Die zu Beginn der Einleitung geschilderte Geschichte hat gezeigt, wie bei einer ZFD-Organisation die gemeinsamen Absprachen gut funktionieren, es kurze Dienstwege gibt und gemeinsam gearbeitet wird. Doch auch bei dieser Organisation gab es Herausforderungen in der Arbeit. So ging es zum Beispiel einmal darum, einen Workshop für ein größeres Publikum durchzuführen. Inhaltlich sollte die Frage behandelt werden, wie die Geschichte des Landes medial aufgearbeitet werden kann. Diesen Workshop hätten verschiedene Mitarbeitende der Organisation, mit verschiedenen Kompetenzen, halten können. Allerdings wurde entschieden, dass ihn die ZFD-Fachkraft hauptverantwortlich hält und eine andere Person der Organisation als Beobachter*in und lernende Person dabei ist. Sicherlich hat die ZFD-Fachkraft den Workshop methodisch gut gestaltet. Aus machtkritischer und postkolonialer Perspektive aber ist es fraglich, warum eine Person aus Deutschland einen Workshop zur Landesgeschichte hält. Hier zeigt sich, dass auch Organisationen, welche in vielen Bereichen bereits partnerschaftlich zusammenarbeiten und in denen diese Zusammenarbeit gut funktioniert, nicht von Problemen und Machtdynamiken frei sind.

Die vorliegende Arbeit hat herausgearbeitet, wie partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Friedensarbeit des ZFD aussieht. Es wurde dazu folgenden Fragestellungen nachgegangen: „Inwiefern liegt im Kontext der Zivilen Konfliktbearbeitung eine gleichberechtige Partnerschaft der Akteur*innen vor? Inwiefern ist die Zusammenarbeit in der Zivilen Konfliktbearbeitung von Machtasymmetrien geprägt?“ Durch eine Analyse des ZFD in Deutschland, Kenia, Liberia und Sierra Leone wurde deutlich gemacht, wie Friedensarbeit zwischen lokalen und internationalen Akteur*innen ausgestaltet wird. Die Arbeit legte dabei ein besonderes Augenmerk auf folgende Bereiche der ZKB und des ZFD: die Einbeziehung lokaler Akteur*innen, den Local Turn und das Friction-Konzept in der Friedensarbeit, die besonderen Merkmale einer vermeintlich gleichberechtigten partnerschaftlichen Zusammenarbeit und die Herausforderungen und Grenzen einer solchen Friedensarbeit. Es war das Ziel der Forschung mithilfe dieser Betrachtungen, in dreierlei Hinsicht zur Weiterentwicklung der kritischen Friedensforschung beizutragen – konzeptionell, methodisch und empirisch: (1); durch die konsequente Nutzung ethnografischer Forschungsmethoden in der kritischen Friedensforschung, um Muster der Zusammenarbeit und Abhängigkeiten aufzudecken – nicht nur mit Blick auf die Akteur*innen der Untersuchung, sondern auch mit Blick auf mich als forschende Person –; (2) durch die Entwicklung und Operationalisierung eines machtkritischen Untersuchungsrahmens auf Grundlage von Konzepten zum hybriden Frieden, zum Local Turn und zu Frictions und (3) durch die Entwicklung von praxisnahen Handlungsempfehlungen für die Friedenskonsolidierung. Dabei konnte die vorliegende Arbeit (1) herausarbeiten, wie Theorien der kritischen Friedensforschung in Wissenschaft und Praxis zu verstehen und anzuwenden sind; (2) Zivile Konfliktbearbeitung und insbesondere die Arbeit des ZFD auf Aspekte der partnerschaftlichen Zusammenarbeit hin untersuchen; (3) aufzeigen, was mögliche Strategien sind, um partnerschaftlich zu arbeiten; (4) analysieren, ob, und wenn ja, wie angesichts der bestehenden Machtdynamiken eine lokal verankerte und partnerschaftliche Friedensarbeit möglich ist; (5) Handlungsempfehlungen entwickeln, wie CSOs eine lokal verankerte und partnerschaftliche Friedensarbeit gestalten können. Dabei sind besonders mit Blick auf Machtdynamiken, Partnerschaft und das Friction-Konzept folgende Ergebnisse hervorzuheben:

  • Friedensfördernde Praktiken wie der ZFD sind nicht nur ein Ergebnis von organisatorischen Vorhaben und Richtlinien, sondern sie entwickeln sich auch aus der Organisationspraxis von Menschen innerhalb einer Organisation in Interaktion mit Menschen in den Gemeinschaften vor Ort und sind somit immer individuell.

  • Eine gleichberechtigte partnerschaftliche Ausgestaltung der Friedensarbeit bleibt auch in der Zivilen Konfliktbearbeitung zumeist ein Lippenbekenntnis und wird nur in Ansätzen umgesetzt.

  • Zivile Konfliktbearbeitung ist eingebettet in inhärente Machtdynamiken, welche eine wirkliche partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe verhindern.

  • Konflikte und Herausforderungen sind in einer personellen Zusammenarbeit vorprogrammiert. Diese werden jedoch nicht in produktiver Weise im Sinne des Friction-Konzepts nutzbar gemacht.

Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, hat sich die Arbeit zunächst den Themen Partnerschaft und Macht in der Friedensarbeit genähert, ist dann auf hybride und lokale Friedensarbeit und das Friction-Konzept eingegangen, hat Zivile Konfliktbearbeitung und den ZFD eingeführt und anschließend in einem empirischen Teil Forschungsergebnisse aus Deutschland, Kenia, Liberia und Sierra Leone präsentiert. Um einen besseren Überblick über die einzelnen Schritte und Zwischenergebnisse der Arbeit zu erhalten, werden diese im Folgenden skizziert.

Zu Beginn wurden in der Einleitung (Kapitel 1) das Argument der Arbeit und die Fragestellung herausgearbeitet. Beide ergeben sich aus der Tatsache, dass sowohl in der Praxis als auch in der wissenschaftlichen Literatur immer stärker die Einbeziehung lokaler Akteur*innen in Friedensprozesse gefordert wird. Diese Einbeziehung verstärkt die Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen Akteur*innen in der Friedensarbeit, welche bereits auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Ansätzen untersucht wurde. Diese Forschung untersuchte jedoch gezielt eine partnerschaftlich angelegte Zusammenarbeit und kann an bereits existierende Forschungen anknüpfen. Des Weiteren wurde in der Einleitung aufgezeigt, was in der FuK bereits über Partnerschaften bekannt ist. Es wurden verschiedene Konzepte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit dargestellt. Hier wurde deutlich, dass es nicht nur „das eine Konzept“ oder „die eine Definition“ gibt, sondern sie oftmals angepasst an die jeweiligen Interaktionen entstehen. In der Einleitung wird auch in die Zivile Konfliktbearbeitung und den ZFD als Forschungsthema eingeführt. Es wird kurz die Forschungsmethode der Arbeit vorgestellt und ein Ausblick auf ihren Aufbau gegeben.

Kapitel 2 führt in die Themen Macht und Partnerschaft in der Zivilen Konfliktbearbeitung und speziell im ZFD ein. Dazu wurden wissenschaftliche, aber auch praxisnahe Diskussionen geschildert. Eine ethnografische Geschichte aus der Forschung schilderte, welche Machtdynamiken es auf verschiedenen Ebenen gibt. Zum einen wurden sie zwischen mir als Forscherin und den Personen des ZFD, aber auch zwischen den Personen, die an Aktivitäten des ZFD teilnehmen, deutlich. Zum anderen zeigten sich Machtdynamiken zwischen den verschiedenen Akteur*innen, die im ZFD arbeiten, und zwischen ihnen und den Personen, die an den Aktivitäten teilnehmen. Diese Machtdynamiken wurden kritisch reflektiert und mit verschiedenen Machttheorien und Diskursen verknüpft. Dabei wurde besonders auf die Theorien und Argumentationen von Foucault zurückgegriffen. Betrachtet wurde der Begriff Diskurs, der als eine kollektive Praxis der Ordnung und des Framings in den Köpfen von Akteur*innen verstanden wird, die versuchen, komplexe Themen zu organisieren und Sinn aus ihren Erfahrungen zu gewinnen. Dadurch kann nicht nur ein systematisierter Wissensbestand bei den Akteur*innen erwachsen. Vielmehr kann es zu Handlungen kommen, die sich wiederum auf die Praxis auswirken. Unter postkolonialen Bezügen wurde herausgearbeitet, wie diese diskursive Macht die Arbeit von CSOs beeinflusst und sich über Jahre hinweg immer weiter verstetigt hat.

Kapitel 3 beschreibt den konzeptionellen Rahmen der Arbeit. Ausgehend von einer Kritik am liberalen Frieden werden die Konzepte zum Local Turn, zum hybriden Frieden und zu Frictions eingeführt. Durch diese konzeptionelle Grundlage, die für die weitere Analyse in der Arbeit grundlegend ist, konnte ein wichtiger Beitrag zur Debatte um ZKB geleistet werden. Denn in der wissenschaftlichen Literatur wird häufig bemängelt, dass ZKB nicht genügend theoretisch unterfüttert ist (Debiel et al. 2011; Gulowski und Weller 2017; Müller 2013). In der Diskussion zu diesen Konzepten wurde konkretisiert, dass sie folgende Fragen offen lassen: Wer sind die lokalen Akteur*innen? Was ist als „lokal“ zu verstehen? Wie lässt sich Prozesshaftigkeit darstellen und wann kann sie wirklich helfen, etwas in der Praxis zu verändern? Welche Eigenschaften von Frictions bestimmen das Ergebnis? Welche Rolle spielen Machtdynamiken (beziehungsweise Machtasymmetrie) in Friedensprozessen?

Kapitel 4 stellt die Zivile Konfliktbearbeitung allgemein und den ZFD im Speziellen vor, da sie den Untersuchungsrahmen bilden. Zunächst wurde verdeutlicht, was unter Ziviler Konfliktbearbeitung zu verstehen ist und welche Rolle CSOs darin spielen. Wie sich zeigte, können CSO-Akteur*innen wichtige Beiträge zur Friedensarbeit leisten und tun dies gerade durch Zivile Konfliktbearbeitung in der Regel in Anlehnung an ein positives Verständnis von Frieden. In diesem Verständnis verortet sich auch der ZFD. Es wird seine historische Entstehung in den 1990er Jahren aus der Friedensbewegung heraus bis hin zu seiner heutigen Umsetzung als Instrument der Personalentsendung des BMZ beschrieben. Dabei wird genau in die Strukturen und Akteur*innen und deren Zusammenspiel eingeführt, was es in dieser Form bisher weder in der wissenschaftlichen Literatur noch beim ZFD selbst gibt. Außerdem werden sowohl die Rollen und Aufgaben der Fachkräfte als auch die der lokalen Partner*innen betrachtet. Wie sich zeigte, lassen Rollen und Aufgaben für beide Akteur*innen viel Handlungs- und Ausgestaltungsspielraum offen. Jedoch wurde auch deutlich, dass es im ZFD deutlich mehr Informationen zu den Fachkräften als zu den lokalen Partner*innen gibt. Dies ist damit zu begründen, dass die Fachkräfte über das Entwicklungshelfer*innengesetz entsendet werden, die ZFD-Träger*innen für sie zuständig sind und sie somit im Zentrum des ZFD stehen. Fraglich ist, warum den lokalen Partner*innen, ohne die die Arbeit nicht durchgeführt werden kann, so wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wird im ZFD über lokale Partner*innen gesprochen, bleibt oftmals unklar, wie diese vor Ort eingebettet sind und was genau unter „lokal“ zu verstehen ist. In vielen Fällen findet ein Versuch dieser Einbettung über die Akteurspyramide von Lederach statt. Sie wurde in der wissenschaftlichen Literatur bereits vielfach kritisiert, wird im ZFD jedoch immer noch angewendet.

Kapitel 5 behandelt die methodischen Forschungsgrundlagen und ist als ein Appell für die Nutzung ethnografischer Methoden zu verstehen. Nachdem allgemein in ethnografische Methoden eingeführt wurde und die teilnehmende Beobachtung und Expert*inneninterviews stattgefunden haben, wird dies auf die FuK übertragen. Es konnte aufgezeigt werden, dass es in der FuK bereits eine Vielzahl von ethnografischen Forschungen gibt. Anschließend werden die verschiedenen Forschungsphasen beschrieben, wobei sie jedoch nicht als starre Konstrukte zu verstehen sind, sondern flexibel gestaltet werden. Die verschiedenen Phasen werden durch eigene Forschungsberichte anschaulich beschrieben. Es wurde deutlich, dass auch ich als Forscherin eine Rolle in der Forschung spiele. Diese Rolle wird auf forschungsethische Überlegungen hin überprüft. Dabei ist deutlich geworden, dass sowohl machtkritische Überlegungen als auch ethische Fragen zur Wissensproduktion eine entscheidende Rolle in ethnografischer Forschung spielen. Abschließend werden in dem Kapitel eine Reihe von ethischen Fragen herausgearbeitet. Diese habe ich mir als Forscherin vor, während und nach der Forschung gestellt und es wird transparent beantwortet, wie ich mit diesen Fragen umgegangen bin.

Kapitel 6 liefert erste empirische Ergebnisse aus der Forschung in Deutschland. Sie werden als Innenansichten aus dem ZFD dargestellt. Zunächst werden Ergebnisse der Interviews mit Mitarbeitenden der ZFD-Träger*innen diskutiert. Es hat sich deutlich gezeigt, dass es zwischen den ZFD-Träger*innen, welche in einem Konsortium zusammenarbeiten, viele Gemeinsamkeiten und gleiche Vorstellungen über die Arbeit des ZFD und vor allem der Fachkräfte gibt. Jedoch wurde auch klar, dass es Punkte gibt, die sehr unterschiedlich gesehen und umgesetzt werden. Dies betrifft unter anderem die Ansätze, mit integrierten oder nicht integrierten Fachkräften in den jeweiligen Einsatzländern zu arbeiten sowie unterschiedliche Verständnisse von Ownership oder von Neutralität in der Friedensarbeit. Anschließend werden Ergebnisse aus der teilnehmenden Beobachtung analysiert, die bei fünf Vorbereitungsseminaren für ZFD-Fachkräfte durchgeführt wurde. Es wird deutlich, dass die Vorbereitungen für die Fachkräfte wichtig sind und relevante Inhalte vermittelt werden. Jedoch zeigt sich auch, dass maßgebliche Aspekte wie Machtdynamiken in der Arbeit oder eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Rollen vor Ort nur ungenügend behandelt werden. Diese beiden empirischen Teile werden abschließend zusammengeführt. Es werden Themen aufgeführt, die in den Interviews und Seminaren immer wiederkehren: (1) Selbstverständnis der ZFD-Organisationen, (2) Verortung des ZFD in der Friedensarbeit, (3) die Rolle und Aufgabe der Fachkräfte, (4) die Rolle und Aufgabe der Partner*innen, (5) die Bedeutung der Vorbereitung für die Arbeit der Fachkräfte und Partner*innen vor Ort, (6) Ownership und Legitimität im ZFD, (7) die Ausgestaltung der Zusammenarbeit (inklusive Herausforderungen) und (8) Machtdynamiken in der Zusammenarbeit und den Strukturen des ZFD. Diese Themen wurden als Leitgedanken in die weitere empirische Forschung übernommen und dienen ebenfalls der empirischen Auswertung.

Kapitel 7 führt in das nächste empirische Kapitel der Arbeit ein und beschreibt die Fallauswahl, die sich auf Kenia, Liberia und Sierra Leone beschränkt. Es wird dargestellt, warum der afrikanische Kontinent für die FuK relevant ist und im Speziellen für die Friedens- und Entwicklungsarbeit Deutschlands und damit auch des ZFD. Es werden Hintergründe zu vergangenen und aktuellen Konflikten in den drei ausgewählten Ländern geliefert, um Verständnis dafür zu wecken, in welchem Umfeld der ZFD vor Ort arbeitet. Ergänzend folgt eine Darstellung der Lage der Zivilgesellschaft und der CSOs in den drei Ländern und der dortigen ZFD-Arbeit. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die jeweiligen Länder, lokalen Partnerorganisationen und Themen und Kontexte vor Ort sind, in denen der ZFD arbeitet.

Der empirische Teil der Arbeit in Kapitel 8 stellt verschiedene exemplarische Geschichten dar, die in der Forschung erlebt wurden. Ihre Analyse zeigt, wie der deutsche ZFD versucht, mit lokaler, partizipativer Friedensförderung zu arbeiten und welche Herausforderungen, Spannungen und Probleme sich aus diesem Ansatz ergeben können. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass es im ZFD eine starke Hinwendung zum Lokalen gibt, dass lokale Akteur*innen in die ZFD-Arbeit eingebunden werden und eine im Vergleich zu anderen Programmen und Projekten relativ enge Zusammenarbeit stattfindet. Nichtsdestotrotz kann die vom ZFD angestrebte partnerschaftliche Zusammenarbeit nur bis zu einem gewissen Grad erfolgen. Sie wird oftmals von bestehenden Machtdynamiken und Ungleichgewichten in der Zusammenarbeit überschattet. Diese Machtdynamiken ergeben sich aus dem Design des ZFD selbst und aus der Tatsache, dass persönliche Beziehungen und Kooperationen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung spielen. Dadurch entstehen zum Teil sehr offensichtliche Probleme in der Zusammenarbeit, aber auch unterschwellige und inhärente Konflikte, die oft nur als die Spitze des Eisbergs sichtbar werden. Der ZFD agiert vielfach im Sinne eines hybriden Friedens. In Friedensprozessen, in denen lokale und internationale Akteur*innen mitarbeiten, kommt es im Sinne der Idee des hybriden Friedens dazu, dass nicht westliche Ideen einbezogen und mit Ideen von zum Beispiel externen Akteur*innen kombiniert werden (Yamashita, 2014, S. 1). Insofern sind Friedensprozesse als dynamische Prozesse anzusehen. Sie sind in ständiger Bewegung und Veränderung begriffen und lassen Kooperationen, jedoch auch Auseinandersetzungen zu (Mac Ginty, 2010, S. 403). Somit kann es zu Spannungen, Aushandlungsprozessen und Divergenzen kommen (Mac Ginty, 2016b, S. 56). Doch gerade durch diese dynamischen Interaktionen zwischen lokalen und internationalen (externen) Akteur*innen können neue und passgenauere Ansätze in der Friedensarbeit entstehen.

Die Geschichten zeigen, dass Friedensarbeit im ZFD aus einer Vielzahl von lokalen und globalen Prozessen besteht. Sie erfolgen in einer gemeinsamen Arbeit, verlaufen zum Teil parallel und zum Teil jedoch auch auf unterschiedlichen Ebenen. Friedensarbeit ist daher nicht in einem bestimmten Raum verortet, sondern an den Schnittstellen, wo das Universelle und das Partikulare zusammenwirken (Björkdahl et al., 2016a, S. 209). Somit kann der ZFD als „traveling package“ bezeichnet werden (Tsing, 2005, S. 237). Denn es gibt bestimmte Vorgaben und Ideen des ZFD, welche in den jeweiligen Kontexten, von den jeweiligen Träger*innen und den jeweilig involvierten Akteur*innen übersetzt werden, um ihm lokale Bedeutung zu verleihen. Der ZFD kann also verschiedene Erscheinungsformen haben. Die Interaktion des internationalen Projekts ZFD und der Paradigmen der lokalen Akteur*innen erzeugt „[…] ‘contingent articulations’ which are unplanned and unplannable, unique to the setting and emerging in response and reaction to the travelling ‘universal’“ (Millar et al., 2013, S. 139).

Deshalb ist es wichtig, in der Friedensarbeit das Lokale und das Globale nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Vielmehr sollte der geteilte Raum, in dem die Interaktionen stattfinden, in den Blick genommen werden. Während dieser Interaktionen kann immer wieder Reibung (Frictions) entstehen. Die Geschichten und Analysen in Kapitel 8 zeigen jedoch, dass diese Frictions nicht einfach nur als Auseinandersetzung zwischen verschiedenen friedensfördernden Ideen und Akteur*innen oder als Konfrontation zwischen globalen und lokalen Praktiken mit vorbestimmtem Ausgang angesehen werden dürfen. Vielmehr sind sie ein unerwarteter und ungewisser Prozess, in dem globale und lokale Akteur*innen sowie universalistische und partikularistische Diskurse interagieren, um Differenz und Affinität zu vermitteln und auszuhandeln (Björkdahl et al., 2016b, S. 5). Diese Reibungen sind nicht vorhersehbar, weil sich die involvierten Akteur*innen und jeweiligen Settings ständig ändern. „While friction always occurs between the actors, ideas, and practices engaging in or circulating within the peacebuilding endeavour, the nature of those frictions, and the outcomes that will emerge as a product of the process of friction, will be unpredictable“ (Björkdahl et al., 2016b, S. 5). Daran schließt das von Thania Paffenholz vorgeschlagene Konzept des Perpetual Peacebuilding an, um die fortwährende Linearität von liberalen Modellen abzuwenden. „I propose that peacebuilding […] must be viewed as entailing continuous negotiations, and re-negotiations, of the social and political contract of a society and polity, with pathways to peace marked by opportunities, setbacks, catalysts, friction and resistance“ (Paffenholz, 2021, S. 2). Somit wird der Fokus nochmals verstärkt auf den dynamischen Prozess an sich gelenkt. Diese dynamischen Prozesse der Aushandlung stehen im Zentrum der Analyse und werden in diesem Kapitel zunächst erneut unter dem Aspekt Partnerschaftlichkeit zusammengefasst. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, ob – und wenn ja, inwieweit und wenn nein, warum nicht – partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Friedensarbeit möglich ist. Es werden verschiedene Handlungsempfehlungen für die ZFD-Arbeit und Friedensarbeit allgemein formuliert, bevor abschließend die Forschung und ihre Ergebnisse kritisch reflektiert werden.

9.1 Das Märchen von der gleichberechtigten Partnerschaftlichkeit – Lehren aus der Forschung über den ZFD

Wie die hier vorliegende Arbeit zeigt, geht der ZFD in den Grundzügen seiner Arbeit von einer gleichberechtigen Partnerschaft auf Augenhöhe aus. Dies ist im Sinne einer ZKB und des theoretischen Konzepts des Local Turn. Der ZFD ist seinem Selbstverständnis zufolge am ehesten in der Kategorie der partnerschaftlich orientierten Beziehung (Dibley, 2014) oder einer partnerschaftlich orientierten Partnerschaft mit Elementen der vertragsbasierten Partnerschaft (Lee, 2019, 53 ff.) einzuordnen. Dennoch sind diese Einordnungen und Konzepte nicht ausreichend, um die tatsächliche Komplexität dieser Partnerschaft zu beschreiben. Die empirische Analyse hat für die praktische Umsetzung eine Reihe von Herausforderungen herausgefunden. Sie kommen unter anderem durch inhärente Machtdynamiken zum Tragen, die eine gleichberechtige Partnerschaft erschweren und zum Teil unmöglich – zu einem bloßen Märchen – machen. Um dieses Märchen von einer gleichberechtigen Partnerschaft auch in Bezug auf Machtdynamiken einordnen zu können, werden im Folgenden die wichtigsten Punkte zusammengefasst und mit einer konzeptionellen Ebene verknüpft. Es werden offene Fragen beantwortet, die sich in Kapitel 3 aus dem konzeptionellen Rahmen entwickelt haben: Wie lässt sich Prozesshaftigkeit darstellen und wann kann sie wirklich helfen, etwas in der Praxis zu verändern? Welche Eigenschaften von Frictions bestimmen das Ergebnis? Welche Rolle spielen Machtdynamiken (beziehungsweise Machtasymmetrien) in Friedensprozessen?

Zunächst ist festzustellen, dass Projekte der Friedensförderung mit externen Akteur*innen immer Orte erfordern, an denen das „Internationale“ auf das „Lokale“ trifft. Oftmals bleiben dabei das „Lokale“ und das „Internationale“ zwei binäre Oppositionen oder Einheiten, die nicht wirklich zusammenarbeiten. Auch im Falle des ZFD bleiben diese beiden Einheiten zunächst bestehen. Dabei wird das „Internationale“ durch ZFD-Fachkräfte und ZFD-Träger*innen repräsentiert und das „Lokale“ durch lokale Mitarbeitende und Organisationen vor Ort. In der praktischen Zusammenarbeit lassen sich – wie in Kapitel 8 geschildert – immer wieder Elemente finden, an denen diese dichotome Gegenüberstellung klar wird. Zum Beispiel, wenn es um Themen wie administrative Programmbedingungen, den Schutz der Mitarbeitenden oder Möglichkeiten zur Vorbereitung geht. Es finden sich im ZFD aber auch zahlreiche Beispiele, in denen diese beiden Einheiten nicht komplett als binäre Optionen auftreten, die hermetisch getrennt voneinander agieren. Vielmehr sind sie wechselseitig durchlässig, sie sind „[…] co-constitutive of each other and as such cannot be seen as separate parts of a binary. They are relational concepts […]“ (Mac Ginty, 2016c, S. 207). Dies wurde zum Beispiel in den Geschichten in Abschnitt 8.3.1 oder 8.6.1 deutlich, in denen alle beteiligten Akteur*innen gemeinsam an einer Ausgestaltung des ZFD gearbeitet haben. Für die Idee einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist eine Auflösung der dichotomen Darstellung von lokal und global/extern wichtig. Denn dieser Darstellung zufolge dominiert die eine Ebene permanent die andere oder scheint ihr überlegen. „Das Lokale wird vom Globalen beeinflusst, geformt und gegebenenfalls verändert, ebenso wird aber auch das Globale durch das Lokale konstituiert. Es gibt demnach nicht nur eine globale Konstruktion des Lokalen, sondern gleichwohl eine lokale Konstruktion des Globalen“ (Buckley-Zistel, 2021, S. 28). Es kommt dann dazu, sich gegenseitig zu konstituieren. Das Lokale wird ebenfalls zu einem*einer handlungsmächtigen Akteur*in, in dem Sinne, dass auch er*sie beeinflusst, wie das Globale definiert wird (siehe Abschnitt 8.2.). Im Zuge dieses gegenseitigen Konstituierens wird deutlich, dass Kontextfaktoren und der Einfluss von Einzelpersonen die Art der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mitprägen. Das wurde zum Beispiel in Abschnitt 8.4.1. deutlich, als beschrieben wird, dass die ZFD-Fachkraft und die lokalen Mitarbeitenden sehr unterschiedliche Erwartungen an die Arbeitsverteilung hatten. „Actors situate others, but also themselves, in a relational position, based on the respective context in time and space“ (Kappler, 2015, S. 876). Dadurch kann es zu dialogischer Friedensarbeit kommen. Dialogisch bezieht sich dabei auf die Art und Weise, wie Beziehungen zwischen verschiedenen Akteur*innen aufgebaut und gestaltet werden, und auf die Prinzipien, auf denen sie beruhen (Bernhard, 2013, S. 12). Dialogisch bedeutet im Allgemeinen, sich kontinuierlich und wechselseitig zu informieren und zu transformieren. Es impliziert Begegnung, Kommunikation, Interaktion, Austausch, Verständnis und Transformation, sieht dabei den eigenen Standpunkt nicht als endgültig an und hat nicht das Ziel einer Einigung (Isaacs, 1999, S. 19). Vielmehr zielt dieser Dialog auf den Aufbau einer Beziehung zwischen den Akteur*innen ab. Er versucht, alle unterschiedlichen Ansichten, Ideen und Interessen für eine Zusammenarbeit nutzbar zu machen. Das geschieht, indem nicht die Energie und Polarisierung unterschiedlicher Ansichten im Vordergrund stehen und ein gezielter Dialog geführt wird (Isaacs, 1999, S. 19). Ein Ergebnis dieser dialogischen Friedensarbeit sind hybride Konstrukte. Hybridität manifestiert sich also in der Akzeptanz, Übernahme und Vermischung unterschiedlicher Sichtweisen, Ziele, Interessen und Normen der beteiligten Akteur*innen (Bernhard, 2013, S. 13). Durch diese Ausführungen lässt sich feststellen, dass diese Forschungsergebnisse wichtige Implikationen für die Theoriebildung haben. Denn sie verdeutlichen die Komplexität des Nexus zwischen Theorie und Praxis der Friedensförderung. Wie diese Forschung gezeigt hat, interagieren Kontext, institutionelle Finanzierungsstrukturen und Menschen in unterschiedlichen Konstellationen über das Medium einer Organisation und deren Partnerschaft mit anderen Institutionen miteinander. Diese Faktoren wirken wie ein Filter, der beeinflusst, welche Ideen priorisiert und wie sie interpretiert und angewendet werden.

Durch diese Interaktionen wird der im Local Turn verankerte ZFD zu einem Beispiel für den hybriden Frieden. Denn er vollzieht sich in der Zusammenarbeit von verschiedenen Akteur*innen, und das Lokale und das Globale konstituieren sich gegenseitig. In dieser Konstitution kann zwischen einem positiven und einem negativen hybriden Frieden unterschieden werden. Ein positiver hybrider Frieden spiegelt nach (O. P. Richmond, 2015) kontextuell verwurzelte Prozesse wider, in denen soziale und politische Ungerechtigkeiten auf internationaler und lokaler Ebene angesprochen werden, und er kann nur durch Partnerschaft entstehen (Mac Ginty & Richmond, 2016, S. 231). Positiver hybrider Frieden schafft ein Gleichgewicht zwischen internationalen Präferenzen und lokalisierten Machtstrukturen, bleibt aber im Alltäglichen (Everyday-Peace) verortet. Wichtig dabei ist, dass er empathisch und emanzipatorisch ist, weil er Ansätze verfolgt, die letztlich nicht von externen Akteur*innen definiert werden. Nur so ist wirkliche Partnerschaft möglich. Im Gegensatz dazu hat negativer hybrider Frieden unterdrückerische soziale, politische oder militärische Strukturen, mit denen Eliteninteressen und der Status quo bewahrt werden (Richmond, 2015). Er entsteht aus Problemen und Spannungen, die sich aus liberal-lokalen Begegnungen ergeben. In seiner Konsequenz bleiben internationale und lokale Akteur*innen, Normen und Interessen entgegengesetzt zueinander. Negativer hybrider Frieden beruht auf einer hybriden Politik, in der strukturelle Gewalt aufrechterhalten und liberale Normen untergraben werden. „Tensions from international-local encounters result in a negative hybrid peace“ (Simangan, 2017, S. 195). Er ist instrumentalisiert, künstlich, hegemonial und einseitig, da er entweder zu internationalisiert oder zu lokalisiert ist (Mac Ginty & Richmond, 2016, S. 230). Anstatt lokales Empowerment und Emanzipation zu bringen, lagert ein negativer hybrider Friedensprozess einfach Macht und Normen von der internationalen auf die lokale Ebene aus (Richmond, 2015, S. 51). Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur der positive und der negative hybride Frieden oftmals gegenübergestellt werden, zeigt sich aber im ZFD, dass beide gleichzeitig existieren können. So lassen sich im ZFD Elemente des positiven hybriden Friedens dann finden, wenn zum Beispiel ZDF-Fachkräfte kritisch über ihre Rolle und ihren Einfluss diskutieren. Oder wenn sie (Abschnitt 8.1.2.) das Verständnis von Neutralität hinterfragen, wenn (Abschnitt 8.3.2.) Aufgaben von Fachkräften übernommen werden, die sie emanzipieren und dadurch Agency entsteht, oder wenn (Abschnitt 8.1.3.) Legitimität durch Alltäglichkeit und die lokalen Akteur*innen erwächst. Gleichzeitig lassen sich im ZFD auch Merkmale des negativen hybriden Friedens finden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Spannungen zwischen lokalen Akteur*innen und ZFD-Akteur*innen aufkommen, welche (Abschnitt 8.4.2.) sogar zu Kündigungen führen können. Oder wenn (Abschnitt 8.4.4.) Ownership von lokalen Akteur*innen untergraben wird. Insofern kann im ZFD von einer Parallelität von negativem und positivem hybriden Frieden gesprochen werden, der sich jeweils unterschiedlich und abhängig von Kontexten und Personen ausdifferenziert. Das Auftreten dieser beiden Elemente ist damit zu erklären, dass es sich beim ZFD um sogenannte „Travelling Packages“ handelt. Ein vermeintlich universelles Konzept, das von Deutschland als internationalem Akteur an verschiedenen Orten umgesetzt und vor Ort lokal übersetzt wird (Tsing, 2005, S. 237).

Gerade Interaktionen, welche zu negativem hybriden Frieden führen, tun dies, weil Interaktionen zwischen internationalen und lokalen Akteur*innen und Normen nicht immer gleichberechtigt sind und ihre asymmetrischen Beziehungen Formen von Macht (re)produzieren können. „Hybrid peace can be seen as a framework in which power circulates between its constituent actors” (Mac Ginty & Richmond, 2016, S. 229). Der ZFD zeigt jedoch auch, warum der hybride Frieden in der Praxis problematisch ist. Es werden Machtasymmetrien und Hierarchien in den Interaktionen reproduziert und Logiken von Inklusion und Exklusion setzen sich fort. Die meisten Herausforderungen, die sich auch durch Machtdynamiken im Rahmen der partnerschaftlichen Arbeit im ZFD ergeben, betreffen Rollendefinitionen, die Zusammenarbeit im Arbeitsalltag, Gleichbehandlung der involvierten Akteur*innen, die Finanzierung und die Wirkung der Projekte. Dies sind Themen, zu denen Reibungen (Frictions) entstehen. Dies wurde anhand der empirischen Beispiele in Kapitel 6 und 8 gezeigt. Deswegen ist es wichtig, mit dem Friction-Konzept zu arbeiten, wenn es um Themen wie Machtdynamiken und Partnerschaftlichkeit geht. Dabei kann es besonders im Rahmen des ZFD und von partnerschaftlich und lokal angelegten und verankerten Maßnahmen und Projekten in der Friedensarbeit hilfreich sein, nochmals das Konzept der Everyday-Frictions (Schia & Karlsrud, 2013, S. 243) heranzuziehen. Das Alltägliche wird verstanden als: „[…] everyday is regarded as the normal habitus for individuals and groups“ (Mac Ginty 2014, S. 550). Demnach beziehen sich Reibungen auf alltägliche Meinungsverschiedenheiten, die in der gemeinsamen Zusammenarbeit in Projekten häufig auftreten, und auf ambivalente und asymmetrische Beziehungen und Hierarchien, die dazu führen, dass Meinungen unbeabsichtigte Auswirkungen haben. Diese werden weder allein von den lokalen noch von den internationalen/externen Akteur*innen definiert, sondern vielmehr durch deren Zusammenspiel, weil der alltägliche Frieden dialogisch in dem Sinne ist, dass er auf Interaktion beruht (Skeggs, 2002, S. 4).

Im Kontext von ambivalenten Beziehungen zwischen globalen und lokalen Akteur*innen (mit inhärenten Machtasymmetrien) kann dies bei friedensfördernden Interventionen wie dem ZFD unbeabsichtigt auch zu negativen Ergebnissen führen. Dabei können Frictions auf verschiedenen Ebenen entstehen, nämlich auf vertikaler und auf horizontaler Ebene. „Peacebuilding interaction can thus be said to hold both vertical frictions upholding asymmetrical relations between the international and the local and horizontal frictions as these interactions impact the mutual relationships between different actors in the post-conflict landscape altering local power relations“ (Björkdahl & Höglund, 2013, S. 298). So lassen sich im ZFD beide Sorten Frictions finden. Vertikale Frictions kommen zum Beispiel dann vor, wenn die Einstellung eines ZFD-Projektes für die Fachkraft keine negativen Konsequenzen mit sich bringt und sogar zu einer neuen Stelle führen kann, während gleichzeitig für die lokalen Mitarbeitenden negative Konsequenzen zum Beispiel durch fehlende Finanzen und begonnene und nicht zu Ende geführte Projekte entstehen (siehe Abschnitt 8.4.2.). Horizontale Frictions treten zum Beispiel dann auf, wenn die Anwesenheit einer Fachkraft auch im ZFD nicht involvierte Akteur*innen beeinflusst. Als Beispiel dient die Geschichte in Abschnitt 8.2.2., in der eine Fachkraft bewusst zu einem Treffen mitgenommen wurde, um gegenüber einem mächtigen lokalen Akteur Macht zu demonstrieren. Arbeitet man in der Praxis mit dem Konzept der Frictions, ist es wichtig, sie nicht als eine Art verbindliches Element zu verstehen, das im Verlauf erfolgreicher Friedensarbeit abgehakt werden muss. Vielmehr geht es darum, individuelle Prozesse zu betrachten, welche durch regelmäßiges Feedback gemeinsam bearbeitet werden können (Björkdahl et al., 2016a, 211 f.). Erst so können Frictions als produktive Elemente für Veränderungen dienen (Björkdahl et al., 2016b, S. 9). Um den Local Turn mit Elementen der Frictions im Sinne einer partnerschaftlichen Arbeit des ZFD effektiv umzusetzen, ist es wichtig, dass die Akteur*innen diese Reibungen berücksichtigen, ihre Ursachen und ihr Schadenspotenzial verstehen und letztlich produktiv mit ihnen umgehen. Dieser produktive und proaktive Umgang mit Reibungen ist für Akteur*innen in jedem einzelnen Projekt relevant. Er ist ein zentrales Element und stellt eine ständige Herausforderung in der Arbeitsphilosophie jeder einzelnen involvierten Person dar. Die Art und Weise, wie Reibungen in einer bestimmten Intervention aufgelöst werden, hängt stark von den Gewohnheiten, Idealen und Verhaltensweisen der einzelnen Akteur*innen ab und stellt diese in den Mittelpunkt des Friedensförderungsprozesses. „The quality of the relations and interactions between the different actors and stakeholders is central to the effectiveness and sustainability of the peacebuilding process“ (Bernhard, 2013, S. 10). Dies bedeutet für die tatsächliche Arbeit, dass es wichtig ist, dass sowohl Berichts- als auch Feedback-Mechanismen genutzt werden. Zudem sollten aus den Erfahrungen, Rückmeldungen und Schlussfolgerungen der involvierten Akteur*innen Konsequenzen gezogen und untereinander abgeglichen werden.

Jedoch hat sich in den empirischen Untersuchungen zum ZFD gezeigt, dass diese produktive Nutzung von Reibungen oftmals nicht erfolgt. Dies hat verschiedene Gründe. Beispielsweise liegt es daran, dass wenig über diese produktive Nutzung bekannt ist. Aber auch daran, dass die vermeintlich partnerschaftliche Friedensarbeit auf asymmetrischen und gestörten Beziehungen basiert, dass es ein inhärentes Machtungleichgewicht in der Arbeit gibt und dadurch partnerschaftliches Arbeiten nicht gleichberechtigt erfolgen kann. So lassen sich im ZFD – wie in Abschnitt 8.7. gezeigt – folgende Machtdynamiken immer wieder finden: „1) Naturalization, 2) Othering, 3) Legitimization, 4) Hierarchization, 5) Depolitization, 6) Appropriation“ (Ziai, 2015, S. 8). Diese Dysfunktion zeigt sich schon an dem einfachen Fall, dass in der Friedensarbeit meistens die internationalen CSOs die Macht haben, zu wählen, mit wem sie arbeiten. Dies ist auch im ZFD so. Zwar können sich lokale Organisationen bei den ZFD-Träger*innen melden, doch obliegt den Träger*innen (Kapitel 8) letztendlich die Auswahl der Organisationen. Der Zugang zu ihnen wird außerdem durch administrative Hürden erschwert. Anders als ihre lokalen Kolleg*innen haben die ZFD-Träger*innen das Privileg, sich aussuchen zu können, welche Organisationen sie als Partner*innen auswählen. Etwa diejenigen, die ähnliche Ideen haben oder in der Lage sind, ihre Ideen in einer Weise zu artikulieren, die mit denen der internationalen CSOs übereinstimmen. Dies zeigt sich auch immer wieder im ZFD, wenn kirchliche ZFD in der Regel nur mit kirchlichen oder kirchennahen Organisationen zusammenarbeiten. Ein anderes Element, das die Dysfunktion des Systems verdeutlicht, ist die Ressourcenkontrolle von CSOs aus dem Globalen Norden. Indem sie Ressourcen anbieten oder damit drohen, sie zurückzuhalten, Bedingungen für die Verwendung dieser Ressourcen aufstellen und sie einsetzen, um das Denken von Einzelpersonen und Organisationen zu beeinflussen, sind sie in der Lage, erhebliche Kontrolle über die Ausrichtung der Projekte auszuüben. Dies wird im ZFD deutlich, wenn Gelder wiederholt nicht in dem gewünschten Maß bewilligt werden oder Ressourcen nur nach bestimmten Absprachen und Prozessen verwendet werden dürfen. Auch wenn der Prozess der Programmgestaltung und Budgetierung aus Sicht der ZFD-Träger*innen partnerschaftlich abläuft, zeigt sich klar, dass die lokalen Partner*innen ihn nicht als komplett partnerschaftlich erleben. Sie passen (Abschnitt 8.1.5. und 8.3.1.) ihre Projektideen an die Ideen des ZFD und Vorgaben des BMZ an, damit sie zum Bild der Deutschen Friedensarbeit und der jeweiligen Landesstrategie passen. Gleichzeitig dürfen die lokalen Organisationen und Partner*innen aber nicht als machtlos angesehen werden. Bei näherer Betrachtung wird offensichtlich, dass lokale CSOs Macht über die Ausrichtung ihrer Projekte ausüben. Und zwar durch ihr Verständnis des Kontextes, ihre (wenn auch begrenzte) Fähigkeit, bestimmte Finanzierungsstrukturen anzunehmen oder abzulehnen, und über Zugänge, die sie haben. Dies erfolgt im ZFD zum Beispiel dadurch, dass die lokalen Organisationen Legitimität vor Ort schaffen, Zugänge zu Personen und lokalen Akteur*innen haben oder die Fachkräfte bei der Arbeit in bestimmte Richtungen lenken. Es ist also wichtig, die Wahrnehmung der Akteur*innen in der Friedensarbeit in Bezug auf Machtstrukturen und ihre eigene Position in der Friedensförderung zu verstehen. Dies impliziert nicht nur die Anerkennung der Komplexität zwischen den beteiligten lokalen und internationalen Akteur*innen, sondern auch die Anerkennung der Komplexität und der vielfältigen Formen des Handelns in deren Interaktionen (Schierenbeck, 2015, S. 1027).

Die empirischen Darstellungen haben gezeigt, dass dennoch in der gemeinsamen Friedensarbeit Abhängigkeiten und Interdependenzen zwischen den interagierenden Akteur*innen entstehen, die das Idealbild einer Partnerschaft beeinflussen. Oftmals entstehen sie durch diskursive Praktiken (siehe Kapitel 2), die als kollektive Praktiken der Ordnung und des Framings in den Köpfen der Friedensakteur*innen entstehen. Mit ihnen wird versucht, komplexe Themen zu organisieren, Sinn zu bilden und dadurch bestimmte Akteur*innen zu privilegieren und andere zu entmachten. Allein schon, weil sich externe Akteur*innen wie im ZFD anmaßen, davon auszugehen, dass Fachkräfte vor Ort benötigt werden, die Friedensakteur*innen und -prozesse beraten, wird deutlich, dass „[…] auch im Ideal der Partnerschaft auf Augenhöhe eine Absicht besteht, zu beeinflussen, Veränderungen anzustoßen oder anders formuliert: zu intervenieren“ (Pastoors, 2017, S. 442). Viele Praktiker*innen der Friedensarbeit aus dem Globalen Norden beschreiben ihre Partnerschaften generell zunächst als Möglichkeiten, ihre lokalen Partner*innen im Globalen Süden zu ‚ermächtigen‘, anzuleiten oder zu unterstützen, um die idealerweise für beide Seiten vorteilhaften Ziele der Friedensförderung zu erreichen (Cohen 2014, S. 68). Für die CSOs aus dem Globalen Norden ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit ein Mittel, um ihre Projektziele zu erreichen. Dies wird im Sinne der Unterstützung lokaler Organisationen formuliert, damit diese qualifizierter und effektiver werden. Eine Formulierung, die mit einem zentralen Anliegen der liberalen Friedensförderung übereinstimmt. Der Partnerschaftsdiskurs selbst reproduziert Bilder eines passiven Anderen (Othering), dessen Verantwortung und Handlungsfähigkeit aktiviert werden muss (Capacitybuilding) (Baaz, 2007). Während der Partnerschaftsdiskurs in diesem Sinne alte, aus der Kolonialgeschichte stammende Bilder recycelt, spiegelt er auch neue Ideen darüber wider, was zum Beispiel passende Strategien der Friedensbildung oder des Monitorings sind. Die erzählten Geschichten spiegeln dies wider. Sie zeigen, dass durch diese Interessen die friedensfördernden Partnerschaften zwischen Akteur*innen aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden es erforderlich machen, dass die Interdependenz zwischen Outsidern und Insidern in Konfliktsituationen anerkannt wird. Die Frage, ob Außenstehende aus dem Norden an der Förderung von Frieden und Entwicklung im Globalen Süden beteiligt sein sollten, muss kritisch angegangen werden. Geht man davon aus, dass Partnerschaften jedoch bestehen und weiter bestehen werden, ist es wichtig, zu prüfen, wie sie verbessert werden können und wie sich die erwähnte Interdependenz in Konflikt- und Post-Konfliktsituationen manifestiert. Partnerschaften werden von Praktiker*innen profitieren, die erkennen, dass Wissen, Ressourcen und Macht untrennbare Komponenten sind. Die die vielen Schichten der Partnerschaft durchdringen und von den Akteur*innen erkannt und anerkannt werden müssen, da sie sich in den Beiträgen sowohl von Insidern als auch von Outsidern manifestieren.

Dennoch wird Partnerschaft oft zu einer leeren Worthülse. Es ist fraglich, wie Partnerschaft entstehen oder funktionieren soll, wenn es inhärente, zwischenmenschliche und strukturelle Machtungleichheiten gibt. Wenn das Denken und Handeln in der Friedensarbeit stark durch das ideologische Erbe des Kolonialismus geprägt sind. Wenn sie Teil einer neokolonialen Friedensarbeit bleibt und dadurch unterbewusst auf zwischenmenschlicher Ebene Ungleichheiten reproduziert. Wenn durch bestehende liberale Systeme und die Struktur der Friedensindustrie der Globale Norden immer weiter bevorteilt wird und in den jeweiligen Organisationen in der Durchführung diese Ungleichheiten immer weiter reproduziert werden. Es ist wichtig, diese Schieflagen anzuerkennen, um die ungleichen Strukturen zu transformieren. Erst dann kann die eigentlich so wichtige Idee der partnerschaftlichen Zusammenarbeit tatsächlich in einem gemeinschaftlichen Dialog zwischen den beteiligten Akteur*innen entwickelt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass die Arbeit des ZFD paternalistische Züge aufweist. Wobei Paternalismus – wie in Abschnitt 2.2. beschrieben – als „mixture of care and control“ (Barnett, 2016, S. 24) verstanden wird. Dabei lassen sich bestimmte Kriterien (Barnett, 2015, S. 221), die Paternalismus definieren, im ZFD beobachten: So ist 1) die notwendige Bedingung bei einem Großteil der ZFD-Fachkräfte erfüllt, dass die Motivation, im ZFD zu arbeiten, zumindest teilweise durch Mitgefühl, Fürsorge oder Wohlwollen getragen ist. 2) haben die angeführten Geschichten aufgezeigt, dass dem ZFD durch die Entsendung von Fachkräften als Berater*innen die Annahme zugrunde liegt, dass die Personen vor Ort selbst nicht in der Lage sind, eine bestimmte Arbeit zu machen. Woraus 3) geschlussfolgert wird, dass das Urteil der externen ZFD-Fachkräfte besser ist als dasjenige der Menschen vor Ort und sich dadurch 4) für einige ZFD-Fachkräfte eine Art Verantwortungsgefühl für die Arbeit entwickelt. Es kommt im ZFD jedoch nicht dazu, dass lokale Akteur*innen nicht einbezogen werden, was auch als ein Merkmal gesehen werden kann (Barnett, 2016, S. 24). Ebenfalls spielen die Fragen nach Legitimität und Zustimmung in der Arbeit eine entscheidende Rolle bei der Definition von Paternalismus. Ist beides nicht vorhanden, liegt eindeutig Paternalismus vor. Doch auch bei geringer Zustimmung oder geringer Legitimität kann von Paternalismus gesprochen werden (Barnett, 2016, 30 ff.), da so eine zumindest zum Teil ungewollte Einmischung erfolgt. Diese lässt sich, wie die Geschichten in Kapitel 8 gezeigt haben, zum Teil auch im ZFD finden. Es ist fraglich, ob Friedensarbeit, die durch externe Akteur*innen geleistet wird, überhaupt diesem Vorwurf entgehen kann, da vor Ort immer ein Eingreifen stattfindet. „It is because of their ignorance, that good intentions almost always go away“ (M. Barnett, 2016, S. 26). Paternalismus offenbart sich nicht nur durch bestimmte Arten, Programme zu gestalten oder Ziele festzulegen, sondern vielfach über konkrete Handlungen (Autesserre, 2017, S. 164). Anders als oftmals in der Friedensarbeit bemängelt, ist das Hauptproblem im ZFD aber nichtdie Ignoranz gegenüber lokalen Akteur*innen und dass einem bestimmten Muster gefolgt wird. Vielmehr ist es die Ignoranz der Tatsache gegenüber, dass trotz einer vermeintlich partnerschaftlichen Arbeit Machtdynamiken weiterhin eine entscheidende Rolle in der Zusammenarbeit spielen. Zentral ist dabei der Fakt, dass das externe Wissen einer Fachkraft über das lokale Wissen gestellt wird, was ein klares Zeichen von Paternalismus ist. Besonders die Rolle von Expert*innen kann als „evidence-based paternalism“ (Barnett, 2016, S. 29) gesehen werden. Paternalismus vollzieht sich somit in alltäglichen Handlungen (auch unterbewusst), und es kann von einem Everyday-Paternalism gesprochen werden (Autesserre, 2017, S. 164).

Es ist wichtig, diese paternalistischen Züge zu erkennen und die Schieflagen der Partnerschaft anzuerkennen, um die ungleichen Strukturen zu transformieren. Erst dann kann die eigentlich so wichtige Idee der partnerschaftlichen Zusammenarbeit tatsächlich in einem gemeinschaftlichen Dialog zwischen den beteiligten Akteur*innen entwickelt werden. Es lässt sich also festhalten, dass jede Art der Partnerschaft in der Friedensarbeit in ihren individuellen und institutionellen Beziehungen und Zeitrahmen so einzigartig ist, dass eine eindeutige Definition von „Partnerschaft“ problematisch ist und einschränkend wirken würde. Dennoch haben die hier dargestellten Geschichten und Diskussionen gezeigt, dass kritische Momente und Wendepunkte der Partnerschaft immer wieder auftreten können. Deswegen ist es wichtig, die eigene Arbeit immer wieder zu reflektieren und daraus Handlungen abzuleiten. In diesem Sinne können Partnerschaften als dynamische Prozesse verstanden werden, durch die alle beteiligten Partner*innen das Potenzial haben, zu lernen und dadurch neue Formen und Praktiken zu fördern. Die Partner*innen haben dabei komplementäre Rollen, die wiederum auf Differenzen beruhen. Diese können als Treiber der Partnerschaft gesehen werden, wenn sie nutzbar gemacht werden. „A partnership encompasses mutual influence, with a careful balance between autonomy and synergy, incorporating equal participation in decision-making, mutual accountability and transparency, and mutual respect“ (Kassem et al., 2021, 2).

Somit kann diese Forschung das Fazit ziehen, dass es keine Partnerschaft auf Augenhöhe geben kann. Es kann auch nicht von einer gleichberechtigten Partnerschaft gesprochen werden. Vielmehr muss die Rede von dynamischen Partnerschaften und gemeinsamen Aushandlungsprozessen sein. Diese können durch längerfristige Beziehungen entstehen, die so strukturiert sind, dass Fragen der Verantwortlichkeit dezentralisiert werden und mehr Raum für den Austausch von Ideen geboten wird. Um diese Art der Partnerschaft zu erreichen, ist die Idee der gemeinsamen Verantwortung (Shared Ownership) wichtig. Und zwar im Sinne der Anerkennung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung, die sowohl in die Planung als auch in die Umsetzung von friedensfördernden Projekten involviert sein muss. Sowie im Sinne der Verantwortung der internationalen Akteur*innen – und insbesondere der Geber*innen – dafür, dass ihre Ressourcen auf verantwortungsvolle Weise eingesetzt werden (Donais, 2012). Darüber hinaus helfen Aktivitäten, die speziell darauf ausgerichtet sind, Ideen aus dem Globalen Süden zu eruieren. Aktivitäten, die alle beteiligten Akteur*innen dazu ermutigen, gemeinsam Rahmenbedingungen zu entwickeln, Analysen durchzuführen und sicherzustellen, dass lokale Ideen in die Projektgestaltung einfließen.

9.2 Handlungsempfehlungen für die Friedensarbeit

Der ZFD versucht in seiner Arbeit, andere Maßstäbe anzulegen als die traditionellen Geberorganisationen, indem den lokalen Akteur*innen eine aktive und einflussreiche Rolle zugewiesen wird. Jedoch bleibt es hier bei einer Zuweisung dieser Rolle, und es kommt vonseiten der lokalen Akteur*innen nicht zu einer eigenen Übernahme dieser Rolle. Dies ist schon darauf zurückzuführen, dass der ZFD als Organisation in ein Land geht und dort mit lokalen Organisationen zusammenarbeitet. Die Rollenverteilung findet nicht in einem Aushandlungsprozess statt, sondern ist durch den ZFD vordefiniert. Dennoch gibt es viele positive Beispiele innerhalb des ZFD, wie lokale Akteur*innen aktiv in den Prozess der Friedenskonsolidierung eingebunden sind: die gemeinsame Projektgestaltung und -evaluierung, der Netzwerkcharakter als Mittel der lokalen Zusammenarbeit und die Idee der Schaffung von Ownership für lokale Akteur*innen im Prozess der Friedenskonsolidierung. Dennoch reichen diese Elemente nicht aus, um tatsächlich von einem Local Turn und von Partnerschaftlichkeit im ZFD zu sprechen. Weitere Veränderungen sind notwendig, um bestehende Machtdynamiken in Frage zu stellen. Um solche Veränderungen zu erreichen, ist an vielen Stellen in der Architektur der Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit ein grundlegender Stilwechsel erforderlich (Mannitz, 2014). Dieser kann nur in kleinen Schritten stattfinden, um langfristig und nachhaltig Frieden zu schaffen. In der deutschen Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich diese Veränderung derzeit an der Einführung einer feministischen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik aber an der neun Afrika-Strategie des BMZ. Dieser Ansatz ist sehr zu begrüßen und kann sich positiv auf Programme wie den ZFD, aber auch auf die Beziehung zwischen den beteiligten Akteur*innen auswirken. „Feministische Entwicklungspolitik nimmt alle Menschen in den Blick und setzt an den Wurzeln der Ungerechtigkeiten an: den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern, sozialen Normen und Rollenbildern“ (BMZ n. d. a). Dabei berücksichtigt die neu ausgerichtete feministische Entwicklungspolitik Aspekte wie gleichberechtigte Teilhabe, Diversität, Transformation von Machtverhältnissen, partizipative und intersektionale Ausrichtung, dekoloniale und anti-rassistische Ausrichtung, Repräsentation, faire Ressourcenverteilung und einen ausgerägten Netzwerkgedanken (BMZ 2022).

Mit Blick auf Änderungen in der Arbeit und die Ausrichtung der Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit bieten die hier anschließenden Schlussfolgerungen Empfehlungen für bestimmte ZFD-Arbeitsbereiche. Aber auch für andere Organisationen, die lokale, partizipative Ansätze anwenden wollen, um den Eisberg der Machtdynamiken in Angriff nehmen zu können. In diesen 23 Handlungsempfehlungen geht es darum, das Bewusstsein für die Themen zu schärfen und es folglich in Aktionen und Handlungen umzusetzen. Es geht darum, sie für die „everyday-practices, habits and narratives“ (Autesserre, 2014, S. 253) nutzbar zu machen. Diese finden oft in einer informellen Sphäre statt. Dies kann zu einem organisationalen Lernprozess der ZFD-Träger*innen, aber auch zu einem Lernprozess für andere Friedensakteur*innen führen. Dieser ist in der Friedensarbeit besonders relevant, da Friedensarbeit immer in sich wandelnden Strukturen stattfindet (Campbell, 2018, S. 39). Die 23 Handlungsempfehlungen wurden auf Grundlage der Forschungsergebnisse entwickelt. Sie beziehen konkrete Wünsche ein, die Personen in Interviews geäußert haben. Dadurch sind manche Handlungsempfehlungen zum Teil auf einer Metaebene formuliert, andere hingegen sind sehr kleinteilig und gehen ins Detail. Dennoch werden hier alle Handlungsempfehlungen gleichrangig behandelt. Allen wird die gleiche Relevanz eingeräumt, da alle Empfehlungen, wenn sie umgesetzt werden, Implikationen für die ZFD-Praxis, aber auch für zivile und partnerschaftlich verankerte Friedensarbeit allgemein haben können. Um die einzelnen Handlungsempfehlungen zu sortieren, werden sie den in der Empirie bereits verwendeten Themen zugeordnet. Es gibt Handlungsempfehlungen, die mehrere verschiedene Themen betreffen. Sie werden jedoch nur einmal aufgeführt, und zwar in dem Themenbereich, den sie am meisten ansprechen. Die einzelnen Numerierungen der Empfehlungen stellen keine Wertung dar, sondern dienen lediglich der Übersicht. Eine Sortierung der Empfehlungen innerhalb der einzelnen Themenkategorien findet, wenn überhaupt, nur in dem Sinne statt, dass mit sehr kleinteiligen Empfehlungen begonnen wird, die dann immer breiter werden und nicht zwangsläufig aufeinander aufbauen.

Handlungsempfehlungen zum Thema: Selbstverständnis der ZFD-Organisationen

1. Anerkennung der Rolle als Geber*in

Die meisten ZFD-Träger*innen definieren sich nicht als Geber*innen. Dennoch sehen viele lokale Partner*innen und auch Fachkräfte den ZFD als Geber*in und als Teil der Peace-Industry, die nicht solidarisch und partnerschaftlich ausgerichtet ist. Es ist nicht hilfreich, die eindeutig vorhandene Geber*innenbeziehung einfach in Partnerbeziehung umzubenennen. Denn die Strukturen bleiben gleich. Vielmehr muss der ZFD sein eigenes Profil schärfer in den Blick nehmen und die eigene Rolle als Geber*in authentischer reflektieren. Ein Dialog mit den lokalen Partner*innen und Fachkräften kann dem ZFD behilflich sein, zu verstehen, an welchen Aspekten die Rolle des ZFD als Geber*in festgemacht wird. Solange das Geld im ZFD fließt, wird er allerdings seine Rolle nicht verlassen können. Umso wichtiger ist es, diese Rolle des ZFD und die damit verbundenen Implikationen einzugestehen, die nicht intendierten Folgen zu reflektieren und diese kritische Reflexion stärker in die ZFD-Programme und -Strategien einzubeziehen. Denn durch die externe Intervention und die Auswahl von bestimmten Partner*innen und Zielgruppen können politische und ökonomische Strukturen in den jeweiligen Ländern sowohl negativ als auch positiv beeinflusst werden.

2. Partnerschaft gemeinsam definieren

Wirklich partnerschaftliches Arbeiten kann es nur geben, wenn eine gleichberechtige Partnerschaft herrscht. Dazu ist es notwendig, dass alle beteiligten Akteur*innen die gleichen Rechte und Pflichten, aber auch die gleichen Mittel und monetäre Ressourcen haben. Dies ist durch bestehende inhärente Machtdynamiken und die Strukturen des internationalen Systems oft nur schwer umsetzbar. Weil partnerschaftliche Arbeit auch immer Intervention bedeutet, wird diese Machtdynamik verstärkt. Deswegen muss aktiv in Frage gestellt werden, ob von einer partnerschaftlichen Arbeit gesprochen werden kann. Es muss deutlich hinterfragt werden, in welchen Bereichen partnerschaftliches Arbeiten überhaupt möglich und in welchen es nicht möglich ist. Dazu ist eine Definition des Begriffes „Partnerschaft“ erforderlich, die Träger*innen und lokale Organisationen gemeinsam teilen. Diese Definition muss beinhalten, in welchen Bereichen partnerschaftliches Arbeiten möglich ist, wie dies aussehen kann und welche Elemente dabei relevant sind. Die Definition muss immer wieder neu gefasst werden. Zudem muss die Tatsache anerkannt werden, dass im ZFD lokale und externe Akteur*innen nach wie vor als binäre Oppositionen dargestellt werden. Diese Konzepte lassen sich im ZFD in seiner jetzigen Form nicht auflösen. Das aber ist für einen vollständigen Local Turn wünschenswert. Sehr wichtig ist daher die Anerkennung, dass es kein einheitliches “local” und kein einheitliches “extern” gibt und dass alle Akteur*innen nach bestimmten analytischen Kategorien definiert werden.

Handlungsempfehlungen zum Thema: Verortung des ZFD in der Friedensarbeit

3. PM&E muss die kleineren Wirkungen genauer in den Blick nehmen

Die PM&E-Arbeit im ZFD ist sowohl für die ZFD-Fachkräfte als auch für die lokalen Partner*innen eine Herausforderung. Denn oft schlagen sich Wirkungen, die evaluiert werden, in Details nieder, sie erfolgen auf einer Mikroebene oder auf persönlicher Ebene von Akteur*innen. Der PM&E-Prozess muss diese kleinteiligen Veränderungen genauer untersuchen. Diese kleinen Veränderungen, die dennoch größere Wirkung haben können, müssen vor Projektbeginn genauer diskutiert werden. Sowohl die Fachkräfte als auch die lokalen Partner*innen müssen in der Vorbereitungszeit beziehungsweise bei der Ausgestaltung des Projektantrages schon genauer darüber informiert werden, dass es womöglich nur zu kleinen Veränderungen in den Projekten kommen wird, damit keine falsche Erwartungshaltung entsteht.

4. Klarere Ausdifferenzierung des Verständnisses von Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist eines der entscheidenden Themen, wenn es um Friedenprozesse geht. Auch im ZFD ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Sie wird zwar oft in den Dokumenten zur letzten ZFD-Reform erwähnt, doch wird nicht klar definiert, was darunter zu verstehen ist. Um nachhaltig arbeiten zu können, muss eindeutig definiert werden, was unter Nachhaltigkeit verstanden wird. Eine solche Definition muss in Zusammenarbeit mit den Personen in den betroffenen Ländern erarbeitet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, welches Verständnis von Nachhaltigkeit dort existiert. Diese Nachhaltigkeitsdefinition muss zudem Aspekte der Projektfinanzierung, eine Ausstiegsstrategie und die Projektdauer enthalten.

Handlungsempfehlungen zum Thema: die Rolle und Aufgabe der Fachkräfte

5. Reform der Idee einer externen Friedensfachkraft

Der ZFD, aber auch alle anderen Organisationen, die Fachkräfte entsenden, müssen verstärkt die Selbstverständlichkeit hinterfragen, mit der sie dies tun. Personen werden aufgrund gewisser Bildungsabschlüsse, ihrer Berufserfahrung und kurz- oder mittelfristiger Auslandserfahrung zu Fachkräften, die im Rahmen des Entwicklungshelfer*innengesetzes „Hilfe“ leisten sollen. In diesem Zusammenhang ist schon das Entsendungsmodell als „Helfer*in“ an sich ambivalent. Denn es geht im ZFD eigentlich darum, dass Fachkräfte begleiten und beraten. Da dies jedoch oftmals schwer umzusetzen ist und Fachkräfte als „Helfer*innen“ mandatiert sind, kommt es in der Realität häufig dazu, dass sie stärker in der eigentlichen Umsetzung agieren. Entsprechend ist es erforderlich, das Entwicklungshelfer*innengesetz eindeutig zu überarbeiten und an die aktuellen Realitäten anzupassen. Dies kann einen Beitrag zur Dekolonialisierung der Friedensarbeit leisten. Wenn der ZFD komplett von dieser Entsendung von Entwicklungshelfer*innen losgelöst würde, könnte dies viele der benannten Rollenprobleme lösen. Zwar würde dies strukturelle und administrative Veränderungen mit sich bringen, jedoch positive Effekte auf die Handlungsfähigkeit haben. Generell ist es empfehlenswert, die beratende Rolle auszubauen und von dem Gedanken des Helfens und des Machens abzulassen. Es sollte die beratende Rolle als elektive beratende Rolle definiert werden. Sie ist an sich nicht neu, wird jedoch in der Praxis nicht konsequent angewendet. Der Fokus liegt hier auf dem Prozess, den Akteur*innen an sich und auf der Nutzung bereits vorhandener Strukturen und lokalen Wissens (Lederach, 2008, S. 65). „Der Fokus liegt auf der Haltung der Beraterin*des Beraters und dem Anspruch, sich selbst, das eigene Handeln und die eigene(n) Rolle(n) zu reflektieren“ (Pastoors, 2017, S. 440).

Eine ähnliche Ambivalenz herrscht in Bezug auf die Neutralität von Fachkräften, die von den ZFD-Träger*innen als gegeben und wichtig eingestuft wird. Sobald im ZFD inhärente Machtdynamiken und die Rolle als Geber*in anerkannt sind, wird klar, dass es diese Neutralität nicht geben kann. Es muss von den ZFD-Träger*innen die Frage gestellt werden, ob die Realität der Fachkräfte mit dem Entsendungsmodell tatsächlich übereinstimmt. Dass dieses Modell der Entsendung nicht mehr zeitgemäß ist, zeigt sich unter anderem auch daran, dass darin davon ausgegangen wird, dass die Fachkräfte ihr vor Ort erworbenes Wissen mit nach Deutschland bringen und hier damit weiterarbeiten (Konsortium Ziviler Friedensdienst 2016, S. 15). Dies geschieht sicher auf persönlicher Ebene, doch bei den wenigsten ehemaligen Fachkräften auf strukturierte Art und Weise. Dies liegt unter anderen am Interesse und an den Möglichkeiten in Deutschland, jedoch auch daran, dass sich nicht jede Fachkraft als lernende Person versteht. Wenn eine Fachkraft vor Ort selbst eine lernende Person sein soll, muss dieser Anspruch in der Arbeit fest etabliert werden und es wird ein ausdifferenzierter Lernrahmen benötigt. Ein weiteres Problem die Entsendung der Fachkräfte betreffend, ist, dass sie von den Entsendeorganisationen oft allein durch ihre Herkunft legitimiert werden. „ZFD-Fachkräfte leisten durch ihre Herkunft […] wertvolle Beiträge zur Vernetzung, besonders international“ (Gemeinschaftswerk ZFD 2014, Abschn. 5.2., S. 1). Dieser Weg, Legitimität herzustellen, ist äußert problematisch, weil diese Auffassung die Fachkräfte allein aufgrund ihrer Herkunft über lokale Mitarbeitende stellt. Auf Grundlage dieser Punkte muss selbstkritisch hinterfragt werden, ob dieses System der Entsendung noch zeitgemäß ist. Generell ist es ratsam für den ZFD, nicht mehr über das Entwicklungshelfer*innengesetz zu entsenden, da es vielfach an den Realitäten der Fachkräfte vorbeigeht. Darüber hinaus sollte grundsätzlich überdacht werden, ob in jedem Fall eine Entsendung unbedingt nötig ist oder ob nicht andere Mechanismen greifen können. Auf jeden Fall muss individuell mit den lokalen Partner*innen eine Analyse dessen durchgeführt werden, was sie benötigen: reine Finanzierung, kurzzeitige personelle Unterstützung, eine integrierte Fachkraft, flexiblere Einsätze von Fachkräften, eine Fachkraft, die punktuell mit ihnen zusammenarbeitet, Gelder für lokale Fachkräfte oder Weiterbildung für lokale Mitarbeitende. Diese „angemessene Mischung von Kooperationsmodalitäten“ (Paffenholz, 2011, S. 7) wurde bereits vor zehn Jahren im Rahmen der Evaluierung gefordert. Doch bis heute lässt die Umsetzung zu wünschen übrig. Deswegen ist diese Forderung heute umso dringlicher.

Handlungsempfehlungen zum Thema: die Rolle und Aufgabe der Partner*innen

6. Aufnahme von lokalen Partner*innen in Entscheidungsgremien

Um mehr lokale Stimmen in den gesamten Prozess der ZFD-Projekte und -Programme einzubeziehen, sollten Vertreter*innen aus verschiedenen Regionen der Welt im ZFD-Konsortium vertreten sein. Dies gibt dem ZFD die Möglichkeit, lokale Partner*innen in die politischen Prozesse und die Projektgestaltung einzubeziehen. Gleiches gilt für die einzelnen Träger*innen des ZFD, bei denen auch lokale Partner*innen zum Beispiel in Beratungsgremien oder im Vorstand sitzen sollten, um dort an wichtigen Entscheidungen teilhaben zu können. Dadurch wird ein gemeinsames, strategisches Arbeiten am ZFD möglich, und es können alle Beteiligten an wichtigen Entscheidungsprozessen teilhaben.

7. Verstärkt lokale Friedensfachkräfte fördern

Wenn die Idee der externen Friedensfachkraft reformiert wird, ist es ebenfalls wichtig, die Potenziale von Fachkräften in den entsprechenden Ländern zu analysieren. Könnte die Arbeit, welche von einer externen Fachkraft durchgeführt wird, nicht ebenso gut oder sogar besser von einer lokalen Fachkraft durchgeführt werden? Diese verstehen den kulturellen Kontext, haben in der Regel weniger sprachliche Verständigungsprobleme und können lokales Wissen zielgerichtet einsetzen. So kann mehr Ownership bei den Menschen vor Ort liegen und es kommt zu einem tatsächlichen Local Turn. Zwar gibt es im ZFD bereits einige lokal besetzte Stellen. Doch sind sie oftmals in der Administration oder bei Querfinanzierungen von Mitarbeitenden der lokalen Partnerorganisationen, aber sehr selten ist es die Stelle einer Fachkraft. Es müssen die Bedingungen gut sein, zu denen die Personen arbeiten, die schon über den ZFD finanziert werden. Deswegen müssen Gehalt und Leistungen – wie zum Beispiel Versicherungsschutz – kritisch überprüft werden. Sie dürfen nicht unter landesüblichen Standards liegen. Im Sinne des Dialoges mit den Partnerorganisationen muss der offene Dialog darüber gesucht werden, ob nicht eine lokale Friedensfachkraft die geeignetere Wahl für die entsprechende Stelle ist. Ebenfalls sollte in Betracht gezogen werden, ein Modell für Süd-Fachkräfte zu entwickeln, wonach zum Beispiel Fachkräfte aus Kenia als Fachkraft in Uganda leben und arbeiten können.

8. Klare Definition des Begriffs „Lokal“

Im ZFD gibt es nur wenige Anhaltspunkte dafür, wer oder was unter der Kategorie „Lokal“ zu verstehen ist. In den offiziellen ZFD-Dokumenten lassen sich dazu nur unzureichende Hinweise finden. Dies ist einerseits positiv, da so eine große Offenheit gewahrt bleibt, andererseits auch problematisch, da es zu einer Unschärfe beiträgt. Das „Lokale“ wird im ZFD als selbstverständlich wahrgenommen, und es lassen sich immer wieder romantisierende Tendenzen finden. Von dieser Auffassung muss sich der ZFD befreien. Denn nicht alle lokalen Organisationen wollen zum Beispiel mit dem ZFD zusammenarbeiten und es ist keine Selbstverständlichkeit, die internen Strukturen im Rahmen der Zusammenarbeit nach außen zu öffnen. Zu dieser Redefinition des Lokalen im ZFD gehört auch, sich von der Darstellung über die Lederach-Pyramide zu distanzieren. Trotz wissenschaftlicher Kritik wird sie im ZFD noch immer verwendet. Es ist deswegen wichtig, anzuerkennen, dass „das Lokale“ im ZFD durch Praktiken der Repräsentation sowohl genutzt als auch produziert wird und derzeit als binärer Counterpart zum „Externen“ besteht. Es muss genau evaluiert werden, welche Bedeutung dies für die Repräsentation des Lokalen und die Anerkennung seiner Komplexität im Rahmen der friedenspolitischen Agenda des ZFD hat.

Handlungsempfehlungen zum Thema: Bedeutung der Vorbereitung für die Arbeit der Fachkräfte und Partner*innen vor Ort

9. Reform der Vorbereitung und Begleitung für Fachkräfte und lokale Partner*innen

Die Vorbereitung der Fachkräfte ist ein elementarer Bestandteil des ZFD und für viele andere Friedensfachkräfte in anderen Programmen. Die Vorbereitung ist umso erfolgreicher, je praxisnaher und individueller sie gestaltet ist. Deswegen ist es wichtig, vor der eigentlichen Vorbereitung die Bedürfnisse der Fachkräfte genau zu ermitteln, um die Vorbereitung möglichst individuell an die Personen anzupassen. Zu dieser individuellen Vorbereitung gehört es, sowohl zu ermitteln, welche Fähigkeiten die Fachkraft bereits mitbringt, als auch ein Dialog mit den lokalen Partner*innen darüber, welche Fähigkeiten und Kompetenzen ihnen wichtig sind. Auch konkrete Einblicke in die Arbeit, welche die Fachkraft vor Ort erwarten wird, können die Vorbereitung konkreter machen. Hilfreich kann der Austausch mit der Partnerorganisation oder dem*der Koordinator*in vor Ort, aber auch mit ehemaligen Fachkräften sein. Ebenfalls ist es wichtig, Trainer*innen auszuwählen, welche möglichst viel Praxiserfahrung mitbringen, um über konkrete Themen der Arbeit zu berichten. Aber auch Trainer*innen, die einen diversen Hintergrund mitbringen und nicht nur Aspekte behandeln können, die in Diskursen im Globalen Norden diskutiert werden. Neben der Vorbereitung für Fachkräfte ist es ebenso wichtig, Vorbereitung für lokale Partner*innen anzubieten. Der Wunsch der lokalen Partner*innen nach mehr Vorbereitung und Ausbildung im ZFD und zu ZFD-Themen sollte berücksichtigt werden. Vorbereitungsschulungen für lokale Akteur*innen sollten verpflichtend sein und konzeptioniert werden, um strukturiert stattfinden zu können. Für diese Konzeption ist es wichtig, neben generellem Wissen über den ZFD auch Wissen zu anderen Themen zu vermitteln. Entsprechend muss der Trainingsbedarf präzise ermittelt werden, um passende Angebote machen zu können. Bei der Themenwahl ist es mehr als empfehlenswert, interkulturelle Trainings in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Eine Möglichkeit, diese beiden Veränderungen in die Vorbereitung zu integrieren, kann es sein, die Vorbereitungszeit für die Fachkräfte in zwei Blöcke zu teilen. Ein erster, eher allgemeiner Vorbereitungsteil könnte zum Beispiel in Deutschland und ein zweiter Teil könnte nach einiger Zeit in dem jeweiligen Land stattfinden. Dieser kann zum Beispiel gemeinsam mit den lokalen Partner*innen abgehalten werden. So könnte gemeinsam an Rollendefinitionen, der Rolle des ZFD für die Arbeit und an Themen gearbeitet werden, zu denen Weiterbildungsbedarf identifiziert wurde. Dadurch wird die Vorbereitung für alle Beteiligten praxisnäher. Ebenfalls könnten gemeinsam Machtaspekte diskutiert werden, die in der ZFD-Arbeit immer wieder eine Rolle spielen. Es können Mechanismen entwickelt werden, sie zu identifizieren und mit ihnen umzugehen.

Handlungsempfehlungen zum Thema: Ownership und Legitimität im ZFD

10. Auswahlprozesse der Fachkräfte dialogisch gestalten

Oftmals werden die lokalen Partner*innen nicht vollständig in den Auswahlprozess für die ZFD-Fachkräfte einbezogen. Einige erhalten nur die Lebensläufe nach der Auswahl durch die ZFD-Träger*innen in Deutschland. Nur wenige nehmen an den Vorstellungsgesprächen teil. Es bedarf einer stärkeren Einbeziehung aller Partner*innen in den Auswahlprozess, da sie diejenigen sind, die mit den Fachkräften arbeiten werden. Dabei ist es wichtig, dass die gemeinsamen Absprachen schon vor dem eigentlichen Auswahlprozess stattfinden. So ist es relevant, dass die lokalen Partner*innen die für sie wichtigen Kriterien benennen können, die dann Teil der Ausschreibung werden, aber auch im Bewerbungsprozess berücksichtigt werden. Dazu gehört zum Beispiel die Diskussion der Frage, ob eher das fachliche Wissen oder die persönliche Eignung für die lokalen Partner*innen relevanter in der Zusammenarbeit ist. Ebenfalls muss zu Beginn dieses Prozesses deutlich geklärt werden, dass Fachkräfte unterschiedliche Rollen im ZFD einnehmen können und dass sie integriert oder nicht integriert arbeiten können. ZFD-Träger*innen sollten ihre zum Teil starren Konstrukte hinter sich lassen, wonach sie nur mit einer Entsendeweise arbeiten. Vielmehr sollten sie intensiver mit den lokalen Partner*innen vor Beginn des Auswahlprozesses der Fachkräfte klären, welche Art von Fachkraft für sie geeignet ist. Doch nicht nur der Einbezug der lokalen Partner*innen muss überdacht werden, sondern das ganze Auswahlsystem, das oft zu lange dauert, was dazu führt, dass sich Realitäten vor Ort ändern können. Hier kann es hilfreich sein, einen Pool an Fachkräften zu haben, die flexibel einsetzbar und abrufbar sind und Stellen somit schneller besetzt werden können.

11. Überdenken des Konzepts Ownership

Ownership als Konzept spielt im ZFD, aber auch in anderen Formen der Friedensarbeit eine wichtige Rolle, um partnerschaftlich und nachhaltig zu arbeiten. Es muss klarer definiert werden, wie diese Ownership erzeugt werden kann. Eine Fokussierung darauf, dass Ownership bereits allein durch eine Kooperationsanfrage definiert wird, wie es im ZFD der Fall ist, reicht nicht aus. Ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu Ownership ist es, die lokalen Partner*innen in ihrer vollen Relevanz für die Friedensarbeit zu berücksichtigen. Lokale Partner*innen sind entscheidend für den ZFD, werden jedoch nicht immer ihrer Bedeutung entsprechend behandelt. Zum Beispiel werden die ZFD-Fachkräfte in den ZFD-Strategie- und -Verwaltungspapieren viel ausführlicher beschrieben als die lokalen Partner*innen, und der ZFD wird als Instrument der Personalentsendung immer wieder in den Fokus gerückt. Um die lokalen Partner*innen angemessen zu berücksichtigen, sollten sie stärker in den Strategie- und Verwaltungspapieren und gleichbedeutend mit den ZFD-Fachkräften erwähnt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Schaffung von Ownership ist es, mit den betroffenen Personen einen Dialog aufzunehmen. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein: Sehen Sie eventuell schon Ownership bei sich? In welchem Maße ist Ihnen Ownership wichtig? Was wird unter dem Begriff verstanden? – Dazu gehört es auch, das ZFD-Konzept oder eine andere Form der Friedensarbeit transparent zu erklären und verschiedene Optionen der Zusammenarbeit aufzuzeigen. Es darf nicht dazu kommen, dass lokale Partner*innen eigentlich gar keine Fachkraft im Büro haben wollen, sich aber darauf einlassen, weil sie denken, dass es verpflichtend ist. Hier müssen alle Möglichkeiten gemeinsam besprochen werden und Ownership in den Entscheidungsprozessen angewendet werden.

12. Überdenken des Konzepts von Capacitybuilding

Das Konzept des Capacitybuilding spielt im ZFD, aber auch in der Friedensarbeit allgemein eine wichtige Rolle. So sollen vor Ort bei den Menschen, aber auch ganz konkret bei den Organisationen, mit denen zusammengearbeitet wird, Kapazitäten aus- und aufgebaut werden, damit diese „gut“ arbeiten können. Dabei ist eines der Hauptargumente für Capacitybuilding, dass es den CSOs des Globalen Nordens erlaubt, gleichberechtigtere Beziehungen zu ihren Partner*innen im Süden aufzubauen (Lewis, 1998). Die Praxis des ZFD zeigt jedoch, dass die Art und Weise, wie es umgesetzt wird, problematisch ist. Diese Praxis sieht so aus, dass eine Organisation aus dem Globalen Norden die Fähigkeiten einer Organisation aus dem Globalen Süden beurteilt und an die eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse anpasst. Somit ist Capacitybuilding zu einem Mittel geworden, das sicherstellt, dass nördliche CSOs in der Lage sind, sich auf ihre lokalen Partner*innen einzulassen, um effektiv arbeiten zu können. Dazu wird zum Beispiel viel Arbeit in administrative Prozesse gesteckt. Es dient also nicht dazu, die Organisationen zu befähigen und zu ermächtigen, Fähigkeiten zu entwickeln, die sie dringender brauchen. Aus diesen Gründen muss die Umsetzung des Konzeptes überdacht werden. Es bedarf einer genauen Analyse mit den lokalen Partnerorganisationen, in welchen Bereichen sie ihre Kapazitäten ausbauen möchten, wo Lernbedarfe identifiziert werden können und wo sie keine Veränderung wünschen. Dazu ist es wichtig, diese Elemente unabhängig vom ZFD zu formulieren. Ebenfalls ist es wichtig, dass die Akteur*innen im ZFD ihre Kapazitäten selbst ausbauen, um sich den lokalen Gegebenheiten anzupassen.

Handlungsempfehlungen zum Thema: Ausgestaltung der Zusammenarbeit

13. Einführen einer gegenseitigen Rechenschaftspflicht

Nicht nur im ZFD, sondern in der Friedensarbeit generell ist eine gegenseitige Rechenschaftspflicht erforderlich. Dies bedeutet, dass die Organisationen aus dem Globalen Norden, im dem Fall die ZFD-Träger*innen, gegenüber ihren Partner*innen Rechenschaft ablegen. Dies darf nicht nur über die normalen und gängigen Rechenschaftsberichte geschehen, sondern sollte in regelmäßigen Abständen auf individueller Ebene stattfinden. Dabei sollte darüber berichtet werden, warum und wie welche Entscheidungen getroffen wurden. Mittel und Ziele sollten ebenso wie die damit zusammenhängenden politischen Entscheidungen dargelegt werden. Zudem kann eine Einordnung einzelner Projekte in ein größeres System erfolgen und eine größere Transparenz entstehen. Im Zuge dieser Rechenschaftspflicht ist es auch wichtig, dass die lokalen Organisationen vor Ort die Möglichkeit haben, die ZFD-Träger*innen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn zum Beispiel etwas nicht wie besprochen verläuft oder negative Konsequenzen auftreten. Es müssen Strukturen und Wege gefunden werden, damit diese Rechenschaftsmechanismen greifen können.

14. Gemeinschaftliche Koordination

Im ZFD und auch in vielen anderen Friedenseinsätzen gibt es in den Ländern eine Koordination vor Ort. Diese kann zum Teil bei Personen aus dem jeweiligen Land liegen, aber auch – und das ist meist der Fall – bei externen Personen aus dem Globalen Norden. Beide Arten der Koordination haben ihre Vorteile. Oftmals verstehen im ZFD Koordinator*innen aus Deutschland die Fachkräfte besser und Koordinator*innen aus den jeweiligen Ländern die Partner*innen. Aber damit die Koordinator*innen ihrer Arbeit gut nachgehen und für alle vor Ort beteiligten Akteur*innen in gleicher Art und Weise als Ansprechperson fungieren können, ist es wichtig, dass sie alle Akteur*innen verstehen und einbinden können. Deswegen sollte es eine gemeinschaftliche Koordination geben. Eine Koordination sollte im Tandem mit einer externen und einer lokalen Person besetzt werden.

15. Administrative Prozesse vereinheitlichen, entschlacken und digitalisieren

Die administrativen Verwaltungsprozesse im ZFD können sehr komplex sein. Hier bedarf es zielgerichteter Schulungen für Personen, welche für administrative Prozesse zuständig sind. So können Prozesse vereinheitlicht werden, was Absprachen untereinander vereinfacht. Gleichzeitig müssen die Prozesse so entschlackt werden, dass sie vor Ort gut durchführbar sind. Dazu gehört auch eine Verschlankung von Dokumenten, welche für bestimmte Prozesse im ZFD ausgefüllt werden müssen. Zu diesem Zweck kann ein Assessment durchgeführt werden, in dem herausgearbeitet wird, was gut funktioniert und welche Hindernisse es gibt. Für die administrativen Prozesse sind Schulungen erforderlich, die zum Beispiel mithilfe von E-Learnings stattfinden können. Daran schließt sich das Bedürfnis der administrativ arbeitenden Personen an, Prozesse stärker zu digitalisieren. Durch diese Maßnahmen können die administrativen Prozesse noch besser in die Arbeit der jeweiligen lokalen Organisationen eingebunden werden und der hohe administrative Aufwand kann zu zielgerichteten Lernprozessen in den Organisationen führen. Hierbei ist es wichtig, dass diese Lernprozesse als Teil des ZFD und der Wirkungen des ZFD verstanden werden und nicht nur als Nebeneffekt gelten.

16. Dezentrale Handlungs- und Entscheidungsprozesse nutzen

Für eine partnerschaftlichere Zusammenarbeit kann es hilfreich sein, neue, dezentrale Handlungs- und Entscheidungsprozesse anzustreben. Jedes Projekt im ZFD, jedes Projekt in der Friedensarbeit findet an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Menschen statt und hat deswegen sehr individuelle Charakteristika, auf die dezentraler und individueller als bisher eingegangen werden muss. Dazu kann es zum Beispiel nützlich sein, in die Erarbeitung von Projektzielen nicht nur die lokalen Partner*innen einzubeziehen, sondern auch die Personen, mit denen und für die die Projekte durchgeführt werden sollen.

17. Kommunikationsprozesse unter die Lupe nehmen

Die Kommunikation zwischen den ZFD-Büros in Deutschland und den lokalen Partner*innen ist mit viel Bürokratie verbunden. Lokale Partner*innen fühlen sich manchmal bevormundet und nicht ernst genommen. Es wäre hilfreich, diese Kommunikationsprozesse genauer zu evaluieren und in die ohnehin schon stattfindenden regelmäßigen PM&E-Mechanismen aufzunehmen. Dadurch können die Kommunikationswege besser verstanden, die Herausforderungen herausgearbeitet und dagegenwirkende Mechanismen etabliert werden.

18. Klare Rollenklärungen durchführen

Oftmals werden die Rollen der entsandten ZFD-Fachkräfte sowie der lokalen Partner*innen in den Projektanträgen sehr weit gefasst. Positiv ist, dass dies allen beteiligten Akteur*innen ein hohes Maß an Flexibilität gibt. Gleichzeitig kann es aber auch für die Akteur*innen verwirrend sein. Denn diese Offenheit führt dazu, dass Rollen und Aufgaben oft nicht klar sind. Folglich besteht Bedarf an einer genaueren Definition der Rollen und Aufgaben der lokalen Partner*innen sowie der entsandten ZFD-Fachkräfte. Dabei ist anzuerkennen, dass es je nach Aufgabenbereich vielleicht nicht „die eine“ Rolle gibt. Sondern, dass es zur Ausübung verschiedener Rollen kommen kann, die definiert und bestimmt werden müssen. Dies sollte bereits für die Vorbereitungstrainings der Fachkräfte berücksichtigt werden und beim Projektantrag mit den lokalen Partner*innen besprochen werden. Generell muss mehr Zeit für alle Beteiligten zur Verfügung stehen, um ihre eigene Rolle je nach Projektbedarf zu definieren. Zwar sind bei einigen ZFD-Träger*innen dafür zu Beginn der Arbeit drei Monate vorgesehen, doch werden sie oftmals nicht zur Rollendefinition genutzt. In der Rollenklärung ist es wichtig, dass die Rollen so ausgestaltet werden, dass es nicht zu internen Rollenkonflikten kommen kann. So sollten integriert arbeitende Fachkräfte zum Beispiel nicht die Verantwortung für die Verwaltung der ZFD-Gelder in der Organisation übernehmen. Weil sie sonst in eine andere Machtposition geraten als sie es eigentlich ihrer Rolle nach sollten.

19. Klärung des Selbst- und Fremdbildes

Das Selbst- und das Fremdbild über den ZFD und seine Arbeit kann zwischen den ZFD-Träger*innen, den Fachkräften und den lokalen Organisationen sehr unterschiedlich sein. Hier ist es empfehlenswert, immer wieder den Dialog über Rollen und Erwartungen zu suchen. Dabei kann es besonders wichtig sein, den einzelnen Akteur*innengruppen Raum für sich zu schaffen, in dem sie sich untereinander austauschen können. Zum Beispiel können bei gemeinsamen Meetings extra Safe-Spaces für die lokalen Partner*innen und die Fachkräfte geschaffen werden, in denen sie sich über die jeweils anderen Personen und die ZFD-Träger*innen austauschen. Aus diesem sicheren Raum heraus können im Anschluss die wichtigsten Punkte gesammelt werden. Dabei ist es wichtig, dass alle zu Kritik bereit und offen sind.

20. Friedensakteur*innen Raum für persönliche Reflexion geben

Die lokale Friedensförderung und der ZFD stehen im Spannungsfeld zwischen Partnerschaft und Machtdynamiken. Einige Handlungen im ZFD werden von der übergreifenden Architektur der Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst, deren Teil die lokale Friedensförderung und der ZFD sind. Gleichzeitig kann ein erheblicher Teil der Aktivitäten von allen im ZFD involvierten Akteur*innen selbst beeinflusst werden. Um lokale Akteur*innen aktiv einzubinden und ihnen sogar tatsächlich den Friedensprozess zu überlassen, ist es notwendig, den Eisberg der Machtasymmetrien anzugehen, über den Tellerrand zu schauen und das Konzept der produktiven Reibung (Frictions) zu nutzen. Dazu müssen alle beteiligten Akteur*innen bereit sein, auch unkomfortable Unterhaltungen zu führen, sich selbst in Frage zu stellen und in Frage gestellt zu werden. Um dies strukturiert angehen zu können, ist es wichtig, dass ausreichend Raum zur gemeinsamen, angeleiteten Reflexion vorhanden ist. Alle beteiligten Akteur*innen müssen sich selbst als Individuum in dem größeren Gefüge verstehen lernen und die Implikationen der eigenen Handlungen auf das große Ganze betrachten. Dazu ist besonders die Selbstreflexion wichtig: „Understand yourself and your personality, than you can understand others“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Gleichzeitig muss diese Reflexion begleitet werden. Dies kann zum Beispiel durch Trainings zu eigenen Bias stattfinden, in denen sich Teilnehmende ihrer selbst und ihrer Umwelt bewusster werden.

21. Probleme konstruktiv und strukturiert zum Positiven wenden

Es gibt unterschiedliche Rollenverständnisse, die aber nicht immer produktiv genutzt werden und so zu Frustration und Missverständnissen führen. Mehr Anleitung, mehr Reflexion und die Einführung von Konzepten wie Everyday-Frictions als positive Nutzung der Reibung können helfen, unterschiedliche Rollenverständnisse produktiver zu nutzen. Diese positive Nutzung bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Ergebnis dieser Reibungen ein vorher erwartbares Ergebnis ist. Dazu sind – vor allem zu Beginn – stärkere Feedback-Mechanismen in der täglichen Arbeit erforderlich, die auch Rollendefinitionen und -beschreibungen beinhalten. Dieses verstärkte Feedback, das mit einer vertieften Reflexion einhergeht, kann dabei helfen, durch Frictions entstandene neue Realitäten produktiv zu nutzen und wiederum Rückkopplungsschleifen zu erzeugen, die neue Begegnungen schaffen können (Outcome – Encounter – Responce (Björkdahl & Höglund, 2013, S. 297). Zusätzlich sollten inhärente Machtdynamiken in der Rollenklärung und der Einarbeitung thematisiert werden und Teil der späteren Projektreflexion sein. Oft ist unklar, wie Rolle und Arbeit aussehen werden. Das führt dazu, dass Erwartungen enttäuscht werden. Folglich müssen Rollen klarer kommuniziert werden. Rollenklärung muss kontinuierlich als interkultureller Kommunikationsprozess stattfinden, der begleitet werden muss. Handlungen der Akteur*innen basieren zum Teil auf bestehenden inhärenten Machtdynamiken. Somit ist es wichtig herauszuarbeiten, was Einzelne dazu beitragen und durch welche Handlungen diese Dynamiken durchbrochen oder verändert werden können. Der ZFD arbeitet in komplexen Situationen. Deswegen kann es hilfreich sein, in die Arbeit analytische Konzepte einzubeziehen, die sowohl mit der Komplexität als auch mit der vorhandenen Unvorhersehbarkeit umgehen können (Millar et al., 2013, S. 142). Hier empfiehlt sich besonders das Friction-Konzept. Wenn Frictions auftreten, sollte der ZFD tiefer über diese Prozesse und die dahinterliegenden Faktoren in seiner Arbeit reflektieren und verstehen, wie Reibung auf produktive Weise genutzt werden kann. Einige lokale und internationale Friedensfachkräfte nutzen dieses Produktivitätspotenzial bereits, andere hingegen tun sich schwer damit. Frictions können unter anderem auch dann auftauchen, wenn die Fachkraft und die lokale Organisation unterschiedliche Vorstellungen über die Zusammenarbeit haben. Wie in Abschnitt 8.4.2. (Von der Zusammenarbeit zur Kündigung) beschrieben wurde, lassen sich unterschiedliche Wege finden, damit umzugehen. Ein Weg, der in dem Kapitel skizziert wurde, war der, dass es keine richtige Einigung über gemeinsame Arbeit gab und beschlossen wurde, dass jede*r für sich an eigenen Projekten arbeitet und keine wirkliche Zusammenarbeit stattfindet. Hier wurden Frictions zwar produktiv nutzbar gemacht, jedoch nicht im eigentlichen Sinne des ZFD. Insofern sollte für den ZFD geprüft werden, inwieweit Frictions auch zu Programmveränderungen führen dürfen. Dazu sind Reflexionsfragen und Handlungsempfehlungen seitens des ZFD erforderlich. Auch sollte diese Thematik in die Vorbereitungsschulungen aufgenommen und mit den lokalen Partner*innen thematisiert und gemeinsam Best Practices herausgearbeitet werden.

Handlungsempfehlungen zum Thema: Machtdynamiken in der Zusammenarbeit und den Strukturen des ZFD

22. Netzwerke ausbauen, um Süd-Süd-Komponenten erweitern und Fachkräfte in Deutschland einsetzen

Der Netzwerkcharakter des ZFD wird besonders auf der Ebene der lokalen Organisationen positiv bewertet und sollte ausgebaut werden. Es zeigt sich, dass es zum Teil sehr gut funktionierende Netzwerke in den einzelnen Ländern gibt. Besonders innerhalb der einzelnen Trägerorganisationen, und dass diese für einige Personen ausreichend, für andere jedoch noch ausbaufähig sind. Generell besteht jedoch der Wunsch, die Netzwerke trägerübergreifend noch weiter auszubauen. Dabei sollte auch ein Fokus auf die Süd-Süd-Kooperation gelegt werden und zum Beispiel mit der Bildung von mehr thematischen Arbeitsgruppen über verschiedene Länder hinweg gestärkt werden. Auch ist es denkbar, dass Partner*innen aus dem Globalen Süden die ZFD-Träger*innen in Deutschland direkt beraten. So gibt es gerade im Globalen Süden eine Vielzahl an sehr qualifizierten und in der praktischen Arbeit erfahrenen Personen, zum Beispiel zum Thema Mediation, Migration oder Extremismus, welche auch in Deutschland oder in anderen klassischen Geber*innenländern eine beratende Rolle einnehmen können. Dieser Wissensaustausch würde auch zum Gedanken der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen passen. Darin wird allen Ländern Entwicklungspotenzial zugeschrieben und ein reziproker Wissensaustausch gefordert.

23. Anerkennung des kolonialen Erbes und seiner Kontinuität in der Friedensarbeit

Das koloniale Erbe der Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit muss anerkannt werden. Es muss thematisch mit Mitarbeitenden reflektiert werden, denn Definition und Umsetzung von Friedensarbeit steht in einer kolonialen Kontinuität. Erforderlich ist eine ganzheitliche Aufarbeitung der kolonial gewachsenen Strukturen, Dynamiken, Denk- und Handelsweisen, welche die Dialektik des Globalen Nordens und des Globalen Südens hervorgerufen haben und immer weiter bestehen lassen. Nur durch diese grundlegende kritische Reflexion und darauf aufbauende Handlungen kann das von Grund auf ungleiche Fundament in Frage gestellt werden. Dazu gehören unter anderem ein Dialog über die historisch bedingte Verantwortung des Globalen Nordens und eine gemeinsame Reflexion darüber, wie sie sich auf die gegenwärtige Zusammenarbeit und politisch-ideologische Intentionen auswirkt. Notwendig ist aber auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit sich koloniale Kontinuitäten zum Beispiel in Finanzierung, Personalauswahl, in der Idee von Organisations- und Kapazitätsaufbau und Strategien widerspiegeln. Es muss untersucht werden, wie die tief verwurzelten rassistischen, diskriminierenden oder voreingenommenen Annahmen und Handlungen die Beziehung der Akteur*innen beeinflusst haben und welche Auswirkungen sie auf Machtungleichgewichte im System haben. Gespräche zu diesen Themen müssen mit allen beteiligten Akteur*innen geführt werden.

9.3 Kritische Reflexion und Ausblick

Im Rahmen einer ethnografischen Arbeit muss immer kritisch reflektiert werden, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind, welchen Einfluss der*die Forscher*in hatte und welche Ergebnisse zum Beispiel durch eine andere Person oder durch eine Forschung zu einem anderen Zeitraum zustande gekommen wären. Dabei sei den folgenden Erläuterungen vorangestellt, dass im Sinne einer ethnografischen Forschung die Forschungsergebnisse entsprechend der Annahme multipler Wirklichkeiten sozial konstruiert sind. Generell können empirische Untersuchungen anhand ihres Nutzens, ihrer Glaubwürdigkeit, ihrer Resonanz und Originalität bewertet werden (Charmaz, 2006). Der Nutzen dieser Untersuchungen konnte klar durch die Handlungsempfehlungen herausgestellt werden. Mit Blick auf die Resonanz, also auf die Frage, ob die Interpretationen und besonders die Handlungsempfehlungen für Akteur*innen der Friedensarbeit Sinn ergeben und Anwendung finden, kann noch keine Aussage getroffen werden. Diese Bewertung obliegt vielmehr den Friedensfachkräften und lokalen Organisationen in den zahlreichen Ländern, in denen Konfliktbearbeitung stattfindet. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Forschungsergebnisse sei anzumerken, dass hier bewusst das Element des Geschichtenerzählens verwendet wurde, um die Arbeit nachvollziehbarer zu machen und die durch mich subjektiv konstruierte Wirklichkeitsdarstellung abzubilden. Diese wurde immer wieder reflektiert, dokumentiert und intersubjektiv nachvollziehbar aufbereitet. Dazu dienen ebenfalls die hier anschließenden Bemerkungen.

Zunächst ist anzumerken, dass ich als Forscherin einen Einfluss auf die Forschungsergebnisse habe. Ich bin mit einem bestimmten Vorwissen, einer bestimmten Fragestellung und nicht zuletzt auch einer bestimmten analytischen Brille in das Feld des ZFD eingestiegen, was trotz meiner offenen Beobachtungsweise meinen Blick in bestimmte Richtungen gelenkt hat. Außerdem spielt auch meine Persönlichkeit als Forscher*in eine Rolle in dem Forschungsprozess, denn ich als Person habe Zugänge in das Feld bekommen, ich habe interagiert und Personen getroffen. Durch diese Tatsachen ist es wichtig, die eigene Rolle im Forschungsprozess immer wieder zu reflektieren und zu hinterfragen, wie es in den jeweiligen Geschichten geschehen ist. Somit hätte eine andere Person, die die Forschung durchgeführt hätte, sicherlich an einigen Stellen andere Ergebnisse herausgearbeitet, an anderen Stellen die gleichen Ergebnisse. Gleiches gilt für den Zeitpunkt der Forschung. Hätte ich zum Beispiel die Forschung in Kenia, Sierra Leone oder Liberia in anderen Monaten durchgeführt, hätte ich andere Aktivitäten und Situationen beobachtet und analysieren können. Da diese jedoch unter den gleichen oder sehr ähnlichen Bedingungen stattgefunden hätten, die Akteur*innen gleich sind und sich der Kontext nur minimal verändert hätte, wären die Ergebnisse der Forschung in Teilen gleichgeblieben und hätten sich nur mit Blick auf die einzelnen Geschichten verändert. Somit konnte durch die Forschung im Sinne der qualitativen, ethnografischen Forschungen ein dialog-konsenstheoretisches Wahrheitskriterium entstehen, welches davon ausgeht, dass ich mich als Forscher*in den Ergebnissen durch einen Diskurs annähere. Somit sind die Ergebnisse der Forschung nicht als konstante Wirklichkeit zu verstehen, sondern sie entwickeln sich immer im Diskurs.

Nach dieser kritischen Reflexion der Forschung wird nun auf die aus meiner Sicht wichtigsten Forschungsanregungen eingegangen, die sich aus den hier dargestellten empirischen Ergebnissen und Handlungsempfehlungen ergeben haben. Ein wichtiges Forschungsfeld, welches sich bei der Betrachtung von lokaler und externer Zusammenarbeit ergibt, ist das des Widerstandes. Lokale Akteur*innen stehen globalen Interventionen nicht hilflos gegenüber. Vielmehr machen sie sich immer mehr den Diskurs der Friedensarbeit zunutze, um den vermeintlichen Universalismus in Frage zu stellen und sich auf alternative Formate zu berufen, um den externen Kräften zu widerstehen oder Widerstand zu leisten.

So wurde in einem Interview berichtet: „Es gibt einen unausgesprochenen Widerstand gegen das Aufoktroyieren von Dingen, zum Beispiel werden Sachen nicht gemacht“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Aufgrund bestehender Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse haben viele lokale Partner*innen Wege gewählt, um möglichen Herausforderungen oder Frictions aus dem Weg zu gehen und den Einfluss externer Akteur*innen, in dem Fall des ZFD, akzeptiert, um weiterhin von ihnen finanziert zu werden. Dadurch werden jedoch taktischere und subtilere Strategien gefunden, um ihre eigenen Bedürfnisse und Ideen in die Friedensförderungsprogramme zu integrieren. Dies kann zum Beispiel in Form von Widerstand gegen bestimmte Ideen oder Arbeitsweisen geschehen, aber auch durch die Suche nach anderen Geber*innen oder eine andere Mittelverwendung. Hier kann es für weitere Forschungen sehr interessant sein, diese offenen und verdeckten Widerstände in der Friedensarbeit zu betrachten und zu analysieren, welche Auswirkungen sie auf die Zusammenarbeit haben. Im Zuge der Betrachtung von Widerständen kann es für weitere Forschungen ebenfalls interessant und relevant sein, sich mit der Frage der Handlungsmacht von lokalen Akteur*innen zu befassen, gerade unter Berücksichtigung von Raumtheorien in Bezug auf Akteurskategorien.

Ein weiteres Untersuchungsfeld ergibt sich aus dem Fakt, dass der Globale Norden noch immer von globalen Wirtschaftsstrukturen profitiert, die durch den Kolonialismus und die daran anschließende Ausdehnung des liberalen Systems und westlichen Imperialismus gewachsen sind. Hier unterstreichen postkoloniale Theorien den historischen Einfluss kolonialer Systeme und die bestehende Kontinuität von polit-ökonomischen Machtstrukturen, welche zu einer Marginalisierung des Globalen Südens führen. Für weitere Forschungen im Rahmen der Zusammenarbeit in der Friedensarbeit kann es wichtig werden, diese Strukturen genauer in den Blick zu nehmen und zu analysieren, wie sie die Zusammenarbeit beeinflussen.

Des Weiteren ergibt sich gerade infolge der Covid-19-Pandemie eine Reihe von weiteren relevanten Forschungsfeldern für Fragen der Zusammenarbeit in der Friedensarbeit. Gesellschaften, welche aufgrund von Konflikten oder Post-Konflikt-Gefügen bereits destabilisiert sind, wurden besonders von der Pandemie betroffen. Dadurch können sich Themen für die Friedensarbeit verschieben, neue Themen werden relevant, und es muss überprüft werden, ob bisherige Schwerpunkte der Friedensarbeit weiterhin relevant sind oder verschoben werden müssen. Hier kann es für weitere Forschungen interessant sein, zu prüfen, wie flexibel auf solche Themenverschiebungen reagiert wird und wie schnell Anpassungen in der Arbeit vorgenommen werden. Sie können einen Beitrag zur Friedensforschung leisten, indem eine genaue Analyse der Zusammenarbeit für solche unvorhersehbaren Situationen vorgenommen wird. Ein weiteres Forschungsfeld, welches sich durch die Covid-19-Pandemie eröffnet hat, ist das der digitalen Friedensarbeit. Digitale Friedensarbeit erfolgt hierbei auf verschiedene Weisen. So kommt es zum Beispiel zu einer Verschiebung der Zusammenarbeit. Es gibt einige Fachkräfte, die nun im Globalen Norden leben, jedoch noch mit einer lokalen Organisation zusammenarbeiten. Hier ist es spannend zu untersuchen, ob dieser Fakt zu einer weiteren Verschiebung oder Entfernung von der Idee der partnerschaftlichen Zusammenarbeit führt oder ob es dadurch zu einer größeren Ownership der lokalen Organisationen kommt. Des Weiteren wurden durch die zunehmende Digitalisierung neue Möglichkeiten entwickelt, auch digital mit den Zielgruppen der Friedensarbeit zusammenzuarbeiten. Einige Beispiele aus dem ZFD lassen sich in einem Onlinedossier finden (Konsortium Ziviler Friedensdienst, o. J.). Darin wird zum Beispiel darüber berichtet, wie das Radio oder Social Media als Kommunikationsmittel genutzt werden oder wie Workshops nun digital stattfinden. Daraus ergeben sich zum einen Forschungsfragen, welche analysieren können, was für eine nachhaltige, digitale Friedensarbeit benötigt wird. Zum anderen aber auch Fragen, welche herausarbeiten, ob dadurch einige Zielgruppen nicht mehr erreicht werden können und sich somit Situationen erneut verschlechtern können.