Erinnert sei daran, dass das übergreifende Ziel der vorliegenden Arbeit darin bestand, differenzierte Aussagen zur schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination bei der Qualitätsanalyse zu generieren und zu verstehen, wie diese „durch spezifische Relationierungen von Akteuren und Strukturen aufgebaut, aufrechterhalten und transformiert wird“ (Altrichter et al., 2011b, S. 37; vgl. Kap. 4). Diese Zielsetzung leitet das folgende Kapitel, in dem die Ergebnisse dieser Studie unter Rückgriff auf theoretische Grundlagen in eine Interpretationslinie gebracht und vor dem Hintergrund bisheriger Forschung diskutiert werden.

Auf Basis des analysierten Materials wird in Abschnitt 8.1 Grundsätzliches zur Konstitution der Akteurskonstellation aus Schulleitung, Schulaufsicht, Schulinspektion und staatlicher Schulentwicklungsberatung herausgestellt. Konkret werden die Positionierungen in der Konstellation erklärt und zwei wesentliche Leitfiguren aufgeschlüsselt, beides auf Basis der von den Akteuren artikulierten subjektiven Vorstellungen und im Abgleich mit den Regelungsstrukturen. Hierauf aufbauend wird dann in Abschnitt 8.2 die zentrale Deutungsarbeit geleistet. So werden einzelne Handlungspraktiken jeweils zu Beginn verdichtet beschrieben und diskutiert, wie sie sich in die in Abschnitt 2.2 benannten basalen Formen der Handlungskoordination Beobachtung, Beeinflussung und Verhandlung einfügen und anhand herausgearbeiteter Handlungslogiken oder Rollenkonflikte plausibilisieren lassen (zusammen Forschungsfragen 1 und 2). Weil die vorgelegte Kategorisierung in Governance-Diskussionen zur Schulinspektion bisher lediglich gestreift, aber nicht systematisch mit empirisch gefundenen Handlungspraktiken verbunden wurde, verspricht dieser Schritt einen neuen Beitrag für das Forschungsfeld zu leisten (vgl. Abschn. 2.2). Jeweils am Ende der Abschnitte folgt eine kritische Betrachtung der vorgenommenen Interpretationen. Aufbauend auf den dargelegten Vorschlägen der Akteure und den zentralen Diskussionslinien aus den Abschnitten 8.1 und 8.2 werden abschließend in Abschnitt 8.3 weiterführende Überlegungen zur Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse angestellt (Forschungsfrage 3).

8.1 Zur Konstitution der Akteurskonstellation in der Logik Neuer Steuerung

In den Ergebnissen dieser Arbeit zeigt sich, dass die Akteure der intermediären Ebene am meisten Kontakt zur Schule haben und für die QA-Teams und die Schulaufsicht die Schulleitung „der oder die wichtigste Ansprechpartner:in [ist]“ (QP1|16). Gleichwohl wird in den vorliegenden Daten deutlich, dass sich die Schulaufsicht auch an weitere schulische Verantwortliche, etwa Steuergruppen, wendet (vgl. Abschn. 7.2.1). Während sich mit dem vorrangigen Kontakt der Schulaufsicht bzw. der Schulinspektion zur Schulleitung die bei Preuß et al. (2015) und Brüsemeister et al. (2016) publizierten Erkenntnisse bestätigen lassen, spezifiziert der verstärkte Einbezug von Steuergruppen seitens der Schulaufsicht die Befundlage.

Darüber hinaus ist basierend auf den Interviews herausgestellt worden, dass zwischen der Schulaufsicht und dem QA-Team Interaktionsbezüge existieren, die von Terminkoordination über gegenseitige Kontaktaufnahme bei kritischen Bewertungen oder Schwierigkeiten im Verlauf der Qualitätsanalyse bis hin zu Kooperation im veränderten Rückmeldeformat reichen (vgl. Abschn. 7.2.3.1). Auch wenn die Bezüge zwischen genannten Akteuren – wie in Abschnitt 8.2.2 diskutiert wird – individuell zu variieren scheinen, kann der Befund von Brüsemeister et al. (2016), dass von den Inspekteuren „in den meisten Fällen kaum intensiver Kontakt zur Schulaufsicht [besteht]“ (S. 67), nicht gestützt werden. Vielmehr ist Nordrhein-Westfalen – so ließe sich aus den Erkenntnissen dieser Arbeit ableiten – ein Bundesland, in dem eine intensivere schulinspektionsbezogene Handlungsabstimmung zwischen QA-Team und Schulaufsicht praktiziert wird. In Anbetracht der bundeslandvergleichenden Bestandaufnahme in Abschnitt 2.3.2 kann vermutet werden, dass dies auf die landesspezifische Ausgestaltung zurückzuführen ist (vgl. insb. Tab. 2.2). Es dürfte aber auch mit der Entwicklung der Inspektionsverfahren insgesamt zu tun haben, nach der die Zusammenarbeit zwischen Inspektorat und Schulaufsicht in den letzten Jahren verstärkt proklamiert wurde.

In Abschnitt 3.2.3 wurde dargelegt, dass die Schulleitungen häufig als Gatekeeper für Schulentwicklungsberatung fungieren. In dieser Studie zeigt sich, dass die staatlichen Schulentwicklungsberater:innen auch im Kontext der Qualitätsanalyse in erster Linie Kontakt zur Schulleitung haben, die Unterstützungsbedarfe anmeldet. Zugleich bestehen durch ihre Beratungsleistungen, die in Abschnitt 8.2.1 detaillierter betrachtet werden, auch Kontakte zur Steuergruppe oder dem gesamten Kollegium (vgl. Abschn. 7.2.2.3). Von einzelnen Ausnahmen abgesehen interagieren die Schulentwicklungsberater:innen selten mit der Schulaufsicht und noch seltener mit dem QA-Team (vgl. Abschn. 7.2.3).

Die gefundene Varianz in den Interaktionsbezügen spiegelt sich auch in den Antworten auf die Frage nach den für die Interviewten wesentlichen Koordinationspartner:innen wider, die in Abschnitt 7.2.1 dargestellt wurden. Während keiner bzw. keine der Befragten die staatliche Schulentwicklungsberatung nennt, wird die Schulleitung von den Interviewten in der Schlüsselposition gesehen, gleichermaßen gefolgt von dem QA-Team und der Schulaufsicht. Insofern scheint sich die Konstellation aus „Qualitätsanalyse, Schulformaufsicht und Schule“ (QP4|66) zu konstituieren, die ein „Dreieck“ (QP3|53) bilden.

Resümierend kann also auf Basis des empirischen Materials dieser Arbeit vom „Zusammenwirken des ‚Dreiklangs‘ zwischen der Qualitätsanalyse, der schulfachlichen Aufsicht und der Fortbildung [resp. der Schulentwicklungsberatung, Anm. d. A.]“ (Jäger & Bergweiler-Priester, 2015, S. 385) kaum die Rede sein. Stattdessen konstituiert sich die Akteurskonstellation bei der Qualitätsanalyse üblicherweise als Triade aus Schulleitung (in zentraler Position), Schulformaufsicht und QA-Team. Dies wird nun grafisch dargestellt und in den folgenden Abschnitten sukzessive um weitere Modellierung der Modi der Handlungskoordination ergänzt.

Abb. 8.1
figure 1

(eigene Darstellung)

Konstitution der Akteurskonstellation

Um die Konstitution der Akteurskonstellation und das in Abschnitt 8.2 geschilderte Zusammenwirken der involvierten Akteure bei der Qualitätsanalyse weiter verstehen zu können, werden nun – wie in Governancestudien üblich – die Regelungsstrukturen mit den eruierten subjektiven Vorstellungen der Akteure miteinander in Beziehung gesetzt. Zu den subjektiven Vorstellungen gehören insbesondere die Rollenverständnisse, die – wie in Abschnitt 6.4 erläutert – auf Basis des manifesten Aussagegehalts analysiert wurden. Hieran lassen sich sodann zwei Leitfiguren herausstellen, die eher allgemeiner Natur sind und als Schieberegler gedacht, den Handelnden als Maßstab gelten (können). Daraus werden situationsadäquat Handlungsantriebe mit Konsequenzen für die Handlungskoordination geformt. Diese beiden Figuren werden im Folgenden näher beschrieben, da sie die Akteurskonstellation bei der Schulinspektion übergreifend prägen.

In Abschnitt 7.1 dokumentiert sich an verschiedensten Stellen die Figur der für ihre Schulentwicklung eigenverantwortlichen Schule, die sich zum einen in den Rollenverständnissen der befragten Schulleiter:innen niederschlägt, als auch in ihrem Verantwortungsbewusstsein, dass sie „Schule auch ohne QA [entwickeln]“ (SL1|6). Gleichzeitig zeigt sich, dass vor allem die Schulaufsichtsbeamt:innen die Schule „in ihrer Eigenverantwortung“ (SFA4|52) adressieren und es zum Rollenverständnis der Schulentwicklungsberater:innen gehört „die Verantwortlichkeiten in der Schule zu belassen“ (SEB3|20). Im Vergleich zu den vorgenannten intermediären Akteuren betonen die Qualitätsprüfer:innen etwas stärker die Unterstützungsnotwendigkeit der Schulen. Als relativ stabile Überzeugung aller hier befragten intermediären Akteure kann darüber hinaus die Einschätzung angesehen werden, dass der Nutzen der Qualitätsanalyse von der „Professionalität von Schulleitung, aber auch von Kollegen“ (SEB2|6) abhängt und davon, „wie Schulen die Möglichkeit der Qualitätsanalyse nutzen“ (SFA3|2, vgl. Abschn. 7.1.3).

Dass sich die Eigenverantwortlichkeit der Schule derart in den subjektiven Vorstellungen der Akteure, insbesondere ihren Rollenbildern wiederfindet, konnte in dieser Form bisher noch nicht empirisch herausgearbeitet werden und kann als Errungenschaft der multiperspektivisch angelegten Untersuchung angesehen werden. Gleichzeitig ist der Befund aus steuerungstheoretischer Perspektive nicht überraschend, betrachtet man – wie von Altrichter und Maag Merki (2016b) empfohlen und in dieser Arbeit realisiert – die untersuchten Prozesse „in ihrem Kontext und ihrer historischen Bedingtheit“ (S. 18, Herv. i. O.). Mit dem Blick in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Neuen Steuerung in Abschnitt 2.1 erklärt sich die Aufwertung der Rolle der Schulleitung und damit auch ihre zentrale Position in der oben geschilderten Akteurskonstellation (vgl. Abschn. 5.2.3). Von einer kritischen Perspektive aus betrachtet, liegen zwei Gefahren in dieser durch die Neue Steuerung in gewisser Weise induzierten „Externalisierung der Verantwortung auf das Referenzsystem […] der schulischen Organisation“ (Hartung-Beck & Muslic, 2015, S. 67, Herv. i. O.). So könnten sich – wie von Böttcher und Keune (2012) befürchtet – die Akteure oberhalb der Mesoebene und damit auch die schulpolitischen Verantwortungsträger ebendieser Verantwortung entziehen oder potenziell ausbleibende Lenkung durch das programmatische Verständnis einer eigenverantwortlichen Schule legitimieren. Zweitens liegt ein Risiko darin, dass die in zentraler Position gesehene Schulleitung nicht „die Kompetenz [hat], ganz eigenverantwortlich die nötigen Schritte tun zu können“ (SFA3|18) und so dieser Verantwortung nicht nachkommen kann.Footnote 1

Als zweite Leitfigur kann die in den ministeriellen Veröffentlichungen zur Qualitätsanalyse, zur Schulaufsicht und zur Schulentwicklungsberatung postulierte Unterstützung eigenverantwortlicher Schulen angesehen werden. Denn kongruent hierzu und gemäß den Ergebnissen sehen sich alle Akteure der intermediären Ebene in ihrer je spezifischen Zuständigkeit als unterstützende „Dienstleister“ (QP4|8), in „beratende[r] Funktion“ (SEB2|60) oder definieren sich als „Beraterin und Unterstützerin von Schulen“ (SFA2|48; vgl. auch Abschn. 7.1.3).

Konkret deckt sich das in Abschnitt 7.1.1.1 geschilderte Rollenverständnis der Qualitätsprüfer:innen mit dem, was mit der Qualitätsanalyse intentional verbunden ist, und bestätigt Forschungsbefunde früherer Arbeiten aus anderen Bundesländern (Brüsemeister et al., 2016; Dietrich & Lambrecht, 2012; Preuß et al., 2015; vgl. Abschn. 3.2.2). Die Schulaufsichtsbeamt:innen wiederum thematisieren in weiten Teilen explizit ihren Unterstützungsauftrag, wobei insbesondere SFA2 und SFA4 ihre aufsichtliche Funktion ebenso benennen (vgl. Abschn. 7.1.1.2). Damit stützt die Untersuchung die Erkenntnis, wonach die Schulaufsicht sich bei der Schulinspektion eher „im Modus Beratung als dem der Kontrolle“ (Wurster et al., 2020, S. 182) agieren sieht (Brüsemeister et al., 2016; Preuß et al., 2015; vgl. Abschn. 3.2.1). Anders als Lambrecht und Rürup (2012) ausführen, verschiebt sich bei der Qualitätsanalyse zumindest in weiten Teilen die ambivalente Rolle der Schulaufsicht gemäß den hier herausgearbeiteten Befunden in Richtung der Unterstützungsinstanz.

Als dritte und letzte Akteursgruppe der intermediären Ebene verstehen die interviewten Schulentwicklungsberater:innen ihre Rolle als nachfrageorientierte Beratende für Schulen und ihre Unterstützungsleistung als Hilfe zur Selbsthilfe. Demgemäß weichen sie kaum von den Regelungsstrukturen oder den im Forschungsstand bekannten grundsätzlichen Vorstellungen schulnaher Beratender ab (Adenstedt, 2016; Dedering et al., 2010; Goecke, 2018; vgl. Abschn. 3.2.3). Im Unterschied zum QA-Team und zur Schulaufsicht betritt der Akteur also erst auf Anfrage der Schule die Bühne der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination (vgl. u. a. Abschn. 5.2.3). Dass die staatlichen Schulentwicklungsberater:innen somit keine festen bzw. verbindlichen „Kooperationspartner der Schule“ (SEB4|78) im Kontext der Qualitätsanalyse sind, wird in einem Interview wie folgt beschrieben: „Wir sind ja quasi keine Pflicht, wir sind ja eine Kür“ (SEB3|112). Wie in Abschnitt 3.2.3 anhand empirischer Ergebnisse dargelegt, wird externe Beratung grundsätzlich unterschiedlich stark angefragt. Auch in dieser Studie wird berichtet, dass staatliche Schulentwicklungsberater:innen bei der Qualitätsanalyse entweder bereits vor den Inspektionstagen, danach oder – wie im Fall von SL4 – gar nicht in Anspruch genommen werden (vgl. Abschn. 7.2.2.3). Zusammengenommen erklärt sich so ihre randständige Position in der Akteurskonstellation (vgl. Abb. 8.1).

Rückbeziehend auf die Argumentationsfigur von Heinrich (2017), in der er mit Blick auf die Schulinspektion und die Schulaufsicht von einer Verdopplung unterstützender Instanzen spricht (vgl. Abschn. 3.2.2), könnte hier unter zusätzlicher Berücksichtigung der staatlichen Schulentwicklungsberatung von einer Verdreifachung gesprochen werden. Es lässt sich also empirisch – zunächst lediglich anhand der Rollenverständnisse – belegen, was Berkemeyer (2021) theoretisch postuliert: „Alle Akteure […] möchten lieber unterstützen als steuern“ (S. 27 f.). Mit dieser zweiten Leitfigur könnte die o. g. Befürchtung von Böttcher und Keune (2012) eine weitere Bekräftigung erfahren. Denn, indem von Unterstützen/Beraten statt Steuern geredet wird, wird die Verantwortung für Entwicklungsprozesse einmal mehr auf die Ebene der Einzelschule verschoben. Würde von Steuern gesprochen werden, so würde man für Erfolge oder Misserfolge in der Schulsystementwicklung auch, vielleicht sogar eher, „die Ebene der Bildungspolitik und -verwaltung adressieren“ (Berkemeyer, 2021, S. 30). Inwiefern es sich bei diesen übergreifend herausgestellten Leitfiguren in der Handlungskoordination um Gegensätze handelt, oder aber inwiefern Steuerung im Gewand von Unterstützung vollzogen wird, ist Gegenstand der nun folgenden Betrachtungen.

8.2 Interpretationen zu den gefundenen Modi der Handlungskoordination

Wie eingangs erwähnt, ist es Aufgabe dieses Abschnitts, das in der Analyse des Datenmaterials gefundene Zusammenwirken der Akteure governanceanalytisch auszudeuten und dabei in Bezug zu empirischen Vorarbeiten zu setzen. Weil im vorherigen Abschnitt u. a. herausgestellt wurde, dass in der betrachteten Akteurskonstellation Bezüge zur Schule am stärksten ausgeprägt sind, fokussiert Abschnitt 8.2.1 – kongruent zur Struktur in Abschnitt 7.2 – vornehmlich die Modi der Handlungskoordination aller hier betrachteten Akteure der intermediären Ebene zur Schule. In Abschnitt 8.2.2 stehen dann primär die Bezüge zwischen den Akteuren Schulaufsicht, Schulinspektion und Schulentwicklungsberatung im Zentrum der Diskussion.

Vorwegzunehmen ist, dass die in den Interviews gefundene Pluralität der Handlungskoordination in der betrachteten Akteurskonstellation sich überwiegend den Modi Beobachtung und Beeinflussung zuordnen lässt. Wie erwähnt, handelt es sich im Falle der Beobachtung um eine Anpassung des Handelns an das wahrgenommene oder antizipierte Handeln des anderen und bei Beeinflussung darum, dass „die Handlungsabstimmung der beteiligten Akteure durch den gezielten Einsatz von Einflusspotentialen stattfindet“ (Schimank, 2010, S. 267, Herv. i. O.; vgl. Abschn. 2.2). Entlang dieser governancetheoretischen Kategorisierung wird es nachfolgend das Ziel sein, die gefundenen Handlungspraktiken näher zu charakterisieren.

8.2.1 „Ich greife nicht steuernd ein“: Versuche zur Beeinflussung der Schule

Basierend auf den Interviews zeigt sich, dass die bloße Ankündigung der Qualitätsanalyse offenbar als „Anstoß“ (QP4|112) für Schul- und Unterrichtsentwicklung fungiert und von den Schulleiter:innen als Gelegenheit genutzt wird, die Schule „aufzuräumen“ (SL3|6). Obwohl es den Schulleitungen wichtig ist, die „Schule so [zu] präsentieren, wie sie ist“ (SL3|6), bereiten sie sich mit den Kolleg:innen dezidiert in Ausrichtung auf die Qualitätsanalyse vor, indem sie beispielsweise das „Qualitätstableau […] akribisch durchgegangen [sind]“ (SL1|10; vgl. Abschn. 7.1.2.4). Damit bestätigt sich der Befund von Gärtner (2011), dass sich die schulischen Entwicklungsprozesse im Vorfeld der Schulbesuchstage intensivieren. Gemäß den Ergebnissen erfolgen offenbar Anpassungen der Schule an die an sie herangetragenen Qualitätsansprüche, wonach der normativen Funktion des Verfahrens eine höhere praktische Bedeutung zufällt (vgl. Abschn. 2.3.1). Aus Perspektive der Schule kann die geschilderte „vorauseilende Anpassung […] als Handlungskoordination durch Beobachtung verstanden werden“ (Peetz & Sowada, 2019, S. 250). Andererseits kann die Implementation des Instruments Schulinspektion an sich als eine „Form der direkten Beeinflussung“ (E. D. Klein, 2021, S. 199, Herv. i. O.) der Schule in Richtung der den Bewertungen zugrundeliegenden Qualitätsvorstellungen angesehen werden (vgl. Abschn. 2.3.1). Dies zeigt, dass die Einordnung der gefundenen Modi der Handlungskoordination auch „von der eingenommenen Akteurperspektive ab[hängt]“ (Peetz & Sowada, 2019, S. 250). Nachfolgend werden die Modi der Handlungskoordination zur Schule beginnend aus der Blickrichtung der intermediären Akteure diskutiert und mit der Perspektive der Schulleiter:innen komplettiert.

In den Ergebnissen hat sich gezeigt, dass alle befragten Schulaufsichtsbeamt:innen und einige Qualitätsprüfer:innen gegenüber der Schule auf die Angebote der Schulentwicklungsberatung aufmerksam machen und empfehlen, sich diese Unterstützung „zu gönnen“ (SFA2|10; vgl. Abschn. 7.2.2.1, Abschn. 7.2.2.2). Damit scheint die vermittelnde Rolle der Schulaufsicht zu weiteren Unterstützungsinstanzen, die in den Arbeiten von Adenstedt (2016) und Goecke (2018) generell herausgestellt wurde, im Kontext der Qualitätsanalyse sogar gängig zu sein. Und auch die Schulentwicklungsberater:innen verweisen – wenn sie denn in die Begleitung von Schulen bei der Qualitätsanalyse kommen – situationsangemessen auf Angebote der Fachmoderation oder bieten selbst eigene themenspezifische Fortbildungsangebote an (vgl. Abschn. 7.2.2.3). So zeigt sich mit der vorliegenden Arbeit, dass nicht nur die Schulaufsicht – wie von Klein (2021) steuerungstheoretisch angenommen – sondern auch die QA-Teams und die staatlichen Schulentwicklungberater:innen „Schulen beobachten und an den Stellen, an denen die Schulen dies vermeintlich brauchen, Angebote machen, die diese nutzen können oder nicht“ (S. 199). Entsprechend handelt es sich hierbei um eine Handlungskoordination durch Beobachtung, die auf indirekter und/oder direkter Wahrnehmung basieren kann. Beispielsweise können die intermediären Akteure den Bedarf in direkter Auseinandersetzung etwa im Gespräch mit der Schulleitung wahrnehmen oder aufgrund des Inspektionsergebnisses antizipieren, dass in einem bestimmten Bereich Unterstützungsbedarf besteht.

Aufbauend auf diesen basalen Formen der Handlungskoordination im Modus der Beobachtung, welche die elementarste Form der Handlungskoordination darstellt, konnten im empirischen Material Handlungspraktiken ausgemacht werden, die sich als Beeinflussungsversuche seitens der intermediären Akteure charakterisieren lassen. In diesem Modus geht es darum, dem Gegenüber durch den gezielten Einsatz von Einflusspotentialen „ein Handeln abverlangen zu können, das er von sich aus nicht gewählt hätte“ (S. Lange & Schimank, 2004, S. 20). Nachfolgend wird basierend auf dem empirischen Material zu klären sein, welche konkreten Einflusspotentiale und Strategien die Akteure der intermediären Ebene etwa bei der Realisierung o. g. Beratungsangebote einsetzen, um schulische Akteure zu beeinflussen.

Wie in Abschnitt 7.2.2 bereits an verschiedenen Stellen beschrieben, setzen die Akteure der intermediären Ebene Vermittlungspraktiken gegenüber den schulischen Akteuren ein. Hierunter wurden auch Versuche gezählt, die darauf abzielen, die schulischen Akteure im Vorfeld der Qualitätsanalyse oder auch nach der Rückmeldung der Ergebnisse „zu beruhigen“ (SFA2|30). In den Interviews begründen die Befragten diese Beeinflussungsversuche durch wahrgenommene „Vorbehalte gegen Qualitätsanalyse“ (QP4|116) von Seiten der schulischen Akteure und durch den „emotionalen Anteil der Qualitätsanalyse“ (SEB3|2). Diese Wahrnehmung deckt sich mit den Äußerungen der Schulleiter:innen, die von „Gerüchten“ (SL4|8) zur Qualitätsanalyse, „negativen Erfahrungen“ (SL1|4) anderer Schulen und einem erhöhten Belastungserleben berichten (vgl. Abschn. 7.1.2.4). Was hier geschildert wird, ist eine klassische Anpassung des Verhaltens der Schulleiter:innen durch indirekte Wahrnehmung bzw. durch die Berichterstattungen von anderen, bereits inspizierten Schulen, wodurch Emotionen, hier „Ängste oder auch Sorgen“ (SL3|9), zu Handlungsantrieben werden. Die Qualitätsprüfer:innen, die Schulaufsichtsbeamt:innen und die Schulentwicklungsberater:innen versuchen mit ihrem Handeln die schulischen Akteure zu beeinflussen und „den dominanten Handlungsantrieb auszuwechseln“ (Schimank, 2010, S. 271). In einem Interview wird der anvisierte Wechsel wie folgt beschrieben: „von der Emotionalität in die Sachlichkeit in die Struktur“ (SEB3|18; vgl. Abschn. 7.2.2.3). Um dies zu erreichen, nutzen sie die Emotion als Ansatzpunkt für ihre Einflussnahme, d. h. sie beeinflussen dadurch, dass sie die schulischen Akteure „bei demjenigen Handlungsantriebe ‚packen‘, der situativ sowieso dominant ist“ (Schimank, 2010, S. 271). Sie bedienen sich also ebenfalls dem Einflusspotential oder Medium Emotion bzw. Sympathie (vgl. Abschn. 2.2). Konkret versuchen die Qualitätsprüfer:innen „in erster Linie mit der Schulleitung, […], dass man einen Zugang zueinander findet. Vielleicht einen persönlichen, einen menschlichen“ (QP4|4). Auch die Schulentwicklungsberater:innen und die Schulaufsichtsbeamt:innen sind um ein „Vertrauensverhältnis“ (SEB2|14) und eine gute „Beziehungsebene“ (SFA1|122) bemüht.

Eine über Beziehungsaufbau und Vertrauensgewinnung versuchte Einflussnahme wird den Inspektionsteams auch in den Studien von Preuß et al. (2015), Brüsemeister et al. (2016) sowie Dietrich und Lambrecht (2012) attestiert (vgl. Abschn. 3.2.2). Zudem ist die Bedeutung eines persönlichen und vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Schulaufsicht und Schulleitung bzw. Schulentwicklungsberatenden und denjenigen, die Beratung in Anspruch nehmen, in empirischen Arbeiten generell thematisiert worden und daher ebenso nicht neu (u. a. Dedering, 2020; Kamarianakis & Dedering, 2021; Rosenbusch & Schlemmer, 1997 vgl. Abschn. 3.2). Allerdings wurden die gefundenen Praktiken erstmals in die obige governancetheoretische Interpretationslinie gebracht, durch welche die Beeinflussungsversuche aller hier betrachteten, intermediären Akteure bei der Schulinspektion im Medium Emotion herausgearbeitet werden konnten.

Unter den Vermittlungspraktiken finden sich ebenso Versuche der intermediären Akteure, die Konzentration im Vorfeld der Inspektionstage „auf die Chance der Bestandsaufnahme“ (SEB3|12) zu lenken und „die Idee [kongruiert zu kriegen], dass das ein Mehrwert ist“ (SFA1|110). Auch die Qualitätsprüfer:innen betonen gegenüber der Schule, dass sie als Verantwortliche für die Qualitätsanalyse „Daten und Hinweise, Impulse [liefern], die sie für ihre Schule und Unterrichtsentwicklung nutzen können“ (QP3|4; vgl. Abschn. 7.2.2). Rückbeziehend auf die theoretischen Ausführungen von Schimank (2010) können diese Beeinflussungsversuche als Überzeugungsbemühungen durch Verheißung charakterisiert werden, da sie nicht durch Belohnung beeinflussen, sondern dadurch, dass sich – wie in diesem Fall – die beeinflusste Schule selbst belohnt, indem sie „sich […] einem angestrebten Ziel [hier der Schul- und Unterrichtsentwicklung, Anm. d. A.] näher bringt“ (S. 274).

Im bisher Erarbeiteten zeigt sich eine große Ähnlichkeit in den Beeinflussungsversuchen der intermediären Akteure gegenüber der Schule und, dass sie ihre „Einflusspotentiale bündeln“ (Schimank, 2010, S. 288). Gleichzeitig ähneln sich, den Schilderungen nach zu urteilen, auch die den Praktiken zugrundeliegenden Handlungslogiken. Sie zielen nämlich allesamt darauf ab, bei den schulischen Akteuren für eine hinreichende Akzeptanz der Qualitätsanalyse zu sorgen, die wiederum vor allem von den Qualitätsprüfer:innen und den Schulaufsichtsbeamt:innen als eine wichtige Bedingung dafür angesehen wird, dass die Qualitätsanalyse einen Nutzen für die Schulentwicklung hat (vgl. Abschn. 7.1.2.1, Abschn. 7.1.1.2). So schildert QP1 beispielhaft:

Und wenn Du das nicht geschafft hast, ein enges Vertrauens- und Arbeitsverhältnis mit der Schulleitung aufzubauen, dann wird mit dem Bericht genau das passieren, der wird in irgendeiner Schublade landen und kein Mensch kümmert sich mehr darum. Aber wenn das geglückt ist, dann können Schulen wirklich auch daraus Nutzen ziehen. (QP1|16)

Mit diesem Befund erweitert sich die von Dietrich und Lambrecht (2012) herausgearbeitete Handlungslogik, dass neben den Verantwortlichen für Schulinspektion nach dieser Studie auch die Schulaufsicht und die Schulentwicklungsberatung nicht als Funktionsträger:innen, sondern „als ganze Menschen [in Erscheinung treten]“ (S. 64). Dies tun sie letztlich, um eine „Basis der Sicherstellung des strukturell ungewissen Erfolgs der Schulinspektion“ (Dietrich & Lambrecht, 2012, S. 65, Herv. i. O.) zu schaffen. Damit folgen die Akteure im praktischen Vollzug der Qualitätsanalyse dem in Deutschland vorherrschenden Entwicklungsmodus der Entwicklung durch Einsicht bei Schulinspektion und so auch der angenommenen Wirkerwartung, dass die Akzeptanz darüber mitentscheidet, wie die Schule die Ergebnisse der Inspektion für Entwicklungsprozesse nutzt (Böttger-Beer & Koch, 2008; vgl. Abschn. 2.3.1). Wenngleich diese Wirkfolge im Forschungsstand nicht in allen Facetten nachgewiesen werden konnte (vgl. Abschn. 3.1, Abschn. 3.2.2), ist im Abgleich der dort betrachteten Befunde mit den hier diskutierten Ergebnissen zur Handlungskoordination zumindest die folgende Tendenz als plausibel anzunehmen: Nämlich, dass „Schulinspektionen dann wenig Nachhall finden [werden], wenn im Vorfeld und während der Schulinspektion negative Konnotationen mit diesem Steuerungsinstrument überwiegen“ (Böhm-Kasper et al., 2016b, S. 46). Dabei kann eine über Beziehungsaufbau versuchte Einflussnahme in einem pädagogischen Kontext der erwünschten Wirkung zumindest nicht abträglich sein.

Und so können die geschilderten Beeinflussungsversuche dahingehend als erfolgreich angesehen werden, dass erstens alle hier befragten Schulleitungen die Qualitätsprüfer:innen überwiegend als „positiv“ (SL4|24) wahrgenommen haben. Zudem betonen einige, dass durch den Kontakt „die große Angst erst mal weg [war]“ (SL3|9) und sich dies z. T. positiv auf die Einstellungen zur Qualitätsanalyse auswirkte (vgl. Abschn. 7.1.2.4, Abschn. 7.2.2.1). Damit bestätigen sich Einstellungsmuster von Schulleitungen aus früheren Arbeiten (u. a. Behnke & Steins, 2017; Böhm-Kasper et al., 2016b; Böttcher et al., 2010; Gärtner & Wurster, 2009a, 2009b; vgl. Abschn. 3.1, Abschn. 3.2.1). Die positive Einstellung gegenüber der Qualitätsanalyse wird beispielsweise bei SL1 jedoch nicht nur damit begründet, dass „dieses Team sehr angenehm war“ (SL1|144), sondern auch damit, dass sie „so gut abgeschnitten haben“ (SL1|10). Ähnliche Zusammenhänge zwischen Akzeptanz der Schulinspektion und Inspektionsergebnis haben u. a. auch Gärtner et al. (2009) oder Böhm-Kasper et al. (2016) herausstellen können. Zusammenfassend lässt sich sagen: Es zeigen sich geeinte Beeinflussungsversuche intermediärer Akteure gegenüber den Schulleitungen und Kollegien durch Emotion bzw. Sympathie, d. h. über die Konstitution eines vertrauensvollen Verhältnisses zur Schule und durch Verheißung. Beides folgt der Logik einer Entwicklung durch Einsicht und dient der Herstellung von Akzeptanz.

Dass das Inspektionsergebnis als Einflusspotential Wissen genutzt wird, indem sich „Ego […] darum [bemüht], den anderen Anpassung an seine Handlungsintentionen aufzuerlegen“ (Schimank, 2007, S. 38), soll im Folgenden thematisiert werden. So haben beispielsweise Kussau und Brüsemeister (2007a) herausgestellt, dass „die […] evaluationsbasierte Steuerung [und damit auch die Schulinspektion, Anm. d. A.] einen massiven Beeinflussungsversuch durch Berichtsformen und Berichtspflichten dar[stellt], der sich des Mediums ‚Wissen‘ bedient“ (S. 38). Wie zu zeigen ist, wäre es allerdings zu kurz gegriffen, würde man diese Art der Beeinflussung im Inspektionskontext als einseitige Einflusskonstellation verstehen. Stattdessen stellt sie sich im Vergleich zur obigen Einflussnahme qua Emotion weitaus komplexer dar und zeigt eindrücklicher, dass sich „die Interdependenzbewältigung […] vielmehr als Abgleich von Einflusspotenzialen [vollzieht]“ (Schimank, 2007, S. 38). Denn grundsätzlich ist den Beeinflussungsversuchen, sei es den o. g. Vermittlungspraktiken oder diesen nun zu thematisierenden Einflussversuchen durch Wissen inhärent, dass sie „immer auch zurückgewiesen werden [können] oder unverstanden bleiben“ (Dietrich & Lambrecht, 2012, S. 64; vgl. auch Konzept der Rekontextualisierung in Abschn. 2.1). Dies ist basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit beispielsweise dann der Fall, wenn die Schulen

sagen, das ist eine Bewertung, die entspricht überhaupt nicht unserer Qualität und der Blick von außen ist ein ganz anderer als der Blick, den das System nach innen hat, sozusagen, dann ist die Akzeptanz nicht vorhanden [...] und dann ist die Wirksamkeit auch nicht da. (QP4|142)

Zwar zeigt sich basierend auf den Interviews mit den Schulleitungen, dass SL1 und SL3 das Inspektionsergebnis zum Unterricht infrage stellen, übergreifend wird jedoch vielmehr betont, dass „die Einschätzung der QA […] wenig von dem ab[weicht], was ich eigentlich auch vorher wusste“ (SL3|88; vgl. Abschn. 7.1.2.4). Damit bestätigen sich Forschungsbefunde, die einen geringen Neuigkeitswert der Inspektionsergebnisse für die Schulleitungen aufweisen (u. a. Kleine, 2015; Preuße et al., 2019; Sommer, 2011b; vgl. Abschn. 3.1). In Verbindung mit den eingangs erwähnten Schulentwicklungsmaßnahmen im Vorfeld der Schulbesuchstage ist nachvollziehbar, dass die Schulleiter:innen die Qualitätsanalyse primär als „Lob“ (SL2|4) und „Bestätigung der getanen Arbeit“ (SL1|8) empfinden. Auch in den Interviews mit den Qualitätsprüfer:innen finden sich Hinweise, dass ihnen wichtig ist, in der Rückmeldung der Ergebnisse, „heraus[zu]stellen, was Schulen gut machen“ (QP1|4). Insofern kann mit der vorliegenden Arbeit und aus Sicht der Schulleiter:innen weniger die Erkenntnisfunktion der Qualitätsanalyse, sondern vielmehr die von Feldhoff (2017) identifizierte „Anerkennungsfunktion“ (S. 14) empirisch gestützt werden (vgl. Abschn. 3.1). Zugleich untermauert dieser Befund auch die offenbar in der Rückmeldung der Ergebnisse vorherrschende „Lobkultur“ (Preuß et al., 2015, S. 133).

Kongruent zu den bestehenden Befunden und den hier befragten Schulleitungen schildern auch die in dieser Arbeit interviewten Schulaufsichtsbeamt:innen, dass die Inspektionsergebnisse grundsätzlich mit ihren eigenen Sichtweisen auf die Schulen übereinstimmen und von daher für sie ebenso einen geringen Neuigkeitswert besitzen (vgl. Abschn. 7.1.2.2, Abschn. 3.2.1). Es wird jedoch auch von Einzelfällen berichtet, in denen „nichts deckungsgleich zu kriegen [war]“ (SFA4|32). Wie bereits im Forschungsstand herausgestellt wurde, kann das Inspektionsergebnis den Eindruck der Schulaufsicht über die inspizierte Schule irritieren, weil sie zunächst für ihre Sichtweise Plausibilität beanspruchen (Heinrich, 2015, 2017; Schubert, 2013a; vgl. Abschn. 3.2.2). Eine solche Diskrepanz zum Inspektionsergebnis bewerten die in dieser Arbeit interviewten Schulaufsichtsbeamt:innen als „hochproblematisch“ (SFA3|38) für den weiteren Entwicklungsprozess der Schule. Es ist für die Schulaufsicht häufig ein Grund, nach der Rückmeldung der Ergebnisse mit den Qualitätsprüfer:innen „ins Gespräch [zu] gehen“ (SFA4|28; vgl. Abschn. 7.2.3.1). Angesichts dieser Befunde zeigt sich, dass „,Evidenz‘ [hier im Sinne des Inspektionsergebnisses, Anm. d. A.] an sich keine systemische Passung an den Schnittstellen der unterschiedlichen Akteure her[stellt]. ,Evidenz‘ selbst ist eine Angelegenheit von Aushandlung“ (Diedrich & Maritzen, 2020, S. 161). Inwiefern die Schulaufsichtsbeamt:innen die von Stryck (2000) als wichtig erachtete Sinnstiftungsarbeit für Daten der externen Evaluation leisten, damit sie „von den Schulen als für ihre Programmatik, Selbstkonzeptionierung und Steuerungspraxis relevant identifiziert werden können“ (S. 123), dürfte also auch davon abhängen, inwiefern sich das Wissen durch die Qualitätsanalyse mit ihrem eigenen Eindruck in Passung befindet. Gebündelt lässt sich formulieren: Beeinflussungsversuche, die sich dem Medium Wissen durch das Inspektionsergebnis bedienen, können unter Umständen durch Eigenwahrnehmungen insbesondere der Schulaufsicht konterkariert und von den schulischen Akteuren als Anerkennung getaner Arbeit reinterpretiert werden.

Basierend auf den Interviews mit den Schulentwicklungsberater:innen zeigt sich ferner, dass nicht nur das Inspektionsergebnis, das sie in der Regel für „stimmig“ (SEB2|42) halten, als wissensbasiertes Einflusspotential genutzt wird. Neben den Versuchen, „die Bereitschaft hervorzuarbeiten, dass die [Schulen, Anm. d. A.] sich auch damit auseinandersetzen“ (SEB3|22), bringen sie auch ihr eigenes Wissen als Einflusspotential ein. So berichten sie mit Blick auf die Beratungsleistungen von „Fortbildungen mit dem ganzen Kollegium“ (SL3|61), um dort „Information über Aspekte der Schul- und Unterrichtsentwicklung allgemein“ (SEB4|10) zu geben oder um themenspezifisch Fachwissen häufig in Bezug auf Unterrichtsentwicklung zu vermitteln. Zweitens realisieren sie „Beratungsgespräch[e]“ (SL1|20) etwa in Vorbereitung auf die Qualitätsanalyse „mit einer Steuergruppe […] und wenn es eben keine Steuergruppe gab, mit der Schulleitung zusammen“ (SEB2|20), um einen „Arbeitszeitplan“ (SEB3|20) für das Zusammenstellen der Portfolios zu erstellen. Drittens wird davon berichtet, dass sie die Schulen bei der Etablierung von Steuergruppen unterstützen bzw. eine „Steuergruppenfortbildung“ (SEB1|6) anbieten (vgl. Abschn. 7.2.2.3). Damit realisieren sie im Kontext der Qualitätsanalyse Unterstützungsangebote, die sich auf die „Trias der Schulentwicklung, die Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung“ (Bezirksregierung Münster, 2019, S. 12; Rolff, 2013; vgl. Abschn. 2.1) beziehen.

Angesichts dieser Erkenntnisse zu Setting und Inhalt der Beratungsleistungen bedarf die von Rauh und Dedering (2013) erstellte Typisierung von Beratenden im Schulkontext einer Modifizierung (vgl. Abschn. 3.2.3). Obwohl staatliche Schulentwicklungsberater:innen zu den schulnahen Beratenden zählen und nach den Autorinnen primär „Beratung des Gesamtkollegiums einer Schule im Bereich der Unterrichtentwicklung vornehmen“ (Rauh & Dedering 2013, S. 265), beraten sie im Kontext der Qualitätsanalyse offenbar auch Teilgruppen des Kollegiums im Bereich der Organisations- und Personalentwicklung. Diese Aufgabenbereiche sahen Rauh und Dedering (2013) primär bei den schulfernen Beratenden. Aufgrund dieser Ergebnisse können staatliche Schulentwicklungsberater:innen im Kontext von Schulinspektion als „hybride“ Beratungstypen charakterisiert werden, weil sie offenbar das gesamte Spektrum der Beratungsleistungen abzudecken versuchen.

Im Gegensatz zu den Schulentwicklungsberater:innen beraten die Schulaufsichtsbeamt:innen im Kontext der Qualitätsanalyse hauptsächlich die Schulleitung, ggf. mit Steuergruppe (vgl. Abschn. 8.1). Auch weist die Akteurskonstellation zwischen Schulaufsichtsbeamt:innen und Schulleitung im Gegensatz zu allen anderen hier betrachteten Interdependenzbezügen einen wesentlichen Unterschied auf: Sie ist eine auf Dauer gestellte hierarchische Beratungskonstellation. Dabei zeichnet sie sich durch ein dilemmatisches zwischen Kontrolle und Beratung changierendes Verhältnis und einer immer mehr „prozessual-nondirektiv-moderierend ausgerichteten Schulaufsichtstätigkeit“ (Rürup, 2020, S. 22) aus (vgl. Abschn. 2.1, Abschn. 8.1). Wie sich dies in der Handlungskoordination bei der Qualitätsanalyse niederschlägt und welche Rollenkonflikte sich dabei zeigen, soll nun abschließend präzisiert werden.

Wie in Abschnitt 7.2.2.2 herausgestellt, ist die „Prozessbegleitung […] immer abhängig von den Gegebenheiten [der Schule, Anm. d. A.], die gerade da sind“ (SFA1|76) und zeigt damit, dass die Schulaufsicht situationsadäquat unterschiedliche Handlungsformen einsetzt. Governanceanalytisch kann die Beratung der Schulaufsicht zunächst als wechselseitige Beeinflussung gefasst werden. So können beispielsweise „im Dialog mit Schulen, etwa im Zuge von Gesprächen, normative Erwartungshaltungen generiert [werden] und beeinflussen auf diesem Weg Handlungen schulischer Akteure“ (Jesacher-Rößler & Kemethofer, 2020, S. 241). Hiervon berichtet SFA4, indem betont wird, dass eine solche Beratung die „Möglichkeiten [bietet], die Dinge, die das Land auflegt als Unterstützung, wenn Sie jetzt mal an den Referenzrahmen […] denken, den immer auch nochmal dann zu lancieren“ (SFA4|34; vgl. Abschn. 7.2.2.2).

Darüber hinaus „kann die Schulaufsicht […] versuchen, die Schulen zu beeinflussen, z. B. indem sie kontrolliert, was die Schulen tun und dies mit Konsequenzen verbindet“ (E. D. Klein, 2021, S. 198 f.) Nach Schimank (2007) könnte hierbei Macht als Einflusspotential zum Einsatz kommen, und zwar als ein Medium „der Erzeugung von Fügsamkeit, das nicht auf geteilte Überzeugungen bzw. affektive Sympathie […] angewiesen [ist]“ (S. 39). In den Ergebnissen dieser Arbeit zeigt sich, dass die Schulaufsichtsbeamt:innen dieses Einflusspotential unterschiedlich bemühen. Auch wenn nachfolgend an beispielhaften Zitaten SFA1 und SFA3 eher als diejenigen identifiziert werden, die dieses Einflusspotential im Vergleich zu SFA2 und SFA4 eher weniger nutzen, heißt das nicht, dass dies als grundsätzliche Zuschreibung der interviewten Schulaufsichtsbeamt:innen zu verstehen ist.

So betont SFA1: „Ich greife nicht steuernd ein, das ist mir wichtig, ich greife immer nur beratend ein. Und die Schule ist ein eigenes System und muss annehmen oder auch nicht annehmen. Und das darf sie auch, nur dann kann es auch funktionieren“ (SFA1|76). Dieser Modus scheint für Schulen, die sich der Aufgabe ihrer Selbststeuerung verschreiben haben und bei denen die Schulleitung „die Kompetenz [hat], ganz eigenverantwortlich die nötigen Schritte tun zu können“ (SFA3|18) angemessen (vgl. Abschn. 8.1). Problematisch wird es dann,

wenn Schulen ihrer Eigenverantwortung nicht mehr gerecht werden, [denn, dann, d. A.] muss interveniert werden. Beratung ohne Kontrolle ist aus Sicht der staatlichen Verantwortung für das Schulwesen nicht denkbar [...], Eine ‚sanfte‘ Steuerung, die ausschließlich auf gute Argumente, Kommunikation und Überzeugung setzt, die schulische Entwicklungsprozesse lediglich moderiert und ansonsten für die Ressourcen zuständig ist und entsprechende Serviceleistungen bietet, dürfte in der Breite und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit erfolglos bleiben. (Jacobs, 2019, S. 76, Herv. i. O.)

Aus dem Forschungsstand, insbesondere den Erkenntnissen von Böttcher et al. (2010), Lambrecht und Rürup (2012) sowie Wurster et al. (2020) ist bekannt, dass die Schulaufsichtsbeamt:innen ihre Möglichkeiten bei unbefriedigenden Schulentwicklungsprozessen jedoch für begrenzt halten (vgl. Abschn. 3.2.1). In der vorliegenden Arbeit empfindet besonders SFA3 die „eigene Einflussmöglichkeit als sehr gering“ (SFA3|22) und führt weiter aus:

Wenn ich die Einzige bin, die da Probleme sieht in einer Schule oder die Qualitätsanalyse meine Wahrnehmung unterstützt durch die Ergebnisse, aber wenn ich dennoch dann in der konkreten Arbeit die Einzige bin, die die Probleme wahrnimmt, dann ist das [die Qualitätsanalyse, Anm. d. A.] ein Instrument, das verpufft. [...] das [ist] ein Punkt, der mir am meisten zu schaffen macht, weil das [...] vieles in Frage [stellt], wofür ich angetreten bin, Schulaufsicht zu machen. [...] ganz realistisch und nüchtern gesehen, da sind die Schulen am längeren Hebel. (SFA3|30–36)

Dies ist insofern fatal, weil die Schulaufsicht in diesem Fall sehenden Auges die Schule sich selbst überlässt oder überlassen muss und ihrer staatlichen Gewährleistungspflicht nicht nachkommen kann oder in einer überbetonten Rhetorik als Unterstützungsinstanz nicht nachkommen darf oder will (vgl. Abschn. 8.1 sowie in Abschn. 8.3 weiterführende Überlegungen).

Schaffen es die Schulaufsicht und die Schulleitung, in ihrer Beratungskonstellation „bindende Vereinbarungen miteinander zu treffen und fortan auf dieser Grundlage miteinander zu agieren, bewegen sie sich in einer Konstellation, deren Modus der Handlungsabstimmung wechselseitiges Verhandeln ist“ (Schimank, 2010, S. 305). Weil Schimank (2010) mit der bindenden Vereinbarung einen „formellen, meist schriftlich fixierten Vertrag“ (S. 310) meint, kann der Zielvereinbarungsprozess zwischen Schulleitung und Schulaufsicht als Verhandlung identifiziert werden. Dass die Überführung der Handlungsabstimmung in den Modus der Verhandlung aktiv von der Schulaufsicht zu gestalten ist, zeigt sich u. a. dadurch, dass sie für die Nutzung der Inspektionsergebnisse motivieren, aber auch „unglaublich mahnen und sagen [müssen], Sie wissen, wir müssen jetzt noch die Zielvereinbarung verschriftlichen“ (SFA2|58). In einer solchen wechselseitigen Verhandlung kann unter Umständen auch verstärkt auf Macht als Einflusspotential zurückgegriffen werden, wie SFA4 beispielsweise schildert:

In intensiven Auseinandersetzungen mit Schulleitung [gab] es [..] eine Dienstverpflichtung, eine Anweisung zu verschiedenen Fortbildungen [...]. Das war unglaublich schwer, weil wir so nicht aufgestellt sind. Unser pädagogischer Habitus, der ist so anders. Wir versuchen das immer mit positiven, unterstützenden, wertschätzenden, motivierenden Worten, aber da war das nicht mehr. Und da brauchte es auch diese absolut klare Ansage. (SFA4|54)

Was sich hier andeutet, kann nach Schimank (2010) als Intra-Rollenkonflikt betitelt werden, weil die Erwartungen, die an die Schulaufsicht in ihrer Doppelfunktion von Aufsicht/Kontrolle und Unterstützung gestellt werden, nicht komplikationslos im Rollenhandeln vereint werden können (vgl. Abschn. 2.2). Entsprechend muss die Schulaufsicht hier aus ihrem grundsätzlichen Rollenverständnis als unterstützende Beratende ausbrechen und stärker als die „unliebsame Kontrollinstanz“ (Heinrich, 2017, S. 167) auftreten (vgl. Abschn. 8.1).

Der Unterschied von Beeinflussungsversuchen und Verhandlung ist wesentlich dadurch bestimmt, dass sich letztgenannter Modus der Handlungskoordination gerade durch bindende Vereinbarungen auszeichnet und nicht – wie Klein (2021) skizziert – dadurch, dass die „Schulaufsicht sich in diesem Zusammenhang dazu entscheiden [kann], den Schulen Angebote zu machen, ihnen dabei aber die Wahl zu lassen, ob sie diese nutzen möchten oder nicht“ (S. 199). Klar ist, dass die Zielvereinbarung als „Papier […] kein Entwicklungsprozess [ist]“ (SEB4|42), sie ermöglicht den Akteuren aber im Gegensatz zur Beobachtung und Beeinflussung dahingehend eine Entlastung, dass sie „ihre Wachsamkeit hinsichtlich des zukünftigen Handelns ihrer Gegenüber [hier der Schule, Anm. d. A.] stark absenken [kann], ohne dadurch ihr Interesse an Erwartungssicherheit zu vernachlässigen“ (Schimank, 2010, S. 313).

Weitaus problematischer ist, dass die o. g. „Beeinflussung der Schulleitungen durch die Schulaufsicht überschaubar bleibt, steht doch die Schulaufsicht […] selbst unter Einsparzwängen und Reformdruck“ (Berkemeyer, 2020, S. 381). Dies wurde in Abschnitt 2.1 allgemein für die Schulaufsicht in Deutschland und in Abschnitt 5.1 für die Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen herausgestellt. Hinzu kommt, wie im Forschungsdiskurs in Abschnitt 3.2.1 aufgearbeitet, die personelle Unterbesetzung und hohe Arbeitsdichte der Schulaufsicht, insbesondere für die Schulform Grundschule in NRW (Bogumil et al., 2016). Ein solcher „Ressourcenmangel [kann] in der einen oder anderen Hinsicht […] das Rollenhandeln beeinträchtigen oder sogar ganz verhindern, dass der Akteur seiner Rolle entsprechend auftreten kann“ (Schimank, 2010, S. 73; vgl. Abschn. 2.2). Dies zeigt sich in der vorliegenden Arbeit und damit im Kontext der Qualitätsanalyse dadurch, dass die Schulaufsichtsbeamt:innen selbst von begrenzten „zeitlichen Rahmenbedingungen“ (SFA3|30) sprechen. Auch die anderen Akteure, insbesondere die Schulleitungen und die Qualitätsprüfer:innen wie auch einige Schulentwicklungsberater:innen berichten von einer hohen „Arbeitsbelastung“ (SL3|27) und fehlendem Personal in der Schulaufsicht. Damit plausibilisieren die Befragten, dass die schulaufsichtliche Begleitung der Schulen im Prozess der Qualitätsanalyse nicht in dem zeitlichen Umfang stattfinden kann, wie das von Schulaufsicht oder Schule gewünscht ist (vgl. Abschn. 7.2.2.2). Governanceanalytisch könnte man sagen: Die Schulaufsicht ist in ihren Einflusschancen auf die Schule beschränkt, weil ihr Verfügungsfähigkeiten im Sinne von Ressourcen fehlen. Dass hiervon offenbar auch die Unterstützung der Schule bei der Schulinspektion insgesamt wie auch der Zielvereinbarungsprozess beeinträchtigt wird, ist empirisch mit dieser Arbeit nun nochmals untermauert worden (u. a. Kleine, 2015; Schubert, 2013a; Ulber, 2010; vgl. Abschn. 3.2.2). Die Abbildung 8.2 modelliert zunächst die zuvor entfaltete Interpretation der empirisch gefundenen Modi der Handlungskoordination, woraufhin sich dann ihre kritische Betrachtung in Verbindung mit den Leitfiguren aus Abschnitt 8.1 anschließt.

Abb. 8.2
figure 2

(eigene Darstellung)

Modi der Handlungskoordination zwischen intermediären Akteuren und Schule

Zusammenfassend zeigt sich angesichts der hier detailliert herausgearbeiteten Modi der Handlungskoordination zwischen den intermediären Akteuren und der Schule respektive der Schulleitung ein Handeln, dass als (indirektes) Steuerungshandeln angesehen werden kann. Dies gilt zumindest dann, wenn man die Definition Neuer Steuerung als Versuch der „Lenkung des Verhaltens von Akteuren“ (Benz, 2004a, S. 20; vgl. Abschn. 2.1) zugrunde legt. Dass die Akteure selbst ihr Handeln eher als Unterstützungs- denn als Steuerungshandeln charakterisieren (vgl. Abschn. 8.1), kann dabei als bewusste Strategie verstanden werden: Offenbar erscheint es für die intermediären Akteure nicht sinnvoll, ihre Beeinflussungsversuche als steuernd zu umschreiben, weil dies ein Entwurf wäre, der – weil alltagssprachlich negativ konnotiert – der potenziellen Wirkung ihrer Lenkungsversuche auf der Mesoebene zuwiderlaufen könnte. Mit anderen Worten: Der Begriff Steuerung könnte seitens der Schule oder Schulleitung Reaktanz hervorrufen, weil die Schulleiter:innen beispielsweise selbst „wissen, wo Schulentwicklung hinzugehen hat“ (SL1|36) und „was wir brauchen“ (SL4|46). Eine plausible theoretische Erklärung für dieses Phänomen liefert auch die Argumentation Berkemeyers (2021). Der Autor sieht Schulinspektion von Seiten der Bildungsadministration

als Unterstützungssystem einer qualitätsorientierten Einzelschulentwicklung verstanden und etikettiert. Dass dabei die Differenz zwischen Diagnose, Controlling, Steuerung und Unterstützung keine weitere Beachtung erfährt, ist schulentwicklungstheoretisch problematisch. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Unterstützungsbegriff alltagssprachlich hochgradig positiv konnotiert ist, derjenige der Steuerung hingegen eher negativ. So kommt es, dass die nicht selten programmatischen Diskurse der Schulentwicklung einfach auf den Begriff der Unterstützung umstellen, um kritische Anfragen zu vermeiden. So kann dann ein Programm der ‚Neuen Steuerung‘ [wie die Schulinspektion, Anm d. A.] zu einem breit angelegten Unterstützungsprogramm der Schulentwicklung umgedeutet werden. (S. 20 f.)

Diese Umdeutung konnte in diesem und dem vorherigen Abschnitt empiriebasiert angesichts der Schilderungen der intermediären Akteure nachgezeichnet werden. Damit wirkt die proklamierte Leitfigur der Eigenständigkeit der Schule bis in die subjektiven Vorstellungen der Akteure zur Qualitätsanalyse hinein und markiert – so zeigt es sich auch in der obigen Interpretation – durchaus eine Grenze der verschiedenen Lenkungsabsichten. Bedenkt man die oben herausgearbeiteten verschiedenen Beobachtungs- und Beeinflussungsversuche (in den jeweiligen Subdimensionen), zeigt sich im Einklang mit den Leitfiguren Eigenverantwortlichkeit der Schule und Unterstützung aus Abschnitt 8.1 eine bemerkenswerte Vielfalt an Versuchen der „‚sanfte[n]‘ Steuerung“ (Jacobs, 2019, S. 76).

„Kritische Anfragen“ (s. o., Berkemeyer, 2021, S. 21) könnten genau an der Stelle formuliert werden, an der (freiwillige) Unterstützung aufhört, die Schule ihrer Eigenverantwortung nicht mehr gerecht wird oder werden kann und „Schulinspektion [und damit alle involvierten Akteure, Anm. d. A.] als Organ der staatlichen Gewährleistungsverantwortung“ (Maritzen, 2008, S. 92) gefragt ist. Dann ist Steuerung als „aktiver Prozess des Eingreifens“ (Böttcher, 2017d, S. 80) verlangt, woraufhin die Leitfiguren Eigenverantwortlichkeit der Schule und Unterstützung seitens der intermediären Akteure nicht mehr mobilisiert werden könnten. Eine solche Art von Steuerung wäre gemäß der Regelungsstrukturen Aufgabe der Schulaufsicht (vgl. Abschn. 2.1) und zeigt sich angesichts der berichteten und diskutierten Befunde in dieser Studie allenfalls punktuell. In dieser Logik würde dann nur bei dem zuletzt beschriebenen Modus der Verhandlung von (nicht mehr „sanftem“) Steuerungshandeln gesprochen werden können.

8.2.2 „Das ist dann so eine Gratwanderung“: Zwischen Abgrenzung und grenzüberschreitender Koordination auf der intermediären Ebene

Vorausgesetzt, die Akteure der intermediären Ebene kommen in einen gemeinsamen Handlungszusammenhang (vgl. Abschn. 8.1), so lässt sich – anders als im vorherigen Abschnitt – lediglich der Modus der wechselseitigen Beobachtung als Form der Handlungskoordination identifizieren (vgl. Abschn. 7.2.3). Denn im Gegensatz zur Interaktion mit den schulischen Akteuren handelt es sich hier „nicht um Konstellationen, in denen zwischen den Akteuren gezielte Einflussnahmen oder Verhandlungen stattfinden“ (Schimank, 2010, S. 227).Footnote 2 Innerhalb des Modus Beobachtung sind nachfolgend vor allem die situative Ausgestaltung der Rollen der intermediären Akteure während der Rückmeldung der Inspektionsergebnisse, die damit verbundenen Abgrenzungsproblematiken und die Realisierung grenzüberschreitender Koordination diskussionswürdig (vgl. Abschn. 2.2).

So zeigt sich zunächst, dass die in den Interviews artikulierten Rollenverständnisse der intermediären Akteure neben den Leitfiguren Eigenverantwortlichkeit der Schulen und Unterstützung, die in Abschnitt 8.1 herausgestellt wurden, auch „Versuche einer Rollenbestimmung durch Differenzherstellung“ (Heinrich, 2017, S. 159) beinhalten. Denn alle befragten Akteure der intermediären Ebene, insbesondere die Qualitätsprüfer:innen und die Schulentwicklungsberater:innen grenzen sich bei der Beschreibung ihrer Rolle von den anderen Akteuren ihrer Ebene oder deren Zuständigkeiten ab (vgl. Abschn. 7.1.3). So betonen etwa die Qualitätsprüfer:innen, dass sie „Impulse setzen müssen für Schul- und Unterrichtsentwicklung“ (QP2|40), aber „nicht […] beraten. Das ist ganz klar abgetrennt von Schulaufsicht. Und die Schulen nachher begleiten machen wir eben auch nicht“ (QP2|6). Ähnlich unterstreichen die Schulentwicklungsberatenden, dass sie kein „verlängerte[r] Arm der Schulformaufsicht“ (SEB1|32) und auch nicht „der Qualitätsanalyse [sind]“ (SEB3|10). Eine solche Abgrenzung ist in den Regelungsstrukturen grundgelegt, da die Aufgabe der Beratung den Schulaufsichtsbeamt:innen zugeschrieben und von den Qualitätsprüfer:innen abgrenzt ist und die staatliche Schulentwicklungsberatung sich durch Unabhängigkeit auszeichnet (vgl. Abschn. 5.2.1).

Empirisch gesehen komplettiert dieser Befund bestehende Wissensbestände, da in den Arbeiten von Adenstedt (2016) und Heinrich (2017) bereits jeweils das Abgrenzungsbedürfnis der staatlichen Schulentwicklungsberatung bzw. der Schulinspektion gegenüber der traditionellen Schulaufsicht thematisiert worden ist (vgl. Abschn. 3.2.2, Abschn. 3.2.3). Es scheint so, als würde sich dieses Bedürfnis im Kontext der Qualitätsanalyse und damit bei gemeinsamen oder sich überschneidenden Arbeitskontexten noch verstärken.

In den dargestellten Ergebnissen hat sich jedoch auch gezeigt, dass diese in der Selbstdarstellung geradezu überdeutlich gezogenen Grenzen in der geschilderten Handlungskoordination durchaus verschwimmen. In der Perspektive der Educational Governance wird dies wie folgt hergeleitet: „Da sich die zu bearbeitenden Aufgaben und Probleme nicht an Grenzen der Zuständigkeit halten, werden sie beinahe systematisch überschritten“ (Kussau & Brüsemeister, 2007a, S. 32). Dieses theoriebezogene Postulat kann mit den hier vorliegenden Ergebnissen empirisch gestützt werden und wird nun an zwei prominenten Beispielen illustriert und diskutiert. Dies erfolgt einerseits anhand der Gratwanderung zwischen Impulsgebung und Beratung der Qualitätsprüfer:innen und andererseits anhand der Realisierung von grenzüberschreitender Koordination im veränderten Rückmeldeformat (vgl. Abschn. 5.2.3).

Zum Erstgenannten zeigt sich, dass die in den Regelungsstrukturen grundgelegte und in den Rollenverständnissen sich wiederfindende Trennung von Impulsgebung und Beratung in der Praxis für die Qualitätsprüfer:innen weitaus diffiziler zu realisieren ist. So schildert etwa QP2:

Also ich denke, dass wir in der Rolle schon auch Impulse setzen müssen für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. Und dann in dem Bericht auch formulieren, aus Sicht des Qualitätsteams könnte man an der Stelle... Also so, ja, das ist dann so eine Gratwanderung, ist das jetzt ein Impuls oder ist das eine Beratung? (QP2|40)

Ähnlich haben bereits Lohmann und Reißmann (2007) darauf hingewiesen, dass „im Kontext der Inspektion […] jedes Gespräch über anstehende Fragen oder Probleme von Schule und Unterricht auch eine implizit beratende Funktion haben [kann]“ (S. 20). Die Ergebnisse der hier vorliegenden Arbeit zeigen, dass offenbar Verhaltensunsicherheiten in Bezug auf die „Schnittstelle Impulsgebung / Beratung“ (QP3|6) bestehen, weil offenbar fraglich ist, „wo hört unser Auftrag auf oder fängt er an?“ (QP3|6). Offenbar scheinen die in den Regelungsstrukturen versuchten Rollenbestimmungen den Akteuren in der Praxis keine Erwartungssicherheit zu geben, weil sie „nur mehr oder weniger vage umschrieben sind“ (Schimank, 2010, S. 72). Insofern ist von den Qualitätsprüfer:innen – ähnlich wie bei den Schulaufsichtsbeamt:innen – eine gewisse Ambiguitätstoleranz gefordert.

Ferner zeigt sich, dass sich die befragten Qualitätsprüfer:innen, insbesondere QP1, QP3 und QP4, wünschen, „mehr in die Beratung ein[zu]steigen“ (QP1|6; vgl. Abschn. 7.3). Im Abgleich mit obigem Rollenverständnis und den normativen Regelungsstrukturen liegt hier ein klassischer Person-Rolle-Konflikt vor, weil das persönliche „Interesse“ (QP4|178) weitaus mehr umfasst als ihnen nach der QA-VO an Zuständigkeiten zugeschrieben wird. Insbesondere QP3 plädiert dafür, die „starre Trennung auf[zu]heben“ (QP3|65), die ihnen durch die QA-VO auferlegt ist, was nach Schimank (2010) als Abweichungsverstärkung bezeichnet werden kann, weil hier die Qualitätsprüfer:innen in einer Beobachtungskonstellation versuchen, eine „Strukturveränderung“ (S. 235) zu erwirken.

Dass die Qualitätsprüfer:innen diesem Wunsch in der Praxis bereits zu entsprechen versuchen, indem sie Empfehlungen in der Rückmeldung der Ergebnisse aussprechen, Beratungen im Anschluss an die Rückmeldung realisieren oder im Erläuterungsgespräch einbinden, zeigt sich in der geschilderten Handlungskoordination mit der Schule. Auch eröffnet das veränderte Rückmeldeformat für die Qualitätsprüfer:innen Handlungsspielräume, beratend tätig zu werden (vgl. Abschn. 7.2.2.1). Es zeigt sich also, dass sie ihre Rollen entsprechend ihren Bedürfnissen modifizieren (vgl. hierzu role making in Abschn. 2.2). Mit Blick auf die Forschungsbefunde zeigt sich, dass weder der Wunsch der Inspekteure noch die „Grenzüberschreitung […] der eigenen Rolle“ (Brüsemeister et al., 2016, S. 65) durch die Realisierung von Entwicklungsempfehlungen gänzlich neu ist (u. a. Dedering & Sowada, 2013; Heinrich, 2017; Preuß et al., 2015; vgl. Abschn. 3.2.2).

Der bisherige Forschungsstand kann durch die erläuterten Befunde insofern ergänzt werden, als dass gezeigt werden konnte, wie die QA-Teams in der Beobachtungskonstellation zur Schulaufsicht ihr Handeln an das Handeln der Schulaufsicht oder ihre antizipierte Einstellung anpassen. Denn schließlich wüssten sie, in welchen Fällen „die Schulformaufsicht nichts dagegen hat, wenn man auch mal in die Beratungsschiene reingeht“ (QP4|124) und so wüssten sie „auch, wie man sich zu verhalten hat“ (QP4|120, vgl. Abschn. 7.2.3.1). Inwiefern also das oben geschilderte Beratungsinteresse weiterverfolgt wird, hängt auch vom Verhalten bzw. der antizipierten Einstellung der Schulaufsicht ab. Es handelt sich demnach um eine Anpassung der Qualitätsprüfer:innen aufgrund direkter oder indirekter Wahrnehmung der Schulaufsichtsbeamt:innen. Ferner wird eine solche Anpassung damit begründet, dass sie „Schulformaufsicht entlasten [könnten]“ (QP4|178) und ihre Initiativen ferner damit legitimiert, dass Schulen, die keine kompetente Schulleitung haben, unterstützt werden müssten. „Und wer kann das nicht besser machen als wir, die gerade in diese Schule eingetaucht sind?“ (QP1|8). Ferner wäre es für die Qualitätsprüfer:innen selbst „optimal […], wenn wir die Schulen weiter begleiten könnten in ihrem Entwicklungsprozess“ (QP4|178). Alles in allem geht mit ihrer vermehrten Beratungstätigkeit einher, mehr „Wirksamkeit zu erzeugen“ (QP3|12) bzw. mehr eigene Wirksamkeit zu erleben, weil sie dann nach der Rückmeldung der Ergebnisse „nicht so rausgekickt werden“ (QP4|178). Hieran zeigt sich – wie auch bei den dargestellten Vorschlägen zur Nachphase in Abschnitt 7.3 –, dass Beweggründe für die geschilderte Abweichungsverstärkung vielfältig sind, sich überlappen können und nicht ausschließlich mit dem Unterstützungsbedarf der Schule plausibilisiert werden. Letztlich geht es potenziell auch um die Sicherung und Legitimierung des eigenen Fortbestehens. Es kann hier nicht die Frage beantwortet werden, inwiefern eine solche Rollenverschiebung der Qualitätsprüfer:innen hin zu mehr Beratung für die Qualitätssicherung und -entwicklung schulischer Qualität funktional ist bzw. sein kann oder ob es hier lediglich um die Befriedigung der eigenen Interessen geht.

Bevor nun auf die grenzüberschreitende Koordination im veränderten Rückmeldeformat eingegangen wird, sei an das Transferproblems (vgl. Abschn. 3.1) erinnert: Schulentwicklungsmaßnahmen werden nach einer Schulinspektion nicht in dem Maße eingeleitet, wie es bei der Einführung des Steuerungsinstruments erwartet wurde. Im Wissen um dieses Problem wird als Teil der Lösung eine stärkere Verzahnung relevanter Akteure bei der Schulinspektion angeregt (u. a. Gärtner, 2021). So haben etwa Müller und Klein (2019) hervorgehoben, dass sich „nicht zuletzt an der Schnittstelle zur Schulaufsicht und zum Unterstützungssystem entscheidet […], ob tatsächlich eine verlässliche und systematische Übergabe der Ergebnisse der externen Evaluation stattfindet“ (S. 213). Wie in dieser Arbeit auch illustriert wurde, hat diese Forderung Eingang in die Weiterentwicklung der Inspektionsverfahren gefunden (vgl. Abschn. 2.3.2), weswegen nun auch bei der nordrhein-westfälischen Qualitätsanalyse schulpolitisch vielfach die Zusammenarbeit zwischen Schule, Schulaufsicht, Qualitätsanalyse und Schulentwicklungsberatung proklamiert wird.

Auf Grundlage der Ergebnisse in Abschnitt 7.2.3 kann mit Blick auf die Zusammenarbeit der Akteure Verbesserungspotential ausgemacht werden. Denn es wurde deutlich, dass angesichts der in diesem Abschnitt eingangs geschilderten institutionellen Grenzen z. T. Unsicherheiten bestehen, die sich auf die „Verschwiegenheitspflicht“ (SFA3|42) gegenüber der Schule beziehen. Offenbar scheint nicht oder unzureichend geklärt, inwiefern man auf der intermediären Ebene im Kontext einer verstärkt auf Zusammenarbeit bedachten Qualitätsanalyse „jetzt wirklich über Schulen sprechen darf“ (SFA3|76).

Dies könnte auch erklären, weshalb die Zusammenarbeit zwischen Qualitätsprüfer:innen und Schulaufsichtsbeamt:innen oder zwischen Schulaufsichtsbeamt:innen und Schulentwicklungsberater:innen offenbar eher in bestehende, vertrauensvolle Beziehungsgefüge eingebettet ist und diese verstetigt (vgl. Abschn. 7.2.3.2, Abschn. 7.2.3.3). Wie in Abschnitt 7.2.4 angedeutet, lässt sich folgern, dass sich aus den bestehenden Beziehungen gewissermaßen diejenigen Akteurskonstellationen formieren, die gemeinsam das veränderte Rückmeldeformat realisieren, wie das folgende Zitat illustriert:

Es gab durchaus auch Schulformaufsichten, nicht alle, also es gab die, die sehr offen waren, die sofort Interesse gezeigt haben und die signalisiert haben, ja, ich würde das gerne mit Dir ausprobieren, lass uns das machen. Und das waren auch die, mit denen man das dann aufbaut. Das ist ja auch sinnvoll. Es macht ja keinen Sinn für eine Schule, wenn der eine dagegen ist und der andere dafür. (QP3|77)

Wenn QP4 davon spricht, dass sich die „Zusammenarbeit intensiviert“ (QP4|90, vgl. u. a. Abschn. 7.2.2.1), ist gemäß obiger Argumentation die Verstärkung einer Kooperation anzunehmen, die bereits ohne verändertes Rückmeldeformat von Vertrauen und (relativer) Intensität zwischen den Akteuren der intermediären Ebene geprägt ist.

Unabhängig davon, inwiefern durch das veränderte Rückmeldeformat eine intensivierte Handlungskoordination (mit idealtypisch verbesserter Bearbeitung des Transferproblems) herbeigeführt wird, ist einzuwenden: Dadurch, dass dieses Format ein von der Schule frei wählbares Verfahrenselement ist, liegt die initiale Steuerung hierzu wiederum bei der Schule (vgl. Leitfigur Eigenverantwortlichkeit der Schule in Abschn. 8.1). Anders formuliert lassen sich systematische Übergabepunkte und eine intensivierte Handlungskoordination bei der Qualitätsanalyse auch in diesem Fall nur auf Wunsch der Schule realisieren.

Auch kann das Akteursgefüge in diesem veränderten Rückmeldeformat potenziell irritiert werden, was in einem Interview wie folgt geschildert wird:

Wenn im Grunde genommen Schulentwicklungsbegleiter in ihrer Neutralität und Unabhängigkeit parallel an einem Tag, ich sage mal, im gleichen Arbeitskontext mit Schulaufsicht [...] und dem [...] Qualitätsteam agiert, dann kann es natürlich sein, dass Türen auch zugesperrt werden oder dass wir in einen Topf geschmissen werden. (SEB4|24)

Insofern kommt es auch an dieser Stelle zur wechselseitigen Beobachtung und notwendigen Anpassungsprozessen an das Rollenhandeln anderer Akteure. So kann auf Grundlage des empirischen Materials hierzu herausgearbeitet werden, dass sich zwei der Schulentwicklungsberater:innen aktiv in den Prozess zur Erstellung der Zielvereinbarungen miteinbringen, indem sie die Schulen mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung beratend unterstützen (vgl. Abschn. 7.2.2.3). Eine solche Beratung bezüglich eines „Vorschlag[s] für eine mögliche Zielvereinbarung“ (SEB4|10) wird von den beiden Schulentwicklungsberater:innen insbesondere dann als notwendig erachtet, wenn das schulische Kollegium eine Beschäftigung mit eher „unangenehmen Erkenntnissen“ (SEB3|24) der Qualitätsanalyse scheut oder diese für sich selbst nicht zu bearbeiten weiß. Mit der in diesem Abschnitt beispielhaft diskutierten grenzüberschreitenden Koordination zwischen den Akteuren der intermediären Ebene kann die Abbildung 8.3 nun komplettiert werden. Sie zeigt nun die Gesamtheit der empirisch gefundenen und diskutierten Modi der Handlungskoordination in der Akteurskonstellation.

Abb. 8.3
figure 3

(eigene Darstellung)

Modi der Handlungskoordination in der gesamten Akteurskonstellation

Zusammengenommen lassen sich aus der Diskussion der Modi der Handlungskoordination im gesamten Abschnitt 8.2 verschiedene Ansatzpunkte für das Transferproblem von der „Verzahnung zwischen Schulinspektion und Schulentwicklungspraxis“ (Böttcher et al., 2013, S. 239, Herv. i. O.) extrahieren. Hierzu sollen an dieser Stelle die zentralen zwei Phänomene hervorgehoben werden, die zugleich für die nachfolgenden Überlegungen leitend sind: Durch die Dominanz „sanfter“ Steuerungsmodi, vornehmlich unter deren Deklaration als Unterstützung, kann eine für das Transferproblem notwendige qualitätsförderliche Passung zwischen einzelschulischer Eigenverantwortung und – dort, wo es notwendig ist – verbindlicher Entwicklungsprozesse, angezweifelt werden (vgl. Abschn. 8.2.1). Auch verbleibt die Interaktion im Modus der Unterstützung, wenn die Idee einer verstärkten Zusammenarbeit der Akteure, die als wichtig für eine nachhaltige Schul- und Unterrichtsentwicklung aufgrund von Schulinspektion angesehen wird, nur auf Entscheidung der Schule realisiert werden kann (vgl. Abschn. 8.2.2). Ferner hat sich gezeigt, dass diese Handlungskoordination – sofern sie denn von Schule angefordert wird – zwischen den intermediären Akteuren nicht in jedem Fall komplikationslos ist.

8.3 Weiterführende Überlegungen für Politik und Praxis

Die Analyse der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination war ebenso wie die Frage nach Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse in dieser Arbeit von Beginn an mit dem Anspruch nach einem Mehrwert für Politik und Praxis verbunden. Dieser sollte durch die Generierung nützlichen Wissens eingelöst werden, wobei damit nicht die Erwartungshaltung verbunden war, dass sich dieses „unmittelbar kraft Rationalität der Erkenntnis in den Beschluss von bildungspolitischen Maßnahmen umsetzen [ließe]“ (Meyer-Hesemann, 2008, S. 13; vgl. Heinrich, 2011). Die dargestellten und diskutierten Ergebnisse dürften deutlich gemacht haben, dass aufgrund des heterogenen Bildes der Handlungskoordination in der betrachteten Akteurskonstellation und einiger höchst unterschiedlicher Verbesserungsvorschläge keine eindeutigen „Handlungsrezepte“ ausgegeben werden können. Vielmehr scheint es angebracht, anhand des bisher Erarbeiteten begründete Überlegungen anzustellen, wie mancher Rollenkonflikt oder Umstand, der von den befragten Akteuren als optimierbar angesehen wurde, angegangen werden kann. Dies soll im Folgenden geschehen, wobei der Kontext nicht vergessen werden darf, im Rahmen dessen die Untersuchung stattgefunden hat.

Wollte man – wie schulpolitisch vielfach proklamiert – das Zusammenwirken der Akteure bei der Qualitätsanalyse tatsächlich erhöhen, müsste dieses Postulat zuallererst in Passung zu den Regelungsstrukturen, insbesondere den normativ festgeschriebenen Rollenerwartungen gesetzt werden. Anders formuliert: Es bedarf einer widerspruchsfreien Strategieformulierung für eine schnittstellenoptimierte Qualitätsanalyse. Denn wie in Abschnitt 8.2.2 deutlich wurde, sehen sich vor allem die Akteure der intermediären Ebene z. T. mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert, etwa die postulierte „Zusammenarbeit“ (QP4|90) auf der einen Seite und „klare Trennung“ (QP3|69) der Aufgabenbereiche sowie „Verschwiegenheitspflicht“ (SFA3|42) gegenüber der Schule auf der anderen Seite. Hieraus, so wurde diskutiert, entstehen Intra-Rollenkonflikte, die die Zusammenarbeit der Akteure beeinflussen oder im schlimmsten Fall verhindern können. In Anlehnung an die theoretischen Überlegungen von Schimank (2010) und Fend (2008) wird daher für eindeutige, in sich stimmige Rollenerwartungen der Akteure im Kontext der Qualitätsanalyse geworben, denn sie gehören als Teil der „institutionellen Regelungen zu den wichtigsten ‚Umwelten‘ der Aufgabenerfüllung“ (Fend, 2008, S. 175). Sind diese hinreichend klar definiert und miteinander vereinbar, können sie den Akteuren eine bessere Orientierung für ihr Handeln bieten (vgl. Abschn. 2.2). Mit dieser Überlegung geht es nicht darum, das Akteurshandeln auf das „Ausführen von Rollenvorschriften“ (Schulz-Schaeffer, 2018, S. 389) zu reduzieren, wohl aber um eine erhöhte Erwartungssicherheit, insbesondere für die Akteure der intermediären Ebene.

Die Untersuchung hat darüber hinaus gezeigt, dass das Zusammenwirken der Akteure etwa beim veränderten Rückmeldeformat durch unterschiedliche Einstellungen diesem Format gegenüber, auch innerhalb der jeweiligen Akteursgruppe, sowie durch individuelles Engagement begründet und in persönliche Beziehungsgefüge eingebettet ist (vgl. Abschn. 7.2.4). Gerade weil die Verzahnung und Kooperation zwischen Schule, Schulaufsicht und Unterstützungssystem immer wieder für eine nachhaltige Schul- und Unterrichtsentwicklung im Zuge von Schulinspektion betont wird (u. a. Diedrich, 2020; Gärtner, 2021), dürfte es weder gewollt noch sinnvoll sein, ihre Handlungskoordination derart den individuell agierenden Akteuren zu überlassen und damit in die Individualsphäre zu entrücken. Stattdessen müsste abermals die schulpolitische Führungsebene dafür Sorge tragen, dass die Akteure auf professionelle „Netzwerkstrukturen, die durch Informationsaustausch zur Erfahrungsakkumulation und Wissensvermehrung beitragen“ (Böttcher, 2016, S. 178), zurückgreifen können. Konkret sollte auf die kürzlich erfolgte landesweite Erarbeitung des Selbstverständnisses von Qualitätsanalyse und Schulaufsicht sowie der Schärfung und Sichtbarmachung der staatlichen Schulentwicklungsberatung konsequenterweise ein gemeinsamer Aushandlungs- und Reflexionsprozess für die Schnittstellenarbeit bei der Qualitätsanalyse folgen. Hierbei könnten genannte Akteure ihre Perspektiven abgleichen und systemische Verschränkungen des Unterstützungssystems bei der Qualitätsanalyse ausloten, auf die dann situationsangemessen zurückgegriffen werden kann. Denn es hat sich gezeigt, dass die Akteurskonstellationen, insbesondere auf der intermediären Ebene, „darauf angewiesen sind, dass sich die Beteiligten um eine intensive ‚Grenzarbeit‘ […] bemühen, in der wechselseitige Autonomieerhalts- und Expansionsbestrebungen in einen zielführenden Aushandlungsprozess überführt werden“ (Diedrich, 2020, S. 61). Ziel wäre es, das System des Nebeneinanders nicht partiell durch individuelles Engagement zu überwinden, sondern es durch gemeinsame Verständigungsprozesse in ein „normativ reguliertes Zusammenhandeln“ (Fend, 2008, S. 169, Herv. i. O.) zu heben. Damit könnte die Schnittstellenarbeit professionalisiert und letztlich den Schulen stärker signalisiert werden, dass das geeinte Unterstützungssystem „generell an einem Strang [zieht]“ (QP4|144).

Durch die mehrperspektivische Anlage der Untersuchung kann die hohe Arbeitsbelastung der nordrhein-westfälischen Schulformaufsicht für die Grundschulen, die offenbar auch die Aufgabenwahrnehmung im Zuge der Qualitätsanalyse beeinflusst, als robuster Befund gewertet werden (vgl. Abschn. 7.2.2.2). Beispielhaft steht das folgende Zitat, aus dem im Nachgang direkt zwei Empfehlungen abgleitet werden können:

Ich sitze jetzt hier Montag und Dienstag in [Kreis B], 25 Schulen, elf Schulträger; ich sitze von Mittwoch bis Freitag in [Kreis C], zehn Schulträger und ich habe selber 30 Schulen, für die ich verantwortlich bin; ich bin aber gleichzeitig die Stellengeneralistin, die Generalistin für Inklusion, übergreifend, auch für alle Schulformen. Und das zeigt einfach, wie die Zeit knapp bemessen ist. (SFA4|16)

Weil „mit steigender wahrgenommener Unterstützung durch Schulaufsicht bzw. Schulamt […] offensichtlich die Wahrscheinlichkeit der Initiierung von Schulentwicklungsmaßnahmen [steigt]“ (Böhm-Kasper et al., 2016b, S. 42), bedarf es hier dringend einer Entlastung. Angelehnt an die im Zitat geschilderten Problemlagen sollte zum einen die Personalausstattung durch Anreizsysteme verbessert und die Übertragung zusätzlicher, z. T. schulformübergreifender Generalien auf die Beamt:innen der unteren Schulaufsicht einer kritischen Prüfung unterzogen werden (Bogumil et al., 2016; vgl. Abschn. 3.2.1). Denn gerade weil Grundschulleitungen in NRW häufig alleine in der Leitungsverantwortung stehen (Hohberg, 2015) und ihre Schulen im Vergleich zu anderen Schulformen über eine geringere Anzahl an Funktionsstellen verfügen (Feldhoff et al., 2017), sind die Schulaufsichtsbeamt:innen hier in besonderem Maße gefragt. Zum anderen könnte darüber nachgedacht werden, in welchen schulaufsichtlichen Bereichen andere Instanzen unterstützend hinzukommen können oder ob und wenn ja, welche schulaufsichtlichen Aufgaben im Kontext der Qualitätsanalyse ausgelagert und anderen Systemen, etwa der staatlichen Schulentwicklungsberatung, übertragen werden können. Die z. T. bereits praktizierte stärkere Einbindung der Schulentwicklungsberater:innen bei der Vorbereitung der Zielvereinbarungen ist dahingehend ein erster Schritt (vgl. Abschn. 7.2.2.3). Das setzt allerdings voraus, dass die Schulentwicklungsberater:innen diesbezüglich weiter geschult werden, etwa in Bezug auf die „Interpretation dieser Ergebnisse“ (SEB3|42) und die Rollenerwartungen dahingehend modifiziert sowie Schnittstellen im geschützten Rahmen geklärt werden (siehe obige Überlegungen). Kurzum: „Ihre Beauftragung [muss sich] in die verbindliche Zielvereinbarung zwischen Schulaufsicht und Schule einbinden lassen“ (Jacobs, 2019, S. 88). Damit könnten sich die Schulaufsichtsbeamt:innen auch stärker auf ihre Rolle als Vermittler und Schnittstellenmanager fokussieren (E. D. Klein, 2021; Dobbelstein et al., 2020). Schließlich bedarf jede Schnittstellenarbeit – so auch die bei der Qualitätsanalyse – einer Orchestrierung, wenn sie zielorientiert sein soll (Luig & Böttcher, 2021). Dass diese Aufgabe derzeit eher situativ im Verlauf des Inspektionsverfahrens zwischen Schulleitung, QA-Team und Schulaufsicht ausgehandelt wird und wiederum von den beteiligten Personen abhängt, zeigen die Befunde dieser Studie (vgl. Abschn. 7.2.1).

In den vorgestellten Interviewergebnissen konnte darüber hinaus festgestellt werden, dass die befragten Qualitätsprüfer:innen, die Schulaufsichtsbeamt:innen sowie die Schulentwicklungsberater:innen diverse Beeinflussungsversuche unternehmen, die Akzeptanz der schulischen Akteure gegenüber der Qualitätsanalyse zu erhöhen (vgl. Abschn. 8.2.1). Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass die meisten Grundschulen in NRW bisher einmal inspiziert wurden und die Qualitätsanalyse dadurch eher den Charakter eines punktuellen Ereignisses erhält (vgl. Tab. 5.4). Auch wenn die Akzeptanz der Schulinspektion in der Steuerungsvorstellung einer Schulentwicklung durch Einsicht als wesentliches Vehikel für den Nutzen der Verfahren angesehen wird (vgl. Abschn. 2.3.1), binden die Maßnahmen des Vertrauensgewinns und der Vermittlung der Grundidee von Schulinspektion doch Ressourcen im laufenden Inspektionsprozess. Um diese Akzeptanz nachhaltiger und frühzeitiger aufbauen zu können, wäre erstens denkbar, dass die Schulaufsicht im Wissen um Schulen, welche „die Möglichkeiten der Qualitätsanalyse […] optimal genutzt [haben]“ (SFA3|2), vermittelnd tätig wird. Sie könnte der zu inspizierenden Schule die Möglichkeit geben, die bereits inspizierten Schulen für einen Erfahrungsaustausch zu kontaktieren. Wie in den Interviews deutlich wurde, scheint allerdings zweitens noch wichtiger, dass sich Schulleitungen und Lehrkräfte mit systemischer und datengestützter Schulentwicklung, dem Referenzrahmen Schulqualität, mit dem „Reden auch über Unterricht“ (QP3|45) sowie Ziel- und Maßnahmenplanung vertrauter machen. Solche Qualifizierungsprogramme könnten helfen, die Prozesssicherheit von schulischem Personal bei der Qualitätsanalyse zu erhöhen, Distanzen zu verringern und nicht zuletzt Handlungsressourcen der intermediären Akteure freizusetzen, die in konkrete fach- und themenspezifische Unterstützungsleistungen investiert werden könnten. Drittens und letztens wäre es notwendig, die Regelmäßigkeit der Analyse – wie vom Großteil der Interviewten gewünscht – zu sichern (vgl. Abschn. 7.3).

Ferner ist eine noch stärkere adaptive Ausgestaltung des Verfahrens sowie eine verbesserte Passung an schulspezifische Besonderheiten zu empfehlen (u. a. Feldhoff et al., 2017; Gärtner, 2021). Denn, was wiederholt deutlich geworden ist, ist der Umstand, dass Schulen über unterschiedliche Ausgangslagen und Entwicklungskapazitäten verfügen, verschiedene Erwartungen an die Qualitätsanalyse stellen und sich in ihrem Umgang mit dem Inspektionsergebnis sowie in der Wahrnehmung und den Wünschen von Unterstützungsleistungen unterscheiden.

Und so könnte es lohnenswert sein, die Prüfkriterien im schulspezifischen Tableau noch stärker schulformspezifisch auszurichten „und dann eben manches auch mutig zu lassen“ (SFA2|38), um so Themen gezielter in den Blick zu nehmen, die für Grundschulen als wesentliche Handlungsfelder identifiziert wurden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Bezirksregierungen die ihnen zur Verfügung gestellten Daten, etwa Qualitätsberichte, Zielvereinbarungen oder auch andere Evaluationsdaten, in gewissen Abständen dahingehend auswerten. Gleichzeitig sollte innerhalb eines solchen schulformspezifisch zugeschnittenen Tableaus der Fokus auf Unterricht gelegt werden und weiterhin die Möglichkeit für einzelschulspezifische Schwerpunktsetzungen bestehen. Dadurch würden erstens die Rückmeldungen differenzierter werden, was eine positive Auswirkung auf die Bereitschaft der schulischen Akteure haben dürfte, sich datenbasiert auf den Weg der weiteren Schulentwicklung zu machen (Schubert, 2013a). Zweitens könnten damit, wie in Berlin oder Hamburg, Standards und Schwellenwerte festgesetzt werden, die dann auch insgesamt eine „klare Sprechweise“ (QP1|73) in der Rückmeldung ermöglichen.

Darüber hinaus sollte geklärt werden, wie möglichst frühzeitig von den Qualitätsprüfer:innen erkannt werden kann, „welches Vorgehen den Erwartungen und Bedürfnissen der jeweiligen Schule am ehesten entspricht und wie dies im Inspektionsprozess implementiert werden kann“ (Feldhoff et al., 2017, S. 49). Weil in den Ergebnissen deutlich wurde, dass die Schulformaufsicht die in ihrer Zuständigkeit liegenden Grundschulen in der Regel gut kennen, sollte überlegt werden, inwiefern dieses Wissen bei der Auswahl der Schulen stärker genutzt werden kann. Ohne die Qualitätsanalyse instrumentalisieren zu wollen, könnten so „Schulen, die schlecht aufgestellt sind“ (QP1|79), eher und ggf. häufiger inspiziert werden. Wie Ehren et al. (2013) betonen, hat sich ein solches angepasstes Verfahren, das in den Niederlanden, England oder Schweden Anwendung findet, bewährt:

Inspectorates of Education that use differentiated inspections in addition to cyclical visits are expected to have greater impact on schools. The targeted approach allows a more efficient use of inspection resources, and allows some inspection resources to be redirected to support schools that are most in need of improvement. (S. 378)

Sinnvollerweise sollte hierbei die staatliche Schulentwicklungsberatung als „Prozesspartner ganz fest dazugehören“ (SFA4|62), die dann gemeinsam mit der Schulaufsicht und den Schulen einen verbindlichen und individuell zugeschnittenen Maßnahmenkatalog zur längerfristigen Unterstützung der Schulentwicklung festlegen (Diedrich, 2015a). Denn bisher „kommen – durch die Nachfrageorientierung […] – Schulen mit gravierenden Schwierigkeiten seltener in den Genuss von SEB [Schulentwicklungsberatung, Anm. d. A.], was Bildungsungleichheiten zwischen verschiedenen Schulstandorten potenziell erhöht“ (Altrichter et al., 2021, S. 404). Um Unterstützungsmaßnahmen also proaktiver anbieten und in einer gewissen Kontinuität realisieren zu können, wäre zum einen eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Schulaufsicht und staatlicher Schulentwicklungsberatung gefragt (siehe obige Überlegungen). Zum anderen müsste konsequenterweise über eine Erhöhung der Entlastungsstunden für staatliche Schulentwicklungsberater:innen oder sogar Abordnungen nachgedacht werden (vgl. Abschn. 7.3). Überdies wären solche Unterstützungsleistungen, „deren Inanspruchnahme nicht freiwillig ist“ (E. D. Klein, 2021, S. 198) bzw. dann nicht freiwillig sein sollte, im Anschluss an eine Qualitätsanalyse denkbar, wenn besondere Entwicklungsbedarfe diagnostiziert werden. Weil es von einigen Interviewten als aufschlussreich angesehen wird, sollten in einem solchen Fall die Schulentwicklungsberater:innen bereits beim Abstimmungsgespräch und bei der Rückmeldung teilnehmen (vgl. Abschn. 7.2.2.3).

Wer skeptisch darauf reagiert, dort, wo es notwendig erscheint, in die Eigenständigkeit der Einzelschule einzugreifen, dürfte sich womöglich von folgender gesamtsystemischer Betrachtungsweise inspirieren lassen, die ihren Ausgangspunkt bei dem von Böttcher und Luig (2020b) skizzierten Filialmodell nimmt. In diesem Modell, das sich an die Ausführungen von Garvin und Levesque (2008) anlehnt, wird die Vorstellung eines Filialunternehmens auf das Schulsystem übertragen, indem die Schulen als Filialen eines einheitlichen Unternehmens angesehen werden. Anders als in der derzeitigen auf Wettbewerb, Dezentralisierung und Ergebniskontrolle setzenden Steuerungsvorstellung (vgl. Abschn. 2.1), ist hier die Schulaufsicht als das mittlere Management

an der Einheitlichkeit der Angebots- und Leistungsprofile trotz spezifischer Umfelder der Filialen interessiert. Es investiert in Maßnahmen, die Herausforderung zu meistern, eine Balance zwischen Standardisierung – im Sinne eines verlässlichen und für alle Kunden [i. d. R. Schüler:innen, Anm. d. A.] qualitätsgesicherten Angebots – und gleichzeitiger Dezentralisierung herzustellen, in der Filialen nicht am Ende einer Befehlskaskade verortet sind und lediglich gehorchen dürfen. Ein Prinzip besteht darin, die Filialen systematisch im Sinne des Gesamtunternehmens zu stützen. (Böttcher & Luig, 2020b, S. 120 f.)

Ähnliche Überlegungen wurden schon in den 80er Jahren rund um die Diskussion zur Eigenständigkeit der Schule angestellt. Denn damals wurde die Aufgabe der Schulaufsicht auch darin gesehen, „bei einer größeren Variationsbreite der Programme und Profile einzelner Schulen weiterhin die Gleichwertigkeit ihrer pädagogischen Angebote und Abschlüsse [zu] sichern“ (Burkard, 1998, S. 156). Besagte Gleichwertigkeit sah der Deutsche Bildungsrat (1973) als „Bedingung der Chancengleichheit“ (S. 136) an, die seit Jahrzehnten diskutiert wird, aber bisher wenig Verbesserung erzielen konnte (aktuell u. a. Böttcher et al., 2022; Brockmann, 2021). Anhand des nachfolgenden Auszugs aus einem Interview dieser Arbeit zeigt sich überspitzt formuliert, dass heute die fehlende Gleichwertigkeit zwischen den Schulen von vornherein eher wissentlich hingenommen wird:

[Es] sind [...] drei Schulen oder vier Schulen in meiner Zuständigkeit, drei auf jeden Fall [...] in benachteiligter Lage, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben, dass die tatsächlich bei den Analyseergebnissen zu exorbitanten Ergebnissen kommen. Und das ist sicherlich etwas, das erlebe ich hier des Öfteren, nicht ausschließlich, aber diese Erlebnisse sind tatsächlich auch noch mal sehr, ich finde, sehr eindrücklich. Denn, ja, man würde ja vielleicht auch denken, diese Herausforderungen können einen ja auch überrollen und können ja vielleicht auch nicht zu bewältigen sein. Aber es gibt tatsächlich Möglichkeiten, denen zu begegnen. [...] Das ist einigen Schulen hier, gerade in benachteiligter Lage, wirklich gelungen. Und einigen auch nicht. Einige, die gehen auch wirklich an diesen Herausforderungen – die gehen am Stock damit und haben eben noch nicht die Ideen, wie es eventuell auch in die Umsetzung zu kriegen ist. (SFA1|20–24)

Hier schneiden offenbar Schulen bei der Qualitätsanalyse erwartungswidrig gut ab, weil es ihnen gelingt, auf die Herausforderungen ihrer Lage angemessen zu reagieren. Eine solche Ausrichtung auf beispielhafte Schulen dürfte nach Böttcher und Hogrebe (2008)

eher die Existenz von Leistungsdisparitäten zwischen den Schulen legitimieren, als dass sie Anstoß für eine allgemeine Qualitätsentwicklung ist. Wer die besseren von den schlechteren unterscheidet, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, zeigt nur, dass ‚das gute Lernen im schlechten System‘ möglich ist. (S. 25)

Das kann in einem so wichtigen System wie dem Bildungssystem nicht gewollt sein. Als Anstoß für gute Schule(n!) wird daher an verschiedenen Stellen das Prinzip „Ungleiches ungleich behandeln“, das aus gerechtigkeitstheoretischen Überlegungen bekannt ist, diskutiert. Es folgt der Idee, dass es bei unterschiedlichen Ausgangslagen legitim sein kann, Ressourcen ungleich zu verteilen, zur Zeit etwa mit Blick auf die Mittelzuweisung durch Sozialindizes oder die Verteilung der Bundesmittel nach Corona (El-Mafaalani, 2011; Sendzik, 2018; Fickermann & Hoffmann, 2021). Unter diesen Gesichtspunkten sind obige Überlegungen zu einer an den Ausgangslagen der Schulen noch stärker angepassten Qualitätsanalyse als Versuche einer (fairen) Ungleichbehandlung der Schulen zu lesen. Einschränkungen der Eigenständigkeit der Schulen, die sich im Bedarfsfall mit einem solchen Verfahren verbinden lassen müssen, sind dann auf Systemebene als Versuch zur Erreichung o. g. Balance und als Anstoß für eine gesamtsystemische Qualitätsentwicklung zu verstehen. Sicherlich bleibt diese Überlegung dahingehend zu prüfen, inwiefern eine Ungleichbehandlung im Rahmen der Qualitätsanalyse den benachteiligten Schulen tatsächlich zugutekommt.

Im Verfahren der Qualitätsanalyse obliegt die Überprüfung der Entwicklungsziele in erster Linie den Schulen (vgl. Abschn. 5.2.3). Einige der befragten Schulleitungen fehlt jedoch offenbar eine „Erfolgskontrolle“ (SL3|75). Daher wäre es ratsam, nach der Rückmeldung verstärkt gezielte Hinweise für interne Evaluationen zu geben. Ähnliches wird bereits in Hamburg oder Bayern praktiziert und könnte Schulen in ihrem „schulinternen Controlling“ (MSW, 2017a, S. 3) stärker unterstützen. Für das Herstellen von Verbindlichkeiten ist wiederum die Schulaufsicht zuständig. In den Interviews dieser Studie gibt es allerdings vereinzelt Hinweise darauf, dass „zu wenig Vereinbarungen und Verbindlichkeiten“ (SEB2|24) bestehen und einzelne Schulaufsichtsbeamt:innen der Steuerung über Zielvereinbarungen und deren Bilanzierung in den Jahresgesprächen nicht oder deutlich zeitverzögert nachkommen. Schulpolitisch Verantwortliche sollten daher in diesen Belangen eine Rechenschaftslegung der Schulaufsicht in Erwägung ziehen. Konkret könnte geprüft werden, ob die schulinspektionsbezogene Arbeit der Schulaufsicht über das einzelschulübergreifende Controlling, das planmäßig in den Führungsebenen der Schulabteilungen der Bezirksregierungen erfolgt, ausreichend im Blick ist (vgl. Abschn. 5.2.3). Denn schließlich ist die Schulaufsicht und auch ihre schulpolitische Führung ebenso mitverantwortlich für die Qualität und Entwicklung schulischer Arbeit wie die in ihrer Zuständigkeit liegenden Schulen. Genannte Überlegungen könnten einer durchgängigen Verantwortungsübernahme für Qualitätsentwicklung stärker Rechnung tragen und die Glaubwürdigkeit der Qualitätsanalyse stärken (Böttcher, 2019c; W. Fuchs, 2015b).

„Eine Handlungskoordination über Ziele und deren Überprüfung […] [stellt] eine Möglichkeit dar, die Beliebigkeit der Handlungen von Schulen stärker einzuschränken“ (Ackeren & Klein, 2020, S. 872; vgl. Abschn. 2.1). Wie in Abschnitt 8.2.1 diskutiert, schätzen jedoch einige der befragten Schulaufsichtsbeamt:innen die „eigene Einflussmöglichkeit als sehr gering“ (SFA3|22) ein. Wenn sie ihre Aufgabe gut erledigen wollen, müssen sie aber „mit den entsprechenden Verfügungsrechten ausgestattet sein“ (Böttcher, 2017d, S. 75). Daher gilt es zudem zu prüfen, ob a) die Handlungsmöglichkeiten der Schulaufsicht im Bedarfsfall ausreichen (Dürfen), ob b) die eher kontrollierenden Zugriffsmöglichkeiten angesichts des primär unterstützenden Rollenverständnis der Schulaufsicht in der Praxis auch (ausschöpfend) zum Einsatz kommen (Wollen) und ob c) sie diesbezüglich ausreichend qualifiziert sind (Können).

Dass die Tätigkeiten „Schule leiten, bewerten, beraten und (be)aufsichtigen […] jeweils eine spezifische Kompetenz und eine eigene Professionalität [erfordern]“ (Lohmann & Reißmann, 2007, S. 24), ist mehrfach thematisiert worden und endet häufig und auch aktuell wieder in der Forderung nach systematischer (Weiter-)Qualifizierung (u. a. Böttcher, 2019a; für Schulaufsicht Dobbelstein et al., 2020; für Schulleitungen Schwanenberg et al., 2020). Für die einzelnen Akteure wurden hier verschiedene Ansätze eingebracht. Gleichzeitig hat Kompetenz, so wurde jedoch zusammengenommen auch deutlich, etwas „mit Zuständigkeit und mit Fähigkeit und mit Bereitschaft [zu tun] und damit, dass Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft sich in Deckung befinden“ (Marquard, 1981, S. 24). Für jeden der betrachteten Akteure und ihre Handlungskoordination heißt das – und an dieser Stelle sei eine Zuspitzung erlaubt –: Die „Könner“ müssen sich beweisen und die „Woller“ engagieren dürfen. Wer noch nicht kann, aber will, der muss Wege finden, dazuzulernen. Und es muss Möglichkeiten geben, Wollen zu bewirken.