 1996: 41 f.). Dies ändert sich in der Actionphase mit einem anreizorientierten, wettbewerbsförmigen Personalmanagement an deutschen Hochschulen, welches sich in Gesetzen wie der W-Besoldung 2005, dem WissZeitVG 2007 und in Form von Juniorprofessuren vergegenständlicht (vgl. WR 2005: 22, 73 f.; 2006: 81).

Flankiert werden diese Ereignisse durch Objektivierungen des NPM-Diskurses in den Novellierungen des HRG 2001 und des Arbeitnehmererfindungsgesetzes 2002 (vgl. HRK 2001a; WR 2006: 49). Die Änderung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes stärkt die manageriale und unternehmerische Autonomie von Hochschulen, weil dadurch die Hochschulleitung über Erfindungen ihrer Angehörigen verfügt und diese vermarktet (vgl. WR 2006: 49). Weiterhin wird durch die Novellierung des HRG der Wettbewerb um Humankapital in der deutschen Hochschullandschaft entfesselt, denn mit dieser Gesetzesänderung werden Hochschulen erstmals an den (strategischen) Auswahlentscheidungen von Studienbewerber*innen beteiligt (vgl. HRK 2001a). Letztendlich tragen gesellschaftliche Ereignisse wie die Formierung eines EFR unter dem Regierungsprogramm der Lissabon-Strategie zu einer Institutionalisierung von managerialen Praktiken in der deutschen Hochschullandschaft bei (vgl. HRK 2006a: 32; WR 2010a: 7).

Analog zu den vorherigen zwei Phasen werden in der Expansionsphase von 2010 bis 2019 ebenfalls knappe öffentliche Ressourcen, eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sowie rechtliche Rahmenbedingungen und (traditionelle) Steuerungsmodelle problematisiert (vgl. HRK 2014e: 2; 2015b: 2; 2016c: 4; WR 2013: 5 f.). Ein neues Problemfeld des Managementdiskurses bildet die unbefriedigte Nachfrage nach Regierungswissen für strategische Entscheidungen (vgl. BMBF 2018: 31). Vor diesem Hintergrund weitet sich die Problematisierung von traditionellen Mittelverteilungsmodellen „mit der Gießkanne“ (DFG 2009) auf eine wettbewerbsförmige Allokation von öffentlichen Mitteln aus (vgl. HRK 2014c: 2; WR 2018a: 8). Während der staatlich inszenierte (Drittmittel-)Wettbewerb im Verlauf der 1990er- und 2000er-Jahre noch uneingeschränkt als adäquates Mittel wahrgenommen wurde, um die Leistungsfähigkeit von Hochschulen und ihren Angehörigen zu steigern, wird eine wettbewerbsförmige Mittelverteilung in der Expansionsphase mitunter zum Problem, weil der Zwang zur Beteiligung an diesem Wettbewerb zunehmend einen Konflikt mit der managerialen Autonomie von Hochschulen erzeugt (vgl. WR 2018a: 91). Aus diesem Grund werden auch obsolete manageriale Praktiken für nicht-intendierte Effekte verantwortlich gemacht – so wird beispielsweise eine verkürzte quantitative Leistungsbewertung von wissenschaftlicher Arbeit problematisiert, da diese Bewertungspraktik wissenschaftliches Fehlverhalten und persönliche Anpassungseffekte an Kennzahlen hervorrufen kann (vgl. DFG 2013: 46; WR 2015a: 24; 2018a: 7). Die teilweise vom Managementdiskurs selbst verursachten Probleme führen jedoch nicht zu einer Erosion seiner Wissens- und Identitätspolitik, sondern zu einer Ausweitung von staatlichen und hochschulinternen Wettbewerben auf „unmarked spaces“ (Heintz 2008: 121). Darum wird in der Expansionsphase versucht, mit Anreizen die ungewollte symbolische und materielle Asymmetrie zwischen Lehre und Forschung infolge eines einseitigen (Drittmittel-)Wettbewerbs zu korrigieren (vgl. Land Berlin 2018: 23 f.; WR 2012: 84; 2015a: 37; 2018a: 29). Fortan werden quantitative Indikatoren erweitert und miteinander kombiniert, um unerwünschte Folgen von überholten Bewertungspraktiken zu vermeiden (vgl. WR 2018b: 60).

Gleichzeitig sollen Indikatoren durch eine qualitative Leistungsbewertung seitens akademischer Expert*innen ergänzt werden (vgl. BMBF 2018: 26; HRK 2016b: 5 f.; WR 2019: 8). Einerseits soll diese akademische Expert*innenkultur, welche von Akkreditierungsverfahren bis hin zur Bildungs-, Hochschul- und Wissenschaftsforschung reicht, eine Expansion des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft vorantreiben (vgl. BMBF 2018: 26; HRK 2016b: 5 f.; WR 2019: 8). Andererseits werden akademische Subjekte mit der Beteiligung an managerialen Praktiken und der Generierung von (Regierungs-)Wissen zu einem Vehikel des NPM-Diskurses (vgl. WR 2012: 39 f.). Weiterhin wird die Ausweitung von managerialen Praktiken an einer Verknüpfung der Profilbildung mit dem Personalmanagement deutlich, denn mit einem profilorientierten Personalmanagement werden strategische Berufungsverfahren sowie unbefristete Drittmitteldauerstellen und Shared Professorship eingeführt (vgl. FU Berlin 2018a: 71; Land Berlin 2014: 8; WR 2014: 56; 2015b: 75). Darüber hinaus steigern diese Maßnahmen die manageriale Autonomie der Hochschulleitung, was insbesondere an Ereignissen wie der Novellierung von Landesbesoldungsgesetzen und der Aufnahme von Experimentierklauseln in die Hochschulgesetze der Länder sichtbar wird (vgl. FU Berlin 2019a: 12; WR 2018a: 87). Auf diese Weise erhält die Hochschulleitung die Möglichkeit, manageriale Praktiken auszuweiten und flexibler über Leistungsbezüge von gemeinsam berufenen Professor*innen zu entscheiden als in den Nullerjahren (vgl. FU Berlin 2019a: 12). Außerdem verhelfen Ereignisse wie der Qualitätspakt Lehre den Mittelwettbewerb in die Lehre zu einer Expansion. Unterdessen erinnern die vereinbarten Kennzahlen (z. B. Absolvent*innen) in den Hochschulverträgen zwischen Ländern und Hochschulen infolge des Hochschulpaktes 2020 an zentralwirtschaftliche Praktiken von DDR-Betrieben (vgl. FU Berlin 2014b: 38; Steinitz & Walter 2014: 45; WR 2018a: 35).

An diesen Ereignissen werden die Brüche zwischen dem Managementdiskurs und einem neoliberalen Diskurs sichtbar. Zwar handelt es sich beim Kontraktmanagement um ein strategisches Steuerungsinstrument, aber die Umsetzung kann als interdiskursive Praktik betrachtet werden, weil durch Hochschulverträge eine Verbindung zwischen einer pastoralen und neoliberalen Regierungspraxis entsteht (vgl. Foucault 2004b: 115; Link 2012: 58 f.). Trotz des Spannungsfeldes zur managerialen Autonomie der Hochschulleitung durch das Kontraktmanagement scheinen sich herrschende Subjekte des Managementdiskurses anders mit wohlfahrtsstaatlichen Interventionen zu arrangieren als die eines neoliberalen Diskurses, welche die staatlichen Eingriffe in einen (Quasi-)Markt kategorisch ablehnen (vgl. Eucken 1997: 40; Röpke 1997: 29). Sichtbar wird dieser Zusammenhang auch an der Strategie Europa 2020, denn hier verspricht der Bund einerseits, die Investitionen im Hochschulbereich zu steigern und für Planungssicherheit zu sorgen (vgl. HRK 2011b: 11 f.). Andererseits stärkt das Regierungsprogramm die Autonomie der Hochschulleitung und fördert damit eine Ausweitung managerialer Praktiken im Hochschulsystem der BRD (vgl. HRK 2014e: 4 f.). Schlussendlich markieren die Bildung strategischer Netzwerke (z. B. Berlin University Alliance) und die Generierung von Regierungswissen durch eine dienstfertige Wissenschaft relevante Ereignisse, die dem NPM-Diskurs zu einer Expansion in der deutschen Hochschullandschaft im Verlauf der 2010er-Jahre verhelfen (vgl. Berlin University Alliance 2019; BMBF 2018: 27–32; HRK 2013a: 6; WR 2011a: 48). Zusammenfassen lassen sich die Phasen des Managementdiskurses mit der folgenden Tabelle (Tabelle 5.1: Phasen des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft von 1993 bis 2019).

Tabelle 5.1 Phasen des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft von 1993 bis 2019

Vor dem Hintergrund der Tabelle 5.1 und des historischen Abrisses können folgende Hypothesen für die Analyse der Tiefenstruktur des Managementdiskurses sowie für die Deutungsmuster- und Subjektivierungsanalyse generiert werden.

Hypothese 1: Aus dem Muster der anhaltenden Kritik an verschiedenen Problemkonstellationen eröffnet sich ein Hinweis auf die Phänomenstruktur des NPM-Diskurses, denn phasenübergreifend nutzt der Managementdiskurs (wiederkehrende) Problematisierungen als referenziellen Bezugsrahmen (vgl. Keller 2011: 248 f.). Zu den häufigsten Notständen zählen knappe öffentliche Ressourcen und eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sowie ineffiziente Steuerungsmodelle mit nicht-intendierten Effekten und eine mangelnde (individuelle) Leistungsfähigkeit (vgl. Deutschlandfunk 1999; DFG 2009; HRK 1995a; 2018c: 5 f.). Um diese Notstände zu bearbeiten, halten herrschende Subjekte des Managementdiskurses verschiedene Lösungsvorschläge und konkrete Handlungsanweisungen bereit, die sich u. a. in einer Steigerung der Qualität, Effizienz, Autonomie sowie der Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Hochschulen und ihren Angehörigen widerspiegeln (vgl. HRK 1998c; 2013b; WR 2010a: 107). Gleichwohl entsteht durch diese unabschließbaren Anrufungen ein interdiskursiver Link, welcher die einzelnen Fragmente des NPM-Diskurses miteinander verbindet und stabilisiert. Insofern kann angenommen werden, dass der Managementdiskurs nicht darauf abzielt, diagnostizierte Probleme zu lösen, sondern darauf angewiesen ist, Notstände lediglich mit managerialen Praktiken zu aktualisieren. Aus diesem Grund ist der NPM-Diskurs vom Fortbestehen – nicht jedoch von der Lösung – gesellschaftlicher und universitärer Problemkonstellationen abhängig. Anderenfalls würden manageriale Anrufungen und Praktiken ihren Geltungsanspruch in der sozialen Wirklichkeit von Hochschulen verlieren. Denn wenn es keine Probleme mehr gäbe, wären die Lösungsvorschläge von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses überflüssig. Die (inter-)diskursive Konstruktion eines anhaltenden Zustands knapper Ressourcen und des Wettbewerbs scheint also die Basis des NPM-Diskurses zu bilden. Diesbezüglich könnte auch erklärt werden, warum trotz einer Entfesselung und Expansion von managerialen Praktiken sich bestimmte Problematisierungen über drei Jahrzehnte äußerst hartnäckig in der deutschen Hochschullandschaft halten bzw. immer neue Notstände hinzukommen (vgl. FU Berlin 2014b: 13; WR 2012: 84). Im Verlauf der Entwicklungsphasen nutzen herrschende Subjekte des Managementdiskurses eine neoliberale Plausibilisierungsstrategie, die u. a. in der Annahme zum Vorschein kommt, dass nicht die wettbewerbsförmige Allokation von Mitteln für unbeabsichtigte Effekte verantwortlich ist, sondern fehlende Anreizstrukturen in allen relevanten Steuerungsbereichen (vgl. HRK 2016a: 2; WR 2015b: 109; 2018b: 46 f.).

Hypothese 2: Im diesem Zusammenhang kann angenommen werden, dass die Steuerung von akademischen Verhaltensweisen über wettbewerbsförmige Anreizstrukturen einen Teil der politischen Rationalität des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft bildet. Auf diese Weise entsteht eine Analogie zum neoliberalen Diskurs, da ebenfalls Herrschaftsinteressen über eine „Formalisierung der Wettbewerbsmechanismen“ (Foucault 2004b: 230 f.) durchgesetzt werden sollen (vgl. Foucault 2004a: 162, Rüstow 1949: 133 ff.). Jedoch forcieren herrschende Subjekte des Managementdiskurses keine Marktherrschaft, sondern eine Herrschaft über manageriale Anreizsysteme. Eine Abgrenzung des Managementdiskurses von einer neoliberalen Wissenspolitik entsteht durch die Verbindung zu einer pastoralen Regierungsweise, wodurch eine Intergouvernementalität erzeugt wird (vgl. Foucault 2004b: 115; Link 2012: 58 f.). Mit dieser Ratio erscheint die Expansion managerialer Praktiken trotz unbeabsichtigter Effekte plausibel, da ein dauerhaftes Wachstum das Ziel darstellt. Falls manageriale Praktiken also Probleme verursachen, liegt das an einer unzureichenden Umsetzung, nicht jedoch am Geltungsanspruch des NPM-Diskurses (vgl. WR 2018a: 29). Deswegen ist der Managementdiskurs auf ein ständiges Wachstum von (selbst erzeugten) Notständen angewiesen, um diese mit geeigneten Praktiken zu bearbeiten und seinen Geltungsanspruch in der sozialen Wirklichkeit von Hochschulen zu sichern. Zudem entsteht mit der dynamischen Expansion des NPM-Diskurses eine zunehmende Nachfrage nach Regierungswissen (vgl. WR 2011a: 48). Bei der Generierung von Regierungswissen ist die Komplizenschaft von Wissenschaftler*innen notwendig, für deren Beteiligung Anreize geschaffen werden (vgl. FU Berlin 2019g; WR 2011a: 48). Durch die Generierung von Regierungswissen mit standardisierten Steuerungsinstrumenten wie Datenbanken werden Herrschaftstechnologien einer Kontrollgesellschaft erzeugt (vgl. Deleuze 1993; WR 2019: 15).

Hypothese 3: Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass durch Regierungswissen ein akademisches Subjektivierungsregime der besonderen Art hervorgebracht wird. Denn mithilfe einer Klassifizierung von persönlichen Daten entsteht ein Subjektivierungsregime, welches Interessen ohne unmittelbaren Zwang kanalisiert sowie Subjekte in Chiffren zerlegt und damit dividualisiert, weil die Persönlichkeit des Einzelnen auf (Kenn-)Zahlen reduziert wird (vgl. Deleuze 1993: 254–258). Diesbezüglich wandelt sich unter einem unternehmerisch-managerialen Subjektivierungsregime die reine zu einer dienstfertigen Wissenschaft (vgl. BMBF 2018: 31; Bourdieu 1992: 205 ff.; WR 2015b: 50 f.).

Hypothese 4: Folglich kann die Annahme formuliert werden, dass Anreize des Managementdiskurses bei Wissenschaftler*innen zu einem Anpassungsverhalten führen sollen. Die managerialen Praktiken sollen bei akademischen Subjekten einen Dienst nach Vorschrift erzeugen, d. h. Wissenschaftler*innen orientieren sich an Indikatoren der Leistungsbewertung sowie an Themen und Profilen von Drittmittelgeber*innen. Dementsprechend besitzt evidenzbasiertes Regierungswissen eine Doppelfunktion für den NPM-Diskurs: Einerseits können das Hochschulmanagement und die Wissenschaftspolitik mithilfe von managerialen Praktiken die Interessen von akademischen Subjekten kanalisieren und deren Verhaltensweisen steuern. Andererseits sind herrschende Subjekte des Managementiskurses auf die Hilfe von Wissenschaftler*innen angewiesen, um die Reichweite von managerialen Praktiken in der akademischen Gemeinschaft zu steigern (vgl. BMBF 2018: 26). Zusätzlich dürfte eine akademische Expert*innenkultur für Akzeptanz von managerialen Praktiken in der akademischen Gemeinschaft sorgen (vgl. WR 2004: 30 ff., 2012: 39 f.). Schließlich erzeugt diese Expert*innenkultur Symbole des wissenschaftlichen Erfolgs, sodass Drittmittel in den vergangenen drei Dekaden einen herausragenden Stellenwert in der Leistungsbewertung von Hochschulen und ihren Angehörigen erhalten haben (vgl. FU Berlin 2019b; WR 2010b: 25 f.).

Hypothese 5: Es ist also naheliegend, dass akademische Subjekte die Leistungen anderer Wissenschaftler*innen ebenfalls über die unternehmerische Fähigkeit, Drittmittel einzuwerben, beurteilen. Sollte sich diese Annahme während der Deutungsmuster- und Subjektivierungsanalyse erhärten, spiegelt sich in der deutschen Hochschullandschaft eine Veridiktion des (Quasi-)Marktes wider (vgl. Foucault 2004b: 56). Die Wahrheit des akademischen Quasi-Marktes würde nicht nur für die Politik und das Management richtungsweisend sein, sondern auch Wissenschaftler*innen qua ihres Drittmittelerfolgs zeigen, ob sie das Richtige tun. In diesem Kontext entsteht eine Verbindung zum neoliberalen Diskurs, weil Wissenschaftler*innen durch den akademischen Quasi-Markt navigiert werden (vgl. Röpke 1997: 57). Infolgedessen bildet der Indikator Drittmittel ein Symbol für wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und transformiert wissenschaftliche Qualität in Kennzahlen (vgl. FU Berlin 2019b). Würden Wissenschaftler*innen die Fähigkeit, Drittmittel einzuwerben, dagegen nicht als Qualitätsmerkmal ihrer Arbeit betrachten, würde dies zu einem Bruch mit der neoliberalen Wissens- und Identitätspolitik des NPM-Diskurses führen (vgl. DFG 2018: 13).

5.2 Phänomenstruktur des New Public Management-Diskurses

Ursachen: Wie bereits im historischen Abriss deutlich wurde, konstituierte sich der Managementdiskurs am Anfang der 1990er-Jahre in der deutschen Hochschullandschaft über wissenschafts- und gesellschaftspolitische Problematisierungen, die bis dato immer wieder aktualisiert, erweitert und durch neue Problemfelder ergänzt werden (vgl. HRK 2004a: 6; WR 1993: 24; 2018b: 34). Dahingehend verknüpfen herrschende Subjekte des Managementdiskurses gesellschaftliche Notstände wie einen drohenden Fachkräftemangel mit Problemkonstellationen im universitären Feld, worin eine wesentliche Übersetzungsleistung von Vertreter*innen des NPM-Diskurses besteht. Der zweite Transfer entsteht, indem strukturelle Probleme von deutschen Hochschulen mit individuellen Problematisierungen ihrer Angehörigen verbunden werden. Die Übersetzungsleistung von Subjekten des Managementdiskurses erzeugt damit sowohl einen mehrdimensionalen referenziellen Bezugsrahmen als auch Problematisierungen von knappen öffentlichen Ressourcen bis hin zu einer mangelnden individuellen Leistungsfähigkeit (vgl. HRK 1995a; Deutschlandfunk 1999).

Verantwortung bzw. Zuständigkeit: Dieser Zusammenhang spiegelt sich ebenfalls in Zuständigkeitszuschreibungen wider, da die Wirtschaft, (Wissenschafts-)Politik sowie Wissenschaft und Hochschulen vom Managementdiskurs angerufen werden, die konstatierten Probleme zu lösen (vgl. BMBF 2018: 31; Friedmann; Koch & Mohr 2004; WR 2015b: 50 f.). Zu den wichtigsten Adressat*innen zählen Bund und Länder, Wissenschaftspolitik, die Hochschulleitung und das Management als auch Wissenschaftler*innen (vgl. HRK 2001a; WR 2018a: 37).

Handlungsbedarf und Problemlösung: Zur Lösung der Notstände halten herrschende Subjekte des Managementdiskurses klare Handlungsanweisungen bereit: Bund und Länder sollen ihre Investitionen im Hochschulbereich steigern und die Mittel wettbewerbsförmig nach Leistung verteilen (vgl. HRK 2001b; 2004a; 2013a: 8). Gleichwohl soll sich der staatliche Finanzier aus der Detailsteuerung von Hochschulen zurückziehen bzw. auf das Kontraktmanagement beschränken sowie der Hochschulleitung unternehmerisch-manageriale Freiheiten geben (vgl. HRK 2004a; WR 2006: 25). Die Wissenschaftspolitik ist einerseits für die Übersetzungsarbeit zwischen Hochschulen und Gesellschaftspolitik verantwortlich und andererseits für die Umsetzung einer wettbewerbsförmigen, leistungsorientierten Allokation von (knappen) öffentlichen Mitteln und anderer Praktiken des NPM-Diskurses (vgl. HRK 2002; WR 2012: 60). Dadurch ist die Wissenschaftspolitik – „als politische Stimme von […] deutschen Hochschulen“ (HRK 2011b: 4) – gewissermaßen einer der wichtigsten interdiskursiven Schnittpunkte des Managementdiskurses im universitären Feld der BRD. In Anbetracht des staatlichen Rückzugs aus der Detailsteuerung sprechen Subjekte des NPM-Diskurses der Hochschulleitung und dezentralen Verwaltungseinheiten die Freiheit zu, über finanzielle und menschliche Ressourcen zu verfügen (vgl. Enders, de Boer & Weyer 2013: 7; HRK 2017: 2). Gleichzeitig resultiert aus der managerialen Autonomie der Hochschulen die Aufforderung, mit strategischen Steuerungsinstrumenten die Qualität in Lehre und Forschung zu verbessern sowie als „eigenverantwortlicher Akteur“ (HRK 2017: 2) zu agieren. Dadurch werden Hochschulen und ihre Angehörigen im Verlauf des Transformationsgeschehens zunehmend angerufen, unternehmerisch zu handeln, da Eigenverantwortung an ein neoliberales Freiheitsverständnis gebunden ist (vgl. Eucken 1949: 27). Demzufolge sollen Hochschulen ihre Eigenfinanzierung stärken und über öffentliche Mittel im Rahmen von Globalhaushalten verfügen (vgl. HRK 2013b; WR 2018a: 91). Kurzum: Um verschiedene Notstände zu lösen, sollen Hochschulen strategisch und unternehmerisch handeln, ohne jedoch zum Unternehmen zu werden (vgl. WR 2010b: 30).

In diesem Zusammenhang entstehen für akademische Subjekte ähnliche Handlungsanweisungen wie für Hochschulen, denn Wissenschaftler*innen sollen „Forschung im Auftrag oder in Zusammenarbeit mit Unternehmen [betreiben]“ (FU Berlin 2019g), Erfindungen vermarkten, Professor*innen sollen Führungskompetenzen entwickeln und Studierende Unternehmen gründen (vgl. FU Berlin 2019f; 2019g). Mit diesen unternehmerisch-managerialen Skripten entsteht eine arbeitsteilig organisierte Transformation der deutschen Hochschullandschaft, die über den gesamten Untersuchungszeitraum von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses mit einer äußersten Dringlichkeit behandelt wird (vgl. FU Berlin 2018a: 90 f.; HRK 2000; WR 1996: 3). Insbesondere in den späten 1990er- und frühen Nullerjahren besteht durch die Reorganisation der deutschen Hochschullandschaft infolge von wissenschafts- und gesellschaftspolitischen Problemlagen ein dringender Handlungsbedarf. Denn die Zukunft und der Wohlstand von Deutschland stünden zur Disposition, wenn nicht rasch die Transformation von deutschen Hochschulen unter dem Primat von NPM vorangetrieben werde (vgl. HRK 2002; WR 2013: 6). Der Duktus dieser Zeit wird auch in Publikationen von Angehörigen der Hochschulleitung wie dem damaligen Gründungsrektor der Universität Erfurt, Peter Glotz (1996), deutlich, der mit seinem Buch die rhetorische Frage „Im Kern verrottet?“ aufwirft und konstatiert, es sei „fünf vor zwölf an Deutschlands Universitäten“. Insofern kann mit dem interdiskursiv erzeugten Handlungsbedarf auch erklärt werden, warum die Nullerjahre überwiegend von „action“ und weniger von „talk“ (Schimank 2002: 30) geprägt waren.

Selbst- und Fremdpositionierung: In diesem Kontext wird der Managementdiskurs von Akteur*innen des unternehmerisch-managerialen Regimes im universitären Feld und in der Gesellschaft als effizienter, transparenter Dienstleister mit adäquaten Lösungsansätzen für (selbst verursachte) Notstände präsentiert (vgl. WR 2011a: 7). Mit dem Selbstverständnis eines Krisenmanagers kanalisiert der NPM-Diskurs allgemeine, (wissenschafts-)politische und wissenschaftliche Interessen (vgl. Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006: 7 f.; HRK 1999b; WR 2006: 82). Zu diesem Zweck werden Hochschulen und ihre Angehörigen mit unternehmerisch-managerialen Subjektivierungsformen angerufen. Infolgedessen „müssen [Subjekte] lernen, mit knappen Ressourcen hauszuhalten und das Beste aus dem Vorhandenen zu machen“ (FU Berlin 2014b: 13). Vor diesem Hintergrund sollen sich Hochschulen und ihre Angehörigen mit einer interdiskursiv konstruierten Wirklichkeit arrangieren, indem sie sich die Wissens- und Identitätspolitik des Managementdiskurses aneignen. Demnach werden nicht nur beherrschte Subjekte aufgefordert, sich an eine Lebenstotalität unter NPM anzupassen, sondern auch herrschende Subjekte werden zu dieser Anpassungsleistung gezwungen, zumindest wenn sie durch den Managementdiskurs über Dinge im universitären Feld herrschen möchten (vgl. Link 2007: 221; WR 2006: 23).

Der NPM-Diskurs erzeugt jedoch auch zunehmend Widerstand in der deutschen Hochschullandschaft (vgl. HRK 2004b). Infolge der fundamentalen Reorganisation ab den 2000er-Jahren entsteht ein Kampf um Geltungsanspruch und Deutungshoheit zwischen herrschenden Subjekten des Managementdiskurses und des wissenschaftlichen Spezialdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft (vgl. WR 1996: 32 f.; 2018a: 55 f.). In diesem Zusammenhang werden traditionelle akademische Werte wie die Freiheit von Lehre und Forschung von Vertreter*innen des Managementdiskurses als „Humboldt-Mythos“ (WR 2015b: 43) deklariert und durch einen managerial-unternehmerischen Freiheitsbegriff ersetzt (vgl. WR 2006: 82). Neben dem wissenschaftlichen Spezialdiskurs erzeugt ab den 2010er-Jahren ein wissenschaftspolitischer Diskurs mit Problematisierungen von nicht-intendierten Effekten ein Spannungsfeld zur Wissenspolitik des NPM-Diskurses (vgl. DFG 2013: 43; HRK 2018c: 5 f.; WR 2018a: 15). Da es sich jedoch bei den ungewollten Folgen von managerialen Praktiken um ein gemeinsames Problemfeld von Wissenschaftspolitik und NPM handelt und herrschende Subjekte des Managementdiskurses auf die Kritik reagieren können, tragen diese Problematisierungen nicht zu einer Erosion, sondern zu einer Expansion des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft bei (vgl. Abschnitt 5.1.3 Expansionsphase).

Eine weitere Konfliktarena entsteht durch das Freiheitsverständnis eines neoliberalen Diskurses (vgl. WR 2018a: 91). Dieses Spannungsfeld objektiviert sich im Widerstand zwischen einem staatlich inszenierten (Exzellenz-)Wettbewerb und der managerialen Autonomie der Hochschulleitung, die durch Interventionen eines neoliberalen Wettbewerbsstaates gefährdet wird (vgl. WR 2010a: 122; 2010b: 28; 2018a: 91). Dahingehend erzeugt auch ein Exzellenzdiskurs mit einer nicht skalierbaren Qualität Brüche zum Managementdiskurs im universitären Feld der BRD, weil Qualität in jedem Fall über Indikatoren messbar und transparent sein soll (vgl. WR 2010b: 28; 2012: 7). Weiterhin unterminiert der Exzellenzwettbewerb die manageriale Autonomie der Hochschulleitung, da die Entwicklung unterschiedlicher Profile durch die Ausrichtung auf international sichtbare Spitzenforschung behindert wird (WR 2010b: 26 f.). Demnach kann

„die Antwort auf die beschriebenen Spannungen […] nicht nur darin bestehen, die Reformen der vergangenen Jahrzehnte noch konsequenter umzusetzen. Ebenso wenig empfiehlt sich eine Rückkehr zum Modell der Gruppenhochschule. Eine erneute grundlegende Governance-Reform hält der Wissenschaftsrat zu diesem Zeitpunkt nicht für erforderlich. Vielmehr sollten Hochschulen selbst Verantwortung für die Gestaltung ihrer Governance-Strukturen und -Prozesse übernehmen. Politische Akteure und Förderer sollten sie dabei unterstützen, indem sie ihnen – in einem stabilen rechtlichen Rahmen – hohe Autonomie gewähren und sie in die Lage versetzen, neu gewonnene Freiräume auch zu nutzen“ (WR 2018a: 8).

Diesbezüglich finden Abgrenzungen des deutschen NPM-Diskurses von Managementdiskursen in anderen Ländern statt (vgl. HRK 2004d: 9; WR 2004: 42; 2006: 23 f.; 2010b: 30; 2011a: 23; 2018a: 16). Grundlegende (inhaltliche) Brüche entstehen durch politische Anrufungen der internationalen NPM-Diskurse sowie durch die Rahmenbedingungen von Hochschulen in den jeweiligen Ländern. Die herrschenden Subjekte des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft grenzen sich insbesondere von Ideen eines deregulierten Wettbewerbs zwischen Hochschulen und hierarchischen Leitungsstrukturen wie in den USA ab (vgl. WR 2006: 23 f.). Stattdessen soll

„die Verlagerung von Kompetenzen vom Staat auf die Hochschulen bei gleichzeitiger Konzentration des Staates auf die Steuerung über strategische Ziele [stattfinden]. Wettbewerb bleibt ein wesentliches Instrument, um Qualität, Flexibilität und Effizienz zu steigern, wird aber als regulierter Wettbewerb unter staatlich definierten Rahmenbedingungen begriffen“ (ebd.).

Gewissermaßen kristallisiert sich in diesen Selbst- und Fremdpositionierungen von Subjekten des NPM-Diskurses eine spezifische politische Rationalität heraus, die sich jedoch von einer neoliberalen Ratio unterscheidet.

Politische Rationalität: Ein Unterschied entsteht durch die Bedeutung von Wettbewerb, da nach der Selbstpositionierung des Managementdiskurses eine soziale Wettbewerbsordnung kein vorrangiges Ziel ist, sondern ein strategisches Instrument darstellt, um Herrschaftsinteressen durchzusetzen. Denn

„der Wettbewerb zwischen Hochschulen gehört zu den Instrumenten des Neuen Steuerungsmodells, die am umfassendsten implementiert wurden und den stärksten Einfluss auf die Hochschulen hatten. […] Zahlreiche Ausschreibungen wie die Exzellenzinitiative, der Qualitätspakt Lehre, die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die Innovative Hochschule u. a. m. sollten den Hochschulen Gelegenheiten und Anlässe bieten, ihre Profilbildung voranzutreiben und nach außen sichtbare strategische Schwerpunkte und Leitbilder zu entwickeln. Dies hat die generelle Ausdifferenzierung des Hochschulsystems verstärkt, sowohl vertikal wie horizontal“ (WR 2018a: 39).

Dementsprechend gibt es Überschneidungen zwischen der politischen Rationalität des NPM-Diskurses und der gouvernementalen Vernunft eines europäischen Neoliberalismus, weil versucht wird, mit Anreizen des Wettbewerbs – ohne unmittelbaren Zwang – die Interessen von Wissenschaftler*innen zu kanalisieren und zu steuern (vgl. WR 2010b: 83). Im Verlauf der Transformation von traditionellen zu unternehmerischen Hochschulen werden die Interessen von akademischen Subjekten zur Hauptzielscheibe der Regierungsanstrengungen von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses. Mithilfe von managerialen Praktiken werden persönliche Interessen mit wissenschaftsadäquaten Anreizsystemen verknüpft, indem individuelle Belange von akademischen Subjekten gefördert werden (vgl. HRK 2004a; WR 2006: 82). Auf diese Weise soll ein Interessensausgleich zwischen Prinzipal*innen und Agent*innen stattfinden (vgl. Saam 2002: 31 f.; WR 2006: 82).

Da sich die Subjekte rund um den Managementdiskurs mit der Lösung von (wissenschafts-)politischen und gesellschaftlichen Notständen beschäftigen, liegt es nahe, dass Partikularinteressen über manageriale Anreizsysteme in die wissenschaftliche Arbeit manövriert werden (vgl. HRK 2002; WR 2013: 6). Zur wichtigsten Wissensform des NPM-Diskurses zählt „wissenschaftsspezifisches Managementwissen“ (WR 2014: 53). Hierbei handelt es sich um evidenzbasierte Erkenntnisse über den Output von Hochschulen und ihrer Angehörigen sowie die (nicht-)intendierten Effekte von managerialen Praktiken und Interessen von akademischen Subjekten (FU Berlin 2018a: 76 f.; WR 2018b: 23; 2019: 26). Das manageriale Regierungswissen erfüllt bei der akademischen Subjektivierung in einem Dispositiv neoliberaler Gouvernementalität mehrere Funktionen: Erstens bildet Regierungswissen die Basis, um die Interessen von akademischen Subjekten und deren Verhaltensweisen zu steuern. Zweitens kann mit Regierungswissen in Form von Wirkungsanalysen die Reichweite von managerialen Praktiken ausgelotet und die Akzeptanz für strategische Steuerungsinstrumente in der akademischen Gemeinschaft erhöht werden, weil Wissenschaftler*innen an der (Re-)Produktion dieser Wissensform beteiligt werden und über Anreizsysteme von ihrer Partizipation profitieren (vgl. BMBF 2018: 26). Weiterhin reduziert Regierungswissen die komplexe soziale Wirklichkeit im universitären Feld auf Indikatoren und Kennzahlen, wodurch akademische Subjekte dividualisiert werden (vgl. Deleuze 1993: 254–258). Schlussendlich erzeugt evidenzbasiertes Regierungswissen Symbole des Erfolgs, die von Wissenschaftler*innen, der Hochschulleitung, (Wissenschafts-)Politik und Gesellschaft zur Selbstvergewisserung genutzt werden (vgl. FU Berlin 2019b; HRK 1999b; WR 2010b: 25 f.). Vor diesem Hintergrund schreibt sich in die politische Rationalität des Managementdiskurses die gouvernementale Vernunft eines neoliberalen Diskurses ein, da hier ebenfalls eine Selektion durch marktkonforme Verhaltensweisen angestrebt wird (vgl. Hayek 1991: 105). Oder anders formuliert:

„Zur Steigerung des Wettbewerbs soll ein Tableau von ziel- und leistungsbezogenen Maßnahmen eingesetzt werden, das Unterschiede in der Leistungsfähigkeit transparent macht, Anreize für ein bestimmtes Verhalten setzt – und die Akteure schließlich auch belohnt oder sanktioniert. Die Befürworter sehen ein motivationsförderndes Moment darin, dass ‚gute‘ wissenschaftliche Leistungen auch materiell belohnt werden können, wobei vorausgesetzt wird, dass eine gezielte institutionelle Ressourcenverteilung anhand valider Kriterien möglich ist. Diese Position hat sich in der Wissenschaftspolitik weitestgehend durchsetzen können und prägt heute die Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems“ (WR 2011a: 7 f.).

Die Interdiskursivität des NPM-Diskurses sorgt jedoch auch für ein Spannungsverhältnis zur gouvernementalen Vernunft des Neoliberalismus. Eine zentrale Konfliktarena entsteht durch die Übersetzungsarbeit von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses zwischen Wissenschaft, (Wissenschafts-)Politik und Gesellschaft (vgl. HRK 2013a: 8 f.; WR 2012: 59; 2018a: 65 ff.). Denn durch die „vermittelnde Rolle“ (WR 2018a: 65) von Vertreter*innen des NPM-Diskurses kann sich auch die politische Rationalität einer pastoralen Regierungsweise in managerialen Praktiken einschreiben (vgl. Foucault 2004a: 189). Sichtbar wird die pastorale Regierungspraxis beim Kontraktmanagement zwischen der Politik und den Hochschulen, denn mit Hochschulverträgen sollen neben einer leistungsorientierten Verteilung von (knappen) öffentlichen Mitteln für Hochschulen und ihre Angehörigen „Verlässlichkeit und Kontinuität für die Gestaltung der Studienangebote gewährleist[et werden]“ (WR 2018b: 5). Insbesondere die Festlegung von Absolvent*innenzahlen zur Sicherung von Lehrkräften an Schulen erinnert an planwirtschaftliche Praktiken mit der wohltätigen Absicht, dass „Heil der Herde“ (Foucault 2004a: 189) zu sichern (vgl. Fach 2015: 112 f.; Land Berlin 2014: 7; Steinitz & Walter 2014: 45).

Es kann also festgehalten werden, dass die politische Rationalität des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft weder einer neoliberalen gouvernementalen Vernunft noch einer pastoralen Regierungsweise vollkommen entspricht. Vielmehr führt die Interdiskursivität des Managementdiskurses zu einer Intergouvernementalität. Hierbei handelt es sich um eine Fusion von verschiedenen Regierungsweisen, die sich im Managementdiskurs durch die vermittelnde Rolle einiger Subjekte ablagert. Insofern erzeugt die Interdiskursivität ein System von unterschiedlichen Regierungsweisen (vgl. Foucault 2004b: 115). Durch die Intergouvernementalität werden Anreize der Sicherheit und des Wettbewerbs miteinander verbunden, wodurch es herrschenden Subjekten des NPM-Diskurses gelingt, verschiedene Interessensgruppen zu orchestrieren. Zur Hauptzielscheibe des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft zählen die Interessen von Wissenschaftler*innen, Angehörigen der Hochschulleitung und Verwaltung sowie (Wissenschafts-)Politik und Gesellschaft. Die wichtigste Wissensform dieser intergouvernementalen Vernunft ist evidenzbasiertes Regierungswissen, das die Basis von wissenschaftsadäquaten Anreizsystemen und politischen Interventionen darstellt. Stabilisiert werden manageriale Herrschaftstechnologien durch ein strategisches Dipositiv, welches (Un-)Sicherheit, (Un-)Sichtbarkeit, Subjektivierungsformen sowie Symbole und Werte (re-)produziert.

Wertbezug: Mithilfe von strategischen Anreizsystemen greifen herrschende Subjekte des Managementdiskurses akademische Werte wie die Freiheit von Lehre und Forschung auf und deuten diese um, denn wissenschaftliche Autonomie wandelt sich unter NPM zu einer Ressource der Menschenführung. Aus diesem Grund wird die Zweckfreiheit, Interessenslosigkeit und Unbeeinflussbarkeit von Lehre und Forschung zu einer Zeit- und Ressourcenautonomie transformiert (vgl. Bourdieu 1992: 206; WR 2006: 82). Durch das unternehmerisch-manageriale Freiheitsverständnis beinhaltet wissenschaftliche Autonomie „die Projektleitung und die eigenständige Einwerbung von Drittmitteln“ (WR 2014: 63). Infolgedessen wird wissenschaftliche Autonomie zu einem zentralen Anreiz für akademische Subjekte, sich an die Wissens- und Identitätspolitik des NPM-Diskurses anzupassen. Gleichzeitig verschiebt sich mit dem unternehmerisch-managerialen Freiheitsverständnis die Autonomie von Wissenschaftler*innen zur Freiheit der Hochschulleitung und des Managements (vgl. HRK 2018c: 5; WR 2018a: 14). Hierzu wird ein wissenschaftlicher Wettbewerb um neue Erkenntnisse mit einen Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg verbunden (vgl. HRK 2014b: 2; WR 2018a: 50). Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass wissenschaftliche Konflikte und ihre Wissenseffekte transformiert werden, da sich Kritik zur Konkurrenz verschiebt (vgl. Reitz 2016). Mit anderen Worten:

„Wenn Kritik durch Konkurrenzmechanismen verdrängt oder eingehegt wird, weil das Wissenschaftssystem ohne sie reibungsloser und selbstbezüglicher arbeiten sowie effektiver regiert werden kann, ist das mehr als eine gleichsam automatische Selbstneutralisierung oder produktive Eingliederung der kritischen Impulse. Es bedeutet eine Umstellung in den praktischen Routinen der Wissenschaft“ (ebd.: 53).

Ebenso wird mit einem strategischen Qualitätsverständnis Bezug auf das Selbstverständnis von akademischen Subjekten genommen, denn grundsätzlich wird anerkannt, dass Peers die Qualität in Lehre und Forschung bewerten (vgl. WR 2011a: 16). Wohingegen unklare akademische Bewertungspraktiken durch transparente Indikatoren und Kennzahlen ersetzt werden sollen (vgl. WR 2015a: 37). Die messbare Qualität stellt eine Übersetzungsleistung von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses dar, weil unklare Technologien in Lehre und Forschung für Außenstehende über Kennzahlen zugänglich gemacht werden (vgl. DFG 2018: 13; Huber 2012: 243; WR 2010b: 28; 2014: 82). So gelten beispielsweise eingeworbene Drittmittel als „Ausweis der Forschungsqualität“ (DFG 2018: 13). In diesem Zusammenhang wird von Reformkritiker*innen wie Münch (2011: 94) „eine Ersetzung der akademischen durch manageriale Qualitätssicherung, eine Verdrängung des Homo academicus durch den Homo oeconomicus [prognostiziert].“ Ob die Transformation von traditionellen akademischen Wertbezügen der Freiheit, des Wettbewerbs und der Qualität tatsächlich zu nahtlosen Übergängen in akademische Subjektivierungsweisen führt, wird sich im Verlauf der Subjektivierungsanalyse zeigen.

Zunächst kann konstatiert werden, dass die Übersetzungs- und Transformationsarbeit des Managementdiskurses akademische Werte sowohl für die Politik und Öffentlichkeit zugänglich macht als auch traditionelle Wertvorstellungen innerhalb eines wissenschaftlichen Spezialdiskurses mit einer unternehmerisch-managerialen Wissens- und Identitätspolitik besetzt. Dazu nutzen Vertreter*innen des NPM-Diskurses Begriffe, die einen traditionellen Wertbezug suggerieren, und deuten diese mithilfe von akademischen Subjekten um. Mit dieser Vorgehensweise wird das deutsche Hochschulsystem – zumindest auf einer diskursiven Ebene – transformiert. Gleichwohl beziehen sich Subjekte des Managementdiskurses auf gesellschaftspolitische und ökonomische Werte. Dahingehend sind Flexibilität, Transparenz und Effizienz relevante Wertbezüge im Managementdiskurs der deutschen Hochschullandschaft (vgl. HRK 2009: 7 f.; SPD 2004: 8; WR 2011a: 11). Im Allgemeinen wird mit Effizienz das Pareto-Optimum reproduziert, laut dem „es bei gegebener Ressourcenausstattung und Technologie nicht möglich ist, von mindestens einem Gut mehr und von allen anderen Gütern mindestens genauso viel herzustellen“ (Roberts, Mosena & Winter 2010: 785). Im Besonderen wird unter Effizienz ein qualitätsgewichteter Output von Hochschulen und ihren Angehörigen verstanden, der „im Sinne der Effektivität […] hier in Relation zum Aufwand zu bewerten [ist]. Für die Erfassung des Aufwands können z. B. der Personaleinsatz oder die eingesetzten Mittel berücksichtigt werden“ (WR 2004: 46). Insofern transformiert die eigenwillige Übersetzung von Vertreter*innen des NPM-Diskurses ökonomische in eine manageriale Effizienz, weil gezielte (Qualitäts-)Gewichtungen des Outputs aus einer bloßen Kosten-Nutzen-Kalkulation ein strategisches Messinstrument machen. Diesbezüglich vergegenständlicht sich im Wertbezug des Managementdiskurses eine eigentümliche Übersetzungsleistung, die zwar einen Dialog zwischen einem wissenschaftlichen Spezialdiskurs und einem öffentlichen Diskurs herstellt, aber grundlegende Werte anderer Diskurse mit einer neuen Bedeutung versieht und damit Praktiken und Subjektivierungsformen dieser Diskurse verändert.

Weiterhin stellen herrschende Subjekte des Managementdiskurses mit dem Bezug auf Transparenz einen Austausch zwischen der deutschen Hochschullandschaft und der Öffentlichkeit her (vgl. WR 2011a: 11). Hierzu wird Transparenz als persönliche Verantwortung und Rechenschaftspflicht der Hochschulangehörigen gegenüber der Öffentlichkeit interpretiert, weshalb

„Intransparenz […] zu einem Vertrauensverlust und somit zu einem geringeren Engagement der einzelnen Personen führen [kann]. Nur wenn Hochschulen ihre Governance-Strukturen und Prozesse möglichst transparent gestalten, können die Mitglieder ihre Mitgestaltungsrechte bzw. ihre Abwehrrechte gegenüber Eingriffen in die individuelle Wissenschaftsfreiheit wahrnehmen. Dazu gehört auch die Herstellung inhaltlicher Transparenz, d. h. eine Kommunikation der Gründe, die für eine bestimmte Entscheidung gesprochen haben“ (WR 2018a: 46 f.).

Um Transparenz zu erzeugen, wird Rekurs auf manageriale Qualität genommen, welche sich in Kennzahlen und Berichten objektiviert (vgl. FU Berlin 2019h; WR 2015a: 7 f.; 2019: 26). Mithilfe des strategischen Transparenzverständnisses wird eine Verknüpfung zur Selbst- und Fremdpositionierung des Managementdiskurses gebildet, weil einerseits eine Abgrenzung zu vermeintlich intransparenten akademischen Bewertungspraktiken stattfindet und andererseits unklare Technologien in Lehre und Forschung in allgemein verständliche Praktiken und Symbole übersetzt werden (vgl. HRK 1999b; WR 2018a: 61 f.). Schlussendlich findet mit Flexibilität in Form einer unternehmerisch-managerialen Anpassungsfähigkeit von Hochschulangehörigen an ihre Umwelt ein Wertbezug auf das Freiheitsverständnis des NPM-Diskurses statt (vgl. HRK 2018c: 5; WR 2010b: 31; 2013: 12). Um den referenziellen Bezugsrahmen zu plausibilisieren, nutzen Subjekte des Managementdiskurses thematische Narrative.

5.3 Narrative und typisierte Deutungsmuster des Managementdiskurses

Diese sinnstiftenden Erzählungen über (drohende) Krisen, Tradition und Zukunft verleihen der Wissens- und Identitätspolitik des NPM-Diskurses Kohärenz (vgl. Keller 2011: 251; Viehöver 2011: 206). Vor diesem Hintergrund werden Elemente der Phänomenstruktur miteinander verbunden und (akademischen) Subjekten eine Sinnstruktur für ihre persönlichen Deutungen der sozialen Wirklichkeit bereitgestellt.

Krisennarrative: Ein zentrales Thema der Erzählungen im NPM-Diskurs sind (drohende) Krisen (vgl. Deutschlandfunk 1999; HRK 2011c: 4; WR 1993: 61). Zum einen werden Krisennarrative erzählt, um Notstände in der deutschen Hochschullandschaft und Gesellschaft zu plausibilisieren (vgl. HRK 1995b). Zum anderen dienen sinnstiftende Erzählungen über Krisen zur Anrufung und Mobilisierung von Subjekten, die mithilfe einer managerialen Wissens- und Identitätspolitik die diagnostizierten Probleme bearbeiten sollen (vgl. HRK 2002). Dementsprechend konstatiert die HRK (2011c: 4):

„Bildungsinvestitionen sind in einer alternden Gesellschaft nicht nur überlebenswichtig, sie rentieren sich auch. Die Summe aus zusätzlichen Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben sowie geringeren Ausgaben für Transferleistungen beläuft sich mit 210.000 US-Dollar pro Absolventen gegenwärtig fast auf das Fünffache der Kosten, die durch die Finanzierung des Studienplatzes und die Einnahmeausfälle aus kürzeren Erwerbszeiten entstehen. Aufgrund der absehbaren Fachkräftelücke und daraus resultierender Wachstumseinbußen droht aber bis zum Jahre 2020 ein Einnahmeausfall von 1.200 Milliarden Euro, der sich in Wohlstandseinbußen niederschlagen wird.“

Mit dieser Erzählung einer drohenden Krise werden Problematisierungen des „brain drain“ (HRK 2004a: 6; WR 2010a: 123) in einer Wissensgesellschaft plausibilisiert sowie eine Legitimität für die neoliberale Rationalität des Managementdiskurses erzeugt. Denn aus dem Krisennarrativ geht ein strategisches Effizienzverständnis hervor, welches suggeriert, dass sich Ausgaben für Humankapital in der Zukunft amortisieren. Gleichzeitig verleiht die Erzählung der politischen Rationalität des NPM-Diskurses mit einer Veridiktion des (Humankapital-)Marktes einen Geltungsanspruch in der sozialen Wirklichkeit. Schließlich ist die Narration mit einer äußersten Dringlichkeit verbunden, da mangelnde Investitionen und Ineffizienz nicht nur negative Auswirkungen auf Hochschulen haben, sondern „sich in Wohlstandseinbußen [in der Gesellschaft] niederschlagen“ (HRK 2011c: 4).

Neben strukturellen Problemen wie einer Ineffizienz und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschullandschaft werden individuelle Notstände mit Krisennarrativen des Managementdiskurses für Subjekte plausibilisiert (vgl. HRK 2014d: 2; WR 1993: 6). In diesem Kontext werden Erzählungen von „faulen Professoren“ (Deutschlandfunk 1999) herangezogen, um eine strategische Prekarisierung von wissenschaftlicher Arbeit zu rechtfertigen (vgl. HRK 2000; 2002). Auf diese Weise konstruieren Krisennarrative auch eigene traditionelle akademische Subjektbilder. Hierzu wird die „Leistungsverweigerung unter den Professoren“ (Deutschlandfunk 1999) auf andere Statusgruppen übertragen und durch die Erzählung einer mangelnden Reformbereitschaft von Hochschulangehörigen erweitert (vgl. HRK 1995b; 2002). Demnach seien ein „Meinungsspektrum, das gelegentlich Merkmale eines Glaubenskrieges aufwies“, und „eine demotivierende Verteilungsbürokratie“ (HRK 2002) für eine mangelnde Leistungs- und Anpassungsfähigkeit von Hochschulangehörigen verantwortlich. Das Bild, welches mit diesen Erzählungen skizziert wird, ist das eines beratungsresistenten traditionellen akademischen Subjekts, wodurch Krisennarrative des NPM-Diskurses ebenfalls zur Plausibilisierung von Fremdpositionierungen beitragen. Insofern

„liegt es in der Natur von Reformen und Reformdiskussionen, dass das Suchen nach besseren Wegen nicht nur dazu führt, dass sich Argumente hart im Raume treffen, es werden gleichzeitig auch Emotionen freigesetzt. Alles andere wäre verwunderlich, da jede Veränderung von normativ verankerten und über lange Zeit sozial eingeübten Positionen, mit denen auch Interessen verbunden sind, selbst dann Sorgen und Ängste auslöst, wenn die Vertreter unterschiedlicher Richtungen wechselseitig die allerbesten Absichten bekunden. Jeder neue Weg ist auch ein Wagnis; wer aber nicht zum Wagnis bereit ist, riskiert seine Zukunftsfähigkeit“ (ebd.).

Trotz der Abgrenzung von traditionellen akademischen Verhaltensweisen, die den Transformationsprozess behindern, beinhaltet diese Erzählung ein integratives Moment, da Wertvorstellungen der Betroffenen – wenn auch aus strategischen Gründen – berücksichtigt werden. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang in Form von Traditionsnarrativen.

Traditionsnarrative: In diese Erzählungen werden traditionelle akademische Werte und Normen eingehegt und nach dem Skript des Managementdiskurses transformiert. Mithilfe von Traditionsnarrativen wird die Geschichte der deutschen Hochschullandschaft (um-)geschrieben und traditionelle Wertbezüge als Vehikel einer managerialen Wissens- und Identitätspolitik genutzt. Exemplarisch beobachten lässt sich diese Vorgehensweise bei Erzählungen über Wettbewerb und akademische Prekarität, denn

„die Befristung wie auch der Wechsel von einer Einrichtung zur nächsten [sind] konstituierende Elemente der wissenschaftlichen Qualifizierung. Dies ermöglicht es Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die für ihre Laufbahn notwendige Qualifikation zu erwerben, und trägt wesentlich dazu bei, die Dynamik zu erhalten, ohne die Wissenschaft ihre Innovationskraft verlöre“ (FU Berlin 2018a: 90 f.).

In der Tat scheinen unsichere Beschäftigungsverhältnisse dem deutschen Hochschulsystem eigen zu sein. So wird bereits im 20. Jahrhundert auf einen Hasard in der akademischen Laufbahn hingewiesen (vgl. Weber 2002 [1894–1922]: 474–477). Die Traditionserzählung von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses bekräftigt auch eine hohe akademische Mobilität von Wissenschaftler*innen (vgl. Ullrich & Reitz 2018: 23). Gleichzeitig dient die Narration über akademisches Prekarität den herrschenden Subjekten des Managementdiskurses zur Plausibilisierung einer strategischen Flexibilisierung von wissenschaftlicher Arbeit unter dem Mantra der Effizienz und des Wettbewerbs (vgl. HRK 1998c; WR 2006: 81). Mit dieser Traditionserzählung wird auch ein inszenierter Wettbewerb um Ressourcen, Arbeitsplätze und Statusaufstieg legitimiert und für akademische Subjekte durch eine Verknüpfung von Tradition und Moderne sinnstiftend erklärt (vgl. HRK 2004d: 4; WR 2006: 34; 2011a: 11 f.). In diesem Kontext bemerkt die DFG (2013: 42), dass

„Wettbewerb [ein] Bestandteil des Wissenschaftssystems seit dem 17. Jahrhundert [ist]. Ging es damals darum, wer als erster eine Entdeckung gemacht und sie veröffentlicht hatte, erstreckt sich unter den heutigen Bedingungen der Forschungsfinanzierung der Wettbewerb auch auf die materielle Sicherung wissenschaftlicher Arbeit bis hin zum Fortbestand von Arbeitsgruppen und zu den Existenzgrundlagen der einzelnen Forscher. Neben den Wettbewerb der einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der sich auf fast allen Feldern im internationalen Rahmen abspielt, ist ein Wettbewerb der Institutionen und Nationen getreten. Anders als bei den Medaillenspiegeln der Sportwettbewerbe ist allerdings der Abstand zwischen der Goldmedaille und dem Feld sehr groß: Ein vom Erstentdecker veröffentlichtes Ergebnis zu bestätigen, bringt wenig Ehre. Es gibt keine Silbermedaillen, und die nationalen Rekorde werden international nicht beachtet.“

Diese Erzählung trägt dazu bei, den Wandel von Praktiken der Kritik zur Konkurrenz sinnstiftend zu erklären, da Wettbewerb per se zum deutschen Wissenschaftssystem gehört und als funktional für den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt dargestellt wird (vgl. Reitz 2016: 53). Zusätzlich wird durch diese Narration eine Geschichte der Transformation „zur ‚Erfolgsgeschichte‘ deutscher Hochschulen im 20. Jahrhundert [deklariert]“ (HRK 2004d: 4). Diesbezüglich werden Traditionsnarrative von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses zur Transformation des wissenschaftlichen Spezialdiskurses und seiner Subjektivierungsformen herangezogen, wodurch kreative Aneignungen traditioneller akademischer Wertbezüge und eine soziale Wirklichkeit sui generis entstehen.

Neben dem (Um-)Schreiben von Erzählungen ziehen Vertreter*innen des Managementdiskurses Traditionsnarrative zur Plausibilisierung ihrer Wissens- und Identitätspolitik heran. Dadurch werden die Erzählungen eines wissenschaftlichen Spezialdiskurses destabilisiert und mit einer anderen Deutung der Geschichte und Gegenwart angereichert. Demzufolge haben

„die Universitäten […] seit ihrer Reform im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert ein Selbstverständnis entwickelt, das von den Leitbildern der ‚Zweckfreiheit‘ sowie der ‚Bildung durch Wissenschaft‘ entscheidend mitgeprägt wird. Historisch hat die Praxis der deutschen Universität diesen Leitbildern allerdings niemals tatsächlich entsprochen. Die Vorbereitung auf akademische Berufe war – wie auch für die Technischen Hochschulen mit Erhebung in den Universitätsrang – stets eine ihrer Hauptaufgaben“ (WR 2015b: 9).

Diese Erzählung über die Tradition der deutschen Hochschullandschaft beinhaltet eine sinnstiftende Erklärung für akademische Subjekte, sich von traditionellen Leitbildern zu distanzieren und an strategische Profile von unternehmerischen Hochschulen anzupassen (vgl. WR 2018a: 35). So lassen sich mit Traditionsnarrativen auch Profilbildungsmaßnahmen einer strategischen Internationalisierung für akademische Subjekte sinnstiftend erklären, denn

„Wissenschaft ist und war immer schon international. Sie lebt vom freien Austausch der Erkenntnisse und Methoden, aber auch vom freien Zugang zu den unterschiedlichen Forschungsgegenständen und -infrastrukturen. Unter dem Begriff Internationalisierung wird ein darüber hinausgehender Transformationsprozess der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten verstanden: Neben wissenschaftsintrinsische Gründe und gesellschaftliche oder ökologische Herausforderungen, denen nur global begegnet werden kann, treten auch politische und ökonomische Interessen sowie der durch die Globalisierung rapide zunehmende internationale Wettbewerb; Internationalisierung der Wissenschaft ist deshalb nicht länger allein wissenschaftsgetrieben, sondern in wachsendem Maße auch politisch gewollt“ (WR 2010a: 5).

Einerseits erinnert diese Erzählung über Internationalisierung an den traditionellen akademischen Imperativ des Kommunismus, da wissenschaftliche Erkenntnisse ein Ergebnis von kooperativer Wahrheitssuche sind und deswegen persönliche Eigentumsrechte auf wissenschaftliches Wissen auf ein Minimum beschränkt werden (vgl. Merton 1972: 51 ff.). Im Gegenzug erhalten Wissenschaftler*innen für ihre Arbeit Anerkennung und Wertschätzung von der akademischen Gemeinschaft (ebd.). Andererseits wandelt sich Internationalisierung durch die Narration im NPM-Diskurs von einem wissenschaftlichen Wettbewerb um neue Erkenntnisse zu einem globalisierten Ressourcenwettbewerb. In Anbetracht dieser Umdeutung avanciert Internationalisierung zu einem strategischen Instrument, mit dem divergierende Interessen nivelliert und akademische Verhaltensweisen kanalisiert werden können.

Die Umdeutung von traditionellen akademischen Werten durch Traditionsnarrative des Managementdiskurses wird ebenfalls am Humboldt’schen Ideal deutlich:

„Da für die Universitäten die Einheit von Forschung und Lehre charakteristisch und die Qualität der Lehre von der Qualität der Forschung abhängig ist, […] muß eine Evaluation der Lehre auch die Forschung einbeziehen. Jede Evaluation hat auch begutachtete Forschungsprojekte und – insbesondere in den Ingenieur- und Naturwissenschaften – eingeworbene Drittmittel, Publikationen in Zeitschriften mit Gutachtersystem, Promotionen, Habilitationen, Prüfungsergebnisse und Berufserfolg von Absolventen zu berücksichtigen“ (HRK 1995b).

Nach dieser Erzählung wird die manageriale Bewertung von Lehre und Forschung qua Kennzahlen aus der Tradition heraus begründet. Gleichwohl nutzen Subjekte des Managementdiskurses traditionelle Erzählungen über Hochschulen, um gesellschaftspolitische und ökonomische Interessen in Lehre und Forschung zu manövrieren. In diesem Zusammenhang konstatiert die HRK (1998d), dass

„Hochschulen […] Orte [sind], in denen neues Wissen generiert, gesammelt und weitergegeben wird. Wenn sie ihre Aufgaben im Bewußtsein und in Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung erfüllen (können), werden sie auch in der Förderung unternehmerischer Ideen und Persönlichkeiten eine wichtige Rolle spielen. Gelingt dies, wird Selbständigkeit und Unternehmertum ein selbstverständliches Ergebnis akademischer Ausbildung in Kooperation mit der Wirtschaft sein. Dann wird auch in Deutschland eine neue Unternehmerkultur entstehen.“

In all diesen Traditionsnarrativen kristallisiert sich ein wiederkehrendes Muster heraus: Zunächst werden Erzählungen eines wissenschaftlichen Spezialdiskurses reproduziert. Danach werden traditionelle Begriffe, Werte und Symbole umgedeutet und im Bezugsrahmen des NPM-Diskurses aktualisiert. Und schlussendlich werden traditionelle akademische Praktiken durch eine manageriale Wissens- und Identitätspolitik transformiert. Wie sich diese Transformationsanstrengungen auf akademische Subjekte auswirken, wird sich in der Subjektivierungsanalyse zeigen. Zunächst lässt sich festhalten, dass Narrative von Vertreter*innen des Managementdiskurses genutzt werden, um eine manageriale Wissens- und Identitätspolitik zu plausibilisieren und einen gouvernementalen Zugriff auf Wissenschaftler*innen herzustellen. Sichtbar wird dieser Zusammenhang auch an Zukunftsnarrativen von Subjekten des Managementdiskurses.

Zukunftsnarrative: In diesen Erzählungen über die Zukunft der deutschen Hochschullandschaft und Gesellschaft spiegeln sich zentrale Anrufungen und strategische Ziele des NPM-Diskurses wider. Gleichwohl können Zukunftsnarrative als Versprechen gelesen werden, wenn sich Subjekte an das Skript des Managementdiskurses halten. In Rekurs auf Traditionsnarrative stellt die DFG (2018: 71) fest, dass

„Forschung […] vom internationalen Austausch und auch vom internationalen Wettbewerb [lebt]. Nationale Wissenschaftssysteme sind in diesem Wettbewerb vor allem dann gut aufgestellt, wenn sie sich gegenüber internationalen Partnerschaften offen zeigen und wenn es ihnen gelingt, in unterschiedlichsten Formaten herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dauerhaft oder auf Zeit für gemeinsame Forschungsprojekte zu gewinnen.“

Mit dieser Erzählung wird der Wandel des Wettbewerbs im universitären Feld der BRD sinnstiftend erklärt. Gleichzeitig schwingt in der Zukunftsnarration das Versprechen einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit bei einer vielseitigen projektförmigen Forschungsförderung mit. Durch dieses Versprechen können nicht nur strategische Flexibilisierungsmaßnahmen legitimiert werden, da eine gezielte Prekarisierung von wissenschaftlicher Arbeit scheinbar zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit führt, sondern diese Erzählung enthält auch die Aufforderung, die Drittmittelfinanzierung der Forschung zu erweitern, da ansonsten der Wohlstand und die Innovationsfähigkeit der BRD gefährdet werden (HRK 2011c: 4). Insofern haben

„Bildung und Wissenschaft […] eine große Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft. Wachstum und Wohlstand hängen von der Innovationsfähigkeit, der Erschließung neuer Forschungsgebiete und der Ausbildung einer ausreichend großen Zahl hoch qualifizierter Fachkräfte ab. Um den großen gesellschaftlichen Herausforderungen und der internationalen Wettbewerbssituation gewachsen zu sein, müssen Breitenausbildung mit Spitzenforschung und Qualifikation hervorragender wissenschaftlicher Nachwuchskräfte in geeigneter Weise miteinander vereinbart werden“ (HRK 2013a: 2).

Als „geeignete Weise“ (ebd.) gilt die politische Rationalität des NPM-Diskurses, die zwar einer neoliberalen Ratio ähnelt, aber keine Kopie darstellt. Allerdings werden überwiegend neoliberale Fragmente herangezogen, um Herrschaftsverhältnisse zwischen Hochschulleitung/Management und anderen Hochschulangehörigen zu legitimieren (vgl. van Dyk & Reitz 2017: 67 ff.). Demnach ist

„das Hochschulsystem […] durch einen tiefgreifenden Wandel gekennzeichnet. Die Entwicklung der Wissensgesellschaft, die immer schnellere Fortentwicklung der Disziplinen, die zunehmende Dominanz des Wettbewerbs als ordnendes Prinzip und schrumpfende Haushalte bei gleichzeitig durch Gesetz wachsenden Gestaltungsspielräumen erfordern als Antwort die Professionalisierung der Leitung der Expertenorganisation Hochschule“ (HRK 2004d: 2).

Durch die Aneignung der Idee einer neoliberalen Sozialordnung wird eine wachsende Autonomie der Hochschulleitung und des Managements sinnstiftend erklärt, denn, so lautet die Plausibilisierung der HRK (1998b), „der Erfolg im Wettbewerb hängt zunehmend von der Aktions- und Reaktionsgeschwindigkeit der Hochschulen ab.“ Im Zusammenhang einer unternehmerisch-managerialen Hochschulautonomie werden Zukunftsnarrative mit Herrschaftstechnologien des Managementdiskurses verknüpft. Aus diesem Grund ist

„auch aus einer Systemperspektive […] Differenzierung, die sich aus der Profilbildung der einzelnen Universitäten ergibt, wünschenswert, ist sie doch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Wettbewerb zum Erfolg führt. Profilbildung erzeugt den Variantenreichtum, der nötig ist, damit Wettbewerb die Flexibilität des Systems erhöht und auf längere Sicht Qualität und Effizienz der Leistungen des gesamten Systems steigert“ (WR 2006: 18).

Auch andere Zukunftsnarrative über den „nachhaltige[n] Auf- und Ausbau wissenschaftlicher Informationsinfrastrukturen“ (HRK 2015c: 20 f.), die zur Kanalisierung von (akademischen) Interessen genutzt werden, suggerieren, dass

„die Hochschulen in Deutschland […] in Zukunft angesichts der Entwicklung der Wissenschaft, der Entwicklung der Studienanfängerzahlen und der Entwicklung der öffentlichen Haushalte sowie des internationalen Wettbewerbs ihre Aufgaben mehr als in der Vergangenheit wettbewerbs- und anreizorientiert erfüllen“ (HRK 1998c).

Es lässt sich festhalten, dass herrschende Subjekte des NPM-Diskurses Zukunftsnarrative zur Plausibilisierung von neoliberalen Fragmenten in der politischen Rationalität nutzen, denn in den Erzählungen ist Wettbewerb als ordnendes sowie effizienz- und leistungssteigerndes Prinzip omnipräsent (vgl. HRK 2004d: 2; WR 2006: 18). Außerdem dienen die Erzählungen zur Stabilisierung des Managementdiskurses, da die Zukunftsnarrationen eine Alternativlosigkeit zur managerialen Wissens- und Identitätspolitik proklamieren (vgl. WR 2018a: 8). Diesbezüglich weist der NPM-Diskurs Parallelen zu einem europäischen neoliberalen Diskurs auf, wo herrschende Subjekte ebenfalls ihre Interessen über das Mantra der Alternativlosigkeit durchgesetzt haben (vgl. Berlinski 2011; Röpke 1997: 61). Darüber hinaus liegt es nahe, dass die Versprechen in Zukunftserzählungen die Akzeptanz für weitere Transformationsmaßnahmen unter dem Primat von NPM steigern, weil die Zukunftsfähigkeit und der Wohlstand der BRD über die Reorganisation der deutschen Hochschullandschaft verhandelt werden (vgl. HRK 2013a: 2). Mithilfe der Erzählungen über Krisen, Tradition und Zukunft sowie der Phänomenstruktur können drei typisierte Deutungsmuster von Subjekten des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft gebildet werden. Das erste Deutungsmuster „nationaler Notstand“ beantwortet die zentralen Fragen, warum deutsche Hochschulen dringend reorganisiert werden müssen und welche Akteur*innen am Transformationsprozess beteiligt werden.

Deutungsmuster „nationaler Notstand“: Vor dem Hintergrund vielseitiger Problematisierungen im universitären Feld und der Entwicklung einer wissensbasierten Ökonomie werden Problemfelder in der deutschen Hochschullandschaft zum nationalen Notstand erklärt (vgl. HRK 2005c: 4 f.; 2011c: 4; WR 2010a: 123). In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass eine mangelnde Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie fehlende unternehmerisch-manageriale Autonomie und Ineffizienz von deutschen Hochschulen und ihren Angehörigen schwerwiegende Folgen für die (Wissens-)Gesellschaft haben (vgl. HRK 2002; 2013a: 2; WR 2013: 5 f.). Einerseits werden mit diesem Deutungsmuster der referenzielle Bezugsrahmen und die Narrationen des NPM-Diskurses strukturiert. Andererseits erfährt das Deutungsmuster des nationalen Notstands insbesondere durch Krisennarrative eine Plausibilisierung, wodurch vermeintliche Missstände in der deutschen Hochschullandschaft zu einem allgemeinen Problem deklariert werden (vgl. Deutschlandfunk 1999; HRK 2011c: 4; WR 1993: 61). Infolgedessen werden vom Managementdiskurs neben direkt Betroffenen wie Hochschulleitungen und akademischen Subjekten auch gesellschaftspolitische Akteur*innen angerufen, sich „mit veralteten Leitungsstrukturen und nicht länger sachgerechten Leitideen [auseinanderzusetzen]“ (WR 1993: 21). Entsprechend dem diagnostizierten nationalen Notstand und seiner Bearbeitung durch Betroffene kann die Problemlösung als „sachgerecht“ (ebd.: 21) und „wissenschaftsadäquat“ (HRK 2004a; WR 2006: 82) gedeutet werden.

Deutungsmuster „sachgerechte und wissenschaftsadäquate Problemlösung“: Mit dem Deutungsmuster „sachgerechte und wissenschaftsadäquate Problemlösung“ beantworten herrschende Subjekte des Managementdiskurses die Fragestellung, wie Probleme gelöst werden sollen. Auch wenn es sich bei der spezifischen Art und Weise der Problembearbeitung im Kern um die Lösung von Problemen des deutschen Hochschulsystems handelt, fordert die sachgerechte Problemlösung des NPM-Diskurses zu einer universellen Transformation auf, weil zwischen Hochschulen und ihrer Umwelt eine wechselseitige Abhängigkeit besteht (vgl. HRK 2013a: 2; WR 2015b: 25 f.). Der Geltungsanspruch des Managementdiskurses erstreckt sich damit vom Hochschulsystem bis hin zu anderen Gesellschaftsbereichen. Alles andere würde den im universitären Feld begründeten Problemen nicht gerecht werden und die Übersetzungs- und Transformationsleistungen von Subjekten des Managementdiskurses würden ihre Effektivität verlieren. Deutlich wird die universelle Problembearbeitung am Geltungsanspruch von Rankings, weil sowohl Hochschulangehörige auf kennzahlenbasierte Ranglisten zurückgreifen, um Leistungen zu bewerten, als auch eine interessierte Öffentlichkeit (vgl. HRK 1999b; WR 2006: 89). Oder anders formuliert: Eine sachgerechte Problemlösung steht „im Zusammenhang mit einem gestiegenen Steuerungs- und Rechenschaftsanspruch von Wissenschaftspolitik und Öffentlichkeit und der Forcierung des Wettbewerbs im Wissenschaftssystem“ (WR 2011a: 9).

Insofern kann eine Problemlösung nur sachgerecht sein, wenn sie in der Lage ist, den spezifischen Charakteristika von deutschen Hochschulen und ihren Angehörigen Rechnung zu tragen. Demzufolge grenzen sich Vertreter*innen des NPM-Diskurses über den Selbstanspruch einer wissenschaftsadäquaten Problemlösung von anderen Managementdiskursen ab, weil sich

„die gesellschaftlichen Funktionen, Zielsetzungen und somit auch die Handlungs- und Strategiefähigkeit von Hochschulen […] grundsätzlich von derjenigen von Unternehmen [unterscheiden]. Entsprechend missverständlich sind auch die zum Teil bemühten Analogien von Hochschulsektor und Wirtschaftssystem“ (WR 2010b: 30).

Was die materielle Basis betrifft, scheinen sich Hochschulen von Unternehmen zu unterscheiden. Dagegen gleichen sich ihre ideelle Infrastruktur bzw. Regierungsweise zunehmend an, denn „die Hochschulen in Deutschland werden in Zukunft […] ihre Aufgaben mehr als in der Vergangenheit wettbewerbs- und anreizorientiert erfüllen“ (HRK 1998c).

Durch eine wettbewerbsförmige und anreizorientierte Menschenführung entsteht eine Analogie zwischen dem NPM-Diskurs in der deutschen Hochschullandschaft und einem Managementdiskurs in Schnellimbissketten in 1990er-Jahren (vgl. Boltanski & Chiapello 2003). Denn im universitären Feld wurden, wie bei Fast-Food-Restaurants, Flexibilisierungsmaßnahmen ergriffen, um die Effizienz und Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zu steigern (vgl. Boltanski & Chiapello 2003: 166; WR 2006: 18; Lenk 2022: 147 ff.). In diesem Kontext kann ein wissenschaftsadäquater Wettbewerb als eine wettbewerbsförmige und anreizorientierte Steuerung von Hochschulen und ihren Angehörigen gedeutet werden, die sowohl traditionellen akademischen Werten als auch einer gesellschaftspolitischen Erwartungshaltung gerecht werden soll und dadurch eine sachgerechte Problemlösung darstellt (vgl. HRK 2012b: 2; WR 2013: 46). Mit dem Deutungsmuster der „sachgerechten und wissenschaftsadäquaten Problemlösung“ wird das Selbstverständnis von herrschenden Subjekten des NPM-Diskurses in der deutschen Hochschullandschaft plausibilisiert, da verschiedene Akteur*innen allgemeine sowie (wissenschafts-)politische und wissenschaftliche Problematisierungen bewältigen sollen (vgl. Deutscher Bundestag & Wissenschaftliche Dienste 2006: 7 f.; HRK 1999b; WR 2006: 82). In diesem Zusammenhang lässt sich

„die Frage nach der prinzipiellen Identität und dem proprium eines Hochschultyps […] immer weniger abstrakt oder im Rückgriff nur auf traditionelle Leitideen beantworten. An die Stelle einer trennscharfen Definition soll hier die Beobachtung des konkreten institutionellen Handelns treten. Die maßgebliche Frage lautet also nicht ‚Was ist eine Universität /Fachhochschule?‘, sondern: Was leistet eine Institution vor dem Hintergrund spezifischer Aufgabenzuweisungen und Ressourcenverteilungen, und auf welche Weise und mit welchen Geltungsansprüchen tut sie dies“ (WR 2010b: 35)?

Im Kontext dieser Fragestellung kristallisiert sich ein weiteres zentrales Deutungsmuster von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses in der deutschen Hochschullandschaft heraus.

Deutungsmuster „eigenständige Akteure“: Mit dem Deutungsmuster „eigenständige Akteure“ wird einerseits die Frage nach der Rolle von Hochschulen und ihren Angehörigen im Transformationsprozess beantwortet und andererseits Rekurs auf den Wertbezug des NPM-Diskurses genommen (vgl. HRK 1998d; WR 2014: 63; 2018a: 29). Im Zusammenhang eines managerialen Freiheitsverständnisses werden alle Hochschulangehörigen aufgefordert, eigenständig – d. h. unternehmerisch und strategisch – zu handeln (vgl. HRK 2016c: 6; Land Berlin 2018: 34). Denn nur diese unternehmerisch-manageriale Eigenständigkeit kann einer einseitigen hierarchischen Steuerung entgegenwirken, wodurch gleichzeitig eine Abgrenzung des NPM-Diskurses im universitären Feld von Managementdiskursen in anderen Feldern stattfindet (WR 2018a: 16). Demnach eignen sich

„Stab-Linien-Organisationen, wie sie für Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungseinrichtungen typisch sind, […] allenfalls für die zentralen Hochschulverwaltungen. Die zentralen, identitätsbestimmenden Prozesse an Hochschulen, Lehre und Forschung, sind in solche Organisationsformen in der Regel nicht integriert. Die Organisation der Hochschulen muß die zentrale Bedeutung der Wissenschaftler für die erfolgreiche Gestaltung der zentralen Prozesse Lehre und Forschung, die ohne weitgehende Freiheit in der Tätigkeit nicht denkbar ist, berücksichtigen. Aus diesen Grundüberlegungen folgt die Forderung nach unterschiedlicher Professionalisierung der Entscheidungsträger auf den verschiedenen Funktionsebenen“ (HRK 2004d: 9)

Mit der Eigenständigkeit von Hochschulen sind ein staatlicher Rückzug aus der Detailsteuerung und eine unternehmerisch-manageriale Autonomie der Hochschulleitung verbunden (vgl. HRK 2004a). Die Eigenständigkeit von Hochschulen impliziert ebenfalls eine Rechenschaftspflicht und Risikobereitschaft, die dazu auffordert,

„Chancen frühzeitig zu erkennen und konsequent wahrzunehmen. Dies setzt die Fähigkeit, künftige Entwicklungen vorauszudenken, Veränderungsbereitschaft der Akteure und Partizipation der Betroffenen ebenso voraus wie die Bereitschaft, Neues zu wagen. Risikovermeidung beschränkt die Innovationsfähigkeit“ (WR 2013: 29).

Aus diesem Grund werden akademische Führungskräfte vom NPM-Diskurs angerufen, „Verantwortung für ihr eigenes Tun [zu übernehmen]. Sie sind bereit, konstruktive Kritik anzunehmen und positiv umzusetzen. Ebenso tragen sie auch Verantwortung für die Handlungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und treten für sie ein“ (FU Berlin 2019d). Auch Studierende werden im Sinne einer unternehmerisch-managerialen Autonomie als eigenständige Akteur*innen betrachtet, denn

„gerade an Massenuniversitäten wie Berlin oder Köln zählt Eigeninitiative. An kleinen Privathochschulen wie der Bucerius Law School oder der WHU kennen die Professoren ihre Studiosi meist mit Namen. Doch wen es in die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung der Universität Köln verschlägt, der muss sich schon etwas einfallen lassen, um den Professoren im Gedächtnis zu bleiben“ (Friedmann; Koch & Mohr 2004).

Dahingehend erzeugt der Managementdiskurs mittels Indikatoren und Kennzahlen wie Ausgründungen und eingeworbenen Stipendien Sichtbarkeit von einzelnen Studierenden im universitären Feld und in der Öffentlichkeit (vgl. Berliner Morgenpost 2017). Außerdem trägt das Deutungsmuster der eigenständigen Akteure zur Plausibilisierung der sozialen Wirklichkeit des NPM-Diskurses bei. An dieser Stelle entsteht erneut eine Analogie zum Managementdiskurs in der Wirtschaft, denn auch hier gilt die Eigeninitiative des Einzelnen als Ressource einer Leistungs- und Effizienzsteigerung (vgl. Boltanski & Chiapello 2003: 134 f.).

Vor dem Hintergrund der typisierten Deutungsmuster, Phänomenstruktur und Narrative des Managementdiskurses kann die erste Fragestellung der Arbeit diskutiert werden. Es wird also im Folgenden geklärt, ob der NPM-Diskurs an deutschen Hochschulen eine neoliberale Wissenspolitik, Regierungsweise und Technologien der Menschenführung (re-)produziert. Zunächst kann festgehalten, dass der Managementdiskurs in der deutschen Hochschullandschaft zahlreiche Analogien zu einem europäischen neoliberalen Diskurs aufweist. Hier wird vor allem eine Philosophie des Wettbewerbs geteilt, weil sowohl herrschende Subjekte des NPM-Diskurses als auch einer neoliberalen Wissensordnung den Sinn von Wettbewerb in einer Effizienz- und Leistungssteigerung sowie einer „Bestenauslese“ (WR 2005: 73) durch den (Quasi-)Markt sehen (vgl. Eucken 1949: 24 f.; Röpke 1997: 57; WR 2018a: 29). Weiterhin entsteht eine Verbindung zwischen NPM und Neoliberalismus durch die diskursive Konstruktion eines schlechten und guten Staates. Ein guter Staat wirkt auf die sozialen Rahmenbedingungen der Gesellschaft so ein, dass sich ein Wettbewerb um (knappe) Ressourcen ausbreiten kann. Wenn nötig, wird ein Wettbewerb durch staatliches Handeln inszeniert, wie es in der deutschen Hochschullandschaft der Fall ist (vgl. Röpke 1997: 51; WR 2010b: 25 f.). Das Bild von einem guten Staat entspricht einem Wettbewerbsstaat, der für einen flächendeckenden Wettbewerb um (knappe) Ressourcen soziale Rahmenbedingungen transformiert (Foucault 2004b: 333). Demnach zählen alle Interventionen gegen einen Wettbewerb zur Handlungsweise eines schlechten Staates. In diesem Zusammenhang wenden sich Vertreter*innen des NPM-Diskurses gegen den „bürokratischen Interventionismus der Ministerien“ (HRK 2000) und neoliberale Klassiker gegen „eine Wirtschaftspolitik des Interventionismus“ (Eucken 1949: 6). Das geteilte Feindbild ist also ein (Wohlfahrts-)Staat, der Ressourcen nicht über einen Wettbewerb meritokratisch, sondern „mit der Gießkanne“ (DFG 2009) verteilt und sich durch „Überregulierung, normative Steuerung, Bürokratisierung, Zentralisierung und fehlende Führungs-/Steuerungskompetenz auf der dezentralen Ebene“ (HRK 2005a: 2) auszeichnet.

Neben einer neoliberalen Wissenspolitik reproduziert der NPM-Diskurs eine neoliberale Regierungsweise in der deutschen Hochschullandschaft. Sichtbar wird diese Regierungsweise an der politischen Rationalität und den Herrschaftstechnologien des Managementdiskurses. Denn um Herrschaftsinteressen durchzusetzen, verzichten herrschende Subjekte des NPM-Diskurses weitestgehend auf unmittelbaren Zwang und versuchen hingegen, (akademische) Verhaltensweisen über Anreizsysteme zu steuern (vgl. WR 2006: 82). Hierbei wurde in den letzten zwei Dekaden vorrangig auf Anreize durch Drittmittel- und Exzellenzwettbewerbe sowie auf eine strategische Prekarisierung von wissenschaftlicher Arbeit zurückgegriffen (vgl. HRK 1999b; 2000; 2004d: 7; WR 1996: 10; 2010b: 25 f.). Neben kollektiven Anreizen des Wettbewerbs bedienen sich herrschende Subjekte des Managementdiskurses Anreizsystemen, die am Interesse des Einzelnen anknüpfen, welche als „Gestaltung der individuellen Leistungsanreize“ (WR 2006: 81) verhandelt werden. Mit dieser spezifischen Art und Weise der Menschenführung entstehen Parallelen zu neoliberalen Herrschafts- und Selbsttechnologien, da hier ebenfalls Verhaltensweisen durch die Anreize des Marktes und individuelle „Leistungsantriebe“ (Röpke 1997: 40) gesteuert werden sollen (ebd.: 57). Somit werden Vertreter*innen des NPM-Diskurses und einer neoliberalen Wissensordnung durch den Glauben an die selektiven Kräfte des (Quasi-)Marktes vereint, der zu einer meritokratischen Sozialordnung führt (vgl. Hayek 1991: 105; Rüstow 1949: 153; WR 2005: 73).

Es erscheint jedoch verkürzt, aufgrund der zahlreichen Analogien zwischen dem Managementdiskurs im universitären Feld und einem neoliberalen Diskurs von „der neoliberalen Universität“ (Briken 2014: 80) oder von einem „Siegeszug des neoliberalen Denkens“ (Münch 2011: 52) an deutschen Hochschulen zu sprechen. Zwar kann insbesondere bei (wissenschafts-)politischen Entscheidungsträger*innen eine neoliberale Denkweise und Rhetorik festgestellt werden, aber die daraus resultierenden Praktiken verweisen auf einen Effekt eines Regimes, welches sich aus verschiedenen Wissenspolitiken, Regierungsweisen und Herrschaftstechnologien zusammensetzt (vgl. Foucault 2004b: 115). Diese vom Managementdiskurs erzeugte Eigentümlichkeit kann als interdiskursive Wissensordnung beschrieben werden, die Wahrheit, (Un-)Sichtbarkeit, verschiedene Subjektivierungsformen und schlussendlich eine Intergouvernementalität erzeugt. Unter Intergouvernementalität wird die Verbindung von verschiedenen Regierungsweisen verstanden, aus denen interdiskursive Praktiken der Menschenführung resultieren. Sichtbar wird die Intergouvernementalität des NPM-Diskurses an Hochschulverträgen und dem doppelten Sinn von Kennzahlen (vgl. Land Berlin 2010; Steinitz & Walter 2014: 45). Einerseits sollen manageriale Kennzahlen Hochschulen und ihren Angehörigen ihre Position auf dem akademischen Quasi-Markt vermitteln und eine Navigationsfunktion erfüllen (vgl. Röpke 1997: 57; WR 2004: 45 f.). Andererseits werden Kennzahlen mittels Verträgen – ähnlich wie in einer Planwirtschaft zwischen Betrieben und Staat – festgelegt, um sozialstaatliche Interessen an Hochschulen durchzusetzen (vgl. Land Berlin 2010; Steinitz & Walter 2014: 45). Damit bewegen sich die Praktiken des Hochschulmanagements zwischen einer pastoralen und neoliberalen Regierungsweise.

Vor diesem Hintergrund kann zwar von einer neoliberalen Transformation der deutschen Hochschullandschaft über Praktiken des NPM-Diskurses gesprochen werden, weil eine neoliberale Wissenspolitik, Regierungsweise und Technologien der Menschenführung an deutschen Hochschulen (re-)produziert werden. Gleichwohl tragen herrschende Subjekte des Managementdiskurses als Problemlöser*innen und Brückenbauer*innen zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einer Grammatik der Sorge Rechnung – so sollen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur einen ökonomischen Mehrwert besitzen, sondern auch dazu beitragen, soziale Probleme zu lösen (vgl. Fach 2015: 114 f.; HRK 2013a: 2). In diesem Kontext erzeugt der Managementdiskurs an deutschen Hochschulen eine interdiskursive Wissenspolitik mit einer intergouvernementalen Menschenführung. Diese analytische Perspektive ermöglicht es, Transformationen in ihrer Prozesshaftigkeit und Vielseitigkeit abseits eines Schwarz-Weiß-Schemas zu beleuchten. Aus diesem Grund werden im nächsten Abschnitt Subjektivierungsformen des NPM-Diskurses auch nicht als Kopie des „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling 2007) betrachtet. Vielmehr bedarf es einer empirischen Untersuchung, die Anrufungen des akademischen Selbst aus seiner näheren Umwelt rekonstruiert. In Hinblick auf die Fallstudie an der FU Berlin werden die Subjektivierungsformen vorrangig aus den textförmigen Daten der Hochschulleitung/des Managements und ferner aus dem restlichen Material der Diskursanalyse generiert.

5.4 Akademische Subjektivierung im Wandel von New Public Management – Anrufungen des akademischen Selbst an unternehmerischen Universitäten

Im Folgenden werden aus den unternehmerisch-managerialen Interpellationen von akademischen Subjekten drei Subjektivierungsformen entwickelt und im Zusammenhang bestehender Ergebnisse in diesem Forschungsfeld diskutiert. Zunächst muss indes geklärt werden, welche Akteur*innen im vorliegenden Kapitel als akademische Subjekte bezeichnet werden, da ein erweitertes Subjektverständnis von Akademiker*innen in der deutschen Hochschullandschaft neben Wissenschaftler*innen auch Studierende und andere Hochschulangehörige mit einem Hochschulabschluss adressieren würde. Auch wenn die Rekonstruktion der Subjektivierung von Studierenden und Mitgliedern der Hochschulleitung durch den NPM-Diskurs ein reizvolles und nicht ausreichend erschlossenes Forschungsfeld begründet, kann die vorliegende Arbeit dieses Unterfangen nicht leisten. Darum findet eine Eingrenzung auf die Statusgruppen der wissenschaftlich Beschäftigten in Lehre und/oder Forschung sowie (Junior-)Professor*innen statt. Diese Statusgruppen werden im Untersuchungszeitraum von 1993 bis 2019 vom Managementdiskurs als unternehmerisches Selbst bzw. akademische Entrepreneur*innen angerufen (vgl. Bröckling 2007; Peter 2017).

Akademische Entrepreneur*innen: Grundsätzlich fordert diese Subjektivierungsform den Einzelnen zu flexiblem, eigenverantwortlichem, risikobewusstem und unternehmerischem Handeln auf (vgl. Bröckling 2007: 122–126). Insbesondere die Handlungsanweisungen des unternehmerischen Selbst spiegeln sich in Anrufungen des Managementdiskurses im universitären Feld der BRD wider. Sowohl wissenschaftlich Beschäftigte als auch (Junior-)Professor*innen sollen unternehmerisch denken und handeln, indem sie ihr Wissen vermarkten, Unternehmen gründen, Forschungsprojekte in der Wirtschaft ansiedeln, Drittmittel einwerben und diese unternehmerischen Fähigkeiten über die Hochschullehre an Studierende weitergeben (vgl. FU Berlin 2019a, 2019f). In anderen Worten: „Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler müssen neben dem Erarbeiten des eigenen Forschungsprofils eine Reihe von Kompetenzen erwerben, um auf dem Berufungs- und Stellenmarkt erfolgreich zu sein“ (FU Berlin 2018a: 88). Diesbezüglich findet ein Rekurs auf das Leitbild der unternehmerischen Hochschule statt, weil die Corporate Identity unternehmerische Solidarität in der akademischen Gemeinschaft erzeugen soll. Insofern bildet

„der Verbundcharakter zahlreicher Drittmittelvorhaben […] einen Effekt, der nicht unterschätzt werden darf: Er fördert das Gemeinschaftsgefühl der Universität, den kollegialen Spirit und den inneren Zusammenhalt. Wer miteinander einen Antrag verfasst, ihn vor internationalen Evaluationskommissionen überzeugend verteidigt und dann in aktive Forschung umsetzt, erfährt dabei, was es bedeutet, an einer Universität und nicht nur an einem Fachinstitut zu arbeiten“ (ebd.: 6).

Darüber hinaus entstehen für Wissenschaftler*innen durch die akademische Unternehmenskultur Anrufungen, mit denen auch Selbstunternehmer*innen in einer projektbasierten Polis konfrontiert werden (vgl. Boltanski & Chiapello 2003). Denn akademische Subjekte werden wie Projektmitarbeiter*innen in Unternehmen aufgefordert, sowohl (Forschungs-)Projekte zu akquirieren als auch flexibel auf Anforderungen des (Quasi-)Marktes und (akademische) Prekarität zu reagieren, die mit einer neoliberalen Reorganisation ihrer Arbeitswelt einhergeht (vgl. Lenger 2015: 1007 ff.; Peter 2017: 117; Torka 2009: 15). Demnach stellt der „Gegenbegriff zur Flexibilität, das Verhaftet-Sein, […] in dieser Welt das größte Manko der nur unzureichend Gerüsteten dar“ (Boltanski & Chiapello 2003: 166). Durch eine besonders ausgeprägte hohe Befristungsquote von wissenschaftlich Beschäftigten an deutschen Hochschulen im Vergleich zu anderen Arbeitsbereichen von Kernerwerbstätigen sowie einer immanenten Unsicherheit im Wissenschaftsbetrieb kann davon ausgegangen werden, dass akademische Entrepreneur*innen „stärker noch als Unternehmer nicht nur eigenaktiv und verantwortlich handeln sollen, sondern auch außergewöhnlich gut mit Unsicherheit und Risiken umgehen müssen, um ständig neue Innovationen hervorzubringen und ihre Unternehmung zum Erfolg zu führen“ (Peter 2017: 111; vgl. BuWiN 2017: 128 ff.). Wie genau akademische Subjekte mit dieser planvoll strukturell erzeugten Unsicherheit umgehen, wird in der Deutungsmuster- und Subjektivierungsanalyse aufgezeigt.

Zunächst kann festgehalten werden, dass sich wissenschaftlich Beschäftigte und (Junior-)Professor*innen Fertigkeiten des unternehmerischen Selbst aneignen sollen, um in einer projektbasierten, wettbewerbsförmigen Arbeitswelt bestehen zu können. Zudem sollen akademische Selbstunternehmer*innen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, indem sie „einen wichtigen Beitrag zur Profilierung der Region als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort durch Ausbildung hochqualifizierter Arbeitskräfte, Intensivierung des Wissenstransfers, Entwicklung von Zukunftstechnologien und durch weitere Stärkung von Entrepreneurship und Ausgründungen [leisten]“ (Land Berlin 2018: 4). In einer neoliberalen Leseart sind akademische Entrepreneur*innen als Sozialfunktionär*innen Triebfedern einer wissensbasierten Ökonomie (vgl. Eucken 1997: 8; Röpke 1997: 58). Die Maxime der akademischen Unternehmer*innenkultur lautet: „Von der Idee zum Markt“ (FU Berlin 2018b). In diesem Zusammenhang erzeugt der Einfluss des akademischen Quasi-Marktes Selbsttechnologien, mit denen akademische Subjekte so auf ihre Persönlichkeit einwirken können, dass kein Widerstand zu einer neoliberalen Wettbewerbsordnung im universitären Feld entsteht. Oder zugespitzt formuliert:

„Die Rückkehr der Gladiatoren hat stattgefunden – zu verschiedenen Zeiten, an wechselnden Orten und aus unterschiedlichen Gründen. Stets waren es Krisen und Kriege, derentwegen ,harte‘ Hände wieder durchgegriffen haben oder jedenfalls ,harte‘ Worte gefallen sind. An solchen Herausforderungen bricht das sozialstaatliche Kernprinzip des omnes et singulatim unweigerlich auseinander, weil die Regierungskunst des Härtefalls darin besteht, ,allen‘ dadurch zu helfen, dass sie ,Einzelne‘ opfert“ (Fach 2015: 114).

Die von Fach (ebd.) diagnostizierten Auslesepraktiken scheinen die logische Konsequenz zu sein, wenn programmatische Texte einer neoliberalen Unternehmer*innenkultur zur sozialen Wirklichkeit erklärt werden. So Schwarzweiß und „hart“, wie durch einen „Einzug der Gladiatoren“ (ebd.: 115) suggeriert wird, ist die soziale Wirklichkeit an deutschen Hochschulen – auch aus programmatischer Perspektive – allerdings nicht. Vielmehr entsteht in der deutschen Hochschullandschaft durch die Intergouvernementalität des NPM-Diskurses eine soziale Wirklichkeit aus verschiedenen Grautönen. Sichtbar wird die interdiskursiv konstruierte Wirklichkeit an der Subjektivierungsform akademischer Wissenschaftsmanager*innen.

Akademische Wissenschaftsmanager*innen: Bei dieser Subjektivierungsform geht es weniger um die Selbstführung durch unternehmerisches Denken und Handeln, sondern vielmehr um manageriale Fähigkeiten zur Führung anderer akademischer Subjekte. Vorrangig werden Hochschullehrer*innen bzw. „Leistungsträger“ (HRK 1998c; WR 2006: 82) vom Subjektivierungsprogramm des akademischen Leaderships adressiert (vgl. FU Berlin 2019f). Ferner zählen zu den „Leistungsträgern“ promovierte Wissenschaftler*innen in einem fortgeschrittenen Qualifikationsstadium zur Professur (vgl. FU Berlin 2018a: 88). Diese akademischen Subjekte sollen sich innerhalb eines universitätsinternen Subjektivierungsregimes Kompetenzen „guter Personalführung“ aneignen, wozu „Themen wie Zielsetzung und Delegation, Kommunikation, Konfliktlösung, Gender- und Diversity-Kompetenz, Zeitmanagement oder [das] Führen von Jahresgesprächen“ (ebd.) gehören. Des Weiteren wird eine „gute Personalführung“ an der FU Berlin (2019d) mit grundlegenden Prinzipien der Menschenführung verknüpft. Dahingehend werden akademische Subjekte aufgefordert, Verantwortung für ihr eigenes Handeln und das Handeln ihrer Mitarbeiter*innen zu übernehmen (ebd.). Insofern wird von einer neoliberalen „Startgerechtigkeit“ (Rüstow 1949: 153) ausgegangen und Misserfolg immer auf den Einzelnen zurückgeführt, was soziale Ungleichheit negiert. In diesem Kontext trägt Chancengleichheit und Diversity Management unter NPM zu einer Verschleierung von Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts und anderer Kategorien von sozialer Ungleichheit bei (vgl. Ahmed 2018: 280).Footnote 15

Ferner sollen akademische Wissenschaftsmanager*innen „ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Handlungsspielräume [eröffnen], in welchen sie eigenverantwortlich agieren können, so dass sie ihre Stärken bestmöglich für die Erreichung gemeinsamer Ziele einbringen können“ (FU Berlin 2019d). Das Ziel einer managerialen Menschenführung ist die Herrschaft über Subjekte ohne unmittelbaren Zwang über Anreize der Eigenverantwortung und einer scheinbaren Win-win-Situation. Demnach werden akademische Wissenschaftsmanager*innen aufgefordert, institutionelle und persönliche Interessen über Anreizsysteme auf akademische Subjekte zu disponieren. Auch diese akademische Subjektivierungsform weist Parallelen zu Normativen von Führungspersönlichkeiten in der projektbasierten Polis auf, denn akademische Wissenschaftsmanager*innen sollen ihre Mitarbeiter*innen wie die Leader in Unternehmen als Coaches betreuen, alle Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter*innen voll ausschöpfen und mit der Förderung von Eigeninitiative die Aussicht auf einen individuellen Freiheitsgewinn schaffen (vgl. Boltanski & Chiapello 2003: 134 f.; FU Berlin 2019d). Mithilfe dieser Fähigkeiten koordinieren akademische Wissenschaftsmanager*innen akademische Entrepreneur*innen, da sie sowohl Anreizstrukturen zur Förderung einer unternehmerischen Persönlichkeit erzeugen als auch Unternehmertum in der deutschen Hochschullandschaft organisieren. Dazu konstatiert der WR (2014: 53), dass

„durch die Zunahme von Drittmittelförderung und koordinierten interdisziplinären Projekten sowie durch die Zunahme des internationalen Wettbewerbs in Forschung und Lehre und der Relevanz von internationalen Kooperationen für den Erfolg in der Wissenschaft […] [den] Tätigkeiten im Bereich Wissenschaftsmanagement eine wachsende Bedeutung zu[kommt].“

Überdies können Wissenschaftsmanager*innen als Ankerpunkte von Hochschulprofilen und dem akademischen Quasi-Markt betrachtet werden, da sie unternehmerisches Handeln von akademischen Subjekten profil- und marktkonform koordinieren sollen (vgl. HRK 2019a: 7; WR 2014: 30 f.). Infolgedessen führt die Subjektivierungsform der Wissenschaftsmanager*innen zu einer Transformation akademischer Selbstbilder, denn zu den Kernaufgaben von Professor*innen an traditionellen deutschen Hochschulen zählen Lehre und Forschung (vgl. Münch 2011: 107). Mit den Anrufungen des NPM-Diskurses wandelt sich das Selbstverständnis von wertrationalen Wissenschaftler*innen, die traditionelle Imperative internalisiert haben, zu strategisch handelnden akademischen Subjekten, die allein punktuell in Lehre und Forschung agieren, da sie mit der Mobilisierung von anderen Subjekten und der Umsetzung von Strategieprogrammen beschäftigt sind (vgl. FU Berlin 2018a: 88; Merton 1972: 48–55). Im Verlauf der Transformation von akademischen Subjektivierungsformen verändert sich ebenfalls das wissenschaftliche Arbeitsethos, weil nun „Personen mit Wissenschaftserfahrung und Kenntnissen in der Projektverwaltung, Antragstellung, Organisation, ggf. im Bereich Personalführung, außerdem mit betriebswirtschaftlichem Verständnis [gefragt sind]“ (WR 2014: 31; vgl. Weber 2002 [1894–1922]: 498–506). Dementsprechend ist es naheliegend, dass akademische Subjekte mit einem traditionellen Selbstverständnis die Interpellationen von managerialen Subjektivierungsformen als Identitätsbedrohung erleben (vgl. Schimank 2015). Schließlich erodieren traditionelle akademische Subjektivierungsformen durch die Anrufungen von dienstfertigen Wissenschaftler*innen.

Dienstfertige Wissenschaftler*innen: In Rekurs auf Bourdieu (1998: 19) können dienstfertige Wissenschaftler*innen als akademische Subjekte bezeichnet werden, „die allen polit-ökonomischen Wünschen Folge leiste[n]“. Die Ursache für die wissenschaftspolitische Beeinflussung akademischer Subjektivierung liegt in der Anhängigkeit von Drittmitteln, wodurch akademische Subjekte aufgefordert werden, sich konform zu den Profilen und Themenschwerpunkten von Mittelgeber*innen zu verhalten (vgl. Dohmen & Wrobel 2018: 87). Denn dienstfertige Wissenschaftler*innen

„sollen anwendbare Lösungen […] [finden], um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und auszubauen. Die Ergebnisse sollen außerdem dazu beitragen, Produkte und Dienstleistungen menschengerecht, umweltfreundlich und wettbewerbsfähig zu entwickeln und unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte herzustellen“ (BMBF 2018: 35).

Auch andere Drittmittelgeber*innen, wie das ERC, erzeugen über Anreizstrukturen des Drittmittelwettbewerbs Anrufungen des profilkonformen Forschens. Mit deisem Forschungsstil soll ein großer Mehrwert für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft produziert werden, da ansonsten das Risiko zu scheitern nicht mehr legitimierbar ist, denn die Maxime lautet: „High risk-high gain“ (ERC 2019: 35). Auf diese Weise werden wissenschaftspolitische Forderungen auf akademische Subjekte übertragen, wie ebenfalls an einer vielseitig geforderten Internationalisierung deutlich wird (vgl. HRK 1998b; 2013a: 6; WR 2010a: 5). Darum werden akademische Subjekte qua Drittmittelanreize mobilisiert, in internationalen Netzwerken zu forschen (vgl. DFG 2018: 30). An sich kann eine Internationalisierung den Erkenntnisprozess wissenschaftlichen Wissens vorantreiben, soweit dieser Prozess wissenschaftsgetrieben ist und nicht als strategisches Instrument der gegenseitigen Bereicherung genutzt wird. Denn dann geht es nicht mehr vorrangig um die Generierung von neuen Erkenntnissen, sondern um die Vermarktung von Wissen und die Erzeugung von Wettbewerbsvorteilen durch strategische Netzwerke (vgl. Berlin University Alliance 2019; HRK 2013a: 6; WR 2010a: 5). In Hinblick auf diese kollektiven Beutegemeinschaften sollen dienstfertige Wissenschaftler*innen an der FU Berlin (2014b: 111; 2017: 1) die internationale Sichtbarkeit der Wirtschaftsregion Berlin verbessern und ausländische Studierende und Promovierende betreuen.

Mit all diesen Anrufungen der Dienstfertigkeit entsteht ein fundamentaler Bruch zu Imperativen in der Wissenschaft und dadurch auch zu traditionellen akademischen Subjektivierungsformen (vgl. Bourdieu 1992: 206; Merton 1972: 48–55). Das Pendant zu dienstfertigen Wissenschaftler*innen ist die traditionelle Subjektivierungsform der reinen Wissenschaftler*innen, die „von jeder gesellschaftlichen Beimengung befreiten“ (vgl. Bourdieu 1998: 19). Folglich handelt es sich um weitestgehend autonome Wissenschaftler*innen, die weder durch politökonomische Sanktionen und Anforderungen noch durch Subjektivierungsformen wissenschaftsfremder Diskurse beeinflusst werden (vgl. Bourdieu 1992: 206). Allerdings ist die Autonomie von reinen Wissenschaftler*innen eine Freiheit, die in Relation zur Wissens- und Identitätspolitik eines wissenschaftlichen Spezialdiskurses betrachtet werden muss und damit ein traditionelles Subjektivierungsregime erzeugt, das – wenn auch mit anderen Herrschaftstechnologien – unterjocht und unterwirft (vgl. Bourdieu 1998: 18 f.; Foucault 2005a: 245). Denn anstatt über den zwanglosen Zwang von managerialen Anreizstrukturen erwünschte Verhaltensweisen und Identitäten zu fördern, findet traditionelle akademische Subjektivierung über die Anerkennung und Sanktionierung der Peers statt (vgl. Münch 2011: 37 ff.). Plausibilisiert wird das traditionelle akademische Subjektivierungsregime durch Narrative wie „ein Professor, den die Studierenden nicht achten und von dem sie nichts lernen wollen, führt eine genauso erbärmliche Existenz wie ein Professor, dessen Forschungsleistungen auf kein Interesse anderer Forscher stoßen“ (ebd.: 38). Demgemäß kann in der deutschen Hochschullandschaft ein Kampf zwischen herrschenden Subjekten des wissenschaftlichen Spezialdiskurses und des NPM-Diskurses beobachtet werden, die mit Handlungsrezepten und Identitätsangeboten um eine Deutungshoheit ringen.

Vor dem Hintergrund dieser sich konterkarierenden Subjektivierungsregime kann die zweite und ein Teil der dritten Forschungsfrage diskutiert werden. Zunächst wird festgehalten, dass akademische Subjekte vorrangig über eine neoliberale Regierungspraxis in Form von Anreizen des Wettbewerbs und einer unternehmerisch-managerialen Eigenverantwortung angerufen werden (vgl. FU Berlin 2019d; WR 1996: 10; 2006: 49). Die Anreizstrukturen des Managementdiskurses eröffnen nur wissenschaftliche Freiheitsgrade, wenn Wissenschaftler*innen so lehren und forschen, dass manageriale Kennzahlen und wissenschaftspolitische Forderungen erfüllt werden – kurzum: Wissenschaftler*innen müssen sich dienstfertig verhalten, um von Anreizsystemen des NPM-Diskurses zu profitieren (vgl. BMBF 2018: 35; WR 2006: 82). Aus diesem Grund werden akademische Subjekte von herrschenden Subjekten des Managementdiskurses als dienstfertige Wissenschaftler*innen, akademische Entrepreneur*innen und Wissenschaftsmanager*innen adressiert. In diesen unternehmerisch-managerialen Subjektvierungsformen manifestiert sich ein arbeitsteiliger Transformationsprozess von traditionellen Subjektivierungsformen wie den der reinen Wissenschaftler*innen. Infolgedessen werden akademische Tätigkeitsbereiche verschoben sowie grundlegende wissenschaftliche Werte und Normen transformiert (vgl. FU Berlin 2019a: 16; Weber 2002 [1894–1922]: 498–506; WR 2014: 53). Am Anfang der Wertschöpfungskette „von der Idee zum Markt“ (FU Berlin 2018b) befinden sich akademische Entrepreneur*innen, die ihr Wissen und sich selbst zu Markte tragen, indem sie Projekte akquirieren und damit unternehmerische Fähigkeiten sowie ein unternehmerisches Persönlichkeitsprofil entwickeln (vgl. FU Berlin 2019g; Land Berlin 2018: 26; RWTH Aachen 2016: 4). Als nächstes sind dienstfertige Wissenschaftler*innen gefragt, die eingeworbene Projekte planmäßig und fristgerecht umsetzen sowie Wissen in eine Ware verwandeln. Letztlich werden Wissenschaftsmanager*innen durch die Organisation des Wertschöpfungsprozesses aufgefordert, akademische Subjekte zu mobilisieren, ihre unternehmerischen Fähigkeiten zu entfalten, Verhaltensweisen über Anreizsysteme zu kanalisieren, (Absatz-)Strategien zu entwickeln und strategische Netzwerke zu bilden (vgl. FU Berlin 2019d; 2019f; HRK 2013a: 6). Ob es sich bei diesem Transformationsprozess um einen Wandel von akademischen Subjektivierungsweisen handelt, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Vorerst wird jedoch deutlich, dass zwischen Subjektivierungsformen des wissenschaftlichen Spezialdiskurses und des NPM-Diskurses ein Spannungsfeld entsteht, da die Handlungsanweisungen und Identitätsangebote der beiden Wissensordnungen Widerstand zueinander erzeugen. Um die dritte Fragestellung der vorliegenden Arbeit zu beantworten, muss untersucht werden, wie sich Wissenschaftler*innen mit den Interpellationen des Managementdiskurses arrangieren. Zu diesem Zweck werden im Folgenden subjektive Soll-Zustände mit den Deutungsmustern und Subjektivierungsweisen von Wissenschaftler*innen kontrastiert, wodurch die Macht des NPM-Diskurses vom persönlichen Widerstand handelnder Menschen aus erforscht wird.