Zentrales Anliegen der Arbeit war es, die schulinspektionsbezogene Handlungskoordination der Akteure Schulleitung, Qualitätsanalyse, Schulaufsicht und staatlicher Schulentwicklungsberatung bei der Qualitätsanalyse an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen empirisch zu untersuchen. Die Studie wurde dabei von drei Forschungsfragen geleitet, die sich a) auf die Ausgestaltung des Zusammenwirkens bei der Qualitätsanalyse, b) die subjektiven Vorstellungen der Akteure, die diesem Handeln zugrunde liegen, und c) auf Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Verfahrens bezogen (vgl. Kap. 4). Zentrale Ergebnisse werden nun zusammengefasst und anschließend unter Rückgriff auf die in Kapitel 8 herausgearbeiteten Interpretationlinien und die diskutierten weiterführenden Überlegungen problematisiert.

Bezogen auf die erste Forschungsfrage ließ sich ein umfassendes, differenziertes und durchaus heterogenes Bild des Zusammenwirkens der betrachteten Akteure bei der Qualitätsanalyse zeichnen. Es lässt sich festhalten, dass die Interaktionsbezüge von den Akteure der intermediären Ebene zu den schulischen Akteuren, vornehmlich zur Schulleitung, am intensivsten sind und die staatlichen Schulentwicklungsberater:innen im betrachteten Akteursgefüge eher eine randständige Position einnehmen (vgl. Abb. 8.1). In der so konturierten Akteurskonstellation zeigen sich vorwiegend Formen der Handlungskoordination im Modus der Beobachtung und Beeinflussung (z. B. durch die Herbeiführung eines vertrauensvollen Verhältnisses mit der Schulleitung), die als „sanftes“ Steuerungshandeln interpretiert wurden (vgl. Abschn. 8.2.1). Die Akteure der intermediären Ebene folgen damit dem in Deutschland vorherrschenden Entwicklungsmodus von Schulinspektion als Entwicklung durch Einsicht, der ebenso in den subjektiven Vorstellungen der intermediären Akteure herausgearbeitet werden konnte. Gleichermaßen sind sie von der Annahme überzeugt, dass Akzeptanz der schulischen Akteure als Voraussetzung und die Kompetenz der Schulleitung als Vehikel für nachhaltige Schul- und Unterrichtsentwicklung aufgrund von Schulinspektion fungieren. Beides liegt kongruent zu den herausgearbeiteten Leitfiguren Eigenverantwortlichkeit der Schule und deren Unterstützung, die trotz heterogener Handlungspraktiken als Gemeinsamkeiten subjektiver Vorstellungen intermediärer Akteure identifiziert wurden (vgl. Abschn. 8.1). Innerhalb dieser Figuren akzentuieren die Akteure der intermediären Ebene ihre Unterstützungsfunktion und schreiben der Schule die hauptsächliche Verantwortung für ihre Schulentwicklung zu. Während eine verstärkte Zusammenarbeit – wie sie schulpolitisch proklamiert wird – vor allem zwischen Qualitätsprüfer:innen und Schulaufsichtsbeamt:innen auszumachen ist, zeigt sich eine intensivierte Handlungskoordination aller hier betrachten Akteure einschließlich der staatlichen Schulentwicklungsberater:innen eher in Ausnahmefällen, häufig in vorhandenen Beziehungsgefüge eingebettet und grundsätzlich nur auf Anfrage der Schule hin realisiert (vgl. Abschn. 8.2.2).

Folgende Aspekte wurden bezogen auf die von den Akteuren geschilderte Handlungskoordination problematisiert: Erstens konnte herausgearbeitet werden, dass Widersprüche in den normativ bestimmten Rollenbildern der intermediären Akteure z. T. die Zusammenarbeit erschweren oder gar verhindern können, weil sich Anforderungen (etwa die Unabhängigkeit der staatlichen Schulentwicklungsberatung) damit nicht komplikationslos vereinen lassen. Zweitens muss die Zusammenarbeit von der Schule gewollt und initiiert sein, wodurch sich erneut die Verantwortung der Einzelschule und erst daraufhin die Unterstützungsfunktion des Instruments verstärkt. Die schulpolitische Ebene sollte hier für Passung sorgen und prüfen, inwiefern die offenbar für Schul- und Unterrichtsentwicklung als notwendig erachtete Verzahnung der Akteure auch durch andere Akteure, etwa Schulaufsicht, zu initiieren wäre. Drittens und letztens sollten Schulen, die ihrer Eigenverantwortung nicht gerecht werden und bei denen die Bereitschaft nicht vorhanden ist, sich mit den Inspektionsergebnissen auseinanderzusetzen, nicht nur „sanft“ gesteuert werden. Dies setzt aber voraus, dass die hohe Arbeitsdichte der Schulformaufsicht für die Grundschule auf ein grundsätzlich zu bewältigendes Niveau reduziert wird, damit nach einer Schulinspektion eben nicht ressourcenbedingt „zu wenig passiert“ (QP3|42).

Zukünftige Forschung könnte an den Befunden der vorliegenden Arbeit anknüpfen, indem mit einer quantitativen, größer angelegten Befragung geklärt wird, ob die gefundenen Modi der Handlungskoordination und die identifizierten Leitfiguren wie auch Rollenkonflikte sich in der Breite wiederfinden lassen. Eine weitere Möglichkeit zu prüfen, inwiefern das in dieser Arbeit gezeichnete Abbild der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination tatsächlich verlässlich ist, wären strukturierte Langzeitbeobachtungen z. B. Shadowings (u. a. McDonald, 2005; Tulowitzki, 2019b). Solche Shadowings könnten gerade bei der Schulaufsicht aufschlussreich sein, um über Optimierungspotenziale bezüglich der hier herausgestellten hohen Arbeitsbelastung mit ihren problematischen Auswirkungen aufzuklären. In einem größeren Zusammenhang gedacht wäre es auch empfehlenswert, die derzeitige Weiterentwicklung der Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen (vgl. Abschn. 5.1) grundsätzlich empirisch zu begleiten.

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen ferner, dass es offenbar Schulen gibt, die „viel Unterstützung brauchen“ (QP2|26). Weil im Forschungsdiskurs für eine nachhaltige Schulentwicklung aufgrund von Schulinspektion die Verzahnung der Akteure als wichtig erachtet wird, sollten explizit diese Schulen daraufhin in den Blick genommen werden. Gewinnbringend könnte in diesem Fall auch eine spezielle Erforschung derjenigen Formate sein, die diese Zusammenarbeit formalisieren (für NRW z. B. das veränderte Rückmeldeformat, für Bayern etwa die verpflichtende Auftaktveranstaltung im Nachgang der Schulinspektion, vgl. Abschn. 2.3.2). Weil sich die multiperspektivische Anlage dieser Studie als besonders gewinnbringend für die Ergründung der Handlungskoordination erwiesen hat, sollte dieses Design dabei wiederholend zum Einsatz kommen. Auch wäre denkbar, mit diesem Ansatz Inspektionsverfahren in anderen Bundesländern mit andersartigen Regelungsstrukturen, z. B. die in Landesinstituten institutionalisierte Schulinspektion, zu untersuchen, um damit Vergleiche anstellen und best practice Elemente identifizieren zu können. Möglich wäre auch, die Frage nach der Handlungskoordination auf die sozialräumliche Vernetzung, in NRW etwa die Regionalen Bildungsbüros, auszuweiten, um damit regionale Aspekte des Zusammenwirkens spezifischer in den Blick nehmen zu können. Wie in Kapitel 9 thematisiert, wäre es vielversprechend zu prüfen, inwiefern die viel beschworene Zusammenarbeit der Akteure überhaupt für die Schul- und Unterrichtentwicklung funktional ist bzw. tatsächlich eine Bearbeitung des Transferproblems bewirkt. Um dies näher zu untersuchen, könnten beispielsweise Studien im Kontrollgruppendesign etwa bei Qualitätsanalysen mit und ohne verändertem Rückmeldeformat in Erwägung gezogen werden. Denn, auch wenn Schulinspektionsverfahren des Öfteren in den wissenschaftlichen Blick genommen wurden, erscheint eine kontinuierliche wissenschaftliche Begleitung der stetigen Weiterentwicklungen der Verfahren lohnend (vgl. Abschn. 2.3.2). Das hat diese Arbeit am Beispiel der Qualitätsanalyse in Nordrhein-Westfalen einmal mehr gezeigt.

Zuletzt soll auf das zurückgekommen werden, wofür Schulinspektionen in Deutschland vor einigen Jahren eingeführt worden sind. Ihre vorrangigen Ziele beziehen sich auf die Unterstützung der Schul- und Unterrichtsentwicklung, Impulsgebung oder auch Stärkung der eigenverantwortlichen Schule. Solche Formulierungen machen es den an den Schnittstellen agierenden Akteuren zunächst leicht, sich hierauf – trotz ihrer jeweiligen Zuständigkeit – zu verständigen, wie das nachfolgende Zitat aus einem Interview zeigt:

wir haben ja im Grunde genommen alle dasselbe Ziel, wir kommen nur aus verschiedenen Richtungen mit verschiedenen Professionalitäten und mit verschiedenen Aufgaben. Das Ziel ist dasselbe: Guten Unterricht und gute Entwicklungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler zu schaffen. (SEB3|140)

Gleichzeitig offeriert dies ein zentrales Problem, welches Böttcher (2019b) zufolge typisch für politische Zielbeschreibungen ist: Sie bedienen sich abstrakten Formulierungen. Den Weg zur Zielerreichung müssen die handelnden Akteure auf den verschiedenen Ebenen des Schulsystems selbst finden und miteinander aushandeln. Was häufig fehlt, ist die Beschreibung der „logische[n] Struktur“ (Böttcher, 2019b, S. 84), die konkrete Strategie einer Maßnahme oder eines Programms. Mit anderen Worten: Ob beispielsweise eine Stärkung der eigenverantwortlichen Schule nur Formen der „sanften“ Steuerung oder auch aktives schulaufsichtliches Eingreifen umfassen soll, bleibt offen. Dass durch diese Zielformulierungen und deren immanenten strategische Unklarheit die Handlungskoordination bei der Schulinspektion in NRW eher die einzelschulische Verantwortlichkeit und damit in gewisser Weise die Differenz von Schulen stärkt als der Gewährleistung einer gewissen einheitlichen Qualität systematisch nachzukommen, konnte in dieser Arbeit herausgestellt werden (vgl. auch Abschn. 8.3).

Damit entzieht sich die schulpolitische Ebene einer zentralen, vielleicht sogar ihrer wesentlichsten Aufgabe: Der Präzisierung der eher globalen Strategieformulierung, die dann eine klar verantwortete Gesamtsystemsteuerung statt der Verlagerung von Verantwortung auf die Einzelschule fördern sollte. Im Kontext dieser Arbeit gilt dies auch und insbesondere für die zielgerichtete Realisierung einer für alle Schulen funktionalen Handlungskoordination, die ungeachtet ihrer Intensität nicht einem Selbstzweck unterliegen darf.