Nachdem im vorherigen Kapitel die bundeslandspezifische Betrachtung der Handlungskoordination begründet wurde, werden nun die konkreten Regelungsstrukturen dargelegt, die das Handeln der betrachteten Akteure speziell für Nordrhein-Westfalen rahmen. Dabei wird an das in Kapitel 2 erörterte Verständnis Neuer Schulsystemsteuerung und die Grundpfeiler der Schulinspektion in Deutschland angeknüpft. In diesem Kapitel werden bezugnehmend auf die §§ 86–91 im Schulgesetz Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) zum einen die behördliche Struktur der Schulaufsicht und das Verständnis ihres Steuerungsauftrags präzisiert wie auch aktuelle schulaufsichtliche Entwicklungen skizziert (Abschn. 5.1). Zum anderen wird das Schulinspektionsverfahren, die Qualitätsanalyse, hinsichtlich der Akteurskonstellation und ihrer Konzeption detailliert dargelegt (Abschn. 5.2).

5.1 Die Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen

Die Behördenstruktur der Schulaufsicht ist in Nordrhein-Westfalen ebenso wie in Bayern und Baden-Württemberg dreistufig gegliedert (Bott, 2019). Sie besteht aus dem Ministerium für Schule und Bildung (MSB), vormals Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW), als oberste Schulaufsichtsbehörde, den Schulabteilungen der fünf Bezirksregierungen als obere Schulaufsichtsbehörde und den derzeit 53 Schulämtern als untere Schulaufsichtsbehörde (vgl. Tab. 5.1) Die Schulaufsichtsbehörden stehen in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander und nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr. Während das Ministerium politische Grundsatzentscheidungen und landeseinheitliche Regelungen für die Schulverwaltung und das gesamte Schulwesen trifft, üben die Schulabteilungen der fünf Bezirksregierungen die Schulaufsicht über die in ihrem Regierungsbezirk liegenden Schulen aus. Es hält sich bis heute eine schulformbezogene Trennung der Dezernate und eine organisatorisch ausdifferenzierte Verwaltungsstruktur, der entsprechend variierende Zuständigkeiten hinsichtlich der zu beaufsichtigenden Schulformen zugrundliegen. Während die oberen Schulaufsichtsbehörden die schulfachliche Aufsicht über die weiterführenden Schulen sowie die Dienstaufsicht über Haupt- und Förderschulen realisiert, nehmen die staatlichen SchulämterFootnote 1 als untere Schulaufsichtsbehörden, die bei den Kreisen und kreisfreien Städten angesiedelt sind, die erstinstanzliche Aufsicht über die Grundschulen sowie die Fachaufsicht über die Haupt- und Förderschulen wahr (§ 88 Abs. 1–3 SchulG NRW; Bogumil et al., 2016; Böttcher & Luig, 2020; Jülich & Fehrmann, 2014; Röken, 2011; Gillner & Heckl, 2015). Nach § 87 Abs. 1 SchulG NRW sind die zuständigen Schulaufsichtsbeamt:innen hauptamtlich tätig und schulfachlich vorgebildet, das heißt sie verfügen in der Regel über langjährige schulpraktische Vorerfahrungen.

Tab. 5.1 Aufbau der Schulaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen in Anlehnung an Böttcher & Luig (2020b, S. 111)

Für NRW kann eine mittlerweile langjährige und breite Debatte über Kernaufgaben, Schlüsselkompetenzen, Leitbilder und Grundprinzipien der Schulaufsicht ausgemacht werden, in der seit geraumer Zeit eine neue schulpolitische Dynamik einsetzt. Dass der Begriff Schulaufsicht in NRW verwaltungs- und schulrechtlich auch einem „Bedeutungswandel“ (Füssel, 2010, S. 180) unterlag, zeigt sich insbesondere im § 86 Abs. 3 SchulG NRW. Dieser Absatz besagt, dass die Schulaufsichtsbehörden „die Schulentwicklung […] durch Verfahren der Systemberatung und der Förderung von Evaluationsmaßnahmen der Schulen […] sowie durch eigene Evaluation [unterstützen] […]. Dabei sollen sie die Eigenverantwortung der einzelnen Schulen […] beachten“ (§ 86 Abs. 3 SchulG NRW). Damit fanden zwei wesentliche Entwicklungslinien Neuer Schulsystemsteuerung, die in Abschnitt 2.1 erörtert wurden, schulgesetzlich Eingang in die nordrhein-westfälischen Landesbestimmungen. Weiter heißt es, dass sich Schulaufsicht in NRW als „systemische Aufsicht“ (MSW, 2009c, S. 3, Herv. i. O.) versteht, die sich an der Schule als System orientiert und der „Philosophie der qualitätsorientierten Selbststeuerung [folgt]“ (MSW, 2009c, S. 3; vgl. Heckel & Avenarius, 2000; Jülich & Fehrmann, 2014).

Begleitet wurden und werden diese Entwicklungen von kontroversen Diskussionen zu den Missständen in der nordrhein-westfälischen Schulaufsicht, v. a. die Zuspitzung der prekären und überlasteten Arbeitssituation durch das überfrachtete und unterbestimmte Aufgabenrepertoire (Heinemann, 2020; Hund & Lücke-Deckert, 2015). Beispielsweise bliebe „kaum Zeit für die Beratung und Unterstützung der Schulen“ (Freund, 2016, S. 39) und es gäbe „zunehmende Schnittstellenprobleme“ (VSNW, 2019, S. 8). Auch finden sich etliche Entwürfe zu Anforderungsprofilen und Handlungsfeldern für die zukünftige Schulaufsicht, die Ausdruck des Versuchs sind, ein neues Steuerungsverständnis grundzulegen.Footnote 2 Ebenso mangelt es auch hierzulande nicht an Vorschlägen zu strukturellen Veränderungen (IPG Bericht, 1991; Orth, 1993; Bildungskommission NRW, 1995; Koetz & Jaschke, 1994 auch als Kienbaum-Gutachten bekannt; Kuhn, 2017; Bogumil et al., 2016).Footnote 3 Statt den vielfach geforderten Ausbau der Schulaufsicht zu realisieren, wurde in den letzten Jahren allerdings eher Umbau und personeller Rückbau betrieben (Heinemann, 2017; Klask, 2014; Treichel, 2017; Weitzel, 2015). In der Folge geriet nach Heinemann (2020) schulaufsichtliches Agieren „in den Schlagschatten der selbstständigen Schule“ (S. 13; vgl. auch Abschn. 2.1). Und so wird seit mehr als 30 Jahren bemängelt, dass es in NRW keine „wirksamen aufgabenkritischen Reform der Schulaufsicht gegeben [hat]“ (W. Fuchs, 2015b, S. 264; vgl. Ennuschat, 2017; Röken, 2016).

Nachdem ein wissenschaftliches Gutachten zur Weiterentwicklung der Schulverwaltung des Landes NRW von Bogumil et al. (2016) die Brisanz des Missverhältnisses zwischen schulgesetzlichem Auftrag der Schulaufsicht und ihrer praktischen Wirklichkeit abermals bestätigte (vgl. Abschn. 3.2.1), fand das Thema kürzlich nun auch Eingang in die schulpolitische Agenda der nordrhein-westfälischen Landesregierung. So wurde eine im Ministerium für Schule und Bildung initiierte ProjektgruppeFootnote 4 Weiterentwicklung der Schulaufsicht in NRW unter der Leitung des leitenden Ministerialrats Joachim Fehrmann 2019 damit beauftragt, die Reformprozesse der Schulaufsicht von 2005–2009 wieder aufzunehmen und weiterzuführen. Angesichts der skizzierten Herausforderungen ist es nicht verwunderlich, dass sich die Projektgruppe konkret folgenden fünf Handlungsfeldern widmet:

  1. 1.

    Klären von Aufgaben und Rolle der Schulaufsicht

  2. 2.

    Strukturen der unteren Schulaufsicht

  3. 3.

    Obere Schulaufsicht – innere Struktur der Abteilung 4 der Bezirksregierungen

  4. 4.

    Personalbemessung angesichts der zu bewältigenden Aufgaben

  5. 5.

    Personalentwicklung, Qualität und Fortbildung von SchulaufsichtFootnote 5 (VSNW, 2020, S. 3)

Bis heute bleibt offen, inwiefern damit das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel „die Schulaufsicht wird weiterentwickelt“ (NRWKoalition, 2017, S. 7) tatsächlich eingelöst werden kann und ob schließlich die erdachte Neuordnung und Neuausrichtung den gewünschten Erfolg bringt. Hier wäre eine Evaluation schulaufsichtlicher Arbeit, wie Böttcher (2019c) sie vorschlägt, durchaus zu begrüßen. Denn die Tatsache, dass die zur Gewährleistung des Schulsystems beauftragten staatlichen Schulaufsichtsbehörden keinem Controlling unterliegen, ist wenig nachvollziehbar angesichts der Rechenschaftspflicht, die in Form von Schulinspektionen geradewegs an die Einzelschule durchgereicht wird (W. Fuchs, 2015b).

5.2 Das Inspektionsverfahren in Nordrhein-Westfalen

In diesem Kapitel erfolgt nun ein detaillierter Blick auf das Verfahren der Qualitätsanalyse, im Kontext dessen die Modi der Handlungskoordination in dieser Arbeit analysiert werden sollen. Neben der Zielsetzung der Qualitätsanalyse geht es zunächst um die formal festgelegten Aufgaben der zu betrachtenden Akteure (Abschn. 5.2.1). Dies wird sodann ergänzt um die Grundlagen und Methoden der Bewertung (Abschn. 5.2.2) und eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens (Abschn. 5.2.3). Zuletzt wird ein kritischer Blick auf die Berichterstattung und aktuelle Zahlen von bisher inspizierten Schulen in NRW geworfen (Abschn. 5.2.4). Wie alle Schulinspektionsverfahren ist auch die Qualitätsanalyse einer hohen schulpolitischen Dynamik unterworfen und befindet sich in einem stetigen Transformationsprozess. Nachfolgende Ausführungen müssen sich auf den Stand bei der Durchführung der Studie im Schuljahr 2018/19 beschränken.Footnote 6

5.2.1 Zielsetzung und Akteurskonstellation

Die Qualitätsanalyse wurde als eine zentrale Reformmaßnahme zur Sicherung und Entwicklung schulischer Qualität mit der Schulgesetzänderung vom 27.06.2006 flächendeckend in NRW eingeführt (u. a. Amonat, 2008; Int-Veen, 2008; Thürmann, 2007 vgl. auch Abschn. 2.1). Seither befindet sich das Verfahren im Regelbetrieb und wurde seit 2013 neu ausgerichtet (Jäger, 2013; Jäger & Bergweiler-Priester, 2015; Jäger & Hahn, 2017). Von der Neuausrichtung unberührt blieb die Zielsetzung des Verfahrens, welche damals wie heute im § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Qualitätsanalyse an Schulen in Nordrhein-Westfalen (QA-VO) folgendermaßen definiert ist:

Qualitätsanalyse dient dem Ziel, die Qualität von Schulen zu sichern und nachhaltige Impulse für deren Weiterentwicklung zu geben. Dazu liefert sie detaillierte Kenntnisse über die Qualität der einzelnen Schulen und darüber hinaus über die Qualität des nordrhein-westfälischen Schulsystems insgesamt. […] Die Ergebnisse sollen für gezielte Maßnahmen der Qualitätsverbesserung in den einzelnen Schulen sowie für entsprechende Unterstützungsleistungen der Schulaufsichtsbehörden und Steuerungsmaßnahmen des Ministeriums genutzt werden.

In diesem Ausschnitt kann entsprechend der in Abschnitt 2.3.1 diskutierten funktionalen Multivarianz von Schulinspektion eine ausgeprägte Unterstützungs- und Erkenntnisfunktion für die Einzelschule als auch eine „Qualitätssicherungsfunktion im Rahmen staatlicher Gewährleistungsverantwortung“ (Maritzen, 2006, S. 8) ausgemacht werden. Seit der Neuausrichtung erhebt das Verfahren jedoch deutlicher als zuvor den Anspruch, die Erkenntnisse über die Qualität einer Schule in Schulentwicklung überführen zu wollen und das Verfahren „stärker als Unterstützungsinstrument zu etablieren“ (MSW, 2016, S. 8). Beispielsweise wird proklamiert, dass „das ‚Denken von der Schule aus‘ […] für das Verfahren der Qualitätsanalyse grundlegend [ist] und […] die Eigenverantwortung der jeweiligen Schule [stärkt]“ (MSW, 2017b, S. 3). Ebenso soll Transparenz, Dialog und die Zusammenarbeit zwischen relevanten Akteuren mehr an Bedeutung gewinnen (vgl. Abschn. 2.3.2).

Als Akteurskonstellation wird in dieser Arbeit eine „gemischte Gruppe“ (Brüsemeister, 2012a, S. 31) angesehen. Diese besteht - wie der Abbildung 5.1 zu entnehmen ist - aus Akteuren der Schulleitung, der Schulaufsicht, der Schulentwicklungsberatung und der Qualitätsanalyse. Mit welchem Auftrag die jeweiligen Akteure in dieser Konstellation formal betraut sind, soll im Nachfolgenden thematisiert werden.

Abb. 5.1
figure 1

Akteurskonstellation bei der Qualitätsanalyse in Anlehnung an Diedrich (2020, S. 48)

Begonnen wird mit den Qualitätsprüfer:innen, die im Team dafür eingesetzt werden, die Qualitätsanalysen durchzuführen, d. h. die Qualität und die Verbesserungspotentiale der Schule auf Grundlage eines standardisierten Qualitätstableaus zu ermitteln (vgl. Abschn. 5.2.2). Sie gehören dem Dezernat 4Q an, welches 2006 im Zuge der Einführung der Qualitätsanalyse eingerichtet wurde und seither für Qualitätsanalysen an allen Schulformen zuständig ist. Es ist als eigenes Dezernat auf der oberen Schulaufsichtsebene verortet und damit schul- und verfassungsrechtlich Teil von Schulaufsicht, aber dennoch institutionell von anderen schulaufsichtlichen Instanzen abgegrenzt (MSW, 2006; Rürup, 2008; vgl. Abschn. 5.1). Ein QA-Team besteht aus mindestens zwei qualifizierten Qualitätsprüfer:innen, von denen mindestens einer bzw. eine die Lehramtsbefähigung für die besuchte Schulform besitzt und entsprechend das Team leitet (§§ 1,2 Abs. 2 QA-VO).Footnote 7 Im Schuljahr 2018/19 waren insgesamt 83 Stellen für Qualitätsprüfer:innen in den Dezernaten 4Q der Bezirksregierungen besetzt, von ihnen besaßen 36 die Lehramtsbefähigung für die Grundschule. Gemäß § 2 Abs. 1 QA-VO sind die Mitarbeitenden im Dezernat 4Q bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und der Bewertung der Schulen nicht an Weisungen gebunden und können bezirksübergreifend eingesetzt werden (vgl. auch § 86 Abs. 5 SchulG NRW). Ihre Rolle ist insbesondere in Abgrenzung zu anderen Akteuren dadurch definiert, dass sie ausschließlich Aufgaben der Qualitätsanalyse wahrnehmen. Ihnen werden nach § 1 Abs. 3 QA-VO keine weitgehenden schulaufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse übertragen und es gehört insbesondere nicht zu den Aufgaben der Qualitätsprüfer:innen, die Schulen in konkreter Weise zu beraten. Zusammenfassend sind sie personell wie funktionell von der zuständigen Schulaufsicht getrennt und damit „weder klassische Schulaufsicht noch Schulentwicklungsberaterinnen und -berater“ (MSW, 2016, S. 11).

Schulaufsichtsbeamt:innen nehmen in ihrer Funktion als zuständige Schulformaufsicht nach § 1 Abs. 3 QA-VO beratende Tätigkeiten im Kontext der Qualitätsanalyse wahr (vgl. Abschn. 5.1). Neben den Absprachen mit der Schulleitung im Zuge des Zielvereinbarungsprozesses im Nachgang der Analyse sind sie seit der Neuausrichtung auch im Vorfeld des Schulbesuchs zur Unterstützung schulischer Entwicklungsvorhaben und zu Beratungszwecken eingebunden. Ferner vergewissern sie sich über die Umsetzung der Zielvereinbarungen und unterstützen die Schulen auf Anfrage in der Qualitätsentwicklung (MSW, 2009c; Jäger & Bergweiler-Priester, 2015; im Bundeslandvergleich siehe Abschn. 2.3.2 sowie Tab. 3.2).

Im Sinne der postulierten eigenverantwortlichen Schule, „liegt die Initiative für die der Qualitätsanalyse folgenden und auf ihr beruhenden Schulentwicklung bei der Schule“ (Homeier, 2008, S. 133). Der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter kommt dabei eine besondere Aufgabe zu, da sie oder er für die schulinternen Prozesse der Auswertung des Qualitätsberichts verantwortlich ist und vermittelnd sowohl zwischen schulischen Gruppen auf der Mesoebene als auch zwischen Einzelschulebene und Schulaufsicht tätig ist (vgl. Abschn. 2.2 sowie Abb. 2.1). Entsprechend stellt

diese oder dieser [...] der Schulaufsichtsbehörde die aus der Sicht der Schule erforderlichen Sicherungs- und Entwicklungsaufgaben dar und trifft mit ihr die notwendigen Absprachen. Sie oder er schließt dazu mit der Schulaufsichtsbehörde eine Zielvereinbarung ab, die der Mitwirkung der Schulkonferenz bedarf (§ 65 Abs. 2 Nr. 2 Schulgesetz), und berichtet der Schulaufsichtsbehörde im Rahmen eines Controllings über die Ergebnisse der Umsetzung. (§ 3, Abs. 10, QA-VO)

Unterstützung für systemische Entwicklungsprozesse oder bei der Fort- und Weiterbildungsplanung kann die Schule auf Anfrage von den staatlichen Schulentwicklungsberater:innen erhalten, die in NRW bei den KompetenzteamsFootnote 8 verortet sind. Die Beratenden sind teilfreigestellte Lehrkräfte oder Schulleitungsmitglieder, die in obiger Funktion landesweit und federführend durch die Ausbildungstrainer:innen der Bezirksregierung Arnsberg ausgebildet wurden. Das von ihnen unterbreitete Abrufangebot stellt ein ganzheitliches an die Schule als System adressiertes, modulares Unterstützungsangebot zur Arbeit mit dem Qualitätsbericht dar, welches sich nach den schulischen Bedarfen orientiert (Bezirksregierung Münster, 2019; MSW, 2014, 2017a). Ferner heißt es, dass die Schulentwicklungsberater:innen

in gemeinsamer Verantwortung und auf der Basis definierter Zuständigkeiten in einem transparenten Prozess mit der jeweiligen schulfachlichen Aufsicht, der Qualitätsanalyse und anderen Fortbildungsakteuren in den Fortbildungsprogrammen der Kompetenzteams NRW [kooperieren]. (MSW, 2014, Anlage 4, Teil I)

Bevor in Abschnitt 5.2.3 erläutert wird, wie das mehrebenenübergreifende Zusammenwirken der Akteure verfahrenstechnisch verankert ist, sollen vorab das Qualitätsverständnis, die Methoden zur Erfassung schulischer Qualität und die Formen der Bewertung skizziert werden.

5.2.2 Bewertung: Von Normierung und Methode zum Qualitätsurteil

Landesweite Verständigungsgrundlage über Dimensionen von Schul- und Unterrichtsqualität ist das standardisierte Qualitätstableau NRW. Es dient nach § 3 Abs. 6 QA-VO als Bezugsrahmen für alle Bewertungen in der Qualitätsanalyse und beinhaltet entsprechend „Erwartungen an die Qualität von Schule und Unterricht“ (Kotthoff & Böttcher, 2010, S. 296; vgl. MSW, 2016). Diese basieren auf dem Referenzrahmen Schulqualität NRW, der das gemeinsame Qualitätsverständnis von Schulen in NRW abbildet.

Das Qualitätstableau, welches in dieser Form vom Schuljahr 2017/18 bis 01. Februar 2022 im Einsatz war, ist in folgende drei Inhaltsbereich unterteilt: Lehren und Lernen, Schulkultur sowie Führung und Management. Hierunter subsummieren sich von abermals 150 nunmehr 37 obligatorische und 42 von der Schule auszuwählende, fakultative Prüfkriterien. Die verpflichtenden Prüfkriterien sind im Qualitätstableau gelb markiert und auf den Schwerpunkt Unterricht im Kontext von Heterogenität ausgerichtet (Jäger & Hahn, 2017; MSW, 2017e). Die Kernelemente der Bewertung sind der Unterricht, das Leitungshandeln, Maßnahmen zum schulinternen Qualitätsmanagement u. a. Schulprogrammarbeit, schulische Evaluation sowie Maßnahmen- und Fortbildungsplanung (Jäger, 2013).

Mit der Offenlegung der Prüfkriterien wird – wie in Abschnitt 2.3.1 herausgestellt – auch beabsichtigt, eine normative Wirkung des Steuerungsinstruments Schulinspektion zu entfalten (u. a. Dobbelstein, 2008; Gärtner, 2017). Allerdings ließe sich zumindest darüber streiten, inwiefern das Qualitätstableau als „präskriptives Qualitätsschema“ (Avenarius, 2008, S. 133) im Einklang mit der postulierten schulischen Eigenverantwortung stehen oder „konkrete Anhaltspunkte für die eigene Schulentwicklung im Vorfeld der Qualitätsanalyse“ (Amonat, 2008, S. 54) liefern kann. Denn obschon die Erläuterung der Analysekriterien sowohl eine „Beschreibung des zu erwartenden Regelverhaltens der Beteiligten in Schule“ (Wey, 2008, S. 74) als auch eine „Bewertungsvorschrift für die Evaluatoren“ (Wey, 2008, S. 74) enthält, müssen die entsprechenden Setzungen dennoch situativ interpretiert werden (vgl. auch Middendorf, 2014).Footnote 9 Diese Maßstäbe der Bewertung seien nach Hense & Böttcher (2019) „häufig vage und wenig transparent“ (S. 173) und auch Wey (2008) betont, dass beispielsweise aus der Dimension 2.10 Lernklima und Motivation eindeutig hervorgehen müsste, „was unter einer positiven Atmosphäre zu verstehen ist, damit die Standards nachvollziehbar und damit kritikfähig begründet werden“ (S. 72, Herv. i. O.; vgl. MSW, 2017e).

Die auf dem Qualitätstableau basierenden Bewertungen der Schulen erfolgen nach § 3 Abs. 4 QA-VO auf Grundlage standardisierter Methoden und einheitlicher Instrumente. Darunter fallen neben den Unterrichtsbeobachtungen, die den wesentlichen Schwerpunkt der Qualitätsanalyse darstellen, Interviews sowie die Analyse von Leistungs- und Entwicklungsdaten, weiteren Dokumenten der Schule und ein fakultativer Schulrundgang. Im Rahmen des Schulbesuchs besuchen die Qualitätsprüfer:innen den Unterricht im Umfang von 20 Minuten von mindestens der Hälfte der Lehrkräfte und bewerten diesen mittels eines UnterrichtsbeobachtungsbogensFootnote 10. Die Unterrichtsbesuche sind so organisiert, dass „unterschiedliche Jahrgänge, schulformspezifische Strukturen und der Wochenstundenanteil der einzelnen Fächer angemessen berücksichtigt werden“ (MSW, 2009b, S. 9). Der standardisierte und seit dem Schuljahr 2013/14 überarbeitete Unterrichtsbeobachtungsbogen umfasst u. a. zwölf beobachtbare Prozessdimensionen (U1 – U12) mit insgesamt 36 Indikatoren und einer bipolaren Ratingskala. Wird ein Indikator im Unterricht aus Sicht der Beurteilenden in guter Qualität beobachtet, wird dieser mit trifft zu bewertet, anderenfalls mit trifft nicht zu. In die Bewertung fließen neben den direkt zu beobachtenden Unterrichtsaktivitäten, auch Einschätzungen aus der Einsicht in Arbeitsmaterialien oder aus Aussagen der am Unterricht Beteiligten ein (MSW, 2017c). Die Tabelle 5.2 zeigt einen Auszug aus dem Unterrichtsbeobachtungsbogen.

Tab. 5.2 Auszug aus dem Unterrichtsbeobachtungsbogen (MSW, 2017f, S. 1)

Neben den Einschätzungen zu den zwölf Prozessdimensionen sind Bewertungen zu den verwendeten Medien bzw. Arbeitsmitteln, den Zeitanteilen und Funktionen der Sozialformen sowie Einschätzungen über Anforderungsbereiche und Aufgabenart vorzunehmen. Insgesamt enthält die Rückmeldung zu den Analysekriterien, die sich aus den Ergebnissen der Unterrichtsbeobachtungen ergeben, keine Bewertung über die Lehrkraft, sondern Aussagen darüber, wie häufig und in welchem prozentualen Anteil ein Merkmal beobachtet wurde (MSW, 2017e).

Wie erwähnt werden neben den Unterrichtsbeobachtungen auch leitfadengestützte Interviews geführt. Es werden jeweils separat Schulleitung sowie ausgewählte Lehrkräfte, Erziehungsberechtigte, Schüler:innen, Personen des nicht lehrenden Personal (z. B. Personal des Offenen Ganztags) und andere Beteiligten, etwa duale Partner bei Berufskollegs, befragt. „Schwerpunkte der Interviews sind die konkreten Erfahrungen, die Beteiligungsmöglichkeiten und die Erwartungen der jeweiligen Personengruppe in Bezug auf das Leben und Lernen an der einzelnen Schule“ (MSW, 2017b, S. 8).

Schließlich werden die gesammelten Daten aggregiert und in einem standardisierten Qualitätsbericht zusammengefasst, der nach § 1 Abs. 4 QA-VO an die Schule, primär an die Schulleitung, sowie die zuständige Schulaufsichtsbehörde und den Schulträger adressiert ist (vgl. auch Spichal, 2008). Der Bericht enthält Rückmeldungen zu den verpflichtenden sowie schulspezifischen Analysekriterien und kombiniert „die Darstellung von Daten und Bewertungen aus dem Analyseverfahren mit impulsgebenden Hinweisen. Er stellt Bezüge zu den Themen und Fragestellungen der Schule her und zeigt systemische Zusammenhänge auf“ (MSW, 2017b, S. 9). In dieser Form zielt der Bericht darauf ab, neben Stärken der Schule auch Entwicklungspotentiale aufzuzeigen und so „Ansatzpunkte für Schul- und Unterrichtsentwicklung [zu] bieten“ (Dobbelstein, 2008, S. 89). Er ist ferner so aufbereitet, dass er den „von einer Schule erreichten Grad der Erfüllung einer Norm durch die Kombinationen qualitativer und quantitativer Anteile“ (Wey, 2008, S. 72 f.) darstellt. Mit Ausnahme der Darstellung der Erfüllungsgrade aus den Unterrichtsbeobachtungen wird die Bewertung der Kriterien größtenteils mit einer vierstufigen Skala (+ + bis − −) vorgenommen (vgl. Tab. 5.3).

Tab. 5.3 Vierstufige Bewertung für die Kriterien der Qualitätsanalyse in Anlehnung an MSW  (2016, S. 24)

Nachdem die Zielsetzung der Qualitätsanalyse und die Zuständigkeiten der Akteure in Abschnitt 5.2.1 benannt und hier Grundlagen der Bewertung skizziert wurden, kann nun im Detail die Verfahrensbeschreibung mit besonderem Augenmerk auf die Schnittstellen der Akteure folgen.

5.2.3 Das Verfahren: Vorphase, Hauptphase und Zielvereinbarungsprozess

Das neu ausgerichtete Verfahren der Qualitätsanalyse besteht landesweit seit Beginn des Schuljahres 2014/15 aus einer bewertungsfreien Vorphase, einer Hauptphase und einem sich anschließenden Zielvereinbarungsprozess. Die Vorphase dient der schulischen Vorbereitung auf den in der Hauptphase stattfindenden Schulbesuch, bei dem das QA-Team die Qualität der Schule auf Grundlage des Qualitätstableaus ermittelt und den Qualitätsbericht verfasst. Darauffolgend schließt die Schule mit der zuständigen Schulformaufsicht Zielvereinbarungen für schulische Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung (Jäger, 2013; Jäger & Bergweiler-Priester, 2015; Jäger & Hahn, 2017; MSW, 2016). Die Abbildung 5.2 stellt den Verfahrensablauf zunächst grafisch dar, bevor er anschließend detailliert beschrieben wird.

Abb. 5.2
figure 2

Ablauf der Qualitätsanalyse und des Zielvereinbarungsprozesses in Anlehnung an Jäger & Bergweiler-Priester (2015) und MSW  (2016)

Die Qualitätsanalyse wird verpflichtend an allen öffentlichen Schulen durchgeführt und kann an Schulen in freier Trägerschaft auf Antrag des Ersatzschulträgers erfolgen (§§ 3 Abs. 1, 4 QA-VO). Eine Schule kann sich entweder freiwillig für eine Qualitätsanalyse melden oder wird von den Qualitätsprüfer:innen in Abstimmung mit der zuständigen Schulaufsicht ausgewählt (MSW, 2016). Anschließend leitet das QA-Team das Verfahren mit der Erstinformation an die Schule sowie der Unterrichtung der Schulaufsicht, des Schulträgers und der Bezirksschwerbehindertenvertretung ein (MSW, 2017b; § 3 Abs. 2 QA-VO).

Im weiteren Verlauf koordiniert die Leitung des QA-Teams die Termine für das Vor- und Abstimmungsgespräch mit der Schulleitung, und der Schulaufsicht und klärt mit ihnen Verfahrensfragen. Ferner erhält die Schule das von ihr zu bearbeitende PortfolioFootnote 11 zur Darstellung der Schule und einen Zugang zum technischen Unterstützungssystem der Qualitätsanalyse NRW (TUQAN), welches seit dem Schuljahr 2017/18 in Form einer digitalen Akte dem Austausch von Dokumenten zwischen Schule und QA-Team dient (MSW, 2017b; Jäger & Hahn, 2017). Kernelemente der Vorphase bilden das Vorgespräch, das Abstimmungsgespräch sowie eine bewertungsfreie Entwicklungszeit von bis zu zwei Jahren. Diese Elemente zielen durch systematische Einbindung der Akteure auf „die Unterstützung der eigenverantwortlichen Schulentwicklung, die Stärkung der schulinternen Evaluation und die Entwicklung der Zusammenarbeit von Schule, Dezernat 4Q, Schulformaufsicht und Fortbildung“ (MSW, 2017b, S. 4; vgl. Abschn. 5.2.1).

Das Vorgespräch mit der Leitung des QA-Teams, der Schulleitung und ggf. der Schulaufsicht dient der weiteren Planung der Qualitätsanalyse und dem Austausch über den aktuellen Stand der Schulentwicklung. Es erfolgt innerhalb von drei Schulwochen nach der schriftlichen Erstinformation. Aufgabe der Schulleitung ist es gemäß § 3 Abs. 3 QA-VO anschließend, die Vorbereitung der schulischen Gruppen (Schüler:innen, Erziehungsberechtigte, Lehrkräfte, ggf. nicht lehrendes Personal, Duale Partner oder Fortbildungspersonen), auf das Abstimmungsgespräch und anschließend auf den Schulbesuch zu sichern (vgl. Abschn. 5.2.1). Zu diesem Zweck erhält sie von dem QA-Team weitere Materialien (u. a. Reflexionsbogen für die Schulleitung, Qualitätstableau). Diese Dokumente sollen der Schule eine eigene Standortbestimmung zu verschiedenen Aspekten der Schulqualität transparent machen und eine mögliche schulinterne Evaluation im Vorfeld des Schulbesuchs unterstützen. Ziel ist es, schuleigene Themen und Fragestellungen ausfindig zu machen, für welche die schulischen Akteure eine datenbasierte Rückmeldung im Rahmen der Qualitätsanalyse wünschen, um damit schuleigene Qualitätsansprüche im Analyseverfahren stärker zu berücksichtigen (MSW, 2017b).

Das Abstimmungsgespräch findet auf Einladung der Schulleitung etwa zwölf Schulwochen nach der Erstinformation statt. Hierzu sind das QA-Team, Vertretungen der schulischen Gruppen, die Schulaufsicht sowie ggf. der Schulträger sowie Vertreter:innen des Offenen Ganztags, der Dualen Partner oder der Fortbildung eingeladen. Es dient der gemeinsamen Vorbereitung auf die Hauptphase, der Entscheidung über Schwerpunkte der Analyse durch die Auswahl schulspezifischer Analysekriterien aus dem Qualitätstableau (vgl. Abschn. 5.2.2) und soll helfen, mögliche Maßnahmen der Schulentwicklung und Unterstützungsangebote zu identifizieren (MSW, 2017b). Eine Besonderheit im neu ausgerichteten Verfahren ist, dass die Schule über den Zeitpunkt des Schulbesuchs mitbestimmen kann. Liegt eine bestimmte Begründung z. B. bauliche Maßnahmen oder Schulleitungswechsel vor, kann der Schulbesuch bis maximal zwei Jahre nach dem Abstimmungsgespräch stattfinden.

Kernelement der Hauptphase ist der drei bis viertägige Schulbesuch, der etwa zwölf Schulwochen vorher der Schule, der Schulaufsicht, dem Schulträger und der Bezirksschwerbehindertenvertretung schriftlich angekündigt wird. Sowohl die Schule als auch das QA-Team bereiten sich in stetiger Abstimmung auf diesen Besuch vor. Auf Grundlage der von der Schule eingereichten Dokumente inkl. Portfolio kann das QA-Team im Vorfeld des Schulbesuchs eine erste anhand der Kriterien des Qualitätstableaus ausgerichtete Bewertung vornehmen (Peuker, 2008).

Ein Planungsgespräch findet etwa vier Schulwochen vor dem Besuch statt, bei dem die Leitung des QA-Teams Verfahrensfragen mit der Schulleitung und ggf. weiteren schulischen Akteuren klärt und konkrete Absprachen trifft. In der Regel findet an diesem Tag auch eine Informationsveranstaltung über die schulspezifischen Analysekriterien und den Ablauf der Qualitätsanalyse statt, zu dem die Schulleitung die Schulöffentlichkeit einlädt. Sofern im Abstimmungsgespräch vereinbart, erfolgt entweder im Rahmen des Planungsgesprächs oder an den Schulbesuchstagen ein Schulrundgang ggf. im Beisein des Schulträgers (MSW, 2017b).

Während der Schulbesuchstage erfasst und bewertet das QA-Team durch Unterrichtsbeobachtungen und Interviews kriteriengeleitet die Schulqualität (vgl. Abschn. 5.2.2). Die gewonnenen Daten und Einschätzungen werden sodann vom QA-Team zueinander in Beziehung gesetzt und ausgewertet. Am Ende der Schulbesuchstage geben sie dann eine mündliche Rückmeldung, zunächst an den Schulleiter bzw. die Schulleiterin und anschließend – meist im Beisein der Schulaufsicht – an die Mitglieder des Kollegiums (MSW, 2017b; § 3 Abs. 6 QA-VO).

Spätestens vier Wochen nach dem Schulbesuch erhalten die Schule und der Schulträger einen Entwurf der schriftlichen Rückmeldung in Form des Qualitätsberichts (vgl. Abschn. 5.2.2), zu dem sie innerhalb von zwei Wochen jeweils eine Stellungnahme abgeben können. Diese können im finalen Qualitätsbericht Berücksichtigung finden, der nach etwa drei weiteren Wochen an die Schulaufsichtsbehörde, den Schulträger und die Schulleitung, die den Bericht an die schulischen Gruppen weiterleitet, übergeben wird (§ 1 Abs. 8 QA-VO).Footnote 12 Die Ergebnisse im Qualitätsbericht analysieren und interpretieren die schulischen Akteure und die zuständige Schulaufsicht vor dem Hintergrund ihrer eigenen Perspektiven und schulspezifischen Ansprüche zunächst unabhängig voneinander. Anschließend stellt der Schulleiter oder die Schulleiterin nach § 3 Abs. 10 QA-VO die seitens der Schule erforderlichen Handlungsfelder dar (Jäger & Hahn, 2017). Zur Unterstützung bei der Einordnung der Ergebnisse kann die Schule ein Erläuterungsgespräch (neuerdings Übergabegespräch) in Anspruch nehmen, welches etwa sechs Wochen nach Erhalt des Qualitätsberichts durch das QA-Team angeboten wird. An diesem Gespräch, zu welchem die Schule einlädt, nehmen die Vertretungen der schulischen Gruppen und eventuell die Schulaufsicht sowie ggf. Personen aus dem Bereich Fortbildung oder Schulentwicklungsberatung teil (MSW, 2017b, 2017a). Dieses Gespräch kann auch im Rahmen eines pädagogischen Tages eingebettet sein, der in einigen Bezirksregierungen unter dem Namen verändertes Rückmeldeformat durchgeführt wird (Ruhwinkel, 2017).

Die Schulleitung schließt in Verantwortung und auf Grundlage der innerschulischen Auswertungsprozesse sowie unter Mitwirkung der Schulkonferenz Zielvereinbarungen zur weiteren Planung schulischer Entwicklungsmaßnahmen mit der Schulaufsicht ab. Die Zielvereinbarungen (i. d. R. nicht mehr als drei Ziele) müssen innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt des Qualitätsberichts geschlossen und auf einem landeseinheitlichen Vordruck notiert werden. Als Absprache zwischen Schule und zuständiger Schulaufsicht sind sie ein zentrales Element zur Steuerung der Qualitätsentwicklung, wobei die Schulleitung verantwortlich für die schulinternen Prozesse ist und es die Aufgabe der Schulaufsicht ist, beratend und unterstützend tätig zu werden oder an andere Stellen zu vermitteln. Auch die Schulentwicklungsberatung hält ein Abrufangebot zur Arbeit mit dem Qualitätsbericht bereit (vgl. Abschn. 5.2.1). Insgesamt entscheidet aber „die Schule […], ob und ggf. wie bzw. vom wem sie sich bei dem Prozessschritt unterstützen lässt“ (MSW, 2017a, S. 3). Grundsätzlich wird mit dieser Verfahrensweise der Anspruch erhoben, dass „in engem Zusammenspiel von Schule, Schulaufsicht, Kompetenzteam und QA […] die anschließend zu treffenden Zielvereinbarungen besser vorbereitet werden und zu nachhaltigerer Wirksamkeit führen“ (Jäger, 2013, S. 493).

Der Zielvereinbarungsprozess orientiert sich insgesamt an einem landesweit einheitlichen Qualitätsmanagement-Kreislauf, in dem nicht nur Ziele und Indikatoren festgelegt werden, sondern gleich die Maßnahmenplanung und Umsetzung sowie ihre Kontrolle in Form vom Bilanzgesprächen mitbedacht sind. Ferner sind Ursachenanalysen bei Abweichungen sowie ggf. gegensteuernde Maßnahmen und die Festlegung neuer Zielen inkludiert (MSW, 2009b, 2017a). Entsprechend der propagierten Eigenständigkeit der Schule (vgl. Abschn. 2.1) führen die schulischen Akteure nach Abschluss der Zielvereinbarungen die geplanten Maßnahmen durch und machen von den verabredeten Beratungs- oder Unterstützungsleistungen Gebrauch. Im weiteren Verlauf ist die Schule für die Überprüfung der anvisierten Entwicklungsziele im Sinne eines „schulinternen Controlling[s]“ (MSW, 2017a, S. 3) verantwortlich. Im Gegensatz zu Inspektionsverfahren in Bayern, Hamburg oder Schleswig-Holstein erfolgen in NRW keine „gezielte[n] Hinweise auf eine instrumentenbasierte Selbstevaluation“ (Tarkian et al., 2019, S. 173). Stattdessen werden Bilanzgespräche geführt, in denen die Schulleiter:innen der zuständigen Schulaufsicht über die Ergebnisse der Umsetzung geplanter Maßnahmen berichten und der Entwicklungsstand mit den vereinbarten Zielen abgeglichen wird (§ 3 Abs. 10 QA-VO). Damit fällt der Schulaufsicht die Aufgabe zu, „das Bewusstsein für die zu erreichenden Ziele zu wecken und wachzuhalten“ (H. Lange, 2003, S. 149) und „sich unabhängig von den zyklischen Evaluationen über den Fortgang der schulischen Arbeit und Zwischenerfolge der schulischen Aktivitäten zu informieren“ (Döbert et al., 2008, S. 143; vgl. MSW, 2009c). Für besonders entwicklungsbedürftige SchulenFootnote 13 können Umsteuerungsmaßnahmen festgelegt oder nach § 3 Abs. 11 QA-VO eine Nachanalyse innerhalb eines Jahres durchgeführt werden.Footnote 14 Ferner wird im Sinne des o.g. Qualitätsmanagement-Kreislaufs und basierend auf aktuellen Entwicklungen die Vereinbarung neuer Ziele fortgesetzt (MSW, 2017a).

In Ergänzung zu dem bis hierher erläuterten Zielvereinbarungsprozess zwischen der Schule und der Schulaufsicht wird sowohl eine regionale als auch eine landesweite Schulsystemsteuerung angestrebt. Denn auch die Leitungen der Schulabteilungen der Bezirksregierungen führen im Sinne eines Monitorings ein einzelschulübergreifendes Controlling durch (MSW, 2017a; Tarkian et al., 2019). Dies erfolgt auf Grundlage der Jahresplanung und Terminierung der Qualitätsanalyse, der Angaben zu Anzahl und prozentualem Anteil geschlossener Zielvereinbarungen sowie einer Aufteilung der Zielbeschreibungen nach Inhaltsbereichen des Qualitätstableaus. Eine Berichterstattung, Auswertung und Verständigung der daraus resultierenden Handlungsschritte erfolgt innerhalb der Abteilung 4 der Bezirksregierungen und an das für die Qualitätsanalyse Nordrhein-Westfalen zuständige Referat 415 Qualitätsanalyse an Schulen im Ministerium für Schule und Bildung jeweils zum Ende des Kalenderjahres (vgl. Abschn. 5.1).Footnote 15 Es folgt nun abschließend ein Blick auf aktuelle Zahlen zur Qualitätsanalyse.

5.2.4 Exkurs: Die Qualitätsanalyse in Zahlen

Bis zum Ende des Schuljahres 2018/19 wurden insgesamt 5.054 Qualitätsanalysen an öffentlichen Schulen durchgeführt. Das entspricht einer Abdeckungsquote mit mindestens einer Qualitätsanalyse (QA) von 79 % der Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Dies ergab eine eigene Auswertung basierend auf einer Anfrage über das Referat 415 Qualitätsanalyse an Schulen an die Bezirksregierungen. Die Tabelle 5.4 fasst zunächst die Qualitätsanalysen separiert nach Schulformen bis zum Ende des Schuljahres 2018/19 zusammen, bevor einzelne Aspekte hervorgehoben und vor dem Hintergrund der Datengrundlage interpretiert werden.

Tab. 5.4 Qualitätsanalysen an öffentlichen Schulen je Schulform bis zum Ende des Schuljahres 2018/19 (eigene Darstellung)

In der Tabelle 5.4 lassen sich vor allem Unterschiede zwischen den Schulformen erkennen: So hat bis zum Ende des Schuljahres 2018/19 an über 90 % der Gymnasien, Haupt- und Realschulen mindestens eine Qualitätsanalyse stattgefunden, wohingegen lediglich an circa dreiviertel der Grund- und Gesamtschulen sowie an nur der Hälfte, der sich im Aufbau befindenden Sekundarschulen eine QA erfolgte. Die Schulform Grundschule hat zu dem Zeitpunkt und gemessen an den absoluten Zahlen die größte Anzahl (744) an noch nicht analysierten Schulen (MSW, 2017d). Auch im Vergleich der relativen Zahlen der noch nicht analysierten Schulen liegen die Grundschulen mit 27 % lediglich vor den Sekundarschulen (49 %). Ferner fanden an 714 der bis zum Schuljahr 2018/19 analysierten Schulen Nachanalysen statt. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Schulen je Schulform haben davon die meisten an Hauptschulen stattgefunden.

Gründe für die genannten Unterschiede können einerseits in der unterschiedlichen Anzahl an Schulen je Schulform – Grundschulen machen mehr als die Hälfte der Anzahl öffentlicher Schulen aus – vermutet werden. Anderseits könnte die Differenz auch mit der Dynamik der Schullandschaft erklärt werden, da z. B. Sekundarschulen erst seit 20. Oktober 2011 als integrative Schulform das Angebot der Sekundarstufe I in NRW ergänzen (Landtag NRW, 2011).

Zu betonen ist ferner, dass die präsentierten Zahlen kein adäquates Abbild des Arbeitsaufwandes der Qualitätsprüfer:innen darstellen, weil nur Qualitätsanalysen mit bereits stattgefundenen Schulbesuchen mitgezählt und Qualitätsanalysen, die bis zum Schuljahr 2018/19 an aufgelösten oder geschlossenen Schulen durchgeführt wurden, nicht berücksichtigt wurden. Entsprechend wurden de facto mehr Qualitätsanalysen (z. B. an nun geschlossenen Schulen) durchgeführt bzw. eingeleitet als in der Tabelle 5.4 ersichtlich ist. Dennoch steht fest, dass die Anzahl der durchgeführten Qualitätsanalysen nach heutigem Stand deutlich dem in der Implementierungsphase angestrebten Ziel, innerhalb von 5 Jahren, also bis 2011, alle damaligen Schulen in NRW zu inspizieren, unterliegt (Int-Veen, 2008; Landtag NRW, 2010).Footnote 16 Auch zeigt sich in der Diskrepanz von Schulen mit einer Qualitätsanalyse im Vergleich zu Schulen mit zwei Qualitätsanalysen, dass sich bis heute „die ursprünglich angekündigten Rhythmen der Wiederholung der QA […] nicht annähernd als realistisch erwiesen“ (Höfer & Kirchhoff, 2016, S. 51) haben.