In diesem Kapitel soll bisher Erarbeitetes zusammengefasst werden, um argumentativ nachvollziehbar und gebündelt die Herleitung der Fragestellungen sowie das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit darzulegen. Ziel ist es, Begründungslinien aus den theoretisch-konzeptionellen Grundlagen und der Analyseperspektive der Educational Governance (vgl. Kap. 2) sowie aus dem dargestellten Forschungsstand (vgl. Kap. 3) zusammenzuführen, um die sich daraus ergebenen Forschungsdesiderata herauszustellen. Wie diese in der vorliegenden Studie aufgegriffen werden, wird am Ende dieses Kapitels dargelegt.

In Kapitel 2 wurde der Diskurs zur Steuerung im Schulsystem aufgearbeitet und eine aktuelle Bestandsaufnahme von Schulinspektion in den deutschen Bundesländern vorgenommen, in dessen Kontext die beabsichtigte Analyse der Handlungskoordination dieser Arbeit steht. Es wurde herausgestellt, dass die Neue Schulsystemsteuerung von der Dezentralisierung und der Lancierung datengestützter Instrumente zur Schulentwicklung geprägt ist und im Gegensatz zur klassischen Steuerung von der Beteiligung vieler Steuerungsakteure ausgeht, die von Eigendynamiken geprägt und lediglich indirekt zu beeinflussen sind. Zudem ist in die forschungsanalytische Perspektive der Educational Governance eingeführt worden, die in dieser Studie als „Werkzeugkasten zur Beschreibung und Verstehen kollektiven Handelns“ (Benz et al., 2007, S. 18) fungieren wird. Im Rahmen dieser werden Fragen nach der Art und Weise grenzüberschreitender Koordination gestellt. Konkret interessiert, wie Akteure Steuerungsimpulse aufnehmen, indem sie diese unter Berücksichtigung der Regelungsstrukturen, etwa Verfügungsrechten, und ihrer je eigenen subjektiven Vorstellungen rekontextualisieren (vgl. Abschn. 2.2).

Insgesamt wurde Schulinspektion als ein auf Entwicklung durch Einsicht konzipiertes Instrument zur Qualitätsentwicklung und -sicherung von Einzelschulen konturiert, in welchem sich im Idealfall das von Weick (1976) beschriebene Coupling-Phänomen zwischen Einzelschule und intermediären Akteuren realisieren lässt (vgl. Abschn. 2.1). Damit ist gemeint, dass innerhalb einer datengestützten Steuerungsprogrammatik dem Evaluationsinstrument eine Schlüsselrolle zukommt, indem mehrebenenübergreifende Handlungskoordination angeregt und im besten Falle das skizzierte Steuerungsproblem im Verhältnis von Administration und schulischer Praxis bearbeitet wird (u. a. Altrichter & Heinrich, 2006; Dietrich, 2016). Denn Schulinspektion wäre „als intermediäres Programm durchaus geeignet […], ein Bündnis mit verschiedenen regionalen Akteuren anzuregen“ (Brüsemeister, 2020, S. 55), das sich der Qualitätsentwicklung im Schulsystem gemeinsam verschreibt. Dass dies noch nicht im gewünschten Maße funktioniert, zeigt die Befundlage zur Schulinspektion, die nun zusammengefasst wird.

In Kapitel 3 wurde der Forschungsstand zweigeteilt aufgearbeitet und dabei die Entwicklung von wirkungsorientierten Fragen hin zur empirischen Betrachtung von Akteurskonstellationen nachgezeichnet. Anhand der Zusammenschau der Akzeptanz- und Nutzungsstudien in Abschnitt 3.1 zeigte sich, dass das Instrument Schulinspektion von Schulleitungen zwar akzeptiert ist, sich jedoch selten Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung anschließen. Im Angesicht dieses Transferproblems wird häufig auf die „mangelnde Verzahnung“ (Gärtner, 2021, S. 184, Herv. i. O.) der relevanten Akteure aufmerksam gemacht, weshalb ihre Schnittstellenarbeit zunehmend thematisiert und in den Fokus der empirischen Betrachtung rückt (u. a. Feldhoff et al., 2019; M. Klein, 2019; Manitius et al., 2021; Diedrich & Maritzen, 2020; vgl. Abschn. 3.2).

Erstaunlich ist erstens, dass trotz etlicher Forderungen, das Unterstützungssystem bei Schulinspektionen mitzudenken, „die Handlungskoordination mit Unterstützungsformen wie Fortbildung und Beratung […] bislang kaum empirisch aufgearbeitet worden [sind]“ (E. D. Klein, 2021, S. 199; vgl. Diedrich & Maritzen, 2020). Vielmehr wird die staatliche Schulentwicklungsberatung – wie in Abschnitt 3.2.3 herausgestellt wurde – in einem für sich stehenden Forschungsstrang bedacht, der dezidiert für den Inspektionskontext allenfalls punktuelle Erkenntnisse liefert. Zugespitzt formuliert, scheint sich das o.g. Transferproblem zwischen Analyse und Schulentwicklungspraxis im Forschungsdiskurs zu reproduzieren und unterstreicht damit einmal mehr, dass Diagnose und Therapie – zumindest im Kontext der Schulinspektion – weder als Eins gedacht noch als eine solche Einheit wissenschaftlich untersucht wird. Daher macht es sich die vorliegende Studie auch zur Aufgabe, die staatliche Schulentwicklungsberatung als Mitspieler in Bezug auf seine Rolle bei der Schulinspektion zu befragen.

Zweitens kann festgehalten werden, dass sich die replizierten Studien der Schulinspektionsforschung, ungeachtet der Forschungsmethoden, in drei Arten hinsichtlich der Anzahl der Akteure unterscheiden lassen:

  • Studien, die vornehmlich eindimensional sind, also Schulinspektion (und ihre Handlungskoordination) aus einer Akteursperspektive erforschen. Dazu zählen z. B. die wirkungsorientierten Studien, die ausschließlich aus der Sicht der Schule, insbesondere der Schulleitung, erforscht sind (u. a. S. Müller et al., 2008).

  • Studien, die zweidimensional sind, sprich das schulinspektionsbezogene Zusammenwirken aus der Perspektive zweier Akteure empirisch explizieren, häufig Schulaufsicht und Schulleitung (z. B. Preuße et al., 2019).

  • Eher seltene, mehrdimensionale Studien, die Handlungsbeiträge in einer Akteurskonstellation aus den Blickwinkeln mehrerer Akteure betrachten (Teilstudie in Sachsen-Anhalt bei Adenstedt, 2016; Brüsemeister et al., 2016; Preuß et al., 2015).

Gerade bei der Analyse der Handlungskoordination, so bekräftigt Dietrich (2014), sollte Wissen von „jede[r] der auf den unterschiedenen Ebenen zu verortenden Akteurgruppen“ (S. 220) erhoben werden. Und so versprechen aus Governanceperspektive letztgenannte Untersuchungen besonderen Ertrag, weil unterschiedliche Perspektiven systematisch aufeinander bezogen werden können. Insofern könnten sie ein umfassenderes Bild der Handlungskoordination in einer spezifischen Akteurskonstellation zeichnen als dies nur eine Akteursperspektive zu leisten vermag. Aus diesem Grund wird die vorliegende Studie als eine solche mehrdimensionale bzw. mehrperspektivische Untersuchung angelegt, bei der neben Akteuren der staatlichen Schulentwicklungsberatung, Funktionsträger aus der Schulleitung, der Schulinspektion und der Schulaufsicht befragt werden (zur begründeten Auswahl der Experten siehe auch Abschn. 6.3.1).

Es folgen nun abstrahierte Quintessenzen aus den skizzierten Befunden zu den Vorstellungen der Akteure und ihrer Handlungskoordination. Diese werden als Synopse der Befundlage nachfolgend tabellarisch dargestellt und kritisch betrachtet.

  1. 1)

    Akzeptanz der Schulinspektion und wahrgenommene Unterstützung durch die Schulaufsicht steigern „die Wahrscheinlichkeit der Initiierung von Schulentwicklungsmaßnahmen“ (Böhm-Kasper et al., 2016b, S. 42). Allerdings wird die fehlende Unterstützung im Zuge der Schulinspektion von Schulleitungen häufig bemängelt.

  2. 2)

    Dichotome Erwartungen an die Akteure der Schulaufsicht und der Schulinspektion bilden sich in ihren Rollenverständnissen ab. Beide favorisieren sich aber in der Rolle als unterstützende Instanzen der Einzelschule, weshalb Heinrich (2017) von der „Konkurrenz durch Verdopplung statt funktionaler Ausdifferenzierung“ (S. 168) spricht.

  3. 3)

    Es deuten sich diverse strukturell bedingte Probleme an, die gegenseitige Abgrenzungsversuche und Verhaltensunsicherheiten insbesondere zwischen den Akteuren der intermediären Ebenen hervorrufen.

  4. 4)

    Das Verständnis von Schulinspektion sowie die dazugehörigen Ziel-/Wirkungsvorstellungen sind grundsätzlich durch die Zugehörigkeit zur Akteursgruppe geprägt, weisen aber auch individuelle Unterschiede in den Einschätzungen auf.

  5. 5)

    Die Handlungskoordination bei Schulinspektion innerhalb einer spezifischen Akteurskonstellation variiert und realisiert sich in bestehenden Beziehungsgefügen. Im Vergleich der bislang erforschten Konstellationen ist jeweils der Kontakt zur Schulleitung am intensivsten und besonders durch Beziehungsarbeit bestimmt (Brüsemeister et al., 2013; Diegmann, 2013).

Tab. 4.1 Synopse zu subjektiven Vorstellungen und schulinspektionsbezogener Handlungskoordination in den Akteurskonstellationen (eigene Darstellung)

Im Folgenden wird herausgestellt, dass eine Aggregierung von Befunden und Daten zwar bei subjektiven Vorstellungen zur Schulinspektion unproblematisch ist, jedoch bei der Analyse von Handlungskoordination weniger hilfreich für die Ergründung von Unterschieden ist. So lässt sich im systematisierten Forschungsstand wie auch in der für diese Arbeit bedeutenden Studie von Böhm-Kasper et al. (2016b)

eine größere Konsistenz der Schulinspektionsvorstellungen in den verschiedenen Akteursgruppen im Vergleich zu den verschiedenen Bundesländern [Niedersachsen, Baden-Württemberg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, Anm. d. A.] ermitteln. Das bedeutet, dass sich eher die Sichtweisen der Vertreter und Vertreterinnen der Leitungsebenen der Schulinspektion, der Schulinspektionsteams, der Schulaufsichten oder der Schulleitungen ähneln als die Vorstellungen der befragten Akteure je Bundesland. (S. 122)

Ähnliches kann für die staatliche Schulentwicklungsberatung wegen der dünnen Befundlage lediglich angenommen werden, da ihre Sichtweisen zur Schulinspektion bisher nur in einzelnen Interviews bei Adenstedt (2016) Berücksichtigung fanden (vgl. Abschn. 3.2.3). Zugleich existieren ebenso „Meinungs- und Haltungsdifferenzen […] innerhalb der jeweiligen Akteursgruppen“ (Böttcher et al., 2010, S. 199), die sich – so die Annahme der Educational Governance – in Form differenter Handlungslogiken in ihren Handlungen niederschlagen könnten (vgl. Abschn. 2.2). Um also zu verstehen, warum die Akteure „in den spezifischen Akteurskonstellationen und Koordinationshandlungen Schulinspektion unterschiedliche Akzente (zu) setzen (versuchen)“ (Brüsemeister et al., 2016, S. S. 51), ist die Ergründung individueller Vorstellungen fester Bestandteil von Governanceanalysen. Dies wird in Forschungsfrage 2 aufgegriffen.

Ist – wie in dieser Studie – die Handlungskoordination zentraler Gegenstand der Analyse, so sind nach der Governanceperspektive aber auch Regelungsstrukturen, in denen „wesentliche Angebote zur Handlungskoordination ‚aufbewahrt‘ [werden]“ (Maag Merki & Altrichter, 2015, S. 400), als Erklärungsansätze für das Handeln der Akteure heranzuziehen. Zu den für den Untersuchungsgegenstand relevanten Regelungsstrukturen gehören u. a. die Konzeptionen der Schulinspektionsverfahren. In der aktuellen bundeslandvergleichenden Bestandsaufnahme in Abschnitt 2.3.2 zeigt sich, dass die Beteiligungs- und Verfügungsrechte der Akteure unterschiedlich eingerichtet und ausgestaltet sind. Hinzu kommt, dass im Bundeslandvergleich nicht nur die Schulinspektion und die Schulentwicklungsberatung verschieden institutionalisiert sind, auch existiert eine höchst unterschiedliche Struktur der Schulaufsicht (vgl. Abschn. 2.3.1). Früh geben Döbert et al. (2008) daher zu bedenken, dass die länderspezifischen Unterschiede der Inspektionsverfahren eine „länderübergreifende Aggregierung von Befunden und Daten […] erschweren oder unmöglich machen“ (S. 150). Insofern sind die Studien „je nach Stichprobenwahl und Bundesland Einschränkungen bezüglich der Verallgemeinbarkeit unterworfen“ (Kuhn, 2019, S. 11) und dürfen nicht ohne Weiteres auf die heutige Schulinspektionspraxis oder andere Bundesländer übertragen werden (Bogumil, 2017; Böttcher & Luig, 2020b; Wurster & Gärtner, 2013b). Dieses kann angesichts der hohen Transformation der Verfahren, auch mit Blick auf die Ausgestaltung von Schnittstellen, in den letzten Jahren nur noch einmal bekräftigt werden (vgl. Abschn. 2.3.2).

Mit diesem Blick dürften die Teilergebnisse aus der Studie von Adenstedt (2016) sowie vor allem die bei Brüsemeister et al. (2016) und Preuß et al. (2015) publizierten Erkenntnisse kritisch betrachtet werden, da sie aggregiert sind und so in nicht genügender (hier: länderspezifischer) Differenziertheit dargelegt wurden. Dies gilt besonders, weil offenbar je nach Bundesland Unterschiede in der Handlungskoordination, etwa zwischen Inspektorenteam und Schulaufsicht (vgl. Abschn. 3.2.2) oder in der generellen Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Schulentwicklungsberatung und Schulaufsicht (vgl. Abschn. 3.2.3), existieren. So bleibt offen, worin die Unterschiede genau begründet liegen und in welchem Zusammenhang sie mit den länderspezifischen Regelungsstrukturen gebracht werden dürfen. Weil offenbar „Schulinspektion […] Anlass [bietet], in gewohnten (Abhängigkeits-)Verhältnissen zu agieren“ (Brüsemeister et al., 2013, S. 56), scheint einmal mehr die Berücksichtigung länderspezifischer Aspekte bei der Untersuchung des Zusammenwirkens der Akteure notwendig. Folglich kann auch die Aussagenreichweite der Synopse zur Handlungskoordination (vor dem Hintergrund länderspezifischer Regelungsstrukturen) als begrenzt angesehen werden. Sie verweist aber doch auf Relevanzen zur Akteurskonstellation oder zumindest auf die somit als Thesen zu lesenden Quintessenzen der Synopse, die es bundeslandspezifisch zu prüfen gilt. Hieraus ergibt sich nun folgende Konsequenz: Ist es das Ziel – wie es in der vorliegenden Arbeit angestrebt wird – hinreichend differenzierte Aussagen über die konkrete Realisierung der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination zu tätigen und diese analytisch zu verstehen, dann braucht es nicht nur ihre mehrperspektivische, sondern auch ihre bundeslandspezifische Betrachtung. Hierfür bietet sich aus folgenden Gründen insbesondere Nordrhein-Westfalen mit seiner Qualitätsanalyse an, die auch das Untersuchungsfeld dieser Studie darstellt:

Zum einen ist in NRW nach Bogumil et al. (2016) „ein systemisch und strukturell verankertes Zusammenspiel der Akteure externe Evaluation, Schulaufsicht und Unterstützungseinrichtungen […] oft erst in Ansätzen erkennbar“ (S. 20). Da jedoch, wie eingangs erwähnt, das Zusammenwirken der Akteure als bedeutend für eine nachhaltige Schul- und Unterrichtsentwicklung angesehen wird (u. a. Gärtner, 2021), erscheint ein detaillierter Blick auch im Sinne der Wirksamkeit des Instruments lohnend. Schließlich könnte damit besser verstanden werden, „wie die verschiedenen Akteursebenen miteinander gut verzahnt werden können und welche Rollen dabei auf den jeweiligen Ebenen wahrzunehmen sind“ (Bogumil et al., 2016, S. 20). Voraussetzung ist die detaillierte Aufarbeitung der Verfahrenskonzeption der Qualitätsanalyse, die in Kapitel 5 erfolgen und der späteren empirischen Analyse als Bezugsrahmen dienen wird.

Zum anderen dürfte empirisches Wissen über die Zusammenarbeit der relevanten Akteure in Nordrhein-Westfalen auch schulpolitisch von Interesse sein, da die Qualitätsanalyse, wie in Abschnitt 2.3.2 erläutert, 2017 dahingehend abschließend modifiziert wurde (Jäger & Bergweiler-Priester, 2015; Jäger & Hahn, 2017). Nach dieser Neuausrichtung des Verfahrens hat es allerdings keine weitere publizierte Beforschung der Qualitätsanalyse gegeben. Folglich ist unklar, inwiefern die eingangs erwähnte Einschätzung von Bogumil et al. (2016) heute noch gilt. Ebenso weiß man bisher nicht, inwiefern die propagierte schnittstellenoptimierte Qualitätsanalyse in der Praxis umgesetzt wird und ob sie überhaupt funktional ist. Zudem sind alle bisher durchgeführten Untersuchungen in NRW Auftragsforschungen. Einige Datenerhebungen sind sogar mit einem nicht anonymisierten Rückmeldebogen durchgeführt worden (insb. Landesberichte MSW, 2009b, 2016). Dementsprechend sind diese Studien unter der bereits in Abschnitt 3.1 vorgebrachten Kritik in Bezug auf Methodik und steuerungsnaher Forschungslogik zu interpretieren und eine auftragsunabhängige Forschung, wie die vorliegende Arbeit, zu begrüßen (Lambrecht & Rürup, 2012). Zusammengenommen gilt es in dieser Arbeit empirisch genauer zu ergründen, welche Modi der Handlungskoordination bei der Qualitätsanalyse sich praktisch zeigen, sowie, ob und wenn ja, welche aus dem Forschungsstand herausgearbeiteten Herausforderungen sich auch in NRW abzeichnen (vgl. Tab. 4.1). Auf beides fokussiert Forschungsfrage 1.

Eine weitere Spezifizierung dürfte anlässlich folgender Forschungsdesiderata in Bezug auf die Schulform Grundschule für sinnvoll befunden werden: Zum einen initiieren über die Hälfte der bei Wurster und Gärtner (2013b) untersuchten Grundschulen keine Maßnahmen aufgrund von Schulinspektionen und zum anderen benennen Schulleitungen an dieser Schulform einen erhöhten Unterstützungsbedarf im Umgang mit externer Evaluation (Schwanenberg et al., 2020; vgl. Abschn. 3.1). Dadurch erhält die Untersuchung von Handlungskoordination mit Schulen dieser Schulform eine besondere Relevanz. Hinzu kommt, dass die bei Preuß et al. (2015) und Brüsemeister et al. (2016) publizierten Ergebnisse zur Untersuchung der Akteurskonstellation bei Schulinspektion auf die Schulform Gymnasium beschränkt sind. Auch fehlen für die Schulform Grundschule grundsätzlich Erkenntnisse in Bezug auf die Schulentwicklungsberatung (Goecke, 2018; vgl. Abschn. 3.2.3).

Eine Begrenzung der Untersuchung auf eine Schulform scheint auch speziell für Nordrhein-Westfalen angemessen, um institutionell bedingte Verzerrungen in der Analyse der Handlungskoordination zu vermeiden. Denn es wird in Abschnitt 5.1 gezeigt, dass die Schulaufsicht für die Grundschulen in NRW örtlich und institutionell von den oberen Schulaufsichtsbehörden und damit auch von dem für die Qualitätsanalyse zuständigen Dezernat 4Q getrennt ist. Angesichts dessen könnte es potenziell zu unterschiedlicher Handlungsabstimmung zwischen den Akteuren kommen. Hinweise darauf finden sich etwa bei Burkard (1998), der betont es gebe „unterschiedliche ‚Kulturen‘ im Verhältnis zwischen Schulaufsicht und Schule im Zuständigkeitsbereich der unteren und oberen Schulaufsicht“ (S. 77). Zum anderen legen die Befunde von Bogumil et al. (2016) sowie Schubert (2013b) besondere Herausforderungen in der Aufgabenwahrnehmung der Schulaufsicht für die Schulform Grundschule offen, die sich auf die Schulinspektion auswirken und die es für eine optimierte Inspektionspraxis näher zu ergründen gilt (vgl. Abschn. 3.2.1). Sinnvoll erscheint die besondere Berücksichtigung der Grundschulen bei der Analyse der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination auch deshalb, weil für diese Schulform viel Erfahrungswissen in Bezug auf die Durchführung der Qualitätsanalyse vorliegt (vgl. Tab. 5.4 in Abschn. 5.2.2).

Alles in allem lassen die skizzierten Befunde zur Schulinspektion eine Konzentration auf einzelne Akteure oder ausgewählte Koordinationsmomente (z. B. Zielvereinbarungsgespräche vgl. Abschn. 3.2.1) erkennen, die ausreichend differenzierte Aussagen zur schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination durch den Einbezug aller relevanten Akteure und unter Berücksichtigung länderspezifischer Regelungsstrukturen vermissen lässt. Solche Forschungsbefunde bleiben mit der Hinzunahme der staatlichen Schulentwicklungsberatung als „eine weitere […] Erhebungseinheit“ (Maag Merki, 2014, S. 76, Herv. i. O.), insgesamt für Nordrhein-Westfalen und speziell für die Schulform Grundschule aus. Diese Desiderata werden in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen.

Im Zentrum der Studie steht die Analyse der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination in einer spezifischen Akteurskonstellation in Bezug auf Grundschulen bei der Qualitätsanalyse in Nordrhein-Westfalen. Dabei geht es explizit nicht um die Frage nach der Wirksamkeit des Steuerungsinstruments. Vielmehr soll mit der Arbeit – im Anschluss an die Educational Governance – gezeigt werden, „wie die Handlungskoordination […] durch spezifische Relationierungen von Akteuren und Strukturen aufgebaut, aufrechterhalten und transformiert wird“ (Altrichter et al., 2011b, S. 37). Ziel ist erstens, die im Zuge der Qualitätsanalyse praktizierten Formen der Handlungskoordination deskriptiv nachzuzeichnen (Forschungsfrage 1). Zweitens sollen die zugrundeliegenden Handlungslogiken der betrachteten Akteure durch die Ergründung ihrer subjektiven Vorstellungen aufgeschlüsselt und miteinander in Beziehung gesetzt werden (Forschungsfrage 2). Drittens wird angestrebt, Vorschläge der Akteure für eine Weiterentwicklung des Verfahrens zu eruieren (Forschungsfrage 3). Diese sollen einerseits genutzt werden, um zusammen mit den subjektiven Vorstellungen die gefundenen Modi der Handlungskoordination zu verstehen. Andererseits wird angestrebt, die konkrete Perspektive der Akteure zu nutzen, um darauf aufbauend begründete Überlegungen für eine optimierte Ausgestaltung der Qualitätsanalyse von und für das Bundesland mit den meisten (Grund-)Schulen anzustellen. Konkret lauten die drei Fragestellungen der Studie damit wie folgt:

  1. 1.

    Wie gestaltet sich das Zusammenwirken zentraler Akteure bei der Qualitätsanalyse?

  2. 2.

    Welche subjektiven Vorstellungen liegen dem individuellen Handeln zugrunde und inwiefern lassen sich Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der befragten Akteure identifizieren?

  3. 3.

    Welche Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Verfahrens werden aus Sicht der Akteure genannt?

Um die Handlungskoordination in genügender Differenziertheit interpretativ zu erschließen, ist die Untersuchung mehrperspektivisch angelegt. Nur so ist eine komparative Analyse der Akteursperspektiven möglich, die – wenn sie sich wie hier auf einen landesspezifischen Kontext bezieht – zu einem vertiefenden Verständnis der Akteursverhältnisse und ihren akteursspezifischen Ansprüchen an das Steuerungsinstrument beitragen kann. Die empirische Grundlage der Arbeit stellen Experteninterviews mit Funktionsträger:innen aus (Grund-)Schulleitung, der (unteren) Schulaufsicht, der Qualitätsanalyse und der staatlichen Schulentwicklungsberatung dar. Letztgenannter Akteur wird bundesweit erstmalig zu diesem Themenkomplex befragt. Schließlich wird die Studie mit diesem Forschungsdesign, welches nachfolgend genauer erläutert wird, in besonderer Weise dem Anspruch gerecht, „die einzelnen Akteure nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern stets in ihrer Komposition zu den anderen“ (Preuß et al., 2015, S. 137).