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Rolle und Person

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Freundschaft oder Kollegialität?

Part of the book series: Organisationsstudien ((OS))

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Zusammenfassung

Niemand kann dazu verpflichtet werden, dem Kollegen ein Ohr zu leihen oder die Schulter zum Ausheulen anzubieten. Wer es dennoch tut, verlässt damit den formal vorgezeichneten Bereich des rollenförmig korrekten Verhaltens und sagt insofern etwas über sich als Person aus. Dieser Grundgedanke von Abweichung – sei es von Mitgliedschaftserwartungen oder auch gesellschaftlich akzeptierten Werten – als eine Art ‚Brandbeschleuniger‘ für Freundschaft, findet sich in der Literatur vermehrt.

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Notes

  1. 1.

    Ebenso in der Liebe (vgl. Fuhse 2009: 301) oder Feindschaft: Schließlich könnte man ja auch sagen: „Ich zeige dir den Stinkefinger – weil du es bist“. Das wäre dann zwar auch persönlich-reflexives Verhalten aber keines, das für Freundschaft qualifiziert. Der Präferenzwert der Freundschaft ist offenkundig Freundlichkeit und nicht etwa Feindseligkeit.

  2. 2.

    Das freundschaftliche Verhalten muss zwar, anders als in der Vorstellung romantischer Liebe, nicht auf eine Person beschränkt sein, aber es darf auch nicht Jedermann einschließen. Man hilft nicht jedem beim Umzug. Man vertraut nicht jedem seine intimen Probleme an. Andernfalls würde es sämtliche Distinktion und Wertschätzung einbüßen, ins (freundschaftliche) Vertrauen gezogen zu werden, und damit mehr zu wissen als andere.

  3. 3.

    Ein Kinobesuch als Gruppenaktivität mit mehreren Kollegen ist insofern etwas anderes, als sich hier die Target Ambiguity (Abschn. 2.4; 5.4) verstärkt und damit der Grad der Reflexivität auf eine bestimmte Person abgeschwächt wird. Es könnte dann zum Beispiel erforderlich sein, auch weniger sympathische Kollegen mitzunehmen, weil es peinlich wäre, sie nicht einzuladen.

  4. 4.

    Nicht ganz unverwandt dem Streich, auf eine Person frontal mit offenen Armen zuzulaufen, im entscheidenden Moment aber eine Kurskorrektur vorzunehmen und statt dessen den hinter dem Opfer laufenden Komplizen in die Arme zu nehmen. Dass die Düpierten ihre Arme ebenfalls ausbreiten, also auf Reflexivität zurechnen, will das Publikum von „Versteckte Kamera“ zwar sehen, aber als Akteur möchte man den (Attributions-)Fehler ungerne begehen.

  5. 5.

    Vor allem wenn man in Rechnung stellt, dass der Übergang von Desinteresse zu Missachtung fließend ist. Achtung (oder auch Missachtung) kann aber immer nur der ganzen Personen gelten – nicht Ausschnitten (Fuchs 1992: 141).

  6. 6.

    Zuzustimmen ist ihm jedoch insofern, als man den Freundschaftsbegriff auch zu weit fassen kann. Die Abgrenzung zwischen normalen Nachbarn und „Neighbourly Friends“ (Spencer und Pahl 2006: 61 ff.) beispielsweise wirft in der Tat die Frage auf, wie ‚niedrigschwellig‘ Freundschaft – in Abgrenzung zu Bekanntschaft (Morgan 2009) sinnvoll angesetzt werden kann.

  7. 7.

    Freiwillige Vereinigungen (Horch 1985) sind deshalb ein interessanter Organisationstyp, weil hier gerade nicht einseitig nur auf die äußere Umwelt geachtet werden kann.

  8. 8.

    Wenn es erforderlich wäre, dass das Handeln des Mitglieds mit einem bejahenden Erleben begleitet würde, dann gäbe es kaum Reinigungs- und Servicekräfte oder Fabrikarbeiter. Kurz all das was man als „Shit-Jobs“ aber nicht unbedingt als Bullshit-Jobs bezeichnen kann (Graeber 2018).

  9. 9.

    Solche Verkaufsgespräche imitieren allerhöchstens eine Begegnung unter Vertrauten (vgl. Gastelaars 2002: 79).

  10. 10.

    Es kann durchaus sozial geboten sein, jemand aus Höflichkeit als Freund zu bezeichnen, ohne dass damit „jene vertraute Zuneigung“ (Leggewie 2008: 215) mitgemeint wäre, die „Freunden üblicherweise zukommt“ (Leggewie 2008: 215). Denn egal wie wahrheitsgetreu es auch sein mag, der explizite Hinweis: „Wir sind keine Freunde“ kann im Grunde nur als Kränkung aufgefasst werden (vgl. Fischer 1982: 304). Neben Höflichkeit, die den anderen vor Gesichtsverlust schützt, wäre eine weitere denkbare Funktion der Selbstschutz in der Befragungssituation und zwar insbesondere dann, wenn man nicht anonym einen Fragebogen ausfüllt, sondern der Forscherin Face-to-Face gegenübersteht. Hier kann die Angabe, Freunde unter den Kollegen zu haben das Problem lösen, nicht als jemand dastehen zu wollen, der keine Freunde hat. Einzelgängertum wird selten als positiv wahrgenommen. Also wird der Kollege, mit dem man ab und zu mal Small-Talk an der Kaffeemaschine hat, kurzerhand zum Freund erklärt. Dessen ungeachtet interessieren wir uns hier aber nicht für höfliche-sondern aufrichtige Freundschaftsbehauptungen.

  11. 11.

    Wenn auch nur als „technically laden metaphor of human communication.“ (Kallinikos 2003: 602) Denn: „Despite the impressive crowds of people traversing the sites of work everyday, organizations are not made of humans qua persons“ (ebd.: 605).

  12. 12.

    Die kalte Schulter gezeigt zu bekommen wäre zumindest unter dem Gesichtspunkt von „Getting Observations“ durchaus wünschenswert. Der Beziehungsstatus wäre geklärt und die Ambiguität aufgelöst.

  13. 13.

    In der Praxis handelt es sich jedoch selten um eine ‚Echtzeitunterstellung‘. Man stellt sich nicht die Frage, ob das Gegenüber jetzt gerade und auch fünf Minuten später noch tatsächlich das erlebt, was er vorgibt. Das wäre höchst unpraktisch und wird durch die Hochrechnung zur Identität ersetzt: Dem Freund als „einer Identität werden in der Zuschreibung von Handeln Motive und Interessen unterstellt (…)“ (Fuhse 2009: 299). Mein Freund ist eine Person, die an mir grundsätzlich interessiert ist – wenn auch nicht unbedingt immer an allem, was mich gerade umtreibt. Dadurch kann über alltägliche Abweichungen hinweg gesehen werden, wie etwa dem Freund etwas zu erzählen und ihn bei einer kurzen Geistesabwesenheit zu erwischen – ohne damit gleich seine Identität als Freund und sein grundsätzliches Interesse infrage stellen zu müssen.

  14. 14.

    Ein Gegenentwurf zum Paten stellt in diesem Sinn Doc aus der Street Corner Society dar: „Einmal bat mich Doc, etwas für ihn zu tun, worauf ich meinte, er hätte mir schon so viele Gefälligkeiten erwiesen, daß ich erfreut wäre, mich nun meinerseits einmal erkenntlich zeigen zu können. Worauf Doc einwandte: ,So will ich es nicht. Ich möchte, daß du es für mich tust, weil du mein Freund bist. Das ist alles.“ (Whyte 1943: 256, zitiert nach Homans 1978: 274).

  15. 15.

    Fuchs spricht im Original über Patriotismus.

  16. 16.

    Genau diese (Handlungs-)Erwartungen können aber auch plötzlich ins Gegenteil verkehrt werden, wenn es darum geht, sich geschlossen gegen das Management zu stellen: „Nun gilt es nicht mehr als solidarisch, außerhalb des Dienstplans einzuspringen“, sondern im Gegenteil: Wer dann noch einspringt, „hat in dem Team nichts mehr zu suchen, er stellt sich dann selber außerhalb des Teams“ (Behruzi 2018: 483).

  17. 17.

    Runkel hat hier primär Liebesbeziehungen im Sinn. Das Problem lässt sich aber meines Erachtens auch auf Freundschaft übertragen.

  18. 18.

    So sind auch die etwas kryptischen Aussage zu verstehen: „Man wird durch Freundschaft zum Freund (…)“ (Holzer 2010: 113) Oder: Wer eine Person als Freund adressiert, reproduziert damit auch die Beziehungsform der Freundschaft (vgl. Lökenhoff 2013: 192).

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Herbert, H. (2023). Rolle und Person. In: Freundschaft oder Kollegialität?. Organisationsstudien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41925-7_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-41925-7_3

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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