Der Zivile Friedensdienst (ZFD) ist eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Instrument Deutschlands zur zivilen Bearbeitung von Konflikten weltweit. Diese erfolgt besonders vor dem Hintergrund der Einbeziehung und der Idee einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen. Deswegen ist es wichtig, sich diese Zusammenarbeit genauer anzuschauen. Dieses Kapitel wirft einen kritischen, analytischen Blick auf genau diese Zusammenarbeit und analysiert Herausforderungen, mit denen der ZFD konfrontiert wird. Insbesondere wird diese empirische Analyse deutlich machen, dass Organisationen wie der ZFD die lokalen Akteur*innen in der Zusammenarbeit ernst nehmen wollen und einen (vermeintlich) partnerschaftlichen Ansatz in ihrer Arbeit verfolgen. Sie werden jedoch mit inhärenten Machtstrukturen konfrontiert, die ihre Bemühungen um Partnerschaft, lokale Eigenverantwortung und horizontales Engagement systematisch behindern.

Die folgende empirische Diskussion basiert darauf, dass kritische Diskussionen zur Friedenskonsolidierung gezeigt haben, dass sie nur dann erfolgreich sein kann, wenn lokale Akteur*innen aktiv einbezogen werden und sie im Driverseat des Friedensprozesses sitzen. „A core value, and strategy, of peace programming is enabling and supporting people in building their own peace. Real solutions only grow from and are firmly anchored in the communities affected“ (Anderson & Olson, 2003, S. 33). Dabei wird als Basis für die Analyse besonders die theoretische Diskussion um den Local Turn, um hybriden Frieden und das Friction-Konzept verwendet (siehe besonders Kapitel 3). In der wissenschaftlichen Debatte um die Einbindung lokaler Akteur*innen in die Friedensförderung wird zunehmend ein umfassender Ansatz für die Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen gefordert. Außerdem Konzepte, die den lokalen Akteur*innen keine westlichen Vorstellungen aufzwingen, sondern sie als aktiven Teil des gesamten Prozesses betrachten (Reich, 2005, S. 475). Antworten auf diese Forderungen, insbesondere im Bereich der Friedensförderung, die sich mit internationalen Aktivitäten im Bereich der Zusammenarbeit befasst, liefert die Praxis der Zivilen Konfliktbearbeitung (siehe Abschnitt 4.3.). Diese lässt sich definieren als „[…] die Bearbeitung von Konflikten ohne den Einsatz von direkter Gewalt mit dem Ziel, eine Regelung oder Lösung zu finden, die die Interessen aller Konfliktparteien berücksichtigt“ (Schweitzer, 2004, 512 f.). In den letzten Jahren ist die Zahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) gestiegen, die diese weithin akzeptierte Methode im Kontext von Konfliktprävention, Friedensschaffung und Post-Konflikt-Arbeit anwenden (Fischer, 2011, S. 288).

Zivile Konfliktbearbeitung durch deutsche CSOs wird hauptsächlich vom Zivilen Friedensdienst (ZFD) umgesetzt. Dieser ist die Grundlage dieser empirischen Analyse. Für die Umsetzung sorgen in Deutschland neun Trägerorganisationen. Der ZFD setzt auf die Zusammenarbeit zwischen entsandten ZFD-Fachkräften aus Deutschland mit lokalen Partner*innen beziehungsweise lokalen Organisationen. Er fördert einen „Frieden der Menschen vor Ort“ (Paffenholz, 2011, S. 11). Der ZFD hat zu einer enormen Professionalisierung der deutschen Zivilen Konfliktbearbeitung beigetragen, und zwar mit klarem Fokus auf der Interaktion mit lokalen Partner*innen. Zuletzt erfolgte dies mit einem umfassenden Reformprozess zwischen 2011 und 2013 (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, S. 2). Gerade diese Professionalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen und Voraussetzungen für die praktische Arbeit im ZFD (wie in Abschnitt 4.4. vorgestellt) werden in dieser Analyse berücksichtigt.

Die empirische Diskussion erfolgt mittels einer machtkritischen Perspektive (Kapitel 2). Sie legt einen besonderen Schwerpunkt auf die vermeintlich partnerschaftliche Arbeit von lokalen und internationalen Friedensfachkräften, denn „[…] more research is necessary to obtain more reliable and convincing results on the interaction of different actors and levels“ (Fischer, 2011, 306 f.). Um vertieft auf diese Beziehungen eingehen zu können, wurde der ZFD zunächst in Deutschland untersucht. So kann ein Grundverständnis für Akteur*innen und Handlungen gewonnen werden (auf theoretischer Ebene in Kapitel 4). Darauf aufbauend werden empirische Ergebnisse aus der Datenerhebung in Deutschland vorgestellt (Kapitel 6). Diese empirischen Ergebnisse zeigen Themen innerhalb des ZFD, in denen Spannungsverhältnisse und Gegensätze deutlich wurden. Diese Themen wurden als Ausgangspunkt für die Analyseperspektive verwendet, mit denen dann in drei Ländern – Kenia, Sierra Leone und Liberia (Kapitel 7)Footnote 1 – mithilfe ethnografischer Methoden (Kapitel 5) geforscht wurde. Diese als Multi-sighted-Ethnography einzuordnende Forschung ermöglicht, den Forschungsprozess als kommunikativen Prozess zu gestalten, in dem ich als Forschende mit den Mitarbeitenden und Partner*innen im ZFD aktiv im Austausch stand. Im Anschluss an die Forschung wurde zudem eine quantitative Umfrage unter Fachkräften und Partner*innen durchgeführt. Sie dient dazu, einige Ergebnisse nochmals in einem globaleren Kontext zu betrachten (Abschnitt 5.3.3.)Footnote 2.

Themen, welche im Rahmen der empirischen Datenerhebung in Deutschland immer wieder relevant wurden, die aber auch während des Literaturstudiums zum ZFD allgemein und in der Theorie immer wieder aufgekommen sind, dienen in der ethnografischen Forschung klassischerweise der Vorbereitung auf die Datenerhebung im Feld. Sie schärfen den Blick und helfen, systematisierter zu beobachten. Gleichzeitig muss der Forschungsprozess so offen und flexibel gehalten werden, dass er keine reine Bestätigung von vorgefertigten Annahmen zum Ziel hat und Anpassungen möglich bleiben. Ständige Überprüfungen, und wenn nötig, Anpassungen des Modells sind ein wichtiger Teil des qualitativen Forschungsprozesses (Mayer, 2002, S. 28). Diese Themen helfen den Forschenden bei der Spurensuche (Geertz, 1997) nach Zusammenhängen und Verbindungen im Feld. In Vorbereitung auf die Feldforschung habe ich diese Themen in verschiedenen Arbeitsschritten herausgearbeitet. Durch das Literaturstudium zu Partnerschaftlichkeit in der Friedensarbeit, zu Machtdynamiken, lokalem Peacebuilding und zum ZFD konnte ich bereits herausfiltern, welche Themen immer wieder genannt werden. Diese habe ich in meinen Forschungsnotizen vermerkt. Mit diesem Wissen und einem gleichzeitig offenen Blick für weitere Themen bin ich in die empirische Datenerhebung in Deutschland gegangen. Dort habe ich – wie in Abschnitt 5.5. gezeigt – Interviews geführt und an Seminaren zur Vorbereitung von Fachkräften teilgenommen. In der Datenauswertung tauchten folgende Themen immer wieder auf: Selbstverständnis der ZFD-Organisationen; Verortung des ZFD in der Friedensarbeit; die Rolle und Aufgabe der Fachkräfte; die Rolle und Aufgabe der Partner*innen; die Bedeutung der Vorbereitung für die Arbeit der Fachkräfte und Partner*innen vor Ort; Ownership und Legitimität im ZFD; die Ausgestaltung der Zusammenarbeit (inklusive Herausforderungen) und Machtdynamiken in der Zusammenarbeit und den Strukturen des ZFD. Diese Themen sollten in Kenia, Sierra Leone und Liberia helfen, die Spurensuche in der Forschung zu vereinfachen und die Forschung zu strukturieren. Während der Forschung selbst wurden verschiedene Aufzeichnungen angefertigt (Writing-down)Footnote 3. Dies erfolgte unsystematisch und erst in der Phase nach der Forschung in den jeweiligen Ländern. In der als Writing-out bezeichneten Phase wurden die Daten organisiert, codiert und strukturiert. Diese Strukturierung geschah zunächst auf Basis der Themen, die für die Spurensuche im Feld galten und durch das Thema „Effektivität der Arbeit“ ergänzt wurden. Für die Arbeit wurde eine induktive Herangehensweise gewählt. Den einzelnen Überthemen wurden die einzelnen Mitschriften aus der Feldforschung zugeordnet. Da ich während der Forschung mit handschriftlichen Notizen gearbeitet hatte, wurden sie auf die verschiedenen Themen hin durchgelesen und digitalisiert. Auf diese Weise entstand zu jedem Thema ein digitales Dokument. Diese Dokumente wurden dann wie bei einer Inhaltsanalyse üblich bearbeitet, sie wurden gelesen und die einzelnen Aussagen codiert. Die codierten Elemente wurden mit theoretischen und praktischen Vorüberlegungen verknüpft (Strauss & Corbin, 1998, 55 ff.) und in der Phase des Writing-up interpretiert (Madden, 2010, 117 ff.).

In diesem Kapitel werden genau diese allgemeinen Vorüberlegungen über den ZFD, die theoretischen Überlegungen zur kritischen Friedensforschung und die Forschungsergebnisse über den ZFD in Deutschland zusammentragen. Die Struktur des folgenden Kapitels orientiert sich an aus der Forschung gewonnenen Themen, die durch genaue Situationsbetrachtungen verdeutlicht werden. Aus den codierten Elementen und Forschungsmitschriften wurden verschiedene Themen für Unterkapitel herausgearbeitet und mit passenden Erlebnissen (Geschichten) aus der Forschung verknüpft. Jedes Unterkapitel beginnt mit einer ethnografischen Geschichte aus der Feldforschung. Sie gibt einen direkten Einblick in die Geschehnisse vor Ort und beschreibt ausgewählte Aspekte, die in den Codierungen der Felddaten immer wiederauftauchten. Die einzelnen Geschichten erheben keinen Anspruch darauf, alle Aspekte des jeweiligen Kapitels oder Themas zu beleuchten. Sie sollen vielmehr den Leser*innen einen Eindruck vermitteln und den Weg für weitere Ausführungen und andere Situationen und Beschreibungen bereiten. Die Geschichten und Themen präsentieren nicht die Gesamtheit aller Fälle (im positiven Sinne), die im Feld vorkommen, sondern eine Auswahl. Diese Geschichten wecken Verständnis für den konkreten Kontext, indem soziale Praktiken und alltägliche Erlebnisse kritisch hinterfragt werden und aufgezeigt wird, wie diese problematische Konsequenzen nach sich ziehen können. Die Geschichten wurden weitestgehend anonymisiert, um Personen vor Ort zu schützen. Die einzelnen Beschreibungen sind möglichst verhaltensnah und frei von Interpretationen durch mich als Forschende. Die Geschichten verdeutlichen, wo in den Partnerschaften Herausforderungen oder Chancen liegen oder wo Machtdynamiken greifen. Sie werden aufgrund des ethnografischen Charakters der Geschichten jedoch noch nicht klar benannt. Dies folgt in der anschließenden Reflexion, Analyse und Interpretation. Die Situationen werden aus meiner Sicht als Forscherin reflektiert. Denn es ist wichtig, Implikationen in die Interpretation einzubeziehen. Dies wird schließlich vor einem erweiterten Hintergrund in theoretische Bezüge, den ZFD und lokal verankerte Friedensarbeit allgemein eingebettet, und zwar in den jeweiligen Unterkapiteln „Analyse und Interpretation der Geschichte“. Dazugezogen werden außerdem die Daten aus der quantitativen Umfrage, die mit Fachkräften und Partner*innen aus aller Welt durchgeführt wurde. Diese Situationsanalyse auf der mikrosoziologischen Ebene mit anthropologischer Perspektive und empirischen Beispielen wirft einen genaueren Blick auf die Beziehungen, Macht(un)gleichgewichte und verschiedene Arten der Verbindung zwischen diesen Akteur*innen und schließt mit einer kritischen Diskussion ab. Macht als Thema findet sich in allen Kapiteln wieder und spielt überall eine Rolle. Sie durchzieht die Forschung wie ein roter Faden. Die Geschichten ermöglichen ein Verständnis dafür, wie sich eine Nord-Süd-Partnerschaft in der Friedensarbeit gestaltet. In diesen Geschichten von Partnerschaft und Nicht-Partnerschaft wird dargestellt, was in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit funktioniert und was problematisch ist. Dies hat wichtige Auswirkungen auf eine Verbesserung der Beziehungen und die Koordination zwischen internationalen, nationalen und lokalen Akteur*innen, die auf gemeinsame Friedensprozesse hinarbeiten.

8.1 Friedenssicherung durch gemeinschaftliches Arbeiten

Das folgende Kapitel stellt den ZFD als Instrument der Friedensarbeit in den Fokus der Analyse und schafft somit einige Grundlagen für die Arbeit des ZFD allgemein. Die einzelnen Unterkapitel orientieren sich an den bereits in Abschnitt 6.3. eingeführten Themen: das Selbstverständnis der ZFD-Organisationen und die Verortung des ZFD in der Friedensarbeit. Sie beschreiben also generell die ZFD-Arbeit. Die einzelnen Unterkapitel beginnen eher allgemein und werden dann immer spezifischer. Das erste Unterkapitel 8.1.1. geht auf die Umsetzung der trägerübergreifenden Landesstrategiepapiere (TLS) ein. Sie wurden ausgewählt, weil sie die Grundlage der ZFD-Arbeit in Sierra Leone, Liberia und Kenia sind. Die Geschichte aus der Feldforschung kann deutlich zeigen, welchen Aushandlunsgprozess die Arbeit mit den TLS beansprucht. In Abschnitt 8.1.2. wird das jeweils unterschiedliche Verständnis von ZFD-Friedensarbeit in den drei Ländern vorgestellt und analysiert. Dieses Thema wurde ausgewählt, da das Verständnis von Frieden und Friedensarbeit die Grundlage der partnerschaftlichen Arbeit ist. Zudem wird in dem Kapitel aufgezeigt, wie unterschiedliche Ansätze und Realitäten aufeinandertreffen. Es wird nicht davon ausgegangen, dass es ein idealtypisches Verständnis gibt. Vielmehr werden verschiedene für den jeweiligen lokalen Kontext passende Verständnisformen diskutiert. Unterkapitel 8.1.3. behandelt die Legitimität des ZFD. Denn in der Friedensarbeit ist Legitimität, besonders durch externes Eingreifen, – wie in Kapitel 3 bereits theoretisch diskutiert –, immer ein wichtiger Faktor in der Arbeit. Sie wurde in den Interviews und Gesprächen während der Forschung stets als bedeutend geschildert. Abschließend werden in Abschnitt 8.1.4. und 8.1.5. zwei weitere praktische Themen aus der gemeinschaftlichen ZFD-Arbeit diskutiert: Die Netzwerkarbeit, die eine wichtige Grundlage für den ZFD ist und der ich während meiner Forschung in vielen Situationen der praktischen Umsetzung begegnete. Und die administrative Komponente der Zusammenarbeit. Sie nimmt oft einen großen Teil des Arbeitsalltags ein. Zudem schafft sie – wie beim Codieren herausgearbeitet werden konnte – mit am meisten Probleme und Herausforderungen im ZFD.

8.1.1 Trägerübergreifende Landesstrategiepapiere und Verständnis des ZFD

Die Geschichte

Der Morgen im Konferenzgebäude startet mit Tee, Kaffee und Snacks zum Frühstück. Nach und nach treffen alle Fachkräfte und alle Partner*innen einer deutschen ZFD-Trägerorganisation ein. Am heutigen Tag findet ein Treffen statt, bei dem sich alle Beteiligten auf den neusten Stand der Arbeit bringen und aktuelle Termine und gemeinsame Projekte besprechen. Bei dem heutigen Treffen liegt ein besonderer Fokus auf der trägerinternen Landesstrategie. Sie ist die Grundlage der Arbeit des ZFD-Trägers in dem Land. Hintergründe für Konflikte werden dargestellt und Ziele für die Arbeit des ZFD formuliert. Zwar gibt es für das Land schon eine trägerübergreifende Landesstrategie (TLS), doch soll mit einer eigenen Strategie der Fokus nochmal stärker auf die eigene Arbeit gelegt werden. TLS sind als Hintergrundpapiere für die Arbeit des ZFD zu verstehen. Sie definieren die Strategien für den ZFD vor Ort, schärfen das Profil des ZFD und gehen auf die Ziele der Arbeit des ZFD ein. Für die Personen, die noch relativ neu im ZFD sind, wird nochmals kurz der Prozess der Erarbeitung der TLS beschrieben. Dieser hat bereits vor einigen Jahren begonnen und fand in Zusammenarbeit mit einer*einem externen Consultant, der anderen deutschen ZFD-Trägerorganisation und deren Partner*innen statt und wird seitdem in den Programmen und Projekten angewendet und regelmäßig evaluiert. In der Diskussion wird von den Partner*innen betont, dass der Prozess des TLS dabei sehr Top-down war, stark von Deutschland aus gesteuert wurde und sie sich nicht gut eingebunden gefühlt haben. Auch wenn sie verstehen, dass er für das BMZ eine entsprechende Relevanz hat. Dies steht im starken Gegensatz zur eigentlichen Herangehensweise des ZFD, die sich als sehr partnerschaftlich versteht. Gleichzeitig wird betont, dass durch die TLS die Arbeit eingeschränkter ist und dass die Aktivitäten nun in ein bestimmtes Raster an Aufgaben und Zielen passen müssen (auch wenn dies weit formuliert ist). Deswegen wird in dem Treffen die bestehende TLS in Kleingruppen gelesen und daraufhin analysiert, was in einer trägereigenen Landesstrategie geändert oder anders hervorgehoben werden müsste. Dabei wird besonders der Wunsch gegenüber der*dem Koordinator*in geäußert, dass die einzelnen Arbeitsschwerpunkte deutlicher hervorgehoben werden sollten und klarer formuliert werden muss, wie diese erreicht und umgesetzt werden können. Um diesen Prozess möglichst inklusiv und unter Einbeziehung aller zu gestalten, wird von den Partner*innen der Wunsch geäußert, dass in den kommenden Monaten weitere Treffen stattfinden, um gemeinsam an der Strategie zu arbeiten. Auch wenn das laut Koordinator*in so eigentlich nicht vorgesehen war, wird der Vorschlag sehr begrüßt und angenommen, auch um die Initiative der Partner*innen zu fördern und zu unterstützen.

Meine Rolle als Forscherin

Ich war als Gast zu dem Treffen eingeladen. Wie alle anderen Anwesenden auch saß ich in dem Stuhlkreis, habe mir verschiedene Beiträge angehört und auch in den Pausen mit den Anwesenden sowohl über Inhaltliches als auch über Persönliches gesprochen. Das Treffen fand etwa nach der Hälfte meines Forschungsaufenthaltes statt und ich hatte bereits alle Partner*innen und Fachkräfte persönlich kennengelernt. Dennoch wurden vorher alle gefragt, ob ich an dem Tag dabei sein kann – alle stimmten zu. Zwar kann ich nicht ausschließen, dass meine Anwesenheit als weiße Person aus dem Globalen Norden und als eine für den ZFD und das Projekt externe Person gar keinen Einfluss auf den Prozess hatte. Jedoch ist davon auszugehen, dass es zumindest kein negativer Einfluss war. Wenn es allgemeine Diskussionsrunden gab, habe ich daran nicht teilgenommen. Doch zum Beispiel in der Begrüßungsrunde habe ich zu Beginn, in der alle ein Update über ihre Arbeit gegeben haben, auch etwas berichtet. Wenn Zeit für Fragen war, habe ich Verständnisfragen gestellt, dabei jedoch darauf geachtet, mit den Fragen keine neuen Themen oder Inhalte anzuschneiden.

Reflexion und kritische Diskussion

Die hier beschriebene Situation zeigt viele Facetten im Hinblick auf das Verständnis des ZFD. Sie zeigt deutlich, dass es eine TLS gibt und mit dieser gearbeitet wird, dass diese jedoch in der Praxis nicht vollständig praktikabel ist. Hier zeigt sich eine klare Machtdynamik, nämlich die, dass die TLS vom BMZ in Deutschland als Vorgabe in den ZFD gegeben werden, diese zwar vor Ort erarbeitet werden, aber nicht immer passend sind und trotzdem genutzt werden müssen. So haben ZFD-Träger*innen Wege gefunden, um die Strategie passender zu machen und ihre eigene Position zu stärken: Mit einer eigenen Strategie soll der Fokus stärker auf organisationseigene Schwerpunkte gelegt werden. Diese Schwerpunkte werden zum Teil als wichtiger für die Arbeit als die TLS gesehen. Die TLS wird sogar als einschränkend für die eigene Arbeit empfunden, da die Arbeit in bestimmte vorformulierte Bereiche passen muss. Auch der Prozess der Entstehung der TLS wurde kritisiert, da dieser als zu Top-down empfunden wurde. Auch hier zeigt sich die Machtdynamik im ZFD. Der als Top-down empfundene Prozess wurde überwiegend von Personen aus dem Globalen Norden initiiert und gesteuert. Die Personen aus dem Globalen Süden konnten (in Teilen) mit ihrem Wissen dazu beitragen. Hier wird deutlich, dass solche Prozesse mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ablaufen und die Handlungs- und Entscheidungsmacht nicht bei den Akteur*innen im Globalen Süden liegt, sondern diese vielmehr als Ressource für den Prozess verstanden werden. Es lässt sich demnach festhalten, dass die Einstellung gegenüber der TLS kritisch und eher negativ ist. Die Relevanz kommt mehr aus der Verpflichtung, mit der TLS zu arbeiten. So wird versucht, sich die TLS zu eigen zu machen (was Ziai (2015) „approptiation“ nennt) und den Diskurs selbst ein Stück weit auszugestalten. Dadurch wird sich erhofft, dass die trägereigene Landesstrategie nun besser zu der Arbeit vor Ort passt und der Prozess inklusiver gestaltet wird. Dass die*der Koordinator*in dem Wunsch der Partner*innen nachkommt, diesen Prozess inklusiv zu gestalten und dafür Zeit und Raum im Rahmen von weiteren Treffen einplant, zeigt, dass dieser Prozess von allen Beteiligten ernst genommen und gemeinsam angegangen wird.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Die trägerübergreifenden Landesstrategiepapiere (TLS) wurden bei der Evaluierung des ZFD im Jahr 2011 empfohlen (Paffenholz, 2011, S. 7) und im Zuge des Reformprozesses eingeführt (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 7). Detaillierte Informationen zu den TLS finden sich in Abschnitt 4.4.4. (Evaluation und Monitoring). Sie sollen die Relevanz und Wirksamkeit des ZFD erhöhen, dienen als Strategien für den ZFD vor Ort und sollen das Profil des ZFD in den einzelnen Ländern stärken (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 7). Seit dem Reformprozess sind einige Jahre vergangen. Auch wenn die Umsetzung der TLS noch andauert, sind sie in der Praxis des ZFD angekommen. Dies zeigt das Ergebnis einer von mir durchgeführten Befragung verschiedener Akteur*innen im ZFD. Der Aussage, dass sie die Landesstrategie und die erwarteten Ergebnisse (Outcomes) kennen, stimmen 47 % komplett zu, 50 % stimmen zu und 3 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu. Doch die alleinige Kenntnis der TLS sagt nichts über ihre tatsächliche Umsetzung oder Akzeptanz aus. Der Einblick aus der obigen Geschichte zeigt, dass es eine Vielfalt an Meinungen und Themen gibt, die sich in den TLS nicht immer wiederfinden. Es wird berichtet, dass die angestrebte gemeinsame Erstellung einer TLS sehr herausfordernd sein kann, da jede Organisation für sich schon bestimmte Strategien mitbringt und es unterschiedliche thematische und regionale Schwerpunkte geben kann (Tahirou & Eberlein, 2019, S. 26) und nicht alle Beteiligten die gleichen Prioritäten in den TLS sehen (Goedeking, 2014, S. 24). Deswegen wird in anderen Publikationen betont, dass die TLS diese Vielfalt nicht in ein Raster pressen oder den ZFD uniformieren wollen, sondern die Vielfalt als Mehrwert zu sehen ist (Goedeking, 2014, S. 23).

Um diese Vielfalt in den TLS abzubilden, wird bei ihrer Erstellung zunächst eine systemische Kontext- und Relevanzanalyse vorgenommen, dann folgen die Strategiebildung und abschließend die Festlegung der Querschnittsthemen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 3.1. S. 2 f.). Diese Analyse basiert oftmals auf Konfliktanalysen, die für jedes Land durchgeführt werden. Eine solche solide Analyse sollte Folgendes berücksichtigen: die Zusammensetzung und Charakteristika der Zivilgesellschaft in einem bestimmten Länderkontext und die spezifischen Funktionen der Zivilgesellschaft zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung in einer bestimmten Phase des Konflikts oder der Friedenskonsolidierung (Paffenholz & Spurk 2018, S. 40). Um die vielfältigen Perspektiven abzubilden und Ownership herzustellen, sollen alle Fachkräfte, Organisationen und Partner*innen in den Prozess eingebunden werden. Dies geschieht idealerweise nicht nur zu Beginn des Prozesses, also bei der Erstellung der TLS, sondern auch immer wieder in Planungs- und Evaluationsworkshops (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 7; Goedeking, 2014, 23 f.). Somit kommt es im Sinne eines hybriden Friedens im ZFD zur Übernahme an Verantwortung durch lokale Akteur*innen. Auch die Kooperation von lokalen und internationalen Akteur*innen wird gestärkt und das Ansehen lokaler Maßnahmen und Ideen durch internationale Akteur*innen wird gefördert (Richmond, 2015). Es muss im Einzelnen kritisch geprüft werden, inwieweit jede*r einzelne beteiligte Akteur*in tatsächlich in den Prozess eingebunden war und Verantwortung übernehmen konnte oder wollte. So lässt sich deutlich erkennen, bei wem die Handlungsmacht in der Erstellung der TLS liegt. Wie in meinen Interviews in Deutschland mit den ZFD-Programmverantwortlichen berichtet wurde, ist dieser Prozess sowohl positiv als auch kritisch zu sehen. Demnach gibt es Organisationen vor Ort mit Strategien, die sie vorrangig in die TLS einspeisen beziehungsweise die sich in ihrer Arbeit nur auf diese Punkte in den TLS konzentrieren. Andere Organisationen hingegen stimmen den Interviews zufolge ihre eigene Strategie und Ausrichtung komplett mit dem TLS ab und richten sie darauf aus. „Der Einbezug geschah in unterschiedlichem Maße. Ich denke es ist schon in unterschiedlicher Tiefe der Fall, dass Themen der Partner mit dabei sind. Da muss man aber im Einzelnen schauen, wie es gelaufen ist“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Es ist jedoch fraglich, inwieweit es tatsächlich dieses Ownership über die TLS gibt. Denn nicht alle lokalen Organisationen wurden in gleichem Maße einbezogen und die Arbeit mit dem TLS ist nicht freiwillig. Sie ist vielmehr eine fixe Vorgabe, die das BMZ aus seiner mächtigen Position heraus durchgesetzt hat. Zwar war das Konsortium daran beteiligt, doch waren es nicht die einzelnen Organisationen in den jeweiligen Ländern, die schlussendlich mit den TLS arbeiten. Wie die eingangs geschilderte Geschichte zeigt, gibt es auch Kritik an den TLS. Gerade neue Organisationen können oftmals gar nicht mehr an dem Prozess beteiligt werden, sondern müssen die vorhandenen TLS akzeptieren. Während meiner weiteren Forschung wurden die TLS immer wieder thematisiert. Wie sich zeigte, gibt es sowohl Personen und Organisationen, die der Aussage zustimmen, dass die Entstehung der TLS ein integrativer und konsultativer Prozess war. Allerdings gibt es auch Personen, die anderer Meinung sind. So wurde mir in einem Interview folgende Wahrnehmung in Bezug auf den Entstehungsprozess der TLS berichtet: „The country strategy was pushed a lot from the office in Germany and the job of the Consultant was it to write it all together what is their main work, that everybody can find her or his own organization in it“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Hier wird die mächtigere Stellung in der vermeintlich partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Akteur*innen aus dem Globalen Norden deutlich und wie selbstverständlich mit ihr gearbeitet wird. Es wird von Beginn an davon ausgegangen, dass die Prozesse (in diesem Fall die TLS) vor Ort angenommen werden und an ihnen mitgearbeitet wird. Es wurde von Personen vor Ort berichtet, dass sie als Organisation nur an der Entstehung der TLS mitgewirkt haben, weil dies für den ZFD verpflichtend ist. Diese Verpflichtung spielt sicherlich für alle Beteiligten eine wichtige Rolle. Denn letzen Endes dienen die TLS auch dazu,

„[…] gegenüber Partnerorganisationen, Regierungen und NGOS zu sagen, der ZFD will in diesem Land das und das erreichen, und um dazu beizutragen, möchten wir Projekte durchführen und da passt ihr in unser Partnerspektrum, oder wir könnten uns vorstellen, wie wir gemeinsam das erreichen können“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Gerade dieser Nutzen der TLS, als Leitfaden und als Mandat zu fungieren, wird von einigen Partner*innen in den Ländern als Zwang dazu empfunden, in einem bestimmten Bereich oder zu einem bestimmten Thema zu arbeiten. So berichtete ein*e Mitarbeiter*in einer lokalen ZFD-Organisation: „The CPS network is forced by the mandate and country strategy or work in the same area“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Somit können die TLS sehr einschränkend auf die Arbeit der lokalen Organisationen wirken. Die vermeintliche Legitimation der Arbeit, welche durch die TLS entstehen soll, wird somit zu einer Herausforderung in der Implementierung.

Die TLS dienen in den einzelnen Ländern auch dazu, die Arbeit zwischen den verschiedenen Organisationen und Träger*innen abzustimmen. In den Interviews in Deutschland wird betont, dass dies den Vorteil hat, dass man sich gegenseitig auch als ZFD-Organisationen kennenlernt. Neben der strategischen Planung könnten auch andere Synergien, die auf niedrigeren Leveln liegen, genutzt werden. Es könnten gemeinsame Aktivitäten geplant, gemeinsame Analysen erstellt und gemeinsam reflektiert werden, was funktioniert und was nicht.

„Spannend ist jetzt nochmal, was bei inhaltlicher Zusammenarbeit durch die trägerübergreifenden Länderstrategiepapiere (TLS) passiert ist. Das war ein energischer gemeinsamer Prozess, der ist, glaube ich, auch eine neue Qualität der Vernetzung vor Ort und der Akteure. Regional bezogene Vernetzung der Träger wird nochmal auf einer anderen Ebene vorangebracht“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Wie das eingangs geschilderte Beispiel zeigt, wird diese Synergie jedoch nicht immer genutzt beziehungsweise durch trägereigene Strategiepapiere wieder aufgebrochen. Dies kommt zum einen daher, dass Organisationen unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte und Bedürfnisse haben und dass sie Themen aus den TLS nochmals genauer ausdifferenzieren. Zum anderen aber auch daher, dass sich Organisationen den Prozess mehr zu eigen machen wollen, um handlungsfähiger zu sein. Während der Interviews in Kenia, Liberia und Sierra Leone wurde besonders deutlich, dass dies für die Organisationen vor Ort relevant ist. So wurde berichtet, dass die eigene Strategie der jeweiligen deutschen Trägerorganisation „[…] in the end is more important for working than the cross country strategy“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). In den Interviews in Deutschland, aber auch mit den Koordinator*innen vor Ort wurde darüber hinaus betont, dass die trägereigenen Strategiepapiere auch deshalb verfasst werden, weil man – auch wenn für den ZFD gearbeitet wird – eine starke Loyalität der eigenen Organisation und deren Themen gegenüber hat. Zudem weil es bestimmte Vorgaben für Themen und Strukturen gibt, die sich auch auf die Organisationen vor Ort übertragen können. Das kann dazu führen, dass TLS mit den Strategien einer Organisation nicht ganz kompatibel sind. „Das ist eine häufig schwierige Vermittlungsleistung, die da zu erbringen ist“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Diese Geschichte und die weiteren Ausführungen zeigen sehr gut – gerade wenn sie in Bezug zum Verständnis und zur Entstehung der TLS gesetzt werden – wie unterschiedlich Prozesse wahrgenommen werden. Und dass die Realitäten in den jeweiligen Ländern und die Vorstellungen der ZFD-Mitarbeitenden und des BMZ in Deutschland oftmals unterschiedlich sind und ebenso unterschiedlich funktionieren. Dieser Unterschied wurde noch in weiteren Situationen und Gesprächen über das Grundverständnis des ZFD deutlich, von dem die TLS nur einen Teil darstellen. Die Geschichte hat sehr gut gezeigt, wie durch Programmvorgaben und Prozesse in der Entstehung der TLS die mächtigere Rolle der ZFD-Akteur*innen aus dem oder im Globalen Norden genutzt wird, um Prozesse durchzusetzen und zu gestalten, und vor allem mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht.

8.1.2 Verständnis von Friedensarbeit

Die Geschichte

Zwei Personen schauen ein Fußballspiel und feuern jeweils ihr Team an. Sie sind euphorisch und bejubeln ihr Team und reden schlecht über das jeweilige andere Team und dessen Spieler*innen. Eine dritte Person kommt hinzu, identifiziert sich ebenfalls als Fan eines der Teams und schließt sich mit dem anderen Fan zusammen. Diese Beschreibung klingt erstmal wie ein ganz normales Sportevent, das zu Hause oder in einer Bar stattfinden könnte. Doch die Situation ist eine andere, wir befinden uns in einem Seminarhaus, in einem Peacebuilding-Training für Fachkräfte und Mitarbeitende der lokalen Organisationen. Das Fußballspiel findet nur imaginär statt und es handelt sich dabei um eine Übung, die von den kenianischen Trainer*innen angeleitet wurde. Sie haben zwei der Trainingsteilnehmenden gebeten, sich ein imaginäres Fußballspiel anzuschauen und dabei jeweils unterschiedliche Teams anzufeuern. Ihnen wurde weiter vorgegeben, dass nach einiger Zeit eine neutrale Person zu dem imaginären Spiel dazukommen würde, um die Situation zu beurteilen. Diese Person wurde jedoch instruiert, nicht neutral zu sein und sich einer Seite anzuschließen. Nachdem die Diskussion relativ hitzig wird, lösen die Trainer*innen die Übung auf und eine Reflexion beginnt. In dieser Reflexion kommt heraus, dass sich die Person, welche nun alleine ein Team angefeuert hat, von der vermeintlich neutralen Person im Stich gelassen und übergangen gefühlt hat. Während die andere Person, welche das Fußballteam nun nicht mehr alleine angefeuert hat, sich in den eigenen Ansichten bestätigt und unterstützt gefühlt hat. Die Trainer*innen weisen darauf hin, dass diese Übung gut zeigen kann, wie wichtig die Neutralität einer Person in einem Konflikt ist und dass ein Blick von außen auf eine Situation hilfreich sein kann. Eine Annahme, die auch viele ZFD-Träger*innen in ihrer Arbeit vertreten. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, wie schwierig es sowohl für die Fachkräfte als auch für die Partner*innen manchmal sein kann, mit einer solchen Neutralität zu arbeiten. Denn alle Menschen haben bestimmte Vorannahmen und Werte, die sie vertreten. Dabei wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, diese zu reflektieren und dass es helfen kann, eine Position zwischen den Konfliktparteien einzunehmen, auch wenn sie nicht komplett neutral ist. Die Übung schließt mit einer Sammlung von Beispielen der Teilnehmenden, in denen sie selbst vor herausfordernden Situationen standen.

Meine Rolle als Forscherin

Das Training fand über mehrere Tage statt, an denen ich durchgängig anwesend war. Da es noch relativ zu Beginn meiner Forschungszeit stattfand, kannte ich noch nicht alle anwesenden Personen und Trainer*innen persönlich. Daher wurde vorab über die*den Koordinator*in das Einverständnis für meine Teilnahme eingeholt. In der beschriebenen Übung, aber auch in anderen Übungen während des Trainings, habe ich zwar wie alle anderen teilgenommen, jedoch darauf geachtet, mich nicht als Freiwillige zur Übernahme von Aufgaben zu melden. Dies hätte mich in eine sehr präsente Rolle gebracht, in der ich Themen und das Geschehen hätte beeinflussen können. In Gruppendiskussionen wurde auch ich in Kleingruppen eingeteilt und habe mich entschlossen, dort mitzudiskutieren. Also wirklich teilzunehmen und nicht nur zu beobachten. Dadurch kam es in einigen Situationen mit Sicherheit zu einer Beeinflussung durch mich. In der beschriebenen Übung habe ich jedoch nur beobachtet.

Reflexion und kritische Diskussion

Die Trainer*innen wollten mit der Übung zum Fußballspiel nebst Fans aufzeigen, wie wichtig die Neutralität einer Person in einem Konflikt ist. Gleichzeitig wollten sie darauf aufmerksam machen, dass ein Blick von außen in einer konfliktiven Situation wertvoll sein kann. Schon hier wurde in der Diskussion deutlich, dass diese Neutralität nicht immer einfach ist, da alle Personen bestimmte Vorannahmen und Werte haben, die sie vertreten. Dieser Punkt wurde immer wieder von den Fachkräften und den anderen Anwesenden betont und in Bezug auf ihre eigene, vermeintliche Neutralität hin reflektiert. Diese Diskussion zeigte deutlich, dass sich einige Fachkräfte der inhärenten Machtdynamiken, die mit ihrer Anwesenheit und ihrer Rolle vor Ort einhergehen, bewusst sind und dass sie sich auf eine mögliche Neutralität auswirken. In der abschließenden Diskussion wurde zwar festgehalten, dass es wichtig ist, über Neutralität und den Blick von außen zu reflektieren, doch wurden keine konkreten Werkzeuge an die Hand gegeben. Interessanterweise wurde auch nicht darüber gesprochen, was diese vermeintliche Neutralität für die Arbeit des ZFD insgesamt bedeutet. Dabei wird dies in einigen Organisationen als ein sehr wichtiges Element und Kernstück des ZFD angesehen.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Die Frage der Neutralität oder Allparteilichkeit ist sowohl in der Literatur als auch unter den ZFD-Organisationen ein viel diskutiertes Thema, siehe dazu auch Abschnitt 4.4.2.1. (Verständnis, Rolle und Aufgaben der Fachkräfte). Allgemein versteht die Bundesregierung, in der das BMZ den ZFD verantwortet, die Rolle von externen Akteur*innen in Konflikten und damit die Rolle der ZFD-Fachkräfte als Unterstützung und Begleitung für subsidiäre, friedenserhaltende oder friedensschaffende Prozesse. Alleine diese Ausgestaltung der Rolle führt dazu, dass es im Machtdiskurs zu einer „hierachization“ und „depolitization“ (Ziai, 2015, S. 12) kommt. Denn es wird davon ausgegangen, dass das vor Ort vorhandene Wissen nicht ausreicht, um Friedensprozesse zu gestalten und dass das extern hineingetragene Wissen „richtig“ ist, um Wirkung zu erzielen. Diese soll durch Nichtparteinahme und kulturelle Sensibilität erfolgen (Die Bundesregierung, 2004, S. 10). Somit wird davon ausgegangen, dass die Fachkräfte eine produktive Fremdheit mitbringen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 5). Durch diese produktive Fremdheit sollen sie die verschiedensten Seiten in einem konfliktiven Umfeld betrachten und mit allen Parteien in gleichem Maße agieren können (Luithlen, 2014, S. 8). Sie werden so zu einem „objektive[n] Insider“ (Meintjes, 2006, S. 12). Durch diese Rolle werden sie zu handlungsmächtigen Akteur*innen im Friedensprozess. Jedoch hat dieses Innen- und Außenseiter*innentum auch viel mit Selbst- und Fremdwahrnehmung zu tun. Je nach Position einer Person kann eine Fachkraft ein Insider, aber auch Outsider sein (Bernhard, 2013, S. 9). Sie kann auch beide Rollen gleichzeitig einnehmen (Reimann, 2007, S. 104). Wie wichtig diese Rolle als Outsider im ZFD sein kann, zeigt ein Bericht über Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo. Danach hat die Outsider-Rolle der ZFD-Fachkräfte geholfen, die während der Wahlen aufkommenden Konflikte mit Abstand zu betrachten, sodass mit verschiedenen Akteur*innen gesprochen werden konnte (Kumba, 2011). Dabei ist wichtig anzumerken, dass produktive Fremdheit nicht mit Neutralität gleichzusetzen ist. In den Interviews mit den ZFD-Trägerorganisationen in Deutschland ist schnell klar geworden, dass es hier zwei sehr verschiedene Sichtweisen gibt. So gibt es einige Organisationen, die schon in ihrem Grundsatz davon ausgehen, dass die Fachkräfte immer eine produktive Fremdheit oder Allparteilichkeit mitbringen. Und zwar, bedingt durch die Tatsache, dass sie von außen kommen, während andere davon ausgehen, dass diese nie ganz vorhanden sein kann. Diese unterschiedlichen Meinungen ließen sich auch in Kenia, Sierra Leone und Liberia wiederfinden. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die Meinungen nicht immer mit der Perspektive übereinstimmten, welche von den jeweiligen Programmverantwortlichen in Deutschland eingenommen wurde. Vielmehr handelt es sich um persönliche Meinungen und Einstellungen, die sich sowohl bei den Fachkräften als auch bei den lokalen Partner*innen vor Ort durch Erlebnisse und Erfahrungen entwickelt haben. In allen drei Ländern betonten sowohl die Fachkräfte als auch die lokalen Partner*innen, dass die Fachkräfte einen Blick von außen mitbringen und eine Art „externe Brille“ tragen. Eine Brille, die es ermöglicht, Konflikte und Themen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dabei wurde besonders positiv betont, dass die Fachkräfte durch diese externe Position Dinge sagen können, die Personen vor Ort nicht sagen können, da sie außerhalb der Konflikte stehen und neue Ideen einbringen. „Most positive about CPS is to listen to an outsider and get a new perspective and to be able to compare different standards of operation f.e. different work ethic is different and can have a good impact“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Hier wird besonders deutlich, dass die Rolle der Fachkräfte allein durch den Fakt, dass sie eine externe Person aus dem Globalen Norden sind, mit einer mächtigen Position einhergeht. Allein durch ihre Herkunft und Rolle als externe Person erhalten sie Handlungsmöglichkeiten, die lokale Personen nicht nutzen können. So kommt es zu einer Hierarchisierung der Personen (Ziai, 2015, S. 12), die für eine partnerschaftliche Arbeit höchst problematisch ist.

Dennoch wurde immer wieder diskutiert, ob es sich bei diesem Blick von außen tatsächlich um einen neutralen Blick handelt. Hier lässt sich keine klare Tendenz aufzeigen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese vermeintliche Neutralität tatsächlich benötigt wird oder ob nicht allein ein anderer Blickwinkel entscheidend ist. „In der Konfliktbearbeitung ist es trotzdem hilfreich, eine Perspektive von außen zu haben, nicht neutral, aber die andere Ideen, eventuell aus anderen Ländern und andere Dinge anders sieht – als zusätzlicher Blickwinkel“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Auch in der wissenschaftlichen Literatur wird diese Neutralität diskutiert. Die Fachkräfte leben und arbeiten vor Ort, was eine komplette Allparteilichkeit oder Neutralität nicht ermöglicht (Ropers, 2001, S. 524). Es ist „[…] immer schwierig, in diesen Konfliktländern nicht Teil des Konflikts zu werden. Das ist natürlich, gerade wenn man in einer Organisation ist und sich stark damit identifiziert, eine größere Gefahr, dass man sich da auch vereinnahmen lässt“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Wie die Diskussionen nach der oben beschriebenen Fußballsituation gezeigt haben, fällt es Fachkräften sogar sehr schwer, sich aus bestimmten Themen herauszuhalten und Neutralität zu bewahren. Allein dadurch, dass man das Land selbst kennt, integriert arbeitet und Kolleg*innen hat, ist man ein Stück weit vereinnahmt.

„Man vertritt ja immer auch eine Position, also ich glaube persönlich nicht an ein Neutralitätsgebot, an die realistische Umsetzung eines Neutralitätsgebots, weil ich glaube der Mensch ist so nicht. Aber es wird nun immer wieder vor allen Organisationen hergetragen, ich bin da nicht so ein großer Verfechter von“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

So wird der Neutralitätsgedanke in Frage gestellt, wenn man sich das Mandat und die Arbeit der Fachkräfte anschaut. Sie ergreifen mit ihrer Arbeit Partei für Werte wie Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit, beziehen politisch Stellung (Méndes, 2011, S. 7) und sind parteiisch in Bezug auf bestimmte Themen und Prinzipien (Evers, 2007, S. 158). Diesen kritischen Blick auf die Neutralität oder Allparteilichkeit teilen auch Fachkräfte und lokale Partner*innen, jedoch mit unterschiedlichen Argumentationen. Die Fachkräfte berichteten, dass sie zwar als Expats immer eine Sonderrolle haben, die vor Ort mit Macht einhergeht, dass sie diese Rolle in ihrer Arbeit aber nicht verlassen können. Allein deshalb sind sie nie komplett neutral oder allparteilich. Einige Fachkräfte berichteten, dass sie durch ihre Stellung und Sozialisation Themen wie zum Beispiel Menschenrechten nicht neutral gegenüberstehen können.

„Als Fachkraft kann man nicht neutral sein, soll man zum Beispiel zwischen Slum und Regierung vermitteln, ist Neutralität schwer. Auch da man für eine Nichtregierungsorganisation arbeitet, ist man nicht komplett neutral, auch ein persönlicher Bias ist immer gegeben“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Gerade auf diesen Bias haben auch einige der lokalen Fachkräfte hingewiesen: „Everybody is biased but it is about work ethics and have guiding principles and keep conflict sensitive“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Doch gerade diese „Guiding Principles“ sind oft nicht ausreichend vorhanden und es ist schwer, sie für ein so persönliches Thema aufzustellen.

Einen weiteren Blickwinkel auf Neutralität oder produktive Fremdheit brachten einige lokale Partner*innen ein. Es wurde darauf hingewiesen, dass es im ZFD darum geht, dass die Fachkräfte aus Deutschland mit den Partner*innen vor Ort zusammenarbeiten. So käme es zu einer Vermengung der Perspektiven von außen und von innen und zu gegenseitigem Lernen. Es gab lokale Partner*innen, die die generelle Idee von Fachkräften als Personen, die von außen kommen, in Frage gestellt haben. So werde nur versucht, Lösungen von außen zu finden. „We don’t need people to come to save us“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Hier wird deutlich, dass sich auch die Partner*innen vor Ort des Machtungleichgewichts in der Arbeit des ZFD, in der Arbeit zwischen ihnen und den Fachkräften bewusst sind. Denn letztendlich wird immer Wissen von außen hineingetragen. Das impliziert aber, dass das vor Ort vorhandene Wissen nicht ausreicht und externes Wissen benötigt wird. Gerade diese Perspektive wirft die Frage auf, warum ZFD-Fachkräfte erforderlich sind. Denn im ZFD wird davon ausgegangen, dass Frieden von innen wachsen muss.

„Und das hat für uns genau damit zu tun, zu fragen: wo sind denn die Partner vor Ort, was sind deren Themen und was möchten sie und wie kann das weitergehen – und nicht einfach von außen zu kommen mit der Botschaft ‚wir wissen das und sagen euch, worum es geht‘“ (Interview AGIAMONDO in Deutschland).

Im Zuge dieser starken Partner*innenorientierung, wie sie im ZFD gerne genannt wird,

„[…] interessiert uns [im ZFD] die Perspektive von ‚local people’s peace‘. Die Frage ist, ob Menschen, die in Konfliktgebieten leben und von Konflikten betroffen sind, in ihrem Alltag einen Unterschied feststellen. Ist das Leben sicherer geworden als zuvor? Sprechen auf lokaler Ebene lange verfeindete Menschen wieder miteinander? An solchen beobachtbaren Veränderungen zeigen sich Wirkungen, über die wir gerne gemeinsam mit Partnern reflektieren“ (Interview BfdW Deutschland).

Daraus ergibt sich folgender Grundsatz der ZFD-Arbeit: Ziele und Ideen sollen für die Arbeit in den Organisationen entwickelt werden und nicht durch Fachkräfte hereingetragen werden. Diese leisten vielmehr unterstützende Arbeiten. Die Orientierung verläuft nicht entlang des Konflikts, sondern entlang der Kapazitäten, die es vor Ort gibt (Kayser, 2018, S. 9). Wie sich hier deutlich zeigt, können diese Idealvorstellung von der Arbeit und die Art und Weise, wie sie tatsächlich stattfindet, auseinandergehen. Dieser Punkt kam auch in Interviews mit lokalen Partner*innen immer wieder zur Sprache. Es wurde hervorgehoben, dass Frieden im ZFD von innen wächst. Dieser Frieden von innen aber, so wurde angemerkt, ist nicht immer ganz einfach. „People need to learn again that peace needs to come from within them and not form the outside“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Der Grund dafür, so die Aussage von Mitarbeitenden lokaler Organisationen, liegt darin, dass über viele Jahre hinweg Organisationen aus dem Globalen Norden die Themen diktiert haben. Sie waren stärker in die Arbeit involviert und müssen diese Rolle im ZFD nun für sich selber neu definieren. Anhand weiterer Geschichten wird diese Schwierigkeit in der tatsächlichen Zusammenarbeit in diesem Kapitel detaillierter geschildert. Sie rührt auch daher, dass die Arbeit von Fachkräften beratend sein soll. Die Erwartungen in der Praxis aber sehen oft anders aus (Abschnitt 8.2.1.). Es wird davon ausgegangen, dass Fachkräfte in der Arbeit Neutralität verkörpern. Deren Relevanz wurde in der eingangs geschilderten Geschichte beschrieben.

Im Zuge der Betrachtung der Friedensarbeit lohnt ein Blick auf die Entstehung des ZFD, der aus der Friedensbewegung entstanden ist, und darauf, was sich in der praktischen Umsetzung seit seiner Entstehung verändert hat. So wurde mir in einem Interview in Deutschland mitgeteilt, dass „[…] was von der Gründung gleichgeblieben ist, sind: Personalentsendung, mit Working-on-Conflict, also wirklich Konfliktbearbeitung und dass das mit oder in Partnerorganisationen stattfindet und natürlich die Friedensarbeit und Gewaltfreiheit“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Wie betont wurde, gibt es in der ZFD-Arbeit nicht nur eine richtige Methode. Vielmehr gibt es verschiedene Arbeitsfelder, in denen gängige und anerkannte Methoden verwendet werden. Diese Arbeit vollzieht sich vor allem in den Ländern vor Ort und, wie es mir gegenüber lokale Partner*innen immer wieder geäußert haben, durch „[…] mainstreaming peace in every aspect of the normal work“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Daraus resultiert auch das ZFD-Verständnis von Frieden und Friedensarbeit, das in der Zivilen Konfliktbearbeitung (ZKB) verankert ist. Diese befasst sich mit der gewaltfreien Bearbeitung von sozio-politischen Konflikten, mit der Beendigung und Vorbeugung von Gewalt und bearbeitet tiefere Konfliktursachen (Heinemann-Grüder & Bauer, 2013b, S. 19). Somit steht ZKB für eine kontinuierliche, gewaltfreie Austragung eines Konfliktes (Weller & Kirschner, 2005, S. 10). Im Zentrum der Handlungen stehen Krisenprävention, Konfliktlösungen und der Abbau von Gewalt- und Konfliktursachen (Nachtwei, 2008, S. 1). Die Bundesregierung betont in ihren Dokumenten, dass es darum geht, die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Verhältnisse in den betroffenen Ländern zu verbessern. So dass sie zum Abbau struktureller Konfliktursachen beitragen und Mechanismen gewaltfreier Konfliktbearbeitung fördern können (Die Bundesregierung, 2004, S. 8). Dieses Arbeitsverständnis konstruiert ein „gutes Wir“ im Globalen Norden und „hilfsbedürftige Andere“. Dies wird als „Othering“ (Ziai, 2015, S. 9) in Entwicklungsdiskursen bezeichnet und findet sich so auch in der Friedensarbeit wieder. Auf diese Weise manifestiert sich in der Programmsteuerung und -ausgestaltung die mächtigere Stellung der Akteur*innen im Globalen Norden.

Allgemein betrachtet, beruht der ZKB auf dem Verständnis eines positiven beziehungsweise nachhaltigen Friedens (Rieche, 2006a, S. 14). Auf diese Definition griffen in meinen Gesprächen und Beobachtungen in Kenia, Sierra Leone und Liberia viele lokale Partner*innen zurück. „Peace means the absence of war and conflict, unity and freedom. […] Peace is not only when the guns are silent“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Auch meine Umfrage zeigte deutlich, dass einem Großteil der befragten Fachkräfte und lokalen Partner*innen bekannt ist, mit welchen Ansätzen der ZFD arbeitet (32 % stimmen komplett zu, 51 % stimmen zu, 14 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu und 3 % stimmten der Aussage nicht zu). Um diesen Frieden zu erreichen, bekämpft der ZFD strukturelle, kulturelle und personelle Gewalt und hat das Ziel, sie zu überwinden und Verhaltensänderungen herbeizuführen (Senghaas, 1997, 560 ff.). Wie eine Fachkraft formulierte, geht es darum, einen „sozialen Frieden als Grundlage für anderen Frieden“ zu schaffen (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Gleichzeitig belegte meine Umfrage, dass ein Großteil der Befragten sich dafür aussprechen würde, Friedensarbeit breiter zu definieren (25 % stimmen komplett zu, 48 % stimmen zu, 15 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 8 % stimmten der Aussage nicht zu, 3 % stimmen gar nicht zu und 1 % wissen es nicht). Dies deckt sich auch mit Beobachtungen und Gesprächen in Kenia, Sierra Lone und Liberia. Hier ist mir gerade im Vergleich der drei Länder aufgefallen, dass Frieden und Friedensarbeit im ZFD oft Definitions- uns Auslegungssache ist. So gibt es zum Beispiel einige Projekte, in denen Fachkräfte an Schulen oder Berufsschulen arbeiten, dort zum Teil unterrichten oder Weiterbildungen anbieten. Andere Fachkräfte, die in einem anderen Land oder für andere Träger*innen die gleiche Arbeit machen, berichten jedoch, dass ihre Koordinator*in ihre Arbeit nicht als ZFD-Arbeit bezeichnet.

Wie die Ausführungen zeigen, gibt es ein grundsätzliches Verständnis über die Definition von Frieden und Friedensarbeit im ZFD. Die Umsetzung aber ist immer situations- und personenabhängig. Gleichzeitig spielen inhärente und gewachsene Machtdynamiken eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Geschichte und die weiteren Ausführungen haben gezeigt, wie kritisch Trainer*innen, lokale Mitarbeitende und Fachkräfte Neutralität und produktive Fremdheit betrachten. Sie haben gezeigt, wie ambivalent diese Punkte auch hinsichtlich der Machtaspekte in der Zusammenarbeit diskutiert werden. Zwar wird im ZFD oft die Relevanz von Neutralität und produktiver Fremdheit betont, doch zeigen die Diskussionen, dass es fraglich ist, inwieweit sie in der Praxis vorkommen. Es stellt sich die Frage, ob der ZFD diesen Ansatz nicht kritischer reflektieren muss.

8.1.3 Legitimität des ZFD

Die Geschichte

Ich bin mit einer Fachkraft und einigen Mitarbeiter*innen einer lokalen Organisation für einen Tag in einer ländlichen Gemeinde, in der der ZFD schon seit einiger Zeit arbeitet. Die Arbeit behandelt sensible Themen wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt, körperliche Gewalt gegen Kinder und Frauen* oder weibliche Genitalverstümmelung. Der heutige Workshop findet in einer Schule statt und wird von den Mitarbeiter*innen der lokalen Organisation und von einigen ehrenamtlichen, örtlich ansässigen Personen durchgeführt. Die Fachkraft hält sich im Hintergrund und dokumentiert die Arbeit. Nach dem Workshop sind wir alle gemeinsam bei einem*einer der Ehrenamtlichen zum Essen nach Hause eingeladen. Es wird groß gekocht und gemeinsam auf der Veranda gegessen. Während des Essens wird nicht nur über den Workshop, sondern auch über persönliche Themen gesprochen. Dabei geht es auch um die Freundschaft, die zwischen den Ehrenamtlichen und einer Person aus der lokalen Organisation besteht. Diese hat sich dadurch entwickelt, dass die Person aus der lokalen Organisation schon seit acht Jahren in dieser ländlichen Region gearbeitet hat, also schon vor dem Arbeitsbeginn mit dem ZFD, und für verschiedene Projekte immer wieder gekommen ist. Dabei war er*sie immer wieder auch für zwei Wochen am Stück vor Ort und hat in den Gemeinden gelebt, um das Leben und die Menschen kennenzulernen, aber auch um Vertrauen aufzubauen, da dies wichtig ist, um offen über sensible Themen sprechen zu können.

Meine Rolle als Forscherin

Ich bin in der Situation während des Workshops genau wie die Fachkraft im Hintergrund geblieben und habe nicht interagiert. Dennoch hat gerade bei einem so sensiblen Thema meine bloße Anwesenheit sicher einen Einfluss auf die Teilnehmenden gehabt. Zwar haben die Personen vor Ort betont, dass das nicht der Fall sei, da die Teilnehmenden wissen, dass die Fachkraft und ich die lokale Sprache nicht verstehen und sie sich somit nicht in den Aussagen gehemmt fühlen, zudem kannten sie die Fachkraft bereits. Dennoch kannten sie mich nicht und gerade als weiße Person werde ich automatisch mit Geberorganisationen assoziiert. Damit geht eine gewisse Macht von mir aus. Bei dem gemeinsamen Mittagessen sind lockere Gespräche zustande gekommen und es fand ein sehr persönlicher Austausch statt. Hier habe ich mich als Forscherin geöffnet und war ein aktiver Teil des Gespräches.

Reflexion und kritische Diskussion

Die Geschichte hat gezeigt, dass gerade in der ZFD-Arbeit zu sensiblen Themen wie sexualisierte Gewalt, körperliche Gewalt gegen Kinder und Frauen* oder weibliche Genitalverstümmelung, der enge Kontakt und die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung wichtig sind. Durch diesen engen Kontakt wird die Arbeit vor Ort erst ermöglicht. Dies hat auch viel mit Legitimität zu tun. Warum ist der ZFD legitimiert, diese Arbeit durchzuführen? Welche Personen sind legitimiert, Aussagen zu treffen? In diesem Beispiel wurden dazu zwei Wege gefunden. Zum einen hat ein*e lokale*r Mitarbeiter*in viel Zeit in den Gemeinden verbracht, in denen er*sie arbeitet, er*sie hat immer wieder vor Ort gelebt, die Menschen kennengelernt und so Vertrauen aufgebaut. Dies geschah, bevor mit der eigentlichen inhaltlichen Arbeit begonnen wurde. Zusätzlich wurden in den Gemeinden Personen gefunden, welche ehrenamtlich mit der Organisation zusammenarbeiten, die Workshops moderieren und auch zwischen den Anwesenden der Organisation als Ansprechpersonen vor Ort fungieren. Durch diese enge Zusammenarbeit konnte in den Gemeinden Legitimation aufgebaut werden. Die Arbeit richtet sich an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort aus und wird von Menschen vor Ort durchgeführt. So kann lokale Legitimität der ZFD-Projekte wachsen. Fraglich ist jedoch, warum die deutsche Fachkraft bei der Arbeit dabei sein muss. Offiziell ging es um Projektdokumentation. Es stellt sich die Frage, wodurch diese Anwesenheit legitimiert wird. Dadurch, dass die Fachkraft auch ein*e Mitarbeiter*in der lokalen Organisation ist oder dadurch, dass durch ihn*sie die Finanzierung der Workshops und der Arbeit sichergestellt wird? Darauf gibt es keine klare Antwort. Denn dies wird von Personen unterschiedlich empfunden und sicherlich spielen beide Aspekte eine Rolle. Die mächtige Rolle der Fachkraft aber zeigt sich hier dadurch, dass sie ohne echten Legitimationsgrund und ohne eigenen Beitrag vor Ort nur durch ihre Anwesenheit den Prozess beeinflusst. Allein die Tatsache, dass eine Person von außen kommt und an etwas Gutem mitarbeiten möchte, erzeugt nur eine vermeintliche Legitimation und ist aus machtkritischer Sicht problematisch (Ziai, 2015).

Analyse und Interpretation der Geschichte

Fragen der Legitimität werden seit Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Literatur sowohl mit Blick auf CSOs als auch auf externes Eingreifen in Friedensprozessen diskutiert (siehe auch Abschnitt 4.2.). Aber die Debatte verliert nicht an Relevanz. Sie beleuchtet die Legitimität von CSOs auf drei Ebenen: Dies ist erstens die empirische, tatsächlich vorhandene Anerkennung des Handelns durch Menschen vor Ort. Oft wird sie mit dem Vertrauen in ihre Erfahrungen, Expertise und Handlungen im Rahmen bestimmter Normen begründet (Mandt, 1998, S. 383; Schrader, 2007, S. 3). Auf der zweiten Ebene entsteht Legitimität durch Zugänge und Zugehörigkeit zu (zivilgesellschaftlichen) Netzwerken (Bourdieu, 1985, S. 248; Schrader, 2007, S. 3). Dies geschieht in Übereinstimmung mit dem im hybriden Frieden verfolgten Ansatz eines Konsensus, der lokales Wissen und lokale Handlungen nutzt und deswegen die Chance bietet, auf der Grasroot-Ebene erhöhte Legitimität zu erzielen (Mac Ginty, 2008, S. 155). Drittens kann sich Legitimität auf bestimmte Ressourcen wie zum Beispiel Wissen oder Geld gründen (Schrader, 2007, S. 3). Diese Formen von Legitimität existieren zunächst unabhängig davon, ob es sich um Akteur*innen aus dem Globalen Norden oder aus dem Globalen Süden handelt.

Im ZFD sind alle drei Legitimationsebenen zu beobachten. Sie werden unterschiedlich begründet.

„Das Mandat oder die Legitimation für unser Handeln kriegen wir sicherlich von unterschiedlichen Seiten. Sei es von der Bundesregierung hier in Deutschland, die uns Gelder gibt – das legitimiert uns in gewisser Weise, Dinge da zu tun. Dann werden wir ggf. legitimiert dadurch, dass die Arbeit, die wir machen, durch die Aufnahme in Regierungsverhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem jeweiligen Ministerium in einem Land Thema ist und verbal dokumentiert wird“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

In Gesprächen mit lokalen Partner*innen und Fachkräften waren sich alle einig, dass die Legitimation auf Regierungsebene wichtig ist. Denn sowohl in Kenia, Sierra Leone als auch in Liberia ist es problematisch, ohne Legitimation zu arbeiten. Es wird eine gewisse „Koexistenz“ benötigt, um arbeiten zu können. Die jeweiligen Landesregierungen nutzen ihre Macht, um Arbeit, die in ihrem Land und Souveranitätsbereich ausgeführt wird, in Bahnen zu lenken, die zu ihren Strategien und Themen passen. Aus Regierungsperspektive betrachtet, dient diese Vorgehensweise der eigenen Souveränität und soll externe Akteur*innen verständlicherweise davon abhalten, eine Art Freifahrtschein für ihre Arbeit zu haben. Eher sollte es kritisch hinterfragt werden, warum dies in einigen Ländern erst jetzt verstärkt geschieht. Über viele Jahre hinweg konnten internationale CSOs relativ unabhängig und frei agieren und somit ihre mächtige Position vor Ort ausbauen. Dabei wurde dies durchaus kritisch gesehen. Denn auch (gerade in Kenia) werden immer mehr staatliche Institutionen zu lokalen Partner*innen in der ZFD-Arbeit. Dies ist für regierungskritische lokale Organisationen, welche mit dem ZFD zusammenarbeiten, eine Herausforderung.

„CPS cooperates with the government but there was no choice as the government puts a lot of pressure on international organizations. They complement the work of the government and put them on checks and balances. Learning to cooperate with the government but blaming them at the same time“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

In Gesprächen wurde immer wieder eine kritischere und reflektiertere Betrachtungsweise eingefordert. Und zwar, den Gesprächspartner*innen zufolge, nicht nur vonseiten der Menschen in den Ländern vor Ort. Es müsse vielmehr auch bei den Programmverantwortlichen in Deutschland und im BMZ immer wieder hinterfragt werden.

„Eine andere Form von Legitimierung kommt aus dem direkten Handeln mit den Partnerorganisationen, mit denen wir immer wieder sehr genau aushandeln, was wollt ihr, das wir tun, und was wollen wir, das wir tun“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). In dieser Form werden die drei Legitimitätsformen (Anerkennung, Zugehörigkeit und Ressourcen) vermischt. In den Interviews in Deutschland wird besonders diese Zusammenarbeit immer wieder als Legitimationsgrund angeführt. Diese zivilgesellschaftliche Legitimität kann auch durch soziale und politische Interaktion zwischen CSOs und anderen Akteur*innen wachsen (Schrader, 2007, S. 4). Dabei ist es besonders legitimitätsfördernd, wenn lokale zivilgesellschaftliche Akteur*innen (Zanker, 2018, S. 207) in alle Schritte (Vorbereitung, Umsetzung und Evaluation) eingebunden werden (Schrader, 2007, S. 3). Beispielsweise können offene Austauschplattformen mit der lokalen Bevölkerung die Legitimität steigern (Zanker, 2018, 207 f.). In Kenia, Sierra Leone und Liberia wurde besonders betont, dass es wichtig ist, in diese Austauschprozesse verschiedene Stakeholder vor Ort einzubinden und lokale Autoritäten, also Älteste oder Chiefs nicht zu vergessen. Sie spielen vor Ort eine bedeutende und machtvolle Rolle.

In den Interviews in Deutschland mit den ZFD-Programmverantwortlichen wurde noch ein weiterer Legitimationsgrund hervorgehoben. Dass beispielsweise Legitimation auch durch gegenseitige Wertschätzung der Arbeit, durch Nähe in der Arbeit, durch Offenheit und Dialog erwächst. Generell wurde immer wieder von den Interviewpartner*innen in Deutschland, aber auch von den Fachkräften die Partnerschaft als Legitimationsgrund genannt. Auch der Fakt, dass der ZFD sich nicht als Donor/Geber*in sieht, sondern als Partner*in, spielt bei der Legitimation eine wichtige Rolle. Dieser Aussage – der ZFD ist mehr ein*e Partner*in als ein*e Geber*in – stimmen in meiner Umfrage 30 % komplett zu, 46 % stimmen zu, 17 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 6 % stimmten der Aussage nicht zu und 1 % weiß es nicht. Daraus wird zwar nicht deutlich, inwieweit dies zu Legitimität führt, doch es zeigt, dass die Aussage generell akzeptiert wird (die kritischen Stimmen werden im weiteren Verlauf beleuchtet). Gerade kirchliche ZFD-Träger*innen sehen zudem ihre Legitimität in kirchlichen Strukturen verankert, die ohnehin schon bestehen und in denen der ZFD vor Ort arbeitet. Insofern werden Strukturen nicht erst geschaffen, für die eine Legitimation noch gefunden werden muss. Gleiches gilt laut Aussage eines*einer Interviewpartner*in für die Arbeitsinhalte:

„Unser Mandat kommt daher, dass die Kirche vor Ort sagt, in diesem Bereich, wollen wir uns als Kirche engagieren und da wollen wir Gesellschaft mitgestalten und Verantwortung übernehmen. Deshalb ist unser Zugang zur Friedensarbeit über die lokalen katholischen Strukturen“ (Interview AGIAMNDO in Deutschland).

Geld als Legitimationsgrund wurde in den Interviews weder klar bestätigt noch verneint. Oftmals wurde jedoch auf die Arbeit der Fachkräfte verwiesen. Sie werden für die lokalen Organisationen vielfach gewinnbringender als das Geld bewertet, das der ZFD zur Verfügung stellt. Gerade die Fachkräfte wurden in den Interviews in Deutschland als legitimierender Faktor kritisch diskutiert. Es wurde vor allem betont, dass die Legitimation der Fachkräfte und ihrer Arbeit durch ihre Neutralität entsteht. Wie im vorherigen Kapitel erwähnt, ist dies aus machtkritischer Perspektive problematisch.

„Legitimation der Arbeit im ZFD entsteht durch Gespräche mit allen Parteien vor Ort und zu allen Seiten. Man ist selber ein Akteur, aber einer bei dem deutlich ist, dass er von außen kommt und in den Netzwerken deswegen erstmal eine andere Rolle hat und erstmal einfacher oder anders zu den verschiedenen Gruppen gehen kann. Es gibt eine eigene, andere Chance auf Akzeptanz, da man deutlich von außen kommt“ (Interview AGDF in Deutschland).

Die Fachkräfte in Sierra Leone, Liberia und Kenia haben sich in der Regel nicht als Legitimationsquelle verstanden. Vielmehr wurde von ihnen mehrfach betont, dass sie in ihrer Arbeit immer wieder selbst nach Legitimationsquellen suchen. Einigen half dabei ihr Wissen, das sie in Organisationen einbringen. Auch dies ist problematisch, weil davon ausgegangen wird, dass Wissen vor Ort fehlt. In der Friedenspraxis aber ist dies ein häufiger Legitimationsgrund. „The genesis of high-end knowledge which lends authority to the external experts vis-à-vis the knowledge of the ‘local’ person“ (Swaine, 2017, S. 221). Eine andere Fachkraft betonte, dass sein*ihr Alter und Berufserfahrung eine große Rolle bei der Legitimation spielten. Wieder andere betonten die Bedeutung von Partizipationsprozessen für die Legitimation der Arbeit. Gerade Partizipation hebt den ZFD, einer Fachkraft zufolge, von anderen örtlichen Organisationen ab.

Legitimität hat, wie beschrieben, viele Facetten und wird auf unterschiedliche Art und Weise angegangen. Sie birgt in unterschiedlichen Settings unterschiedliche Herausforderungen oder wird nicht in demselben Maße gefordert oder benötigt. Es darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, warum Legitimität überhaupt notwendig ist: Ein*e externe*r Akteur*in greift in den Aufgabenbereich oder die Zuständigkeiten eines*r anderen lokalen Akteur*in ein. Dadurch zeigt sich, dass die*der externe Akteur*in in einer mächtigen Position ist, die ihn*sie zu diesem Eingreifen führt und befähigt. Der Machtaspekt wird in der Legitimationsfrage oftmals vernachlässigt. Denn es wird dieses Eingreifen als quasi natürlich angesehen, da es schon so lange gelebt und gehandhabt wird (Ziai, 2015). Wie die folgenden Geschichten zeigen, spielt Legitimität immer wieder unterschwellig eine Rolle.

8.1.4 Netzwerkarbeit

Die Geschichte

In einem begrünten Hinterhof sind Stände aufgebaut, an denen sich alle ZFD-Partnerorganisationen eines Landes präsentieren können. Heute steht eine große Feierlichkeit an und bevor die offiziellen Reden beginnen, haben alle Organisationen die Möglichkeit, sich und ihre Arbeit darzustellen. Eingeladen zum Besuch dieses „Marktes“ (wie die Veranstaltung im Programm betitelt wird) sind nicht nur alle Mitarbeitenden des ZFD, sondern auch andere Personen von Organisationen, welche in dem Land in der Friedensarbeit aktiv sind. Dabei sind die Stände der Organisationen sehr unterschiedlich gestaltet. Die meisten haben Flyer, Broschüren und Bilder ihrer Arbeit mitgebracht, einige stellen Dinge aus ihrer Region oder aus ihrer Arbeit aus, andere haben auf Flipcharts und Poster gemalt und bei wieder anderen gibt es Mitmachaktionen. Es sind viele Personen anwesend und auch ich gehe von Stand zu Stand und lerne die Organisationen kennen, was für mich sehr praktisch ist, da die Feierlichkeit zu Beginn meiner Forschung stattfindet. Auch die Mitarbeitenden der lokalen Organisation gehen von Stand zu Stand und tauschen sich über ihre Arbeit aus. Einige Personen und Organisationen kennen sich bereits seit einer längeren Zeit, wohingegen sich andere erst heute kennenlernen. Auch wenn nicht alle Partnerorganisationen anwesend sind, so sind es doch alle Fachkräfte. Auch diese gehen umher und tauschen sich mit verschiedenen Personen aus. Einige beteuern jedoch, dass sie es sehr schade finden, dass „ihre“ Partnerorganisation nicht anwesend ist und dass somit eine wirklich gute Chance zum Netzwerken verloren geht, da dies für die gemeinsame Arbeit im Land so wichtig sei. Sie begründen dies unter anderem damit, dass die Organisationen die Wichtigkeit von Netzwerken nicht verstanden haben oder ernst nehmen.

Meine Rolle als Forscherin

Das Ziel dieses „Marktes“ war es, dass Personen die Organisationen und die Arbeit des ZFD kennenlernen können. Ich bin wie viele andere Personen, die noch nicht mit dem ZFD vertraut sind, zu den einzelnen Organisationen gegangen, habe mich vorgestellt und über die Organisationen und die Arbeit informiert und Kontakte ausgetauscht. Damit habe ich kein Verhalten gezeigt, dass von dem anderer Besucher*innen abwich. Ich persönlich war vor diesem Tag jedoch etwas aufgeregt. Denn ich wusste, dass Netzwerken hier für mich besonders wichtig ist, um Kontakte zu verschiedenen Personen und Organisationen aufzubauen.

Reflexion und kritische Diskussion

Die Geschichte zeigt, wie ein klassisches Netzwerkevent aussieht, wie Organisationen sich präsentieren, aufeinander zugehen und über ihre Arbeit informieren. Dabei ist die Art, wie Netzwerken stattfindet, in höchstem Maße politisch und persönlich zugleich. Politisch in dem Sinne, dass in Netzwerken immer wieder wichtig ist, mit wem man in Kontakt tritt, sei es, dass man als Organisation selbst auf Personen oder Organisationen zugeht oder dass Personen und Organisationen auf einen zukommen. Persönlich in dem Sinne, dass jede Person anders netzwerkt, es einigen Personen leichter fällt, auf Fremde zuzugehen, etwas zu präsentieren und Small Talk zu halten als anderen. Da es sich jedoch bei dem Event um einen relativ geschlossenen und bereits untereinander vernetzten Kreis handelt, zu dem jedoch einige Personen von außen eingeladen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass sich die meisten über die Relevanz des Netzwerks für den ZFD bewusst sind. Umso erstaunlicher fanden es einige Fachkräfte, dass „ihre“ Partnerorganisationen nicht an dem Event teilgenommen haben. Dies wurde von den entsprechenden Fachkräften direkt als verlorene Chance zum Netzwerken betitelt und davon ausgegangen, dass die Relevanz des ZFD-Netzwerks nicht erkannt wird. Hier gilt es jedoch zu fragen, ob dem wirklich so ist. Oder ob dies nicht nur eine Annahme aus Sicht einer Person aus dem Globalen Norden ist, die so nicht bestätigt werden kann, sondern sich vielmehr auf Interpretationen stützt. Es kann durchaus andere Gründe dafür geben, dass die lokalen Organisationen sich dagegen entschieden haben, an dem Treffen teilzunehmen. Zum Beispiel kann dies etwas mit der Prioritätensetzung zu tun haben. Falls gleichzeitig andere Aktivitäten stattfinden oder damit, dass es zum Beispiel negative Vorerfahrungen in diesem oder einem anderen Netzwerk oder mit einer Organisation gibt. Auch denkbar ist, dass eine Organisation sich nicht wohl damit fühlt, die Arbeit zu präsentieren, da sie sich als zu klein im Vergleich zu anderen Organisationen empfindet. Ein weiterer Faktor könnte sein, dass die meisten Organisationen aus dem Großraum Mombasa und Nairobi kommen und dieses Netzwerk für Organisationen aus einer anderen Region tatsächlich weniger Relevanz hat.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Der Netzwerkgedanke spielt im ZFD eine besondere Rolle. So versteht sich der ZFD nicht nur in Deutschland über das Konsortium ZFD als Netzwerk, sondern auch in den einzelnen Ländern vor Ort und geht dabei über die Vernetzung einer Trägerorganisation hinaus (Djateng et al., 2009b, S. 75) (siehe auch Abschnitt 4.4.3.). Besonders positiv wurde in den Interviews in Deutschland mit den ZFD-Programmverantwortlichen hervorgehoben, dass es Länder und Programme gibt, in denen der ZFD ganz aktiv als vernetzt wahrgenommen wird, wobei verschiedene Organisationen zusammengeführt werden und eine Austauschplattform geschaffen wird. Es wurde auch betont, dass diese Vernetzung besonders gut auf Arbeitsebene gelingt und dadurch Abstimmungsprozesse und Synergien erzeugt werden können. In der Forschung zu nachhaltiger Friedensarbeit wird dieser Netzwerkcharakter sehr positiv und als friedensfördernd bewertet. Denn durch das Teilen von Ressourcen und Wissen kann ein größerer Mehrwert entstehen (Simon Fisher & Zimina, 2009). Auch in meiner Umfrage unter Fachkräften und lokalen Partner*innen in verschiedenen Ländern wurde der Netzwerkcharakter des ZFD als sehr hilfreich beschrieben (21 % stimmen dem komplett zu, 43 % stimmen zu, 30 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 3 % stimmten der Aussage nicht oder gar nicht zu und 3 % wissen es nicht). Dabei wird das Netzwerk nicht als starres Konstrukt verstanden, sondern vielmehr als Plattform für die unterschiedlichen ZFD-Akteur*innen, die gegenseitigen Austausch fördert, um die Arbeit sichtbarer zu machen (Djateng et al., 2009b, S. 75). Die positiven Effekte des ZFD-Netzwerks wurden dabei auch immer wieder in Kenia, Sierra Leone und Liberia hervorgehoben. Dabei wurde besonders darauf eingegangen, dass durch das Netzwerk Synergieeffekte entstehen, die die Arbeit an bestimmen Themen stärken können. „It is easier to mobilize people when speaking with this united voice“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Demnach brachte das Netzwerk auch Vorteile im Wissensmanagement, im Ressourcenaustausch und in der Advocacy-Arbeit. Der ZFD definiert Vernetzung als das ständige Bemühen darum, sowohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Ebene wertschätzende und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 9). „We benefit a lot from the meetings that are happening. The exchange with the organizations is very helpful – you see your work form a different perspective“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Davon profitieren nicht nur die lokalen Organisationen, in denen eine Fachkraft tätig ist. Auch Organisationen ohne Fachkraft können Teil des ZFD-Netzwerkes sein. „The network is about exchanging knowledge and ideas so even partners can benefit“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Die Personen im ZFD-Netzwerk profitieren nicht nur auf professioneller, sondern auch auf persönlicher Ebene davon. So berichteten zum Beispiel mehrere Fachkräfte, dass durch das Netzwerk der Austausch zwischen den Fachkräften gestärkt wird. Dies könne zu mehr persönlicher Reflexion führen. Aber auch die lokalen Partner*innen betonten, dass der persönliche Austausch sehr wichtig ist, Freundschaften geschlossen werden und dadurch die Zusammenarbeit erleichtert wird. Der ZFD arbeitet mit seinem Netzwerkcharakter sowohl vertikal (Bindeglied zwischen Akteur*innen über hierarchische Ebenen hinweg) als auch horizontal (über wahrgenommene Konfliktlinien hinweg) (Reich, 2005, S. 477). Besonders die vertikale Vernetzung spielt im ZFD eine große Rolle. Denn es sind die unterschiedlichsten lokalen Organisationen ein Teil des ZFD und arbeiten so zumindest von der Idee her gleichberechtigt im ZFD. Beispielsweise betonte ein*e Mitarbeiter*in einer Regierungsorganisation, die Teil des ZFD ist: „We do not close the door for civil society, we must work together. Get to know what is happening day-to-day“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). In Kenia, Sierra Leone und Liberia funktionieren diese Netzwerke mit Bezug auf den ZFD sehr unterschiedlich. So wurde beispielsweise in Kenia besonders oft betont, dass gerade eine Vernetzung mit anderen internationalen Akteur*innen oder Netzwerken im Land sehr wünschenswert wäre und das ZDF-Netzwerk auf das ganze Land ausgeweitet werden sollte. In Sierra Leone und Liberia wurde hingegen stärker der Aspekt betont, dass der ZFD hilfreich darin ist, Kontakte zu den Netzwerken der Deutschen Botschaft oder zu internationalen Delegationen zu knüpfen. Zwar bieten Netzwerke viel Positives, von dem wiederum viele profitieren können, doch muss die Art der Netzwerke mehr an die lokalen Kontexte angepasst werden, um tatsächlich für die lokalen Partner*innen funktionieren zu können.

Generell werden zur besseren Vernetzung von einzelnen Organisationen Partner*innentreffen, Vernetzungstreffen oder Tagungen organisiert. Diese finden jedoch in teilweise unregelmäßigen Abständen statt. Oft hängen sie auch vom jeweiligen Landesprogramm ab. Zum Teil finden diese Vernetzungstreffen nicht nur in einem Land oder mit Nachbarländern statt. Immer wieder gibt es auch überregionale (Vernetzungs-)Treffen, die in der Regel ein bestimmtes Thema behandeln.

„Also es gibt eine gewisse Öffnung, über Landesgrenzen hinweg, uns und unsere Arbeit zu reflektieren, auszutauschen und Lernfelder zu haben untereinander, und daraus entstehen dann häufig auch viele Freundschaften oder zumindest kollegiale Beziehungen – ach, du machst doch dasselbe wie ich, lass uns mal im E-Mail-Kontakt bleiben“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Im Zuge dieses Austausches und in Bezug auf das Netzwerken über Grenzen hinweg, wurde in den Interviews auch immer wieder die Süd-Süd-Vernetzung und die Süd-Nord-Personalentsendung angesprochen.

„Es kann sich echte Partnerschaft und Freundschaft entwickeln, gerade bei Partnerarbeit über einen langen Zeitraum. Dies ist ein Punkt, der im ZFD noch viel zu wenig genutzt wird. Die Partnerschaftsbeziehungen könnten nochmal ganz anders im Sinne von globalen Nutzen und Süd-Partnerschaften genutzt werden. Man könnte von den Partnern noch viel mehr lernen. Das Wissen um Friedensprozesse liegt ja nicht nur hier und die einzige Chance ist zu schauen, wie kommt man gemeinsam weiter.“ (Interview AGDF)

Hier wurde von den ZFD-Programmverantwortlichen in Deutschland, aber auch von lokalen Partner*innen in Kenia, Sierra Leone und Liberia immer wieder betont, wie wichtig diese Aspekte sind und wie viel Expertise damit gewonnen werden könnte. „South-south exchange is interesting and attractive but is different from what westerns can bring in, namely international-networks and connections to Germany and access to trainings“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Deutlich wurde auch in meiner globalen Umfrage der Bedarf nach mehr (internationalen) Austauschtreffen (46 % stimmen komplett zu, 25 % stimmen zu, 17 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu und 12 % stimmten der Aussage nicht zu) und mehr Süd-Süd-Austausch (38 % stimmen komplett zu, 44 % stimmen zu, 11 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu und 7 % wissen es nicht). Diese Austauschformate können dazu beitragen, die Dichotomie zwischen Globalem Norden und Globalem Süden aufzuheben, indem Wissen und Ressourcen zwischen Akteur*innen im Globalen Süden geteilt werden. Jedoch liegt es vielfach an fehlendem Geld und an nicht vorhandenen Strukturen, dass ein solcher Austausch nicht institutionalisiert existiert. Hier zeigt sich ein in der Friedensarbeit und Vernetzung inhärentes Problem: Um einen Süd-Süd-Austausch zu ermöglichen, sind die Akteur*innen aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten in den jeweiligen Ländern häufig auf Unterstützung aus dem Globalen Norden angewiesen. Doch stellen die Akteur*innen oftmals nicht die dafür benötigten Mittel zur Verfügung, da andere, nicht selten konträr laufende Prioritäten gesetzt werden.

Generell spielt auch die Vernetzung zwischen den ZFD-Trägerorganisationen eine wichtige Rolle.

„Also ich glaube, vor Ort ist das oft sehr pragmatisch und praktisch, also wenn mehrere Träger in einem Land sind, da ist das auch sehr hilfreich so ein Gegenüber zu haben, wie macht ihr das, wie machen wir das oder sich auch zu ergänzen und zu sagen ‚Wir sind da unterwegs, da gibt es noch ein paar NGOs, die passen nicht so recht zu uns, könnt ihr mal gucken, ob das bei euch passt‘“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Jedoch wird diese Vernetzung von den Programmverantwortlichen in Deutschland zum Teil auch kritisch gesehen. Denn alle Organisationen arbeiten mit leicht anderen Herangehensweisen, zum Teil integriert und zum Teil nicht. Einige Interviewpartner*innen betonten, dass zu viel Vernetzung auch die Gefahr birgt, Profile zu verwässern.. Gerade hierzu wurden in den Interviews in Deutschland Herausforderungen in der Netzwerkarbeit beschrieben. Es wurde etwa betont, dass sich die Organisationen mehr in der „Vereinzelung befinden“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Dieses Bild hat sich besonders in Liberia gezeigt. Hier sind zwei deutsche ZFD-Trägerorganisationen tätig, doch kommt es nur zu verhältnismäßig wenig Kooperation und gemeinsamen Aktivitäten. Eine ZFD-Fachkraft berichtete: „Die Kooperation mit der anderen deutschen ZFD-Organisation wurde beendet“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Dies ist laut Aussagen von verschiedenen Fachkräften, aber auch von Koordinator*innen darauf zurückzuführen, dass es in der Vergangenheit Unstimmigkeiten über gemeinsame Veranstaltungen gab und es zu unterschiedliche Arbeitsansätze gab. Jedoch wurde auch betont, dass der Grundsatz gilt,

„[…] die Gemeinsamkeit und das Netzwerk so lange stattfinden zu lassen, wie es für die Partner*innen nützlich ist, und zwar aus deren Perspektive. Wir wollen und können ja niemanden zwingen, an allen möglichen Zusatztreffen teilzunehmen und seine Zeit da zu verschwenden, wenn Partner nicht selber sagen, wir haben da was von, nämlich einen Mehrwert“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Doch auch in den anderen Ländern wurde immer wieder berichtet, dass das Netzwerk zwar einen wichtigen ZFD-Bestandteil darstellt, es aber eigentlich nur zwischen den lokalen Organisationen eines ZFD-Trägers gut funktioniert, nicht aber zwischen den lokalen Organisationen verschiedener Träger*innen. Dies ist einigen lokalen Partner*innen zufolge darauf zurückzuführen, dass die verschiedenen Trägerorganisationen dem Netzwerk eine jeweils andere Bedeutung zumessen. Der Aussage eines*einer Interviewpartner*in aus Deutschland nach, liegt dies nicht zuletzt daran, dass es eigentlich immer auch um Ressourcen geht. Dass sich nicht alle Organisationen in gleichem Maße an dem Netzwerk beteiligen, empfinden einige Interviewpartner*innen als sehr bedauernswert, da es ein wichtiger Teil des ZFD ist.

„Ich finde, das müsste ein Anspruch auch aus dem Charakter des Gemeinschaftswerks und des Konsortiums sein, dass man nicht nur versucht, als Koordinatoren da zu sitzen, sondern natürlich auch die Partner zusammenbringt. Das wäre hervorragend. Vor Ort eine Netzwerkbildung der friedensfördernden lokalen Organisationen hinzukriegen, finde ich eigentlich selbstverständlich, aber scheint leider nicht so zu sein“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Gerade diesen Wunsch nach einer erweiterten Netzwerkbildung haben auch Fachkräfte und lokale Partner*innen in Kenia, Sierra Leone und Liberia immer wieder geäußert. Als erstrebenswert genannt wurden zum Beispiel eine Harmonisierung von bestimmten Themen (zwischen Organisationen, aber auch über Landesgrenzen hinweg), der Austausch von Ressourcen, mehr gemeinsame Treffen, gemeinsame Implementierungen und noch größere Synergieeffekte.

Es zeigt sich, dass es zum Teil sehr gut funktionierende Netzwerke in den einzelnen Ländern, besonders innerhalb der einzelnen Trägerorganisationen gibt, die für einige Personen ausreichend sind, für andere jedoch noch ausbaufähig. Generell besteht jedoch der Wunsch, die Netzwerke trägerübergreifend weiter auszubauen. Dies zählt eigentlich zum Grundverständnis des ZFD, funktioniert aber in der Umsetzung noch nicht richtig. In einigen Gesprächen wurde diese Netzwerkarbeit zwar als sehr gut beschrieben, jedoch galt es als fraglich, warum dafür der ZFD benötigt wird:

„Ich fand das [den Austausch] vor Ort extrem positiv, wobei man sich auch fragen kann, warum könnten das nicht auch private Träger unabhängig von einem ZFD. Also braucht es den ZFD, um sich vor Ort abzustimmen? Das würde ich in Zweifel ziehen, ich glaube das bräuchte es nicht“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Wie diese Ausführungen zeigen, ist die Netzwerkarbeit ein elementarer Grundgedanke des ZFD, der von verschiedenen Akteur*innen verschieden bewertet und gehandhabt wird. Hier wird deutlich, wie unterschiedlich mit der Thematik umgegangen wird. So lassen einige Organisationen den lokalen Organisationen mehr Freiraum, während andere eine klare Erwartungshaltung haben.

8.1.5 Administrative Komponenten der Zusammenarbeit

Die Geschichte

Alle Mitarbeitenden einer lokalen Organisation und die dort integriert arbeitende Fachkraft sitzen zusammen und halten das regelmäßig stattfindende Teammeeting ab. Dieses Meeting wurde vor einigen Monaten als regelmäßige Instanz eingeführt. Es wird durch eine Anwesenheitsliste überprüft, da viele Absprachen zwischen Tür und Angel stattgefunden haben, nicht immer alle Personen Bescheid wussten und Informationen verloren gegangen sind. Um dem vorzubeugen, finden nun alle zwei Monate diese Meetings statt. Sie haben eine Agenda, die vorher vom Team zusammengetragen wird. Neben wechselnden Punkten auf der Agenda informieren die verschiedenen Arbeitsbereiche jeweils über Neuigkeiten. Dabei berichten sie auch von der Arbeit, die in den eher administrativen ZFD-Arbeitsbereich fällt. Aus dem Bereich „Programme“ wird zum Beispiel erklärt, dass derzeit mit verschiedenen Schulen zusammengearbeitet wird. Es sollen eine bestimmte Anzahl an Schulen und Personen erreicht werden, um die Vereinbarungen im PM&E-Dokument zu erfüllen (in dem Dokument zur Programmplanung werden zur Erreichung bestimmter Ziele Indikatoren und zum Teil auch Planzahlen festgelegt). Der Bereich „Finanzen“ berichtet, dass es Probleme mit den Abrechnungen der ZFD-Gelder gab, was wohl zum wiederholten Male vorgekommen ist. Deswegen wird nun nochmals gemeinsam mit der Koordination und den zuständigen Personen in Deutschland das Budget überprüft und schon ein neuer, angepasster Finanzplan für das kommende Jahr geschrieben. Der Bereich „Medien“ kündigt an, dass Ausweise für Mitarbeitende erstellt werden sollen, um ihre Identifikation bei Besuchen in Gemeinden vor Ort besser zu regeln. Derzeit erfolgt die Umsetzung, und es wird ein Foto von jeder Person benötigt. Der Bereich „Administration“ berichtet, dass die Registrierung als CSO oder NGO nun für drei weitere Jahre erfolgreich abgeschlossen wurde. Außerdem wird derzeit mit finanzieller Hilfe des ZFD in einer anderen Stadt ein weiteres Büro eröffnet, wozu noch einige Registrierungen und Verifizierungen notwendig sind. Dabei werden die einzelnen Punkte kritisch hinterfragt, es findet eine Diskussion statt und nächste Schritte und Deadlines werden besprochen.

Meine Rolle als Forscherin

Im Zuge einer anderen Veranstaltung wurde ich eingeladen, einen Tag im Büro zu verbringen und auch an dem Teammeeting teilzunehmen. Ich kannte bereits alle Mitarbeitenden, und es wurde meiner Teilnahme zugestimmt. Während des Meetings habe ich nur zugehört und keine Redebeiträge gebracht. Es wurde in dem Meeting sowohl positiv als auch kritisch über den ZFD gesprochen. Von daher gehe ich davon aus, dass mir gegenüber Vertrauen bestanden hat, was deutlich meine privilegierte Rolle als Forscherin zeigt.

Reflexion und kritische Diskussion

Wie die Situation deutlich zeigt, wurde die Arbeit der Organisation in administrativer Weise durch den ZFD verändert. Und zwar derart, dass die lokalen Gegebenheiten zu den Vorgaben des ZFD aus dem Globalen Norden passen. Dadurch, dass mehr Absprachen zu verschiedenen Themen getroffen werden müssen und sie nicht mehr auf dem kurzen Dienstweg möglich sind, wurden regelmäßige Meetings für das gesamte Team eingeplant. Dass die Mitarbeitenden mit einer Anwesenheitsliste überprüft werden, hat verschiedene Implikationen. Dies kann zum einen sein, um eine faire Arbeitsverteilung sicherzustellen und also alle Mitarbeitenden über das Jahr verteilt an gleich vielen Meetings teilnehmen. Oder es kann dazu dienen, den Druck für die Teilnahme zu erhöhen und Verbindlichkeit zu erzeugen, die nicht ohne Kontrolle auskommt. Hier zeigen sich in der Organisation interne Hierarchien. Denn bei einer solchen Art der Kontrolle ist immer die Frage, wer wen überprüft. In einem Gespräch mit der Fachkraft nach dem Meeting wurde von ihm*ihr betont, dass diese Überprüfung nötig ist. Viele Menschen in dem Land seien sehr traumatisiert und könnten die Bedeutung solcher Arbeitsabläufe und Meetings deswegen gar nicht richtig verstehen oder priorisieren. Die Entscheidung für die Teilnahmelisten wurde von der Fachkraft zusammen mit dem*der Leiter*in der Organisation getroffen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob ein solches festes Treffen der richtige Arbeitsrahmen ist, wenn die Traumatisierung so hoch ist. Oder ob nicht eigentlich andere Maßnahmen nötig wären, um gut zusammenarbeiten zu können.

Während des Meetings erhalten alle Bereiche der Organisation in gleichem Maße die Möglichkeit, über relevante Themen zu sprechen. Die Diskussionen finden sehr offen und unter Beteiligung aller statt. Jedoch ist auffällig, dass in allen Bereichen administrative Veränderungen oder Herausforderungen angesprochen werden. Etwa die Herausforderung aus dem Bereich „Programme“, eine bestimmte Anzahl an Schulen und Personen zu erreichen und die Vereinbarungen im PM&E-Dokument zu erfüllen. Aber auch die Probleme mit den Abrechnungen der ZFD-Gelder, die aus dem Bereich „Finanzen“ berichtet werden, die Ausweise von Mitarbeitenden oder die Eröffnung eines weiteren Büros in einer anderen Stadt; all dies sind administrative Faktoren, die direkt mit dem ZFD zusammenhängen. Diese administrative Arbeit wäre ohne den ZFD nicht auf die Organisation zugekommen. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss des ZFD und welche Veränderungen er für Organisationen mit sich bringen kann. Und zwar, ohne dass inhaltlich gearbeitet wird, sondern rein auf administrativer Ebene. Gleichzeitig hätte die Organisation ohne den ZFD weniger Möglichkeiten, operativ zu arbeiten. Ähnliche oder andere administrative Herausforderungen wären auf die Organisation auch mit anderen Geberorganisationen als dem ZFD zugekommen. Die Frage ist jedoch, inwieweit diese oder auch andere Organisationen den administrativen Anforderungen des ZFD gewachsen sind oder inwieweit der ZFD einzelne Organisationen in ihrer Struktur verändert. Ebenfalls stellt sich die Frage, warum diese Veränderungen nötig sind. Oder ob sich der ZFD nicht an die Strukturen und Gegebenheiten vor Ort anpassen kann, anstatt dass er seine mächtigere Position nutzt, damit die anderen sich anpassen. Diesen Punkt hat auch die integrierte Fachkraft der Organisation kritisch hervorgehoben. Er/sie stellte in einem Gespräch fest, dass die Veränderungen, die durch die ZFD-Arbeit in Organisationen bewirkt werden, eine Bevormundung der Menschen bedeuten. Weil es der ZFD ist, der die Vorgaben liefert und vermeintlich besser weiß, wie etwas funktioniert.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Nicht nur in dieser Geschichte, sondern auch in den Interviews in Deutschland war die administrative Arbeit beziehungsweise die Bürokratie, die der ZFD mit sich bringt, immer wieder ein Thema. Dieses genauer zu betrachten, ist in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit besonders wichtig. Denn so werden die Voraussetzungen der Zusammenarbeit definiert und ausbuchstabiert. Die administrative Arbeit und die Bürokratie tragen spezifische Werte, Definitionen und Auffassungen über Prozesse in sich und bilden den relativen Wert von Fähigkeiten und Fertigkeiten ab (Wallace, 2003, S. 211). In vielen Gesprächen wurde betont, dass die administrative Arbeit relativ viel Zeit in Anspruch nimmt, sowohl in den Organisationen in Deutschland als auch in den jeweiligen Ländern vor Ort. Es hieß, dass dieser Verwaltungsaufwand in den vergangenen Jahren gestiegen ist, denn „mit jeder Umdrehung zieht irgendeiner die Schraube an, die uns wirklich einfach Zeit kostet“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Dies ist durchaus kein neues Phänomen, sondern wurde schon in früheren ZFD-Publikationen formuliert: „As many projects have to deal with limited resources they are suffering from a heavy workload. Often there are too many things to work on in combination with a limited number of staff“ (Willmutz, 2013, S. 23). Jedoch scheint sich in dem Bereich wenig zu verändern. Es wurde sogar betont, dass sich von der ZFD-Reform und dem Reformdokument mehr Verwaltungsvereinfachung erhofft wurde, die jedoch nicht in erwünschtem Maße stattgefunden hat. Einige Interviewpartner*innen betonten, dass sie den Aufwand sehr hoch finden, gerade im Verhältnis zu dem vergleichsweise geringen Finanzvolumen, das im ZFD fließt. Es berichten zum Beispiel mehrere Fachkräfte, dass sie in ihrer Arbeit bis zu 20 % Verwaltungsaufgaben übernehmen müssen. Sie sehen das eigentlich nicht als ihre Aufgabe vor Ort an und sagen, dass dadurch ihre eigentliche Arbeit zu kurz kommt. Dieser hohe Aufwand kommt nach Berichten der Fachkräfte und der lokalen Partner*innen zum einen daher, dass administrative Aufgaben nicht immer klar und einheitlich sind, sie sich immer wieder verändern und jeder kleine Schritt mit den Koordinator*innen abgesprochen werden muss. Zum anderen rührt dieser Aufwand auch daher, dass sehr wenig digital stattfindet. Andere Fachkräfte und lokale Partner*innen betonen, dass gerade im ZFD alles Administrative reibungslos und in angemessener Art und Weise funktioniert und es eine größere Flexibilität als bei anderen Geberorganisationen gibt. Hier sind die Empfindungen sehr individuell. Sie hängen sicherlich auch mit bisherigen Arbeitserfahrungen und der allgemeinen Arbeitsbelastung zusammen. Allgemein wird jedoch Verständnis für den Verwaltungsaufwand geäußert. Denn gerade viele lokale Organisationen nehmen es laut eigener Aussage eben hin und können es nicht ändern. Da auch die Bundeshaushaltsordnung gilt und die Umsetzung zu den Vorgaben des Bundesrechnungshofes passen muss. Jedoch wurde auch immer wieder geäußert, dass Prozesse vereinfacht werden könnten: „[Der] Verwaltungsaufwand könnte um einiges effizienter gestaltet werden, zum Beispiel füllen sich die Formulare nicht nach Vorgaben selber aus. Es ist viel Aufwand, die Abrechnungen zu machen, und nicht für meine Motivation förderlich, aber notwendig“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia).

Die Finanzen sind in der Administration ein großes Thema. Sie werden laut Aussagen einiger lokaler Partner*innen beim ZFD strenger gehandhabt als bei anderen großen Geldgeber*innen. Diesbezüglich wurde in Gesprächen mit lokalen Partner*innen immer wieder deutlich, dass nicht immer klar ist, für welche Art von Aktivitäten oder Anschaffungen Gelder des ZFD verwendet werden können und für welche nicht. „The administration is not so clear. How do they support CPS activities as they don’t pay them?“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Als Beispiel wurde angeführt, dass der ZFD mit einer Organisation zusammenarbeitet, die sich in der Friedensbildung engagiert, über Demonstrationen und Banner an verschiedenen Orten auf ihre Arbeit aufmerksam macht, sich regierungskritisch äußert oder politischen Einfluss nehmen möchte. Diese Arbeit wird vom ZFD generell unterstützt. Allerdings nicht mehr bei allzu kritischen Äußerungen – dann müssen zum Beispiel ZFD-Logos von den Bannern entfernt werden. Der Grund dafür ist, dass im ZFD laut Vereinbarungen mit den jeweiligen Regierungen und laut den TLS nur an bestimmten Themen gearbeitet werden darf. In der praktischen Umsetzung und bei der Finanzierung der Arbeit führt dies jedoch teilweise zu Unmut und zu Missverständnissen über die Mittelverwendung. Im Bereich der Finanzen und Abrechnungen treten noch weitere praktische Herausforderungen auf. So wird in einem Interview berichtet, dass zum Beispiel bei Anschaffungen, die ein bestimmtes Finanzvolumen überschreiten, in den jeweiligen Ländern drei Angebote eingeholt werden müssen und dies in der Praxis nur schwer möglich ist. Es hieß, dass es in einigen Ländern zum Beispiel beim Kauf von Autos ohnehin nur eine geringe Auswahl beziehungsweise wenige Anbieter gibt, die dann nach schriftlichen Angeboten befragt werden sollen. „Und das machen sie zweimal, dann kriegen sie von keinem mehr ein Vergleichsangebot, weil die wissen, die kaufen sowieso nicht bei mir“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Auch die Anschaffung von Büroausstattung kann zur Herausforderung werden. Aber je nachdem, wer das Budget der ZFD-Projekte verwaltet (die Fachkraft, die Partner*innen oder die Koordination), ist dies sehr unterschiedlich. So war ich beispielsweise dabei, als in einer Organisation neue Bürostühle gekauft wurden. Dies geschah „ganz unbürokratisch“ einfach in einem Möbelhaus, während es in einer anderen Organisation vier Monate dauerte, einen neuen Laptop zu kaufen, da viele Anträge an verschiedenen Stellen gestellt werden mussten. Die deutsche Bürokratie trifft hier in anderen Ländern auf Realitäten, die nicht immer ganz zusammenpassen, aber möglichst trotzdem umgesetzt werden. Sowohl die Mitarbeitenden in Deutschland als auch in Kenia, Sierra Leone und Liberia wünschen sich mehr Verständnis für die die lokalen Situationen. „Because of BMZ regulations there are a lot of technical issues, that are stumbling stones, for example – yes we need to be accountable but often there is little understanding of the local and cultural context for example getting a receipt can be difficult“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Dabei werden je nach Organisation diese Regularien etwas strenger ausgelegt als bei anderen. So berichteten mir Fachkräfte, die bei verschiedenen ZFD-Träger*innen gearbeitet haben, dass Dinge bei einem*einer Arbeitgeber*in möglich sind, die bei einem anderen nicht möglich sind oder die nicht kontrolliert werden.

Der ZFD weiß um den administrativen Aufwand, welcher ohne weitere Ressourcen nicht für alle Fachkräfte und lokale Organisationen zu stemmen ist. Deswegen gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit, lokales Personal anzustellen oder zusätzliche Arbeitsstunden zu finanzieren, um die administrative Arbeit durchzuführen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.3 S. 2). So haben einige der größeren ZFD-Träger*innen, die mit mehreren Fachkräften in einem Land sind, zum Teil eigene Verwaltungsfachkräfte in den Ländern,

„[…] die sozusagen auf der Verwaltungsebene mit dem Partner arbeiten und das führt häufig dazu, dass die Fachkräfte und unsere Verwaltungsleute badcop und goodcop spielen. Da hat man einmal die saubere Verwendung der Mittel und die Fachkräfte dann eher sozusagen als Vermittelnde“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

In Bezug auf diese Beschäftigungsverhältnisse wurde häufig berichtet, dass ihre Finanzausstattung nicht sehr gut und teilweise geringer als landesübliche Gehälter ausfällt. Der Aussage, dass die Bezahlungen durch den ZFD für lokale Fachkräfte und Mitarbeitende fair ist, stimmen 3,5 % der Mitarbeitenden lokaler Organisationen komplett zu, 21 % stimmen zu, 34,5 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 17 % stimmten der Aussage nicht zu, 14 % stimmen gar nicht zu und 10 % wissen es nicht. Außerdem wurde mir immer wieder berichtet, dass eine Person, deren Stelle in einer lokalen Organisation über den ZFD finanziert wird, keine weitere Unterstützung der lokalen Organisation erhält. Somit besteht zum Beispiel kein Versicherungsschutz.

„Lokale und nationale Fachkräfte haben eine unterschiedliche Bezahlung, das ist problematisch. Ist das fair und auf Augenhöhe? Das Problem ist, dass der ZFD die hochausgebildeten [Personen] möchte, aber schlecht bezahlt und nicht versichert und sie oft weniger bekommen als den Mindestlohn bei den Organisationen. [Sie] sind im Team dann nicht gleichgestellt, [dies ist] kein Do-no-Harm“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Wie sich so zeigt, bleibt der ZFD trotz aller Ansprüche, vor Ort keinen negativen Einfluss auszuüben und auf Augenhöhe partnerschaftlich zu arbeiten, hinter diesen Anforderungen zurück und beschäftigt aus einer Machtposition heraus Personen zu schlechten Arbeitsbedingungen. Gleichwohl bleibt bei vielen Interviewpartner*innen der allgemeine Wunsch nach einem größeren Verständnis gegenüber den lokalen Strukturen und Gegebenheiten bestehen – gerade vonseiten des BMZ.

„Im BMZ gibt es erschreckend wenig Verständnis für die tatsächliche Verfasstheit lokaler Strukturen und Stellung lokaler Kulturen und lokaler Verhaltensweisen. Da wird so mit einer Selbstverständlichkeit häufig vorausgesetzt, dass man das alles draufhat, und da wo es nicht gerade so gut läuft, liegt es eben auch daran, dass die Leute nicht am deutschen Wesen genesen wollen. Da würde ich mir noch sehr viel mehr Offenheit wünschen für die Notwendigkeit, das Lokale auch zu sehen, es aber mit großen Augen und langem Atem anzuschauen und sich auch Lernphasen zu gönnen. Das halte ich für sehr wichtig“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

In Gesprächen haben sich einige Personen in Deutschland, Kenia, Sierra Leone und Liberia gefragt, inwieweit der ZFD durch diese administrativen Vorgaben die Struktur einer Organisation vor Ort verändert. Hier ist festzustellen, dass es durch die administrative Arbeit im Rahmen des ZFD zu Veränderungen in den Organisationen kommt. So wurde von verschiedenen Mitarbeitenden lokaler Organisationen berichtet, dass die Arbeit in der Organisation durch den ZFD professionalisiert wurde. Dass es deutliche Lerneffekte gibt und es zu einer besseren Büroausstattung gekommen ist, um im ZFD mitarbeiten zu können. Jedoch sind mit diesem positiven Bild des ZFD-Einflusses auf die institutionelle Entwicklung einer Organisation in meiner Umfrage nur 6 % sehr unzufrieden, 16 % etwas unzufrieden, 52 % etwas zufrieden, 15 % sehr zufrieden und 11 % machten keine Angabe. Diese kritische Einschätzung hat zwei Ursachen: Zum einen gibt es Organisationen, die sich nicht im großen Maße entwickeln wollen, da sie effektiv und zufrieden mit ihrer Arbeit sind. Zum anderen gibt es Organisationen, die sich keine fremdbestimmte Entwicklung wünschen. In dieser Debatte zeigt sich deutlich, dass der ZFD als Akteur aus dem Globalen Norden den Diskurs um die administrative Arbeit diktiert und davon ausgeht, dass die Expertise vor Ort nicht ausreicht, um die administrativen Vorgaben zu erfüllen und deswegen angepasst werden muss. Diese Prozesse passieren so inhärent, dass sie zum natürlichen Bestandteil der Arbeit geworden sind (Ziai, 2015). Auf hierarchische Weise wird das Wissen über administrative Prozesse aus Deutschland über das lokale Wissen und die lokalen Kapazitäten gestellt. Weil dies schon so lange so abläuft, wurde die Handlungsmacht der ZFD-Akteur*innen aus dem Globalen Norden gegenüber den Akteur*innen im Globalen Süden immer weiter ausgebaut. In vielen Gesprächen, die ich geführt habe, wurde die Professionalisierung des ZFDkritisch hinterfragt und warum er nur bestimmten Organisationen offensteht, die diesen Verwaltungsaufwand bewältigen können. Diese Frage stellt sich bereits bei dem administrativen Prozess der Antragsstellung. In die Antragsstellung sind verschiedene Akteur*innen eingebunden, und es müssen mehrere Prozesse durchlaufen werden. Zunächst müssen sich (gerade bei neuen Organisationen) die lokale Organisation und der ZFD-Träger*innen kennenlernen und eine gemeinsame Idee entwickeln, aus der ein Antrag formuliert wird. Der Antrag muss Beschreibungen der Situation, der Projektidee und des Nutzens und der Aufgaben der Fachkraft enthalten. Oftmals aber werden die Ziele und Erwartungen an den ZFD zu hoch gesteckt (Karanja, 2000), was später in der Projektumsetzung zu Problemen und enttäuschten Erwartungen führen kann. In den Gesprächen mit ZFD-Träger*innen in Deutschland wurde deutlich, dass gerade im Zuge der Antragsstellung das Thema Ownership eine wichtige Rolle spielt. So wurde in einem Interview der Prozess der Antragsstellung sehr genau beschrieben. Doch kann er bei anderen Träger*innen auch anders ablaufen. In einem ersten Schritt wird überlegt und analysiert, wie die Situation vor Ort aussieht, was mögliche Entry-Points sind oder welche Prozesse unterstützt werden sollen. Dabei ist es besonders wichtig, dass nicht nur beschrieben wird, wie das Projekt ablaufen soll, sondern auch, was unter einzelnen Aspekten verstanden wird. Beispielsweise muss gemeinsam der Begriff Frieden definiert werden (Goetschel & Hagmann 2009, S. 65). Ist das für alle Beteiligten klar benannt, stellt sich die nächste Frage. Wie kann die Umsetzung erfolgen, wer sind die friedens- oder gewaltfördernden Kräfte im Land und wer die wichtigen Akteur*innen auf den verschiedenen Ebenen der Lederach-Pyramide (siehe Abschnitt 4.4.2.2.). Mit wem zusammengearbeitet wird, hängt im nächsten Schritt oft von Kontakten und Zugängen ab, die bereits bestehen. Diese Beteiligung ist im Sinne eines Mehrebenansatzes wichtig.

„Wenn wir dann für uns den Kreis von Akteuren definiert haben, gehen wir auf die zu, also jetzt auf die Frage, wie kommen wir zu den Zielen. In aller Regel gehen wir auf die zu, stellen ihnen vor, was unsere Überlegungen sind, was wir tun wollen, was unser Beitrag sein kann und fragen sie, was ihre Erwartungen an uns wären, was sie brauchen im Detail und ob für sie eine Kooperation mit uns von Interesse sein könnte. Und aus dieser Diskussion, Verhandlungsprozess, wenn wir uns annähern, entstehen dann gemeinsame Ziele“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Dass Friedensarbeit und somit der ZFD immer mehr reglementiert werden und die Arbeit einem Projekt-Zyklus folgen muss, hat oftmals zur Folge, dass die lokalen Partner*innen die thematischen Prioritäten der Geber*innen umsetzen müssen (Schuller, 2012). Zwar werden im ZFD die Projektanträge gemeinsam erarbeitet, doch auch sie müssen bestimmten Richtlinien und Vorgaben von BMZ, AA und TLS entsprechen. Dies verdeutlicht die mächtigere Stellung der Akteur*innen aus dem Globalen Norden im ZFD. „Es gibt inhaltliches Brainstorming mit den Partner*innen für die Projektanträge. Allerdings muss es auch in das ZFD-Programm passen und die Methoden müssen passen und zu den Schwerpunkten der Partner*innen“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Somit ist die ZFD-Arbeit auch immer politisch und vertritt die Interessen Deutschlands in den jeweiligen Ländern oder Regionen. Dieser Aspekt wird in der praktischen Umsetzung jedoch vielfach vernachlässigt oder nicht beachtet, was dazu führt, dass die Arbeit nur vermeintlich gleichberechtigt erfolgt. Zu diesem Punkt wurde von einigen lokalen Partner*innen hervorgehoben, dass der Prozess sehr partizipativ ablief und sie ihre Meinungen und auch die von der breiten Bevölkerung einbringen konnten. Andere Personen hingegen erlebten den Prozess als weniger partizipativ. „In the application process it is not important for our voices to be heard but to find somebody, to help with our needs“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Dass ein Prozess nicht als partizipativ empfunden wird, liegt auch daran, dass die verschiedenen benötigten Dokumente sehr reglementiert sind. Gerade lokale Organisationen, die zum Beispiel noch nicht mit Akteur*innen aus dem Globalen Norden zusammengearbeitet haben oder noch wenig Erfahrung bei der Antragsstellung haben, können den Aufwand selbst gar nicht bewältigen. Hier wird die Dominanz der administrativen Vorgaben aus Deutschland deutlich, an die sich lokale Organisationen anpassen müssen. In meiner Umfrage stimmten 66 % der Mitarbeitenden lokaler Organisationen der Aussage zu oder komplett zu, dass sie die Themen, die ihnen wichtig sind, in den ZFD-Antrag mit einbringen können. Dies zeigt klar, dass der Prozess der Antragstellung stark von den Bedürfnissen der lokalen Organisation abhängt, aber auch von der Herangehensweise der ZFD-Träger*innen. Neben dem Antrag wird außerdem ein Vertrag oder Memorandum of Understanding unterzeichnet. Dies wird je nach Träger*in unterschiedlich gehandhabt. Zudem muss die lokale Organisation nachweisen, dass sie ein gewisses Maß an Verwaltungsstandards erfüllen kann. Generell wurde von dem Großteil der lokalen Partner*innen der Prozess als aufwendig, aber machbar beschrieben. Diese Aussage wird auch in meiner in verschiedenen Ländern unter lokalen Mitarbeitenden durchgeführten Umfrage bestätigt. Der Aussage, dass der Bewerbungsprozess für den ZFD zu schwierig ist, stimmen 7 % komplett zu, 14 % stimmen zu, 31 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 27 % stimmten der Aussage nicht zu, 7 % stimmen gar nicht zu und 14 % wissen es nicht (Angaben nur von Mitarbeitenden lokaler Organisationen). Zudem betonten lokale Partner*innen, wie wichtig es ist, dass der Prozess von der*dem Koordinator*in und/oder den Verantwortlichen in Deutschland gut begleitet wird. Viele merkten an, dass der Prozess ohne diese Hilfestellungen nicht zu bewältigen gewesen wäre.

Sobald alle Dokumente bereit sind – was in der Regel mehrerer interner Rücklaufschleifen bedarf –, können die Unterlagen an das BMZ gesendet werden. Von dort erfolgt dann die Ablehnung oder Bewilligung. Anschließend erst kann die Auswahl einer Fachkraft beginnen. Vom ersten Kontakt bis zum Eintreffen der Fachkraft kann also sehr viel Zeit vergehen.

„Von diesem Erstkontakt und dem ZFD-Antrag vergeht sehr viel Zeit, bis wirklich eine Fachkraft bei der Partnerorganisation landet. Das ist auch eine […] Entscheidung, die sie treffen müssen, wollen wir so mittel- bis langfristig eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet in Angriff nehmen und können wir jetzt auch noch also mindestens eineinhalb Jahre auf eine Fachkraft warten. Es kann auch länger dauern, bis überhaupt mal jemand hier ist“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Der Zeitfaktor wurde auch von den lokalen Partner*innen als größter Kritikpunkt an dem Prozess der Antragsstellung genannt. Demnach hieß es, dass einerseits die Organisation an sich sehr zeitaufwendig ist und dass andererseits der Prozess von der Antragsstellung bis zur Ankunft der Fachkraft zu lange dauert. Teilweise sogar so lange, dass sich zwischenzeitlich Bedarfe vor Ort verändern. „The application process takes too long, the context changes during that time, so it can be difficult to find a person that can do what is needed so there is modification and it can happen that the person does not fit anymore“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Auch mit dem dann anstehenden Auswahlprozess der Fachkräfte zeigen sich nicht alle lokalen Partner*innen zufrieden. Generell wird dieser Prozess je nach ZFD-Trägerorganisation unterschiedlich gestaltet. In der Regel werden auf Grundlage der mit den Partner*innen erarbeiteten Kriterien Ausschreibungen erstellt, auf die sich Personen bewerben können. Diese Bewerbungen werden in der Regel von den Personen in Deutschland gesichtet, die eine Auswahl treffen. Die lokalen Partner*innen werden in unterschiedlichem Maße eingebunden. Einige berichteten, dass sie aus Deutschland einen Lebenslauf erhalten, dem sie zustimmen oder ihn ablehnen können, ohne andere Bewerbungen gesehen oder mit der Person gesprochen zu haben. Andere berichteten, dass sie verschiedene Lebensläufe zugesendet bekommen und einige berichteten auch, dass sie bei Bewerbungsgesprächen digital dabei waren. Generell bestand in allen drei Ländern beim Großteil der lokalen Partner*innen der Wunsch nach einer stärkeren Einbindung in den Auswahlprozess der Fachkräfte. Dieser Wunsch wurde auch bereits in bestehenden Forschungen formuliert (Meintjes, 2006, S. 12). Gerade die digitalen Gespräche wurden vielfach als gute Möglichkeit zur Teilhabe erwähnt: „In the selection process the skype interview was very important as you get a first impression and the person showed that she*he is experienced and worked in Kenya and will adapt easily“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Allgemein werden die lokalen Partner*innen nur minimal in die Auswahl der Fachkräfte eingebunden, obwohl sie am Ende mit ihnen zusammenarbeiten. Daran wird deutlich, dass die ZFD-Träger*innen die Expertise klar für sich in Anspruch nehmen und sie ihren „Partner*innen“ im Globalen Süden absprechen. Somit wird die Konstruktion des „wissenden Wir“ im Globalen Norden und des „unwissenden Anderen“ im Globalen Süden verfestigt.

Abschließend lässt sich feststellen, dass die administrative Arbeit im ZFD eine wichtige Rolle einnimmt. Denn es handelt sich um öffentliche Gelder, mit denen gearbeitet wird. Deswegen (so die immer wiederkehrende Begründung) ist es umso wichtiger, dass ihre Verwendung nachvollziehbar und wirksam ist. Gleichzeitig führt der als hoch empfundene administrative Arbeitsaufwand immer wieder zu Frustration und die eigentliche Arbeit kommt dabei manchmal zu kurz. Besonders der administrative Bereich und die Auswahl der Fachkräfte bergen eine Vielzahl an Verbesserungsmöglichkeiten, die sich oftmals an den Wünschen und Bedürfnissen der lokalen Partner*innen orientieren und bestehende Machtdynamiken durchbrechen könnten.

8.2 Die Rolle der Fachkraft im ZFD

Dieses Kapitel befasst sich mit der Rolle von Fachkräften im ZFD. Als relevantes Thema wurde dies bereits in Abschnitt 6.3. unter dem Stichpunkt „Rolle und Aufgabe der Fachkräfte“ erwähnt. Die Rolle der Fachkräfte ist zentral, da sie als das Herzstück des ZFD gelten. Dabei sei direkt zu Beginn angemerkt, dass es nicht nur eine Rolle für eine Fachkraft gibt, sondern vielmehr eine Vielzahl an verschiedenen Rollen und Rollenerwartungen. Diese hängen von der jeweiligen ZFD-Organisation, der Fachkraft, den lokalen Akteur*innen, den Aufgaben und Selbst- und Fremdzuschreibungen ab. Um diese vielfältigen Rollen besser einordnen und beschreiben zu können, werden zunächst verschiedene Erwartungen skizziert, die an Fachkräfte gestellt werden (Abschnitt 8.2.1.). Das Thema dieses Unterkapitels wurde so gewählt, weil in den meisten Gesprächen von Erwartungen an die Fachkräfte berichtet wurde. Diese werden beispielsweise von verschiedenen Seiten wie zum Beispiel durch die Träger*innen, die Koordinator*innen oder die Partner*innen gestellt. In dem Kapitel werden sie exemplarisch an einer Geschichte geschildert und anschließend in einem größeren Rahmen analysiert. Die folgenden Kapitel (8.2.2. und 8.2.3.) betrachten positive und negative Effekte der Arbeit und der Präsenz der Fachkräfte in einer Partnerorganisation. Dabei spiegelt das Kapitel sowohl Beschreibungen von Partner*innen über die Fachkräfte wider als auch Selbstbeschreibungen der Fachkräfte. Die zwei Kapitel wurden so gewählt, da sowohl Fachkräfte als auch Mitarbeitende von lokalen Organisationen immer wieder betont haben, dass eine Fachkraft positive und negative Effekte haben kann. Das konnte ich auch während der Forschung beobachten. Zuletzt wird in Unterkapitel 8.2.4. auf die Rolle von Koordinator*innen eingegangen. Dieses Thema wird als Unterkapitel des Kapitels „Die Rolle der Fachkraft im ZFD“ behandelt. Denn Koordinator*innen sind oftmals selbst entsandte Fachkräfte und nehmen eine Sonderrolle unter den Fachkräften ein. Bei der Codierung der Forschungsmaterialien wurde deutlich, dass ihre Rolle sehr ambivalent betrachtet und deswegen hier genauer analysiert wird.

8.2.1 Erwartungen an Fachkräfte

Die Geschichte

In der Übungsküche einer Bildungseinrichtung werden Pfannkuchen gebacken. Hier werden normalerweise Personen angelernt und ausgebildet, die in der Gastronomie arbeiten, doch heute sind Personen eines Kurses anwesend, welche eine Weiterbildung im Bereich des Kleinunternehmer*innentums durchlaufen. Dieser Kurs wird von einer ZFD-Fachkraft und verschiedenen Mitarbeitenden der lokalen Organisation begleitet und es wird ein speziell darauf abgestimmtes Currikulum entwickelt. Viele der Teilnehmenden haben noch nie Pfannkuchen gebacken und freuen sich auf diese Aufgabe. Die Aufgabe dient dazu, ihnen zu verdeutlichen, wie Kosten für ein Produkt berechnet werden können, welche Kosten einkalkuliert werden müssen und wie gewinnbringend kalkuliert wird. Diese praktische Übung ergänzt eine vorhergehende theoretische Einheit, in der bereits variable Kosten und Fixkosten berechnet wurden. Die Fachkraft vor Ort hat dabei zunächst die theoretische Unterrichtseinheit durchgeführt und dabei Arbeitsblätter verteilt, auf denen die Teilnehmenden die Berechnungen selbst durchführen konnten. Die Erklärungen finden in englischer Sprache statt und werden danach zusammenfassend von einer*einem lokalen Mitarbeiter*in der Organisation in den lokalen Dialekt übersetzt. Die praktische Übung der Pfannkuchenherstellung wird von einer*einem lokalen Mitarbeiter*in durchgeführt und die Fachkraft schaut dabei zu. Dabei richtet sich die Fachkraft in der Durchführung dieser Trainings nach einem Handbuch, welches von der vorherigen Fachkraft erarbeitet wurde. Sie/Er soll nun dieses Handbuch umsetzten, noch etwas praxisnaher und nutzbarer gestalten und einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt in einer zweiten Version des Handbuchs herausarbeiten. Gleichzeitig sollen die Kolleg*innen in der Anwendung dieses und des neuen Handbuchs trainiert werden.

Meine Rolle als Forscherin

Während des theoretischen Teils über die variablen Kosten und Fixkosten und bei der Bearbeitung der Arbeitsblätter habe ich wie die Teilnehmenden am Unterricht teilgenommen, an einem Unterrichtstisch gesessen und meine Arbeitsblätter bearbeitet. Dabei habe ich jedoch keine Ergebnisse vorgetragen oder Fragen gestellt. Bei der praktischen Übung habe ich zusammen mit der Fachkraft zugeschaut. Einige der Teilnehmenden an dem Kurs kannten mich bereits aus vorherigen Besuchen bei der Organisation, andere kannten mich noch nicht. Mit einigen bin ich ins Gespräch gekommen, mit anderen nicht. Dies hat sich auf natürliche Art und Weise ergeben. Da ich den Unterricht nicht mit meiner Anwesenheit weiter stören wollte, habe ich nicht das Gespräch mit Teilnehmenden gesucht, sondern gewartet, ob jemand auf mich zukommt. Dies ist zum Teil geschehen und so sind in den Pausen Gespräche über den Unterricht, Pfannkuchen und persönliche Lebensgeschichten geführt worden.

Reflexion und kritische Diskussion

Wie die Geschichte gezeigt hat, können die Aufgaben einer Fachkraft und damit auch ihre Rollen sehr vielfältig sein. In der beschriebenen Situation ist es zum einen die Aufgabe, theoretische Grundlagen des Unternehmer*innentums und der Kosten-Nutzen-Rechnung zu vermitteln, zum anderen, diese mit einer praktischen Übung zu verbinden. In der Situation hat sich die Fachkraft zusammen mit den Kolleg*innen der lokalen Organisation dazu entschieden, die Rollen aufzuteilen. So war die Fachkraft verstärkt für den theoretischen Teil zuständig, während die praktische Übung von einer*einem lokalen Mitarbeiter*in durchgeführt wurde. Dennoch zeigte sich in der Umsetzung, dass die Fachkraft Unterstützung bei den theoretischen Einheiten benötigte, da es eine Sprachbarriere gab. Hier stellt sich die Frage, inwieweit diese Rollenaufteilung sinnvoll war und ob es nicht effektiver gewesen wäre, alles von dem*der lokalen Mitarbeiter*in durchführen zu lassen. Auch ist fraglich, warum die Rollen so verteilt wurden: Weil die Expertisen im Team so verteilt sind? Weil es ein gleichberechtigtes Team ist, in dem jede*r einen Teil der Aufgaben übernimmt? Oder weil eine externe Fachkraft vor Ort ist, von deren Expertise profitiert werden soll und die örtlichen Expertisen nur zweitranging sind? Sicherlich war es in dem konkreten Fall eine Mischung aus allen Möglichkeiten. Zusätzlich hat die Fachkraft in dieser Geschichte noch die Aufgabe, ein Handbuch praxisnaher und nutzbarer zu gestalten, einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt zu erarbeiten und die Kolleg*innen in der Anwendung des alten und neuen Handbuchs zu trainieren. Diese Aufgabe findet über einen längeren Zeitraum hinweg statt. Die beobachtete Situation skizziert zudem ausschnittsweise, wie das Handbuch direkt in der Praxis entwickelt wird. Arbeitsblätter und Ideen werden direkt mit den Teilnehmenden besprochen und getestet. Dies findet bewusst im Tandem zwischen der Fachkraft und lokalen Mitarbeiter*innen statt, bei dem die Rollen klar verteilt sind. Es hat zum Ziel, dass die lokalen Mitarbeiter*innen diese Aufgaben beim nächsten Mal allein übernehmen können. In einem Gespräch mit lokalen Mitarbeiter*innen im Nachgang zu der beobachteten Situation wurde mir erklärt, dass die Fachkraft eigentlich überall in der Organisation eingesetzt werden könnte. Dass sie aber in diesem Arbeitsbereich eine feste Aufgabe hat und seine*ihre Rolle darin besteht, das Handbuch anwendbar zu machen und umzuarbeiten. Aber wie das geschieht, ob im Tandem oder mit anderen Methoden, sei der Fachkraft überlassen. In einem Gespräch über die Rolle und die Aufgaben der Fachkraft teilte mir die Fachkraft selbst mit, dass er*sie die Aufgabe besonders im Bereich „Train the Trainer“ sieht, dazu Materialien wie zum Beispiel das Handbuch entwickelt und die Aufgabe im Tandem umsetzt, um die lokalen Mitarbeiter*innen zur eigenen Umsetzung zu befähigen. Dabei soll sie*er eigentlich nur als Berater*in tätig sein, mehr im Hintergrund planen und vorbereiten als selbst Dinge durchzuführen. Doch schon zu Beginn der Arbeit hat er*sie gemerkt, dass dies nicht zielführend ist, da es mehr Einsatz benötigt, damit das Geplante auch umgesetzt wird. Hier zeigt sich, dass die Fachkraft als externe Person eine mächtige Stellung in der Organisation innehat beziehungsweise ausfüllt. Denn er*sie kann einfach über die Aufgaben entscheiden, ohne dies vorher abzusprechen. Diese Übernahme von Verantwortung und von konkreter Arbeit abseits von Beratung liegt – laut der Fachkraft – unter anderem an der hohen Arbeitsbelastung der lokalen Mitarbeiter*innen. Aber vor allem auch an einer überforderten Führung und unklaren Zuständigkeiten in der Organisation. Dass er*sie mehr in die Umsetzung der Arbeit geht, scheint – laut seiner/ihrer Aussage – kein Problem für die Kolleg*innen zu sein, da sie ihre*seine Rolle ohnehin nicht kennen. Hier muss kritisch hinterfragt werden, ob dies wirklich so ist. Oder ist dies eine Interpretation von Handlungen und Aussagen einer Person aus dem Globalen Norden, die auch anders gedeutet werden könnten. In einem meiner Gespräche mit den lokalen Kolleg*innen stellte sich heraus, dass diese sehr wohl die Rolle und die eigentlichen Aufgaben der Fachkraft kennen. Da sie die Arbeit der Fachkraft jedoch als qualitativ hoch einschätzen und selbst überlastet sind, freuen sie sich, dass von der Fachkraft mehr Aufgaben übernommen werden.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Die Situation zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Aufgaben und die Rolle einer Fachkraft sein können. Aber auch, wie wichtig die Kommunikation über die Rolle zwischen der Fachkraft und den lokalen Kolleg*innen ist, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Dass sich das Verständnis über die Rolle der Fachkräfte unterscheidet, zeigt sich schon daran, wie sie betitelt werden. So wurden die Fachkräfte in Kenia, Sierra Leone und Liberia in der Regel als CPS-Worker, CPS-Personell oder Seconded Personell bezeichnet. Ein ähnliches Phänomen lässt sich in einer früheren Forschung über den ZFD finden, in der die Fachkräfte vermehrt als Project Manager oder Program Manager betitelt wurden (Klotz, 2008, S. 46). Diese unterschiedlich verwendeten Begriffe zeigen bereits, dass es die eine Tendenz gibt, die Personen als Fachkräfte für den Frieden zu sehen und eine andere Tendenz, die Personen als Fachkräfte für den ZFD oder ein bestimmtes Projekt zu sehen. Mit diesen unterschiedlichen Bezeichnungen gehen bestimmte Erwartungen an Rollen und Aufgaben einher, die in der Arbeitspraxis ausbuchstabiert werden.

Generell sind die Rolle und die Aufgaben einer Fachkraft sehr vielfältig. Auch wenn es bestimmte vertragliche Rollenerwartungen gibt, ist die Ausdifferenzierung der Rolle doch immer unterschiedlich, sie ist abhängig von den Träger*innen und vor allem von den Personen (siehe dazu Abschnitt 4.4.2.1. Verständnis, Rolle und Aufgaben der Fachkräfte). Es ist wichtig, klar zu benennen, dass sich der ZFD im Kern als Instrument der Personalentsendung versteht. Somit werden die ZFD-Fachkräfte zu einem Alleinstellungsmerkmal und üben eine Schlüsselfunktion aus (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. S. 3). Durch dieses Alleinstellungsmerkmal rücken die Fachkräfte automatisch in eine mächtigere Position als die Mitarbeiter*innen der lokalen Organisationen. So wird anstelle der lokalen Organisationen und ihrer Arbeit, die im Zentrum stehen sollten, die Fachkraft zum Herzstück des ZFD. Da den Fachkräften eine Position mit machtvollen Implikationen zugeschrieben wird, kann keine Rede mehr von einer gleichberechtigten Partnerschaft sein.

Generell ist anzumerken, dass es bestimmte festgelegte Handlungsfelder im ZFD gibt, in deren Rahmen die Fachkräfte agieren. Dazu zählen der Aufbau von Dialog- und Kooperationsstrukturen vor Ort, die Schaffung gesicherter Räume für gegenseitige Unterstützung und Begegnung, die Stärkung von Informations- und Kommunikationsstrukturen zum Thema, Vernetzung, Monitoring, psychosoziale Unterstützung, Traumabearbeitung, Trainings zu Ziviler Konfliktbearbeitung, Friedenspädagogik, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und die Stärkung lokaler Institutionen (Gemeinschaftswerk ZFD 2008, S. 3). Diese Idee der Handlungsfelder wurde in der ZFD-Reform aktualisiert, und es wird nun der Begriff Arbeitseinsatz verwendet. Die Operationalisierung einer ZFD-Fachkraft verläuft nicht mehr entlang bestimmter Themen, sondern entlang bestimmter Methoden und Aktivitäten. Somit wird die Arbeit auf die Projektebene und auf die jeweiligen Stärken des ZFD, die je nach Organisation unterschiedlich sind, heruntergebrochen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.1. S. 1). Diese Handlungsfelder, Themen und Methoden definieren die Rollen, die eine Fachkraft einnehmen kann. Die Durchführung von Projekten zu unterstützen und in einer oder mehreren Organisationen vor Ort Organisationsentwicklung und Vernetzung zu betreiben, wurden als allgemeine Aufgaben der Fachkräfte in den Interviews in Deutschland genannt. Für diese Aufgaben sind die Fachkräfte demnach geeignet, da sie über spezifisches Wissen verfügen, das in die Arbeit vor Ort eingebracht werden kann. Der Akzent auf dieses Wissen ist eine Grundidee des ZFD, die gleichzeitig von der Auffassung zeugt, dass das vor Ort existierende Wissen nicht ausreicht oder nicht gut genug ist. Genauso vielfältig, wie die formal gesetzten Handlungsfelder waren oder wie es nun die Themen sind, sind auch die Felder, die in Kenia, Liberia und Sierra Leone als Aufgaben für die Fachkräfte definiert wurden. Um die Vielfalt zu zeigen, seien hier nur einige Beispiele aufgezählt: technische Beratung, Planung und Durchführung von Aktivitäten, Öffentlichkeitsarbeit, Ergebnisse für die Zielgruppe zu erreichen, Organisationsentwicklung, Forschung, psychosoziale Beratung, Konfliktanalysen, Administration, Projektanträge und Finanzierung, Wissensmanagement. Diese Anforderungen an die Fachkräfte werden in den Stellenausschreibungen zusammen mit den lokalen Partner*innen für die jeweiligen Projekte angepasst. Viele lokale Partner*innen merkten kritisch an, dass sie die Anforderungen sehr gering halten, da es sonst schwierig ist, eine Person zu finden, die alle Kriterien erfüllt. Hier ist die kritische Frage angebracht, ob dies daran liegt, dass die Kriterien zu vielfältig oder zu hoch angesetzt sind oder daran, dass geeignete Personen es vorziehen, in anderen Arbeitsfeldern als dem ZFD tätig zu sein. Daran anknüpfend hinterfragten einige Fachkräfte den Auswahlprozess:

„Das Auswahlverfahren muss [Name der deutschen Organisation] ernster nehmen. Ich habe vieles angesprochen und Fragen gestellt, auf die es keine Antworten gab. Ich habe das Gefühl, dass es einfach gut ist, jemanden zu haben, der eine ‚unbequeme‘ Stelle macht“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Somit wurde der Fachkraft das Gefühl vermittelt, eingestellt worden zu sein, ohne wirklich gut auf die Stelle zu passen. Und auch die lokalen Partner*innen haben immer wieder das Gefühl, ihre eigenen Anforderungen anpassen zu müssen. So stellt sich die Frage, ob die Aufgaben für die Fachkräfte realistisch sind, ob sie nicht in anderen Bereichen liegen sollten oder ob andere Fachkräfte benötigt werden, zum Beispiel mehr lokal ausgebildete Personen. Hier zeigt sich, wie die ZFD-Träger*innen in der Auswahl und Besetzung der Fachkraftstellen ihre im Auswahlprozess mächtigere Position gegenüber den Partner*innen im Globalen Süden geltend machen, da sie über die Entscheidungskompetenzen verfügen.

Doch gibt es nicht nur Erwartungen an die inhaltliche Arbeit einer Fachkraft, sondern auch an persönliche Eigenschaften. So ist in ZFD-Dokumenten zu lesen, dass eine Fachkraft eine solidarische Grundhaltung, Werteorientierung und einen angemessenen Lebensstil mitbringen soll (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. S. 1 f.). Ergänzt werden diese Eigenschaften in der wissenschaftlichen Literatur von Flexibilität, Selbstreflexion, Belastbarkeit, Empathie, Geduld, Engagement, Selbstmotivation, Zurückhaltung, Sprachkenntnissen, Offenheit, Erfahrungen im Umgang mit Angst und Bedrohung und der Bereitschaft, Verantwortung an Lokale zu übergeben (Autesserre, 2021, S. 153; Evers, 2007, S. 145; Kramer, 2001, S. 359). Diese Eigenschaften wurden in zahlreichen Gesprächen mit Fachkräften in Kenia, Liberia und Sierra Leone um weitere Aspekte ergänzt. Dazu zählen zum Beispiel die Ambiguitätstoleranz und die Fähigkeit, mit Höhen und Tiefen umzugehen. Auch die lokalen Partner*innen nannten noch weitere Eigenschaften, welche nicht in den offiziellen ZFD-Dokumenten aufgeführt sind. An dieser Stelle folgen nur die am häufigsten genannten: Fähigkeit, zwischen zwei Kulturen zu leben, Integrationsfähigkeit und Kreativität. Oftmals wurde der Wunsch geäußert, dass die Fachkraft eine soziale Person sein soll. Ebenfalls gaben einige lokalen Partner*innen an, dass die Erwartungen an die Eigenschaften und Fähigkeiten einer Fachkraft vielfach von denen früherer Fachkräfte geprägt sind. „[We had] a lot of expectations towards the new CPS worker and these made them not to realize that he*she is an individual and not like the old person that was there. We need to ask ourselves what space we created for him*her“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). So kann es für eine neue Fachkraft schwierig werden, die Erwartungen zu erfüllen, die gegebenenfalls sehr hoch sein können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Rolle von Fachkräften ist, dass sie sich als Lernende verstehen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. S. 1 f.). Interessanterweise war dieser Aspekt in den Gesprächen in Kenia, Sierra Leone und Liberia für die lokalen Partner*innen wichtiger als für die Fachkräfte selbst. Vermehrt waren es unter den Fachkräften eher die Berufsanfänger*innen, die sich als Lernende bezeichneten oder diesen Punkt ansprachen, wenn es darum ging, eigene Arbeitsweisen anzupassen: „Man muss lernen, den eigenen Anspruch und die eigenen Standards herunterzuschrauben, aber es braucht trotzdem Qualität, es ist schwer, da den Mittelweg zu finden“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Von den lokalen Partner*innen wurde dieser Aspekt hingegen viel öfter erwähnt: „CPS personal are not experts but also learners“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Dies wurde oftmals damit begründet, dass die Fachkräfte die lokalen Kontexte und Gegebenheiten noch nicht kennen. Sie müssen sie erst kennenlernen und ihre Fähigkeiten und Ansätze daran anpassen. „We should not assume, that CPS workers know it all, we need to tell them the local context that is a problem in a lot of organizations“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Dass es einen Unterschied zwischen Berufsanfänger*innen, erfahrenen Fachkräften und lokalen Partner*innen gibt, zeigt die sehr unterschiedlichen Erwartungen an die Rolle einer Fachkraft als lernende Person. Fachkräfte, die sich in der Zusammenarbeit nicht als lernende Person verstehen, beziehen so eine Position, die nach Ziai als Hierarchisierung des Wissens beschrieben werden kann (Ziai, 2015, S. 12). Doch zeigt eine Umfrage unter Mitarbeitenden lokaler Organisationen, dass für die meisten der Lernprozess stattfindet und funktioniert. Der Aussage, dass sich die externe Fachkraft während ihres Aufenthalts im Land weiterentwickelt und gelernt hat, stimmen 79 % zu. Die Fachkräfte selbst geben mit 85 % kompletter Zustimmung oder Zustimmung an, dass der ZFD ihnen hilft, sich auf einer persönlichen Ebene weiterzuentwickeln. 93 % stimmen zu, dass auch eine Entwicklung auf professioneller Ebene stattfindet. Für diesen Lernprozess wird den Fachkräften besonders zu Beginn ihres Einsatzes Zeit eingeräumt. Bei einigen Organisationen wird davon ausgegangen, dass die Fachkräfte nicht gleich zu Beginn ihres Einsatzes voll einsetzbar sind, da sie erstmal einen „reality-check“ (Burba & Stanzel, 2015b, S. 219) durchlaufen und etwas Zeit brauchen. So kann es durchaus üblich sein, dass die ersten drei Monate komplett der Orientierung dienen und die Fachkräfte nur beobachten und begleiten. Diese Zeit sollte genutzt werden, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen (Molitor, 2012, S. 19). Wie wichtig diese Zeit ist, zeigt meine Umfrage. Der Aussage, dass es mehr als sechs Monate gedauert hat, bis tatsächlich klar war, was man im Projekt machen soll, stimmen 27,5 % der Fachkräfte komplett zu, 39,5 % stimmen zu, 12 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 9 % stimmten der Aussage nicht zu, 3 % stimmen gar nicht zu und 9 % wissen es nicht. Ein vergleichender Blick auf die Ergebnisse der Mitarbeitenden lokaler Organisationen zeigt ein ähnliches Bild, jedoch mit einer Verschiebung hin zu einer neutralen Aussage. Der Aussage, dass es mehr als sechs Monate gedauert hat, bis die externe Fachkraft eine Hilfe war, stimmen 3 % komplett zu, 17 % stimmen zu, 24 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 21 % stimmten der Aussage nicht zu, 14 % stimmen gar nicht zu und 21 % wissen es nicht. Die Bedeutung der Eingewöhnungszeit wurde auch in Kenia, Sierra Leone und Liberia immer wieder hervorgehoben. „The philosophy that you have three month to really settle and look at everything is very good“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Auch bisherige Veröffentlichungen über den ZFD berichteten, wie wichtig diese Zeit ist. Vielfach findet erst nach mehreren Monaten eine Öffnung aller Beteiligten statt und die Arbeit kann tatsächlich beginnen (Engels, 2005, S. 2). Nur so ist es laut der Mehrheit der Fachkräfte möglich, ein Gefühl für das Land, die Menschen und die Arbeit zu bekommen – „[…] für eine neue Fachkraft ist das Halbjahresziel, integriert zu sein“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone).

Im Zuge der Debatte um persönliche und fachliche Eigenschaften einer Fachkraft ist festzustellen, dass ihre Rolle oft zwischen fachlichen und persönlichen Kompetenzen schwankt. Es stellt sich die Frage, welche Kompetenzen für eine erfolgreiche Arbeit relevanter sind (Kruhonja, 2001, S. 22). Die bislang vorliegende Forschung zu Friedensfachkräften zeigt, dass deren fachliches Wissen von den lokalen Akteur*innen oft hoch geschätzt wird (Autesserre, 2014, S. 75). Demnach wird zertifizierbares Wissen generell höher bewertet (Barnett, 2012). Mit meiner Umfrage in verschiedenen Ländern, an der Mitarbeitende lokaler Organisationen teilnahmen, konnte für diese Frage kein abschließend klares Bild ermittelt werden. Der Aussage, dass es wichtiger ist, dass sich die externe Fachkraft leicht integrieren kann als dass er oder sie relevante Arbeitserfahrungen mitbringt, stimmen 14 % komplett zu, 14 % stimmen zu, 31 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 17 % stimmten der Aussage nicht zu, 7 % stimmen gar nicht zu und 17 % wissen es nicht. Die Gespräche mit den lokalen Partner*innen in Kenia, Sierra Leone und Liberia lieferten sehr unterschiedliche Perspektiven auf diese Frage, was zwei Aussagen exemplarisch darstellen können: „Still the skill and experience is more important than the ability to integrate, as people with less experience are always there, not taking somebody for the sake of taking“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia); „It is more important for the person to fit in, than to have a lot of knowledge about a topic, as topics can be changed. Acceptance is more important, then they can become a gift“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Insofern unterliegt das, was priorisiert wird, persönlichen und organisatorischen Präferenzen.

Für die ZFD-Träger*innen ist wichtig, dass die Fachkräfte in all diesen Bereichen zwar ihre fachliche Qualifikationen und Ressourcen beisteuern, aber vor allem eine beratende, unterstützende und begleitende Rolle einnehmen (Willmutz, 2005, S. 2). Diese beratende Rolle steht im ZFD für einen Verständniswandel hinsichtlich der Rolle als Entwicklungshelfer*in. Noch vor wenigen Jahren war sie eher eine Rolle als Macher*in (Molitor, 2012). Fachkräfte stellen ihr Wissen und ihre Qualifikationen zur Verfügung, die von den Akteur*innen vor Ort eingesetzt und verwendet werden (AGEH & Brot für die Welt, 2014, S. 9). So kann zumindest in Ansätzen die klassische Machtdynamik (siehe Kapitel 2) in der Entwicklungs- und Friedensarbeit durchbrochen werden. Denn es steht nicht mehr das Handeln losgelöst von Kontexten und Personen vor Ort im Vordergrund, sondern die gemeinsame Arbeit und Unterstützung. Auf diese Weise aber wird die bestehende Machtdynamik noch nicht aufgebrochen, weil auch hier externes Wissen über lokales Wissen gestellt wird. Nach wie vor wird davon ausgegangen, dass ohne das externe Wissen vor Ort keine Veränderungen eintreten können. So fasste eine Fachkraft seine*ihre Rolle wie folgt zusammen: „Ich komme nicht mit Ideen, ich bin ein Facilitator für das empowerment“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Allerdings ist gerade diese beratende Rolle nicht klar definiert, denn es gibt nicht nur eine Beratungsart. Sie können sehr unterschiedlich ausfallen und unterscheiden sich auch in der Stärke der Intervention. So gibt es zum Beispiel die Rolle des „reflective observer“, der oder die beobachtet und dann spiegelt, was er oder sie sieht (sehr geringe Intervention); es gibt die Rolle von Trainer*innen (mittlere Intervention), die Lösungen zu bestimmten Themen vermitteln; „hand-on-experts“, die eine Macher*innenrolle einnehmen und durch eigene Handlungen Vorbildcharakter für andere Personen haben; und es gibt die Rolle der Partner*innen (höchste Form der Intervention), in der gemeinsam gearbeitet und gemeinsam voneinander gelernt wird (Champion et al., 1990).

Doch gerade diese im ZFD vorgesehene begleitende Rolle der Fachkräfte wird von manchen lokalen Partner*innen bemängelt, da den Fachkräften somit nur ein sehr geringes Mandat zukommt und es so wirken kann, als würden sie wenig beisteuern. „CPS worker should not feel that he or she is only an observer but make a contribution and start to work from there“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Andere lokale Partner*innen schätzen gerade deswegen den ZFD so sehr, da sie so mehr Ownership über die Arbeit haben und sie fordern diese beratende Rolle in Gesprächen immer wieder ein. „Internationals should see how to support but not how to drive“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia); „CPS advisors role is just to advice and should not be extended this role“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia); „Teach us how to fish and don’t give us the fish“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Somit hat eine Fachkraft die eigene Rolle definiert als: „Fachkräfte sind Consultants, Labertaschen ohne Projektpower“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia). Diese Unklarheit rührt sicherlich auch daher, dass die eigentliche Idee einer beratenden Rolle von Entwicklungshelfer*innen die ist, von außen zu beraten, sich wieder zurückzuziehen und nicht weiter an der Umsetzung beteiligt zu sein (Molitor, 2012). Die Vermischung von Beratung und enger Zusammenarbeit ist für alle Beteiligten ein Balanceakt. Denn ZFD-Fachkräfte können eine Vielzahl von Rollen wie zum Beispiel die als „technical advisor“, „reflective observer“, Gesprächsanstifter*in, Netzwerker*in, Trainer*in, Coach, Moderator*in oder Prozessbegleiter*in einnehmen. Oftmals lassen sie sich nicht klar voneinander abgrenzen (Pastoors, 2017, 442 ff.). Es kann auch immer wieder zu einem Wechsel zwischen den verschiedenen Rollen kommen, um sich an die jeweilige Situation anzupassen (Schultze-Gebhardt, 2016). Erstaunlicherweise sind diese unklaren Rollen im ZFD schon seit längerer Zeit bekannt, wie die Studie von Martin Quack (2009, S. 421) zeigt. Fraglich ist also, warum sich diese Rollenunklarheiten in den letzten Jahren nicht verbessert haben. Einige Fachkräfte, mit denen ich während der Forschung in Austausch stand, fanden es schwer, die beratende Rolle umzusetzen. Meine Umfrage unter Fachkräften zeigte, dass der Aussage, dass die Arbeit vor Ort ohne die eigene Unterstützung nicht die gewünschten Ergebnisse erreichen würde, 55 % komplett zustimmen oder zustimmen. Hier zeigt sich deutlich ein Rollenkonflikt. Kritsch wurde in Gesprächen zum Beispiel hinterfragt, wie man eine beratende Rolle einnehmen soll, wenn man nicht auch inhaltlich arbeitet. Für andere ist die eigene Rolle in dieser Frage vollkommen unklar: „[Hat eine] Fachkraft nur beratende Rolle oder [ist sie] auch da, um Sachen selber zu machen?“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia).

In den Interviews, welche ich in Deutschland geführt habe, wurde folgende Aussage immer wieder deutlich hervorgehoben:

„Grundsatz ist, dass wir die Partner in ihrer Entwicklungsarbeit stärken wollen. Fachkräfte arbeiten deshalb integriert bei den Partnern. Die wesentlichen Entscheidungen müssen dort getroffen werden. Sinn der Sache ist, dass aus den Beiträgen der Fachkraft bei den Partnern ein Mehrwert entsteht“ (Interview BfdW Deutschland).

Auch wenn alle Fachkräfte eher beratend tätig sein sollen, lässt sich ein Unterschied zwischen integrierten und nicht integrierten Fachkräften feststellen (siehe dazu Abschnitt 4.4.2.1. Verständnis, Rolle und Aufgaben der Fachkräfte). Ein*e Interviewpartner*in in Deutschland fasste dies sehr treffend zusammen und stellte die verschiedenen Polaritäten dar:

„Es gibt die wirklich integrierten Fachkräfte, wie es sie bei der AGEH oder BfdW gibt, also dass Leute wirklich nur vermittelt werden, zwar einen Vertrag hier haben, aber ihr fachlicher Vorgesetzter in der Partnerorganisation ist […]. Und die andere Polarität ist, glaube ich, wie das Forum ZFD seine Rolle beschreibt. Sie haben ein regionales Büro und dort arbeiten sie dann mit verschiedenen Partnern zusammen und sagen, auch das Zusammenbringen von Partnern ist dann schon ein Teil der Aufgabe. Und das sind sehr unterschiedliche Partnerkonstellationen für die Fachkraft […]. Auch bei EIRENE und WFD sind sie klar schon integriert in den Organisationen, aber nicht unbedingt in die Arbeitsabläufe, es kommt sehr drauf an, da muss man von Fall zu Fall hingucken, dazwischen ist eine ganze Menge möglich. Ich glaube, aus Konfliktbearbeitungsperspektive macht beides Sinn. Es gibt sehr gute Gründe für beide Herangehensweisen. Die eine Position ist zu sagen, der Partner muss klar den Hut aufhaben. Auf der anderen Seite kann ich meine Rolle als Externe, wenn ich nicht in einer Parteiorganisation eingebunden bin, anders ins Spiel bringen“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).Footnote 4

Schon während der Interviews in Deutschland und bei Gesprächen mit Fachkräften während ihrer Vorbereitung wurde als Vorteil für nicht integriert arbeitende Fachkräfte insbesondere genannt, dass man von außen mit einer anderen Perspektive auf Dinge schaut: „[…] man sieht vielleicht auch ein paar Fallstricke, die sich die Organisation selbst manchmal auch machen“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Jedoch wurden auch Vorteile der Arbeit einer integrierten Fachkraft aufgeführt. So wurde hervorgehoben, dass

„es […] ein ganz anderes Arbeiten [ist], wenn eine Fachkraft in der Organisation ist. Was sie mitbekommt, wie sie sich damit identifiziert, wie sie diese Organisation beraten kann, weil sie sie besser versteht und durchdrungen hat, als wenn jemand von außen immer mal wieder mit der Organisation arbeitet“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Besonders während meiner Forschung in Kenia, wo sowohl integrierte als auch nicht integrierte Fachkräfte arbeiten, konnte ich feststellen, dass die oben ausgeführte beratende Rolle Fachkräften, welche nicht integriert arbeiten, oft leichter fällt. Dies liegt daran, dass sie eine gewisse Distanz zu den lokalen Organisationen haben und für bestimmte Themen zuständig sind. Integrierte Fachkräfte hingegen berichteten immer wieder davon, dass sie in den Organisationen, in denen sie arbeiten, eine Vielzahl von verschiedenen Aufgaben übernehmen (müssen) und sich ihre Rolle somit verlagert. Damit einher geht auch eine unterschiedliche Bedeutung von Machtdynamiken, die mit der Rolle einer Fachkraft zusammenhängen. Weil auch eine integrierte Fachkraft immer aus dem Globalen Norden stammt und somit ein Stück weit extern bleibt, ist ihrer Position eine gewisse Macht inhärent. Dies hat in der integrierten Arbeit mehr Bedeutung.

Für die verschiedenen Rollenverständnisse ist auch die Positionierung des ZFD und der Fachkräfte zu der Frage relevant, ob sie Geber*innen (Donor) sind. Insbesondere von den Interviewpartner*innen in Deutschland wurde vielfach betont, dass die Fachkräfte nicht als Geber*innen auftreten, sondern den Fokus in der Arbeit auf die Inhalte legen. Lediglich in einem Interview in Deutschland wurde kritisch angemerkt, dass dies nicht immer einfach ist. Denn in einigen Ländern sind viele Geber*innen mit mehr Geld aktiv und könnten potenziell mit den gleichen Organisationen zusammenarbeiten. Befragt man die Fachkräfte und lokalen Partner*innen hierzu, zeigt sich eine andere Wahrnehmung. Besonders lokale Partner*innen betonten, dass die Fachkräfte und der ZFD wie andere Organisationen auch Geberorganisationen sind. Dies zeigt sich beispielsweise in einigen Interviewaussagen: „CPS is the best donor, it is the mother of their activity“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia) oder „CPS is a donor but is doing it participatory and cooperate with so many partners“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Hier wird deutlich, dass sich der ZFD seiner extern wahrgenommenen Rolle als Geber nicht bewusst ist oder nicht bewusst sein will. Im ZFD fließen Gelder und Mittel, wodurch Abhängigkeiten und ein Geber*innen-Nehmer*innenverhältnis entstehen. Die Umsetzung erfolgt im ZFD jedoch anders als in einigen anderen Organisationen. Dennoch sind in der Folge gewisse Machtpositionen in der Arbeit vorhanden. Weil die Träger*innen des ZFD aus Deutschland für die Finanzierung durch das BMZ zuständig sind, haben sie mächtigere Positionen und können Entscheidungen über Finanzierungen treffen.

Wie die Geschichte und die Ausführungen gezeigt haben, sind die Rollenerwartungen an Fachkräfte vielfältig. Sehr unterschiedliche Meinungen und Auffassungen herrschen inbesondere zu den Fragen, welche Aufgaben übernommen werden sollen, ob es sich um eine beratende Rolle oder mehr handelt, inwieweit Integration gelingt und welche Perspektive auf die Rolle als Geber*innen eingenommen wird. Die Rollenerwartungen ergeben sich teilweise aus unterschiedlichen persönlichen Erwartungen und Haltungen, jedoch auch aus ungleichen Herangehensweisen der beteiligten Organisationen und einer nicht immer eindeutigen Kommunikation über die jeweiligen Rollen. Wie Gespräche und Beobachtungen deutlich gezeigt haben, sind den Beteiligten ihre Rollen und die damit einhergehenden Machtdynamiken selbst nicht immer klar. Trotz teilweise langjähriger Zusammenarbeit gibt es immer wieder lokale Partner*innen, denen die Rolle der Fachkräfte unklar ist: „CPS advisors [as non-ingetrated personell] have an unclear role, often feels like they just observe. Not sure what the support should be“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Auch bei integriert arbeitenden Fachkräften wurde oft betont, dass die Rollen und vor allem die Befugnisse nicht definiert sind:

„Having a CPS advisor needs to be clear if advise is only on CPS projects or on all projects/ organization. Not so sure from CPS side, it must be very clear in what they advise for example in conflict context they do not need advisors but maybe on tools and institutional strengthening“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Auch für die Fachkräfte selbst ist ihre Rolle nicht immer eindeutig. Oder es gibt zu viele Aufgaben, die von der eigentlichen Aufgabenbeschreibung abweichen: „Oft muss man sich entscheiden, ob die Menschen in der Partnerorganisation etwas lernen sollen oder ob das Projekt vorangebracht werden soll“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Gerade zu Beginn der Arbeit herrscht laut einer Umfrage unter den Fachkräften besonders große Unsicherheit darüber, wie die Arbeit aussieht. Der Aussage, dass von Beginn an klar war, wie die eigene Arbeit aussehen wird, stimmten nur 9 % zu oder komplett zu. Darum sind die weiter oben beschriebenen Monate der Eingewöhnung und des Zurechtfindens besonders wichtig. Diese fehlende Klarheit wirkt sich auch auf die Erwartungshaltung an den ZFD aus. So stimmen nur 65 % der Fachkräfte und Mitarbeitenden von lokalen Organisationen der Aussage, dass die eigenen Erwartungen an die eigene Arbeit erfüllt wurden, zu oder komplett zu. Der Aussage, dass die eigenen Erwartungen an den ZFD erfüllt wurden, stimmen 51 % komplett zu oder zu. Somit zeigt sich, dass unklare Rollen und unklare Aufgaben langfristige Auswirkungen haben können. Wie andere Forschungen es beschreiben, können sie sich auch negativ auf den Friedensprozess auswirken (Hellmüller, 2018, Kapitel 5).

In diesem Zusammenhang wurde auch geäußert, dass Fachkräfte zum Teil in eine Rolle hineingedrängt werden. Jemand berichtete, dass er*sie sich selbst als Person sieht, die gerne die Ärmel hochkrempelt und nicht gern als Redner*in auftritt. Von der „deutsche[n] Trägerorganisation“ aber werde er*sie in diese Rolle gedrängt und habe das Gefühl, nicht gewollt zu sein. Manche Personen kommen als mitausreisende*r Partner*in in das Land und der oder die Partner*in arbeitet als Fachkraft vor Ort. Während meiner Forschung haben mir zwei solche Partner*innen berichtet, dass für sie aus dieser Situation heraus eine Stelle als Fachkraft geschaffen wurde. „Dazu wurde von der Koordination mein CV geändert, in einem Maße, dass ich mich selbst nicht mehr wiedererkenne“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia). So kommt es zu falschen Erwartungen bei den lokalen Partner*innen, die an die Fachkraft andere Rollenerwartungen stellen. Allen gemein ist der Wunsch nach eindeutig definierten Rollen, teilweise nach klareren Strukturen und Vorgaben, weil sie zu einem partnerschaftlichen Arbeiten beitragen: „Structures and roles need to be clearer than they are now. It should not be two parties but one cooperation“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). An diesen Beispielen zeigt sich deutlich die handlungsmächtige Position der ZFD-Träger*innen in Deutschland, die über Positionen und Rollen der Fachkräfte entscheiden können. Dies betrifft zwar ein Angestelltenverhältnis, in dem eine solche Handlungsmacht naturgemäß vorkommt. Doch ist hier ein differenzierter Blick erforderlich, da sich der ZFD als partnerschaftlich arbeitend definiert und diesen Anspruch auch in Bezug auf die Fachkräfte verwirklichen will.

Rollen und Aufgaben von Fachkräften können vielfältig sein. Sie können sich während der Zeit im Projekt verändern oder durch unterschiedliche Erwartungen von einem selbst oder von außen angepasst werden. Einher mit der Rolle als Fachkraft geht eine machtvolle Position, die bei der Ausdifferenzierung der Rolle ebenfalls wichtig ist. Im Folgenden werden positive und negative Effekte von Fachkräften skizziert, die eine Folge der unterschiedlichen Rollenerwartungen sind. Es werden die Rollen beschrieben, die Fachkräfte einnehmen können und es wird diskutiert, wie sie zustande kommen und welchen Einfluss sie auf ein Programm wie den ZFD haben.

8.2.2 Positive Effekte einer Fachkraft

Die Geschichte

In einer Provinzhauptstadt steht ein großes, gut bewachtes Haus. Schon beim Vorbeifahren fällt es direkt auf. Betrachtet man das Haus näher, wird klar, dass es dem örtlichen Paramount-Chief gehört. Eine Person, die durch das traditionelle, aber auch politische Amt vor Ort über viel Macht und Einfluss verfügt. Nachdem wir – eine Fachkraft, ein*e Mitarbeiter*in der lokalen Organisation und ich – zwei Tage in ländlichen Gemeinden unterwegs waren und dort viel über die Probleme der Bevölkerung erfahren haben, besuchen wir nun den Paramount-Chief, um ihm davon zu berichten. Diese Aufgabe versteht die lokale Organisation als Teil ihrer Arbeit und Verantwortung. Wir haben keinen Termin, beziehungsweise kündigen uns nur kurz vorher per Telefon an. Diese Entscheidung wurde bewusst getroffen. Der Fachkraft zufolge haben die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt, dass der Paramount-Chief sonst „spontan weg musste“, wenn der Termin stattfinden sollte. Zusätzlich wurde telefonisch ein*e Mitarbeitende*r einer lokalen Firma, auf die*den viele Probleme der Gemeinden zurückgehen, zu dem Treffen gebeten. Diese Person war für die Kommunikation und Verhandlungen zwischen den Gemeinden und der Firma zuständig. Wir werden in das Haus eingelassen und obwohl noch andere Personen warten, werden wir direkt vorgelassen. Das Gespräch wird von der*dem Mitarbeitenden der lokalen Organisation geführt. Gleich zu Beginn wird betont, dass die Besuche in den Gemeinden ein Teil der Arbeit des ZFD sind, dass die Fachkraft dabei ist und in Deutschland darüber informieren wird, dass ich als Forscherin teilnehme und darüber berichten werde. Im weiteren Gespräch wird betont, dass sich Deutschland für die Belange und Probleme der Menschen vor Ort interessiert und die Handlungen der Firma kritisch betrachtet. Wie ich nach dem Gespräch erfahre, wurde diese Strategie gewählt, um sowohl auf die Firma als auch auf den Paramount-Chief einen gewissen Druck auszuüben. Denn Personen aus dem Ausland hätten eine andere Wirkung und würden die Wichtigkeit der Problemlage hervorheben. Grundsätzlich ist es die Aufgabe des Paramount-Chief, auf die Probleme der Menschen einzugehen und Lösungen zu finden. Während des Gesprächs aber kann keine klare Einigung für die Probleme gefunden werden. Vielmehr stimmt der Paramount-Chief immer wieder dem/der Firmenvertreter*in zu. Dennoch zeigen sich im anschließenden Auswertungsgespräch die Fachkraft und der*die Mitarbeitende der lokalen Organisation zufrieden. Sie hätten keine gute Lösung erwartet, da der Paramount-Chief von der Firma profitiert und mit ihr eng zusammenarbeitet. Vielmehr war es darum gegangen, darauf aufmerksam zu machen, dass sie weiterhin an den Problemen arbeiteten.

Meine Rolle als Forscherin

In dieser Situation ist meine Rolle als Forscherin eindeutig kritisch zu sehen. Meine Anwesenheit beim Paramount-Chief wurde vor ihm besonders betont. Es wurde hervorgehoben, dass ich über die Probleme der Bevölkerung und seine Rolle schreiben werde und also die Welt davon erfahren wird. Dadurch wurde mir als weiße Forscherin aus dem Globalen Norden alleine durch meine Herkunft und meine Arbeit eine mächtige Position zugeschrieben. Dies geschah, wie ich erfuhr, nicht etwa in der Erwartung, dass ich dies wirklich alles tun werde, sondern um den Druck auf ihn zu erhöhen. Ob sich der Paramount-Chief davon hat beeinflussen lassen, ist schwer zu sagen. Während des Gesprächs habe ich nichts gesagt oder dazu beigetragen, sondern nur zugehört. Im Schreibprozess habe ich mich entschieden, die Geschichte zu erzählen. Ob ich mich genau für diese Geschichte entschieden habe, weil die Bitte an mich herangetragen wurde oder weil sie den vermeintlich positiven Effekt einer Fachkraft sehr gut beschreibt, habe ich für mich reflektiert. Die Antwort liegt wohl dazwischen. Beide Faktoren haben die Auswahl der Geschichte beeinflusst.

Reflexion und kritische Diskussion

Wie die geschilderte Situation sehr deutlich zeigt, wurde die Fachkraft zu dem Treffen beim Paramount-Chief mitgenommen, um Druck auf ihn auszuüben. Die Fachkraft repräsentiert dabei die internationale Gemeinschaft, die Geber*innenlandschaft und Deutschland. Es wird davon ausgegangen, dass ihre bloße Präsenz und die Betonung des internationalen Interesses an der Arbeit und der Thematik beim Paramount-Chief dazu führt, sich mit den Problemen zu beschäftigen oder sie sich zumindest anzuhören. Insofern wird der Fachkraft eine machvolle Position aufgrund seiner*ihrer Herkunft zugeschrieben und nicht etwa aufgrund bestimmte Kompetenzen. So wird ersichtlich, wie sehr sich Machtdynamiken verfestigt haben und ein Bestandteil der Arbeit geworden sind. Obwohl in dem Gespräch keine Lösung für das Problem gefunden wurde, zeigte sich der*die lokale Mitarbeitende sehr zufrieden, angehört worden zu sein, was nicht immer selbstverständlich ist. Sowohl die Fachkraft als auch der*die lokale Mitarbeitende fand das Vorgehen nicht ungewöhnlich. Die Vorteile, die Fachkräfte mit sich bringen, könnten sehr gut für solche Zwecke genutzt werden. Darin sahen sie nichts Negatives. Auch wenn die Fachkraft die Situation und die Arbeit vor Ort positiv beeinflusst, wird sehr deutlich, welche Rolle Macht bei Nord-Süd-Dynamiken im ZFD spielt. In der Situation wird die Fachkraft als Vertreter*in des Globalen Nordens in eine Position gehoben, die so mächtig ist, dass sogar der Paramount-Chief vor Ort sich mit dem Anliegen befassen muss. Die Fachkraft wird so über den*die lokale*n Mitarbeitende*n gestellt, welche*r über das eigentliche Fachwissen verfügt. Es wird mit einem Machtungleichgewicht in der Friedensarbeit agiert, um eigene Ziele zu erreichen. Dies ist sicherlich nicht verwerflich, da die involvierten Personen ein Teil des Systems sind. Kritisch ist, dass weder die Handlung noch die Implikationen reflektiert werden.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Die ZFD-Fachkräfte werden in ihrer Arbeit nicht nur von den Menschen vor Ort als positiver, internationalisierender Faktor wahrgenommen. Vielmehr ist dieser Aspekt ihrer Arbeit auch durch das Gemeinschaftswerk ZFD festgeschrieben. Dort sind ZFD-Fachkräfte bewusst als Ausländer*innen definiert, die durch ihre spezifische Rolle mit Gruppen oder Personen arbeiten oder dort vermitteln können, wo es die lokalen Personen nicht können. Somit wird ihre Herkunft als positives Faktum interpretiert: „ZFD-Fachkräfte leisten durch ihre Herkunft […] wertvolle Beiträge zur Vernetzung, besonders international“ (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. 1). In der wissenschaftlichen Literatur gelten Fachkräfte als Vertreter*innen der Weltöffentlichkeit, die über symbolisch-moralische Macht verfügen und in deren Arbeit es zu Zuschreibungen von politischer und wirtschaftlicher Macht kommt (Evers, 2007, S. 155). Berichtet wird in der Literatur zudem oftmals von einer „quasi natürlichen Autorität und Expertise“ (Ziai, 2013, S. 18) von externen Friedensfachkräften, die sich allein durch einen europäischen Pass oder ihre weiße Hautfarbe ergibt. Diese festgeschriebene Hierarchisierung der Hautfarbe der Fachkräfte – die nicht unbedingt weiß sein muss, nur weil sie aus Deutschland kommt, was in den ZFD-Ausführungen aber wohl vergessen wird – hebt die Fachkraft automatisch in eine machtvolle Position. Es werden Hierarchien in der Zusammenarbeit gebildet und das Credo „Arbeit auf Augenhöhe“ (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. S. 3) wird direkt obsolet. Augenhöhe ist hier ein regelrechter Trugschluss. Diesen Trugschluss machen sich viele lokale Organisationen zunutze. Und zwar, indem sie – wie beispielsweise in der eingangs geschilderten Geschichte – Fachkräfte zu Treffen mitnehmen, bei denen ein „internationales Gesicht“ einen positiven Effekt bewirken kann. In der wissenschaftlichen Literatur wird vielfach argumentiert, dass so „die Friedensfachkraft […] von den Einheimischen mit Macht im Vorschuss ausgestattet“ (Kurschat, 2000, S. 65) wird. Auf Grundlage meiner Beobachtungen und Gespräche bezeichne ich dies nicht als Machtvorschuss, sondern als gezielten Nutzen, den die Fachkräfte und der ZFD mit sich bringen. Dies untermauert zum Beispiel die folgende Aussage: „International partners and local NGOs value you more if you bring the CPS personnel as it is additional knowledge – they learn directly. That is not something bad, it just adds value for the institution and everybody wants to benefit“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Wenn die Internationalität einer Fachkraft gezielt von den lokalen Partner*innen genutzt wird, ist dies sicherlich als positiv einzustufen. Die lokalen Partner*innen machen sich die Situation, die sie vorfinden, zunutze und verschaffen sich einen Vorteil. Jedoch muss dies in jeder Situation genau analysiert werden. Denn erfolgt diese bewusste Nutzbarmachung nicht, kann schnell der Eindruck entstehen, dass die Fachkraft aufgrund ihrer Herkunft den lokalen Akteur*innen übergeordnet ist. Dass sie alleine durch ihre*seine Anwesenheit beeinflusst, wer Aufmerksamkeit erhält und so auf die Realitäten vor Ort (auch negativ) einwirken kann (Barnett & Weiss, 2008, S. 42). Beispielsweise, wenn durch ihr Auftreten Hoffnungen auf Gelder oder Arbeit erweckt werden (Auer-Frege, 2003, S. 267).

Neben der Internationalisierung können jedoch auch noch andere positive Effekte der Arbeit einer Fachkraft genannt werden. Generell scheint unter den Partner*innen Zufriedenheit mit der Arbeit der ZFD-Fachkräfte verbreitet. Der generellen Aussage, dass die internationalen Kolleg*innen fähig sind, ihre Arbeit zu machen, stimmen 21 % der Mitarbeitenden lokaler Organisationen komplett zu und 45 % stimmen zu. Neben der Internationalisierung nennen Mitarbeitende der lokalen Organisationen am häufigsten den Aspekt, dass sie persönlich etwas von der Fachkraft gelernt haben oder sich durch diese in der Organisation etwas zum Positiven gewandelt hat. Dies geschieht nach Aussagen der Personen vor Ort aus den folgenden Gründen: 1) Die Fachkräfte sind in der Regel sehr gut ausgebildet, haben einen hohen Bildungsabschluss und Arbeitserfahrung, die sie weitergeben können; 2) die Fachkräfte haben eine hohe Arbeitsmoral, welche auch immer wieder als deutsche Arbeitsmoral bezeichnet wurde und als sehr effizient eingestuft wird; 3) durch die Fachkraft werden neue Dinge ausprobiert und Denkanstöße gegeben. „He*She challenges the co-workers to try new things and push you beyond your comfort zone“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Begründet wurden diese positiven Effekte oftmals mit dem partnerschaftlichen ZFD-Ansatz. Insbesondere aber wurde hervorgehoben, wie sehr es auf die Individuen ankommt, ob man miteinander gut zusammenarbeiten kann und ob es ein gegenseitiges Verständnis gibt. Dann kann es zu einem sehr engen Verhältnis kommen, wie das folgende Zitat zeigt: „CPS worker has blended in and feel like a Kenyan father/mother and is leading the organization. He*She plays a major role and it would work different without him*her“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Trotz einer generellen Zufriedenheit mit der Arbeit der Fachkräfte, kam immer wieder die Frage auf, warum externe Fachkräfte gebraucht werden und ob die Arbeit nicht auch von lokalen Mitarbeitenden ausgeführt werden könnte. Dies wird sehr ambivalent diskutiert, da auch die Machtdynamiken und die Frage, wie weit Partnerschaft stattfindet, eine Rolle spielen. Der Aussage, dass die Idee der internationalen Fachkraft überholt ist und restrukturiert werden sollte, stimmen 14 % komplett zu, 16 % stimmen zu, 16 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 30 % stimmten der Aussage nicht zu, 19 % stimmen gar nicht zu und 5 % wissen es nicht (die Angaben beziehen sich auf Zustimmung oder Ablehnung sowohl von Fachkräften als auch von lokalen Mitarbeiter*innen). Dieses gemischte Bild verdeutlicht die verschiedenen Meinungen zu diesem Aspekt. In der Regel wurden in der Diskussion die folgenden Vorteile von externen Fachkräften aufgeführt: Sie bringen ein globales Verständnis, neue Ideen und einen externen Blick auf Situationen und Konflikte in die Organisation. Alles Aspekte, in denen sich die in Kapitel 2 geschilderten Merkmale einer mächtigen Rolle von externen Akteur*innen wiederfinden. Folgende Argumente wurden genannt, die für eine verstärkte Einstellung lokaler ZFD-Fachkräfte sprechen: Sie können besser mit den Menschen vor Ort kommunizieren, sie kennen die lokalen Gesetze besser und verstehen die kulturellen Hintergründe. Besonders in Kenia, wo es immer schwieriger wird, Arbeitserlaubnisse für internationale Mitarbeitende zu erhalten, wurden vermehrt auch lokale ZFD-Fachkräfte nicht nur zur administrativen Arbeit eingestellt. Wie mir in einem Interview berichtet wurde, ist dies jedoch nicht so einfach. Denn das ZFD-Programm ist eigentlich nicht darauf ausgerichtet und entsprechend ist in den Projektanträgen viel Erklärungsarbeit gegenüber dem BMZ zu leisten. So entstehen immer öfter gemischte Teams. Gerade diese Art der Zusammenarbeit als gleichberechtigte Kolleg*innen wurde insbesondere von lokalen Mitarbeitenden immer wieder gewünscht, weil auf diese Weise das Machtungleichgewicht langsam abgebaut werden kann. „There is beauty in diversity and that should be celebrated in the CPS, beyond skin color or nationality“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

8.2.3 Negative Effekte einer Fachkraft

Die Geschichte

Für etwa 15 Jugendliche und junge Erwachsene wird ein Workshop organisiert. Darin sollen verschiedene Inhalte vermittelt werden, die zu der inhaltlichen Ausrichtung der Jugendlichen passen, die sonst praxisnah in dieser Gruppe an ähnlichen Inhalten arbeiten. Der Workshop wurde von einer Fachkraft zusammen mit einer Person aus der lokalen Organisation vorbereitet und gemeinsam durchgeführt. Die Teilnehmenden treffen nach und nach ein und das Programm kann beginnen. Den größten Teil des Programms übernimmt der*die Mitarbeitende der lokalen Organisation. Nach einer Begrüßung wird ein kurzer inhaltlicher Input gegeben. Es werden einige Diskussionsfragen gestellt, welche in Kleingruppen und in der großen Gruppe besprochen werden. Die Diskussionen werden dann von erneuten inhaltlichen und theoretischen Inputs unterbrochen und strukturiert. Dabei finden die Inputs in einer Mischung aus der englischen und der lokalen Sprache statt. Den letzten Teil des Workshops übernimmt die Fachkraft. Für diesen Teil werden verschiedene Bilder ausgelegt und die Teilnehmenden sollen sich zu den Bildern positionieren und diese reflektieren. Hierbei erfolgt die Anleitung auf Englisch. Nachdem keine*r der Jugendlichen eine Reaktion auf die Anleitung zeigt, wird klar, dass die Aufgabe nicht verstanden wurde. Deswegen findet eine Übersetzung durch die*den lokale*n Mitarbeitende*n statt. Daraufhin starten die Teilnehmenden mit der Auswahl der Bilder und beginnen anschließend mit den Präsentationen. Einige präsentieren auf Englisch, andere in ihrer lokalen Sprache oder mit einer Mischung. Bei einigen Präsentationen gibt es Gelächter oder Rückfragen und Diskussionen entstehen. Diese können aufgrund der Sprachbarriere nicht von der Fachkraft aufgefangen werden. Somit muss wieder die*der lokale Mitarbeitende übernehmen. Nach dem Workshop findet ein gemeinsames Feedbackgespräch zwischen den beiden statt, die den Workshop durchgeführt haben. Wie sich herausstellt, sind solche Situationen schon öfter vorgekommen. Die*der lokale Mitarbeitende stellt den wirklichen Nutzen der Inputs der Fachkraft in Frage, weil sie sprachlich von den Teilnehmenden nicht verstanden werden, sie sich in ihren Antworten gehemmt fühlen und sich allgemein anders verhalten, wenn die Fachkraft anwesend ist, weil sie sie beeindrucken wollen. Die Fachkraft äußert ihr Verständnis über die Situation, betont jedoch, dass dies Teil der Arbeitsaufgabe ist.

Meine Rolle als Forscherin

Ich habe als aktive Teilnehmerin an dem Workshop teilgenommen. Ich wurde von dem*der lokalen Mitarbeitenden dazu angehalten, in Kleingruppen mitzudiskutieren und mir wurde immer eine Person oder Gruppe zugewiesen, von der für mich übersetzt werden konnte. Auch an der Übung der Fachkraft habe ich teilgenommen und diese verstanden, mich jedoch zurückgehalten und nicht mit der Übung begonnen, als ich gemerkt habe, dass die anderen Teilnehmenden diese nicht verstehen. Allgemein lässt sich feststellen, dass ich in dieser Situation auf jeden Fall einen Einfluss auf das Feld hatte. Dadurch, dass mir bestimmte Personen in Kleingruppen zugewiesen wurden, wurde die natürliche Gruppendynamik aufgebrochen. Da wie bereits erläutert schon die Anwesenheit der Fachkraft das Verhalten der Jugendlichen verändert, ist davon auszugehen, dass meine Anwesenheit, also die einer fremden Person, die Jugendlichen ebenfalls beeinflusst hat. Dennoch habe ich mich entschieden, in der Situation zu bleiben. Hätte ich den Workshop verlassen, hätte sich dies negativ ausgewirkt und als respektlos gegolten. Mich im Vorfeld gegen den Workshop zu entscheiden, wäre sicherlich eine Möglichkeit gewesen. Doch habe ich mich auch deswegen dagegen entschieden, weil ich die Situation vorher nicht in vollem Umfang einschätzen konnte. Meine Teilnahme an dem Workshop wurde mir von Mitarbeitenden der lokalen Organisation nach einigen Gesprächen angeboten und als bedenkenlos eingestuft. In meiner Forschung ist es mir wichtig, auf die lokalen Stimmen zu hören und die Personen in der Forschung ernst zu nehmen. Deswegen habe ich mich für eine Teilnahme entschieden. Diese habe ich im Anschluss mit der Fachkraft und dem*der lokalen Mitarbeiter*in reflektiert. Wie sie meinten, hätte ich keinen größeren zusätzlichen Einfluss gehabt, da ohnehin die Fachkraft anwesend war.

Reflexion und kritische Diskussion

Die Situation zeigt deutlich, vor welchen sprachlichen Herausforderungen eine Fachkraft stehen kann. Die Fachkraft plant und bereitet die Arbeit beziehungsweise den Workshop zusammen mit einer Person aus der lokalen Organisation vor. Sie könnte ihn auch allein durchführen, doch wird sie*er von den Jugendlichen, der Zielgruppe des Workshops, nicht komplett verstanden, da sie dann auf Englisch stattfindet, das nicht alle Jugendlichen verstehen oder sprechen. Aufgrund von Sprachbarrieren kommt es immer wieder zu Missverständnissen oder dazu, dass an Aktivitäten nicht teilgenommen wird. Dies kann durch den*die lokale*n Mitarbeiter*in aufgefangen werden. Jedoch bedeutet dies gleichzeitig mehr Arbeit für diese Person und führt zu Verwirrungen bei den Jugendlichen. In der beschriebenen Situation haben sowohl die Fachkraft als auch der*die lokale Mitarbeiter*in sehr professionell reagiert und die Situation gut aufgefangen. Aber in der Nachbesprechung wurde klar, dass dies deshalb so gut funktionieren konnte, weil es schon öfter vorgekommen ist. In Bezug auf die Sprachbarriere sind sie also ein eingespieltes Team. Gleichzeitig wurde in der Nachbesprechung deutlich, dass der*die lokale Mitarbeiter*in den Sinn der Arbeit der Fachkraft bei den Workshops in Frage stellt. Und zwar nicht nur aufgrund der Sprachbarriere, sondern auch weil die Jugendlichen durch die Anwesenheit der Fachkraft gehemmt sind und nicht so frei diskutieren. Dies ist eine sehr elementare Kritik. Sie ist aber nicht zwangsläufig auf die Fachkraft persönlich zurückzuführen. Sie gilt vielmehr der ZFD-Arbeit, in der, auch wenn es nicht die Grundidee ist, die Fachkräfte direkt bei der Umsetzung und Implementierung von Maßnahmen mitwirken. Fraglich ist, inwieweit sich die Fachkräfte dieses negativen Einflusses bewusst und bereit sind, deshalb ihre Arbeitsweise zu verändern. In diesem Fall zeigte sich die Fachkraft zwar verständnisvoll, wollte aber an der eigentlichen Aufgabe festhalten. Sie hat somit ihre eigene Arbeitsweise über das Wohlergehen der Jugendlichen während dieser Arbeit gestellt, wodurch sich deutlich ihre mächtigere Position äußert. Er*Sie entscheidet sich bewusst, so weiterzuarbeiten und nutzt eine handlungsmächtige Position aus beziehungsweise reflektiert sie nicht und sucht auch nicht nach Alternativen.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Allgemein liegt der Arbeit des ZFD der Do-no-Harm-Ansatz zugrunde, siehe dazu auch Abschnitt 4.4.1. (Historische Entwicklung und Ziele des ZFD). So wird vom BMZ definiert, dass der ZFD sich kontextbezogen und auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten engagiert, sich mit Zielkonflikten auseinandergesetzt wird, verlässliche Ziele formuliert werden, Risiken und der Umgang mit ihnen bekannt sind, explizit das Konzept des Do-no-Harm angewendet wird, die Arbeit auf die lokalen Strukturen zugeschnitten ist und schnelle Projekterfolge, aber immer mit langfristigen Perspektiven ermöglicht werden (BMZ, 2013, 16 ff.). Somit geht es im ZFD und damit auch in der Arbeit der Fachkräfte darum, dass der Kontext vor Ort verstanden wird. Es müssen aber auch die Interventionen und Interaktionen in dem Kontext verstanden werden und das eigene Handeln muss nach diesem Verständnis ausgerichtet werden (Anderson, 1999).Trotz dieses Ansatzes kann es nicht gänzlich verhindert werden, dass die Arbeit oder schon die Anwesenheit einer ZFD-Fachkraft einen negativen Effekt hervorruft. Dies kann schon durch die bloße Anwesenheit einer externen Person in einer bestimmten Situation geschehen oder auch durch bewusste Handlungen herbeigeführt werden. In der Literatur lassen sich verschiedene Bereiche des negativen Einflusses von Friedensfachkräften finden. Zum Beispiel die Verschlechterung oder vertiefte Trennung von Konflikt-oder Akteur*innengruppen, das Aufkommen von Gefahrensituationen für Teilnehmende an Friedensaktivitäten, das Verstärken von (struktureller) Gewalt, das Ausnutzen oder falsche Nutzen von Ressourcen, fehlende Agency, Arbeit nur aus Selbsterhaltungswillen oder die Entmachtung von lokalen Personen (Anderson & Olson, 2003, 21 ff.).

Dieser negative Effekt wurde in der obigen Geschichte unter anderem am Beispiel der Sprache deutlich. Sprache stellt für die Fachkräfte im ZFD einen entscheidenden Schlüssel zur Kommunikation und Durchführung ihrer Arbeit dar. Wird eine Sprache nicht in dem Ausmaß beherrscht, dass damit gearbeitet werden kann, stellt sich die Frage, mit welcher Legitimität die Fachkraft diese Arbeit trotzdem durchführt. Hier zeigt sich deutlich die mächtige Position der Fachkraft. Weil es eine fortgesetzte Überlegenheit der Friedensfachkräfte (Rolle als Expert*innen, Geldgeber*innen, weiße Europäer*innen, …) gibt und sie von ihnen zunehmend verinnerlicht wird, kann es dazu kommen, dass diese strukturelle Macht gegenüber den Menschen vor Ort zum Vorteil der Fachkräfte genutzt wird (auch unbewusst) (wfd, 1999, S. 5). Sprache ist sicherlich nur ein Aspekt, der Herausforderungen in der Arbeit von Fachkräften mit sich bringen kann und sich dann wiederum negativ auf die Arbeit mit den Zielgruppen auswirkt. Im Folgenden werden noch einige weitere negative Effekte aufgeführt und kritisch diskutiert. Die lokalen Mitarbeitenden vor Ort erwähnten neben der Sprache vor allem zwei Punkte: zum einen Aspekte rund um das Thema Geld und zum anderen die Integration und das kulturelle Verständnis von Fachkräften.

Generell begrüßten die meisten im ZFD involvierten Personen in Kenia, Liberia und Sierra Leone, dass über den ZFD Gelder in die lokalen Organisationen fließen. Doch überall, wo Geld eine Rolle spielt, spielt auch Macht eine Rolle (wfd, 1999, S. 19). Dies äußert sich in den ZFD-Projekten auf unterschiedliche Art und Weise. Zum einen steigt die Erwartungshaltung von Personen, die an Aktivitäten der lokalen Organisationen teilnehmen, wenn der ZFD involviert ist. „If they go to the communities it can be a hindrance as there are perceptions that they will bring money“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Dies geschieht zum Beispiel schon allein durch das Auftreten der ZFD-Fachkraft in einem Auto der CSOs, wodurch die Aufmerksamkeit auf die Person gelenkt wird. „The frequent sight of costly sports utility vehicles (SUVs) on dirt roads, in which IGO and NGO personnel are chauffeured and shielded behind tinted glass, highlights how disconnected NGOs can be from the masses they are supposed to serve“ (Carey, 2012, S. 11). Dieses Auftreten wurde bereits in Kapitel 2 deutlich beschrieben und lässt sich im ZFD immer wieder finden. Es stellt sich die Frage, inwieweit der Do-no-Harm-Ansatz des ZFD durch dieses Auftreten und den Lebensstil der ZFD-Fachkräfte eingehalten werden kann oder ob beides nicht von Grund auf konträr zueinander steht. Dazu reflektierte eine*r der lokalen Partner*innen: „You do harm, even by the way you show up for example drinking bottled water in a water project or drive with a lot of new cars and then telling you do not have any money for projects“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Sicherlich kann hier argumentiert werden, dass das Wohlergehen der Fachkräfte eine wichtige Rolle spielt und sie sich, auch wenn sie integriert arbeiten, nicht völlig an den lokalen Lebensstil anpassen können. Dennoch ist es schwer, dieses Verständnis allen – zum Beispiel an ZFD-Projekten teilnehmenden Menschen – zu vermitteln. Personen in Gesprächen in den drei Ländern stellten sich oft die Frage, wofür die externen Personen benötigt werden oder ob das Geld nicht anders sinnvoller eingesetzt werden könnte. Im Zusammenhang mit dem Thema Geld wurde oft auch die Nachhaltigkeit erwähnt (siehe dazu ausführlich Abschnitt 8.6.2.). Vielfach wurde berichtet, dass Projekte aufgrund zu geringer oder abgebrochener ZFD-Finanzierungen nicht fertiggestellt werden konnten. Dass es aber auch keine weiteren Mittel gab, um dies aus eigener Kraft zu schaffen. Vereinzelt wurde des Weiteren betont, dass der ZFD aufgrund bestimmter Interessen, nämlich deutscher Interessen durchgeführt wird und die Fachkräfte als eine Art Handlanger*innen fungieren. „I do not see them as people doing what is really expected form them, often they have a bigger aspect behind their work. Often they have a hidden agenda“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Auch der ZFD ist also Teil der sogenannten Peace-Industry, die infolge der langjährigen finanziellen Unterstützung lokaler CSOs gewachsen ist (Fisher & Zimina, 2009, 25 f.; Schuller, 2012, S. 110; Weller & Kirschner, 2005, S. 25). Weil Frieden zu einem kommerziellen Gut geworden ist (Fahrenhorst, 2007, 83 f.), entstand eine Art Marktplatzsituation und es können verschiedene Dienstleistungen abgerufen werden. Diese Situation hat zwei Effekte: Erstens erfolgt kaum eine Orientierung an den Bedürfnissen der Akteur*innen im Globalen Süden (Ropers, 2001, S. 525), und zweitens passen lokale CSOs ihre Arbeit zunehmend den Wünschen der Geber*innen aus dem Globalen Norden an. Beide Effekte lassen sich (zum Teil jedoch abgeschwächt) auch im ZFD wiederfinden. Also ist der ZFD nicht frei von den Problemen, die im Rahmen einer Intervention durch externe Friedensakteur*innen entstehen können. Obwohl der ZFD andere Herangehensweisen hat und den Do-no-Harm-Ansatz verfolgt, ist er nicht frei von Machtdynamiken, die sich durch Gelder oder Personen manifestieren und in der Folge negative Einflüsse hervorrufen können.

Integration und kulturelles Verständnis sind gleichfalls oft genannte Aspekte, bei denen ein negativer Einfluss spürbar ist (was auch in der eingangs geschilderten Geschichte deutlich wird). Denn Fachkräfte haben „in den meisten Fällen nur sehr unzureichende Kenntnisse über die Kultur, die Lebensgewohnheiten und die Konflikthintergründe in den Gastgesellschaften“ (Auer-Frege, 2003, S. 267). Dies kann das Arbeiten erschweren und den tatsächlichen Nutzen der Arbeit minimieren. So wird deutlich, dass Fachkräfte vom ZFD mit inhärenter Macht ausgestattet werden. Sie lernen und arbeiten in einem Kontext, den sie in der Regel nur wenig kennen oder verstehen. Dennoch wird ihnen auf Grundlage anderer Kompetenzen zugetraut, effektive Arbeit zu leisten. Diese Position wird der Grundidee des ZFD zufolge dadurch abgeschwächt, dass die Fachkräfte – wie weiter oben beschrieben – als Lernende gesehen werden. Auch wenn die lokalen Partner*innen Lernerfolge feststellten, wurden doch vielfach Schwierigkeiten mit den Fachkräften benannt. Eine bezieht sich darauf, dass Fachkräfte mit einem bestimmten Wissen und Ideen in die jeweiligen Länder reisen. Dieses Wissen soll nutzbar gemacht werden, indem es den Akteur*innen vor Ort zu Verfügung gestellt und in deren Verantwortung gelegt wird (AGEH & Brot für die Welt, 2014, S. 9). Doch diese Übertragung funktioniert nicht immer gut.

„Knowledge of the expert needs to be transformed to the local context. You can take them to the field with a checklist and sit together and evaluate it. From there understand the context and develop the input. You need to go to the field and talk a lot, you cannot get that information in the offices“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Oftmals wurde betont, dass diese Herausforderung besonders bei älteren Fachkräften auftritt. Generell hieß es, dass diese Schwierigkeit daher rührt, weil Fachkräften das Verständnis für den lokalen Kontext fehlt. Sicherlich gilt das nicht für alle Fachkräfte. Allerdings lässt sich ein entsprechender allgemeiner Trend in der Wahrnehmung der Mitarbeitenden lokaler Organisationen aufzeigen. Der Aussage, dass internationale ZFD-Fachkräfte die lokalen Kontexte verstehen, stimmen 17 % zu, 45 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 28 % stimmten der Aussage nicht zu und 10 % wissen es nicht (Angaben nur von Mitarbeitenden lokaler Organisationen).

Viele Herausforderungen oder negativen Effekte einer Fachkraft hängen damit zusammen, inwieweit die Fachkraft vor Ort integriert ist. Denn im Fall einer gelungenen Integration könnten viele Probleme frühzeitig angesprochen werden. Bei einer Umfrage unter Fachkräften zur Frage, ob sie sich in ihren Arbeitsplatz integriert fühlen, stimmen 73 % komplett zu oder zu. Betrachtet man vergleichend die Einschätzungen von Mitarbeitenden lokaler Organisationen zu der Aussage, ob es einfach ist, die externe Fachkraft in das neue Arbeitsumfeld zu integrieren, zeigt sich, dass nur 38 % komplett zustimmen oder zustimmen. Die Integration von Fachkräften ist demnach kein einfaches Unterfangen. Der Bericht von zwei lokalen Organisationen, die ich in ihrer Arbeit begleitet habe, veranschaulicht diesen Eindruck: Sie haben zwar offiziell eine Fachkraft, doch weil sie diese schon lange nicht mehr gesehen haben, wurde sich darauf verständigt, dass die Fachkraft sehr selbstständig arbeitet. Dies war auch anderen in den ZFD involvierten Personen vor Ort bekannt. Die Fachkraft wurde oftmals einfach als „individual consultant“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone) bezeichnet. An diesem Beispiel wird deutlich, wie die Akteur*innen vor Ort ein für sich passendes Muster der Zusammenarbeit gefunden haben und produktiv mit dem Konzept der Frictions umgegangen sind. Anstatt weiterhin eng zusammenzuarbeiten, wurde eine losere Form der Zusammenarbeit gewählt, welche für die beteiligten Akteur*innen gut passt. Schwierig dabei ist jedoch, dass dies gegen die Vorgaben und Regularien des ZFD verstößt und streng genommen nicht förderungswürdig ist. Andere Organisationen haben das Problem, dass die Fachkraft nicht an dem Ort lebt, wo sie eigentlich integriert arbeiten soll. Dies hat unter anderem mit der Sicherheitslage vor Ort, aber auch mit persönlichen Präferenzen zu tun. Bei nicht integrierten Fachkräften ist dies häufig der Fall, bei integrierten Fachkräften jedoch eine große Herausforderung. Wie sich hier erneut zeigt, können Fachkräfte durch ihre Herkunft in bestimmten Kontexten nicht leben und arbeiten. Es stellt sich die Frage, warum dennoch mit dem Fachkräfte-Konzept weitergearbeitet wird. Es stellt sich das

„Problem, that the advisor doesn’t live in the city of the organization but in [name of the city] and that is a bit too far and can bring challenges, [he*she is] not really integrated. He*She often only comes for a short time and for events and they [the organization] feel like he*she is monitoring them“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Einige der lokalen Partner*innen sagen sogar aus, dass sie eigentlich gar keine Fachkraft integriert bei sich im Büro haben möchten:

„Don’t like the idea to have somebody with them in the office, due to previous experiences with other organizations. It is more work having them here, brings more requirements and gives more work, also they don’t understand the local contexts that can give more work“(anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Sie nehmen trotzdem eine Fachkraft auf, da sie davon ausgehen, dass es ein Pflichtteil des ZFD-Programms ist, das sie aufgrund der Finanzierung nicht aufgeben möchten. Immer wieder also entwickeln lokale Partner*innen eine Resilienz (Chandler, 2015) und es vollzieht sich gleichzeitig eine Aneignung (Ziai, 2015). Also die Fähigkeit, sich erfolgreich an externe Gegebenheiten anzupassen, die sie als Probleme oder Bedrohungen wahrnehmen oder auch an externe Maßnahmen, gegen die sie eigentlich sind (Chandler, 2015). Das bestätigt zum Beispiel folgende Umfrage: Der Aussage, dass es mehr Möglichkeiten für langfristige Finanzierungen ohne den Einsatz einer deutschen Fachkraft geben sollte, stimmen 22 % komplett zu, 31 % stimmen zu, 22 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 13 % stimmten der Aussage nicht zu, 5 % stimmen gar nicht zu und 7 % wissen es nicht. Diese Zustimmung zeigt deutlich, dass vor Ort die Bedarfe anders sind als es die ZFD-Realität darstellt. Oftmals sehen die lokalen Organisationen jedoch keine Möglichkeit, das zu kommunizieren oder sie trauen sich nicht, ihre Wünsche zu äußern, da sie Bedenken haben, aus dem ZFD ausgeschlossen zu werden. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die Träger*innen in einer machtvollen Position sind. Denn sie können Entscheidungen über den Einsatz von Fachkräften treffen, ohne dass diese von den lokalen Organisationen jeweils gewollt sind. Im Sinne des ZFD sollte hier stärker das Konzept der Partnerschaftlichkeit greifen. Die Mitarbeitenden der lokalen Organisationen sollten klar ihre Bedürfnisse und Wünsche formulieren können. Aber die Realität sieht anders aus. Denn es besteht in gewissem Maße ein Abhängigkeitsverhältnis, das diese erwünschte offene Kommunikation behindert. Zwar gibt es bereits die Möglichkeit, die lokale Partnerorganisation komplementär zu fördern, zum Beispiel, um bestimmte Voraussetzungen in einer Organisation, Infrastruktur, Weiterbildungen oder Unterstützung bei der Projektplanung, -entwicklung und -sicherung zu schaffen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 6). Doch dies findet nicht immer statt. Nicht alle Organisationen kennen diese Möglichkeiten. Oftmals besteht eher der Wunsch nach einer Finanzierung von Projekten und Stellen als nach einer Finanzierung der Organisation an sich. Auch gibt es die Möglichkeit, mit nicht integrierten Fachkräften zusammenzuarbeiten – eine Möglichkeit, über die, wie der Austausch mit den lokalen Organisationen gezeigt hat, nicht alle Bescheid wussten. Die Vorteile dieser Art der Zusammenarbeit wurden von einer nicht integriert arbeitenden Fachkraft so zusammengefasst:

„Not having a partner makes things more dynamic and you can react faster to challenges. You can have as well local subsidiary contracts, now with direct funding. That is even more time consuming, but you are more free and do not need to consult more people“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Durch diese Art der Zusammenarbeit fühlen sich viele lokale Organisationen in ihrer Autonomie gestärkt. Sie agieren freier und arbeiten nur dann eng mit dem ZFD zusammen, wenn für ein bestimmtes Projekt oder eine bestimmte Aufgabe Unterstützung benötigt wird. Gleichzeitig haben andere lokale Organisationen bemängelt, dass es bei dieser Art der Zusammenarbeit oft zu einem Arbeiten kommt, welches sehr losgelöst voneinander stattfindet. Letztendlich bleibt es eine persönliche Präferenz der lokalen Organisationen, welche Art der Zusammenarbeit mit dem ZFD sie vorziehen. Dazu ist jedoch mehr Austausch über die verschiedenen Möglichkeiten erforderlich.

8.2.4 Die Rolle von Koordinator*innen

Die Geschichte

Ich sitze mit zwei Fachkräften von zwei unterschiedlichen ZFD-Träger*innen in einem Café, wir haben uns an einem Nachmittag für ein lockeres Beisammensein getroffen. Nachdem wir das zweite Getränk bestellt und uns über politische Themen in dem Land ausgetauscht haben, kommen wir auf die Arbeit zu sprechen und vor allem auf die Rolle der Koordinator*in. Diese liegt im ZFD allgemein in der Unterstützung der Fachkräfte und Partner*innen, aber auch im administrativen Bereich und in der Vernetzung. Dabei berichtet eine*r der beiden Fachkräfte, dass er*sie immer unzufriedener mit der Arbeit vor Ort wird und um Hilfe und Dialog bei dem*der Koordinator*in gebeten hat, dort jedoch keine Hilfe erhalten hat. Die Fachkraft äußert, dass dies ihn*sie eigentlich wenig überrascht, da der*die Koordinator*in in der gesamten Zeit, in der er*sie als Fachkraft vor Ort ist, generell nur sehr wenig für den ZFD gemacht habe. Der*die Koordinator*in habe kaum Treffen organisiert, wenig mit dem anderen ZFD-Träger*innen kooperiert und sich auch nicht um die Fachkräfte gekümmert. Es fand nur eine unzureichende persönliche Einführung statt und die Parteiorganisation habe kaum Informationen erhalten. Trotz alledem würde der*die Koordinator*in Gelder des ZFD-Trägers für die Aufgaben kassieren und wäre somit korrupt. Aus diesen Gründen würde das Vertrauen in ihn*sie als Person fehlen. Das Problem des mangelnden persönlichen Vertrauens bestätigte die andere Fachkraft. Auch wenn er*sie für einen anderen ZFD-Träger*innen arbeitet und somit ein*e andere Koordinator*in zuständig ist, wurde das fehlende persönliche Vertrauen bemängelt. Zu Beginn der Tätigkeit als Fachkraft sei dies noch vorhanden gewesen und er*sie habe den persönlichen Austausch sehr geschätzt. Jedoch sei mit der Zeit eine Situation entstanden, in der die*der Koordinator*in immer nur die lokalen Partner*innen verteidigt und nicht mehr versucht habe, die Perspektive der Fachkraft zu verstehen und diese zu unterstützen.

Meine Rolle als Forscherin

Was als lockeres Treffen geplant war, wurde für meine Forschung zu einer spannenden inhaltlichen Diskussion. So ein Moment kann klassischerweise während einer teilnehmenden Beobachtung im Feld auftreten. Als Forscherin ist man Teil des Feldes und beobachtet und forscht permanent. Wie sich deutlich zeigt, muss es keine geplante Situation für eine teilnehmende Beobachtung geben. Sie kann einfach im Alltag auftreten. Da ich die Inhalte der Diskussion nicht beeinflussen oder in eine bestimmte Richtung lenken wollte, habe ich mich in dem Gespräch zurückgehalten, nichts gesagt und einfach zugehört. Jedoch wurde in bestimmten Momenten im Gespräch deutlich, dass die beiden Fachkräfte auch mich in das Gespräch einbeziehen wollten. Um möglichst wenig Einfluss zu nehmen, habe ich dann Dinge gesagt wie „Das ist sehr schade, dass du so fühlst“ und habe versucht, keine Wertung der Aussagen über den*die Koordinator*in vorzunehmen, sondern auf die persönliche Reflexion der Fachkräfte zu setzen. Vor diesem Gespräch hatte ich die Koordinatoren der beiden ZFD-Träger*innen noch nicht kennengelernt. Bevor ich sie also kennenlernte, hatte ich schon negative Dinge über die Koordination gehört. Um nicht mit einem negativen Bias in die Begegnungen mit den Koordinator*innen zu gehen, habe ich mir vor dem ersten Treffen diese erlebte Situation nochmal ganz bewusst in Erinnerung gerufen, sie reflektiert und bestmöglich versucht, mich in meiner Haltung gegenüber den Personen nicht beeinflussen zu lassen.

Reflexion und kritische Diskussion

Das persönliche Verhältnis zwischen Fachkräften und Koordinator*innen ist komplex und je nach Träger*in und Land formal anders ausgestaltet. In der hier geschilderten Situation handelt es sich um die Meinungen von zwei Fachkräften über die Koordinator*innen, und es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass andere Personen in dem Land über die gleichen Personen andere negative, aber auch sehr positive Aussagen getroffen haben. Auch muss kritisch reflektiert werden, dass in der Situation die Koordinator*innen, über die gesprochen wird, selber nicht zur Sprache kommen. Um ein vollständiges Bild der Beziehung zwischen den beiden Fachkräften und den Koordinator*innen zu haben, wäre dies jedoch notwendig. In meinen Gesprächen mit den Koordinator*innen habe ich mich aufgrund des Schutzes der Daten der Personen im Feld dazu entschieden, nicht auf die Vorwürfe einzugehen oder zu erwähnen, dass ich mit den beiden Personen über sie gesprochen habe. Spannenderweise sind in beiden Fällen die Koordinator*innen jedoch genau auf die beiden Personen zu sprechen gekommen und haben ebenfalls von einer schwierigen persönlichen Beziehung gesprochen. Am liebsten hätte ich hier zwischen den jeweiligen Personen vermittelt. Doch dies hätte meine Rolle als Forscherin überschritten, zeigt jedoch, wie wichtig ein offener und gemeinsamer Dialog ist.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Im ZFD gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die Rolle der ZFD-Koordination in den einzelnen Ländern ausgestaltet ist, siehe dazu auch Abschnitt 4.4. So können diese Rolle entweder Personen einer lokalen Organisation übernehmen, welche dies für eine finanzielle Aufwandsentschädigung neben ihrem normalen Beruf ausüben. Es können gerade bei Träger*innen, die nur wenig Präsenz vor Ort haben, Fachkräfte sein, die diese zusätzlichen Aufgaben übernehmen. Oder es werden gezielt Koordinator*innen entsendet, was jedoch auch über einen Fachkräftevertrag geschieht – diese können auch trägerübergreifend arbeiten. Der Aspekt, ob ein*e Koordinator*in aus Deutschland kommt oder eine Person aus einer Organisation vor Ort ist, macht für viele Fachkräfte und lokale Partner*innen einen großen Unterschied. So wurde zum Beispiel betont, dass sich eine Koordination aus Deutschland besser in die Lage und die Gefühle der Fachkräfte hineinversetzten kann, wohingegen ein*e lokale*r Koordinator*in besser die Sichtweisen der Partner*innen vor Ort versteht. Dies hat mit den vor Ort erlebten Situationen und der eigenen Sozialisation zu tun. Aber auch damit, wie die jeweiligen Personen in für vor Ort relevanten Diskursen verortet sind und sich in andere Diskurse und Personen hineinversetzen können. Ein weiteres Thema, in dem Unterschiede benannt wurden, ist das der Vernetzung. Demnach sind lokale Koordinator*innen besser auf einer regionalen Ebene vernetzt, während Koordinator*innen aus Deutschland oft mehr Kontakte zu internationalen Organisationen haben: „The German coordinator gets more information form the German government than the local coordinator for example because of cultural visits or the Germany embassy, so it is important that the coordinators share, also mailing lists and meetings“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Wie diese Unterscheidung zeigt, wird Personen aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Stellung im System der Friedensarbeit beziehungsweise der Peace Industry direkt ein bestimmter Platz in diesem System zugewiesen. Dies geschieht in der Praxis oftmals auf Grundlage vorangegangener Diskurse und Aushandlungen (siehe zur Erklärung dieser Diskurse Abschnitt 2.2.).

Generell umfassen die Aufgaben der Koordinator*innen: die strategische und inhaltliche Weiterentwicklung des ZFD, die operative Steuerung beziehungsweise Begleitung der ZFD-Projekte vor Ort, Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, die Unterstützung und Begleitung von Fachkräften und Partner*innen, die administrative und finanzielle Abwicklung, Personalverantwortung und -führung, Dienst- und Fachaufsicht, Strategie- und Projektentwicklung, PM&E, Partner*innengewinnung und Schnittstelle zu anderen Trägerorganisationen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 4). In meinen Gesprächen in Kenia, Liberia und Sierra Leone wurden immer wieder klare Erwartungen an die oder den Koordinator*in formuliert. „The coordinator should facilitate the partners and visit every partner at least once a month [and] should motivate the personnel and the organizations“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Aber auch die Rolle als begleitende und beratende Person wurde immer wieder genannt. Die genaue Aufgabenbeschreibung ist jedoch je nach Träger*in, Größe des ZFD im Land und Rolle der Koordinator*in unterschiedlich. Wichtig ist es zu erwähnen, dass die Weisungsbefugnis und Personalverantwortung nicht immer bei den Koordinator*innen liegt. Es kommt darauf an, welches Modell der Personalverantwortung die jeweilige Trägerorganisation verfolgt.

Je nachdem, ob die Fachkraft integriert oder nicht integriert arbeitet und wie die ZFD-Organisation vor Ort aufgestellt ist, haben unterschiedliche Personen die Personalverantwortung und unterschiedliche Personen können die Rolle des oder der Chef*in beziehungsweise der Dienstaufsicht über die Fachkräfte einnehmen. Dies kann der oder die Koordinator*in sein, bei der*dem die Dienst- und Fachaufsicht liegt (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.4 S. 1), oder aber die Leitung der lokalen Organisation, bei der eine Fachkraft integriert arbeitet (Quack, 2006, 18). Gerade bei den nicht integrierten Fachkräften ist es in der Regel der Fall, dass sie einem*einer Koordinator*in vor Ort zugeordnet sind und hier die Weisungsbefugnis liegt. Das gleiche Modell gibt es auch bei integriert arbeitenden Fachkräften. Dort ist in der Regel nochmal eine Person aus der lokalen Organisation zwischengeschaltet. Zudem gibt es die Möglichkeit, dass die Fachkraft lokale Vorgesetzte aus der Organisation hat, in der er*sie arbeitet. Der oder die Vorgesetzte ist sowohl disziplinarisch als auch inhaltlich für die Person verantwortlich. Laut Aussagen der*des betreffenden Interviewpartner*in fördert dies nochmal die Integration in eine Organisation. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten der Personalverantwortung bringen unterschiedliche Machtpositionen mit sich. Dadurch, dass die Rolle der Koordination, unabhängig davon, ob sie von einer Person aus Deutschland oder einer Person einer lokalen Organisation durchgeführt wird, eine wirkungsmächtige Position im ZFD ist, wird diese Rolle nochmals gestärkt, wenn mit ihr Personalverantwortung verknüpft ist. Liegt die Personalverantwortung jedoch bei den Mitarbeitenden der lokalen Organisationen, bei denen die Fachkräfte arbeiten, dann wird ein Stück dieser Macht an lokale Strukturen abgegeben. Dies hat dann wiederum Einfluss auf die Machtdynamik zwischen dem*der Chef*in der lokalen Organisation und den dort arbeitenden Fachkräften. Gerade die Fachkräfte betonten, dass es einen sehr großen Unterschied für die eigene Arbeit und die eigene Rollenfindung macht, wer diese Führungsverantwortung ihnen gegenüber übernimmt. So wurde öfter hervorgehoben, dass es schwierig ist, eine beratende Rolle als integrierte Fachkraft einzunehmen, wenn der*die Vorgesetzte auch der*die Chef*in der Organisation ist. In solchen Fällen wurde es als schwierig empfunden, wenn zum Beispiel Kritik geäußert wurde. „Ich finde das System, wo Koordinatoren auchr Chef*in sind, angenehmer, da die Koordinatoren stärker in Konfliktfälle reingehen kann, aber der Fachkraft trotzdem Vorgesetzte*r ist. Mit dem anderen System ist es schwieriger von der Rollenverteilung her“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Es wurde die Herausforderung beschrieben, dass es zu Missverständnissen kommt, wenn der*die Chef*in der lokalen Organisation auch die Rolle der*des Dienstvorgesetzten der Fachkraft einnimmt, da dem*der Koordinator*in oft, gerade von anderen Mitarbeitenden, automatisch die Vorgesetztenrolle zugewiesen wird. Auch wenn das System der integrierten Fachkraft klassischerweise die hauptsächliche Verantwortung für Fachkräfte bei den Personen in der lokalen Organisation sieht, stellen sich in der Praxis einige Herausforderungen.

Unabhängig davon, welche formale Beziehung zwischen den Fachkräften oder den Mitarbeitenden der lokalen Organisationen und dem*der Koordinator*in besteht, zeigt sich, dass die eigenen Ideen und Meinungen im ZFD-Programm und von den Koordinator*innen ernst genommen werden (82 % der Befragten stimmen komplett zu oder stimmen zu). Dennoch wurden einige Herausforderungen benannt, die sich auch in der eingangs geschilderten Geschichte wiederfinden. Zu den am häufigsten genannten Herausforderungen in der Zusammenarbeit zählen, dass nicht immer ganz klar ist, was Rolle und Aufgaben der Koordination sind, dass es Kommunikationsprobleme gibt und deswegen Probleme nicht gelöst werden können, dass es zu wenig Feedback gibt und kein Vertrauen aufgebaut werden konnte. Auch wenn dies die am häufigsten genannten Herausforderungen in der Zusammenarbeit sind, ist es wichtig anzumerken, dass sie oft von einer persönlichen Ebene abhängen. Zum Beispiel kam es immer wieder vor, dass über ein*e Koordinator*in schlecht gesprochen wurde oder eine andere Person den*die Koordinator*in sehr lobte.

8.3 Die Rolle lokaler Partner*innen im ZFD

Nun werden die verschiedenen Rollen der lokalen Partner*innen diskutiert. Dies ist ein Thema, das bereits in Abschnitt 6.3. unter dem Stichpunkt „Rolle und Aufgabe der Partner*innen“ erwähnt wurde. Es spielt im ZFD eine zentrale Rolle, da ohne die lokalen Partner*innen keine partnerschaftliche Arbeit möglich ist. Somit gibt dieses Kapitel empirische Antworten auf die Fragen „Wer sind die lokalen Akteur*innen?“ und „Was ist als ‚lokal‘ zu verstehen?“. Sie waren, wie in Kapitel 3 gezeigt wurde, in der konzeptionellen Debatte offen geblieben. Die Struktur des Kapitels lässt erkennen, dass in Bezug auf die Partner*innen andere Themen in der Forschung relevant sind als in Bezug auf die Fachkräfte. Standen bei den Fachkräften Erwartungen und positive und negative Effekte durch ihre Arbeit im Vordergrund, so sind es mit Bezug auf die Partner*innen strukturelle Themen und die Umsetzung der Arbeit. Dieser Schwerpunkt wurde bei der Auswertung der Datenmaterialien herausgearbeitet. Dabei wird deutlich, dass die Themen die Partner*innen weniger auf einer persönlichen Ebene als auf einer organisatorischen Ebene darstellen. Unterkapitel 8.3.1. beschreibt den Aufbau und das Selbstverständnis der lokalen Organisationen. Unterkapitel 8.3.2. hat die konkreten Aufgaben der Partner*innen in der Arbeit zum Inhalt. Es werden zum einen Beschreibungen von Fachkräften über Partner*innen aufgeführt und zum anderen Selbstdarstellungen der Partner*innen. Beide werden kritisch diskutiert, da sie im Rahmen der Forschung auf sehr unterschiedliche Weise thematisiert und beobachtet wurden.

8.3.1 Aufbau und Verständnis der Organisationen

Die Geschichte

14 junge Menschen sitzen gemeinsam mit der ZFD-Fachkraft und dem*der Leiter*in einer lokalen Organisation, für die sie ehrenamtlich engagiert sind, an einem großen Tisch und diskutieren. Doch sie führen nicht irgendeine Diskussion. Sie haben sich dazu entschlossen, ein Wochenende gemeinsam miteinander zu verbringen, um über den Aufbau der Organisation, über Ziele, Werte, Pläne, Wünsche und konkrete Aktivitäten für die Zukunft zu sprechen. Dabei standen zu Beginn des Wochenendes persönliche Wünsche und Kompetenzen der jungen Menschen im Fokus und die Frage, wie sie diese in die Arbeit in der Organisation einbringen können. Außerdem wurde darüber gesprochen, wie Ziele gesetzt und Entscheidungen getroffen werden können. Danach wurde verstärkt mit den bisherigen Unterlagen und Dokumenten der Organisation gearbeitet. Es wurden bisherige Programmpläne gesichtet sowie die Mission und Vision der Organisation besprochen. Dabei wurde vor allem ein Planungsdokument aus dem ZFD verwendet, welches vor gut einem Jahr ausgearbeitet wurde. Dieses Dokument gilt der Orientierung der Arbeit und beinhaltet konkrete Indikatoren, Ziele und Ideen zur Umsetzung in der Arbeit. Es wurde kritisch darauf geblickt, ob die Organisation in alle Phasen, die damals geplant wurden, passte und was verändert werden sollte. Gleiches geschah mit der Aktivitätenmatrix, die in den ZFD-Projekten eine übersichtliche Darstellung verschiedener Aktivitäten bietet. Weiter ging es darum, welche Aktivitäten gut liefen oder welche verbesserungsfähig wären. Zudem wurden weitere Aktivitäten geplant. Dabei fiel immer wieder auf, dass die Organisation, gerade da sie weitestgehend auf ehrenamtlicher Arbeit basiert, schnell an ihre Grenzen stößt und diese aber oft übergangen werden. Während des Wochenendes zeigte sich, dass mehr in die eigene Organisationsentwicklung investiert werden muss. So wurde beschlossen, dass verschiedene Personen für bestimmte Organisationsbereiche verantwortlich sind: so zum Beispiel für Technik, Projekte, Logistik, Finanzen, Administration und Mitarbeitende. Die Aufteilung dazu wurde in Absprache mit dem*der Leiter*in der Organisation und der ZFD-Fachkraft vorgenommen. So sollte es erst einmal für sechs Monate bleiben. Anschließend sollte eine Evaluierung folgen. Die einzelnen Aufgaben und Verantwortlichkeiten wurden erklärt und es wurde beschlossen, Arbeitspläne mit Zielen und Zuständigkeiten für jeden Aufgabenbereich zu erstellen. Zusätzlich wurden von da an zwei Personen für ihre Arbeit vom ZFD finanziert. Um dies möglichst fair zu gestalten, sollte diese Finanzierung zwischen den Personen rotieren: zunächst wurde zum Beispiel Person A für sechs Monate finanziert und anschließend würde Person B die Aufgabe inklusive der Finanzierung übernehmen.

Meine Rolle als Forscherin

Ich wurde zu dem Wochenende eingeladen und habe daran teilgenommen. Zu den einzelnen Inhalten, in denen es um Planungen, Organisationsinterna oder Absprachen ging, habe ich nichts beigetragen, sondern nur beobachtet. Doch hatte ich zu Beginn des Wochenendes eine andere Rolle inne. Im Vorfeld hatten mich die ZFD-Fachkraft und der*die Leiter*in der Organisation gefragt, ob ich nicht auch eine Seminareinheit gestalten könnte. Die Idee kam während eines gemeinsamen Gespräches im Büro der Organisation zustande, als wir uns über kreative Seminarmethoden austauschten. Da ich in der Vergangenheit bereits viele Workshops und Seminare mit Jugendlichen gegeben habe und eine Vielzahl von Methoden kenne, sind mir direkt einige Methoden eingefallen, als ich danach gefragt wurde. Diese habe ich sehr gerne mitgeteilt und dies als eine Art kollegialen Austausch erlebt. Ich hatte nicht die Intention, sie dann selbst anzuwenden. Als ich gefragt wurde, ob ich diese Einheit im Seminar selbst geben möchte, habe ich mich wohlwissend, dass ich damit einen Einfluss auf das Forschungsfeld nehme, trotzdem dafür entschieden. Dieser Entschluss beruhte darauf, dass ich den Personen in der Organisation für die vielen Einblicke dankbar war, die ich in ihre Arbeit nehmen durfte, und dass ich an dem ganzen Wochenende kostenfrei teilnehmen konnte. Somit war die Übernahme der Workshopeinheit für mich auch eine Möglichkeit, etwas zurückzugeben. Die Einheit, die ich gestaltet habe, drehte sich vor allem um persönliche Entwicklung und persönliche Zielsetzung. Sie diente dazu, dass die jungen Menschen sich in einer Selbstreflexionseinheit ihrer eigenen Ziele, Wünsche und Kompetenzen bewusstwerden. Diese Einheit betraf zwar nicht direkt den Organisationsaufbau oder die Veränderungen in der Organisation, doch auf jeden Fall indirekt, da die Organisation ja genau von diesen Menschen getragen wird. Auch wurde in dem Workshop immer wieder deutlich, dass diese Seminareinheit einflussreich war, da bestimmte Themen immer wieder aufkamen, und zwar positiv konnotiert. Es lässt sich also festhalten, dass ich einen Einfluss auf das Forschungsfeld und auch auf den Workshop hatte.

Reflexion und kritische Diskussion

Im Rahmen des ZFD gibt es die Möglichkeit, dass sich Organisationen zu Planungs-, Monitoring- oder Evaluierungs-Wochenenden treffen. Diese Möglichkeit wurde hier in Anspruch genommen. Sie fand im Gegensatz zu einigen anderen Workshops oder Wochenenden in dem Bereich ohne Begleitung der ZFD-Koordination oder einer PM&E-Fachkraft statt. Diese Reflexion soll nicht vertieft auf das Thema PM&E eingehen. Dies erfolgt anhand einer anderen Geschichte in Abschnitt 8.6.1. Vielmehr werden hier die Organisation und Verantwortlichkeiten in den Blick genommen. Durch die Evaluation und Betrachtung der bisherigen Programmpläne, des Planungsdokuments und der Aktivitätenmatrix wurde herausgearbeitet, dass die Organisation, gerade durch ihre ehrenamtliche Struktur, immer wieder an die eigenen Grenzen der Umsetzung stößt. Dies war das erste Treffen dieser Art nach Beginn der Zusammenarbeit mit dem ZFD. Es wurde beschlossen, dass verstärkt die eigene Organisationsentwicklung in den Blick genommen werden muss, um Aktivitäten gut und sinnvoll durchführen zu können, und um den administrativen Voraussetzungen gerecht zu werden. Somit wurde eine Anpassung der eigenen Struktur und Arbeit der Organisation an den ZFD beschlossen. Diese Anpassung zeigt, dass nicht jede Organisation in ihrer Struktur und Verfasstheit den ZFD durchführen beziehungsweise alle Anforderungen des ZFD erfüllen kann. Die Anpassungen, die hier vorgenommen werden, sind einerseits als Organisationsentwicklung im Rahmen des ZFD zu sehen und können positiv bewertet werden, da die Organisationen so effektiver arbeiten können. Andererseits können sie auch aus einer kritischen Perspektive bewertet werden. Es kann in Frage gestellt werden, warum diese Anpassungen überhaupt notwendig sind und warum sich der ZFD nicht an die Gegebenheiten vor Ort anpasst. Betrachtet man dies unter Berücksichtigung der Machtdynamiken im ZFD, zeigt sich, dass Vorgaben aus dem Globalen Norden nicht immer mit den Realitäten im Globalen Süden übereinstimmen. Zudem stößt der ohnehin schon mächtigere Akteur, in dem Fall der ZFD, Handlungen auf lokaler Ebene an, damit lokale Akteur*innen an den Projekten und Prozessen beteiligt werden können. Dies zeigt sich in dem hier genannten Beispiel auch an der Idee, verschiedene Rollen und Aufgabenbereiche an verschiedene Personen in der Organisation zu übertragen, um klarere Verantwortungen und Zuständigkeiten zu erreichen. Diese Idee wurde nicht erst in dem Workshop entwickelt, sondern bereits im Vorfeld von der Fachkraft, dem*der Leiter*in der Organisation und einem*einer Ehrenamtlichen besprochen. Die Details wurden dann im Workshop geklärt und die Aufgabenverteilung wurde von den anderen Ehrenamtlichen akzeptiert. Da die Organisation – wie bereits erwähnt – erst vergleichsweise kurz mit dem ZFD zusammenarbeitet, hat sich gezeigt, dass die Organisationsstruktur angepasst werden muss. Einerseits, um besser im Rahmen des ZFD arbeiten zu können, und andererseits, um insgesamt als ehrenamtliche Organisation besser aufgestellt zu sein. Hier stellt sich die Frage, inwieweit es der ZFD gerade kleineren oder ehrenamtlichen Organisationen mit weniger Kapazitäten zumuten kann, in vollem Maße bestimmte Rahmenbedingungen des ZFD zu erfüllen oder ob es keine anderen Lösungen gibt. Zudem wird die Frage aufgeworfen, inwieweit die Organisationsentwicklung tatsächlich intrinsisch motiviert ist und von innen heraus geschieht. Oder ob sie die Folge eines inhärenten Drucks durch den ZFD ist. Ersteres wäre sicherlich wünschenswerter, da sonst im zweiten Fall der ZFD sein Do-no-Harm-Ziel deutlich verfehlt hätte. Kritisch ist auch, dass die Möglichkeit geschaffen wurde, die Arbeit von zwei Personen durch den ZFD zu finanzieren. Zwar wurde dies sehr positiv aufgenommen, was für eine ehrenamtliche Organisation von Jugendlichen durchaus verständlich ist. Doch natürlich bleibt die Frage offen, inwieweit so nicht eine starke Abhängigkeit geschaffen wird und wie nachhaltig diese Finanzierung wirklich ist. Wie geht es weiter, wenn der ZFD nicht mehr mit der Organisation zusammenarbeitet?

Analyse und Interpretation der Geschichte

Wie die eingangs geschilderte Geschichte gezeigt hat, gibt es für Organisationen immer wieder Herausforderungen und Bedarf an Organisationsentwicklung. Dies kommt zum einen daher, dass Organisationsentwicklung eine der zentralen Aufgaben des ZFD ist. Sie soll dazu dienen, dass die lokalen Organisationen auf lange Sicht selbst Strategien erarbeiten können. Zum Beispiel dazu, wie bei Krisen- oder Notsituationen reagiert werden kann oder wie externe Unterstützung für bestimmte Zwecke beantragt werden kann (giz, 2015, S. 16). Der Aussage, dass externe Fachkräfte mit ihrem Wissen zur Organisationsentwicklung beitragen, stimmen 24 % der Mitarbeitenden lokaler Organisationen komplett zu, 59 % stimmen zu, 10 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, niemand lehnt die Aussage ab und 7 % wissen es nicht. Das Thema ist auch deshalb relevant, weil Organisationen, die mit dem ZFD zusammenarbeiten, und besonders die mit einer integrierten Fachkraft, bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Doch diese Voraussetzungen sind häufig nicht eindeutig und auch nicht immer klar formuliert. Generell spiegeln diese Voraussetzungen auch die Nord-Süd- beziehungsweise Geber*innen-Nehmer*innen-Beziehung, die im ZFD besteht. So werden vor Ort in den Organisationen Anpassungen und Änderungen vorgenommen, um in das ZFD-Gesamtkonzept zu passen und die administrativen und organisatorischen Rahmenbedingungen erfüllen zu können.

In dem für die ZFD-Umsetzung maßgeblichen Reformdokument ist vergleichsweise wenig zu lokalen Organisationen zu finden. Dies liegt mit Sicherheit daran, dass je nach ZFD-Träger*innen sehr unterschiedliche lokale Organisationen ausgewählt werden. Aber auch daran, dass der ZFD ein Instrument der Personalentsendung ist und die Fachkräfte stärker im Fokus stehen. Es wurde jedoch festgehalten, dass die Partner*innen zivilgesellschaftliche Akteur*innen (zum Beispiel Verbände, Vereine oder Initiativen), kirchliche Organisationen oder öffentliche Institutionen (zum Beispiel Ämter, Ministerien oder Universitäten) sein können (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.5. S. 1 f.) – siehe dazu auch Abschnitt 4.4.2.2. (Verständnis, Rolle und Aufgaben der lokalen Partner*innen). In der Praxis wird häufig diskutiert und von der Bundesregierung eingefordert, mit anderen Akteur*innen in der Friedenarbeit zusammenzuarbeiten. So zum Beispiel mit Konfliktparteien oder Akteur*innen ohne klare juristische Verfasstheit (Strohscheidt et al., 2017, S. 4). Diese zusätzliche Ausrichtung an anderen Akteur*innen als den bisherigen, kann im ZFD zu einer größeren Reichweite der Arbeit führen. Gleichzeitig beeinflusst diese Öffnung die Machtdynamiken vor Ort, weil sich zum Beispiel Geld- und Ressourcenflüsse auf andere Akteur*innen als die bisherigen verteilen. Die Interviews in Deutschland haben gezeigt, dass die Auffassung vom Aufbau der lokalen Organisationen keiner klaren Linie folgt. Sie orientiert sich jedoch oftmals an für die Friedensarbeit klassischen Akteur*innen und daran, wie die eigene Organisation aufgebaut ist. Dies fängt schon bei der Auswahl der Organisationen an. So ist zum Beispiel die GIZ durch die direkte Nähe zum BMZ etwas eingeschränkter bei der Wahl der lokalen Organisationen. Nicht alle Vorschläge erwachsen von innen heraus. Denn es gibt zum Beispiel konkrete Bitten seitens des BMZ, in einem bestimmten Land, an einem bestimmten Thema oder mit einer bestimmten Organisation (die nicht zivilgesellschaftlich sein muss) zu arbeiten. Die kirchlichen Träger*innen hingegen schränken sich selbst ein, indem sie in der Regel nicht mit Organisationen zusammenarbeiten, die komplett konträr zur Kirche eingestellt sind.

„Aber sie müssen auch nicht unbedingt kirchlich sein, und das ist manchmal auch eine Dialogarbeit für uns, dann auch zu sagen, wo habt ihr wirklich ein Problem, und wo habt ihr auch eine Offenheit zu sagen, wenn wir das voranbringen wollen, ist das gut, wenn jemand, der nah an der Kirche ist, durchaus auch fördert und unterstützt“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Für alle gilt jedoch, wie mir in den Interviews mitgeteilt wurde, dass im Prozess der Antragsstellung gerade für neue Projektländer eine Unbedenklichkeitserklärung der jeweiligen deutschen Botschaft und der BMZ-Länderreferate benötigt wird. Dies hängt mit den Abkommen zwischen den Regierungen des jeweiligen Landes und der Bundesregierung Deutschland (über die jeweilige Botschaft) zusammen, in deren Rahmen die Arbeit des ZFD erlaubt ist. Es wird auch geprüft, ob lokale Organisationen von einer Zusammenarbeit ausgeschlossen sind. Wie die Interviews gezeigt haben, ist dies der Fall bei außenpolitischen Bedenken, zum Beispiel, wenn es sich um eine Terrororganisation handelt.

„Das hört sich jetzt erstmal so einleuchtend an, in Konfliktkontexten gibt es aber unter Umständen eine solche Vielzahl an Akteuren, bei denen viele auf den ersten Blick nicht bedenklich scheinen, aber durchaus außenpolitisch bedenklich sind. Also, es ist nicht so selbstverständlich und einfach, wie sich es erst anhört, und das wird durchaus geprüft“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

All dies führt oftmals dazu, dass sich die ZFD-Arbeit nicht sehr politisch ausrichten kann. Denn einige Akteur*innen werden ausgeschlossen, und es wird in den Abkommen mit den jeweiligen Ländern festgehalten, dass keine Einmischung in interne politische Angelegenheiten erfolgt. Dieses Phänomen taucht häufig in der Arbeit von CSOs auf: „In this way, the work of NGOs in post-conflict countries is depoliticized: it becomes uncritical of structural issues and power imbalances, whether domestically or internationally“ (Verkoren & van Leeuwen, 2013, S. 161). Dies ist zum einen positiv, da so die Souveränität gewahrt bleibt. Andererseits ist es auch kritisch, da bestimmte Probleme so oft nicht angegangen werden können. So wurde mir zum Beispiel in Kenia von mehreren lokalen Organisationen berichtet, dass sie gerne bei Wahlen im Land mehr politische Aufklärungsarbeit leisten würden, um Konflikten vorzubeugen. Dass sie dies aber im Rahmen des ZFD nicht dürfen.

Neben dieser strukturellen Verfasstheit gibt es weitere Kriterien, die die lokalen Organisationen erfüllen sollten. So wird gefordert, dass die internen Strukturen, Prozesse und Arbeitsansätze der Akteur*innen konfliktsensibel ausgerichtet sind. Es müssen methodische Kompetenzen der Konfliktbearbeitung vorhanden sein, die Struktur der Mitarbeitenden muss divers sein, und die Organisationen müssen von der thematischen Ausrichtung her zu der externen, deutschen Organisation passen (FriEnt, 2005, S. 2). Wissenschaftliche Texte weisen darauf hin, dass folgende Kriterien bei der Auswahl der lokalen Partner*innen hilfreich sein können: Effizienz, das internationale Ansehen, die lokale Unterstützung und Legitimation durch andere Akteur*innen, das Kapital und die Kapazitäten (Jansen, 2008, 43 f.). Diese Voraussetzungen liegen zum einen an den Vorgaben des BMZ. Aber auch in hohem Maße daran – wie bisherige Forschungen gezeigt haben –, dass sich Geberorganisationen in der partnerschaftlichen Arbeit sicherer fühlen, wenn lokale Partner*innen ähnliche Strukturen wie sie selbst aufweisen und durch sie zur Rechenschaft gezogen werden können (Cohen, 2014, S. 71). Dieses Auswahlkriterium für Partner*innen wird teilweise bewusst, teilweise unbewusst gewählt. Es ist jedoch problematisch, da somit zahlreiche potenzielle Organisationen von Beginn an ausgeschlossen werden. So werden nur Partner*innen gewählt, die in etwa dem idealem CSO-Vorbild entsprechen, das sich an den Vorstellungen von CSOs aus dem Globalen Norden orientiert. Aussagen von Mitarbeitenden der ZFD-Träger*innen in Deutschland zufolge wird bei der Auswahl auch darauf geachtet, dass die Organisationen den Verwaltungsaufwand im ZFD (siehe auch Abschnitt 8.1.5.) bewältigen können. In mehreren Interviews wurde bestätigt, dass Partner*innen immer eine eingetragene Organisation sein müssen. Sie müssen vor Ort registriert sein und bestimmte Verwaltungsstandards wie zum Beispiel eine vorgesetzte Person, ein Bankkonto und ein Büro haben. „Es ist auf jeden Fall manchmal hinderlich, dass die Partnerorganisation eine gewisse Verfasstheit braucht. Zum Beispiel ist es schon dann hinderlich, wenn die Organisation aus politischen Gründen keinen Status bekommt“ (Interview pbi Deutschland). Hier wären laut Interviewpartner*innen flexiblere Fördermodelle angebracht. Sie sollten besser an die Situation und Realitäten in den Ländern angepasst sein. Außerdem zeigt sich dadurch, dass der ZFD genauso wie viele andere Friedensakteur*innen auch lokale Organisationen nach westlichen Denkmodell und Vorbild aussucht (Hellmüller, 2020, S. 411). Gleichzeitig wird deutlich, dass manche lokale Organisationen zur Zusammenarbeit den ZFD aussuchen, da sie gezielt mit einer zivilgesellschaftlichen Organisation aus dem Globalen Norden arbeiten möchten. Dies ist ein in der Forschung bekanntes Phänomen. Es wird mit ihrem Ruf begründet, wonach sie mehr um tatsächliche Partnerschaft bemüht sind und lokale Bedarfe ernster nehmen als andere internationale Organisationen (Lee, 2020, S. 124).

Noch ein letzter Punkt wurde als entscheidendes Element von Mitarbeitenden der ZFD-Träger*innen in Deutschland genannt: Dass die lokalen Organisationen nicht nur Interesse am Geld, sondern tatsächlich Lust auf die interkulturelle Erfahrung haben sollen,

„denn die kleinen Peinlichkeiten und Missverständnisse passieren einfach, das gehört dazu. Wenn so interkulturell Leute miteinander arbeiten, das muss man mit Humor und ein bisschen Spass an der Sache und vor allem auch als Mehrwert nehmen“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Wichtig ist ein Bewusstsein dafür, dass dieses interkulturelle Interesse und eine interkulturelle Offenheit sich den gesamten Zeitraum des ZFD hindurch halten müssen. Eine ZFD-Fachkraft berichtete in einem Interview, dass kulturelle Unterschiede oft erst mit der Zeit zutage treten (Karanja, 2000). Gleichzeitig ist es wichtig, dass auch die ZFD-Träger*innen und Fachkräfte dieses Interesse teilen. Ansonsten werden die interkulturellen Themen nur einseitig bearbeitet, was nicht im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist.

Diese genannten Kriterien werden auch von den Fachkräften als relevant wahrgenommen. Der Aussage, dass die lokale Organisation bestimmte Standards wie eine bestimmte Größe oder eigene Finanzen braucht, um erfolgreich ein ZFD-Projekt umzusetzen, stimmen 21 % komplett zu, 24,5 % stimmen zu, 12 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 24,5 % stimmten der Aussage nicht zu, 9 % stimmen gar nicht zu und 9 % wissen es nicht. Zwar sind in dieser Frage die Standards nicht genauer definiert, doch können Aussagen aus Gesprächen der Feldforschung Hinweise darauf geben. Dennoch herrscht über diese „Minimalanforderungen“ keine Einigkeit. Manche Fachkräfte äußerten sich dazu kritisch, da so sehr unterschiedliche Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Besonders in Sierra Leone und Liberia stellten viele Fachkräfte die Frage, ob Organisationen in den Ländern schon „so weit sind“, den ZFD umsetzen zu können. „Liberia ist für vieles nicht so weit, Organisationen funktionieren hier oft nicht linear, sondern, wenn ein Feld aufpoppt, was wichtig ist, wird dieses bearbeitet und auch viel Energie reingesteckt“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia). Dabei wird ebenfalls vergessen, dass viele lokale Organisationen durch Nachkriegssituationen in ihren Strukturen geschwächt sein können. Dies muss nichts mit der Organisation an sich zu tun haben (Burba & Stanzel, 2015b, S. 219). Solche Aussagen sind also sehr kritisch zu bewerten. Denn sie sprechen zum einen dem ZFD die Kapazität der Organisationsentwicklung ab und eröffnen zum anderen eine Dichotomie zwischen entwickelt und nicht entwickelt. So kommt es im Zuge der bestehenden Machtdynamiken zu einer Trennung zwischen wir und den anderen. Solche Aussagen betten den ZFD und seine Umsetzung in die vielfach kritisierte Debatte um eine nachholende Entwicklung ein. Diese These davon aus, dass sich bestimmte Länder erst entwickeln müssen, um mit anderen Ländern mitzuhalten (Escobar, 2012 [1995], S. 8). Zudem wird so deutlich, dass sich einige Fachkräfte anmaßen, über das Entwicklungsniveau eines Landes zu urteilen und darüber, was in dem Land gut funktionieren kann und was nicht. Beide Aspekte erwachsen aus einer privilegierten und mächtigen Position heraus. Diese Debatte ist nur scheinbar überholt. Sie ist in den Köpfen einiger Fachkräfte noch immer verankert und führt zu hegemonialer Dominanz, wenn es darum geht, den ZFD auszugestalten. Daran zeigt sich die diskursive Macht in der Friedensarbeit und wie sie mit Aussagen und Handlungen die Praxis beeinflusst.

In meiner Forschung traf ich immer wieder auf unterschiedliche Arten von lokalen Organisationen, mit denen der ZFD zusammenarbeitet. Diese Diversität bringt auch Herausforderungen mit sich, da in der Regel von allen Organisationen das Gleiche erwartet wird. Einige ZFD-Träger*innen teilen die Organisationen, mit denen sie zusammenarbeiten, in drei Kategorien ein, die ihre formelle Beziehung zu den lokalen Organisationen definieren. Dabei gilt diese Einteilung nicht nur für die Organisationen, die Partner*innen im Sinne einer Fachkraftentsendung werden. Sie gilt vielmehr für alle Akteur*innen, die an ZFD-Projekten beteiligt sind. Dies sind erstens direkte Partner*innen, also Akteur*innen mit denen das Projekt direkt interagiert, um Veränderungen zu bewirken. Zweitens sind dies strategische Partner*innen, also Akteur*innen, die zum Erfolg des Projektes beitragen, das Projekt jedoch nicht auf eine Verhaltensänderung bei ihnen ausgelegt ist. Drittens sind dies indirekte Partner*innen, also Akteur*innen, die langfristig von dem Projekt mithilfe der direkten Partner*innen in ihrem Verhalten beeinflusst werden sollen (Kuijstermans, 2019, S. 100). Eine detailliertere Aufteilung findet sich im ZFD-Reformdokument. Dort werden Möglichkeiten eines gemeinsamen Kooperationsabkommens im Rahmen eines bestimmten Projektes oder für die Vermittlung einer ZFD-Fachkraft oder die Finanzierung von lokalen Maßnahmen genannt (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.5. S. 2). Es wird häufig betont, dass die Art der Kooperation je nach Träger*in sehr unterschiedlich ist, immer gleich ist jedoch „[c]harakteristisch für alle Durchführungsmodelle […] die gemeinsame Verantwortung von Träger und Partnern dafür, dass ZFD-Mittel entsprechend den vereinbarten Zielen und lokalen Friedensbedarfen verausgabt werden und eine entsprechende Rechenschaftslegung erfolgt“ (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.5. S. 2). Hier erfolgt eine klare Inverantwortungnahme sowohl der ZFD-Träger*innen als auch der lokalen Organisationen für die Arbeit in den ZFD-Projekten. In der Praxis wird versucht, diese gemeinsame Verantwortung zum Beispiel durch gemeinsame PM&E-Prozesse zu gestalten. Doch wie sich zeigt, kommt durch inhärente Machtdynamiken die gemeinsame Verantwortung ins Wanken. Keine gemeinsame Verantwortung gibt es dort, wo zum Beispiel Fachkräfte alleine für die Abrechnung und Verwendung von Mitteln in einer Organisation tätig sind oder Anträge für Mittelverwendungen immer von der Koordination abgesegnet werden müssen. Partner*innen erhalten so lediglich ein Mitbestimmungsrecht.

Während meiner Forschung, aber auch in der Literatur über den ZFD, wurde immer wieder deutlich, dass die lokalen Akteur*innen im ZFD in die Akteur*innenpyramide von Lederach (Lederach, 2001, S. 146) einsortiert werden (Brinkmann, 2000, S. 39; forumZFD/ Akademie für Konflikttransformation, 2017, S. 28; Schrader, 2008, S. 16) – siehe dazu auch Abschnitt 4.4.2.2. (Verständnis, Rolle und Aufgaben der lokalen Partner*innen). Dabei finden auf Level 1 der Pyramide (Top-Leadership) sogenannte Top-Level-Approaches statt, also Top-down-Ansätze in der Friedensarbeit. Im ZFD sind dies zum Beispiel Verhandlungen oder kooperative Formate mit der UN oder staatlichen Institutionen. Auf Level 2 (Middle-range-Leadership) finden Aktivitäten statt, bei denen ein Middle-out-Ansatz verfolgt wird. Die Führungspersonen der Ebene nehmen eine zentrale und vermittelnde Rolle ein. Im ZFD sind dies beispielsweise Workshops und Trainings oder die Mitarbeit in Friedens- und Versöhnungskommissionen. Auf Level 3 (Grassroot-Leadership) kann eine Vielzahl von Menschen erreicht werden, und es wird in der Regel mit dem Bottum-up-Ansatz gearbeitet. Dazu gibt es zahlreiche Beispiele des ZFD wie zum Beispiel Beratungs- und Betreuungsangebote, Mediation oder Gemeindearbeit. In der Wissenschaft wird die starre Einteilung in Akteur*innenkategorien immer wieder kritisiert. Denn die Praxis und auch die Praxis im ZFD zeigt, dass lokale Akteur*innen aufgrund der alltäglichen Interaktionen andere Identitätskategorien schaffen. Diese sind häufig fließend, transversal, flexibel und beweglich und können sich in Laufe der Prozesse immer wieder ändern (Kappler, 2015, S. 876). Ein entscheidender Kritikpunkt ist außerdem, dass durch diese Pyramide die ZFD-Fachkräfte losgelöst von den lokalen Organisationen betrachtet werden. Der ZFD wird nicht als große Einheit gedacht, wie es die Idee einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit vermuten lassen würde. Dabei ist es, wie eine Fachkraft betonte, so wichtig, dass „Partnerorganisationen […] nicht als verselbstständigte kleine Satelliten gesehen werden“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone).

8.3.2 Aufgaben der Partner*innen

Die Geschichte

Wir – das sind die ZFD-Fachkraft und ein*e Mitarbeiter*in von einer Organisation vor Ort – fahren von Gemeinde zu Gemeinde in einem ländlichen Bereich des Landes. Zwei Tage lang ist es die Aufgabe des ZFD, mit Personen in verschiedenen ländlichen Gemeinden zu sprechen. Mehr über ihre Probleme und Herausforderungen zu erfahren, welche in den letzten Jahren durch Landraub, sich ansiedelnde internationale Firmen und daraus resultierende Umweltzerstörung gewachsen sind. Schon seit vielen Jahren ist die Organisation vor Ort in dem Bereich aktiv, macht auf die Probleme aufmerksam, bietet Unterstützung und Weiterbildungen an. Der*Die Mitarbeitende der Organisation vor Ort ist selbst in einer der Gemeinden aufgewachsen. Auch wenn er*sie heute nicht mehr dort lebt, besteht doch ein guter Kontakt, er*sie versteht die lokale Sprache und es gibt familiäre Verbindungen. Während der zwei Tage besteht ihre*seine Aufgabe vor allem darin, die Kommunikation zu führen und alles zu dokumentieren, sei es bei einer Informationsveranstaltung oder in Gesprächen mit den Menschen vor Ort. Des Weiteren zählt zu den Aufgaben, vor den Besuchen die Planung zu übernehmen, die Gemeinden über den anstehenden Besuch zu informieren, die Route zu planen (was aufgrund der sich verändernden Wege und Überflutungen durch den Landabbau nicht einfach ist), das Auto zu fahren und die Logistik zu organisieren, wie zum Beispiel Verpflegung für den Workshop oder eine Übernachtungsmöglichkeit für uns. Gerade in diese logistischen Aufgaben bindet der*die Mitarbeitende der lokalen Organisation auch seine*ihre Familie ein. So machen wir beispielsweise bei der Familie Mittagspause und bekommen dort Essen. Es soll nicht in einer der betroffenen Gemeinden gegessen werden, da dies eine Gemeinde bevorzugen würde. Die Fachkraft ist die ganze Zeit dabei, dokumentiert mit audiovisuellen Methoden und schaut zu.

Meine Rolle als Forscherin

Ich wurde eingeladen, an den zweitägigen Besuchen in den Gemeinden teilzunehmen. Hier war ich genauso wie die Fachkraft einfach dabei, habe mir alles angeschaut und nicht in die Aufgaben der*des Mitarbeitenden – wie zum Beispiel Planung oder Gespräche – eingegriffen. Die Gespräche fanden in einer lokalen Sprache statt, so dass hinterher im Auto für mich und die Fachkraft übersetzt wurde. In den einzelnen Gemeinden stieg immer erst der*die lokale Mitarbeitende aus dem Auto und fragte vor Ort in der Regel eine für die Gemeinde wichtige Person, ob es in Ordnung sei, dass die Fachkraft und ich an dem Gespräch teilnehmen. Dem wurde fast immer zugestimmt, lediglich in einem Fall nicht, hier sind wir im Auto geblieben. In den Fällen, in denen ich während der Gespräche anwesend war, wurde schnell klar, dass ich die Sprache nicht verstehe und dass frei gesprochen werden konnte. Dennoch kann ich nicht ausschließen, dass ich die Gesprächsinhalte durch meine Anwesenheit beeinflusst habe. Auch gab es eine Aufgabenteilung zwischen der*dem lokalen Mitarbeitenden und der Fachkraft. Hier war es für mich interessant zu wissen, ob diese durch meine Anwesenheit verändert wurde. Auf meine Nachfrage, ob die zwei Tage in den Gemeinden repräsentativ für die Arbeit und die Aufgabenteilung seien oder ob dies sonst anders verläuft, wurde geantwortet, dass alles so sei wie immer.

Reflexion und kritische Diskussion

Die erzählte Geschichte zeigt deutlich, dass eine Person, die für die lokale Organisation arbeitet, viele verschiedene Aufgaben hat. In diesem Fall sind es aufgrund der (persönlichen) Kontakte vor allem die Kommunikation, aber auch die Planung, Logistik und Durchführung der Aktivität. Die Aufgabe der Fachkraft liegt in der audiovisuellen Dokumentation. Somit kommen der Fachkraft deutlich weniger Aufgaben sowohl vor Ort als auch in der Vorbereitung zu. Es stellt sich die Frage, warum er*sie an beiden Tagen anwesend ist. In einem Gespräch wird deutlich, dass die Fachkraft einfach immer dabei ist und es sich so eingespielt hat. Dass es in diesem speziellen Fall aber tatsächlich der audiovisuellen Dokumentation dient, da der*die lokale Mitarbeiterin diese Aufgabe nicht auch noch übernehmen kann. Auf den ersten Blick erscheint die Aufgabenverteilung hier nicht fair und ausgeglichen. Denn die Fachkraft übernimmt weniger Aufgaben, dabei sollten sie im Sinne einer partnerschaftlichen Arbeit ausgeglichen verteilt sein. In Gesprächen erfahre ich jedoch, dass der*die lokale Mitarbeiter*in diese vielfältigen Aufgaben gerne übernimmt und die Aufgabenverteilung zum Beispiel in der Nachbereitung anders aussieht. Er*Sie kommt selbst aus der Region und hat so das Gefühl, den Menschen etwas zurückgeben zu können. Außerdem spricht es für ihn*sie und die Familie, einen so wichtigen Beruf auszuüben. Insofern geht es auch um das Sehen und Gesehen-Werden. Das ist durchaus nicht verwerflich, da es sich tatsächlich positiv auf die Arbeit auswirken kann. Gleichzeitig gehört dazu auch, die eigene Familie zu unterstützen. Dass zum Beispiel diese für die Verpflegung zuständig ist, ermöglicht ihnen einen kleinen Zuverdienst, da der ZFD für die Verpflegung finanziell aufkommt. Hier wird der*die lokale Mitarbeitende durch seine*ihre Arbeit im ZFD in eine vor Ort mächtige Rolle gehoben. Er*Sie hat die Möglichkeit, Familien und Gemeinden nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell zu unterstützen und kann aus einer privilegierten Rolle heraus handeln und entscheiden. Jedoch können so auch Abhängigkeiten entstehen. Auch wenn diese Aufgaben und Handlungen vom BMZ sicher so nicht vorgesehen sind, bleibt in der sehr ländlichen Region kaum eine andere Möglichkeit. Auch sagt die Situation nichts darüber aus, wie die Aufgabenverteilung in anderen Arbeitsbereichen der Fachkraft und der*des lokalen Mitarbeiter*in aussieht. Es bleibt also ein Einblick in eine einzelne Situation, die jedoch zeigt, wie vielfältig und unterschiedlich die Aufgaben sein können.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Es ist zunächst festzustellen, dass die Partner*innen vor Ort für die Friedensarbeit Deutschlands als unverzichtbar angesehen werden, da sie als Mittler*innen zwischen den Kulturen fungieren (Auswärtiges Amt/ Die Bundesregierung, 2017, 44 ff.). Somit sind die Personen in den lokalen Organisationen ein Schlüssel zur Zivilen Konfliktbearbeitung (Ropers, 2000a), denn auch im ZFD geht es darum, die lokalen Partner*innen in ihren Handlungen zu stärken. Dabei werden die lokalen Organisationen als Partner*innen für eine gemeinsame Durchführung definiert (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 2.2. S. 2). Zunächst verschafft diese Idee, dass Friedensarbeit nicht ohne lokale Partner*innen funktionieren kann, den Akteur*innen vor Ort eine wichtige Position und spricht ihnen Handlungsmacht zu. Gleichzeitig aber liegt der Fokus der Arbeit wieder darin, dass die lokalen Akteur*innen durch externe Fachkräfte befähigt werden. Dies wiederum bringt die ZFD-Fachkräfte in eine handlungsmächtigere Position und spricht sie gleichzeitig den lokalen Organisationen ab.

Wie schon bei der Definition der Organisationen, mit denen zusammengearbeitet wird, werden Definition und Rolle der Aufgaben der lokalen Partner*innen nicht genau festgelegt. Es hängt sehr von den jeweiligen ZFD-Träger*innen und den Projekten ab, wie diese Aufgaben und die Umsetzung aussehen. Dieses Kapitel legt den Fokus auf eine rein empirische Sicht. Ein*e Interviewpartner*in in Deutschland zählte eindeutige Aufgaben auf, so zum Beispiel die Unterstützung von Ein- und Ausreise, Visaangelegenheiten, Arbeitsgenehmigung, Sicherheitsfragen und Personalverantwortung gegenüber den Fachkräften. Aufgaben, die bei anderen Organisationen nicht zum Profil gehören. Diese Thematik wurde stets mit Bezug zu anderen Fragestellungen diskutiert und die Antworten finden sich in den jeweiligen Kapiteln wieder (siehe dazu auch Abschnitt 4.4.2.2.: Verständnis, Rolle und Aufgaben der lokalen Partner*innen). Es wurde jedoch in den Interviews in Deutschland immer wieder betont, dass die Aufgaben gemeinsam festgelegt werden. Dass sie sich an den Bedürfnissen der Partner*innen orientieren und sich im Laufe der Projektzeit immer wieder ändern können. Somit werden die Aufgaben für lokale Mitarbeiter*innen in der Regel bereits im Planungsworkshop festgehalten. Sie ergeben sich oftmals aus den Aufgabenbereichen, die sie ohnehin in der Organisation übernehmen. Zum Teil ergeben sie sich aus den Erwartungen von Fachkräften oder von leitenden Personen in den jeweiligen Organisationen. Somit können sie sehr individuell sein. In der Regel liegen somit die Aufgaben in der konkreten ZFD Projektumsetzung und Zielerreichung gemeinsam bei ihnen und den ZFD-Fachkräften. Eine Aufgabe, die besonders die lokalen Partner*innen betonten, ist die Sorge für die Sicherheit und das Wohlergehen der Fachkräfte. In Gesprächen wurde mir immer wieder berichtet, dass es Fachkräfte in gesundheitlichen Notlagen gab, Personen ausgeflogen werden mussten oder eine Fachkraft verstorben ist. Oftmals wurden Bedenken bei sehr jungen Fachkräften geäußert, da diese laut der lokalen Partner*innen mehr Risiken ausgesetzt sind und öfter alleine ausreisen: „Welfare and security of the seconded personal is important. Especially when they are young, they do not have their parents here, so we are their families“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Um solche Notlagen zu verhindern und die große Verantwortung umzuverteilen, wünschen sich viele Partner*innen und Fachkräfte bessere Sicherheitspläne, um gezielter agieren zu können.

Einer Sonderrolle bei den lokalen Organisationen kommen den sogenannten Focal Points oder Counterparts zu. Diese gibt es nicht bei allen ZFD-Träger*innen, jedoch bei einigen. Dies sind Personen in den lokalen Organisationen, die besonders eng mit der ZFD-Fachkraft zusammenarbeiten. Diese Personen werden je nach Organisation anders ausgewählt. Zum Teil wird der*die Direktor*in bestimmt (was bei den Fachkräften in der Regel weniger gut ankommt, da oft keine direkte Zusammenarbeit stattfindet), zum Teil werden es die Personen, die am motiviertesten sind oder die Personen, bei denen die Organisationen ohnehin die Projektverantwortung verorten. Die Aufgaben dieser Personen liegen zum Beispiel darin, die Fachkraft bei der Integration zu unterstützen und lokale Kontexte zu erklären. „Counterpart should make sure, the person is comfortable and knows the way of working, integrate them at the local level“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Gleichzeitig ist die Idee dieses Systems, dass auch die Person etwas von der Fachkraft lernt und das Wissen so in der Organisation bleibt. Dies kann zum Beispiel durch ein Jobshadowing oder die Begleitung bei der Arbeit geschehen. Dies scheint in vielen Organisationen gut zu klappen: „The local counterparts always stayed and are still using what they have learned from previous CPS workers“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Andere Organisationen wiederum berichten, dass die Counterparts auch die Organisationen verlassen, da sie durch den ZFD weitergebildet wurden und sich ihnen neue Möglichkeiten eröffnen. Hier ist es ein Wunsch von vielen ZFD-Partner*innen, mehr Anreize für die Personen zu schaffen, in den Organisationen zu bleiben und das durch den ZFD vermittelte Wissen nachhaltig nutzbar zu machen: „After a CPS worker leave the counterpart should be funded by the CPS so that he or she stays. Otherwise they leave for a better position with a different organization“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone).

8.4 Ausgestaltung der Zusammenarbeit

Wie die beiden vorherigen Kapitel gezeigt haben, gibt es sowohl für die Fachkräfte als auch für die Partner*innen eine Vielzahl an verschiedenen Rollen, Aufgaben, Erwartungen und ihre Arbeit kann unterschiedliche Effekte haben. Deswegen wird in diesem Kapitel nochmals genauer auf diese verschiedenen Rollenverständnisse, insbesondere unter dem Fokus der Zusammenarbeit geschaut. Dabei werden drei Themen angesprochen, welche schon in Abschnitt 6.3. als relevant identifiziert wurden: Ownership und Legitimität im ZFD, die Ausgestaltung der Zusammenarbeit (inklusive Herausforderungen) und Machtdynamiken in der Zusammenarbeit und in den Strukturen des ZFD. Zu Beginn geht das Unterkapitel 8.4.1. der Frage nach, inwieweit eine gemeinsame oder auch partnerschaftliche Zusammenarbeit stattfindet. Dieses Thema wurde ausgewählt, da die partnerschaftliche Zusammenarbeit laut eigener Definition des ZFD das Grundverständnis der eigenen Arbeit darstellt. Gleichzeitig aber während der teilnehmenden Beobachtung festgestellt werden konnte, dass sie oftmals nicht partnerschaftlich stattfindet. Daran schließt das Abschnitt 8.4.2. an. Es befasst sich erneut mit dem Aspekt Zusammenarbeit und geht darauf ein, was geschieht, wenn sie scheitert und es zu einer Kündigung kommt. Dieses Thema wurde ausgewählt, da während der teilnehmenden Beobachtung eine Reihe von Kündigungen beobachtet werden konnten. Eigentlich sollten sie einen Sonderfall darstellen, doch wurden sie durch ihr gehäuftes Auftreten für die empirische Untersuchung zu einem spannenden Aspekt. In Unterkapitel 8.4.3. folgt eine Diskussion um Hierarchien im ZFD, da sie inhärente Machtdynamiken aufzeigen können und weil in der Forschung immer wieder deutlich wurde, wie sie die Arbeit im ZFD beeinflussen. Abschließend wird in Unterkapitel 8.4.4. die Rolle von Ownership im ZFD beleuchtet. Dieses Thema wurde ausgewählt, da im ZFD davon ausgegangen wird, dass Ownership von Prozessen bei lokalen Organisationen liegt. Dass sie aber auch in der Zusammenarbeit entstehen kann und ein zentrales Element der Partnerschaftlichkeit im ZFD ist, das in der praktischen Arbeit oftmals zu Herausforderungen führt.

8.4.1 Gemeinsame Zusammenarbeit?

Die Geschichte

Für den alljährlich stattfinden Friedenstag wurde eine große, öffentlichkeitswirksame Veranstaltung organisiert. Es wurden Personen aus verschiedenen Gemeinden eingeladen, welche in Konflikt miteinander stehen. Es wurden Reden organisiert und lokale Musiker*innen sind an dem Tag aufgetreten, außerdem wurde für alle Anwesenden Verpflegung in einem Restaurant organisiert. Die Fachkraft lebt in der Hauptstadt des Landes, während die Organisation, für die er*sie integriert arbeitet, in einem anderen Ort mehrere Stunden Autofahrt entfernt ihren Sitz hat. Die Veranstaltung wiederum fand an einem dritten Ort statt. Ich bin mit der Fachkraft zu der Veranstaltung angereist, als wir angekommen sind, war bereits alles vor Ort organisiert. Während der Veranstaltung sagte die Fachkraft ein paar Worte zur Begrüßung und hatte einen Platz am Tisch mit den Ehrengästen, hielt sich sonst jedoch im Hintergrund. Die Mitarbeitenden der Organisation kümmerten sich um Technik, Moderation, Musik, Logistik und die Teilnehmenden. Nach der Veranstaltung machte sich die Fachkraft wieder auf den Heimweg in die weit entfernte Hauptstadt. Wie die Fachkraft erklärte, sei dies ganz normal, er*sie sei immer mal wieder beziehungswiese bei Bedarf im Büro der Organisation anwesend oder komme zu solch besonderen Veranstaltungen. Dies hat auch etwas damit zu tun, welche Rollen er*sie als Fachkraft für die deutsche ZFD-Organisation in dem Land übernehmen muss und welche weiteren Zuständigkeiten es bei anderen lokalen Organisationen gibt. Er*Sie selbst versteht sich laut eigener Aussage als Organisationsentwickler*in, bereitet die lokale Organisation auf eine neue Fachkraft vor (da sein*ihr Fokus bei einer anderen Organisation liegt) und überlässt gerne dem Team die Planung und Verantwortung bei solchen Veranstaltungen, da dies nicht in seinem*ihrem Aufgabenbereich liegt und eine zu starke Einmischung wäre. Die Mitarbeitenden der Organisation hingegen hätten sich, wie sie mir in einem Gespräch mitteilten, eine engere Zusammenarbeit auch bei solch administrativen Prozessen gewünscht. Sie erhoffen sich von der neuen Fachkraft, dass ebenfalls so viele Freiheiten in der Arbeit bestehen bleiben, aber gleichzeitig mehr Zusammenarbeit stattfindet.

Meine Rolle als Forscherin

Ich war weder in die Vor- oder Nachbereitung der Veranstaltung eingebunden, sondern lediglich zu der Veranstaltung selbst eingeladen. Hierbei wurde mir freigestellt, ob ich bei den Teilnehmenden oder auf einem Ehrenplatz sitzen möchte. Ich habe erklärt, dass ich gerne nur teilnehmen möchte, da ich nichts beizutragen habe, was von den Veranstaltenden akzeptiert wurde. Während der Veranstaltung wurde für mich immer wieder übersetzt, da große Teile in lokaler Sprache stattgefunden haben. Dies zeigt deutlich meine privilegierte Rolle als Forscherin, da für mich extra Anstrengungen unternommen wurden. Neben der Fachkraft war ich nicht die einzige anwesende weiße Person, auch der*die Techniker*in war weiß. Somit ist davon auszugehen, dass meine Anwesenheit keinen größeren Einfluss hatte als die der anderen weißen Personen. Es wurde darauf hingewiesen, dass an den Veranstaltungen zum Friedenstag bisher immer weiße Personen teilnahmen. Sicherlich verändert dies die Dynamik vor Ort, gerade wenn drei weiße Personen ca. 120 lokalen Teilnehmenden gegenüberstehen. Doch muss ich diese Dynamik als einen Teil meiner Forschung akzeptieren und kann in den jeweiligen Momenten nur versuchen, die bestehende Dynamik so wenig wie möglich zu beeinflussen, zum Beispiel indem ich mich nicht aktiv am Programm beteilige.

Reflexion und kritische Diskussion

Die Geschichte zeigt sehr gut, dass das Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Fachkraft und der lokalen Organisation sehr unterschiedlich aussehen kann. In diesem Fall sieht die Fachkraft die eigene Aufgabe besonders in den Bereichen der Organisationsentwicklung, der Vorbereitung der lokalen Organisation auf eine neue Fachkraft, aber nicht in der Veranstaltungsplanung und der Verantwortung für diese. Deswegen ist es nach Aussage der Fachkraft auch in Ordnung, bei den Veranstaltungen keine große Rolle zu spielen. Die Mitarbeitenden der lokalen Organisation hingegen würden sich eine engere Zusammenarbeit auch bei Veranstaltungen und administrativen Prozessen wünschen. Gleichzeitig betonen sie aber auch, wie gut es ist, so viele Freiheiten in der Arbeit zu haben. Diese unterschiedlichen Erwartungen an die Zusammenarbeit zwischen Fachkraft und lokaler Organisation zeigen sehr gut, wie wichtig es ist, dass sich die verschiedenen Akteur*innen darüber austauschen und Arbeitsprozesse gemeinsam gestalten. Nur durch einen gemeinsamen und vorlaufenden Austausch kann klar definiert werden, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden kann, damit alle zufrieden sind und es langfristig deswegen nicht zu Konflikten kommt.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Wie die Geschichte gezeigt hat, kann es immer wieder Situationen geben, in denen Fachkräfte und lokale Partner*innen unterschiedliche Vorstellungen von Rollen haben, die sowohl lokale Mitarbeitende als auch ZFD-Fachkräfte einnehmen können. Diese Rollen sind vielfältig und je nach Projekt und Organisation sehr unterschiedlich, siehe dazu auch Kapitel 4. Gleichfalls belegt ein Blick in die wissenschaftliche Literatur, in der es um die Rollen von Akteur*innen in der Zivilen Konfliktbearbeitung geht, ihre Vielfältigkeit. So können zivile Friedensakteur*innen die Rolle eine*r Vermittler*in einnehmen, beschwichtigend wirken, Gespräche initiieren, verschiedene Interessen repräsentieren, neue Denkanstöße geben, konkrete Dinge umsetzen oder implementieren, sie können dies überprüfen und versöhnend wirken (Mitchell, 2006). Darüber hinaus können sie Rollen in der Krisenprävention, Konfliktfrüherkennung, Vertrauensbildung, Wahlbeobachtung, im Minderheitenschutz und in der Versöhnung einnehmen (Auer-Frege, 2003, 34 ff.). Gerade CSOs können Rollen und Aufgaben in Bereichen übernehmen, in denen internationale oder staatliche Organisationen an ihre Grenzen kommen. Sie können so die Arbeit auf die Mikroebene bringen (Barnes 2009, S. 140).

Die Geschichten zeigen, dass trotz einiger formeller ZFD-Vorgaben und der Freiheit der einzelnen Träger*innen, diese umzusetzen, in der direkten Arbeit die Rollendefinitionen und -erwartungen oft unklar sind. Insbesondere in Forschungssituationen, in denen ich nachgefragt habe, warum etwas gemacht wird, so wie es gemacht wird oder warum Zuständigkeiten auf eine bestimmte Art und Weise verteilt sind, wurde aus vielen Antworten schnell ersichtlich, dass dies nicht geschieht, weil die Aufgaben klar definiert sind, sondern weil es sich oftmals so ergeben hat bzw. es bestimmte (auch informelle) Aushandlungsprozesse dafür gab. Solche natürlich gewachsenen Prozesse können im Sinne des Friction-Konzepts sehr positiv sein. Wie sich aber in den Gesprächen zeigte, wurden sie nicht aufgearbeitet oder ausreichend begleitet. Insofern galten sie eher als müßig und negativ und die Rollen wurden dadurch in der Regel nicht klarer.

„Partnership is there but it is not clear and also roles are not clear, even the job descriptions are not so clear and in the contracts it is also confusing and in practice you need to report some things to the [name of the German organization] coordinator and some to the coordinator of the local organization, it is not so clear where you belong and you personally need to make sure that there is no clash“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Ein vielfacher Wunsch war mehr Klarheit in den Rollen und Strukturen: „Structures and roles need to be clearer than they are now. It should not be two parties but one cooperation“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Eine Fachkraft betonte: „Rollen sind oft unklar und müssen auf beiden Seiten besser verstanden werden. Rollen klar auf den Tisch zu legen, ist deutsches Denken, in Kenia wird mehr verhandelt“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Auch bei meiner Umfrage unter lokalen Partner*innen und Fachkräften, in der es um Rollen geht, zeigte sich ein gemischtes Bild. Der Aussage, dass die eigene Rolle im ZFD klar ist und dass die Rollen der Kolleg*innen im ZFD klar sind, stimmen jeweils 85 % beziehungsweise 77 % zu oder komplett zu. Somit scheint es zumindest formell eine relativ hohe Klarheit über Rollen im ZFD zu geben. Der Aussage hingegen, dass die Kolleg*innen die Rolle der befragten Personen verstehen, und der Aussage, dass immer klar ist, wer im ZFD für welche Aufgaben zuständig ist, stimmen nur 58 % beziehungsweise 52 % zu oder komplett zu. Hier scheint es einen deutlichen Unterschied zwischen der formellen Anerkennung der Rolle und ihrer Anwendung und dem Verständnis für sie zu geben. Als ein Grund, warum es immer wieder zu diesen Unklarheiten kommt, lässt sich fehlende Kommunikation identifizieren. Viele Fachkräften, aber auch zahlreiche lokale Partner*innen berichteten, dass häufig der*die Chef*in der lokalen Organisation die offiziellen Absprachen rund um den ZFD trifft. Sie werden dann jedoch nicht immer an die anderen Mitarbeitenden weitergegeben, wodurch es von Anfang an zu Unklarheiten kommt. Besonders Fachkräfte klagten über mangelnde klare Kommunikationswege auch in der täglichen Arbeit. Lokale Partner*innen berichteten, dass viele Absprachen informell über WhatsApp laufen. „As a team they have a WhatsApp group so decisions can be made when not everybody is around, there is no problem that people cannot be reached“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Diese Art der Kommunikation wurde also als hilfreich empfunden, während die Fachkraft der gleichen Organisation sie als mühsam einstufte. Dies hat sicherlich mit persönlichen Präferenzen zu tun, jedoch auch mit der vorherrschenden Kommunikationskultur. Natürlich spielt es auch eine Rolle, wie im Team generell kommuniziert wird, ob Kompromisse gefunden werden oder eine Person Dinge festlegt und die anderen Personen folgen.

Diese Beispiele zeigen, dass der Umgang mit der Interkulturalität ein entscheidender Faktor für die Zusammenarbeit ist. Denn alltägliche interkulturelle Begegnungen lassen Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen entstehen (Boege & Rinck, 2019, S. 235). Auch die friedenswissenschaftliche Literatur betont, dass Kultur und Identität friedensfördernde Beziehungen beeinflussen (Brigg, 2016; Lederach, 1997; Mac Ginty, 2008; Richmond, 2011a) und es so sogar zu neuen Definitionen der Friedensarbeit kommen kann: „We conceptualize internationally supported peacebuilding as an inherently cross-cultural relational endeavour, with international and local actors engaged in multiple forms of cross-cultural interactions in a local everyday context” (Boege & Rinck, 2019, S. 217). Es wird angenommen, dass die Art und Weise, wie Menschen ihre Realität wahrnehmen, darüber nachdenken und ihr Bedeutung verleihen und wie sie sich in dieser Realität verhalten oder auf sie reagieren, von ihrem (sozio-)kulturellen Hintergrund beeinflusst wird. In dieser Denkweise nimmt Kultur Einfluss auf die Wahrnehmung eines Konflikts und die Reaktion darauf. Deswegen ist es gerade in einer gemeinsamen Friedensarbeit wie der des ZFD so wichtig, dass es Raum für Gespräche über Kultur und Identität gibt.

„The question is, if there is a line drawn in some of the relations in international teams, for example [something is] culturally not accepted, so it is very important that they understand and always ask if something is acceptable and that also helps to improve professional working and they are role models“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia).

Doch um solche Fragen zu stellen, sind Offenheit, Vertrauen und ein sensibler Umgang miteinander notwendig. Sie sind nicht in allen Formen der Zusammenarbeit gegeben, gleichwohl eine elementare Voraussetzung für partnerschaftliche Zusammenarbeit (Cohen, 2014, S. 68). Besonders von erfahrenen lokalen Partner*innen wurde betont, dass nicht nur Interkulturalität, sondern auch die Persönlichkeit eine wichtige Rolle spielt. Generell zeigte sich in meinen Gesprächen, dass die meisten Fachkräfte und lokalen Partner*innen zum Austausch bereit sind. Besonders die lokalen Partner*innen forderten wiederholt, dass die Fachkräfte ihr Wissen an die lokalen Gegebenheiten anpassen. Dies bedeutet auch, Machtdynamiken zu verändern und einen Schritt in Richtung Partnerschaftlichkeit zu gehen. Viele Fachkräfte beschrieben dies jedoch als Herausforderung: „Ich finde selber die Arbeit schwierig, wenn es um Werte, Reflexion und so weiter geht, da es eine ganz andere Sozialisation ist“Footnote 5 (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Bisherige Publikationen von Fachkräften haben gezeigt, dass gerade im Bereich Interkulturalität oftmals sehr verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen und gerade dort oftmals keine Lösungen gefunden werden können: „Es gibt hier oft ganz andere Denkweisen, die einfach kulturell und sozial begründet sind. Manche Unterschiede kann man einfach nicht überwinden“ (Karanja, 2000). Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Unterschiede sowohl von den ZFD-Fachkräften als auch von den lokalen Mitarbeitenden wahrgenommen werden und für alle Beteiligten relevant sind. Aus machtkritischer Perspektive stellt sich die Frage, warum es diese überhaupt überwunden oder angepasst werden müssen und wer seine Denkweisen an wen anpassen sollte.

Interkulturalität ist generell ein wichtiges Element in der Friedensarbeit, die gemeinsam von externen und lokalen Akteur*innen geleistet wird: „Working across, and with, cultural difference is the overarching feature of externally supported peacebuilding, which is fundamentally relational and procedural“ (Boege & Rinck, 2019, S. 217). Grundsätzlich wird im ZFD versucht, sich zu diesen Rollenfragen und Fragen der Interkulturalität durch partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu begegnen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. S. 3). Alle Interviewpartner*innen in Deutschland waren sich einig, dass die partnerschaftliche Zusammenarbeit das Herzstück der ZFD-Arbeit ist und die Arbeit von den Partner*innen geschätzt wird. „Die hohe Wertschätzung der Partner im ZFD liegt an der Nähe, die wir zum Partner haben, an der Offenheit, am offenen Dialog, den wir pflegen“ (Interview GIZ Deutschland). Und auch von den Personen in Kenia, Liberia und Sierra Leone wurde immer wieder betont, wie wichtig die persönliche Zusammenarbeit und die Teamarbeit für den Erfolg der Arbeit sind. „The composition of the team and the structure make everything easy or difficult. Also has to do with the attitudes in the team and hierarchies and also how educated the team is“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Doch muss in dieses Herzstück noch mehr investiert werden, damit es in der Praxis gut umgesetzt werden kann. Denn sowohl Fachkräfte als auch Mitarbeitende lokaler Organisationen (45 % komplette Zustimmung oder Zustimmung) gaben in meiner Umfrage an, dass die unterschiedlichen Arbeitsethiken der lokalen beziehungsweise internationalen Kolleg*innen ein Hindernis sind.

In den Interviews in Deutschland wurde oftmals die langjährige vertraute Zusammenarbeit mit den Partner*innen betont, in die die Fachkraft hineinkommt, sie ausbaut und von ihr bei der Arbeit profitieren kann. Jede*r Mitarbeiter*in bringe ihre/seine eigene Sicht auf bestimmte Themen ein und so könnten Diskussionen stattfinden. „Das führt natürlich zu Spannungen und zu Vorwürfen im Sinne von ‚Du aus Deutschland kannst das doch gar nicht nachvollziehen, du weißt doch gar nicht, was hier passiert ist, du hast doch selbst nur deinen verklärten deutschen Blick auf uns‘“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Diese Vorwürfe sind gerade mit Blick auf die bereits diskutierten Themen Neutralität oder diskursives Machtwissen sehr gut nachvollziehbar. In diesem Setting kann sich im Team eine Reihe von Spannungsfeldern (Frictions), Diskussionen und Dynamiken entwickeln. Denn laut der Interviewpartner*innen in Deutschland bilden die Teams letztendlich das Gefüge und die Spannungen innerhalb der Gesellschaft ab und sie müssen damit produktiv umgehen. Wie in einem Interview mit einer*r ZFD-Mitarbeiter*in in Deutschland geschildert wurde, ist in diesem Zusammenhang die immer wiederkehrende Rollenklärung aller Beteiligten wichtig:

„Wer hat mich geschickt? Bin ich willkommen, weil ich Geld oder Beziehungen mitbringe? Warum wird sich das Externe eingekauft? Das ist immer eine Frage. Es bedarf einer ständigen Rollenklärung. Deswegen finde ich es wichtig, dass die Eigenmotivation und das Eigeninteresse klar sind […]. So eine Rollenklärung ist immer wieder notwendig. Nicht nur im Projekt, sondern auch mit jeder Person einzeln. Das sind oft viele Diskussionen und die gehören einfach auch dazu. Eine humanitäre Hilfe muss sich aber auch genau fragen, warum gehe ich dahin. Dass ich Leute nicht verhungern lassen sollte, ja, okay. Aber die Frage, wer einen gerufen hat, bleibt. Ganz wichtig sind die Eigenmotivation und die eigenen Interessen in der Konflikt- und Friedensarbeit“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Findet dieses kritische Hinterfragen jedoch nicht statt, können diese Frictions, diese Unklarheiten in den Rollen sich auf die Zusammenarbeit negativ auswirken. Dies wird in der wissenschaftlichen Literatur oft als das größte Hindernis für erfolgreiche Friedensarbeit bezeichnet (Ameln, 2006, S. 92; Pastoors, 2017, S. 436; Wenzler-Cremer & Cremer, 2006). Dadurch kommt es zu Problemen in der Zusammenarbeit. So gibt es zum Beispiel immer wieder Spannungen bei den Aufgaben der Fachkräfte, die für die finanzielle Projektabwicklung zuständig sind. Diese Aufgabe liegt nicht bei allen ZFD-Träger*innen bei den Fachkräften, jedoch bei einigen. So arbeiten die Fachkräfte in die Organisation integriert und zumindest theoretisch auf Augenhöhe. Gleichzeitig aber sind sie für die Verwaltung und Abrechnung der Gelder hauptverantwortlich. Dadurch ist es „[…] schwierig rüberzubringen, dass man nicht zur Kontrolle da ist, sondern auf der gleichen Ebene ist“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Es kommt hier zu einer deutlichen Verschiebung der Machtposition der Fachkräfte weg von einer beratenden Rolle hin zu einer aktiven Rolle in Organisation und Durchführung. Dadurch haben viele Fachkräfte das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen. Auch einige lokale Partner*innen sehen darin einen Rollenkonflikt. Weil die Fachkraft so in die Geber*innenrolle gelangt und mit einem*einer Geber*in nicht so frei gesprochen werden kann wie mit einem*einer Kolleg*in. Denn es gibt immer inhärente Machtdynamiken, die dies verhindern. Daran knüpft das generelle Rollenproblem im ZFD an. Die Mehrheit der ZFD-Träger*innen betrachtet sich und den ZFD nicht als klassischen Geber, obwohl sie vor Ort immer wieder so wahrgenommen werden und lokale Organisationen den ZFD vielfach so bezeichnen. Es wird in Frage gestellt, warum die ZFD-Träger*innen keine Geberorganisation sein sollten: „[Name of the German organization] says they want to be a supporter and be called like it, but he*she is not sure about this“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Diese Rolle als Geber*in bewirkt eine verstärkte Trennung des „Wir“ als ZFD/Geber von den „Anderen“ als Empfänger*innen. Dies beeinflusst wiederum im Sinne einer diskursiven Macht die praktischen Handlungen. Dadurch, dass der ZFD also als klassische Geberorganisation wahrgenommen wird, nennen viele lokale Organisationen vorranging als Mehrwert das Geld, das der ZFD mitbringt. Dafür zeigte ein*e Interviewpartner*in in Deutschland wenig Verständnis:

„Es gibt aber auch Stinkstiefelpartner, die wirklich nur unser Geld wollen, die die Sprache toll und aufwendig gelernt haben, die genau wissen, was wir hören wollen und wenn es in den Vollzug geht, geht es ihnen eigentlich nur ums Geld oder sie sind ganz anders strukturiert als wir“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Diese unterschiedlichen Auffassungen rühren daher, dass vielen lokalen Partner*innen nicht bei jedem Detail klar ist, um was es im ZFD geht. So habe ich mit Personen gesprochen, die zwar die Verträge für den ZFD abgeschlossen haben, aber kein Verständnis für die Arbeit hatten, die Struktur als undurchsichtig beschreiben und denen die Zielsetzung des ZFD unklar ist. Einige Fachkräfte berichteten, dass ihnen lange gar nicht bewusst war, dass sie für den ZFD arbeiten werden: „Es war ganz lange unklar, dass die Arbeit für den ZFD stattfinden soll, das ist bei dem Vorbereitungsseminar erst klar geworden“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Durch diese zwei sehr unterschiedlichen Rollenverständnisse kommt es in der täglichen Zusammenarbeit zu weiteren Spannungen.

„Partner*innen haben nicht erkannt, dass [Name der Deutsche Organisation] einen anderen Ansatz hat als andere Donor – keine Rechenschaft ablegen, sondern Weiterbildung. Es ist sehr schwer zu verstehen, schwer klarzumachen, dass [Name der Deutsche Organisation] keine Vorgaben macht bei Projekten, sondern man selbst entscheiden darf. Gewohnheit ist, dass andere Donor planen und die Organisation nur noch durchführt. Sie sind gar nicht mehr entscheidungsfähig, sondern total fremdbestimmt in den Handlungen“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Ein weiteres Beispiel ist das Bild, das die Fachkräfte von ihren lokalen Kolleg*innen haben. Die Idee des ZFD ist es, dass das Wissen der ZFD-Fachkraft vor Ort eingesetzt wird und übernommen werden kann. Dies ist – wie bereits erwähnt – problematisch, weil so das externe Wissen höher eingeschätzt wird als das lokal vorhandene Wissen. ZFD-Fachkräfte äußerten hingegen wiederholt, dass es vor Ort gar keine Lernbereitschaft gibt oder die Mitarbeitenden der lokalen Organisation nicht die Arbeitsmoral an den Tag legten, die dafür notwendig ist. So wurde zum Beispiel berichtet: „Es ist ein Problem, dass die Leute nicht gelernt haben, zu reflektieren oder kritisch zu hinterfragen, so wird die Arbeit oft schwierig“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Auch wenn nicht alle Fachkräfte solche Aussagen tätigen, sind sie doch erstaunlich oft erfolgt. Sie zeigen deutlich, dass die eigene Rolle oder die Situation vor Ort nicht reflektiert wird und dass nicht versucht wird, die Beweggründe herauszufinden. Stattdessen werden aus einer privilegierten Position heraus vorschnelle Schlussfolgerungen getroffen. Es wird „über die Anderen“ gesprochen, was die mächtigere Rolle der Fachkräfte beweist. Dabei wäre diese Reflexion für die Arbeit sehr wichtig. Denn „[…] nur, wenn man die Menschen hier versteht, kann man auch hier arbeiten, zum Beispiel kann jemand faul wirken, aber in Wirklichkeit ist es Überlastung und Nicht-Verständnis“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia).

All die hier angeführten Beispiele haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist und es zu Unklarheiten und Reibungen kommen kann. Es ist eine der Herausforderungen, dass diese Reibungen nicht immer angesprochen werden. Selbst in den Fällen, in denen die lokalen Partner*innen zum Beispiel mit der Agenda, Fachkraft oder Finanzierung nicht einverstanden sind oder Bedenken haben, erfolgt nicht immer eine klare Ansprache der Problematik oder eine gezielte Suche nach Alternativen. In der Literatur werden dazu einige behindernde Faktoren genannt, die auf die Machtdynamiken in der Arbeit zurückzuführen sind. Dazu gehören das Risiko, die laufende Unterstützung zu verlieren, die mögliche Reibung mit anderen beteiligten Akteur*innen, mangelndes Vertrauen in die eigenen Ideen und die schlichte Abneigung, substanzielle Änderungen am Status quo vorzunehmen (Lee, 2019, S. 109). Dies kann sogar Mechanismen in Gang setzen, um gezielt solchen Reibungen zu umgehen (Lee, 2019, S. 111; Philipsen, 2016). Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, diese durch den ZFD mandatierte Partnerschaft kritisch zu hinterfragen. Denn wenn Ressourcen transferiert werden (Borries von, 2007, S. 199) oder wenn eine Person mit westlichen Vorstellungen arbeitet, die oft unbewusst transferiert werden (Richter, 2010, S. 20), stehen Augenhöhe und Partnerschaftlichkeit in Frage. In der wissenschaftlichen Literatur, aber auch in Veröffentlichungen von Personen aus dem ZFD wird argumentiert, dass eine solche Partnerschaft eher „Rhetorik“ (Brinkerhoff, 2002; Crawford, 2003; Menashy, 2019) oder ein „Schlagwort“ ist (Ashman, 2001; Cornwall & Brock, 2005; Mohiddin, 1998). Demnach ist sie weniger zu verstehen als Begrifflichkeit mit starken normativen Obertönen dazu, wie eine Beziehung zwischen Partner*innen aussehen sollte (Harrison, 2007). Weiter heißt es, dass durch diese Gleichsetzung in der Sprache das Ungleichgewicht der Macht verschleiert wird (Hately, 1997, S. 22). Denn auch wenn die Begriffe verwendet werden und es Ideen gibt, sie anzuwenden, bestehen Ungleichheiten und Machtverhältnisse, die eine wirkliche Partnerschaft nahezu unmöglich machen, in der Realität fort (glokal e. V., 2016). Durch dieses Ungleichgewicht und die enge Zusammenarbeit der Fachkräfte mit den lokalen Partner*innen kann es schneller zu Reibungen kommen. Eine Studie hat gezeigt, dass die größten Stressfaktoren für Friedensfachkräfte nicht auf das kollektive Umfeld, sondern konkret auf organisatorische Faktoren, Teambeziehungen, hohe Arbeitsbelastung, schlechte Führung, Probleme mit Ressourcen oder Bürokratie und Entscheidungsprozesse zurückzuführen sind (Wiesenthal & Rößler, 2015). 24 % der Fachkräfte stimmten der Aussage zu oder komplett zu, dass es persönliche Frustration auf der Arbeit wegen des ZFD-Projekts und der ZFD-Logistik gibt. Weitere 23 % stimmten der Aussage zu oder komplett zu, dass es persönliche Frustration aufgrund der Umstände auf der Arbeit und im jeweiligen Land gibt. Dies ist zwar nicht die Mehrheit der Fachkräfte, dennoch fast ein Viertel von ihnen, die dadurch in der Arbeit beeinträchtigt werden.

8.4.2 Von der Zusammenarbeit zur Kündigung

Die Geschichte

Ich verbringe ein paar Tage bei einer Organisation, in der eine ZFD-Fachkraft seit einigen Wochen arbeitet. Die Organisation deckt mehrere Arbeitsbereiche ab, und verschiedene Referent*innen arbeiten an inhaltlichen Projekten. Zudem sind Personen in der Administration tätig und zwei Personen übernehmen die Rolle der Leiter*innen. Es ist das erste Mal, dass in der Organisation eine ZFD-Fachkraft arbeitet. Aber es gibt einen eine*n Projektmitarbeiter*in, welche*r schon früher in einem anderen Projekt mit ZFD-Fachkräften zusammengearbeitet hat. Die Absprachen für den Start des ZFD erfolgten weitgehend mit dieser Person und einem*einer Leiter*in. In der Folge aber hat diese*r Leiter*in das Projekt verlassen und eine neue Person trat an die Stelle. Während meiner Zeit in dem Projekt habe ich die Fachkraft und die Projektmitarbeitenden soweit wie möglich bei der Arbeit begleitet, am Organisationsleben teilgenommen und Gespräche geführt. Dabei ist immer wieder aufgefallen, dass es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Eine*r der beiden Leiter*innen war an der Arbeit der ZFD-Fachkraft nicht wirklich interessiert. In einem Gespräch erfuhr ich, dass die Person geschätzt wird, es jedoch nicht ganz klar ist, warum er*sie vor Ort ist. Der*Die zweite Leiter*in, welche*r von dem*der Vorgänger*in den Projektantrag übernommen hat und in gewisser Weise für die Fachkraft zuständig war, zeigte sich in Gesprächen immer wieder sehr enttäuscht von der Arbeit der Fachkraft. Von der Fachkraft hieß es, er*sie sei nicht erfahren, reflektiert, anpassungsfähig und reif genug für eine solche Arbeit. Gleichzeitig wurde dem ZFD als Gesamtprogramm vorgeworfen, die Gutmütigkeit der lokalen Organisationen auszunutzen und viel zu wenig Finanzen zur Verfügung zu stellen. Die Fachkraft wiederum warf in Gesprächen diesem*dieser Chef*in vor, trotz mehrerer Erklärungs- und Interventionsversuche vonseiten der ZFD-Koordination die Aufgaben des ZFD nicht verstehen zu wollen, nur das Geld im Blick zu haben und generell korrupt mit dem Geld der Organisation umzugehen. Die Mitarbeitenden in den einzelnen Bereichen sind dem*der Leiter*in unterstellt. Sie haben in Gesprächen angemerkt, dass die Zusammenarbeit mit dieser Person schwieriger ist als mit der vorherigen Person und es schon einige Vermittlungsversuche durch die ZFD-Koordination gab. Während meines Aufenthaltes konnte ich beobachten, dass immer wieder Gespräche zwischen dem*der Leiter*in und der Fachkraft geführt wurden. Diese haben letztendlich zur Beurlaubung beziehungsweise Kündigung der Fachkraft seitens der Organisation geführt. Die Fachkraft berichtete, dass diese Beurlaubung sicher erfolgte, um der deutschen ZFD-Organisation „Angst zu machen, ein Projekt zu verlieren“, ohne dass der*die Chef*in sich bewusst darüber war, dass der ZFD in einer solchen Situation ein Projekt auch aufgeben kann. Der*Die andere Leiter*in wurde darüber jedoch erst am kommenden Tag informiert und auch die anderen Mitarbeitenden der Organisation wurden nicht direkt informiert. Am Abend der Kündigung waren die Fachkraft, Mitarbeitende aus der Organisation und ich beim Abendessen. In dem Gespräch wurde klar, dass sich viele Mitarbeitende mit dem*der neuen Leiter*in nicht wohl fühlen, sie jedoch wenig Handlungsspielraum haben. Stellen sie sich gegen die Person, verlieren auch sie ihren Job und haben nicht die Möglichkeit, wie die Fachkraft über ein größeres System aufgefangen zu werden. Nehmen sie es hin und setzen ihre Arbeit fort, werden sie nicht glücklich mit dem, was sie machen. Hier wurde deutlich ausgedrückt, dass die Fachkraft zwar eine Vorbildfunktion einnehmen kann, indem sie sich gegen den*die Leiter*in stellt, dies jedoch für die lokalen Mitarbeitenden ganz andere Konsequenzen hat.

Meine Rolle als Forscherin

Ich wurde von der Fachkraft dazu eingeladen, die Organisation zu besuchen und dort einige Tage zu verbringen. Da die Stadt, in der sich die Organisation befindet, nicht gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist, musste ich aufgrund der angespannten während der Krisensituation im ZFD Projekt Lage vor Ort bleiben. Vor meinem Besuch wies mich die Fachkraft darauf hin, dass es Probleme mit dem*der Chef*in, nicht aber mit den anderen Kolleg*innen gibt. Insofern war der Kontakt mit den anderen Kolleg*innen von meiner Seite aus nicht anders als in anderen Organisationen. Dem*Der Chef*in gegenüber habe ich versucht, genauso werturteilsfrei aufzutreten, wie ich es auch in anderen Organisationen gemacht habe. Da ich nicht in die eigentlichen Konflikte involviert war und es für mich als Forscherin spannend war, die Situation und beide Positionen zu verstehen, ist mir dies gelungen. Aus heutiger Sicht kann ich mit Abstand die Situation reflektieren und sagen, dass ich beide Seiten verstehen kann. In den einzelnen Gesprächen habe ich keine Meinung zu den Konflikten geäußert, um die Situation nicht zu beeinflussen.

Reflexion und kritische Diskussion

Wie aus der Geschichte zu erkennen ist, ist die Situation sehr komplex, die schließlich zur Beurlaubung der ZFD-Fachkraft und zur Einstellung der Zusammenarbeit geführt hat. Auch wenn ich einige Tage in der Organisation verbrachte, einige beteiligte Personen zuvor bereits kannte und mit allen Parteien Gespräche geführt habe, kann ich nicht beurteilen, wer im Recht oder im Unrecht war. Das ist auch nicht meine Aufgabe als Forscherin. In einer solchen Situation ist jedoch davon auszugehen, dass alle Parteien bestimmte Empfindungen, Gefühle und Erwartungen einbrachten. Erwartungen, die nicht oder nur teilweise erfüllt wurden, sodass es zu Fehlkommunikation und enttäuschten Erwartungen gekommen ist und kein gemeinsamer Nenner gefunden werden konnte. Die Hintergründe dafür sind vielfältig. Die Situation zeigt jedoch viele Elemente auf, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit wichtig sind. Dies sind zum einen klare Absprachen über Finanzen, Rollen und Aufgaben, nicht nur der Fachkraft und der Mitarbeitenden vor Ort, sondern auch über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Leiter*innen einer lokalen Organisation. Zum anderen zeigt sich, wie wichtig die Kommunikation und gemeinsame Reflexion zwischen den beteiligten Personen ist. Und dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit es erfordert, dass das Zwischenmenschliche zwischen den im ZFD arbeitenden Personen stimmt.

Der hier geschilderten Situation waren eine Vielzahl an Gesprächen und Konflikten vorausgegangen, bis es zur Eskalation während eines Gesprächs kam. In der Folge wurde die Fachkraft beurlaubt, was wiederum dazu geführt hat, dass der*die ZFD-Koordinator*in sich entschloss, die Kooperation einzustellen. Diese Handlungen brachten verschiedene Nachwirkungen mit sich. Die Fachkraft hat das Projekt am nächsten Tag verlassen, konnte jedoch im Land bleiben, zunächst die ZFD-Koordination bei der Arbeit unterstützen und dann in einer anderen Organisation als integrierte Fachkraft beginnen. Für die Personen, die in der lokalen Organisation arbeiteten, bedeutete das Ende der ZFD-Kooperation nicht nur den Verlust der Zusammenarbeit mit der Fachkraft, sondern vor allem Einbußen bei finanziellen Mitteln für schon geplante oder begonnene Projekte. Als weitere Konsequenz konnte die Zielgruppe nicht mehr in gewünschter und notwendiger Weise erreicht werden und die Arbeit nicht nachhaltig zu Ende geführt werden. Jedoch zeigt sich in der Situation noch ein weiterer wichtiger Aspekt, der reflektiert werden muss. In einem Gespräch wurde klar, dass sich viele Mitarbeitende mit dem*der neuen Leiter*in und seiner*ihrer Arbeitsweise nicht wohl fühlten und eigentlich gerne die Arbeit wechseln würden. Weil ihnen oftmals Alternativen fehlen, ist dies jedoch nicht so einfach möglich. Einerseits ist zwar die Fachkraft vorbildhaft vorgegangen, indem er*sie die Konfrontation mit dem*der Leiter*in gesucht hat. Doch ist dies den lokalen Mitarbeiter*innen in der Umsetzung nicht möglich. Sie stehen in stärkeren Abhängigkeitsverhältnissen zu der lokalen Organisation und haben keine externe Absicherung wie die Fachkraft. Es zeigt sich abermals, welche mächtige Rolle die Fachkraft gegenüber den lokalen Mitarbeiter*innen einnimmt und wie sie im ZFD-System aufgefangen wird, die lokalen Mitarbeiter*innen, die zum Teil seit Jahren für den ZFD arbeiten, aber nicht.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Im Verlauf meiner Forschung war dies nicht die einzige Kündigung oder das einzige frühzeitige Vertragsende, das ich erlebt habe. Ich lernte eine andere Fachkraft kennen, die sich in der Partnerorganisation systematisch ausgegrenzt fühlte. Sie*Er hatte nach eigener Aussage zu wenige Aufgaben. Seine*Ihre Arbeit wurde von der Organisation als nicht gut oder als irrelevant eingestuft. Gleichzeitig fühlte er*sie sich von der ZFD-Koordination im Land nicht unterstützt, empfand die gesundheitliche Versorgung als unangemessen beziehungsweise erlebte diesbezügliche Einschränkungen seitens des ZFD-Trägers aus Deutschland. Somit entschloss sich die Fachkraft, den Vertrag nach etwa der Hälfte der Zeit zu kündigen. Eine andere Fachkraft wiederum fühlte sich in der Partnerorganisation und mit der Arbeit sehr gut. Jedoch betonte er*sie immer wieder, dass die ZFD-Koordination im Land ihn*sie benachteiligen würde. Es würden besonders viele administrative Aufgaben an ihn*sie abgegeben, geplante Aktivitäten würden als nicht ZFD-relevant abgesagt oder verändert und er*sie erfahre vom ZFD-Träger in Deutschland wenig Unterstützung. Die Fachkraft entschied sich deshalb, den Vertrag nicht zu verlängern. Eine andere Fachkraft, die ich kennenlernte, ließ den Vertrag nicht verlängern, obwohl es möglich gewesen wäre, da er*sie sich in dem Projekt alleingelassen gefühlt hat. Eine weitere Fachkraft beendete den Vertrag schon nach einigen Monaten aufgrund von gesundheitlichen Problemen. Jedoch betonte sie*er, dass sicherlich auch eine andere Lösung hätte gefunden werden können, wenn er*sie sich in dem Projekt wohlgefühlt hätte. Aber es habe ein grundsätzlich anderes Arbeitsverständnis geherrscht. Auch ihre*seine Erwartungen an die Arbeit unterschieden sich von denen der lokalen Organisation und es konnte kein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Diese unterschiedlichen Erwartungen können zum Teil daraus resultieren, dass aufgrund vorheriger Erfahrungen mit einer Fachkraft hohe Erwartungen gestellt werden: „A lot of expectations towards the new CPS worker and these made them not to realize that he*she is an individual and not like the old person that was there. We need to ask yourself what space we crated for him*her“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Zum anderen können diese unterschiedlichen Erwartungen daraus resultieren, dass den Mitarbeitenden der lokalen Organisationen und sogar denen, die Verträge mit dem ZFD geschlossen haben, gar nicht klar ist, um was genau es im ZFD geht.

In einem anderen Bespiel fand eine lokale Organisation zusammen mit einer Fachkraft einen anderen Weg, eine vorzeitige Vertragsbeendigung zu vermeiden. Frictions wurden hier in einer produktiven Weise gelöst, die mit den Regeln des ZFD allerdings nicht konform geht. Da keine Einigung über gemeinsame Projekte und eine gemeinsame Zusammenarbeit erzielt werden konnte, wurde beschlossen, dass jede*r für sich an eigenen Projekten arbeitet und keine wirkliche Zusammenarbeit stattfindet. Die Organisation wusste zum Beispiel nicht, wo die Fachkraft lebt oder was diese macht. Diese Lösung erfolgte nicht in Absprache mit der ZFD-Koordination und Berichte und Abrechnungen wurden gemeinsam eingereicht. Dies sind nur die Fälle, die ich während meiner sechsmonatigen Forschung erlebt habe. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Fallzahl von Personen, die den ZFD frühzeitig beenden oder die Verträge nicht verlängern, obwohl sie eigentlich gerne weiterarbeiten würden, viel höher ist. Dies ist sehr erstaunlich, da im ZFD das Thema der frühzeitigen Vertragsauflösung kaum erwähnt wird. Fachkräfte berichteten mir aus ihrer Vorbereitung, dass das Thema fast tabuisiert und nur als extreme Ausnahmesituation geschildert wird. In einem Interview in Deutschland kam jedoch deutlich zur Sprache, dass Kündigungen oder Personalwechsel sehr wohl vorkommen. Laut Interviewpartner*in erfolgen Personalwechsel vor allem dann, wenn ein Projekt ausläuft und neu bewilligt wird, die Fachkraft aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr im Land oder bei der Organisation bleiben möchte. Dies zeigt deutlich, wie auswechselbar die lokalen Partnerorganisationen für die ZFD-Träger*innen sind. Ein weiterer Aspekt, der zu Kündigungen oder Stellenwechseln führen kann und der in dem Interview genannt wurde, ist, wenn sich eine neue Leitung in einer lokalen Organisation gegen die Zusammenarbeit mit einer Fachkraft ausspricht. Hier wird in der Regel die Fachkraft in einem anderen ZFD-Projekt, zum Teil auch in einem anderen Land untergebracht.

„Da versucht man dann erstmal zu sagen, wir schauen da erstmal miteinander hin, findet sich da irgendwo auch ein Mittelweg und wir haben dann aber auch schon Stellen beendet, weil es keinen Sinn macht und haben es dann versucht, woanders anzusiedeln“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Hier wird deutlich, dass der ZFD ein Instrument der Personalentsendung ist. Das Wohlergehen der Fachkräfte wird teilweise höher bewertet als das der lokalen Mitarbeiter*innen oder als die Nachhaltigkeit von Projekten. Es wird kaum thematisiert, welche Konsequenzen der Fortgang einer Fachkraft für die lokalen Mitarbeitenden hat. Der Do-no-Harm-Ansatz wird hier nur begrenzt angewendet. Dieses Vorgehen zeigt deutlich die machtvolle Stellung von Fachkräften. Sie treffen die bewusste Entscheidung, in einem konfliktiven Umfeld zu arbeiten und zu leben. Gleichzeitig aber haben sie die Gewissheit, wieder ausreisen zu können (Kurschat, 2000, S. 65) oder dass sie in Gefahrensituationen evakuiert werden können (Köhler, 2005, S. 90). Es stellt sich die Frage, was eine Person dazu motiviert, diese Arbeit zu leisten. Hier werden in der Forschung idealistische, individuell-lebensbezogene, kulturelle, politische, historische, ökonomische Faktoren oder die Suche nach dem „Kick“ genannt (Kramer, 2001, 354 f.). Werden diese Faktoren nicht in vollem Maße erfüllt oder kommt es zu großen Diskrepanzen zwischen den Erwartungen und der Realität, können in der Arbeit vor Ort Probleme und Herausforderungen entstehen, die zu einer Vertragsbedingung führen können, aber nicht müssen.

Die Interviews in Deutschland, aber auch Beobachtungen in Kenia, Liberia und Sierra Leone lieferten einige Aussagen, die für eine solch komplexe Situation wie eine Kündigung Erklärungsmuster beinhalten. Dies ist zum einen der Fall, wenn es zu großen Unstimmigkeiten zwischen der Fachkraft und den Partner*innen kommt. Jedoch wurde in einem Interview auch betont, dass die Fachkräfte „[…] dort genauso klarkommen [müssen] wie jeder von uns bei seinem Arbeitgeber hier klarkommt. Man ist in einer Struktur, man hat einen Vorgesetzten, man muss bestimmte Dinge auch mal klären“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Diese Aussage zeigt deutlich, dass mögliche Reibungspunkte – Frictions (siehe Abschnitt 3.4.) – bekannt sind. Es sollte jeweils genau analysiert werden, woher sie kommen und woran sie sich entzünden. Denn wenn es zu solch starken Auseinandersetzungen kommt, kann es hilfreich ein, das Friction-Konzept heranzuziehen. Unter Frictions wird ein Reibungsprozess verstanden, der durch (konflikthafte) Begegnungen entstehen kann. Das Ergebnis dieser Reibung muss nicht zwangsläufig negativ sein, sondern kann – wie zum Beispiel bei der Reibung von zwei Feuerhölzern – auch etwas positives hervorbringen (Tsing, 2005, S. 5). Frictions werden im ZFD jedoch viel zu wenig produktiv genutzt und nicht ausreichend konzeptualisiert. Es findet in Situationen wie der hier beschriebenen zwar ein Dialog statt und es wird versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Doch geschieht dies in der Regel punktuell und nur bei Bedarf, aber nicht in einem systematischen Verfahren, das etwa von Anfang an Machtdynamiken, Erwartungen und Rollen berücksichtigt, um Frictions vorzubeugen und/oder sie produktiv nutzen zu können.

8.4.3 Diskussionen um Hierarchie im ZFD

Die Geschichte

Den Tag habe ich zusammen mit einer Fachkraft und dem*der Mitarbeiter*in einer lokalen Organisation verbracht. Es wurden verschiedene Aktivitäten für Erwachsene und Jugendliche durchgeführt, welche ein Teil der Arbeit des ZFD-Projektes sind. Am Abend sollte für eine weitere Jugendgruppe ein Film gezeigt werden. Der Film sollte in einer leerstehenden Halle auf dem Gelände einer Kirche vorgeführt werden. Als wir vor Ort ankommen, sind wir etwas früher als geplant da, werden in das Pfarrhaus gebeten und bekommen dort Verpflegung und Getränke. Die Zeit der Filmvorführung rückt näher und die Fachkraft will mit dem Aufbau der Technik beginnen. Der*Die Mitarbeiter*in einer lokalen Organisation weist jedoch darauf hin, dass es noch zu früh sei. Daraufhin wird noch etwas gewartet und erst mit dem technischen Aufbau begonnen, als die ersten Jugendlichen bereits eingetroffen sind. Diese äußern sich etwas verwundert darüber, dass es noch nicht losgeht, da es so sehr spät werden würde und sie sich dann zu einer unsicheren Zeit auf den Heimweg machen müssten. Der Aufbau wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass zunächst der Beamer und dann die Lautsprecher nicht funktionierten. Der*Die lokale Mitarbeiter*in überließ den Aufbau weitestgehend der Fachkraft und schickte die Jugendlichen in das Pfarrhaus, um zum Beispiel ein Verlängerungskabel oder Stühle zu holen. Dann wurde festgestellt, dass einige technische Teile fehlten, von denen die Fachkraft ausgegangen war, dass der*die Mitarbeiter*in einer lokalen Organisation diese eingepackt hatte, während diese*r davon ausging, die Fachkraft habe sie eingepackt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass für die Jugendlichen keine Verpflegung gekauft wurde, was eigentlich üblich ist. So wurden diese selbst losgeschickt, um Verpflegung zu kaufen. Die Fachkraft teilte mir immer wieder mit, dass er*sie sich darüber ärgerte, dass er*sie sich nicht durchgesetzt hatte, als er*sie mit dem Technikaufbau beginnen wollte. Doch hatte er*sie nicht vor den anderen Personen der Gemeinde den*die lokale*n Mitarbeiter*in in einer Entscheidung hinterfragen und bloßstellen wollen. Nach einiger Zeit konnte der Film dann gestartet und geschaut werden. Jedoch entschied der*die lokale Mitarbeiter*in dann, den Film zu unterbrechen und die Jugendlichen nach Hause zu schicken, da es sehr spät geworden war. Die Jugendlichen äußerten etwas Enttäuschung, da sie den Film gerne gesehen hätten und es nun aufgrund von anderen Terminen in der Schule und der Gemeinde schwierig wurde, einen neuen Termin zu finden, um den Film weiteranzusehen.

Meine Rolle als Forscherin

Nachdem ich schon den Tag über an den anderen Aktivitäten teilgenommen hatte, wurde ich abends auch zu dem Film eingeladen. Auf dem Gelände der Gemeinde gehen viele weiße Personen ein und aus und ich habe hier nicht für große Aufmerksamkeit gesorgt. Den Jugendlichen wurde ich vorgestellt und meine Teilnahme wurde zur Kenntnis genommen. Gerade in der Wartezeit haben mir einige der Anwesenden Fragen zu meinem Studium gestellt und die jungen Erwachsenen haben von ihrem Studium erzählt. Hierbei handelte es sich um einen offenen Austausch. Von der Fachkraft wurde ich nach einiger Zeit wegen der technischen Probleme um Hilfe gebeten und so habe ich versucht, ihr bei der Lösung zu helfen – was nicht erfolgreich war. Sicherlich habe ich somit einen Einfluss auf das Feld genommen, doch wäre dieser Einfluss negativer gewesen, wenn ich meine Hilfe verweigert hätte, da in der Situation alle Personen mit technischen Kenntnissen versucht haben, das Problem zu lösen. Hätte ich es nicht auch versucht, wäre ich sehr negativ aufgefallen, so war ich im Sinne einer teilnehmenden Beobachtung Teil der Gruppe und der Situation.

Reflexion und kritische Diskussion

Die erzählte Geschichte zeigt verschiedene Hierarchien, die mit Macht zusammenhängen. Eine erste Hierarchie lässt sich klar erkennen, als wir bei der vorzeitigen Ankunft im Pfarrhaus verpflegt werden. Ein Service, der den Jugendlichen, die zum Teil auch zu früh kommen, nicht zuteil wird. Diese Gastfreundschaft hat zum einen damit etwas zu tun, dass die lokale Organisation und die Fachkraft schon länger mit der Gemeinde zusammenarbeiten, aber auch mit Seniorität und dem in dem Land vorherrschenden Verständnis von Gastfreundschaft. Die Jugendlichen werden nicht dazu gebeten, da dies auch sonst, wenn sie in der Gemeinde anwesend sind, nicht der Fall ist. Verständlicherweise soll nicht nur durch die Anwesenheit der ZFD-Mitarbeitenden dieses Schema durchbrochen werden. Eine weitere Hierarchie zeigt sich zwischen den Jugendlichen und den ZFD-Mitarbeitenden. Die Jugendlichen äußern der*dem Mitarbeitenden gegenüber Unmut darüber, dass der Film später startet, da sie so erst später nach Hause gehen können. Dennoch liefert der*die lokale Mitarbeitende keine Erklärung für die Verzögerung und die Jugendlichen fragen auch nicht weiter nach. Eine gewisse Hierarchie zeigt sich auch, als die Jugendlichen von dem*der lokalen Mitarbeiter*in geschickt werden, um Materialien für den Aufbau oder Verpflegung zu besorgen und er*sie nicht etwa selbst geht. Das kann zum einen auf Seniorität zurückgeführt werden, zum anderen auf die Rollenverteilung. Beides sind Hierarchien, die unabhängig vom ZFD in dem Land herrschen und gelebt werden. Eine weitere Hierarchie lässt sich zwischen der Fachkraft und dem*der lokalen Mitarbeiter*in feststellen. Die Fachkraft hatte darauf hingewiesen, dass es gut wäre, frühzeitig mit dem Aufbau der Technik zu beginnen. Er*Sie wollte darauf jedoch nicht zu sehr beharren, um den*die lokale*n Mitarbeiter*in nicht vor den anderen anwesenden Personen der Gemeinde zu hinterfragen oder bloßzustellen. Während des Films, der von der Fachkraft und dem*der lokalen Mitarbeiter*in gemeinsam ausgewählt und vorbereitet worden war, entschied die Fachkraft zwar nicht mit, ihn frühzeitig zu beenden, mischte sich jedoch auch nicht in die Entscheidung ein. Diese Hierarchie ist durch die Zusammenarbeit der Fachkraft mit dem*der lokalen Organisation entstanden und über einen bestimmten Zeitraum gewachsen. Da die Fachkraft in der Organisation integriert arbeitet und der*die lokale Mitarbeiter*in in der Organisationsstruktur über ihm*ihr steht, sind die beobachteten Handlungen als relativ üblich anzusehen. Jedoch hat die Fachkraft in den Situationen jeweils bewusst so gehandelt, um diese Hierarchie in der Organisation einzuhalten und den*die lokale*n Mitarbeitende*n nicht bloßzustellen. Dies zeugt durchaus von einem Bewusstsein der Fachkraft über diese Hierarchien. Es zeigt, dass er*sie als integrierte Fachkraft zwar ein Teil der Hierarchien ist, sie jedoch gleichzeitig durchbrechen kann.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Das Thema Hierarchie, gerade mit Bezug auf Machtdynamiken, hat in den vergangenen Kapiteln immer wieder eine Rolle gespielt. Im Anschluss an diese Geschichte wird in diesem Kapitel vertieft auf diese Hierarchien eingegangen. Es werden vor allem Gespräche, die auf einer eher normativen oder Metaebene dazu geführten wurden, kritisch reflektiert. Wie die Geschichte zeigt, gibt es im ZFD verschiedene Hierarchie-Ebenen. Eine zwischen allen an der Umsetzung des ZFD beteiligten Akteur*innen und anderen Akteur*innen im Land. Eine zwischen den ZFD-Mitarbeitenden und den „Nutznießer*innen“ der ArbeitFootnote 6 und eine weitere zwischen der ZFD-Fachkraft und den lokalen Partner*innen. Dies liegt daran, dass es auch in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit natürliche Hierarchien gibt (Bächtold et al., 2013, S. 10). Diese Hierarchien lassen sich über situationsbezogene Macht definieren. Diese entsteht, wenn Akteur*innen in einem bestimmten Zusammenhang die Fähigkeit haben, die Ströme von zum Beispiel Ressourcen oder Bedeutungen in und aus einer „Situation“ gemäß der von ihr definierten Logik zu kanalisieren und sie für sich flexibel nutzbar zu machen (Latham, 2001, S. 83). Dabei müssen die Hierarchien nicht so verlaufen wie in der eingangs geschilderten Geschichte. Sie können auch anders und zum Beispiel umgekehrt verlaufen. Dies ist immer sehr von den beteiligten Akteur*innen, der bisherigen Zusammenarbeit und Ausdifferenzierung der Rollen abhängig. Wie unterschiedlich dies sein kann, zeigt ein Blick auf die Umfrage unter Fachkräften und lokalen Partner*innen. Der Aussage, dass der ZFD niedrige Hierarchien hat, stimmen 9 % komplett zu, 36 % stimmen zu, 25 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 22 % stimmten der Aussage nicht zu, 5 % stimmen gar nicht zu und 3 % wissen es nicht. Gerade die Personen, die den ZFD als hierarchisch erleben, betonen, dass dies eigentlich gegen das Selbstverständnis des ZFD spricht: „CPS claims to work with participatory approaches, but they are very hierarchical and top-down and don’t do what they promote“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Somit zeigt sich ein sehr diverses Bild, wenn es um diese Thematik geht. In den Gesprächen, die auf Grundlage von Beobachtungen in der empirischen Forschung stattgefunden haben, konnten einige Thematiken herausgearbeitet werden, bei denen Hierarchien eine Rolle spielen. Dies sind zum einen die Ungleichbehandlung von Fachkräften und lokalen Partner*innen, die inhärent mächtigere Rolle des ZFD als Geldgeber, unterschiedliche Behandlung von lokalen Partner*innen sowie Macht, die von den lokalen Partner*innen ausgeübt wird. Diese Themen werden im Folgenden genauer beschrieben.

Damit Fachkräfte aus dem Globalen Norden in der Friedensarbeit im Globalen Süden tätig sind, werden gute und attraktive Gehaltspakete benötigt. Dies hat zur Folge, dass die Löhne zwischen lokalen und internationalen Fachkräften weit auseinanderliegen (Ryerson, 2013, S. 56). Zwar wird immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass die Fachkräfte sich vor Ort anpassen. Doch macht diese Anpassung die Fachkraft nicht zu einer lokalen Person. Es bleiben Unterschiede bestehen, die nicht geleugnet werden dürfen, weil es den Aufbau einer ehrlichen Beziehung gefährden würde (Kurschat, 2000, S. 65). Doch nicht nur das Gehalt macht einen Unterschied, sondern auch die damit finanzierte Lebensweise. Studien haben gezeigt, dass die Anwesenheit von internationalen Fachkräften Auswirkungen zum Beispiel auf die Kaufkraft und Güternachfrage in einem Land haben und dass neue Anstellungsverhältnisse im privaten Sektor geschaffen werden. Doch kann auch beispielsweise der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für die lokale Bevölkerung erschwert werden. Nahrung und Wasser können aufgrund der gesteigerten Nachfrage knapp oder teurer werden (Ryerson, 2013, S. 57). Auch die Gesundheits- und Sicherheitslage ist für die Fachkräfte vorteilhafter. So wurde in einem Interview mit einem*einer ZFD-Träger*in in Deutschland zum Beispiel der Fall beschrieben, dass Fachkräfte für ein paar Monate in ein anderes Land gehen oder das Land komplett wechseln, wenn es die Sicherheitslage in einem Land Fachkräften nicht mehr erlaubt, dort zu arbeiten. Gerade diesen Umstand haben lokale Partner*innen in vielen Gesprächen in Liberia und Sierra Leone immer wieder betont. Viele berichteten mir, dass sie mit einer Fachkraft zusammengearbeitet hatten, die bei Ausbruch der letzten großen Ebola-Pandemie evakuiert wurde. „One CPS worker was here only for four months and had to leave because of Ebola. The existing problems have not been solved and the person just left“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Gerade dieser Ausreiseservice ist ein Angebot, das lokalen Mitarbeitenden nicht zur Verfügung steht, obwohl sie unter den gleichen Bedingungen arbeiten und leben und gegebenenfalls sogar vom ZFD finanziert werden. Trotz dieser Möglichkeiten und Leistungen haben einige Fachkräften vielfach bekräftigt, dass sie mit den Möglichkeiten der medizinischen Versorgung unzufrieden sind: „Die medizinische Versorgung muss ernster genommen werden. Schauen, ob es wirklich gut zusammenpasst, zum Beispiel war es im Ausreisekurs schon klar, dass der Standort die Kriterien nicht erfüllt“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Zwar stimmten in meiner Umfrage 76 % der Fachkräfte der Aussage zu oder komplett zu, dass sich sie sich sicher fühlen und in den ZFD vertrauen, dass Unterstützung (zum Beispiel im Bereich Gesundheit) gestellt wird. Dennoch fühlt sich fast ein Viertel der Fachkräfte nicht sicher. Besondere Kritikpunkte waren zum Beispiel lange Wege zu europäischen Krankenhäusern, keine Möglichkeiten für Rettungsflüge und die fehlende Option, in ein sicheres und gutes Krankenhaus zu gehen. Dies lässt sich an einem Beispiel zeigen. Während meines Aufenthalts wurden unabhängig vom ZFD im Rahmen eines vom BMZ geförderten Projektes mehrere Krankenhäuser auf verschiedene Standards hin evaluiert. Dabei wurde ein Krankenhaus als sehr unzureichend eingestuft, das jedoch für die ZFD-Fachkräfte empfohlen wurde. Insofern bedarf es einer besseren Koordination und Absprache der verschiedenen Träger*innen vor Ort.

Es gibt viele Sicherheitsaspekte, die lokalen Mitarbeitenden nicht zur Verfügung stehen. Gerade Personen, die in gefährlichen Settings arbeiten und in ihrer Arbeit von Gewalt bedroht werden, vermissen oft Schutzräume im ZFD. „Wish for the CPS program is to have concern for the security of the local staff and not only for the CPS personnel for example housing, transport and trainings“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Betrachtet man diese Unterschiede und die unterschiedliche Behandlung, ist es fraglich, inwieweit tatsächlich von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesprochen werden kann. Denn in der Realität der involvierten Personen bestehen Ungleichheiten und Machtverhältnisse weiter fort. Hier zeigen sich in der Zusammenarbeit inhärente Machtungleichgewichte, wobei in diesem Fall die Macht in strukturelle und indirekte Handlungen eingebettet ist (Galtung, 1969, S. 171). In diese inhärenten Dynamiken werden Personen, die mit guten Absichten im ZFD arbeiten, oftmals hineingezogen und in ihrem Handeln beeinflusst. Dies ist ein Phänomen, das sich in der Friedensarbeit immer wieder beobachten lässt: „Their position of superiority turns otherwise well-meaning, down-to-earth individuals into arrogant know-it-alls. For these and many other reasons, critics of peacebuilding accuse it of possessing a colonial mentality“ (Barnett, 2016, S. 23).

Dieses inhärente Machtungleichgewicht tritt besonders hervor, wenn der ZFD in seiner Verfasstheit und Struktur betrachtet wird. Wie mir berichtet wurde, hatten einige Fachkräfte große Probleme mit ihrem Arbeitsvisum, obwohl sie bereits im Land waren und schon gearbeitet haben. Zudem gab es Organisationen, die sich nach Gesetzeslage in dem jeweiligen Land registrieren müssten, um dort operativ arbeiten zu können. Weil einige dabei Schwierigkeiten hatten, beschlossen sie, auch ohne Registrierung bereits vor Ort zu arbeiten. „Not being registered did not really bring challenges on the daily work, but more on a psychosocial issue. During this time they did not get checked if and how they work“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Auf diese Weise setzen sich deutsche ZFD-Träger*innen und Fachkräfte über das vor Ort geltende Recht hinweg und operieren auf patriarchale Art. Daran knüpft die Diskussion an, ob und inwieweit der ZFD eine klassische Geberorganisation ist. Wie weiter oben ausgeführt, sieht sich der ZFD selbst nicht als Geber*in, wird aber von den meisten lokalen Partner*innen so gesehen. Wiederholt berichteten lokale Partner*innen, dass sie im Rahmen der ZFD-Projektanstellung zwar immer wieder ermutigt werden, ihre Meinungen und Ideen einzubringen, doch können sie dies nicht wirklich tun. Denn sie wissen aus Erfahrung, dass mit dem Geld die Interessen des ZFD und Deutschlands verknüpft sind und ihre Arbeit sich dem anpassen muss. „Negotiation with the donors is difficult sometimes if they have money for something that the community don’t need. We do need assessments before we do it and then come back to the donor to negotiate if they still want it“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Dennoch spielen sie dieses Spiel mit, wie viele Personen berichteten, da es eine gute Chance ist, in der Friedensarbeit zu arbeiten. Auch zahlreiche Fachkräfte sind sich bewusst, dass die lokalen Partner*innen so arbeiten.

„[Es ist ein] Problem, dass viele NGOs vor Ort die Programme den Geldgebern anpassen, […], ist auf lange Sicht nicht zielführend, aber so funktioniert die Industrie. Es wird etwas gemacht und das dann in den vorgegebenen Rahmen reingepresst beziehungsweise es wird passend gemacht“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Somit ist das Bewusstsein für die Problematik auf beiden Seiten vorhanden. Gleiches gilt dafür, dass der ZFD Teil der „Peace-Industry“ (Fisher & Zimina, 2009, 25 f.; Schuller, 2012, S. 110; Weller & Kirschner, 2005, S. 25) ist. Aber es bleibt die Frage offen, wie sich der Umgang damit ändern kann. „[Die] alten Bilder der Entwicklungszusammenarbeit müssen auf beiden Seiten weg, aber das dauert lange“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Zwar ist der ZFD bemüht, diese Bilder von sich als Teil der Peace Industry durch partnerschaftliche Arbeit zu übertünchen. Doch es wurde in vielen Beobachtungen und Gesprächen deutlich, dass der ZFD immer wieder in dieses Muster verfällt und es so zu einer Ungleichbehandlung der verschiedenen lokalen Partner*innen kommt. Dies kann zu Spannungen und zu einem Ungleichgewicht führen, das wiederum zu einer Verschiebung von lokalen Dynamiken beitragen kann. Der Aussage, dass alle Partnerorganisationen gleich behandelt werden, stimmen 13 % der Fachkräfte und Mitarbeitende lokaler Organisationen komplett zu, 34 % stimmen zu, 18 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 18 % stimmten der Aussage nicht zu, 7 % stimmten der Aussage gar nicht zu und 10 % wissen es nicht. Diese Beobachtungen knüpfen an Arbeiten zum Do-no-Harm-Ansatz an:

„Most peace agencies seek to empower local people to take action for peace. However, they can unintentionally and unconsciously disempower local people and communicate an implicit message that local people cannot make peace without outside help“ (Collaborative Learning Projects (CDA) 2004, S. 20).

Diese Ungleichbehandlung äußerte sich für die lokalen Partner*innen vor allem in der Frage, welche Organisation vor Ort eine Fachkraft bekommt und welche nicht. Dieser Prozess wurde als intransparent beschrieben. Doch auch wenn es darum geht, wie oft die lokalen Partner*innen zum Beispiel von der ZFD-Koordination oder aus Deutschland besucht werden, wurden Unterschiede kritisiert.

„Feeling that [name of German organization] is giving priorities to some partners for example it comes to giving speeches etc. and events. There is the wish that the network each more when it comes to things like this or bring a person that benefits form the CPS“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Von einer lokalen Organisation wurde sogar geäußert, dass sie sich komplett vergessen fühlt: „The coordinator only came once in the last year to see the organization and did not provide so much information about the CPS program, we feel forgotten“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia).

Bei all diesen Punkten stellt sich die Frage, wer dazu in welcher Art und Weise beiträgt. Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Zum Teil gehen Handlungen auf das bestehende inhärente Machtungleichgewicht zurück und folgen bereits bestehenden Dynamiken. So lautet die Frage vielmehr, was jede und jeder Einzelne dazu beiträgt, sie zu durchbrechen oder zu verändern. Denn gerade das Do-no-Harm-Prinzip, mit dem der ZFD arbeitet, verlangt, diese Handlungen immer wieder zu hinterfragen. In einem Interview in Deutschland wurde deutlich thematisiert, dass es durch die Anwesenheit des ZFD und vor allem der Fachkräfte Abhängigkeiten und Asymmetrien gibt. Es könnte durch eine reflektierte und wertschätzende Arbeit versucht werden, sie in den Blick zu nehmen. Es ist wichtig,

„alles dafür zu tun, dass wir nicht in eine Abhängigkeit, Asymmetrie [kommen], die es gibt aufgrund der Tatsache, dass wir als Gast dorthin kommen, dass wir anderen finanzielle Möglichkeiten haben. Da entstehen Abhängigkeiten und Asymmetrien, die wir nicht ausblendenden können, aber im Wissen um diese alles dafür zu tun, dass es eine Kooperation auf Augenhöhe gibt und eine Kooperation, die geprägt ist oder gestützt wird durch gegenseitigen Respekt und Wertschätzung […] zu verstehen aus welcher Perspektive sie und wir bestimmte Dinge einbringen, den Zusammenhang“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Es bleibt abschließend festzuhalten, dass die bestehenden Machtungleichgewichte nicht dadurch verdeckt werden sollten, dass ein Bild gleichberechtigter Partnerschaft gezeichnet wird. Vielmehr kann das Bewusstsein, dass ein Ungleichgewicht herrscht, Raum dafür schaffen, es zu transformieren (Reich, 2006, S. 22).

8.4.4 Die Rolle von Ownership

Die Geschichte

In jeder ZFD-Organisation findet in regelmäßigen Abständen ein PM&E-Treffen statt. Dieses dient dazu, gemeinsam mit den Beteiligten in der Organisation, der Fachkraft und gegebenenfalls mit den PM&E-Verantwortlichen der deutschen ZFD-Organisation und dem*der Koordinator*in die Arbeit zu evaluieren, auf Indikatoren zu schauen, Aktivitäten zu bewerten und generell zu evaluieren, wo das Projekt beziehungsweise die Arbeit gerade steht und wie sie fortgesetzt soll. Ich wurde zu einem PM&E-Workshop eingeladen. In der Regel werden sie von der deutschen ZFD-Organisation auf zwei Tage angesetzt. Da es in der Organisation, für die der Workshop geplant war, einige Herausforderungen bei der Terminplanung gab, wurde er auf einen halben Tag verkürzt. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass neben der PM&E-Fachkraft, die organisationsübergreifend arbeitet, auch die*der Koordinator*in anwesend sein sollte. Denn die Fachkraft sollte bei diversen Herausforderungen mit dem Counterpart und dem*der Verantwortlichen in der Organisation unterstützen. Während des Workshops wurden unter anderem die Aktivitäten für das kommende Jahr besprochen. Es wurde mit dem bisherigen Aktivitätenplan gearbeitet, der in einem Planning-Workshop entwickelt worden war. Betrachtet wurden die noch offenen Aktivitäten und ob Aktivitäten ergänzend zu den bereits geplanten stattfinden konnten. Letztere müssen im Rahmen der allgemeinen Ausrichtung der Aktivitäten liegen. Im Zuge dessen ergriff der*die Leiter*in der lokalen Organisation die Chance, von einem sich verschlimmernden und weiter zuspitzenden Konflikt zu berichten. Dieser Konflikt hing mit Themen zusammen, zu denen die Organisation ebenfalls arbeitet. Es wurde erklärt, dass in einem ersten Schritt vor allem humanitäre Unterstützung für Menschen benötigt wurde, die in eine Notlage geraten sind. Von dort aus konnte mit einer Konflikt- und Akteur*innenanalyse weitergearbeitet werden, um zu einer Konfliktlösung zu kommen. Der*Die Leiter*in der lokalen Organisation betonte, dass von anderen Akteur*innen erwartet werde, dass er*sie und der ZFD an der Lösung des Konflikts arbeiteten. Schon vor dem Workshop hatte die Fachkraft die*den Koordinator*in darüber informiert, dass dieses Thema als mögliche Aktivität vorgetragen würde. Somit reagierte der*die Koordinator*in auf diese Anfrage und betonte, dass es nicht die Aufgabe des ZFD sei, humanitäre Hilfe zu leisten. Ein so großes neues Projekt könne nicht in den bestehenden Aktivitätenplan aufgenommen werden. Es wurde jedoch angeboten, dass in der kommenden Arbeit das Thema der Öffentlichkeitsarbeit, der Advocacy zu diesem Konflikt eine Rolle spielen könnte. Letztendlich gab es keine klare Einigung in dieser Frage. Vielmehr wurde geprüft, wie es mit dem Thema weitergehen und was genau gemacht werden konnte.

Meine Rolle als Forscherin

Der Workshop fand ziemlich zu Beginn meiner Forschung statt. Doch hatte ich alle Anwesenden schon kurz bei einer anderen Veranstaltung kennengelernt. Vorab wurde das Einverständnis eingeholt, ob ich bei dem Workshop dabei sein kann. Während des Workshops habe ich nicht an Gesprächen teilgenommen, sondern nur beobachtet und zugehört. Lediglich in den Pausen habe ich mich an Gesprächen beteiligt, die nicht zu den Inhalten des Workshops gehörten. Es wurde ebenfalls angeboten, dass ich den Raum verlasse, falls sensible Themen besprochen würden, bei denen ich nicht dabei sein sollte. Dieses Angebot wurde nicht angenommen. Einerseits ist also davon auszugehen, dass alle trotz meiner Anwesenheit offen reden konnten, andererseits muss ich trotzdem erwägen, dass meine Anwesenheit einen nicht klar benennbaren Einfluss auf die Diskussionen hatte.

Reflexion und kritische Diskussion

Die beschriebene Situation zeigt deutlich, wie ein*e Leiter*in einer lokalen Organisation den PM&E-Workshop und insbesondere die Aktivitätenplanung dazu nutzen wollte, ein neues Thema für die Organisation im Rahmen des ZFD zu platzieren. Generell ist es bei einer solchen Aktivitätenplanung möglich, Aktivitäten und Themen anzupassen, solange diese im Rahmen der Grundidee des ursprünglichen Projektes und des TLS bleiben. Das hier vorgestellte Thema ging jedoch darüber hinaus und bewegte sich stark in Richtung der humanitären Hilfe. Aus diesem Grund wurde die Anfrage von dem*der Koordinator*in nicht aufgenommen, sondern es wurde der Gegenvorschlag gemacht, sich zwar weiter mit dem Thema zu befassen, jedoch im Rahmen von Advocacy zu diesem Konflikt. Hier zeigt sich deutlich, dass der*die Koordinator*in in einer mächtigeren Position ist, da er*sie die letztendlichen Entscheidungen über Inhalte und Programme im ZFD fällt. Gerade, da der*die Leiter*in betont, dass von anderen Akteur*innen erwartet wird, dass er*sie und der ZFD an der Lösung des Konflikts arbeiten und sich dem Thema annähern, werden die Dringlichkeit des Anliegens, aber auch der Druck, der auf dem*der Leiter*in lastet, deutlich. Wenn Themen und Anliegen der Partner*innen im Sinne von Ownership der lokalen Organisationen und Mitarbeitenden über die Prozesse ernst genommen werden, wäre es hier durchaus erwartbar gewesen, dass eine andere Lösung für das Anliegen gefunden wird. Dies hätte aus einer machtkritischen Perspektive nicht nur zu dem tatsächlichen Zustandekommen von Ownership beigetragen, sondern auch dazu geführt, Machtdynamiken der ZFD-Programmgestaltung aufzubrechen. Doch weil die Fachkraft und die ZFD-Koordination das Thema bereits vorbesprochen hatten und die lokale Organisation und die Mitarbeitenden als generell eher schwierig eingestuft wurden, ist davon auszugehen, dass sowohl Gespräch als auch Entscheidungsfindung mit einem gewissen Bias erfolgten, der in dem Gespräch als klare Linie beibehalten wurde.

Analyse und Interpretation der Geschichte

So wichtig die Rolle von Ownership im ZFD und im lokal verankerten Peacebuilding generell ist, so schwierig kann die Umsetzung sein. Für eine bessere Einordnung ist zunächst die Frage wichtig, wie Ownership definiert werden kann (siehe dazu auch Abschnitt 3.3.1.). Allgemein ist unter dem Begriff Local Ownership der Grad der Einbeziehung von lokalen Akteur*innen in das Aktivitätengefüge zu verstehen (Donais, 2012, S. 1). Gerade in der kritischen Friedensforschung wird Local Ownership als aktuelles Schlagwort aller Akteur*innen für internationale Zusammenarbeit präsentiert, das angeblich eine Neuausrichtung in der Herangehensweise widerspiegelt, nach der die Notwendigkeit für lokale Lösungen bei Konflikten und von Partnerschaften auf lokaler Ebene höher bewertet werden (Reich, 2006, S. 3). Für den ZFD ist Local Ownership in den Reformdokumenten fest verankert. Dort wird die Entstehung von Local Ownership beschrieben als die Kooperationsanfrage einer lokalen Organisation an eine*n ZFD-Träger*in, die in der Folge den Einsatz einer ZFD-Fachkraft oder Finanzierungen vor Ort legitimiert. Solche Kooperationsanfragen sind nicht unüblich. Denn wie bisherige Forschungen betonen, bevorzugen lokale Akteur*innen oft eine Partnerschaft mit externen Akteur*innen, die andere ideologische Hintergründe als zum Beispiel die VN haben, die mit Handlungsprinzipien und langfristigen Visionen für den Frieden arbeiten und den lokalen Akteur*innen mehr Freiraum lassen. Oftmals sind dies zivilgesellschaftliche oder religiöse Organisationen aus dem Globalen Norden (Lee 2019, S. 94 f.). Allerdings ist der starke Fokus auf eine alleinige Kooperationsanfrage kritisch zu bewerten. Es stellt sich die Frage, wie dadurch bereits Ownership entstehen kann. Denn wie Abschnitt 8.1.5. und 8.3.1. bereits gezeigt haben, sind bestimmte inhaltliche und strukturelle Voraussetzungen oder Vorerfahrungen erforderlich, damit ein solcher Antrag überhaupt gestellt werden kann. Somit werden im ZFD gewisse Voraussetzungen und Kapazitäten als Grundlage festgehalten, damit Local Ownership in der Praxis tatsächlich initiiert werden und dieser erste Schritt durch lokale Akteur*innen gegangen werden kann. Dass diese Voraussetzungen für Ownership geschaffen werden, ist in der Friedensarbeit immer wieder zu finden (Wilén, 2009, S. 341). Allerdings ist es problematisch, weil so oftmals nur die Art von Ownership geschaffen oder zugelassen wird, die in die Konzepte der CSOs aus dem Globalen Norden passt.

Local Ownership soll im ZFD zudem projektübergreifend stattfinden, indem zum Beispiel örtliche Friedensnetzwerke gefördert werden (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.5 S. 1). Es wird also davon ausgegangen, dass durch eine gemeinsame Umsetzung von Projekten Ownership entsteht. Und zwar im Sinne von Ownership an Projektzielen, Nachhaltigkeit und Wirksamkeit (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 4). Interessanterweise wurde auch in den Gesprächen mit ZFD-Träger*innen und Fachkräften Ownership der lokalen Partner*innen mehr in der gemeinsamen Projektdurchführung verortet. Alle Interviewpartner*innen der ZFD-Träger*innen in Deutschland waren sich einig, dass Ownership im ZFD nicht bei ihnen oder den Fachkräften, sondern bei den Organisationen und Partner*innen vor Ort liegt.

„Für uns war immer völlig klar, dass wir selbst keine Ownership die Entwicklungs- oder Friedensarbeit vor Ort betreffend, also über die Arbeit in den Projekten haben. Unsere Arbeit dient dazu, die Partnerorganisationen zu stärken oder bei ihrer Vernetzung zu unterstützen, die die Entwicklungs- und Friedensarbeit machen und verantworten“ (Interview BfdW Deutschland).

Dieses Verständnis entspringt einem*einer Interviewpartner*in einer Trägerorganisation in Deutschland zufolge vor allem einem solidarischen Verständnis von Friedensarbeit. Sie steht dafür, deutlich zu machen, dass die ZFD-Träger*innen die lokalen Anliegen mittragen und nicht vor Ort sind, um eine eigene Agenda zu verfolgen. Inwieweit dies tatsächlich umsetzbar ist, ist fraglich. Allein deshalb, weil der ZFD vom BMZ finanziert wird und somit immer Interessen Deutschlands und des jeweiligen ZFD-Trägers vertritt. Doch für die Mitarbeitenden der lokalen Organisationen stehen gerade diese lokalen Anliegen in der Regel im Vordergrund. Wenn ich nach der Rolle von Ownership gefragt habe, ging es in der Regel nicht so sehr darum, ob und wie sie selbst Ownership erfahren, sondern inwieweit dies an die Personen, mit denen sie in den Projekten zusammenarbeiten, weitergegeben wird. „Community ownership is very key to [name of the German organization]. Not controlling and don’t bring in ideas but their voices are [name of the German organization] decision“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Genau hierin sehen die Mitarbeitenden der ZFD-Träger*innen in Deutschland den großen Vorteil des ZFD gegenüber anderen Programmen und Projekten. Klar zu sagen, dass die Verantwortung und das Wissen nicht in Deutschland, sondern vor Ort liegen, trägt den Interviewten zufolge erheblich zu Motivation und Nachhaltigkeit bei. Dass Prozesse verhindert werden, die vor Ort gar nicht mitgetragen werden, kann den Interviewten nach nicht von außen, sondern nur von innen heraus angestoßen werden. Dies ist jedoch in der Praxis nicht immer einfach umzusetzen. Zum einen, weil im ZFD mit externen Fachkräften gearbeitet wird, die zwar theoretisch nur eine beratende Rolle innehaben, in der Praxis jedoch oftmals in die Umsetzung gehen. Zum anderen muss im Sinne einer partnerschaftlichen Arbeit, bei der die lokalen Akteur*innen in der Implementation tätig sind, Vertrauen herrschen und sie müssen sich von den Akteur*innen aus dem Globalen Norden ernst genommen fühlen. Wie ein Ergebnis meiner Umfrage unter Mitarbeitenden lokaler Organisationen zeigt, ist dies im ZFD nicht immer der Fall. Denn nur etwas mehr als die Hälfte gab an, sich als lokale Mitarbeitende im ZFD ernst genommen zu fühlen.

Von der Grundidee her versteht sich der ZFD als Partner*in der lokalen Organisationen, die in ihrer Arbeit unterstützt werden. Immer wieder aber stellt sich wie in der Diskussion um Ownership die Frage, inwieweit die lokalen Organisationen ihre eigenen Ideen und Handlungen konzipieren und umsetzen können. Oder vielmehr die Ideen und die Agenda ihrer Geber*innen übernommen werden und deren Idee von Frieden gefördert wird (Pearce 2005). Wie in der Geschichte gezeigt, stellt sich zudem die Frage, bis zu welchem Maße Ownership umsetzbar oder gewünscht ist und wo Ownership an seine Grenzen stößt. In der Regel dann, wenn Ideen oder Wünsche nicht mehr zu den ZFD-Vorgaben passen. So wurde bei den Interviews in Deutschland mit ZFD-Träger*innen angemerkt, dass eine komplette Übertragung von Ownership problematisch für die Zusammenarbeit ist.

„Wenn wir da nicht sehr genau drauf achten, dass unser externer Impuls, der sich gegebenenfalls auch sehr deutlich unterscheidet von dem, was Partner beschreiben, irgendwo Nährboden findet und auf Personen trifft, die das weitertragen, agieren wir losgekoppelt von lokalen Bemühungen, lokalen Interessen oder von Personen, die dieses weitertragen können“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).Footnote 7

Das Konzept von Local Ownership soll in seiner Umsetzung nicht dazu führen, dass sich die internationalen Akteur*innen zurückziehen und ihre mächtige Rolle vor Ort und in der Friedensarbeit aufgeben. Es bedeutet nicht die völlige Autonomie der lokalen Akteur*innen, sondern es geht dabei um eine Übertragung von Verantwortung (Donais, 2012, S. 7). Dadurch kann es jedoch auch, zumindest theoretisch, zu einer Machtverschiebung kommen. Denn Local Ownership beschreibt den Grad der Kontrolle, den lokale Akteur*innen über lokale Prozesse haben (Donais, 2012, S. 1). Dennoch zeigen sich in der Arbeit des ZFD immer wieder das zwar Local Ownership generiert werden soll, es aber Hindernisse für Machtverschiebung gibt. Hierfür kann eine Begründung in bisherigen Untersuchungen zum ZFD gefunden werden: „People in power are often not easily persuaded to give up that control, to share. People who engage with and work in peacebuilding activities often neglect this aspect of the politics of change“ (Djateng et al., 2009a, S. 26). Somit steht und fällt Ownership in der Praxis oftmals damit, inwieweit Macht abgegeben wird und nicht damit, inwieweit Ownership übernommen wird.

8.5 Trainings, Weiterbildungen und Vorbereitung

Schon in den Abschnitten 4.4. und 6 wurde dargestellt, welche wichtige Rolle Trainings, Weiterbildungen und Vorbereitung im ZFD spielen. Weil diese Themen auch in der Feldforschung in den drei Ländern immer wieder relevant waren, werden sie in diesem Kapitel diskutiert. Die Vorbereitung der Fachkräfte (Unterkapitel 8.5.1.) und der Partner*innen (Unterkapitel 8.5.2) wird getrennt beleuchtet, da sie in sehr unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. Zwar konnte die Vorbereitung der Partner*innen und Fachkräfte in den drei Ländern nicht immer beobachtet werden, aber sie wurde in Gesprächen und Interviews wiederholt angesprochen und insofern ist sie sehr wichtig. Das Unterkapitel 8.5.3. geht abschließend auf Weiterbildungen und Trainings sowohl für Fachkräfte als auch für Partner*innen ein, die nicht im Rahmen einer Vorbereitung, sondern begleitend stattfinden. Diese Themen wurden ausgewählt, weil sie während der teilnehmenden Beobachtung bei den Workshops und Trainings in Deutschland besprochen wurdenhabe und sie in Gesprächen und Interviews als besonders relevant bezeichnet wurden.

8.5.1 Vorbereitung für die Fachkräfte

Die Geschichte

Während eines Workshops, der zur Weiterbildung der Fachkräfte und Mitarbeitenden der lokalen Organisationen angeboten wird, sitzen verschiedene Fachkräfte in einer Pause zusammen. Zwei Fachkräfte sind erst seit einigen Wochen im Land und arbeiten in den lokalen Organisationen, während andere schon auf eine mehrjährige Arbeitserfahrung zurückblicken können. Weil über den Workshop gesprochen wird, kommt das Gespräch auch auf die Workshops, die in Deutschland zur Vorbereitung besucht wurden. Eine neue Fachkraft erwähnt, dass er*sie noch gar nicht weiß, wie das Wissen, das während der Workshops erlernt wurde, in die tatsächliche Arbeit vor Ort integriert oder wie es angewendet werden kann. Für die erfahrenen Fachkräfte ist es ähnlich. Es wird diskutiert, dass ein Großteil des Wissens aus der Vorbereitung gar nicht auf die eigentliche Arbeit übertragbar ist. Es wird betont, dass es vielmehr darum geht, einen allgemeinen Überblick über verschiedene Tools und Themengebiete zu erhalten und man in der Arbeit dann selbst entscheiden muss, was davon passend ist. Darüber wird Missmut geäußert. Denn es hieß vor der Vorbereitung, dass die Kurse während der Vorbereitungszeit individuell auf Bedürfnisse und bereits vorhandene Fähigkeiten zugeschnitten werden. Dies hat jedoch nicht bei allen Fachkräften gleichermaßen funktioniert. In dieser Diskussion berichten Fachkräfte, dass sie Medien-Workshops besuchen mussten, obwohl sie in der Regel selbst solche Workshops abhalten, oder Rettungssanitäter*innen mussten an Erste-Hilfe-Kursen teilnehmen. Die Diskussion dreht sich speziell auch um einige Kurse, die alle besucht haben. Dabei wird deutlich, dass einige Fachkräfte bestimmte Kurse oder Workshops sehr gut fanden und andere wiederum nicht. Dies liegt den Fachkräften zufolge an den persönlichen Vorerfahrungen, aber zu einem großen Teil auch an den Inhalten und der Didaktik der Trainer*innen.

Meine Rolle als Forscherin

Zum Zeitpunkt des beobachteten Gespräches kannte ich bereits alle Fachkräfte, entweder durch vorherige Begegnungen oder durch Kontakte auf diesem mehrtägigen Workshop. Während der Diskussion war auch die*der Koordinator*in anwesend, der*die aber in ein anderes Gespräch vertieft war und sich nicht weiter beteiligte. Außerdem einige Partner*innen, die aufgrund der Sprache nicht an der Diskussion teilnehmen konnten. Da generell auf dem Workshop und zwischen den Fachkräften eine sehr offene Diskussionskultur herrschte, wurde in den Pausen weiter diskutiert. Trotz meiner Anwesenheit hatte ich nicht das Gefühl, dass Personen anders miteinander sprachen oder bestimmte Themen nicht erwähnt wurden. Ganz auszuschließen ist es jedoch nicht. Viele der Fachkräfte wussten auch, dass ich an einigen dieser Workshops und Trainings zur Vorbereitung teilgenommen hatte. Dort war ich bereits mit ähnlichen Aussagen konfrontiert worden. Deswegen kann ich davon ausgehen, dass ich in dieser Situation einen Bias hatte, da ich die negativen Aussagen über die Vorbereitung bereits mehrfach gehört hatte.

Reflexion und kritische Diskussion

Das beobachtete Gespräch zeigt sehr gut, dass die Vorbereitung auch während der Zeit als ZFD-Fachkraft eine Rolle spielt. Dies ist im Sinne der Ziele der Vorbereitung positiv zu bewerten. In der Situation wurde kritisch diskutiert, inwieweit einzelne Inhalte aus der Vorbereitung für die Arbeit tatsächlich relevant und vor allem anwendbar sind. Allgemein herrschte die Meinung vor, dass die Vorbereitung eher ein sehr breites Wissen vermittelt. Individuell müsste die Fachkraft während der Arbeit entscheiden, wie verschiedene Tools und Themengebiete angepasst werden können. Es wurde betont, dass nicht alle Inhalte aus der Vorbereitung übertragbar sind. Oft seien sie nicht individuell genug und sehr standardisiert. Das führe dazu, dass Kurse besucht würden, die für einen persönlich nicht relevant seien. In der Diskussion gingen die Meinungen darüber sehr auseinander, welcher Kurs und welche Inhalte gut oder nützlich und welche eher weniger nützlich waren. Die Wahrnehmung und Bedürfnisse der Fachkräfte sind sehr individuell. Sicherlich ist es eine Herausforderung, in der Vorbereitung individuell angepasste Pläne für alle Personen zu entwickeln. Vor allem werden oftmals erst im Projekt die genauen Aufgaben definiert. Viele Fachkräfte aber wünschen sich eine inhaltlich bessere und genauer zugeschnittene Vorbereitung.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Die Vorbereitung der Fachkräfte ist ein elementarer Bestandteil des ZFD, aber bei jedem*jeder ZFD-Träger*in sieht sie etwas anders aus, siehe dazu auch Abschnitt 4.4.2.1. (Verständnis, Rolle und Aufgaben der Fachkräfte). Die Vorbereitungskurse finden alle nach bestimmten Standards statt, doch jede*r ZFD Träger*in gestaltet diese unterschiedlich. In Deutschland sind laut den Mitarbeitenden der ZFD-Träger*innen die Standards für die Ausbildungskurse weit gefasst. Einige führen sie hausintern durch, andere in Kooperation und wieder andere komplett extern. Die generelle Idee der Vorbereitung ist, dass die Fachkräfte durch eine in der Regel mehrmonatige Vorbereitung, durch inhaltliche Ausbildung, Sprachkurse und Informationen zu dem Gastland auf ihren Einsatz vorbereitet werden (Evers, 2000, S. 17). So soll eine mögliche Diskrepanz zwischen dem notwendigen und dem vorhandenen Wissen verringert werden (Truger, 2001a, S. 337).

In der Vorbereitung werden einige Themen behandelt, die für alle Fachkräfte durch das Entwicklungshelfer*innengesetz vorgeschrieben und von besonderer Bedeutung sind. Diese sind zum Beispiel das Trägersystem mit den ZFD-Strukturen, Verfahren im ZFD, Sprachkompetenz, interkulturelle Kommunikation, Sicherheit, Stressbewältigung, Landeskunde und fachliche beziehungsweise methodische Kompetenzen für die Arbeit (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 9.1 S. 4). Methodische und fachliche Themen, die in vielen Vorbereitungskursen der unterschiedlichen Träger*innen vorkommen, sind zum Beispiel Mediation, humanitäre Unterstützung, Monitoring, Administration, Rollenverständnis der Akteur*innen vor Ort, psychische Gesundheit und Traumaarbeit, Konflikt-Mappings, Empowerment, Fragen von Distanz und Nähe, Kontext- und Methodenwissen, aber auch Informationen über die Reintegration nach dem Einsatz (Evers, 2007, S. 145; Truger, 2001b). Dabei verfolgt die Vorbereitung in der Friedensarbeit in der Regel einen eher normativ-prozessorientierten, und weniger einen ergebnisorientierten Ansatz (Evers, 2007, S. 145). So wird auch von der Mehrheit der Interviewpartner*innen der ZFD-Träger*innen in Deutschland betont, dass diese vergleichsweise kurze Zeit einer intensiven Beschäftigung mit einem Spezialthema über einige Wochen hinweg in der Regel nur eine Kompetenz stärken, aber keine ganz neuen Kompetenzen oder Inhalte vermitteln kann. Als Teil dieser individuellen Vorbereitung gibt es einige Komponenten, die für alle Fachkräfte gleich sind. Dies sind zum Beispiel das Sicherheitstraining, ein Grundlagenkurs zu den jeweiligen Organisationen, der Rahmen der personellen Entwicklungszusammenarbeit, Informationen zum ZFD, PM&E oder Finanzen und praktische Projektplanung. Von allen ZFD-Träger*innen in Deutschland wurde betont, dass es ein wichtiges Element der Vorbereitung ist, sich damit auseinanderzusetzten, was es bedeutet, als Fachkraft zu arbeiten, und was in diesem Kontext partnerschaftliches Arbeiten bedeutet. Dabei geht es oftmals um das Grundverständnis der personalen Entwicklungszusammenarbeit und darum, was die eigene Rolle und die der Partner*innen ist. Dies erfolgt, wie in Kapitel 6 gezeigt, jedoch oftmals unzureichend. Denn den Fachkräften liegen in der Vorbereitung zu wenige Informationen über ihre tatsächliche Arbeit vor. Wichtige Aspekte wie zum Beispiel Machtdynamiken werden vernachlässigt. Die Fachkräfte erachten auch nicht alle Themen als sinnvoll beziehungsweise liegen ihre Bedürfnisse zum Teil woanders. Als größte Kritikpunkte nannten die Fachkräfte wiederholt, dass die Vorbereitung oftmals sehr abstrakt blieb. Oftmals war gar nicht klar, mit welchem Ziel man einen bestimmten Kurs besuchte. „Es ist in der Vorbereitung nicht immer klar, warum mancher Kurs besucht werden muss, zum Beispiel der Medienkurs oder Erste Hilfe [ist] für Fachleute auf dem Gebiet trotzdem verpflichtend“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Dies kann dazu führen, dass die Vorbereitung als sehr losgelöst von der tatsächlichen Arbeit im ZFD-Projekt empfunden wird.

Dennoch gibt es – wie in der Geschichte bereits erwähnt – neben den Themen, die relativ feststehen, auch eine individuelle Vorbereitung beziehungsweise sollte es sie im Idealfall geben. Während der Interviews in Deutschland wurde besonders von AGIAMONDO und BfdW betont, wie wichtig diese individuelle Vorbereitung ist. Den Interviewpartner*innen zufolge ist es wichtig, dass zusammen mit den Partner*innen die Bedarfe der Stelle herausgearbeitet und mit den Kenntnissen der ausgewählten Fachkraft abgeglichen werden. Dies kann zum Beispiel die Vermittlung von Sprach- und Landeskenntnissen sein. Gerade die Sprachvorbereitung kann für Fachkräfte sehr herausfordernd sein, zum Beispiel, wenn sie noch gar keine Sprachkenntnisse haben. Folglich kann die sprachliche Vorbereitung mehrere Monate dauern. Oder es wird eine fachliche Weiterqualifikation für die Tätigkeit benötigt, wie zum Beispiel interkulturelle Kommunikation, praktische Konfliktbearbeitung oder die Auseinandersetzung mit Theorien der Konfliktbearbeitung, eine Analyse der Situationsstrategien, Menschenrechte, Gender oder Advocacy. Wie schon erwähnt, ist dies der Idealzustand, der in der Praxis nicht immer erreicht wird. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit die Themen aus der Vorbereitung tatsächlich für die Arbeit im ZFD relevant sind. Der Aussage, dass die Inhalte der Vorbereitung in der täglichen Arbeit angewendet werden können, stimmen 9 % der Fachkräfte komplett zu, 46 % stimmen zu, 36 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 6 % stimmten der Aussage nicht zu und 3 % stimmen gar nicht zu. Hier zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der Vorbereitung, den Ideen der Träger*innen und der Realität der Fachkräfte. Die Vorbereitung sollte auf die Fachkräfte spezifischer zugeschnitten werden. Am häufigsten profitierten die Fachkräfte von den Einheiten und konnten am meisten praxisrelevante Inhalte mitnehmen, wenn Trainer*innen von persönlichen Erfahrungen berichteten: „Von den persönlichen Erfahrungen der Trainer wurde am meisten profitiert“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Oder wenn sie einen Einblick in die praktische Arbeit erhielten.

Generell ist die Dauer der Vorbereitung je nach Organisation, aber auch je nach Fachkraft sehr unterschiedlich. So kann bei ein und derselben Organisation zum Beispiel eine Fachkraft mit noch wenig Berufserfahrung, die neu im Gebiet der Friedensarbeit tätig ist, eine dreimonatige Vorbereitung erhalten. Während eine Fachkraft, die zum Beispiel schon als ZFD-Fachkraft über eine andere Organisation ausgereist war, nur noch eine organisations- und landesspezifische Vorbereitung von drei Wochen durchläuft. Generell zeigte sich jedoch der größte Teil der Fachkräfte während meiner Umfrage mit der Vorbereitungsdauer relativ zufrieden. Der Aussage, dass die Vorbereitung auf den ZFD kürzer sein könnte, stimmen 9 % komplett zu, 12 % stimmen zu, 15 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 39,5 % stimmten der Aussage nicht zu, 21,5 % stimmen gar nicht zu und 3 % wissen es nicht. Obwohl diese Zeit einigen Personen lang vorkam, zeigten sie dennoch Dankbarkeit für diese Vorbereitung: „Drei Monate sind ein sehr großes Investment und große Wertschätzung der Entwicklungshelfer-Person“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Mehrere Fachkräfte erzählten, dass ihre Vorbereitung länger gedauert hat als eigentlich angedacht. Denn sie mussten noch auf das Arbeitsvisum warten und konnten so die Zeit sinnvoll nutzen, da ihr Vertrag ja schon lief. Trotz einer allgemeinen Zufriedenheit mit der Vorbereitungsdauer, wünschen sich viele Fachkräfte, dass sie besser aufgeteilt wird und nicht am Stück stattfindet. „Es gibt einige Kurse, die besser wären, wenn man sie macht, wenn man schon im Projekt war, zum Beispiel Project Planning oder Veränderungsmanagement, da man mehr rausholen kann“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Nach den Fachkräften in Deutschland könnten diese Kurse gebündelt im Land oder auch virtuell stattfinden. Gerade wenn diese vertiefte Vorbereitung vor Ort stattfindet, könnten die lokalen Partner*innen stärker einbezogen werden: „Es wäre gut, wenn die Fachkräfte eine kürzere Vorbereitungszeit hätten und nach drei Monaten im Land nochmal ausreisen würden und dann zusammen mit den Partner*innen nochmal gezielt für bestimmte Themen vorbereitet werden“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Liberia).

Allgemein stimmten der Aussage, dass einige Elemente der Vorbereitung erst nach einigen Monaten im Projekt stattfinden sollten, 27,5 % der Fachkräfte komplett zu, 39,5 % stimmen zu, 12 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 9 % stimmten der Aussage nicht zu, 3 % stimmen gar nicht zu und 9 % wissen es nicht. Die GIZ setzt dies bereits so um, was die Fachkräfte als sehr positiv wahrnehmen: „Es gibt nach einigen Monaten im Projekt einen erneuten Kurs in Deutschland, es ist ein Wiedersehen und gut für den Austausch“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

Bei allen ZFD-Träger*innen wird nach der Vorbereitung und der Einreise in das jeweilige Land in kleinen Schritten die Vorbereitung vor Ort fortgesetzt. So findet zum Beispiel eine Einführung durch den*die Koordinator*in statt oder die lokalen Partner*innen organisieren einen Einführungsworkshop. Doch sind diese Elemente in der Regel nur sehr kurz und ergänzend: „Purpose of the introduction workshop for the seconded personal – last around two hours – is the orientation, introduction of coordinators, focal person and basic information and different or new viewpoints“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Diese Maßnahmen könnten stärker mit der eigentlichen Vorbereitung verknüpft werden, um größere Synergien herzustellen und die Partner*innen vor Ort besser in die Fachkräftevorbereitung einzubeziehen.

8.5.2 Vorbereitung für die Partner*innen

Die Geschichte

Nachdem eine neue Fachkraft schon einige Wochen im Land ist und bei der Partnerorganisation mitarbeitet, findet ein durch die ZFD-Koordination im Land organisierter Orientation-Workshop statt. Dieser dient in der Regel dazu, neuen Fachkräfte wichtige Informationen über das Land und die Organisation zu geben und offene Fragen zu besprechen. Zwar ist der Workshop für die Fachkraft konzipiert, doch nimmt auch eine Person aus der Partnerorganisation teil, die als Counterpart fungiert. Gleich zu Beginn wird betont, dass die Person aus der lokalen Organisation dabei ist, um die wichtigsten Punkte vor allem im administrativen Bereich mitzubekommen und auch, um der Fachkraft Input zu geben. Zunächst findet eine Einführung in den ZFD und das Landesprogramm statt, es wird auf die verschiedenen Akteur*innen eingegangen und das TLS diskutiert. Es wird besonders darauf hingewiesen, wie wichtig das ZFD-Netzwerk ist. Von gemeinsamen Veranstaltungen wird zudem berichtet, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Auch die Rollen der Fachkraft und des Counterpart werden angesprochen. Für die Fachkraft heißt es, dass er*sie aktiv an Programmen teilnehmen soll, bei der Planung unterstützen kann, und es werden die konkreten Bereiche der Organisation genannt, die Unterstützung benötigen. Der Counterpart wird an den ZFD-Meetings teilnehmen und als Bindeglied zwischen dem ZFD und der lokalen Organisation fungieren, indem er*sie Informationen weiterträgt. Es wird auf den wichtigen Wissenstransfer zwischen der Fachkraft und dem Counterpart hingewiesen, so dass das Wissen in der Organisation bleiben kann. Gleichzeitig hat der Counterpart die Aufgabe, für die Fachkraft da zu sein und zum Beispiel als Bindeglied zwischen ihm*ihr und den anderen Kolleg*innen zu dienen. Im weiteren Verlauf des Workshops wird über Sicherheit gesprochen. Hier geht es vor allem darum, wie der Counterpart die Fachkraft unterstützen kann und wie wichtig ein Sicherheitsplan ist. Auch bei den Diskussionen um administrative Themen zum Beispiel über das Auto und dessen Nutzung oder über das ZFD-Reporting, steht in der Regel die Fachkraft im Fokus und wie der Counterpart sie*ihn unterstützen kann. Zum Schluss geht es noch um die Integration der Fachkraft in die lokale Organisation. Hier wird dem Counterpart geraten, die Fachkraft immer wieder zu fragen, wie er*sie sich fühlt und wo Unterstützung gebraucht wird. Gemeinsam wird diskutiert, dass die Fachkraft in der Vorbereitung in Deutschland darauf vorbereitet wurde, sich in die lokale Organisation zu integrieren. Dass der Counterpart und die anderen Mitarbeitenden der lokalen Organisation jedoch keine Vorbereitung durchlaufen haben und dieser kurze Workshop nicht ausreicht, diese Lücke zu schließen, aber eine erste Anregung sein kann.

Meine Rolle als Forscherin

Ich wurde von der*dem Koordinator*in zu dem Workshop eingeladen. Dies geschah in Absprache mit der Fachkraft und dem Counterpart, welche ich zu dem Zeitpunkt schon beide kannte. Den Ablauf des Workshops habe ich durch meine Anwesenheit nicht beeinflusst. Er ist für alle Orientation-Workshops gleich und wird von der*dem Koordinator*in mit den verschiedenen Themen vorgegeben. Zu Beginn wurde von der*dem Koordinator*in betont, dass der Workshop in einem geschützten Raum stattfindet, in dem alle Themen angesprochen werden dürfen. Auch wenn kritisch diskutiert wurde, kann ich nicht ausschließen, dass meine Anwesenheit die Diskussion beeinflusst hat und einige Themen anders oder nicht abgesprochen wurden.

Reflexion und kritische Diskussion

Die geschilderte Situation zeigt zuallererst, dass es für die lokalen Partner*innen eigentlich keine Vorbereitung gibt. Das ist aus partnerschaftlicher Perspektive sehr kritisch zu bewerten. Denn so sind von Beginn an die Voraussetzungen in der Partnerschaft verschieden. Der Counterpart nimmt an dem Orientation-Workshop für die Fachkraft teil, wird so vorbereitet und soll das erworbene Wissen an die anderen Personen der lokalen Organisation weitergeben. Dies kann als eine Art Vorbereitung für sie angesehen werden. Es gibt einige Themen wie zum Beispiel die Einführung in den ZFD und das Landesprogramm, die Darstellung der verschiedenen Akteur*innen, das TLS, das Netzwerk des ZFD und die Informationen über die Rollen der Fachkraft und des Counterpart, die sicherlich gleichermaßen für die Fachkraft und für den Counterpart relevant sind. Doch die Diskussionen der einzelnen Punkte erfolgen stets aus Blickrichtung der Fachkraft. Bei Aspekten wie zum Beispiel die Autonutzung oder Fragen der Sicherheit sind sie nochmals mehr auf die Fachkraft zugeschnitten. Generell geht es immer darum, wie der Counterpart oder die lokale Organisation die Fachkraft unterstützen kann. Es geht aber nicht darum, wo der Counterpart oder die lokale Organisation Unterstützung bekommen können (im Idealfall bei der ZFD-Koordination) oder wie mit möglichen Herausforderungen wie zum Beispiel einem Kulturschock von lokalen Mitarbeitenden (da sie mit einer deutschen Fachkraft zusammenarbeiten), unterschiedlichen Arbeitsweisen oder Kommunikationsproblemen umgegangen werden kann. Diese Art der Vorbereitung unterscheidet sich grundsätzlich von der Vorbereitung in Deutschland für die Fachkräfte vor ihrer Ausreise. Wie schon in der Geschichte betont, kann so ein kurzer Workshop diese Vorbereitungslücke weder schließen noch ausgleichen.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Es wurde in allen Gesprächen mit Mitarbeitenden der ZFD-Träger*innen in Deutschland hervorgehoben, dass es keine Partner*innenvorbereitung ähnlich der für die Fachkräfte gibt. „Im ZFD zumindest war es schon öfter mal ein Thema, dass wir sagen, eigentlich müsste ein Partner auch auf die Fachkraft vorbereitet werden“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Auch in Publikationen von ZFD-Träger*innen taucht vermehrt die Frage auf, wie es um die Vorbereitung der lokalen Partner*innen bestellt ist und welche Rolle sie in Bezug auf die Themen der Vorbereitung spielen können. Es stellt sich die Frage, ob sie selbst Vorbereitung leisten können oder eher benötigen (Rieder, 2019, S. 66). Eine erste wissenschaftliche Umfrage in ausgewählten ZFD-Projekten der GIZ hat ergeben, dass diese Aspekte einer Vorbereitung der lokalen Partner*innen nicht immer umgesetzt werden. Es fehlt demnach Raum für offene Dialoge und Reflexion (Rieder, 2019, S. 70). Die Mitarbeitenden lokaler Organisationen stimmen gleichfalls in meiner Umfrage mit knapp 90 % zu oder komplett zu, dass für sie eine Vorbereitung hilfreich wäre, bevor die ZFD-Fachkraft in die Organisation kommt. In der Praxis haben unterschiedliche ZFD-Träger*innen und lokale Organisationen verschiedene Handlungsstrategien gefunden, um damit umzugehen.

Einige ZFD-Träger*innen zum Beispiel sehen diese Aufgabe bei den Koordinator*innen vor Ort. Dort erfolgt die Vorbereitung nicht im Sinne eines Kurses, sondern durch Gespräche. In ihnen werden die Partner*innen darauf vorbereitet, was es bedeutet, wenn eine Fachkraft kommt, wer welche Rollen hat und was die lokalen Organisationen zum Beispiel in Bezug auf Sicherheit beachten müssen.

„Das haben wir jetzt aber nicht irgendwie standardisiert oder ein Orientierungspapier dafür, wobei man dazusagen muss, ich finde auch an manchen Stellen muss man einfach sagen, dass müssen die auch ohne hinkriegen. Wir kommen sonst irgendwann da an, wenn die nur noch in Bücher gucken“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Doch gerade dieses unkoordinierte Vorgehen spiegelt das Problem der mangelnden Vorbereitung. „Die Koordinatoren sind für die Vorbereitung der lokalen Organisationen zuständig. Hier findet jedoch nicht genügend Absprache statt. Oft findet dies auch mit zu kurzer Ankündigung statt“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). In anderen Gesprächen wurde betont, dass es in vielen Ländern bereits Organisationen gibt, die Erfahrungen mit Fachkräften haben. Sie können also neue lokale Organisationen im Sinne einer Peer-Beratung vorbereiten und sich im weiteren Verlauf miteinander austauschen. Andere Interviewpartner*innen betonten, dass sie von Deutschland aus versuchen, die Partner*innen vorzubereiten oder bei Dienstreisen in die jeweiligen Länder.

Als zusätzliche Möglichkeit der Vorbereitung wird der Partner*innenworkshop genannt, den einige Organisationen zu Beginn eines Projektes veranstalten. Darin wird zum Beispiel definiert, wie Rollen und Aufgaben verteilt werden oder was in der Arbeit realistisch umgesetzt werden kann. Es wurde betont, dass immer wiederkehrende Veranstaltungen in den Ländern für neue Partner*innen eine Art thematische Vorbereitung sein können. So zum Beispiel – wie in der Geschichte geschildert – die Vorbereitung für die Fachkraft. Doch reichen diese „Zwischenlösungen“ oftmals nicht aus, um die lokalen Partner*innen tatsächlich auf die Zusammenarbeit mit einer Fachkraft vorzubereiten: „The second personal is prepared how to integrate but there is no training for the host organization. The short meetings that they have now, ‘introduction meetings’, cannot bridge that gap, the responsibilities are on both sides“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone). Nur in einzelnen Fällen wurde die Möglichkeit erwähnt, Personen aus den lokalen Organisationen eine gezielte thematische oder inhaltliche Vorbereitung zu ermöglichen. Dies waren dann in der Regel thematische Weiterbildungen (siehe nächstes Kapitel) oder in seltenen Fällen Workshops, die die ZFD-Träger*innen vor Ort organisierten. „[We do] in house-training for local staff as an orientation. That is the same for international staff. They all need to understand CPS Kenya. It is about expectations and tasks are made clear. Finding out what capacity is still needed“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia).

Die beschriebene Situation zeigt sicherlich nur ein Beispiel, wie mit der Vorbereitung der Partner*innen umgegangen wird. Doch ist sie kein Einzelfall, wie hier aufgezeigt werden konnte. In vielen Gesprächen wurde mir sowohl von lokalen Mitarbeitenden als auch von Fachkräften über die mangelnde Vorbereitung der Mitarbeitenden vor Ort berichtet, die oftmals ein Auslöser für Konflikte oder Missverständnisse war. Weil für die lokalen Partner*innen keine gezielte Vorbereitung stattfindet, wird der Partnerschaftsgedanke ein Stück weit obsolet. Denn so treffen die Fachkräfte und die Mitarbeitenden der lokalen Organisationen mit unterschiedlichen Voraussetzungen aufeinander. Weil zudem die ZFD-Fachkräfte im Sinne der Personalentsendung für den ZFD zentral sind, haben sie dadurch eine mächtigere Position. Erneut betont dies die Trennung in ein „Wir“ und „die Anderen“. Aus diesen Gründen ist eine bessere Vorbereitung der lokalen Partner*innen erforderlich. So haben sich viele Fachkräfte in herausfordernden Situationen mit lokalen Partner*innen gefragt, ob sie nicht auch auf deren unzureichende Vorbereitung und Rollenklärung zurückzuführen sind: „Vorbereitung für Partner wäre gut, klare Fakten auf den Tisch. Eine Woche Einweisung, zum Beispiel auch [als] erste Woche zusammen, das hilft, gemeinsam Rolle und Finanzen und Positionen zu klären und was bedeutet es, Partnerorganisation zu sein, vor Planungsworkshop schon wichtig“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia).

8.5.3 Weiterbildungen und Trainings

Die Geschichte

In einer lokalen Organisation wurde ein Capacitybuilding-Prozess für die Mitarbeitenden angestoßen, der über einen längeren Zeitraum laufen sollte. Die Entscheidung dazu fiel, um die Arbeit der Organisation effizienter und professionaler zu gestalten, aber auch, um die Mitarbeitenden weiterzubilden. Dabei werden in einzelnen Workshops oder Trainings verschiedene Themen behandelt. Während eines etwa einstündigen Workshops saßen alle Mitarbeitenden inklusive der integriert arbeitenden Fachkraft gemeinsam in einer großen Runde im Büro zusammen. Dabei ging es in dem kurzen Workshop um die Nutzung eines E-Mail-Programms. Dazu hatte bereits einige Wochen zuvor ein erster Workshop stattgefunden, und es sollte in der kommenden Woche ein Follow-up stattfinden. Der Workshop wurde von einer ZFD-Fachkraft einer anderen Organisation geleitet und durchgeführt. Wie mir die integrierte Fachkraft der Organisation berichtete, hätte er*sie zwar auch selbst das Training durchführen können, doch war die andere Fachkraft versierter im Umgang mit der Technik. Zudem bewertet er*sie es als sinnvoller, dass eine externe Person das Training abhielt, so dass er*sie selbst in der Rolle des*der Teilnehmer*in sein konnte. Über einen Beamer wurde ein E-Mail-Account gezeigt und verschiedene Einstellungen erklärt, die zum Beispiel dazu dienen können, E-Mails zu strukturieren und zu priorisieren oder E-Mails mit mehreren Empfänger*innen in der Organisation zu bearbeiten. Das Programm war dabei in deutscher Sprache eingestellt. Die Mitarbeitenden nutzten auf ihren eigenen Laptops das gleiche Programm in englischer Sprache und führten nach jeder Erklärung kleine Übungen oder Aufgaben in ihrem Account durch. Wenn es zu einzelnen Einstellungen Fragen gab, kam der*die Trainer*in zu den Personen und erklärte einzelne Schritte nochmal. Am Ende des Trainings wurde eine klare Aufgabe für das gesamte Team formuliert: Es sollten gemeinsame Labels für das Sortieren von E-Mails entwickelt werden, damit es ein einheitliches System in der Organisation gibt. Außerdem sollten alle ihr eigenes Profil im E-Mail-System anlegen. Das Training wurde mit einem Ausblick auf das kommende Training beendet, bei dem es um Abwesenheitsnachrichten, Signaturen und Adresslisten gehen sollte.

Meine Rolle als Forscherin

Ich wurde zu den Workshops eingeladen, habe aber nur an diesem einen Workshop aus der Reihe teilgenommen, was zeitlich begründet war und an Terminüberschneidungen lag. Die Teilnahme an mehreren Trainings oder Workshops aus dem Capacitybuilding-Prozess wäre sicherlich spannend gewesen, um einen noch tieferen Einblick zu erhalten. So blieb es eine sehr punktuelle Beobachtung. Über diese konnte ich jedoch in anschließenden Gesprächen mit der Fachkraft und Mitarbeitenden der Organisation sprechen und sie reflektieren. Vor meiner Teilnahme kannte ich sowohl die externe ZFD-Fachkraft als auch die Mitarbeitenden der Organisation, die auch um ihr Einverständnis zu meiner Teilnahme gebeten wurden.

Reflexion und kritische Diskussion

Die Geschichte liefert ein Beispiel, wie Weiterbildungen für Mitarbeitende einer lokalen Organisation aussehen können. So wurde in der Organisation intern herausgearbeitet, dass ein Capacitybuilding-Prozess notwendig ist, um die Organisation effizienter und professioneller zu gestalten. Dies gilt nicht nur mit einem Blick auf den ZFD, sondern laut Aussage der Mitarbeitenden der lokalen Organisation generell für die eigene Arbeit. In dem besuchten Workshop zum E-Mail-Programm sind die einzelnen Anwendungen, Aufgaben und Ausführungen in den Erklärungen nicht als fortgeschritten, sondern eher als basic zu beschreiben. Dennoch waren sie für die Mitarbeitenden von hoher Relevanz, da dieses Wissen gefehlt hat. Das Beispiel zeigt deutlich, dass Weiterbildungen nicht immer zu Themen, die für die Arbeit des ZFD relevant sind, stattfinden müssen. Vielmehr sind Weiterbildungen relevant, die Arbeitsprozesse oder Büroorganisation umfassen, also im Sinne der Organisationsentwicklung erfolgen. Dabei ist es immer wichtig zu hinterfragen, aus welchem Grund diese Organisationsentwicklung notwendig wird. Geschieht dies aus einer intrinsischen Motivation heraus, die eigenen Arbeitsprozesse zu verbessern, oder aus dem Grund, dass bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um die administrativen Vorgaben der ZFD-Träger*innen zu erfüllen? Das hier geschilderte Training fand aus beiden Gründen statt. Das Training wurde inhouse durchgeführt, da es von einer anderen ZFD-Fachkraft durchgeführt wurde, die das nötige Wissen mitbrachte. Fraglich ist jedoch, warum das E-Mail-Programm, welches als Beispiel genutzt wurde, nicht auf die englische Sprache umgestellt wurde. Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei nicht um böse Absicht gehandelt hat, sondern einfach um ein Versäumnis. Zusätzlich stellt sich die Frage, warum der gesamte Prozess, welcher für die Organisation nötig ist, um effizienter zu arbeiten, nicht von außen begleitet wird. Hier ist die schnelle Antwort, dass dies eine zu hohe finanzielle Bürde mit sich bringt, die die Organisation nicht tragen kann und die auch nicht im ZFD-Budget vorgesehen ist. Somit hat die Organisation mithilfe der Fachkraft selbst den Prozess organisiert und kümmert sich je nach Thema um interne oder externe Input-Geber*innen oder Referierende. Schaut man sich diese schnelle Antwort jedoch vertieft an, stellt sich die Frage, warum der ZFD kein Budget für solche Prozesse zur Verfügung stellt, wenn sie doch notwendig sind, damit lokale Organisationen erfolgreich im ZFD arbeiten können.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Solche selbst organisierten Trainings oder Inputs durch ZFD-Fachkräfte habe ich während meiner Forschung immer wieder erlebt. Oft fanden sie zu Themen statt, welche sehr nah an der täglichen Arbeitspraxis lagen und befassten sich mit E-Mail-Organisation, Einführung in Computerprogramme oder der Frage, wie man einen formellen Brief scheibt. Alles Themen im Feld der Organisationsentwicklung. Dennoch gibt es im ZFD auch die Möglichkeit sowohl für Fachkräfte als auch für lokale Mitarbeitende, an inhaltlichen Weiterbildungen teilzunehmen, welche für die Arbeit des ZFD und der Organisationen relevant sind. Auf diese wird im Folgenden eingegangen. Zusätzlich besteht für Fachkräfte die Möglichkeit beziehungsweise sogar die Verpflichtung, an individuellen Coachings teilzunehmen. Auch auf diese wird im Folgenden beispielhaft eingegangen.

Im Rahmen des ZFD besteht die Möglichkeit, dass die lokalen Partner*innen komplementär gefördert werden. Dies kann zum Beispiel durch Workshops und Weiterbildungen geschehen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 6). So gibt es bestimmte flankierende Komponenten der Projekte, wozu unter anderem

„Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung beim Partner: interne und externe Fortbildungen und Workshops […oder…] Maßnahmen zur Gewährleistung einer breitenwirksamen und lokal verankerten zielgruppenorientierten Arbeit: Begegnungen, Fortbildungen und Workshops mit stakeholdern [zählen]“ (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.6. S.1)

Dabei gibt es jedoch immer wieder Unklarheiten darüber, wie die Trainings finanziert werden sollen. Dies kann zum Beispiel direkt durch die ZFD-Koordination, den*die ZFD-Träger*in oder über das Projektbudget geschehen: „Funds for trainings for CPS workers and staff for the organizations are not always clear in the projects and [there are] no clear guidelines on staff capacity building“ (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Dies wird in den ZFD-Rahmendokumenten nicht eindeutig festgelegt und lässt den Träger*innen somit eine gewisse Freiheit. Diese ist zum einen positiv zu bewerten, da somit ein großer Handlungsspielraum entsteht, zum anderen muss sie auch kritisch betrachtet werden, weil sie auch eine gewisse Willkür ermöglicht.

Schaut man auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Weiterbildungen und Trainings, die angeboten werden, kommen diese sowohl bei den Fachkräften als auch bei den lokalen Mitarbeitenden relativ gut an. Der Aussage, dass die Trainings, welche vom ZFD angeboten werden, sinnvoll sind und dort neues Wissen erlernt wurde, stimmen 24 % komplett zu, 49 % stimmen zu, 20 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 4 % stimmten der Aussage nicht oder gar nicht zu und 3 % wissen es nicht. Besonders positiv unter den Weiterbildungsangeboten wurde der Workshop zum Thema interkulturelles Lernen hervorgehoben, welcher länderübergreifend in Kenia stattgefunden hat. Des Weiteren wurde besonders positiv betont, dass die Trainings praxisnah sind und viel Raum für Fragen lassen. Zudem wurde lobend hervorgehoben, dass einige Personen die Möglichkeit hatten, an Weiterbildungen in Deutschland teilzunehmen: „I took part in a two month course in Germany. Conflict analysis and exchange with other countries, case studies for other countries have been the most interesting“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Trotz der vorhandenen Angebote wurden besonders von den lokalen Partner*innen in Gesprächen immer wieder konkrete Themen genannt, die sie sich für Trainings wünschen würden. Diese sind: Gleichberechtigung der Geschlechter, Management, PM&E, Konfliktprävention, Selbstfürsorge, Teambuilding und partizipative Ansätze in der Friedensarbeit. Die Fachkräfte nannten mir gegenüber auch bestimmte Themen, in denen sie Weiterbildungsbedarf sehen. Sie sind thematisch etwas anders ausgerichtet: Interkulturelles Lernen und Capacitybuilding für Teams waren häufig genannte Schwerpunkte.

In der wissenschaftlichen Literatur wird der Aspekt der Workshopangebote durch die internationalen CSOs jedoch auch kritisch betrachtet. Demnach ist eine kritische Prüfung wichtig, welches Wissen bei den Trainings und Workshops vermittelt wird. Oftmals sind es Konzepte und Methoden, die im Globalen Norden oder von Personen aus dem Globalen Norden entwickelt wurden (Wallace, 2003, S. 212). Dies gilt besonders dann, wenn externe Trainer*innen involviert sind. Sie verfügen oft nicht über Kontextwissen, was zu einer Verzerrung von Inhalten führen kann und sich letztendlich womöglich negativ auf die Umsetzung und Anwendung des erworbenen Wissens und den Lernprozess auswirkt (Fahrenhorst, 2007, S. 80). Eine kritische Prüfung sollte auch erfolgen, wenn Personen mit sehr unterschiedlichem Wissensstand zu einem Thema zusammentreffen. Dies kann je nach Workshopgestaltung sehr positiv nutzbar gemacht werden, jedoch auch zu Über- oder Unterforderung führen.

„Vom Austauschwert ist das [Anmerkung der Autorin: Weiterbildungen] gut, aber ganz oft haben die ganz viele Niveaus dann zusammen, das macht es nicht unbedingt so effizient. Da müsste man manchmal noch fast genauer hingucken und sagen, brauchen die eher ein Training oder brauchen die eher Austausch auf der Ebene dann“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Ein Beispiel dafür war eine gemeinsame Weiterbildung für Fachkräfte und lokale Mitarbeitende, an der ich teilgenommen habe. Hier haben sich im Anschluss die lokalen Partner*innen sehr begeistert geäußert, während die Mehrheit der Fachkräfte die lokalen Trainer*innen vor allem didaktisch nicht gut fanden und an einigen Stellen der*die Koordinator*in den Input übernommen hat, um andere Schwerpunkte zu setzen. Zwar bedeutete die Übernahme des Inputs eine Intervention in das Training und lässt klar die selbstverständliche Handlungsmacht der Koordination erkennen, jedoch ist anzumerken, dass der*die Koordinator*in fachliche Expertise einbringen konnte, die in diesem Fall kontextunabhängig war. Dennoch ist fraglich, ob es wirklich ein so unterschiedliches Vorwissen der Teilnehmenden gab. Oder ob es etwas damit zu tun hatte, dass in dem Land Kritik anders geäußert wird oder es sich einfach um persönliche Vorlieben handelte. Dies konnte in den anschließenden Gesprächen nicht abschließend beantwortet werden. Vermutlich trifft eine Mischung aus allem zu.

Generell werden im ZFD sehr viele Workshops angeboten. Und zwar sowohl für ZFD-Fachkräfte als auch für lokale Partner*innen und die Teilnehmenden an konkreten ZFD-Aktivitäten. Dabei stellt sich gerade bei den Zielgruppen die Frage, was sie dazu motiviert, an den Angeboten teilzunehmen. Möchten sie sich weiterbilden und schaffen diese Workshops die Hoffnung auf einen Mehrwert, wie zum Beispiel auf einen Arbeitsplatz (Dieltiens, 2015; Fuest, 2010) oder beruflichen Aufstieg? Nehmen sie aus reiner Perspektivlosigkeit (Bangura, 2016), praktisch als „Überlebensstrategie“ teil (Berents & McEvoy-Levy, 2015) oder gibt es verdeckte Macht-Abhängigkeits-Mechanismen, die zur Teilnahme bewegen (Duckworth, 2016; Irrera, 2011)? Im Zuge dessen stellt sich auch die Frage, ob es nicht schon zu viele Workshops sind, die im ZFD angeboten werden und ob die Ressourcen nicht anders verteilt werden könnten. Der Aussage, dass das Geld, welches für Workshops im Rahmen des ZFD verwendet wird, besser verwendet werden könnte, stimmen 10,33 % der Mitarbeitenden lokaler Organisationen komplett zu, 17 % stimmen zu, 38 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 10,33 % stimmten der Aussage nicht zu, 14 % stimmen gar nicht zu und 10,33 % wissen es nicht. Hier zeigt sich ein sehr gemischtes Bild. Sicher hängt es damit zusammen, welche Erfahrungen bereits mit den Workshops gemacht wurden und wie viel man jeweils persönlich davon profitiert hat. Dennoch sollte immer kritisch überprüft werden, für wen, auf welcher Grundlage und mit welchen Ressourcen ein Workshop angeboten wird. Dabei sollte jeweils die Frage gestellt werden, welche Person die Inhalte des Workshops als relevant eingestuft hat. Ist dies eine Person des ZFD aus dem Globalen Norden oder zum Beispiel ein*e Mitarbeiter*in einer lokalen Organisation? Dies macht einen Unterschied, wenn es zum Beispiel um das Thema Ownership von Prozessen oder um Bedürfnisse geht. Zudem ist es aber auch entscheidend, wenn darauf geachtet wird, wer für wen welche Entscheidungen trifft.

Dieser persönliche Profit aus den Workshops wird für die Fachkräfte nochmals durch begleitende Supervision vertieft. Die Fachkräfte erhalten nicht nur eine Vorbereitung, sondern auch eine Begleitung während ihres Einsatzes, sie haben die Möglichkeit zu Supervision und Coaching (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 5; Neumann, 2016, S. 14). Somit soll eine psychosoziale Begleitung der Fachkräfte im Einsatz sichergestellt werden. Sie ist wichtig, da sie in konfliktiven Settings arbeiten, so ein*e Interviewpartner*in in Deutschland. „Es geht primär darum, mehr Reflexionsräume zu bieten, um das eigene Handeln, die Situation und das Beziehungsgeflecht im Beratungssystem immer wieder neu zu überdenken“ (Pastoors, 2017, S. 445). Im Zuge der zunehmend erkannten Relevanz der Themen Mitarbeiterfürsorge und Selbstfürsorge im ZFD werden – je nach Organisation etwas unterschiedlich –Möglichkeiten von individuellem oder Gruppencoaching, Peergroup-Meetings, Kurse in Deutschland nach einer bestimmten Zeit im Land oder virtuelle Meetings angeboten (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 9.1 S. 5 f.). Dabei werden bestimmte Themen behandelt, die die wissenschaftliche Literatur als relevant einstuft: psychosoziale Vorbereitung und Begleitung, Thematisierung von Konflikten in Organisationen, Selbstevaluierung und Reflexion, bestimmte Feedbackmechanismen oder die Thematisierung von Stressauslösern (Ribeiro Andres et al., 2005, S. 47). Dieses Angebot kommt bei einigen Fachkräften sehr gut an: „Persönliches Monitoring/Supervision einmal im Monat hilft sehr gut, Frust abzubauen und neue Ideen zu bekommen“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). Andere hingegen betonten, dass sie darin wenig Nutzen sehen: „Personal coaching is not very helpful, but it depends with the person and the work. I never struggled mentally with the work, often don’t know what to talk about“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Dies hängt sicherlich damit zusammen, wie unterschiedlich die Reflexion über die eigene Arbeit erfolgt, vor wie vielen Herausforderungen man in der Arbeit steht und welche Einstellung man im Allgemeinen zu Coachings hat. Die Mehrheit, die das Angebot positiv findet, betonte jedoch, dass das Angebot zu gering sei. Denn mit etwa zehn Stunden im Jahr könnte kein wirkliches Coaching stattfinden. Für die lokalen Mitarbeitenden der Organisationen, aber auch für die lokal angestellten ZFD-Fachkräfte gibt es dieses Angebot nicht. Hier zeigt sich abermals die im ZFD fehlende Partnerschaft auf Augenhöhe. Ansonsten würde auch diesen Personen ein solches Angebot gemacht werden. Deutlich wird erneut die Unterscheidung in „Wir“ aus dem Globalen Norden, die vor Ort extra Betreuung benötigen, und „die Anderen“, die Partner*innen aus dem Globalen Süden. Nur, weil Letztere aus dem lokalen Kontext kommen, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie durch ihre Friedensarbeit nicht vor Herausforderungen stehen. Gerade für lokale Mitarbeitende können die Herausforderungen ebenso vielfältig sein wie für ZFD-Fachkräfte aus Deutschland.

8.6 Effektivität des ZFD

Besonders in den letzten Jahren haben die Themen Effektivität und Nachhaltigkeit im ZFD nochmals an Bedeutung gewonnen (siehe auch Abschnitt 4.4.4.). Aus diesem Grund, und da ich während der teilnehmenden Beobachtung an mehreren PM&E-Prozessen teilnehmen konnte, die eine wichtige Grundlage im ZFD sind, analysiert dieses Kapitel zunächst die Umsetzung und Machbarkeit von PM&E-Maßnahmen in der Arbeit des ZFD (Unterkapitel 8.6.1.). Anschließend beleuchtet Abschnitt 8.6.2. Aspekte der Nachhaltigkeit der ZFD-Arbeit. Dieses Thema wurde ausgewählt, da besonders in Interviews und Gesprächen immer wieder kritisch hinterfragt wurde, wie nachhaltig die eigene Arbeit tatsächlich ist.

8.6.1 Planung, Monitoring und Evaluation (PM&E)

Die Geschichte

In einem Raum stehen Snacks und Tee bereit, es hängen verschiedene Flipcharts an den Wänden und Diskussionspapiere wurden auf die Plätze der Teilnehmenden gelegt. Es findet ein PM&E-Workshop mit dem Schwerpunkt Projektmonitoring statt. Diese Workshops gibt es im ZFD in regelmäßigen Abständen. Sie werden je nach ZFD, aber auch je nach lokaler Organisation etwas anders gestaltet und dienen dazu, gemeinsam mit den Beteiligten in der Organisation, mit der Fachkraft und – falls vorhanden – mit der*dem PM&E-Verantwortlichen der deutschen ZFD-Organisation und dem*der Koordinator*in die Arbeit zu evaluieren, Indikatoren zu prüfen, Aktivitäten zu evaluieren und zu planen und zu prüfen, an welchem Punkt das Projekt gerade steht. Dieser PM&E-Workshop dauert zwei Tage und es sind die*der PM&E-Verantwortliche der deutschen ZFD-Organisation, die Fachkraft und verschiedene Mitarbeitende der lokalen Organisation anwesend. Der*Die Chef*in der lokalen Organisation kann aufgrund von terminlichen Überschneidungen nur punktuell an dem Workshop teilnehmen. Zu Beginn werden die Ziele des Workshops formuliert. Dies erfolgt durch die*den PM&E-Verantwortliche*n der deutschen ZFD-Organisation (die Person ist eine regionale Fachkraft) und durch eine Erwartungsabklärung unter den Teilnehmenden. Es wird festgelegt, den Projektfortschritt aus dem letzten Jahr zu betrachten sowie Erfolge und Herausforderungen in der Projektimplementation und die verbleibende Zeit des Projektes zu evaluieren. Dabei sollen die Finanzen und der Progressmarker, der für das Projekt festgelegt wurde, berücksichtigt werden. Dazu werden in einem ersten Schritt die Aktivitäten des vergangenen Jahres betrachtet. Den einzelnen Aktivitäten werden die jeweils beteiligten direkten oder indirekten Projektpartner*innen und Progressmarker zugeordnet. Bei den Progressmarkern wird geprüft, bis zu welchem Prozentsatz sie erreicht wurden. Hier liegt die Erfüllungsquote zwischen 40 % und 100 %, wobei sich die meisten bei über 80 % bewegen. Generell werden von den Mitarbeitenden der lokalen Organisation die Progressmarker als sehr hilfreich für die Arbeit empfunden. Auch wenn sie sich nach eigener Aussage damit schwertun, die Monitoring-Dokumente regelmäßig auszufüllen, da sie in ihrem Arbeitsalltag wenig Zeit dafür haben, wertschätzen sie PM&E an sich. Vor allem die Progressmarker helfen, den Fortschritt des Projektes festzustellen. Das liegt daran, dass Veränderungen in Peacebuilding-Projekten, die oft mit Verhaltensänderungen einhergehen, oft schwer zu erkennen sind. Generell wird in der Diskussion über die Aktivitäten und das Projekt deutlich, dass die meisten Aktivitäten sehr erfolgreich waren und die einzelnen Ziele erfüllt oder sogar übererfüllt wurden. Im Anschluss wird nachgefragt, was besonders erfolgreiche Aktivitäten waren und wo es Herausforderungen bei der Umsetzung gab. Die Diskussion wird schriftlich festgehalten, um so die Frage beantworten zu können, was von den erfolgreichen Aktivitäten auch in der Zukunft umgesetzt werden sollte, um den Herausforderungen zu begegnen.

Generell wird von allen positiv angemerkt, dass es keine Herausforderungen im internen Team gibt und die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Um der Herausforderung einer geringen Teilnehmendenzahl entgegenzuwirken, wird in der Diskussion unter anderem im Team beschlossen, dass noch mehr in das Netzwerken und die Werbung investiert werden soll, um noch mehr Personen erreichen zu können. An weiteren kleineren Herausforderungen in der Administration oder Kooperation konnte direkt durch interne Umstrukturierung und einen erreichten größeren Meilenstein des Projekts gearbeitet werden. Die meisten Herausforderungen werden im Bereich der Finanzen identifiziert. Zum Beispiel wieviel Geld für interne Trainings verwendet werden kann, wie Geld im Projekt umverteilt werden kann oder wie Geld für Aktivitäten genutzt werden kann, die für die Organisation relevant, aber nicht direkt im Projekt vorgesehen sind. Auf diese Punkte wird im Finanz-Monitoring am zweiten Tag nochmals genauer eingegangen. Hier wird deutlich, dass die ursprüngliche Aufteilung der Kostenpunkte in Projektaktivitäten, lokale Mitarbeitende, laufende Projektkosten, Equipment, Miete und weitere Kosten oft nicht sehr hilfreich ist. Denn es ist manchmal nicht klar, ob eine Aktivität bei einer Projektaktivität oder bei laufenden Projektkosten abgerechnet werden und wie dies in den Excel-Tabellen erfasst werden soll, mit denen die Abrechnungen gemacht werden. Hier wird von der*dem PM&E-Verantwortlichen der deutschen ZFD-Organisation ein praktischer Vorschlag zur Umsetzung gemacht und angeboten, in regelmäßigeren Abständen die Abrechnungen zu kontrollieren. Auf Grundlage der Diskussionen werden dann die kommenden Aktivitäten geplant. In der abschließenden Feedbackrunde wird von allen Beteiligten betont, dass dies ein sehr erfolgreicher Workshop war, dass der*die PM&E-Verantwortliche der deutschen ZFD-Organisation sehr gut moderiert hat und alle offenen Fragen beantworten konnte. Außerdem wird nochmals betont, wie gut alle im Team zusammenarbeiten. Sei es der*die Chef*in, eine Person, die*der erst ganz neu im Team ist oder die Fachkraft – alle diskutieren gleichberechtigt und offen zu allen Themen mit. Selbst wenn Entscheidungen nur von dem*der Chef*in und der Fachkraft getroffen werden dürfen, wird betont, wie gut die Einbeziehung der anderen Mitarbeiter*innen funktioniert. Ebenfalls wird positiv betont, dass in den Situationen im Workshop, in denen der*die Chef*in nicht anwesend sein konnte, die Fachkraft stellvertretend agiert hat und dass dies zeigt, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert.

Meine Rolle als Forscherin

Ich wurde von der*dem PM&E-Verantwortlichen der deutschen ZFD-Organisation zu dem Workshop eingeladen, jedoch erst nach Rücksprache mit den anderen Beteiligten, ob dies für sie in Ordnung ist. Zu dem Zeitpunkt des Workshops kannte ich bereits alle Anwesenden von vorherigen Treffen. Während des Workshops habe ich nur beobachtet und zugehört und mich nicht aktiv eingebracht. Somit konnte ich vermeiden, durch Aussagen oder Mitarbeit die Diskussion und die Ergebnisse zu beeinflussen. Dennoch kann ich nicht davon ausgehen, dass meine Anwesenheit gar keinen Einfluss hatte. Jedoch schätze ich ihn als gering ein, da bei vorherigen PM&E-Workshops bereits andere externe Personen wie zum Beispiel Mitarbeitende aus Deutschland oder andere PM&E-Fachkräfte dabei waren. In der Regel verlaufen die Workshops transparent und sind für externe Personen offen.

Reflexion und kritische Diskussion

Da ich während meiner Forschung an verschiedenen PM&E-Workshops teilnehmen konnte, kann ich rückblickend sagen, dass der hier geschilderte Workshop sicherlich ein positives Musterbeispiel war. Dies liegt zum einen daran, dass von der lokalen PM&E-Fachkraft eine klare Tagesordnung vorbereitet wurde, aber auch daran, dass von ihm*ihr die relevanten Dokumente für die Organisation nochmals übersichtlich zusammengefasst wurden und klar war, welche Erwartungen und Ziele an den Workshop gestellt wurden. Des Weiteren hat zum Erfolg des Workshops beigetragen, dass es in der Organisation und unter den Mitarbeitenden und der Fachkraft keine größeren Konflikte gab, was mir in zahlreichen Gesprächen mit den Mitarbeitenden und der Fachkraft immer wieder bestätigt wurde. Oftmals sind PM&E-Workshops eine Art Katalysator, in dem sich Konflikte und Herausforderungen zeigen, die den PM&E-Prozess begleiten und erschweren, da die Anwesenden immer wieder auf die Konflikte zu sprechen kommen. Dies war in diesem Workshop nicht der Fall. Vielmehr wurde das Team gelobt, wie gut es zusammenarbeitet, und auch das Team selbst hat immer wieder die gute Zusammenarbeit hervorgehoben. Dies hat sich auch auf die Arbeit in den ZFD-Projekten ausgewirkt. Wie das Monitoring feststellen konnte, wurden sie sehr erfolgreich durchgeführt. Die Punkte, in denen die Arbeit noch ausbaufähig war oder wo es Herausforderungen gab, wurden durch konstruktive Lösungsvorschläge im gesamten Team diskutiert und sollten in der kommenden Zeit angegangen werden. Generell lässt sich feststellen, dass das PM&E-System des ZFD als sehr hilfreich empfunden wird, da es dazu dient, die eigene Arbeit zu strukturieren, Aktivitäten zu planen und vor allem auch Erfolge und Fortschritte festzuhalten und zu evaluieren, was im Bereich der Friedensarbeit nicht immer einfach ist. Dennoch wird kritisiert, dass für PM&E im Alltag relativ viele Dokumente auszufüllen sind, um über Fortschritte, Aktivitäten und Finanzen zu berichten, was herausfordernd ist, da im Arbeitsalltag oft zu wenig Zeit dafür bleibt.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Auch wenn in der eingangs beschriebenen Geschichte der PM&E-Prozess sehr positiv bewertet wurde, wurde dennoch angemerkt, dass die Einbindung von PM&E in den Alltag eine Herausforderung darstellt. So geht es nicht nur dieser, sondern einer Vielzahl von Organisationen. Um die Bedeutung, aber auch die Herausforderungen besser einordnen zu können, wird nun ein allgemeiner Blick auf PM&E im ZFD geworfen. Seit dem Reformprozess sind Projektmonitoring und Evaluation im ZFD nochmals wichtiger geworden, siehe dazu auch Abschnitt 4.4.4. Alle Organisationen müssen PM&E-Prozesse für ihre Projekte nachweisen können. Denn wie eine interviewte Person sagte, ist es nicht das Ziel des ZFD, ein Projekt mit den Partner*innen einfach nur umzusetzen, sondern einen Impact zu haben. Dabei muss das Verständnis dieser Impacts genau betrachtet werden. Denn wie bisherige Publikationen zum ZFD gezeigt haben, ist es in der Friedensarbeit nicht zielführend, schlichtweg nur Zahlen beispielsweise über Workshopteilnahmen zu erheben: „Achieving a result, provoking a change in the field of peacebuilding is not restricted to the number of people trained in confict transformation techniques. Nor is it the number of lectures on peace education, or the number of petitions signed to denounce violence against women“ (Djateng, 2013, S. 9). Deswegen ist dieser Impact in der Arbeit des ZFD oft das veränderte Verhalten von Menschen in Konfliktsituationen. Dies können schon kleine (Fort-)Schritte sein (Burba & Stanzel, 2015b, S. 225). Insofern ist es wichtig, das „[…] veränderte Verhalten von Menschen zu beobachten und Veränderung von Strukturen zu dokumentieren“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Dabei ist zunächst festzuhalten, dass Wirkung im ZFD als Veränderung von Strukturen und Zuständen, von Verhalten oder von Haltungen verstanden wird. Diese Veränderungen können jedoch nicht direkt eintreten, sondern sie ergeben sich aus den verschiedenen Impulsen, Handlungen oder Ereignissen, die im Rahmen des ZFD stattfinden, aber auch durch die Ressourcen des ZFD. Dabei ist es wichtig, dass diese Wirkungen sowohl intendiert als auch nicht intendiert sein können. Doch nicht nur die Veränderung an sich wird im ZFD als Wirkung gesehen, sondern auch die Stabilisierung eines Zustandes (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 6). Auch im individuellen Bereich können dabei Veränderungen auftreten. So können sich zum Beispiel Einstellungen, Verhalten, Sichtweisen und Beziehungen verändern (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 4.1 S. 1).

Weitere Veränderungen können direkte strukturelle Veränderungen zum Beispiel bei Institutionen oder indirekte strukturelle Veränderungen in Bezug etwa auf Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Benachteiligung sein (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 4.1 S. 2). Zuletzt lassen sich im ZFD direkte Wirkungen im kulturellen Bereich ausmachen, die sich durch veränderte Werte, Normen und Diskurse zeigen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 4.1 S. 2). Um diese Verhaltensänderungen ergebnisorientiert zu messen, ist es wichtig, Kontextanalysen vor, während und nach den Maßnahmen durchzuführen (Djateng, 2013, S. 10). Daran anknüpfend sind in allen Projekten Indikatoren festzulegen, für die im Projektverlauf ein Monitoring stattfindet. „Wir haben also nicht die massive Fixierung auf irgendwelche Zahlen, sondern eher auf beobachtbare Ergebnisse“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Dazu haben alle Organisatoren ihre eigenen Systeme entwickelt, die in Abschnitt 4.4.4. bereits beschrieben wurden. In einigen Projekten ist schon die bloße Erhaltung des Status quo ein immenser Erfolg. In den Gesprächen mit den ZFD-Träger*innen in Deutschland wurde allerdings betont, dass dies schwer zu erläutern ist, weil es keine quantifizierenden Indikatoren gibt. Dies wird bereits in den Anträgen festgehalten.

„Ich glaube, wenn man die Anträge nur liest und vor Ort nichts kennt, fragt man sich sehr oft, was passiert da. Es sollen und müssen in den Anträgen keine konkreten Aktivitäten benannt sein, was auch nicht sinnvoll wäre in fragilen Kontexten, denn die zur Zielerreichung nötigen Aktivitäten können sich ändern; da muss ein Träger nicht exakt sagen, ‚wir machen zum Beispiel drei Workshops‘, das ist überholt. Wir arbeiten heute mit einer anderen Wirkungslogik. Die Wirkungen, die erreicht werden sollen, werden hier benannt, und dann wird uns hinterher berichtet, welche erreicht wurden. Es ist nicht quantitativ unterlegt, weil es qualitative Wirkungen sind und sie möglichst exakt beschrieben werden“ (Interview BMZ).

Da die Wirkungen im Zentrum des ZFD stehen, erfolgt auch der PM&E-Prozess im Sinne einer Wirkungsorientierung (je nach Träger*in mit unterschiedlichen Methoden) und ist bereits im Antrags- und Berichtswesen abgebildet und verbindlich vereinbart (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 7). Dazu finden in der Regel sogenannte Planning Meetings statt, zum Beispiel zu Beginn eines Projektes. Darin wird festgelegt, welche Wirkungen erzielt werden sollen und wie diese festgehalten und gemonitort werden. Um Prozesse oder Aktivitäten nachzuhalten, ist es im Sinne der Wirkungslogik nicht unbedingt notwendig, Details wie die Anzahl der Aktivitäten aufzuführen. Dennoch wird in der Praxis daran festgehalten. Es ist wichtig, dass diese konkreten Aktivitäten nicht als Wirkung verstanden werden, sondern vielmehr als Momentum der Durchführung, um Wirkung zu erzielen. Bei diesen Planungstreffen müssen klare Ziele und Erwartungen diskutiert und festgelegt werden: „With every indirect partner desired outcomes and progress markers are made, what you expect to see, give a skill. […] What you like to see, what you love to see and use the skills and transfer it“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Doch nicht nur zu Beginn finden diese Planungsworkshops statt, auch während des Projekts können PM&E-Workshops stattfinden, um bestimmte Pläne oder Indikatoren auf den Fortschritt hin anzupassen.

„There is often the need to have follow-up workshops on the project planning document before the next evaluation is taking place. In this follow-up workshops there comes a detailed activity plan, with short descriptions and budgets. It needs to be submitted by October for the next year and then at the beginning of the year you can crosscheck and make small changes“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone).

Dass dies relativ erfolgreich geschieht, zumindest wenn es darum geht festzulegen, welche Ergebnisse mit den Projekten erreicht werden sollen, zeigt ein Blick auf meine Umfrage unter Fachkräften und Mitarbeitenden lokaler Organisationen. Der Aussage, dass bekannt ist, was die erwarteten Ergebnisse (Outcomes) des ZFD sind, stimmen 32 % komplett zu, 49 % stimmen zu, 16 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu und 3 % stimmen der Aussage nicht zu. Während der Planung werden in den Dokumenten zu jeder direkten Wirkung die Ausgangssituationen beschrieben und Prozessindikatoren festgelegt, die klare Beobachtungsfelder benennen und es werden Annahmen über wichtige Wirkungszusammenhänge formuliert (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 8). Bei der Formulierung dieser Wirkungslogik sollen auch linear-kausale Bezüge und nicht intendierte Wirkungen berücksichtigt werden. Es sollte keine zu große Komplexität an den Tag gelegt werden und es ist Flexibilität erforderlich, damit zum Beispiel Anpassungen im Projektverlauf vorgenommen werden können (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, 7 ff.). Der ZFD sieht vor, die Prozesse auf Projektebene stattfinden zu lassen, sie partizipativ unter Einbeziehung aller Akteur*innen zu gestalten und dass sie komplementär sind, in regelmäßigen zeitlichen Abständen stattfinden und immer kontextspezifisch sind (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 8). Ein entscheidendes Element ist die Selbstevaluation. In der Regel wird viel von den ZFD-Mitarbeitenden und lokalen Organisationen selbst evaluiert, also nicht mit externen Consultants, wie es in der Friedensarbeit oft üblich ist. „Everything is based on self-evaluation. That is good, as it is organizational learning and self-reflection of the team, learn about own strength and weakness“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Dies geschieht im Sinne der lokal verankerten und partnerschaftlichen Friedensarbeit, bei der alle an den Projekten beteiligten Akteur*innen ihre eigene Arbeit evaluieren. Um diese Selbstevaluation erfolgreich durchführen zu können, ist es wichtig, dass auch während des Prozesses die eigene Arbeit reflektiert wird, und zwar als ein integraler Prozessbestandteil.

„Reflection requires to step out of the normal direction and thinking. […] Also the difference is to include yourself in the process. It seeks to identify and articulate diverse situations of peace action, including challenges, as learning space for the practitioners, the intended outcomes include learning, change of attitudes, behavior and practice, transformation and professional growth and development. Informed and reflected learning“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Wie in dem Zitat bereits angemerkt wurde, findet diese Selbstreflexion und damit auch PM&E als fortlaufender Prozess statt. Damit PM&E nicht nur bei den hier beschriebenen Meetings stattfindet, sondern ein im Projekt inhärenter Prozess wird, werden mit den beteiligten Akteur*innen Monitoring-Strategien erarbeitet. Dabei sollten möglichst viele von dem Projekt betroffene Personen einbezogen werden. Einige Organisationen betonten, dass dies in der praktischen Umsetzung sehr gut gelingt und erfolgreich ist: „We have an effective monitoring strategy, people take ownership of the program and ask them to structure a group of people who will manage the project. The communities are involved and have the right to select facilitators“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Andere Organisationen hingegen betonten, dass sie lieber nur in kleinem Rahmen direkt mit der deutschen Trägerorganisation zusammenarbeiten, da sie dies als effektiver empfinden. Dies hat viel mit eigenen Kapazitäten und dem Selbstverständnis der Organisationen unter anderem in Bezug auf Partizipation zu tun. Doch nicht nur die Einbindung verschiedener Akteur*innen spielt eine wichtige Rolle dabei, dass PM&E als inhärenter Prozess und damit als Teil des Projekts verstanden wird, sondern auch die Regelmäßigkeit, mit der über das Thema in den Organisationen gesprochen wird. „Regelmäßige Projektmeetings wurden eingeführt, sind jedoch schwer in der Praxis zu implementieren. Leute nehmen es nicht ernst, da sie eventuell schon viele langweilige Meetings an dem Tag hatten“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Sierra Leone). In vielen Gesprächen wurde deutlich, dass Zeit ein entscheidender Faktor ist, der der Umsetzung von PM&E im Alltag im Wege steht. „Es ist zu wenig Zeit in der täglichen Arbeit, um die PM&E-Tabelle vierteljährlich auszufüllen, es gibt zu viele andere Aufgaben im Alltag“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Einerseits wird der PM&E-Prozess des ZFD weitestgehend als hilfreich angesehen (15 % stimmen komplett zu, 44 % stimmen zu, 23 % lehnen die Aussage weder ab noch stimmen sie ihr zu, 8 % stimmen der Aussage nicht zu, 5 % stimmen gar nicht zu und 5 % wissen es nicht). Es wird betont, dass er zur Professionalität beiträgt („PM&E was a challenge but it helps to become more professional and restructure the won work“ [anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia]) und dass er im Vergleich zu anderen Träger*innen als positiv gilt („In the CPS you do not pretend you do something like it is with other funding“ [anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia]). Andererseits steht er in der praktischem Umsetzung jedoch vor Herausforderungen, welche vor allem auf fehlende Kapazitäten und mangelnde Zeit zurückzuführen sind. Eine weitere Herausforderung in der Praxis, die besonders in Liberia und Sierra Leone von Fachkräften und lokalen Partner*innen erwähnt wurde, ist, dass sie zu wenig Rückmeldungen dazu erhalten, was sie im Rahmen des PM&E machen oder zum Beispiel an die Koordinator*innen weiterleiten. Dieses Gefühl wirkt sich negativ auf ihre Motivation aus und trägt nicht zur Nachhaltigkeit des PM&E-Systems bei. Weil das Gefühl vorherrscht, an PM&E-Prozessen zu arbeiten, die ohne Feedback bleiben oder irrelevant sind. Deswegen ist es wichtig, dass PM&E eingebettet in einen Gesamtkontext stattfindet.

8.6.2 Nachhaltigkeit der Arbeit

Die Geschichte

In einem ärmeren Stadtteil der Hauptstadt des Landes hat eine lokale Organisation ihren Sitz, in der auch eine integrierte ZFD-Fachkraft arbeitet. In der Organisation werden verschiedene Aktivitäten für Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil durchgeführt, welche auch Teil der ZFD-Arbeit sind. Diese reichen von Sportaktivitäten hin zu Lernangeboten und Freiraum. Organisiert wird das Angebot von einigen Hauptamtlichen, aber vor allem von vielen Ehrenamtlichen, welche selbst Jugendliche oder junge Erwachsene aus dem Stadtteil sind. Ein paar Mal im Jahr findet ein größeres Fest statt. Hier haben die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit, Dinge vorzuführen. Zu dem Fest kommen Personen aus dem ganzen Stadtteil, und es sind ungefähr 500 Menschen anwesend. Von der lokalen Organisation werden die Technik und die Moderation gestellt und das Programm geplant. Die Vorführungen sind sehr vielfältig. Es treten Gruppen auf, die sich regelmäßig treffen wie zum Beispiel Tanzgruppen oder Selbstverteidigungsgruppen und es gibt musikalische Darbietungen oder Gymnastikvorführungen. Die einzelnen Vorführungen finden auf dem Sportplatz statt und die Zuschauer*innen sitzen und stehen drumherum. Nach jeder Darbietung haben die Zuschauer*innen die Möglichkeit, für die Personen, die vorgeführt haben, Geld zu spenden. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass während oder nach der Vorführung das Geld in die Mitte geworfen wird. Dies ist eine übliche Praxis und wird oft bei Vorführungen auch in anderen Kontexten so gemacht. Dabei ist aus dem Publikum zu erkennen, dass die Geldbeträge sehr unterschiedlich hoch ausfallen. Gerade Kinder und Jugendliche, welche einen sehr professionellen Auftritt hatten, bekommen mehr Geld. Neben diesen Auftritten gibt es auch noch einen „Wissensteil“. Dieser wird von dem*der Leiter*in der Organisation durchgeführt, der*die während des restlichen Teils nur punktuell anwesend ist. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, an einem Wettbewerb zu Gegensatzpaaren und Synonymen teilzunehmen. Die Gewinner*innen erhalten im Anschluss einen Preis.

Meine Rolle als Forscherin

Da die Fachkraft während der Aktivität nicht anwesend war, war ich die einzige weiße Person und bin somit aufgefallen. Zwar sind die Anwesenden damit vertraut, dass weiße Personen vor Ort sind und durch vorherige Besuche kannten mich auch schon einige Personen, dennoch wurde über mich gesprochen und mir wurde sowohl mit Distanz als auch mit Freude begegnet. Beide Reaktionen habe ich als normal und verständlich empfunden. Während der Vorführungen habe ich mich bei den Ehrenamtlichen des Projektes aufgehalten. Als die ersten Personen begonnen haben, Geld für die Vorführenden in die Mitte zu werfen, habe ich die Ehrenamtlichen gefragt, wie ich mich verhalten soll, ob auch von mir erwartet wird, dass ich Geld gebe. Diese wiesen mich darauf hin, dass es besser ist, wenn ich kein Geld gebe, da ich als Teil der Organisation gesehen werde und von ihnen nie jemand Geld gibt. So habe ich mich daran gehalten. Jedoch wurde ich bei der Preisverleihung des „Wissensteils“ der Veranstaltung von dem*der Chef*in gebeten, die Preise zu überreichen und Fotos mit den Preisträger*innen zu machen. Dies sei eigentlich eine Aufgabe, welche die Fachkraft übernimmt, aber da er*sie nicht anwesend sein konnte, sollte ich dies übernehmen. Auch wenn es mir etwas unangenehm war, die Preise zu verleihen, da ich mit der Veranstaltung nichts zu tun hatte, habe ich die Aufgabe übernommen. Diese Aufgabe wurde mir nur aufgrund meiner Rolle als Forscherin aus dem Globalen Norden zuteil. Sicherlich hatte ich so Einfluss auf die Veranstaltung, da ich in den Mittelpunkt gerückt wurde und zum Gesprächsthema wurde. Vor allem, da ich zu dem Zeitpunkt eine Verletzung am Bein hatte und ein großer Verband offen sichtbar war. Hätte ich jedoch vor allen Zuschauer*innen abgelehnt, den Preis zu übergeben, wäre ich noch mehr und vor allem negativer aufgefallen. Ich hätte den*die Chef*in vor Ort vor den Kopf gestoßen und bloßgestellt, was ich vermeiden wollte.

Reflexion und kritische Diskussion

Die hier beschriebene Situation ist ein fester Bestandteil der Arbeit der lokalen Organisation. Wie erwähnt, haben während der Veranstaltung Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, Dinge aufzuführen. In der Regel haben sie ihre Aufführungen schon Wochen zuvor in der Organisation eingeübt oder sind Teil zum Beispiel einer Selbstverteidigungsgruppe in der Organisation, die regelmäßig übt. Dadurch, dass zu der Veranstaltung viele Menschen aus der Nachbarschaft kommen, haben die Kinder und Jugendlichen nicht nur die Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen, sondern sich durch das Geld, welches ihnen zugeworfen wird, ein kleines Taschengeld zu verdienen oder mit dem Geld ihre Familien zu unterstützen. Geld, auf das in dem Stadtteil viele Menschen angewiesen sind. Dies hat den positiven Effekt, dass die Kinder und Jugendlichen gerne in die Organisation kommen, dort ihre Freizeit verbringen und an Aktivitäten teilnehmen. Sie haben so eine sinnvolle Beschäftigung, lernen mit dieser Beschäftigung sogar etwas für die Zukunft und können sich durch Aufführungen etwas dazuverdienen. Gleichzeitig schaffen diese Aufführungen auch Abhängigkeiten. Was geschieht zum Beispiel, wenn sie nicht mehr möglich sind? Da das Augenmerk der Organisation jedoch darauf liegt, die Kinder von der Straße zu holen, wird das Ziel zunächst kurzfristig erreicht.

Analyse und Interpretation der Geschichte

Was unter nachhaltiger Arbeit verstanden wird, ist je nach ZFD-Träger*in und lokaler Organisation sehr unterschiedlich. Es orientiert sich sicher auch immer an der jeweiligen Zielgruppe und der jeweiligen Arbeit. Gerade die hier geschilderte Situation lässt verschiedene Interpretationen und Sichtweisen zu. Dennoch gibt es einige Aspekte der Nachhaltigkeit, die auch im Rahmen von PM&E im ZFD eine Rolle spielen. Auf diese wird im Folgenden eingegangen.

Um über Nachhaltigkeit im ZFD zu reflektieren, ist es zunächst wichtig zu verstehen, wie Nachhaltigkeit im ZFD verstanden wird. Im Reformdokument von 2014 ist das Wort „nachhaltig“ an verschiedenen Stellen zu finden. Es wird betont, dass bestimmte Aspekte der Arbeit nachhaltig gestaltet werden sollen, doch ist nicht festgelegt, was genau darunter zu verstehen ist. So bleibt es den einzelnen Träger*innen überlassen, dies genauer auszudifferenzieren. Diese haben in den Gesprächen in Deutschland hervorgehoben, dass partnerschaftliche Arbeit und Ownership wichtige Aspekte sind, die zur Nachhaltigkeit im ZFD beitragen. Gerade dadurch, dass Ownership bei den Personen vor Ort gesehen wird, geht der ZFD davon aus, dass Nachhaltigkeit entstehen kann und dass das Wissen durch die partnerschaftliche Arbeit vor Ort bleibt, wenn der ZFD nicht mehr anwesend ist.

„Wenn man gute und geeignete Partner hat, mit denen es auch eine Konkurrenz an Erwartungen und an Ideologie und Wünschen hat, dann ist das phantastisch mit dem Partnerprinzip zu arbeiten, weil da bleibt was zurück, auch wenn wir nicht mehr da sind und die Partnerstrukturen werden das auch weiterhin umsetzten“ (Interview GIZ Deutschland).

Also wird im ZFD davon ausgegangen, dass Friedensprozesse nachhaltiger sind, je intensiver die lokalen Akteur*innen eingebunden sind und persönliche Zusammenarbeit stattfindet: „Es gibt Nachhaltigkeit in der direkten Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen, da die Arbeit mit einer anderen Person viel persönlich bewegen kann“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Dies knüpft an bisherige Forschungen an, welche unter Nachhaltigkeit von Friedensarbeit den Einbezug der Zivilgesellschaft (Paffenholz & Spurk, 2018, S. 39) und die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Fähigkeiten der lokalen Partner*innen verstehen (Reich, 2005, S. 473). In der wissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass Friedensprozesse nachhaltiger sind, wenn sie von lokalen Akteur*innen bearbeitet werden, die ein nachhaltiges Interesse an einer konstruktiven Konflikttransformation haben. Deswegen ist soziale Partizipation von verschiedenen lokalen Akteur*innen der Weg zur Nachhaltigkeit (Lederach, 1997, S. 94). Dies kann noch verstärkt werden, wenn die lokalen Akteur*innen in möglichst viele Prozesse der Friedensarbeit einbezogen werden (Erasmus, 2001, S. 249) und Capacitybuilding tatsächlich stattfinden kann: „CPS supports institutional capacity building, designed to make local organizations stable as if they pull out we will have provided knowledge for example what we learned from the previous programs and cooperation“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia). Daran knüpft das Verständnis von Nachhaltigkeit im Konzept des hybriden Friedens an. Es geht davon aus, dass Nachhaltigkeit durch die stückweise Übergabe der Verantwortung an lokale Akteur*innen, die Vermischung von Arbeitsansätzen, die lokale Initiierung von Projekten und vor allem durch die lokale Übernahme von Verantwortung von Beginn an entstehen kann (Wilén & Chapaux, 2011, S. 534).

Zwar ist im ZFD vorgesehen, Nachhaltigkeit durch lokale Prozesse sicherzustellen. Doch die Ausführungen in Kapitel 8 haben deutlich gemacht, dass diese lokalen Prozesse immer an externe Fachkräfte, externe Gelder oder Inputs des ZFD gebunden sind. Es geht zwar diesem Verständnis von Nachhaltigkeit entsprechend darum, zu verhindern, dass durch die Intervention, also das externe Eingreifen des ZFD, neue Abhängigkeiten geschaffen werden (Rieche, 2006a, S. 18) oder Probleme durch die ZFD-Projekte entstehen, doch dies gelingt nicht auf allen Ebenen. Meine Umfrage zeigt, dass nur 40 % der befragten Fachkräfte und der Mitarbeitenden lokaler Organisationen der Aussage zustimmen oder komplett zustimmen, dass die Implementierung der ZFD-Projekte nachhaltig ist. Zwei wichtige Faktoren können benannt werden, warum Nachhaltigkeit nicht vollständig erreicht wird: Projektdauer und Finanzierung. Trotz dieser kritischen Stimmen, die im Folgenden ausgeführt werden, darf nicht vergessen werden, dass auch viele lokale Partner*innen die Zusammenarbeit mit dem ZFD als nachhaltiger als bei anderen Programmen oder Organisationen einschätzen. „A lot of donors are focused on activities, but CPS is focusing on sustainability and access of the organization – that is more positive as other calls of proposals are always biased and CPS focuses on what the local NGO really needs to get stronger“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Liberia).

Ein entscheidender Faktor für die Nachhaltigkeit ist die Dauer der ZFD-Projekte. Beziehungsweise die Dauer des Aufenthaltes einer ZFD-Fachkraft in einer Organisation oder als nicht integrierte Fachkraft in der Zusammenarbeit mit einer Organisation. Der Regelzeitraum für eine Förderung beträgt zwei bis drei Jahre, mit Option auf eine Verlängerung. Jedoch gibt es auch Projekte, die für einen kürzeren Zeitraum bewilligt werden. Dies ist in der Regel der Fall, wenn keine Fachkraft in einer Organisation arbeitet, sondern die lokale Organisation für ein bestimmtes Projekt Gelder zur Verfügung gestellt bekommt. Hier gibt es auch Förderzeiträume von zum Beispiel sechs Monaten. Es stellt sich die Frage, wie nachhaltig ZFD-Projekte unter dem Blickwinkel ihrer Dauer sein können. Zwar spricht die Bundesregierung davon, dass friedensfördernde Projekte und Programme langfristig ausgerichtet sein müssen (Die Bundesregierung, 2004, S. 9), doch ist es fraglich, ob drei Jahre ausreichend sind. Forschungen gehen davon aus, dass Transformationsprojekte, gerade wenn sie in der Implementierung mit lokalen Akteur*innen zusammenarbeiten, mehr als zwei und maximal zehn Jahre brauchen, um nachhaltig wirksam sein zu können (Zunzer, 2004, S. 165). Es heißt, dass mehr Zeit benötigt wird, um tatsächlich Wirkungen und Veränderungen beobachten zu können (Autesserre, 2021, S. 99). Drei Jahre reichen oft nicht aus, um ein Projekt tatsächlich nachhaltig zu gestalten. Wenn Projekte nicht mit voller Sicherheit über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden können, und dies ist beim ZFD oftmals der Fall, ist es wichtig, sie so anzulegen, dass sie nach Projektende mit intern verfügbaren Ressourcen weitergeführt werden können (Ropers, 2000a, S. 74). Dass sie zudem nach dem Do-no-Harm-Ansatz designed sind (Anderson, 1999) und es eine Ausstiegsstrategie für den ZFD gibt (Leach, 2018, S. 4). Dieser Ansatz wurde auch von den Interviewten in Deutschland als sehr positiv bewertet.

„Nichtsdestotrotz sind wir sehr davon überzeigt, dass unsere Arbeit frühestens beginnt zu greifen, wenn wir mit langem Atem mal mindestens zwei Jahre gearbeitet haben. Diese Zeitperspektive ist unterschiedlich von den Zeitrahmen, innerhalb derer Zusammenarbeit sonst funktioniert“ (Interview GIZ Deutschland).

Doch auch hier stellt sich die Frage, wie dies in drei Jahren erreicht werden kann und wie es nach dem Ausstieg des ZFD weitergeht. „Question – so what? After the empowerment, it would be important to link them up with the opportunity to get funds, training on life-skills“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Nachhaltig Ownership zu schaffen, braucht Zeit, denn die Maßnahmen vor Ort verlaufen nicht linear und können schwer vorab in einen fixen zeitlichen Rahmen gebettet werden. Daraus ergibt sich eine zeitliche Ambivalenz, welche sich in Friedensprozessen aller Art finden lässt: „Reform processes are long-term endeavors that marry short-term crisis management tasks with the long-term development of institutions, capacity and culture“ (Jansen 2008, S. 39). Im 2015 erschienenen VN-Bericht Challenge of sustaining peace werden diese vorgesehenen oft engen Zeitrahmen für gegenwärtige VN-Friedensmissionen kritisiert. Die damit einhergehende Erwartungshaltung wird als „completely unrealistic“ (UN 2015, S. 18) eingestuft. Die oft zeitlich zu knapp gefassten Projekte führen zu einer sehr Output-orientierten Ergebnishaltung bei den involvierten Geldgeber*innen und internationalen Organisationen. Sie begrenzen dadurch zeitintensivere, deliberative Methoden, die tatsächlich zu einer Etablierung von Zusammenarbeit führen können und die Interessenslage aller Akteur*innen berücksichtigen. Durch diese engen Zeitfenster und Beschränkungen bei den zur Verfügung stehenden Ressourcen zum Beispiel im finanziellen Bereich wird Folgendes deutlich: friedenskonsolidierende Maßnahmen sind trotz ihrer Anforderungen wie Local Ownership und Capacitybuilding immer noch wesentlich von bestehenden Machtdynamiken abhängig. Diese sind etwa einseitiger Ressourcentransfer oder das Gefühl einer Einseitigkeit von Nord nach Süd (Girgis 2007, S. 354). Auch wirft das Konzept von Capacitybuilding generell die Frage auf, wer entscheidet, ob und in welchem Maße dies möglich ist. Oftmals findet dieser Kapaziätenaufbau zum Beispiel nur statt, um Organisationen oder Projekte an die Standards der Geberorganisationen anzupassen und suggeriert somit von Beginn an fehlende Kapazitäten vor Ort, ohne diese weiter zu erörtern (Peace Direct, 2020, S. 5).

Diese Ausführungen aus bisherigen Forschungen lassen sich im ZFD eindeutig wiederfinden. So stimmen der Aussage, dass ZFD-Projekte länger laufen sollten als bisher, 81 % der Fachkräfte und lokalen Mitarbeitenden zu oder komplett zu. Auch in zahlreichen Gesprächen mit Fachkräften und lokalen Partner*innen in Kenia, Liberia und Sierra Leone wurde dieser Aussage zugestimmt. Dabei lassen sich verschiedene Begründungen und Argumentationen finden. Viele Personen betonten, dass die ZFD-Projekte oft dann enden, wenn sie an ihrer Klimax stehen. Dies wurde besonders von den Organisationen hervorgehoben, die nicht mit einer integrierten Fachkraft arbeiten, sondern direkt Gelder für Projekte vom ZFD erhalten. Auch der zeitliche Ablauf der Projekte ist problematisch, da es zwischen einzelnen Förderphasen Pausen gibt, in denen auch angefangene Projekte pausieren:

„Often funded too short, only for a year. Problem is that if you apply for the next year and want to start in January the money only gets there by March and ends October because the evaluation needs to take place – you cannot implement in such a short time, seven months is too short“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Dieses Problem zeigt sich auch immer wieder bei Organisationen, die mit einer integrierten Fachkraft arbeiten, denn es können mehrere Monate oder sogar Jahre zwischen dem Einsatz von zwei Fachkräften vergehen. „CPS invest time and money in a place and then leave the people behind when CPS worker leaves. Would be good to get a fast replacement and not wait long“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Generell ist es ein Problem, dass Fachkräfte und lokale Organisationen zunächst Zeit benötigen, um sich und den ZFD gegenseitig kennenzulernen und dann richtig mit der Arbeit starten zu können. Dies verringert die Zeit für die eigentliche Umsetzung der Arbeit, ist jedoch gleichzeitig wichtig, um sie besser ausgestalten zu können. „Es braucht mindestens sechs Monate, um zurechtzukommen, da sind zwei oder drei Jahre sehr kurz und in so einer kurzen Zeit zeigen sich kaum Veränderungen, fünf Jahre wären hilfreich für alle“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Einige wenige Personen betonten allerdings, dass sie diesen Förderzeitraum sehr gut finden, da durch eine längere Zusammenarbeit die Abhängigkeit größer werden würde: „Two years is okay to establish, don’t stay too long as it creates dependence, more work towards empowerment is needed“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia). Somit bewegt sich der ZFD zwischen der Schaffung von Abhängigkeiten durch lange Projektzeiträume und der Herausforderung, in den jetzigen kurzen Zeiträumen Ownership zu schaffen, um Projekte nachhaltiger zu gestalten.

Wie eingangs erwähnt, ist die Finanzierung die zweite große Herausforderung. Während der drei Jahre gibt es für die Organisationen eine relative finanzielle Planungssicherheit. Denn die Gelder werden von Beginn an beantragt und laut Interviewpartner*innen in Deutschland wird klar über die zum Teil angepassten Bewilligungssummen kommuniziert. Jedoch wurde auch betont, dass nicht immer das beantragte volle Finanzvolumen bewilligt wird, doch gebe es eine gewisse Flexibilität. „Also ich würde erstmal sagen, dass der ZFD jetzt aus einer eher finanzadministrativen Brille geguckt eine Langfristigkeit und eine Flexibilität bietet, die in Deutschland kein anderes Programm bietet, also zumindest kein Regierungsprogramm“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland). Zwar kann der Aussage zugestimmt werden, dass der ZFD ein einmaliges Instrument darstellt. Dennoch stehen Fachkräfte und lokale Mitarbeitende immer wieder vor finanziellen Herausforderungen. In meiner Umfrage gaben 48 % der Fachkräfte und der Mitarbeitenden von lokalen Organisationen an, dass die finanzielle Unterstützung der ZFD-Projekte nicht ausreicht und 88 % gaben an, dass es einen Bedarf an der Schaffung von Strukturen gibt, die nachhaltiger sind als die reine Finanzierung von Aktivitäten (bei beiden Aussagen komplette Zustimmung oder Zustimmung). Ein Grund für diese Aussagen ist unter anderem – wie schon erwähnt –, dass es oft keine Finanzierungsmöglichkeiten zwischen zwei einzelnen Projekten oder Fachkräften gibt. Die lokalen Partner*innen nannten als weitere große Herausforderung, dass das ZFD-Geld oft weniger ist als beantragt wurde. Dies liegt an Kürzungen im Rahmen der Antragsbewilligung. Daher und durch den hohen Bedarf sind Projekte oft nicht wie gewünscht durchführbar. „Funding is often too tight for activities. And it would need more flexibility to what to use the funds for“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Kenia).

Damit wird direkt eine weitere Herausforderung angesprochen: Im ZFD sind die Finanzen zweckgebunden. Zwar gibt es eine gewisse Flexibilität, Mittel zu verschieben oder umzuwidmen, jedoch nur in einem bestimmten Rahmen. Dem müssen immer die jeweiligen Koordinator*innen und/oder Finanzverantwortlichen (bei den ZFD-Träger*innen) zustimmen. Betrachtet man diese Aspekte der Finanzen in Bezug auf Nachhaltigkeit stechen viele Aussagen besonders der lokalen Partner*innen hervor, wonach mehr und für einen längeren Zeitraum bewilligtes Geld die Projekte nachhaltiger machen würde. Allerdings widersprechen dem Aussagen von Fachkräften, die in Gesprächen immer wieder hinterfragt haben, ob zu viel Geld nicht die Abhängigkeiten erhöht und sich so langfristig negativ auswirkt. Gerade diese finanziellen Aspekte, Abhängigkeiten und Unklarheiten sind große Herausforderungen bei einer Partnerschaft. Denn immer bleibt ein*e Akteur*in über den*die andere gestellt (S. B. Cohen, 2014, S. 69). Jedoch stellt sich auch die Frage, was mögliche Alternativen sein könnten: „Ohne Funding ist ZFD auch schwierig […], hier ist das Problem, dass das Geld zur Umsetzung fehlt oder schon Probleme, dass es keine Büroausstattung gibt“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Der ZFD bewegt sich auf dem dünnen Grat zwischen Abhängigkeit und der Umsetzung von nachhaltigen Projekten. „If there is no CPS program anymore not much would change as much is learned already. But the budget will be the problem as it can provide things that would need to be improvised otherwise“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Sierra Leone).

8.7 Kritische Diskussion der Analyse

Das Kapitel hat bisher gezeigt, wie die ZFD-Grundlagen in der Praxis Anwendung finden, wie unterschiedliche Rollenverständnisse für Fachkräfte und lokale Organisationen aussehen, welche Bedeutung Trainings und Vorbereitungen haben und wie es um die Effektivität des ZFD gestellt ist. Dabei ist in den einzelnen Abschnitten deutlich geworden, dass es nicht die eine richtige Antwort oder Sichtweise auf ein Thema gibt. Vielmehr machen gerade diese unterschiedlichen Sichtweisen und Meinungen den ZFD in seiner Vielfalt aus. Es werden Themen diskutiert, die in der Arbeit immer wiederkehren und sowohl negative als auch positive Effekte auf die Arbeit des ZFD haben können. Diese Themen wurden in den einzelnen Kapiteln durch kurze ethnografische Geschichten beschrieben und anschließend kritisch diskutiert und analysiert. Dieses Kapitel fasst nun die kritischen Diskussionen der Analyse zusammen. Für eine gezielte Diskussion der einzelnen Punkte werden die in der Einleitung zu diesem Kapitel und in Abschnitt 6.3. genannten Themen als Rahmen verwendet. Diese sind: 1) Selbstverständnis der ZFD-Organisationen; 2) Verortung des ZFD in der Friedensarbeit; 3) die Rolle und Aufgabe der Fachkräfte; 4) die Rollen und Aufgaben der Partner*innen; 5) die Bedeutung der Vorbereitung für die Arbeit der Fachkräfte und Partner*innen vor Ort; 6) Ownership und Legitimität im ZFD; 7) die Ausgestaltung der Zusammenarbeit (inklusive Herausforderungen); 8) Machtdynamiken in der Zusammenarbeit und den Strukturen des ZFD.

1) Das Selbstverständnis der ZFD-Organisationen ist von partnerschaftlicher Arbeit auf Augenhöhe geprägt. Dass dies ein Idealbild ist und es in der Praxis zu Abweichungen kommt, haben die in Kapitel 8 geschilderten Situationen gezeigt. Gleichzeitig versteht sich der ZFD als Instrument der Personalentsendung, wodurch die ZFD-Fachkräfte zu einem entscheidenden Element für die ZFD-Arbeit werden. Sie werden von den ZFD-Träger*innen als eine Legitimationsquelle der Arbeit gesehen. Die Fachkräfte wiederum sehen sich nicht immer als solche. Sie sind vielmehr selbst auf der Suche nach Legitimation und versuchen sie etwa durch Wissen, Bildung, Alter oder Partizipation zu erlangen. Wie die Geschichte in Abschnitt 8.1.1. gezeigt hat, soll diese Legitimation auch über die TLS erreicht werden, was in der tatsächlichen Ausgestaltung der Arbeit jedoch oftmals zu abstrakt bleibt. Die Fachkräfte erzielen die Legitimation ihrer Arbeit eher über eine direkte Zusammenarbeit und Teilnahme an Aktivitäten. Dies hat zum Beispiel die Geschichte der Herstellung von Pfannkuchen in einer Bildungseinrichtung in Abschnitt 8.2.1. gezeigt. Durch diese unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema Legitimation kann sich ein Interessenskonflikt zwischen den Fachkräften und den ZFD-Träger*innen ergeben. Thematisiert wird dies jedoch nur selten. Als weitere Legitimationsquelle gilt die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen. Diese Art der Legitimation ist – wie Abschnitt 8.1.3. gezeigt hat – besonders gegenüber den an den ZFD-Programmen Teilnehmenden wichtig. Wie in der Geschichte des Kapitels geschildert, kann der ZFD zu sensiblen Themen arbeiten, da er vor Ort anerkannt und legitimiert ist. Dazu konnte es nur kommen, da eine*r lokale*r Mitarbeitende über einen langen Zeitraum hinweg Kontakte geknüpft und gepflegt hat.

Generell versteht der ZFD sich in seiner Arbeit als Partner*in in der Zusammenarbeit. Für die Personen aber, die ganz praktisch in diese Zusammenarbeit involviert sind, also die Fachkräfte und Mitarbeitenden der lokalen Organisationen, ist der ZFD eher eine Geberorganisation als ein*e Partner*in. Hier gehen Selbst- und Fremdwahrnehmung deutlich auseinander. Sogar die Selbstwahrnehmung im ZFD ist nicht stringent, wenn auch Fachkräfte den ZFD und ihre Arbeit als Geber*innenrolle sehen. Diese Rolle als Geber*in zeigte sich in der Forschung immer wieder in Aussagen von Mitarbeitenden lokaler Organisationen. Sie bezeichneten den ZFD zum Beispiel als besseren Donor als andere Organisationen. Oder in Aussagen von Fachkräften, die sich selbst als Geber*in erlebten, da sie Geld in die Projekte mitbringen. Viele der lokalen Partner*innen zeigten sich auch nicht verwundert über diese Rolle des ZFD. Denn es wurde immer wieder betont, dass der ZFD in seiner Arbeit als Teil der Peace-Industry wahrgenommen wird. Dies hat besonders die Analye in Abschnitt 8.4.3. gezeigt. Diese Wahrnehmung ist nicht unbedingt direkt negativ besetzt. Denn jede Organisation, die Teil der Peace-Industry ist, kann einen eigenen Weg gehen. Dieser Weg aber, den der ZFD im Sinne der Partnerschaftlichkeit gewählt hat, muss realistisch ausgestaltet werden.

Ein wichtiger Teil des Selbstverständnisses des ZFD ist auch 2) die Verortung des ZFD in der Friedensarbeit. Generell wird im ZFD davon ausgegangen, dass Friedensprozesse nachhaltiger sind, je intensiver die lokalen Akteur*innen eingebunden sind. Damit knüpft der ZFD an kritische Forschungen an, die den gleichen Ansatz wählen. Somit liegt der Fokus des ZFD auf der Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und in der Gestaltung von lokalen Friedensprozessen. Der ZFD arbeitet also im Sinne eines „alltäglichen Frieden“, eines Everyday-Peace, der auf den Ideen und Bewältigungsmechanismen der sogenannten einfachen Menschen basiert (Mac Ginty, 2014, S. 551). Gleichzeitig möchte der ZFD mit seiner Arbeit zu positivem Frieden und zu Veränderungen in den Gesellschaften beitragen. Viele dieser Elemente, besonders die der Einbindung der lokalen Akteur*innen und die Umsetzung eines „alltäglichen Friedens“, lassen sich immer wieder an unterschiedlichen Stellen im ZFD finden. Dies haben die verschiedenen Geschichten in Kapitel 8 gezeigt. Jedoch führt dies nicht unbedingt dazu, dass der ZFD immer nachhaltig arbeitet. Wie die Geschichte und die weiteren Ausführungen in Abschnitt 8.6.2. gezeigt haben, besteht hier nicht immer ein Zusammenhang. Wie in der Geschichte beschrieben, wird zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen des ZFD-Projektes Geld von Zuschauer*innen an Kinder und Jugendliche gegeben, die etwas darbieten oder vorführen. Dies entspricht den lokalen Gegebenheiten. Gleichzeitig ist es jedoch nur bedingt nachhaltig, da es fraglich ist, was passiert, wenn der ZFD nicht mehr vor Ort ist. Diese Frage muss sich der ZFD in allen Projekten stellen. Es muss sichergestellt werden, dass es eine Exitstrategie gibt.

Um diese Veränderungen messbar zu machen, wurden bestimmte Wirkungslogiken im ZFD für verschiedene Bereiche und Ebenen entwickelt. Sie werden – wie Abschnitt 8.1.1. gezeigt hat – unter anderem mit den TLS oder eigenen Trägerstrategien abgeglichen und müssen zu den generellen Zielen des ZFD passen. Dies bringt – wie oben erwähnt – immer wieder Herausforderungen mit sich, da die TLS oder eigene Trägerstrategien oftmals sehr abstrakt oder zu weit von den Realitäten vor Ort entfernt sind. Um sie konkreter zu gestalten, werden sie in die jeweiligen Projektanträge aufgenommen, wie in Abschnitt 8.1.5. gezeigt wurde. Es muss jeweils überprüft werden, ob diese Ziele und Wirkungen tatsächlich von den lokalen Partner*innen vor Ort gewünscht und gewollt sind. Oder ob sie extern vom ZFD gesetzt werden, um das jeweilige Projekt für den ZFD passend zu gestalten. Damit in den ZFD-Projekten diese gewünschten Veränderungen stattfinden können, braucht es jedoch Zeit. Wie die Forschung und besonders Abschnitt 8.6.2. gezeigt hat, ist die übliche ZFD-Projektdauer mit meist zwei bis drei Jahren oft zu kurz. Es bräuchte längere Zeiträume von bis zu zehn Jahren, damit der ZFD nachhaltig wirken kann (Zunzer, 2004, S. 165). Vor allem die Partner*innen betonen immer wieder, dass die kurze Projektdauer oftmals dazu führt, dass Projekte angefangen, aber nicht fertiggestellt werden. Dies ist nicht im Sinne eines Do-no-Harm-Ansatzes (Anderson, 1999), weil negative Effekte hervorgerufen werden können. Dadurch sind nicht alle ZFD-Projekte so angelegt, dass sie nach ihrem Ende mit intern verfügbaren Ressourcen weitergeführt werden können und es eine Ausstiegsstrategie für den ZFD gibt. Problematisch ist auch, dass zwischen der Entsendung von zwei Fachkräften oder zwischen zwei Projektförderungen zu viel Zeit vergeht und dadurch Friedensprozesse unterbrochen werden. Wie in Abschnitt 8.6.2. gezeigt wurde, kann diese lange Pause dazu führen, dass sich Realitäten und Bedarfe vor Ort verändern. Hier gibt es einen eindeutigen Nachsteuerungsbedarf, um die Friedensprozesse tatsächlich nachhaltig zu gestalten. Weiteren Nachsteuerungsbedarf gibt es bei der Stringenz der ZFD-Projekte, die zu Frieden beitragen sollen. So gibt es zum Beispiel (Abschnitt 8.1.2.) einige Projekte, in denen die Fachkräfte an Schulen oder Berufsschulen arbeiten, dort zum Teil unterrichten oder Weiterbildungen anbieten. Anderen Fachkräften zufolge, die in einem anderen Land oder für eine*n andere*n Träger*in die gleiche Arbeit machen, ist dies dem*der jeweiligen Koordinator*in nach keine Aufgabe des ZFD.

Die Ausführungen belegen ein grundsätzliches Verständnis von der Definition von Frieden und Friedensarbeit im ZFD. Doch ist die Umsetzung immer projekt- und personenabhängig. Dies erschwert zwar eine Verallgemeinerung der Reglementierung des ZFD, kann jedoch auch als sehr positiv angesehen werden. Denn so können individuelle, hybride Räume geschaffen werden. Hybride Räume bezeichnen Situationen, in denen durch das Zusammentreffen von internationalen und lokalen Normen, Akteuren und Praktiken neue Arrangements entstehen, die hybride Merkmale aufweisen, also zum Beispiel liberale und illiberale Normen nebeneinander bestehen (Björkdahl und Höglund 2013, S. 290). Um diese Räume und auch mögliche Reibungen im Sinne des Friction-Konzepts für den ZFD nutzbar zu machen, muss er in seinem Selbstverständnis als lokal verankerter, extern begleiteter Friedensprozess genauer betrachtet werden. Vor allem die Beziehung zwischen lokalen und externen Akteur*innen. Denn dort zeigt sich, ob und wie die Handlungsmacht geteilt oder nicht geteilt wird und inwieweit partnerschaftliche Zusammenarbeit erfolgen kann oder nicht (Reich, 2006, S. 4). Dass dies von hoher Relevanz ist, beschrieb die Geschichte in Abschnitt 8.4.2., in der die gemeinsamen Räume nicht genutzt und ausgestaltet wurden und die Zusammenarbeit frühzeitig beendet wurde. Wie in der Analyse der Geschichte erwähnt, hängt dies auch mit unterschiedlichen Rollenerwartungen zusammen, deren Betrachtung im Folgenden vorgenommen wird.

3) Die Rollen und Aufgaben der Fachkräfte im ZFD sind vielfältig. Auch wenn sie je nach ZFD-Träger*innen unterschiedlich sind, gibt es einige Gemeinsamkeiten. Mit Bezug auf das Thema Frieden wird bei einigen ZFD-Träger*innen davon ausgegangen, dass die Fachkräfte eine gewisse Neutralität mitbringen. Diese Neutralität aber wird von anderen Träger*innen und vor allem von den Fachkräften selbst infrage gestellt. Diese unterschiedlichen Ansichten wurden besonders in der Geschichte in Abschnitt 8.1.2. deutlich, in der geschildert wird, wie während eines Seminars das Thema Neutralität anhand von Fans eines fiktiven Fußballspiels geschildert und anschaulich gemacht wird. Gerade im Zuge der Frage einer vermeintlich vorhandenen Neutralität berichteten mir Fachkräfte immer wieder, dass Handlungen und Herangehensweisen von ihren westlichen Vorstellungen geprägt sind und die Partner*innen sich vor Ort diese Rolle auch zunutze machen. Ein Beispiel ist die Geschichte in Abschnitt 8.2.2., in der eine Fachkraft das Gespräch mit einem Paramount-Chief begleitet. Hintergrund ist die Hoffnung, dass durch die Anwesenheit der Fachkraft als externe Person aus dem Globalen Norden das Thema ernster genommen wird. Auch in einem Zeitschriftenartikel einer Fachkraft lässt sich diese Reflexion finden. Darin wird deutlich, wie wichtig es ist, die eigene Arbeit immer wieder zu hinterfragen: „Wie finden wir eine Verbindung zu dieser Welt und zu den Menschen, mit denen wir hier leben und arbeiten? Wie können wir da wirksam werden als Friedensarbeiter?“ (Richter, 2010, S. 20). Diese Prägung und diese immer wiederkehrenden Fragen dürfen im ZFD nicht vernachlässigt werden und müssen systematischer angegangen werden: „Everybody is biased but it is about work ethics and have guiding principles and keep conflict sensitive.“, (anonymes Interview mit lokaler ZFD-Fachkraft in Kenia). Doch gerade diese „guiding principles“ sind oft nicht ausreichend vorhanden und es ist schwer, diese für ein solch persönliches Thema aufzustellen.

Die Arbeit einer Fachkraft ist sehr persönlich und ihre Profile und Themen sind sehr breit angelegt. Daher ist es für sie oftmals schwierig, aber auch für die Partner*innen vor Ort, klar zu definieren, was genau ihre Rolle ist. Dass sowohl die Fachkräfte als auch die Partner*innen vor Ort unterschiedliche Vorstellungen von der Arbeit der Fachkräfte haben, stützen zum Beispiel Abschnitt 8.4.1. und 8.4.2. Allgemein kommt den Fachkräften eine begleitende Rolle zu. Sie sollen vor Ort weniger in die Umsetzung von Projekten gehen, als vielmehr Prozesse, Personen und Organisationen begleiten. Wie die Geschichten gezeigt haben, ist dies jedoch nicht immer einfach. Oftmals kommt es dazu, dass auch die Fachkräfte in die Implementierung gehen, dies wurde weiter oben am Beispiel der Umsetzung von verschiedenen Workshops deutlich. Grundsätzlich sollen die Fachkräfte ihr Wissen übertragen und es vor Ort nutzbar machen. Dies ist machtkritisch zu sehen, weil dieser Ansatz davon ausgeht, dass das vorhandene Wissen vor Ort nicht ausreicht, um Friedensprozesse zu gestalten. Auch stellt sich die Frage, inwieweit so Agency übertragen werden kann. Dies erfolgt oftmals so, dass die lokalen Partner*innen dieses Wissen eigenständig, jedoch genau nach Vorgabe umsetzen (Paffenholz, 2015, S. 858). Es wurde in der Forschung zum Beispiel dann deutlich, wenn es um PM&E-Prozesse ging, die nach einem klaren, von den ZFD-Träger*innen vorgegebenen Muster ablaufen müssen. Somit wird weiter an liberalen Denkmustern in Friedensinterventionen festgehalten (Mac Ginty, 2010). Dabei kommt es jedoch immer wieder zu Herausforderungen. Die Idee der Begleitung und Wissensvermittlung klappt zum Beispiel nicht immer gut, da die Fachkräfte zum Teil nicht in der Lage sind, ihr Wissen auf lokale Kontexte herunterzubrechen, da sie diese nicht vollkommen verstehen. Dies zeigte die Geschichte in Abschnitt 8.2.3., als eine Fachkraft Methoden in einem Workshop nutzte, die aufgrund bestimmter Kontexte nicht funktionierten. Auch ist es für viele Fachkräfte eine Herausforderung, tatsächlich in einer beratenden Rolle zu bleiben. Immer wieder werden Fachkräfte zu sehr zentralen Figuren in der Projektdurchführung und in der Arbeit der Organisationen. Kritisch wurde von Fachkräften zum Beispiel hinterfragt, wie sie eine beratende Rolle einnehmen sollen, wenn sie auch inhaltlich arbeiten. Immer wieder wurde der Wunsch geäußert (sowohl von Fachkräften als auch von lokalen Partner*innen), dass es verschiedene Einsatzmöglichkeiten für Fachkräfte geben sollte. Etwa im Sinne einer externen Beratung, einer Mitarbeit in der Organisation, bei der Übernahme von Projekten oder zur kurzzeitigen Zusammenarbeit.

„Da ist natürlich das Modell Entsendung von einer Fachkraft in eine Organisation wieder nicht flexibel genug. Also könnte man ja auch andere Modelle anwenden, von Kurzzeitberatern, die in verschiedene Organisationen gehen und dort Aktivitäten durchführen können, ohne dass die Organisation vor Ort registriert sein muss oder ein Konto haben muss“ (anonymes Interview mit ZFD-Organisation in Deutschland).

Die Forschung zeigte, dass gerade zu Beginn der Arbeit bei den Fachkräften besonders große Unklarheit darüber herrscht, wie die Arbeit aussieht. Dies ist eine normale und verständliche Herausforderung. So werden die ersten Monate der Arbeit bei den meisten Träger*innen dafür genutzt, dass die Fachkräfte eher weniger arbeiten, sondern bei der Arbeit der lokalen Organisationen dabei sind und so Zeit zur Eingewöhnung haben. In der Analyse von Abschnitt 8.2.1. etwa wurde deutlich, dass oftmals in dieser Zeit die Grundlagen für die weitere gemeinsame Arbeit gelegt werden. Denn die Fachkräfte können sich die Arbeit vor Ort anschauen und sie kennenlernen. Jedoch ist es wichtig, diese Zeit sinnvoll zu nutzen und die Rollen zu klären. Diese Rollenklärung sollte auch schon bei der Vorbereitung und Auswahl der Fachkräfte stattfinden. Gerade für die Auswahlverfahren forderten Partner*innen, mehr einbezogen zu werden. Da positive Zusammenarbeit davon abhängt, ob man sich persönlich versteht und ob den Partner*innen an der Fachkraft eher die persönliche Ebene oder das fachliche Wissen wichtig ist. Auch die Fachkräfte wiesen immer wieder darauf hin, dass die Auswahlverfahren anders gestaltet werden müssen und vor allem ernster genommen werden sollten. Einige Fachkräfte haben das Gefühl geäußert, in dem Prozess nur ausgewählt worden zu sein, weil sonst keine Person diese Stelle ausfüllen wollte. Die Herausforderung, dass Stellen, gerade im ländlichen Raum nicht besetzt werden können, erwähnten auch die Partner*innen, die berichteten, dass sie ihre Anforderungen heruntersetzten, da sonst keine Fachkraft zu ihnen kommt. Diese Einbußen bei der Auswahl der Fachkräfte werden jedoch in Kauf genommen, da der Antrags- und Auswahlprozess für Fachkräfte ohnehin sehr lange dauern kann und sich in der Zwischenzeit Bedarfe ändern können.

Doch nicht nur bei der Definition und Ausgestaltung der Rollen der Fachkräfte gibt es kritische Punkte, sondern ebenso bei 4) den Rollen und Aufgaben der Partner*innen. Hier lässt sich zunächst feststellen, dass die Rollen und Aufgaben der Partner*innen in den Dokumenten des ZFD noch weniger klar definiert sind als die der Fachkräfte. Dies lässt den einzelnen ZFD-Träger*innen sehr viel Spielraum, was sehr positiv ist, jedoch auch zu Herausforderungen führt, da somit in der praktischen Zusammenarbeit Zuständigkeiten oft unklar sind. Dies zeigt sich auf verschiedenen Ebenen. Zum einen bei der Auswahl der einzelnen lokalen Organisationen. Hier haben die Träger*innen freie Hand und oftmals erfolgt die Orientierung daran, welche lokalen Organisationen zu dem eigenen Profil passen. So arbeiten zum Beispiel kirchliche ZFD-Träger*innen in der Regel mit kirchlichen oder kirchennahen Organisationen in dem Land zusammen. Dies funktioniert in der Regel sehr gut. Jedoch kann es dadurch, dass die Auswahl zwischen den Träger*innen kaum abgesprochen wird, auch zu Konflikten führen. So gibt es zum Beispiel ZFD-Träger*innen, die trotz der zivilen Natur des ZFD auch mit Regierungsorganisationen zusammenarbeiten. Dies geschieht – wie während der Forschung immer wieder betont wurde – aus der Notwendigkeit heraus, diese Akteur*innen in die Arbeit einzubeziehen. Zum Teil ist dies eine der Voraussetzungen für den ZFD, um in dem Land arbeiten zu können. Das ist wiederum ein Ergebnis von Regierungsverhandlungen. Jedoch gibt es andere Träger*innen, die mit sehr regierungskritischen Organisationen zusammenarbeiten. So kommt bei gemeinsamen Veranstaltungen für diese zum Beispiel ein gewisser Druck oder das Gefühl auf, überwacht zu werden. Andere Veranstaltungen (Abschnitt 8.3.1.) zum Beispiel in Bezug auf das Thema Wahlen konnten gar nicht erst ermöglicht werden.

Zum anderen zeigt sich die Herausforderung bei der Umsetzung des ZFD in den einzelnen lokalen Organisationen. Dadurch, dass oftmals die Rollen nicht klar sind und auch keine Rollenklärung stattfindet, gibt es immer wieder Mitarbeitende in den lokalen Organisationen, die wenig über den ZFD wissen und somit falsche Erwartungen haben. Dies wiederum kann zu internen Konflikten führen. So sind mir in der Forschung immer wieder Personen begegnet, die zum Beispiel den Vertrag zwischen ihrer Organisation und dem ZFD geschlossen haben, jedoch nicht wissen, für was genau der ZFD steht oder wie die Struktur und die Ziele des ZFD aussehen. Dies hatte besonders in der Geschichte in Abschnitt 8.4.2. starke Konsequenzen. Weil es neben anderen Gründen zur Vertragsauflösung zwischen ZFD-Träger*innen und einer lokalen Organisation geführt hat. Dieses Problem einer Rollenklärung der verschiedenen im ZFD beteiligten Akteur*innen findet sich auch bei lokalen Mitarbeitenden, die über ZFD-Mittel finanziert werden. Auch wenn der ZFD als Programm nicht darauf ausgerichtet ist, lokale ZFD-Fachkräfte anzustellen, wurde diese Möglichkeit geschaffen, um zum Beispiel die administrative Arbeit oder PM&E-Prozesse zu unterstützen, vereinzelt aber auch, um inhaltliche Arbeit zu leisten. Dies wird grundsätzlich von allen Seiten sehr positiv aufgenommen, jedoch gibt es hier einige elementare Kritikpunkte. So wurde mir (Abschnitt 8.1.5.) wiederholt berichtet, dass diese Personen nicht immer Versicherungsschutz erhalten und oftmals schlechter als andere in der Organisation angestellte Personen bezahlt werden, wenn sie über den ZFD finanziert werden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit diese Anstellungen dem Gedanken der Partnerschaft folgen oder ob sie aus der Notwendigkeit entstehen, jemanden zu haben, der*die die ZFD-Arbeit erledigt. Die Frage einer partnerschaftlichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit stellt sich jedoch auch, wenn die Personen nicht über den ZFD angestellt sind. So wurde zum Beispiel in Gesprächen immer wieder betont, dass die Personen, die in den lokalen Organisationen arbeiten, oftmals für den ZFD in prekären und gefährlichen Situationen arbeiten. Dass sie jedoch keine Sicherheit oder keinen Schutz (sicheres Haus oder sichere Autos) haben, wie zum Beispiel die ZFD-Fachkräfte. Dadurch können sie potenziell in gefährliche Situationen geraten und es können Abhängigkeiten geschaffen werden. Dies wurde unter anderem in der Geschichte in Abschnitt 8.3.2. deutlich, in der ein*e Mitarbeiter*in einer lokalen Organisation die eigenen Familienstrukturen nutzt, um die Arbeit des ZFD sinnvoll ausführen zu können.

Viele dieser Herausforderungen bei der Definition und Ausgestaltung der Rollen und Aufgaben lassen sich sicherlich erst in der tatsächlichen Zusammenarbeit klären. Dennoch gibt es einige Aspekte, welche schon in der Vorbereitung geklärt werden können. Somit ist es wichtig, sich 5) die Bedeutung der Vorbereitung für die Arbeit der Fachkräfte und Partner*innen vor Ort anzuschauen. Generell haben sich die meisten Fachkräfte zufrieden mit der Länge der Vorbereitung gezeigt. Wie in zahlreichen Gesprächen deutlich wurde, wünschen sich jedoch viele, die Vorbereitung zeitlich aufzuteilen, zum Beispiel ein paar Monate nach Ausreise nochmal einen zweiten Teil zu machen. Hier wurde als guter Zeitrahmen eine zweite Vorbereitung nach etwa drei Monaten als passend empfunden. Das ähnelt dem, was GIZ-Fachkräfte erleben (Abschnitt 8.5.1.). Dadurch könnte sichergestellt werden, dass die Themen, die in der Vorbereitung durchgenommen werden, eine tatsächliche Relevanz für die Praxis der Fachkräfte haben und individuell auf sie zu geschnitten sind. Wie Fachkräfte mir immer wieder berichtet haben, ist dies nämlich ein großer Kritikpunkt an der Vorbereitung. Den Fachkräften zufolge wurden während der Vorbereitung immer wieder Themen behandelt, die für ihre eigene Arbeit gar keine Relevanz hatten. Oder jemand wurde zur Teilnahme an Themen verpflichtet, in denen er*sie schon Expert*in war. Beispielsweise mussten medizinisch ausgebildete Fachkräfte an Erste-Hilfe-Kursen teilnehmen. Eine gezieltere individuelle Vorbereitung, welche von einigen ZFD-Träger*innen zwar beworben, jedoch nicht immer ausgestaltet wird, kann die Arbeit der Fachkräfte erleichtern. Denn wie die Forschung gezeigt hat, kann nur die Hälfte der Fachkräfte die Themen aus der Vorbereitung tatsächlich anwenden. Somit besteht eine Diskrepanz zwischen der Vorbereitung, den Ideen der Träger*innen und der Realität der Fachkräfte. Diese Diskrepanz gilt es kritisch zu betrachten und zu prüfen, welches Wissen bei den Trainings und Workshops vermittelt wird, was die Fachkräfte genau brauchen und welche Trainer*innen dies gut vermitteln können. Von den Fachkräften wurde in Gesprächen und Interviews (Abschnitt 8.5.1.) immer wieder hervorgehoben, dass die besten Inhalte der Vorbereitung die waren, in denen erfahrene Personen von der eigenen Arbeit berichteten. Wie während der Forschung deutlich geworden ist, ist dieser Austausch mit erfahrenen Personen gerade auch für neu ankommende Fachkräfte sehr wichtig. Diese berichteten wiederholt, wieviel sie von den Erfahrungen der erfahrenen Fachkräfte profitieren und sie ihnen eine Reflexion der Arbeit ermöglichen. Um diese Reflexion zu festigen, gibt es im ZFD die Möglichkeit einer professionellen Begleitung der Fachkräfte; sie können an einem persönlichen Coaching teilnehmen. Dies beschrieb ein Großteil der Fachkräfte als positiv (Abschnitt 8.5.3.), da es so die Möglichkeit zu einer vertieften Diskussion über persönliche oder arbeitstechnische Herausforderungen gibt. Bemängelt wurde von Fachkräften jedoch, dass dieses Coaching in der Regel nicht auf individuelle Bedarfe angepasst stattfindet, sondern im Rahmen einer vorgegebenen Anzahl an Sitzungen durchgeführt wird, was für einige Fachkräfte zu viel und für andere Fachkräfte zu wenig ist.

Sowohl Coaching als auch Vorbereitung sind zwei Elemente, die den lokalen Partner*innen, aber auch – falls vorhanden – den lokal über den ZFD angestellten Personen nicht in dem Maße zur Verfügung steht. Die Vorbereitung wird zum Beispiel (Abschnitt 8.5.2.) von der Koordination vor Ort so durchgeführt, dass die lokalen Personen zu einem Teil des Einführungsworkshops für die Fachkräfte dazukommen. Somit ist diese Vorbereitung und Begleitung mehr eine Randnotiz. Sie erfolgt neben dem eigentlichen ZFD-Programm oder im Rahmen von Angeboten für Fachkräfte. Dies zeugt nicht davon, dass die Partner*innen tatsächlich als Partner*innen auf Augenhöhe ernstgenommen werden. Vielmehr zeigt es, dass sie in diesem wichtigen Bereich weitestgehend auf sich allein gestellt sind. Allerdings haben die Partner*innen die Möglichkeit, zu bestimmten Themen an Aus- und Weiterbildungen teilzunehmen. Dies kann zum Beispiel die Teilnahme an inhaltlichen Weiterbildungen sein. Viele lokale Partner*innen bezeichneten besonders ein für verschiedene Organisationen aus verschiedenen Ländern in Kenia durchgeführtes interkulturelles Training als positiv. Solche Trainings können jedoch auch auf administrative Komponenten oder Aspekte der Organisationsentwicklung abzielen. Wie die Geschichte in Abschnitt 8.5.3. gezeigt hat, wurde für eine lokale Organisation zum Beispiel ein Training zum Umgang mit E-Mail-Programmen durchgeführt. Auch viele Fachkräfte berichteten wiederholt, dass sie On-the-Job immer wieder zeigen, wie zum Beispiel bestimmte Programme oder Einstellungen am Computer funktionieren. Diese Trainingsbedarfe können sowohl von den Fachkräften als auch von den lokalen Partner*innen klar benannt werden. Sie werden aber durch den ZFD in der Regel nicht abgefragt. Zudem herrschen Unklarheiten darüber, wie zum Beispiel externe Trainings finanziert werden können. Gerade bei inhaltlichen Weiterbildungen und Trainings setzen die Koordinator*innen oftmals festgelegte oder von den ZFD-Träger*innen aus Deutschland vorgeschriebene Themen auf die Agenda. In Workshops vor Ort sollen sie dann bearbeitet werden. Es ist fraglich, wie sinnvoll dieses Vorgehen ist und ob Geld und Ressourcen so gut eingesetzt werden.

Die Frage, wer eine Vorbereitung und Begleitung durch den ZFD erhält, hat auch etwas mit den Fragen von Ownership und Legitimität im ZFD allgemein zu tun. Wie in den Ausführungen in Abschnitt 8.4.4. deutlich geworden ist, gibt es im ZFD verschiedene Herangehensweisen, um 6) Ownership zu definieren. Dabei gibt es jedoch einen besonders starken Fokus auf die reine Kooperationsanfrage der lokalen Organisationen an die ZFD-Träger*innen. Dies ist kritisch zu bewerten. Hier stellt sich die Frage, wie dadurch bereits Ownership entstehen kann. Denn alleine um diese Anfrage zu stellen, braucht es bestimmte Vorrausetzungen, Strukturen und Kontakte in den Organisationen. Diese sind – wie die Geschichten in Abschnitt 8.1.5. und 8.3.1. – gezeigt haben, nicht immer gegeben und werden oftmals erst durch gezielte Trainings oder Workshops geschaffen. Somit werden manche Organisationen gleich zu Beginn ausgeschlossen. Zu dem weiteren Prozess der Antragsstellung wurde von einigen lokalen Partner*innen hervorgehoben, dass der Prozess sehr partizipativ ablief und sie ihre Meinungen und auch die der breiten Bevölkerung einbringen konnten. Andere Personen hingegen erlebten den Prozess als weniger partizipativ. Dies zeigt deutlich, dass der Prozess der Antragstellung in starkem Maße von den Bedürfnissen der lokalen Organisation, aber auch vom Herangehen der ZFD-Träger*innen abhängig ist. Die Forschung hat klar gezeigt, dass die lokalen Partner*innen wissen, dass ihre Arbeit zum ZFD-Programm und zu den Interessen Deutschlands passen muss. Sie richten ihre Arbeit dahingehend entsprechend aus, was nicht wirklich partizipativ ist. Dies hat sich besonders in der Geschichte in Abschnitt 8.4.4. gezeigt. Ein*e lokale*r Partner*in wollte ein Thema in dem bereits bestehenden ZFD-Projekt platzieren und Ownership für dieses Thema und die Arbeit übernehmen. Allerdings wurde dies von der Koordination vor Ort nicht angenommen beziehungsweise so in den Aufgaben verändert, dass es nichts mehr mit den ursprünglichen Ideen der Person zu tun hatte. Dafür aber passte es in den Rahmen, in dem der ZFD agieren kann und darf. Viele der Fachkräfte und Partner*innen haben ein Bewusstsein dafür, dass diese Aushandlunsgprozesse aufgrund von Vorgaben oftmals schwierig sind. Doch bleibt es fraglich, wie sich das ändern könnte. Es besteht besonders bei den Fachkräften und lokalen Partner*innen – weniger bei den Träger*innen – ein Bewusstsein dafür, dass der ZFD Teil der Peace-Industry (Simon Fisher & Zimina, 2009, 25 f.; Schuller, 2012, S. 110; Weller & Kirschner, 2005, S. 25) ist. Offen bleibt die Frage, wie sich der Umgang damit ändern kann.

Auch zeigt sich in der Praxis des ZFD, dass Ownership mehr als gemeinsame Projektdurchführung verstanden wird und die Partner*innen Ownership nicht so sehr in Bezug auf sich verstehen, sondern in Bezug auf die Menschen, mit denen sie in den Projekten zusammenarbeiten. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Geschichte in Abschnitt 8.2.1., in der es klar darum geht, dass durch die Aktivitäten des ZFD – in dem Fall die Erstellung und Berechnung von Preisen von Pfannkuchen – Ownership an die Teilnehmenden abgegeben werden soll. Sie sollen in dem Prozess lernen, was es bedeutet, Kosten zu kalkulieren und so langfristig befähigt und handlungsmächtig in ihren eigenen kleinen Unternehmen werden. Somit spielt Ownerhsip auf verschiedenen Ebenen im ZFD eine wichtige Rolle und ist ein Element, über das der ZFD die eigene Nachhaltigkeit definiert. Jedoch haben in meiner Umfrage nur 40 % der Fachkräfte und der Mitarbeitenden der lokalen Organisationen komplett zugestimmt oder zugestimmt, dass sie den ZFD nachhaltig finden. Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass Ownership zwar in der ZFD-Arbeit nachhaltig etabliert werden soll, dies aber oft mehr Zeit benötigt als zur Verfügung steht. Werden jedoch längere Projektzeiträume geschaffen, trägt dies wiederum zu größeren Abhängigkeiten bei und damit zu weniger Ownership. Auf dieser Gratwanderung zwischen der Schaffung von Abhängigkeiten durch lange Projektzeiträume und der Schaffung von Ownership bewegt sich der ZFD.

Es ist diese im ZFD durch Ownership angestrebte Implementierung von innen heraus in der Praxis nicht immer einfach umzusetzen. Denn der ZFD arbeitet vom Grundprinzip her mit externen ZFD-Fachkräften. Wie die Analyse in Abschnitt 8.2.1. gezeigt hat, pendelt die Rolle der Fachkräfte immer zwischen der Beratung, was die Implementierung vor Ort fördern würde, und der eigenständigen Umsetzung. Somit stellt sich die Frage, wie eine Implementierung von innen heraus funktionieren kann, wenn Fachkräfte vor Ort anwesend sind und in ihren Aufgaben über die Beratung hinausgehen. Im Verlauf der Forschung haben wiederholt lokale Partner*innen die generelle Idee von Fachkräften als Personen, die von außen kommen, infrage gestellt. Demzufolge werde so nur versucht, Lösungen von außen zu finden. Gerade diese Perspektive wirft die Frage auf, warum die ZFD-Fachkräfte benötigt werden. Denn es wird im ZFD davon ausgegangen, dass Frieden von innen wachsen muss. Wie in Abschnitt 8.2.3. geschildert, sind mir in der Forschung eine Reihe von lokalen Organisationen begegnet, die eigentlich keine Fachkraft im Büro haben wollten. Sie haben dennoch eine, da sie davon ausgehen, dass es im ZFD verpflichtend ist. Dies ist nicht der Fall. Sie wünschen sich vielmehr eine institutionelle Anbindung an den ZFD, finanzielle Unterstützung und gelegentliche Beratung. Dieses Phänomen, dass sich Organisationen aus dem Globalen Süden auf etwas einlassen, das ihnen nicht komplett recht ist, kann in der Forschung schon länger beobachtet werden: „The predominant trend is for Northern and Southern-practitioners to take on whatever comes their way in order to sustain them-selves, hoping those projects will do some good“ (Cohen 2014, S. 75). Hier zeigt sich deutlich die diskursive Macht des ZFD über die lokalen Organisationen.

Dieses Dilemma zeigt deutlich, dass die Zusammenarbeit im ZFD nicht immer einfach ist. Deswegen findet nun 7) eine kritische Reflexion der Ausgestaltung der Zusammenarbeit (inklusive Herausforderungen) statt. Zunächst lässt sich feststellen, dass durch nicht eindeutige Rollen und unklare Erwartungen gegenüber der Arbeit des ZFD und den eigenen Aufgaben oftmals eine generelle Unruhe aufkommt und Unklarheit über die ZFD-Arbeit herrscht. Ein Beispiel ist die Geschichte in Abschnitt 8.4.1. Sie hat aufgezeigt, dass die Mitarbeitenden der lokalen Organisation und die Fachkraft von Grund auf ein unterschiedliches Verständnis von den Aufgabenverteilungen haben. Sie reichen von Beratung und Begleitung durch die Fachkraft bis hin zu einer Implementierung von Maßnahmen. Wie die Analyse gezeigt hat, lassen sich diese unterschiedlichen Erwartungen an Aufgaben und Rollen auf verschiedene Faktoren zurückführen. Dies ist zum einen der fehlende kontinuierliche Austausch über Aufgaben und Rollen, zum anderen aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Fachkräfte in der Vorbereitung gewisse Ideen von ihrer Arbeit entwickeln, die in der Regel nicht gut mit den Partner*innen abgesprochen werden. Zuletzt liegt dies auch daran, dass oftmals Aufgaben und Zuständigkeiten unklar sind. Meine Umfrage hat gezeigt, dass nur für 9 % der Fachkräfte und lokalen Mitarbeitenden vorher klar war, wie die ZFD-Arbeit aussehen wird. Folglich wurden auf beiden Seiten eigene Erwartungen an die Arbeit, an Kolleg*innen und an den ZFD nur von der Hälfte der Befragten mit kompletter Zustimmung oder Zustimmung in der Umfrage als erfüllt beschrieben. Unklare Rollen können zu unklaren Erwartungen führen, wodurch wiederum möglicherweise Frustration und Herausforderungen entstehen. Diese Herausforderungen in der Zusammenarbeit werden durch weitere Elemente, die in der Arbeit des ZFD eine Rolle spielen, oftmals noch verstärkt. Die Frage, wer die Personalverantwortung für die ZFD-Fachkraft hat, ist ein Faktor, der zu unklaren Rollen beitragen kann. Diese Verantwortung kann – wie die Analyse in Abschnitt 8.2.4. – gezeigt hat, entweder bei der*dem Koordinator*in vor Ort liegen – eine Rolle, welche entweder von einer lokalen Person oder einer Fachkraft aus Deutschland begleitet wird – oder, gerade bei integriert arbeitenden Fachkräften, bei den lokalen Organisationen selbst. Wie die Analyse beschreibt, kann es jedoch für die Fachkräfte in ihrer Arbeit herausfordernd sein, wenn der*die Chef*in der lokalen Organisation ihr Personalverantwortliche*r ist und gleichzeitig sie zum Beispiel für die Verwaltung der ZFD-Gelder verantwortlich sind. Hier treffen unterschiedliche Rollen, welche in einer Person gebündelt werden, aufeinander, was zu Unklarheiten in den Zuständigkeiten führen kann. Interkulturalität bildet einen wichtigen Faktor in den Rollenaushandlungen und in der Zusammenarbeit. Die Forschung hat wiederholt die kulturellen Unterschiede bei der Rollenverteilung deutlich gemacht. Sie zeigt, wie und nach welchem Anforderungen Rollen verteilt werden und wie darüber kommuniziert wird. Ein Beispiel ist die Geschichte in Abschnitt 8.4.3. Sie beschreibt, wie ein Filmabend für Jugendliche in einem ZFD-Projekt durchgeführt wird und der*die Mitarbeitende der lokalen Organisation und die ZFD-Fachkraft verschiedene Herausforderungen bei der Umsetzung meistern müssen. Hier wurde deutlich, dass die Fachkraft in ihrem Heimatland in der Situation anders gehandelt hätte, dies aber aufgrund von Strukturen, Hierarchien und Gegebenheiten vor Ort nicht gemacht hat. Die Kommunikation erfolgte entlang der Rollenverteilungen und gleichzeitig hat die Fachkraft interkulturelle Fähigkeiten gezeigt. Gerade diese Fähigkeiten werden von den lokalen Partner*innen geschätzt. Mehrfach wurde hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit umso besser klappt, je integrierter die Fachkraft und je besser sein*ihr interkulturelles Verständnis ist. Insofern ist die Persönlichkeit der Fachkräfte ein entscheidendes Merkmal für den ZFD-Erfolg.

Doch nicht immer läuft diese Zusammenarbeit so reibungslos. Es gibt auch Fachkräfte (Beispiel in Abschnitt 8.2.3.), die an ihrer Rolle festhalten und einen Workshop durchführen, obwohl sich dieser negativ auf die anwesenden Personen vor Ort auswirkt und den auch die lokalen Partner*innen kritisch sehen. Nicht immer wird dies von den lokalen Partner*innen kommuniziert. Neben dem generellen Problem nicht klar definierter Rollen verursacht zudem mangelnde Kommunikation Rollenprobleme. Die Rollen ergeben sich oft in gemeinsamen Aushandlungsprozessen. Zwischen der formellen Anerkennung der Rolle und ihrem Verstehen und Anwenden aber, scheint es einen großen Unterschied zu geben. Im ZFD ist daher eine durchgehende Rollenklärung erforderlich. Dies kann (Beispiel in Abschnitt 8.3.1.) auf gemeinsamen Workshops oder Planungswochenenden erfolgen, in denen Zuständigkeiten und Rollen gemeinsam erarbeitet und verteilt werden. Geschieht dies nicht, können diese unklaren Rollen zu Spannungen und Frictions führen. Frictions können aus ihrer Interaktionen und Prozesshaftigkeit heraus als „[…] the unexpected and unstable aspects of global interaction“ (Tsing, 2005, S. xi) definiert werden. Sie können positiv nutzbar gemacht werden. Findet kein kritisches Hinterfragen der Spannungen statt, können diese Frictions die Zusammenarbeit negativ beeinflussen und ein Hindernis für die erfolgreiche Friedensarbeit bilden (Ameln, 2006, S. 92; Pastoors, 2017, S. 436; Wenzler-Cremer & Cremer, 2006).

Auch wenn diese Rollen die Grundlage der Zusammenarbeit sind, ist es wichtig, konkret einige Elemente der Zusammenarbeit zu betrachten. Die Arbeit des ZFD erfolgt sowohl mittels der praktischen Durchführung von Projekten als auch durch die administrative Verwaltung der Projekte. Herausforderungen betreffen besonders den zweiten Bereich. Der ZFD ist ein vom BMZ finanziertes Programm. Daher müssen administrative Komponenten wie zum Beispiel die Dokumentation oder die Projektabrechnung nach bestimmten Vorgaben stattfinden. Wie Abschnitt 8.1.5. gezeigt hat, kann dies einige lokale Organisationen vor größere Herausforderungen stellen, da sie nicht alle Anforderungen erfüllen. Dabei ist in der Forschung deutlich geworden, dass je nach ZFD-Träger*in diese Regularien etwas strenger ausgelegt werden als bei anderen. So berichteten mir Fachkräfte, die bei verschiedenen ZFD-Träger*innen gearbeitet haben, dass Dinge bei einem*einer Arbeitgeber*in möglich sind, bei einem anderen jedoch nicht oder gar nicht erst kontrolliert werden. Auch wurde von lokalen Partner*innen berichtet, dass sie von diesen Unterschieden wissen. Dass es manchmal selbst für ihren ZFD-Träger*innen nicht klar ist, was auf welche Weise abgerechnet werden kann. In diesen Fällen kann ein gemeinsames Finanz-Monitoring hilfreich sein. Wie die Geschichte in Abschnitt 8.6.1. gezeigt hat, wird dadurch ein besserer Überblick über die vorhandenen und verausgabten Finanzen ermöglicht und gleichzeitig die Möglichkeit geboten, offene Fragen zu stellen. Wiederholt wurde deutlich, dass der ZFD durch die aufwendige Administration Lerneffekte in den Organisationen (Organisationsentwicklung) und Veränderungen in den Organisationen bewirkt hat. Es ist jedoch die Frage, inwieweit dies das Ziel des ZFD sein kann, da keine speziellen Ressourcen dafür zur Verfügung stehen.

Bei den Ressourcen ist auch die Frage zu stellen, inwieweit sie gleichmäßig verteilt werden. Deswegen ist es wichtig, dass 8) Machtdynamiken in der Zusammenarbeit und den ZFD-Strukturen in den Blick genommen werden. Wie sich zeigt, sind finanzielle Ressourcen zwischen den Fachkräften, den lokalen ZFD-Mitarbeitenden und den Geldern für das Projekt ungleich verteilt. Fachkräfte erhalten mehr Geld als lokal Mitarbeitende. Im Verhältnis zu den Projektgeldern bekommen Fachkräfte relativ viel Geld für Gehalt und Unterkunft und zusätzlich eine soziale und gesundheitliche Absicherung. Dies ist absolut verständlich, denn der ZFD muss und möchte natürlich die eigenen Mitarbeitenden schützen, attraktive Angebote zur Arbeit im Ausland schaffen und Fachkräfte motivieren, in konfliktiven Kontexten zu arbeiten. Dennoch sollte es nicht zu einer Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Mitarbeitenden in einer Organisation kommen. Weil es zum Beispiel keine Sicherheitsmaßnahmen für lokale ZFD-Fachkräfte oder die Mitarbeitenden der lokalen Organisationen gibt, wird eine klare Hierarchisierung deutlich. Wiederholt wurde in der Forschung berichtet (Abschnitt 8.4.3.), dass es für die Fachkräfte bestimmte Sicherheitsnetze und Strukturen gibt. Sie können in Gefahrensituationen jederzeit das Land verlassen. Für die lokalen Mitarbeitenden gibt es diese Möglichkeiten nicht.

Es wird klar, dass hier Partnerschaft und Augenhöhe nur Schlagworte sind und nur bis zu einem bestimmten „Level“ mitgetragen werden. Ein Problem ist dabei die Entsendung der ZFD-Fachkräfte als Entwicklungshelfer*innen. Wie eine Fachkraft mir mitteilte, erleichtert das Entwicklungshelfer*innengesetz zwar die Entsendung, aber die ZFD-Fachkräfte sind keine Helfer*innen. So entsteht zwischen den Mitarbeitenden in den Organisationen ein Ungleichgewicht. Es setzt das Narrativ von der helfenden Person aus dem Globalen Norden fort. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass das Entwicklungshelfer*innengesetz (Bundesministerium der Justiz, 2012) seit seiner Entstehung vor gut 50 Jahren kaum verändert und nicht an die aktuellen Realitäten angepasst wurde (Fricke, 2019, S. 8). Außerdem ist es fraglich, warum nur Europäer*innen entsendet werden dürfen und nicht zum Beispiel ein Süd-Süd-Austausch stattfinden kann. Dieser wurde besonders im Zuge der Netzwerkarbeit, wie in Abschnitt 8.1.4. geschildert, immer wieder von lokalen Partner*innen eingefordert und dort, wo er punktuell stattfindet, als sehr positiv bewertet. So wurde von einer Fachkraft zusammengefasst: „Personalentsendung in seiner jetzigen Form ist ein Patriachat und gehört abgeschafft“ (anonymes Interview mit ZFD-Fachkraft in Kenia). Auch im Reformdokument des ZFD wird das Problem deutlich: „ZFD-Fachkräfte leisten durch ihre Herkunft und Kontakte wertvolle Beiträge zur Vernetzung, besonders international“ (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. 1). Dies ist ein auf sehr vielen Ebenen problematischer Ansatz. Einerseits werden Fachkräfte auf Grundlage ihrer Herkunft, aber nicht aufgrund ihres Wissens oder ihrer Erfahrungen lokalen Mitarbeitenden übergeordnet. Zum anderen findet eine Hierarchisierung der Herkunft statt, indem davon ausgegangen wird, dass nur Personen mit einer bestimmten Herkunft diese Arbeit gut machen können. Es bleibt offen, welche „Art der Herkunft“ damit gemeint ist. Sind damit Personen aus Deutschland gemeint? Wie steht es um Personen, die in Deutschland leben, aber einen Migrationshintergrund haben? Es muss für den ZFD geprüft werden, inwieweit er rassismuskritisch mit der eigenen Arbeit umgeht. Der WFD stellte sich diese Frage in seiner Publikation Partnerschaft und Dominanz schon im Jahr 1999: „Und jener Rassismus wiederum, mit dem sich Personalentsendeorganisationen wie der WFD von Zeit zu Zeit beschäftigen müssen – Rassismus als sog. Ausrutscher eines überforderten Kooperanten – dieser Rassismus hat mit uns als Organisation nichts zu tun. Oder etwa doch?“ (wfd, 1999, S. 3). Dennoch ist es fraglich, ob diese Frage von allen ZFD-Träger*innen bearbeitet und fortlaufend reflektiert wird. Dieses grundlegende Problem zieht sich durch die gesamte ZFD-Arbeit.

Abschließend lässt sich mit Blick auf Machtdynamiken im ZFD zusammenfassen, dass immer hinterfragt werden muss, wer zu ihnen in welcher Art und Weise beiträgt, wer die Dynamiken verstärkt oder sich ihrer durch Reflexion bewusst wird. Zwar lässt sich dies nicht pauschal beantworten, doch ist festzustellen, dass die Handlungen von Akteur*innen zum Teil auf bestehende inhärente Machtdynamiken zurückgehen. Somit ist es wichtig herauszuarbeiten, was Einzelne dazu beitragen und wie diese Dynamiken durchbrochen oder verändert werden können. Zwar ist es die Idee des ZFD, dass die Fachkräfte vor Ort auf Augenhöhe arbeiten und Beziehungen zu den Personen vor Ort aufbauen (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a, Abschn. 5.2. S. 3). Doch haben die Ausführungen gezeigt, dass dieses Arbeiten auf Augenhöhe nicht immer leicht umzusetzen ist. Teilweise entwickelt sich eine regelrechte Farce, es ist eher „Rhetorik“ (Brinkerhoff, 2002; Crawford, 2003; Menashy, 2019) oder fungiert als „Schlagwort“ (Ashman, 2001; Cornwall & Brock, 2005; Mohiddin, 1998). Der Begriff Augenhöhe verschleiert das Machtungleichgewicht mit der Sprache der Gleichheit (Hately, 1997, S. 22). Aus der Praxis, aber auch aus der wissenschaftlichen Forschung ist bekannt, dass internationale CSOs, auch in der ZKB, durch ihre Arbeit Abhängigkeiten geschaffen und verstetigt haben (Brannan, 2003; Marchetti & Tocci, 2009; Roy, 2008). Diese Abhängigkeiten und die dadurch entstandenen Rivalitäten zwischen CSOs stehen konträr zu dem eigentlichen Ziel der Arbeit, Frieden zu schaffen. Es entsteht eine Art Geberfrieden, der einem Frieden vor Ort seine emanzipatorischen Bedeutungen abspricht und in hohem Maße präskriptiv und instrumentalistisch zu sehen ist (Goetschel & Hagmann, 2009, S. 64). Auch die Handlungen des ZFD reproduzieren dieses Bild. In diesem Bild definiert und finanziert der Globale Norden – repräsentiert durch den ZFD und die Fachkräfte – den Frieden. Gleichzeitig wird von den Mitarbeitenden der lokalen Organisationen, also den Personen im Globalen Süden erwartet, dass sie den ZFD akzeptieren, in ihre Organisationen aufnehmen und sich an dessen Prozessen beteiligen. Der ZFD widerspricht seinem eigenen Credo, wonach es notwendig ist, lokale Akteur*innen zu ermächtigen und auf partnerschaftliche Art und Weise zu arbeiten.

Nachdem die Analyse zusammengefasst und kritisch betrachtet wurde, stellt sich nun die Frage, welche Konsequenzen sie für die Handlungen und die Arbeit des ZFD, aber auch darüber hinaus für Friedensprozesse und die Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen Friedensfachkräften hat. Diese Konsequenzen werden im Rahmen von Handlungsempfehlungen im folgenden Kapitel diskutiert und mit der übergeordneten Fragestellung verknüpft.