Diese Forschung konzentriert sich weder auf die lokalen Konfigurationen von Friedensmaßnahmen noch rein auf externe oder internationale Interventionen, sondern darauf, wie diese aufeinandertreffen, interagieren und unerwartete positive und negative Ergebnisse hervorbringen. Da somit das Element der Partnerschaft in der Zusammenarbeit von Akteur*innen der Friedensarbeit untersucht wird, wird zunächst dargestellt, was über partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen beziehungsweise externen Akteur*innen in der Friedensarbeit bekannt ist. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass dort, wo verschiedene Akteur*innen aufeinandertreffen, Macht und Machtungleichgewicht zum Tragen kommen. Mithilfe einer Geschichte aus der Forschung zum ZFD (unter einem partnerschaftlichen und machtkritischen Blickwinkel) wird zunächst ethnografisch und praxisnah auch dieses Thema beleuchtet und anschließend in den Diskurs um Macht eingeführt.

2.1 Was wir über Partnerschaft in der Friedensarbeit wissen

Zunächst ist festzustellen, dass zahlreiche Forschungen bereits aufgezeigt haben, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit (wie auch immer diese definiert sein mag) positive und negative Auswirkungen auf Friedensprozesse haben kann (Hellmüller, 2018). So wird davon ausgegangen, dass eine Beziehung zwischen lokalen und internationalen/externen Akteur*innen zu einem effektiveren und nachhaltigeren Frieden führen kann, wenn sie gut gemanagt und gestaltet wird, da Konflikte in der Regel sowohl nationale als auch internationale Reichweite haben (Bernhard, 2013, S. 11; Labonte, 2008, S. 2).

Auch wenn dieser positive Effekt bekannt ist und als grundlegend für die friedensfördernde Praxis gesehen wird (Smillie, 2001), bleibt doch oftmals unklar, was genau mit Partnerschaft gemeint ist. Aus diesem Grund wird sich nun einer Definition des Begriffs Partnerschaft genähert. Diese basiert in der Regel auf der Gegenüberstellung und/oder Zusammenführung der binären Akteur*innenbegriffe des Lokalen und des Globalen, Externen oder Internationalen. Dabei sei der Begriffsdiskussion vorangestellt, dass Diskussionen über die Interaktion zwischen dem Globalen/Externen und dem Lokalen in der Friedensarbeit immer komplex sind. So bin ich mir der potenziellen Probleme bei der Verwendung der Begriffe „global“, „extern“ und „lokal“ durchaus bewusst. Der Bezug auf das Globale wird in der wissenschaftlichen Literatur oft so gesehen, dass dieser Begriff auch für universelle moralische Rahmenbedingungen, kosmopolitisches Bewusstsein und die Fähigkeit, sich über Grenzen hinweg zu bewegen, steht. Die Konnotationen für das Lokale sind im Gegensatz dazu tendenziell Besonderheiten, Authentizität, Kontextualität und ein Mangel an Mobilität. In diesem Zusammenhang ist es ist wichtig zu verstehen, dass globale Diskurse, Politiken und Praktiken nicht universell sind, aber Universalität beanspruchen (Björkdahl et al., 2016b, S. 4). Auch wenn das Globale/Externe und das Lokale vielfach als binäre Optionen dargestellt werden und sie dies in der Praxis der Friedensarbeit auch oft sind, ist es wichtig, die Dynamiken zwischen den entsprechenden Akteur*innen als sozial konstruiert, kontinuierlich verhandelt und aktiv interagierend zu verstehen. Diese Dynamiken mit möglichen Auseinandersetzungen, Reibungen (Frictions) und Herausforderungen stehen also im Zentrum dieser Analyse. Dieser Fokus auf Reibungen als dynamischer Prozess erlaubt es auch, ein Schlüsselmerkmal der friedensfördernden Interaktion zu erforschen, nämlich dass sie kein vorherbestimmtes Ergebnis hat; sie ist unvorhersehbar (Björkdahl et al., 2016b, S. 5). Somit sind die Worte „placeholders for what are more complicated collections of actors with varying interests and levels of influence“ (Millar, 2016b, S. 32).

Nach diesen Vorbemerkungen wird nun auf die möglichen Definitionen des Begriffs geschaut. Dabei lassen sich in der Literatur verschiedene Definitionen von Partnerschaft finden. Zum einen gibt es Definitionen, welche Machtbeziehungen außer acht lassen. Bei diesen Beziehungen wird Partnerschaft wie folgt verstanden:

„Partnerschaft wird verstanden als freiwillige Beziehung ‚auf gleicher Augenhöhe‘ von häufig heterogenen Organisationen oder Einzelpersonen, die allen Seiten Vorteile bringt. Bei strategischen Partnerschaften handelt es sich also um ein Netzwerk, das bereits eine gewisse Verbindlichkeit und ein zumindest kurz- oder mittelfristiges gemeinsames Ziel aufweist“ (Borries von, 2007, S. 194).

Hier zeigen schon die Anführungszeichen um den Begriff der gleichen Augenhöhe, dass diese Definition sehr idealtypisch ist und sich so in der Praxis nicht immer finden lässt. Auch bei Definitionen aus der Praxis wird deutlich, dass diese ebenfalls im Begriff „Partnerschaft“ eine Beziehung zwischen zwei oder mehr Parteien sehen, die auf Merkmalen wie Solidarität, Gleichheit, Inklusivität, gegenseitigem Vertrauen und Verständnis sowie auf gemeinsamen Zielen beruht (United Nations, 2015b, S. 2).

Diese Definitionen stimmen teilweise mit dem überein, was in der friedens- und entwicklungswissenschaftlichen Literatur als „ideale Partnerschaft“ bezeichnet wird (Kontinen, 2003; Mohiddin, 1998). Wie Harrison betont, ist der Begriff „Partnerschaft“ ein wertgeladener Begriff mit starken normativen Untertönen darüber, welche Form eine Beziehung zwischen Partner*innen annehmen sollte (Harrison, 2007, S. 389). Deswegen fügen Wissenschaftler*innen wie Lynn Hately dieser idealen Art von Partnerschaft den Begriff der Reziprozität hinzu, der auf Gleichheit, Horizontalität und Solidarität zwischen den Partner*innen beruht (Hately, 1997). Auch Fowlers Definition einer idealen Partnerschaft ist eine „authentische“, die eine Gleichheit in der Arbeitsweise und Gegenseitigkeit in Bezug auf Identität, Position und Rolle für jede*n der beteiligten Partner*innen sein soll (Fowler, 1998, S. 141). Damit ist Fowler nicht allein, und es lassen sich in verschiedenen Handbüchern zur Friedensarbeit auch viele dieser idealtypischen Definitionen finden und Partnerschaft wird oftmals als gemeinsames Empowerment verstanden Jedoch wird im wissenschaftlichen Diskurs immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen diesem Ideal einer Partnerschaft und der wahrgenommenen Realität für die meisten Nord-Süd-Partnerschaften im Kontext der Friedensarbeit eine Lücke besteht und diese vermeintliche Partnerschaft eine ungleiche ist (Lister, 2000; Mohiddin, 1998; Pickard, 2010).

„A major challenge to the discourse and practice of partnerships is how to address unequal relations between partners. Inequality may be based on differences in a range of dimensions such as access to resources, power relations, knowledge, capacities and capabilities. Partners may also have different assumptions, perspectives/world views, agendas and expectations‟ (Johnson & Wilson, 2006, S. 71).

Ein erstes Argument für diese Ungleichheit ist, dass der Großteil der gegenwärtigen internationalen Friedensarbeit auf einem einseitigen Nord-Süd-Geldfluss beruht (Kontinen, 2003; Lister, 2000). Ein zweites lautet, dass die Länder des Globalen Nordens ihrem südlichen Gegenüber immer wieder ihre Vision von Frieden aufzwingen (Mac Ginty, 2008). Daraus resultieren Machtasymmetrien, die den nördlichen Geber*innen eine dominierende Rolle zuweist. Deswegen wird oftmals von einer „rhetorischen Partnerschaft“ gesprochen (Crawford, 2003; Menashy, 2019). Die Nutzung von Partnerschaft wird als Buzzword hervorgehoben (Cornwall & Eade, 2010), welches die inhärenten Machtasymmetrien unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung versteckt (Hately 1997, 22). Einige Forschungen über partnerschaftliche Friedensarbeit gehen davon aus, dass diese Machtasymmetrien relativ leicht überwunden werden können, indem zum Beispiel die lokalen Akteur*innen mehr in die Programmgestaltung einbezogen werden: „They can, however, help shift greater control in programme design and implementation to their local partners and thereby create greater power symmetry in shaping the means and ends of their peacebuilding“ (Cohen, 2014, S. 79). Dass diese Argumentation jedoch zu kurz gegriffen ist und es dadurch nicht zu einer Verschiebung und einem Aufbrechen der Machtasymmetrien kommt, wird in den vorliegenden Forschungsergebnissen dargestellt. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass in der Forschung CSOs aus dem Globalen Süden oftmals als das unterste Glied in der Hierarchie der Institutionen betrachtet werden, die die internationale Friedensindustrie ausmachen. Sie werden als abhängig von und häufig getrieben durch Geber*innenmittel, als verletzlich oder opportunistisch dargestellt. Partnerschaften zwischen südlichen und nördlichen CSOs werden als Orte der Ausbeutung gesehen. Dabei sind diese CSOs aktive Akteur*innen in ihren Beziehungen zu internationalen CSOs, selbst in den Formen einer Partnerschaft, die der lokalen Beteiligung am wenigsten förderlich zu sein scheinen (Dibley, 2014, S. 3). Südliche CSOs, die in der Regel auf ihre nördlichen „Partner“ angewiesen sind, um an der Friedensförderung teilzunehmen, verhandeln dennoch täglich die Machtdynamik dieser Partnerschaften. Diese Verhandlungen können wichtige Auswirkungen nicht nur auf die Ergebnisse von Friedensförderungsprojekten haben, sondern auch auf das Verständnis und die Anwendung von Friedensförderungsideen durch lokale Aktivist*innen und Gemeinden – und in einigen Fällen auch durch internationale Organisationen selbst.

Wie bereits angemerkt, ist der Begriff Partnerschaft sehr komplex. Es kommt immer auf die jeweilige Situation, den jeweiligen Kontext und die involvierten Akteur*innen an, wie sie genau ausbuchstabiert wird. Dabei hat dieses Ausbuchstabieren erheblichen Einfluss auf den Friedensprozess: „Whether a relationship between actors is constructed as top-down or dialogical in nature can have tremendous implications for the motivation and quality of the collaboration and, thus, for the result of the peacebuilding process‟ (Bernhard, 2013, S. 7). Es kann diese Beziehung sowohl als aktive als auch als abhängige Partnerschaft ausgestaltet werden. Eine aktive Partnerschaft beinhaltet strategische, technische und verwaltungstechnische Planung und Unterstützung, die mit lokalem Input und lokalen Entscheidungsstrukturen entwickelt werden. Solche Partnerschaften werden durch bewusste, kooperative und andauernde Prozesse aufgebaut, die Verhandlungen, das Aushalten von Konflikten und gemeinsames Lernen beinhalten (Lewis, 1998, S. 504). Abhängige Partnerschaften hingegen berücksichtigen oft kein lokales Wissen, nutzen stattdessen Konzepte und Ideen über Friedensförderung, die größtenteils aus dem Globalen Norden stammen, und werden als „Blaupausencharakter“ charakterisiert und entlang starrer Annahmen umgesetzt (Lewis, 1998, S. 504). In der Friedenspraxis lassen sich beide Arten von Partnerschaft finden. Beide haben ihre Daseinsberechtigung, haben Vor- und Nachteile und hängen von verschiedensten (äußeren und inneren) Einflussfaktoren ab (Labonte, 2008, S. 3). Eine weitere Möglichkeit, diese Partnerschaften zu unterscheiden, ist es, die Art der Beziehungen zwischen den Partner*innen anzuschauen. (M. Barnett & Zürcher, 2010) schlagen vier Arten von Beziehungen zwischen Akteur*innen in der Friedensarbeit vor: In der kooperativen Friedensförderungsbeziehung (cooperate) akzeptieren die lokalen Eliten das Friedensförderungsprogramm und kooperieren mit externen Organisation. Die konsensorientierte (compromised) Beziehung ist gekennzeichnet durch die Aushandlung eines Friedensförderungsprogramms, das die Wünsche aller beteiligten Akteur*innen widerspiegelt. In einer befangenen (captured) Beziehung lenken die lokalen Eliten die Verteilung der Hilfe so um, dass sie ihren Interessen entspricht. In der konfliktträchtigen (conflictiv) Friedensförderungsbeziehung schließlich bedroht eine der Akteursgruppen die anderen oder setzt Zwangsmittel ein, um ihre Ziele zu erreichen. Neben dieser Unterscheidung von Partnerschaft lassen sich in der Literatur noch weitere Unterscheidungen finden. Es ist jedoch festzustellen, dass in vielen wissenschaftlichen Studien der Begriff Partnerschaft verwendet wird, ohne diesen genauer auszudifferenzieren. Im Folgenden werden drei Überlegungen zu den verschiedenen Arten von Partnerschaften erläutert.

Laut Bodo von (Borries von, 2007) gibt es in der Friedensarbeit vier mögliche Formen der Partnerschaft. Dies sind 1) eine Lernpartnerschaft, bei der Zugang zu externem Wissen für alle Mitglieder dieser Partnerschaft geschaffen oder aufgearbeitet werden soll. Des Weiteren gibt es operative Partnerschaften, bei denen vor allem ein bestimmtes Projekt im Vordergrund steht, welches meist in gemeinsamer Träger*innenschaft durchgeführt wird. Außerdem gibt es 2) politische Partnerschaften, bei denen es verstärkt darum geht, Themen in den öffentlichen Diskurs einzubetten und politische Entscheidungsprozesse gemeinsam zu beeinflussen. Auch gibt es 3) strategische Partnerschaften, welche oftmals auch aus Interaktionen heraus entstehen und gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Möglichkeit 4) sind sogenannte „natürliche“ Partner*innen. Dies sind zum Beispiel kirchliche Organisationen aus dem Globalen Norden und im Globalen Süden, die dort mit den gleichen Strukturen operieren. Bei staatlichen Akteur*innen aus dem Globalen Norden sind diese „natürlichen“ Partner*innen im Globalen Süden zum Beispiel die Regierungen oder Regierungsorganisationen des jeweiligen Landes. Hierbei werden meist andere Akteur*innen zu den „Partner*innen“, die bestimmte Projekte oder Ideen umsetzten. Sie werden somit zu implementierenden (Treiber, 2014) Partner*innen im Sinne einer Auftragsnahme im Programm oder Projekt. In der Realität ist meist eine Mischform der verschiedenen Arten von Partnerschaft zu finden (Borries von, 2007, 194.).

Eine andere Unterscheidung ist bei Thushara Dibley (Dibley, 2014) zu finden, welche zwischen einer Vertragspartnerschaft, einer partnerschaftlich orientierten Beziehung und einer Netzwerkbeziehung unterscheidet. Im Rahmen der Vertragspartnerschaft wurde die Beauftragung von CSOs aus dem Globalen Süden in den frühen 1990er Jahren bei CSOs aus dem Globalen Norden populär. CSOs wurden als Partner*innen geschätzt, weil sie flexibel und wertorientiert waren und über spezialisierte Fähigkeiten verfügten, die weder der öffentliche noch der private Sektor bieten konnte (Dibley, 2014, S. 60). Die Sprache, die zu dieser Zeit aufkam, um Partnerschaften zwischen CSOs aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden zu beschreiben, suggerierte, dass dieser neue Ansatz kooperativ und partizipativ sein würde und beide Partner*innen auf gleicher Augenhöhe stünden. In der Praxis spiegelten viele Partnerschaften jedoch nicht diese „authentische“ Form wider, sondern ähnelten eher einem Geber*innen-Patron-„Vertrags“-Modell, bei dem eine definierte Aufgabe in einem festgelegten Zeitraum erledigt werden muss, meist als Teil einer „Fee-for-Service“-Vereinbarung (Dibley, 2014, S. 63; Fowler, 1998, S. 137). Die immer wieder aufgezeigte Kritik an dieser Art von Partnerschaft ist, dass ihre Finanzierungsstrukturen den Betrieb und die Nachhaltigkeit der südlichen CSOs behindern, dass die kurzfristige Finanzierung die Legitimität und Rechenschaftspflicht der Süd-CSOs gegenüber ihren eigenen Gemeinschaften untergräbt und dass solche Output-orientierten Partnerschaften nicht in der Lage sind, tiefgreifenden und dauerhaften Wandel zu bewirken (Dibley, 2014, S. 60). Partnerschaftlich orientierte Beziehungen lassen sich definieren als „partnergesteuert“. Die internationalen CSOs führten nicht direkt Programme durch, sondern arbeiteten mit lokalen CSOs-Partner*innen zusammen, die ähnliche Ziele verfolgten. Sie versorgten ihre Partner*innen auch mit Mitteln für organisatorische Overhead-Kosten, stellten ein Budget für die Umsetzung der Aktivitäten und unterstützten sie bei Bedarf mit technischer Hilfe und Schulungen. Hier haben die lokalen CSOs ein relativ hohes Maß an Kontrolle darüber, was sie in ihrer Eigenschaft als lokale Partner*innen machen (Dibley, 2014, S. 92). Jedoch handelt es sich hierbei oftmals um die bereits beschriebene „ideale“ Partnerschaft, bei der sich in der Praxis zeigt, dass ihre Umsetzung schwierig ist, denn nichtsdestotrotz sind auch hier die internationalen CSOs in der Lage zu kontrollieren, mit wem eine Zusammenarbeit stattfindet (Dibley, 2014, 151 f.). Netzwerkbeziehungen können als ein Netz von persönlichen Beziehungen zwischen den am Netzwerk beteiligten Personen gesehen werden, welches dabei hilft, die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen zu gestalten und zu steuern (Dibley, 2014, S. 122). Diese Zusammenarbeit kann in einer mehr oder weniger institutionalisierten Form stattfinden. Besonders die Finanzierung dieser Netzwerke stellt einen wichtigen Aspekt in der Forschungsliteratur dar. Oftmals werden solche Netzwerke nur wenig finanziert, weil ihre Ergebnisse kaum zu messen sind und ihre diffuse Natur es erschwert, sie zur Rechenschaft zu ziehen (Verkoren, 2006). Wenn Mittel zur Verfügung stehen, kann dies zu Ungleichgewichten innerhalb des Netzwerks führen, zumal die nördlichen Mitglieder des Netzwerks häufig den Großteil der Mittel erhalten. In anderen Fällen können Differenzen zwischen den Perspektiven der Geber*innen und der Mitglieder des Netzwerks darüber, wie die Mittel ausgegeben werden sollten, zu Spaltungen innerhalb der Netzwerke führen, insbesondere in Fällen, in denen nördliche und südliche Mitglieder des Netzwerks unterschiedliche Prioritäten haben (Rohrschneider & Dalton, 2002).

Eine weitere Ausdifferenzierung dieser Arten der Partnerschaft, welche sich noch mehr auf die Interaktionen bezieht, lässt sich bei Sung Yong (Lee, 2019, 53 ff.) finden. Hier werden drei Arten von Beziehungen in der Friedensarbeit benannt. Dies sind: vertragsbasierte Beziehungen, partnerschaftlich orientierte Partnerschaften und die Schaffung von Advocacy in einer integrierten Struktur. Erstens und wahrscheinlich am häufigsten unterhalten lokale Akteur*innen in unterschiedlichem Maße vertragsbasierte Beziehungen zu externen Geldgeber*innen. Bei dieser Art von Partnerschaft wählen internationale Organisationen oder internationale zivilgesellschaftliche Organisationen lokale Akteur*innen aus, um bestimmte Projekte für einen bestimmten Zeitraum zu implementieren, und entwickeln kurzfristige Vereinbarungen im Rahmen bestimmter Dienstleistungen. Einige Geberorganisationen haben in diesem Prozess offene Ausschreibungen zur Einreichung von Vorschlägen. Sie vergeben die Mittel an die ausgewählten Akteur*innen, während andere im Voraus festgelegte Programme haben und auf potenzielle lokale Partner*innen zugehen, die sie umsetzen können. Die Werte und die Agenda der Geber*innen werden bei der Auswahl der Vorschläge oder bei der anfänglichen Entwicklung von Arbeitspartnerschaften hervorgehoben. Häufig werden die lokalen Partner*innen unter Druck gesetzt, diese während des Umsetzungsprozesses zu berücksichtigen. Geber*innen, die an dieser Art von Partnerschaften beteiligt sind, bevorzugen oft lokale Akteur*innen, die eher wie westliche Organisationen strukturiert sind, bereits positive Ergebnisse in ihrer Arbeit vorweisen können und effektiv arbeiten. Oftmals wird nicht auf die Bedingungen geachtet, unter denen die lokalen Partner*innen die Programme durchführen (Lee, 2019, S. 53). Zweitens gibt es die partnerschaftlich orientierte Partnerschaft. In solchen Fällen behalten die lokalen Akteur*innen ihren unabhängigen Status, erhalten aber umfassende Unterstützung von externen Akteur*innen. Die internationalen Akteur*innen streben eine stärkere Zusammenarbeit mit ihren lokalen Partner*innen an als bei vertragsbasierten Modellen. Oftmals findet durch die Geber*innen eine Grundfinanzierung zur Deckung der organisatorischen und administrativen Kosten statt. Auch wird versucht, regelmäßige Treffen abzuhalten, um die Richtung der von ihnen finanzierten Programme zu diskutieren und zu bestimmen. In dieser Art von Partnerschaft jeodch wird die Agenda der Geber*innen häufig durch diese ständige Interaktion vermittelt und verinnerlicht. Regelmäßige Besuche von Geber*innenvertretern zu Diskussionen und gezielte Schulungen der lokalen Akteur*innen werden häufig genutzt, um gemeinsame Visionen für die Arbeit zu entwickeln. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass solche Beziehungen ungleich sind und sich aufdrängen, wenn die Befürwortenden die lokalen Partner*innen als die Akteur*innen betrachten, die ihre Visionen umsetzen (Lee, 2019, S. 54). Drittens gibt es lokale Friedensförderungsorganisationen, die als Untereinheiten oder Projektstandorte von internationalen Organisationen oder internationalen CSOs gegründet wurden und betrieben werden, um der Schaffung von Advocacy in einer integrierten Struktur zu dienen. Der Grad der Autonomie dieser Zweigstellen oder Büros variiert in Abhängigkeit von den Prinzipien ihrer übergeordneten Organisation (Lee, 2019, S. 55).

Gerade die Orientierung von Lee (2019) an den Interaktionen in der Partnerschaft und die Definition einer aktiven Partnerschaft als fortlaufende Prozesse der Verhandlung (Lewis, 1998) werden für die vorliegende Arbeit als Grundlage gesehen, da auch hier die konkreten Interaktionen in einer Zusammenarbeit untersucht werden. Die Art dieser Interaktionen in der Zusammenarbeit und in der Partnerschaft definiert letztendlich die Art und Weise, wie Akteur*innen innerhalb des jeweiligen Kontext ihre Arbeit ausgestalten und prägt somit den Friedensprozess. Denn „local and international actors […] are rarely able to act autonomously. Instead, all actors are compelled to operate in an environment shaped in some way by others‟ (Mac Ginty, 2010, S. 392). Somit spielen die jeweiligen Personen und Kontexte eine entscheidende Rolle für die Zusammenarbeit. Ein Großteil der Literatur, die sich mit dem Einfluss von Einzelpersonen auf Partnerschaften beschäftigt, hebt hervor, wie Einzelpersonen die Macht haben, Partnerschaften zu beeinflussen, da sie unvorhersehbare Dynamiken von Beziehungen basierend auf individuellen Kontakten und Persönlichkeiten hervorrufen können (Brehm, 2004, S. 160).

2.2 Es war einmal… – ein Ausschnitt meiner Forschung

Ich sitze als Beifahrerin in einem Auto und fahre durch Kenia, aus den Boxen dröhnt die Musik von Rammstein und einer anderen deutschen Rockband. Ich sitze im Auto einer deutschen CSO (Civil Society Organization), welche den ZFD in Kenia umsetzt, und fahre mit dem Fahrer der CSO einmal quer durch Kenia. Sobald wir irgendwo halten müssen, ist die Musik durch die offenen Fenster auch außerhalb zu hören und einige Personen schauen zu uns ins Auto. Die Landschaft zieht vorbei, grüne Bäume und viele Felder, denn wir fahren durch eine der fruchtbarsten Regionen Kenias. Als ich den Fahrer darauf anspreche, ob er gerne Bands wie Rammstein hört, antwortet er mir, dass die CD bereits im Auto war, als er es von einer der ehemaligen deutschen Friedensfachkräfte übernommen hat. Er habe sich einfach daran gewöhnt, höre es nun und denke dabei auch gerne an die Fahrten mit seinem ehemaligen Kollegen zurück.

So fahren wir weiter, bis wir am späten Nachmittag an unserem Zielort ankommen. Hier werde ich zum Hotel gebracht und soll dort auf die Kolleg*innen der kenianischen Partnerorganisation warten. Der Fahrer wohnt in einem anderen Hotel und die*der Kolleg*in aus dem Büro der deutschen Organisation (eine lokale Person) wiederum in einem anderen Hotel. Warum dies so ist, hat sich mir bis zum Ende nicht ganz erschlossen. Hat aber nach Aussage der jeweiligen Personen einfach etwas mit persönlichen Präferenzen zu tun, da zum Beispiel ein Hotel bevorzugt wurde, in dem man selbst eine Küche hat. Die anderen Personen sind nicht mit uns im Auto gefahren, obwohl sie auch aus Nairobi kommen, wo der Fahrer losgefahren ist – sie sind geflogen. Solange ich warte, schaue ich mich im Hotel etwas um. Laut Bewertungsportalen ist es „one of the best places in town“. Auch wenn ich wenig andere Hotels vor Ort besucht habe, kann ich dieser Aussage zustimmen. Es gibt mehrere Restaurants, eine große Bar und einen Pool. An der Bar wird mir erzählt, dass hier auch oft Regierungsbeamt*innen wohnen, wenn sie in der Region auf Promotions-Tour sind oder Gemeinden besuchen. Wie der Kellner mir sagt, verbringen einige von ihnen die Zeit lieber an der Bar und im Pool. Dies sollte ich nach einigen Tagen in dem Hotel selbst erleben, als Offiziere und weiteres militärisches Personal einchecken. Ich lerne abends noch kurz die Kolleg*innen der Partnerorganisation kennen und auch die Begleitung, da eine Person mit Kind und Betreuungsperson angereist ist. Wir gehen an dem Abend früh schlafen, da wir am nächsten Tag früh starten wollen.

Nach einem Frühstück geht am nächsten Tag unsere Reise los. Wir werden in den kommenden Tagen unterschiedliche Dörfer in der Umgebung (ein bis zwei Stunden Fahrt) besuchen. Dort werden wir an verschiedenen Programmen und Veranstaltungen teilnehmen, die der lokalen Konfliktlösung und Rechtsprechung dienen sollen. Wir fahren also über unbefestigte Straßen in den ersten Ort. Sobald wir die Stadt verlassen haben und Kindern begegnen, die mich im Auto entdecken, werde ich mit „Mzungu“ (weiße Person) begrüßt. Ein*e Kolleg*in meint scherzhaft, dass sie schon oft hier waren und ja eigentlich schon wegen dem tollen Auto auffallen, aber dass sich die Leute hier wohl daran gewöhnt haben, ich sie jetzt aber wieder zu einer Attraktion mache. Vor Ort angekommen stehen wir nun also da, eine Gruppe von Personen, die eigentlich in Nairobi lebt und ich als Forscherin. Einige tragen High Heels und Kostüme, andere Hemd. Und die Personen vor Ort? Dies sind überwiegend Personen, die von der Landwirtschaft leben. Einige kommen in ihrer Arbeitskleidung direkt von den Feldern, andere tragen ebenfalls Hemd (teilweise mit Gummistiefeln aufgrund des sehr matschigen Bodens). Nachdem sich alle begrüßt haben und ich mich vorgestellt und meine Rolle erklärt habe, sitzen wir in einem Gebäude aus Lehm, in dem noch schnell ein Banner angebracht wurde, auf dem das Thema des Tages geschrieben steht und die Logos der Organisationen abgebildet sind. Die Veranstaltung läuft bereits, wir sind etwas zu spät gekommen, da die Straße aufgrund des Regens so matschig war. In den vergangenen Monaten hatte die lokale CSO aus Kenia im Rahmen des ZFD zusammen mit einer Fachkraft hier Workshops zur Ausbildung von Personen gegeben, die im Rahmen eines bestimmten thematischen Programmes ehrenamtlich arbeiten wollen. Einige Veranstaltungen hatten daraufhin schon stattgefunden und nun sind wir hier, um uns anzuschauen, wie diese laufen. Nach unserer Ankunft werden die Leitenden des Programmes vor Ort zur Seite genommen. Ihnen wird in einem Gespräch nochmal der Ablauf einer solchen Veranstaltung geschildert, welche Rolle Sprache in dem Prozess hat und dass sie in ihrer Rolle neutral handeln müssen. Die Hinweise werden nicht weiter diskutiert, sondern bejaht. Die Mitarbeitenden der CSO halten sich während des Programms im Hintergrund und geben zum Beispiel in den Pausen Feedback und Ratschläge. Allgemein sind sie sehr zufrieden damit, wie es gelaufen ist und sehen ihre Anwesenheit als Möglichkeit, die Personen und die Arbeit vor Ort zu überprüfen und zu schauen, ob die vorherigen Trainings erfolgreich in der Praxis umgesetzt werden können. In der Mittagspause wird ein Essensbuffet aufgebaut. Wir hatten am Morgen, bevor wir losgefahren sind, an einem Restaurant gehalten und jede Menge Essen und Getränke eingepackt. Auch wird in der Mittagspause etwas Geld an alle Anwesenden verteilt, als Kompensation, dass sie an dem Treffen teilnehmen (was ein sehr übliches Vorgehen ist). Teilnehmendenlisten werden ausgefüllt, was einige Personen vor Herausforderungen stellt, da nicht alle lesen und schreiben können. Diese Liste ist in vielen ZFD-Projekten Pflicht für die Mittelnachweise und wurde hier pragmatisch lokal angepasst. So können Personen einen Fingerabdruck anstelle der Unterschrift hinterlassen. Gerade in den informellen Gesprächen während des Essens können die CSO-Mitarbeitenden nochmal verstärkt mit den ehrenamtlichen Leitenden des Programms vor Ort sprechen und über die Möglichkeiten der Umsetzung debattieren. Besonders in unseren Gesprächen auf der Rückfahrt im Auto wird deutlich, dass die verschiedenen Personen der CSO unterschiedliche Blickwinkel auf das Erlebte haben. So schätzen es einige als sehr gut ein, wohingegen andere noch mehr Schulungs- und Handlungsbedarf sehen. Wieder andere sind der Meinung, dass es gut sei, dass es lokal etwas adaptiert wurde. Diese Adaption vollzog sich laut Aussagen der CSO-Mitarbeitenden neben der Fingerabdruck-Unterschrift zum Beispiel derart, dass andere Fälle als eigentlich vorgesehen besprochen wurden, da diese vor Ort anders priorisiert wurden. Oder dass Vorgespräche ausführlicher als vorher angedacht stattgefunden hatten.

So verlaufen die Tage und die einzelnen Programmpunkte im Großen und Ganzen wie geplant. Dabei gibt es immer wieder Absprachen zwischen den lokalen Verantwortlichen, den Mitarbeitenden der lokalen ZFD-Partnerorganisation aus Nairobi und der ZFD-Fachkraft. Auch bei den anderen Aktivitäten wie zum Beispiel einem Treffen zwischen der lokalen Polizei und den wichtigsten Vertreter*innen aus verschiedenen umliegenden Dörfern gibt es einen regen Austausch zwischen allen Beteiligten. Da ich sprachlich nicht immer ganz folgen kann, wird für mich zusammenfassend übersetzt und der Austausch wird von den lokalen Personen, die sich in dem Bereich engagieren, als sehr wichtig erachtet. Hier ist mir eine Situation besonders in Erinnerung geblieben. Wir saßen vor dem Haus des Polizeichefs der Region und warteten noch auf einige Personen – wir waren schon zwei Stunden zu spät, doch das war nicht so schlimm. Wir hatten Plastikwasserflaschen dabei und ein Kind näherte sich unserem Fahrer. Er gab dem Kind die Flasche, woraufhin es sie direkt als Spielmaterial nutzte. Da wir mehrere leere Flaschen im Auto hatten, verteilten wir sie unter den Kindern. So würden wir immerhin schon den Kindern positiv in Erinnerung bleiben, meinte eine der Personen aus der CSO. Für uns, als Gäste aus Nairobi, den Polizeichef und einige wichtige Personen standen Stühle und ein Tisch bereit. Die anderen Personen versammelten sich, enger aneinandergesetzt, auf Bänken. So saßen wir zusammen, Personen berichteten und es fand ein reger Austausch statt. Danach wurden noch Gruppenfotos gemacht und einige Personen wollten extra Bilder mit mir aufnehmen. Darauf merkte die ZFD-Fachkraft scherzhaft an, dass sie mich oder andere weiße Kolleg*innen wohl öfter mitnehmen sollten, damit für das Programm noch mehr Werbung gemacht wird. Danach fuhren wir aus den Dörfern wieder zurück, ohne eine klare Absprache mit den Verantwortlichen getroffen zu haben, wie genau es weitergeht oder was die nächsten Schritte sind. Aber nach Aussage der CSO-Mitarbeiter*innen wäre schon alles geklärt und sie wüssten, was zu tun sei. Danach ging es direkt in eine größere Stadt, um einen wichtigen Politiker zu treffen. Hier mussten wir sehr lange in seinem Vorzimmer warten, da er noch in einer anderen Besprechung war. Unsere Mägen knurrten, da wir alle nur gefrühstückt hatten. Die Mitarbeitenden der CSO sprachen darüber, dass sie es zwar anstrengend finden, in einer solchen Situation zu warten, dass sie dies aber sehr gerne machen und es als Teil ihrer Arbeit begreifen. Sie betonten, dass dies nichts mit Unhöflichkeit ihnen gegenüber zu tun habe, sondern eine so wichtige Person nun mal sehr beschäftigt ist und es dafür viel Verständnis gibt. Bei dem Treffen wurden T-Shirts übergeben, welche für das Programm der CSO werben sollen mit der Bitte, dass diese an bestimmte Personen verteilt werden. Die Beziehung zu dem Politiker ist wohl persönlich und aufgrund der langen Zusammenarbeit sehr gut. Der Karton mit den T-Shirts wurde jedoch erstmal in eine Kammer mit anderen Kartons gestellt.

Danach gab es dann endlich etwas zu essen: in einem Restaurant, in dem es das beste Hühnchen der Region gibt, denn die Hühnchen auf dem Land schmecken nach einstimmiger Aussage der Personen, mit denen ich unterwegs war, einfach besser als die Hühnchen, die es in Nairobi zu kaufen gibt. Dies war nicht das einzige Essen, das wir geteilt haben. So haben wir auch im Hotel zusammen gegessen und uns nach den Arbeitstagen an der Bar getroffen, um uns zu unterhalten. Vereinzelt sind Personen auch noch in der Stadt feiern gewesen. Auch den Pool haben wir nach Feierabend oder am Morgen, bevor es in die Dörfer ging, ausgiebig genutzt. Eine zugegebenermaßen willkommene Erfrischung (auch wenn es relativ kühl werden kann), aber vor allem auch eine schöne Ablenkung.

Diese Erlebnisse fanden ungefähr in der Mitte meines Forschungsaufenthaltes statt. Auch wenn ich mich bereits vorher mit Fragen zur Macht – in Bezug auf meine Rolle als Forscherin, zwischen den Akteur*innen und in einem globaleren Kontext – auseinandergesetzt habe, waren es doch immer wieder Situationen wie diese, welche mich erneut zum Nachdenken angeregt haben. An den vielen einzelnen Beispielen, an denen das Thema der Macht in seiner Vielschichtigkeit deutlich geworden ist, zeigt sich auch, wie wichtig es ist, ein Verständnis davon zu haben, was unter Macht zu fassen ist. Dies wird im folgenden Kapitel erläutert.

2.3 Machttheorien und Diskurse

Diese Geschichte zeigt ein paar der Situationen, wie ich sie während meiner Forschung oft erlebt habe. Sie zeigt das Spannungsverhältnis, in dem ich als Forscherin stehe. Es ist ein Spannungsverhältnis zwischen Freizeit und Arbeit, zwischen verschiedenen Themen und Rollen, aber auch zwischen Fremdsein und sich angenommen fühlen. Diese Spannungen sind auf die inhärente und nicht ausgeglichene Machtbeziehung zwischen Forschenden und Akteur*innen im Feld zurückzuführen (Cronin-Furman & Lake, 2018, S. 610). Dieses asymmetrische Ungleichgewicht (Knott, 2019, S. 144) liegt darin begründet, dass die forschende Person die Macht über das Feld hat: indem zum Beispiel von Beginn an eine Forschungsfrage identifiziert, das Feld festgelegt, methodische und theoretische Zugänge gewählt und mit bestimmten Verfahren die Daten ausgewertet werden (Engwicht et al., 2019, S. 2; Malejacq & Mukhopadhyay, 2016, S. 1013; Menzel, 2015, S. 60). Diese Spannungsverhältnisse sind in der Arbeit einer forschenden Person normal. Es ist jedoch wichtig, sie im Forschungsprozess zu reflektieren, da sie Einfluss auf die Forschung und die Ergebnisse haben können. Dabei ist es wichtig, dass eine Reflexion mehr ist als das bloße Benennen einer Problematik, mehr als das bloße Bewusstwerden über eine Problematik. Eine Reflexion ist vielmehr ein fortlaufender Prozess, welcher vor, während und nach der Forschung stattfindet. Im Idealfall führt er zu direkten Handlungen und hat Auswirkungen auf das eigene Verhalten im Feld und auf den Forschungsprozess. „Critical reflection is the researcher’s ongoing assessment of how the research is unfolding in terms of research goals, strategies, design, and any modifications the researcher has made along the way“ (Fujii, 2015b, S. 1148). In diesem Fall der Forschung spielt noch eine weitere Machtkomponente eine wichtige Rolle: denn es handelt sich um die Forschung einer weißen Forscherin aus dem Globalen Norden in einem Land des Globalen Südens. Hierbei muss die Nord-Süd-Forschung besonders mit „Hinblick auf bestimmte sozial-konstruierte Machtgefälle sowie ethische und praktische Herausforderungen“ (Ruppel & Sander, 2019, S. 19) hinterfragt werden. Es ist wichtig, sich seiner eigenen Rolle, der eigenen Positionierung, seines eigenen Einflusses auf das Feld und der Mächtigkeit der eigenen Rolle bewusst zu werden und zu verstehen, welche Auswirkungen diese Aspekte auf die Forschung haben. Allein schon die Möglichkeit, dass ich als Person aus einem anderen Land Forschung betreiben und mich frei bewegen kann, zeigt die Macht, welche meine Rolle innehat. Aber gerade auch die Szenen aus der Forschungsgeschichte, in denen ich in einem guten, teuren Hotel mit Pool lebe, welches in einem krassen Gegensatz zu dem steht, wie die Menschen vor Ort leben, bei denen wir zu Besuch waren, beschreiben sehr eindeutig meine privilegierte Position. Ebenso tun dies die Beispiele, in denen Personen Fotos mit mir machen möchten oder mich die Friedensfachkräfte als Attraktion beschreiben, welche eventuell auch einen Nutzen für die Arbeit haben kann. Hier ist es meine Aufgabe, mich als Forscherin in dem bestehenden Machtgefälle zu platzieren und meine Rolle in Relation zu postkolonialen Bezügen und Machtstrukturen zu reflektieren. Dazu ist ein Blick auf die epistemische Gewalt, also das Wissen, welches ich als Forscherin produziere, ebenfalls wichtig (Brunner, 2020). Eine genaue Auseinandersetzung mit diesen Spannungsverhältnissen und der damit einhergehenden Rolle von Macht findet unter Bezugnahme auf die folgenden machtheoretischen Darstellungen immer wieder statt.

Die Geschichte zeigt aber auch die Arbeit von ZFD-Fachkräften (egal ob sie aus Deutschland kommen oder eine der wenigen lokalen Fachkräfte sind) und der lokalen Partner*innen und die Spannungsverhältnisse, in denen sie arbeiten: zwischen arm und reich, urban und rural, persönlicher und professioneller Meinung, zwischen verschiedenen Ansichten, zwischen lokaler Organisation und geldgebender Organisation. Auch in diesen Spannungsverhältnissen spielt Macht eine besondere Rolle. Deswegen wird im Folgenden vertieft auf Macht und diese Konstruktion eingegangen.

Dazu eignet sich besonders ein postkolonialer Blick auf die Situation, da er die Reproduktionen kolonialer Dynamiken und Hierarchien in der Friedensarbeit betrachten kann (Fernández & Guerra, 2020, S. 1) und zunächst selbstverständlich wirkende Aussagen oder Handlungen genauer betrachtet und hinterfragt (Engels, 2014, S. 132). Dabei spielt die Betrachtung von Macht eine entscheidende Rolle. Macht ist divers und zeigt sich in verschiedenen Bereichen. Aram Ziai fasst die theoretische Diskussion um Macht mit postkolonialen Bezügen dabei sehr gut zusammen. Laut Ziai gibt es bestimmte Exlusionsprozesse, Machtgefälle oder Gewaltverhältnisse, die aus weiterhin bestehenden westlich-kolonialen Narrativen entstehen. Diese lassen sich wie folgt unterteilen und werden in dem folgenden Kapitel immer wieder aufgenommen: „1) Naturalization, 2) Othering, 3) Legitimization, 4) Hierarchization, 5) Depolitization, 6) Appropriation“ (Ziai, 2015, S. 8).

Um eine Diskussionsgrundlage zu schaffen, ist es jedoch wichtig, den Begriff Macht zu definieren. Dazu eignet sich besonders der Machtbegriff von Foucault für die Untersuchung von Macht in CSO. Denn dort wird Macht auch über andere Kanäle gesteuert als zum Beispiel bei internationalen Organisationen oder in militärischen Einsätzen und oft funktioniert sie viel indirekter. Dennoch, auch in lokal verankerten Friedensprozessen, die extern begleitet oder unterstützt werden, gibt es Herausforderungen und Probleme, welche besonders das Thema Macht hervorrufen, denn auch in dieser Zusammenarbeit streben CSOs danach, das Verhalten anderer zu kontrollieren und bedienen sich zu diesem Zweck symbolischer und normativer Techniken (Barnett & Weiss, 2008, S. 40). „Although humanitarianism is frequently presented as devoid of power, this claim represents both a comfortable myth that aid workers tell themselves and simultaneously helps manufacture their power, which rests on their authority‟ (Barnett & Weiss, 2008, S. 38). Geber*inneninstitutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen benötigen oft andere Betrachtungsmechanismen, da sie anders aufgebaut sind und anders funktionieren. Um sich den Fragen der Macht in der ZKB und den handelnden Organisationen und Akteur*innen zu nähern, ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf die Handlungen und die sozialen Auswirkungen zu richten. Um sie zu verstehen und zu bewerten, wird ein theoretisches Instrument benötigt, das sich auf die Realitäten von CSOs als Institutionen stützt und die verschiedenen Beziehungen von der lokalen bis zur globalen Ebene untersucht (Schuller, 2012, S. 181). Dies kann durch eine Konzeptualisierung und Betrachtung von Macht mit dem Konzept Foucaults geschehen.

Im Sinne Foucaults ist es wichtig, drei Arten von Macht zu unterscheiden: souveräne, disziplinarische und staatliche (Regierungsgewalt) (Foucault, 1980). Während demnach souveräne Macht durch Repression und Gesetze wirkt, wirkt disziplinarische Macht durch wiederholte Praktiken und Konditionierung. Regierungsgewalt bezieht sich auf die Verhaltensweise und betont damit den freien Willen des Individuums als Objekt der Machtverhältnisse. Nach Foucault wird Macht im Allgemeinen durch die Produktion von Wissen und durch die Strukturierung möglicher Handlungsfelder ausgeübt (Foucault, 1982, 785 f.). Macht bedeutet in dieser Sichtweise nicht notwendigerweise die Fähigkeit, jemanden zu etwas zu zwingen. Denn Macht ist auch dort vorhanden, wo individuelle Entscheidungen freiwillig in einem Handlungsfeld getroffen werden, das in einer bestimmten Weise strukturiert ist, oder wo ein Diskurs nur bestimmte Möglichkeiten der Konstruktion sozialer Wirklichkeit bietet (Foucault, 1982). Generell unterscheidet Macht im Verständnis Foucaults nicht zwischen Herrschenden und Beherrschten, auch bündelt sich Macht nicht im (weberianischen) Staatsapparat, sondern formt und konstituiert alle gesellschaftlichen Beziehungen (Foucault & Ewald, 1978, S. 39). Somit wird mit Foucault Macht außerhalb der klassischen Weber'schen „Macht über die Entscheidungen eines anderen“ (Weber, 1921) als eine Frage der Macht über oder innerhalb der Strukturen definiert, die die soziale Existenz ausmachen. Nach dieser Definition ist Macht allgegenwärtig und omnipräsent (Foucault, 1982). Macht soll hier also definiert werden als die Strukturierung oder Umstrukturierung von Handlungsfeldern im politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder ökologischen Bereich. Sie zielt auf die Veränderung der Praktiken von Individuen ab und kann ausgeübt werden durch souveräne, disziplinarische oder staatliche Mechanismen (Ziai, 2009, S. 185). Dabei schließt Macht nicht nur bestimmte Handlungen oder Informationen aus, sondern kann auch produktiv eingesetzt oder verstanden werden, indem sie bestimmte Verhaltens- oder Wissensweisen schafft. In ihrer negativen oder repressiven Form wird Macht als eine Kraft verstanden, die begrenzt, kontrolliert, verbietet, maskiert, sich zurückzieht, bestraft, ausschließt und unterdrückt. Nach Foucaults Argumentation ist jedoch davon auszugehen, dass Macht in erster Linie positiv und produktiv ist und nicht restriktiv, sie allgegenwärtig und nicht lokalisiert ist (DuBois, 1991, S. 5). Das Besondere an Foucaults Konzeptualisierung von Macht ist die Behauptung, dass Macht eine positive oder produktive Kraft ist (DuBois, 1991, S. 5). Wie dieser Ansatz in der Friedensarbeit genutzt werden kann, wird in Kapitel 8 und in dem Konzept von Frictions (als positive Spannungen oder Reibungen in der Zusammenarbeit) in Abschnitt 3.4 erläutert.

Der Aspekt der Macht wurde in der kritischen Friedensforschung eingefordert (Debiel & Rinck, 2016, S. 250) und verstärkt in der Entwicklungsforschung diskutiert. Hier gibt es schon lange Debatten, die Entwicklungszusammenarbeit zu dekolonialisieren (Leach, 2018, S. 6) und diese müssen nun auch für die Friedensarbeit wichtig gemacht werden. Dabei ist vor allem der Aspekt wichtig, dass die Länder des Globalen Südens lange Zeit als sogenannte „Dritte Welt“ beschrieben wurden, welche sich entwickeln müssen, um mit der sogenannten „Ersten Welt“ mitzuhalten. Die Länder werden dabei in dem Sinne als unterentwickelt beschrieben, als dass sie alles verkörpern würden, was der Globale Norden nicht ist: machtlos, passiv, arm, unwissend, dunkel, ungebildet (Escobar, 2012 [1995], S. 8), deswegen sei eine Entwicklung mithilfe des Globalen Nordens notwendig. Auch in der Friedensarbeit spielt, wie die Kapitel 3 und 4 zeigen, die Anpassung an Vorstellungen des Globalen Nordens im Sinne eines liberalen Friedens eine wichtige Rolle. Durch diese verschiedenen Konzepte und Aussagen sind bestimmte Diskurse entstanden, die Europa in Abgrenzung zu „den Anderen“ beschreiben. Diese Entstehung von „Anderen“ in Abgrenzung zum Globalen Norden zeigt sich immer wieder dadurch, dass diese als entmachtete oder hilfsbedürftige Akteur*innen dargestellt werden und postkoloniale Forscher*innen zu Recht fragen, ob diese überhaupt Gehör finden (Spivak, 2008). Dabei kommt es zum „Othering“ (Ziai, 2015, S. 9), zu einer Konstruktion eines „guten“, westlichen „wir“ und eines „hilfsbedürftigen“ Anderen. Gleichzeitig stellt das „Othering“ die Basis der Legitimation (Ziai, 2015, S. 10) dar. Da es gilt, die „Anderen“ zu befrieden oder zu entwickeln und dies nur durch eine externe Einwirkung geschehen kann, entsteht Legitimation für das Handeln. Gleichzeitig wird dadurch davon ausgegangen, dass das vor Ort vorhandene Wissen nicht ausreicht, um zum Beispiel eine Befriedung zu erreichen und dass das extern hineingetragene Wissen das „richtige“ ist, um zum Wohle der lokalen Personen zu handeln, oft unabhängig von den jeweiligen Situationen vor Ort („Hierachization“ und „Depolitization“) (Ziai, 2015, S. 12). Besonders mit Bezug auf Wissen wird die epistemische Gewalt wichtig (Brunner, 2020; Foucault, 2015). Dieser Begriff bezeichnet allgemein Gewaltformen und damit auch Macht und Herrschaft, welche mit Wissen zu tun haben. Es wird also auf die Selbstverständlichkeit geschaut, mit der Wissen genutzt und reproduziert wird, wie durch Wissen Normen und Handlungen geschaffen werden. Dadurch kann eine Verbindung zwischen verschiedenen Formen von Gewalt stattfinden. „Epistemische Gewalt ist also nicht einfach eine unter vielen, nebeneinander existierenden, Formen von Gewalt. Sie ist jener immer noch imperialen Weltordnung, in der sich Gewalt auch heute ereignet, zugrunde gelegt“ (Brunner, 2020, S. 17). Dabei kann sowohl das Wissen gemeint sein, welches ich als Forscherin im Forschungsprozess gewinne und wie ich es weitergebe (Brunner, 2020, S. 9), aber auch Wissen, welches im ZFD Anwendung findet.

Um sich dem Thema Macht in der ZKB zu nähern, ist es zunächst von Bedeutung, dass der Prozess der Konfliktbearbeitung stärker als Diskus geführt wird. So können die Bedeutungen und Machtgefälle, welche sich im Forschungsfeld präsentieren, besser erfasst werden. „Ein Diskurs ist eine Gruppe von Aussagen, die eine Sprechweise zur Verfügung stellen, um über etwas zu sprechen – z. B. eine Art der Repräsentation –, eine besondere Art von Wissen über einen Gegenstand“ (Hall, 1994, S. 150). Wichtig ist dabei, dass es keine konventionelle „Unterscheidung zwischen Denken und Handeln, Sprache und Praxis“ (Hall, 1994, S. 150) gibt, sondern eine diskursive Praxis produziert wird, welche sich in allen sozialen Handlungen finden lässt. Dadurch ist ein Diskurs mehr als nur Sprache und geht in Handlungen, Praktiken und Denken über. Somit wird im Fall von Escobars Ausführungen, welche auf Entwicklung zugeschnitten sind, aber auch auf Friedensarbeit übertragbar sind, ein Diskurs, als „sets the rules that must be followed for this or that problem, theory or object to be named, analyzed and eventually transformed into a policy or a plan“ (Escobar, 2012 [1995], S. 41) definiert. Ähnliche Definitionen sehen Diskurse als „ensemble[s] of ideas, concepts, and categories through which meaning is given to phenomena“ (Gasper & Apthorpe, 1996, S. 2) oder auch als „more or less coherent sets of references that frame the way we understand and act upon the world around us“ (Hilhorst, 2003, S. 8). Der Diskurs ist also eine kollektive Praxis der Ordnung und des Framings in den Köpfen der Akteur*innen, die versuchen, komplexe Themen zu organisieren und Sinn für ihre Erfahrungen zu gewinnen. Doch gerade durch diese Vereinfachung der Komplexität können wichtige Teile der Realität verloren gehen oder es kann die Aufmerksamkeit von ihnen abgelenkt werden. Vereinfachung impliziert immer ein gewisses Maß an Ausgrenzung und führt tendenziell dazu, dass die eigentliche Komplexität, die ihr zugrunde liegt, in den Hintergrund rückt (Mol & Law, 2006). Wichtig ist jedoch, dass der Diskurs nicht nur ein systematisierter Wissensbestand, eine Art, über unsere Welt zu sprechen ist, sondern Diskurse Auswirkungen auf die Welt haben (van Leeuwen, 2009, S. 9). Somit wird der Diskurs zu einer sozialen Praxis, die durch alltägliche Bedingungen und Aktivitäten produziert wird und somit ständig Veränderungen unterworfen ist (Gardner, 1997). Darüber hinaus gibt es eine Dualität des Diskurses: Auch wenn Diskurse auferlegt oder strategisch eingesetzt werden, erhalten sie lokale Bedeutung (Hilhorst, 2003, S. 100). Dies zeigt das eingangs angeführte Beispiel schon recht anschaulich, wenn man die Handlungen der ZFD-Fachkräfte und lokalen und internationalen Organisationen betrachtet. Alle Personen im ZFD agieren unter bestimmten Handlungsmaximen, welche in Deutschland zum Teil gemeinsam mit den Partner*innen erarbeitet wurden und durch das BMZ, das Auswärtige Amt (AA), das Konsortium ZFD, die Organisationen und Landesstrategien festgeschrieben wurde – so zumindest die Idealvorstellung. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass es Ausnahmen, Abweichungen und Anpassungen gibt. Diese Festschreibungen sind zunächst auf Grundlage von bestimmten Diskursen entstanden – zum Beispiel dem Diskurs um das Verständnis von Frieden oder dem Diskurs um lokale Verankerung der Friedensarbeit. Dabei sind sie jedoch in ihrer Umsetzung nicht hermetisch, sondern lassen Raum für Dissens und Aushandlungen. Diese abstrakten Regeln werden durch ihre Umsetzung in den ZFD-Projekten dadurch auferlegt, dass sich die Projekte an bestimmte Richtlinien und Vorgaben halten müssen und dadurch lokal Bedeutung erhalten. Diese Bedeutung entsteht oftmals in den Handlungen und wird dabei produziert, wie das Beispiel der Teilnehmendenliste gezeigt hat (Ziai, 2015, S. 15). Infolgedessen kann ein Diskurs eine bestimmte politische Ordnung legitimieren, bestehende Machtverhältnisse aufrechterhalten und Ungleichheiten verewigen (Fairclough, 2010, S. 107).

Ein Diskurs konstituiert immer Macht, indem er bestimmte Arten, die Welt zu verstehen, in den Mittelpunkt stellt (Grillo, 1997, S. 12; van Leeuwen, 2009, S. 9). Allgemein heben konstitutive Effekte die soziale Konstruktion der Wirklichkeit hervor; zeigen, wie Diskurse und Handlungsfelder die Aktivität erleichtern und einschränken; bestimmen, wie das Mögliche und Unmögliche definiert werden; formen, was als normal und natürlich gilt (Ziai, 2015, S. 8); definieren, welche Kategorien von Handlungen als wünschenswert gelten; beeinflussen, um bestimmte Ziele zu erreichen und bestimmen, was als zu lösendes Problem gewertet wird und wer es am besten lösen kann (Hayward, 2000, 30 ff.). Da diese Diskurse es ermöglichen, auf die eine oder andere Weise zu denken und zu handeln, und da sie einige Akteur*innen privilegieren und andere entmachten, haben sie unterschiedliche und höchst unausgewogene Auswirkungen. In dieser Sichtweise konstituiert sich der Humanitarismus, in dem viele CSOs in der ZKB arbeiten, sowohl durch den zugrundeliegenden Diskurs als auch durch konstitutive Effekte, die soziale Realität schaffen, definieren und abbilden (Barnett & Weiss, 2008, S. 41; Hayward, 2000, 30 ff.). Ein Großteil der Diskurstheorie befasst sich mit der Frage, wie bestimmte Darstellungen der Welt hegemonial und dominant werden, wenn es darum geht, die Art und Weise zu gestalten, wie die Realität vorgestellt und umgesetzt wird, während andere Denkweisen überschattet oder sogar disqualifiziert werden. Verschiedene Autor*innen haben diese Vorstellung von dominanten Diskursen jedoch relativiert und argumentieren, dass es immer mehrere Diskurse gibt, deren relative Bedeutung sich verändert und ständig neu verhandelt wird (Chiapello & Fairclough, 2002; Gardner, 1997; Grillo, 1997; Hilhorst, 2003). Zwar wurde diese Kritik bereits in den 1990ern geäußert, doch zeigt sich in der Praxis auch, dass bestimmte Diskurse gerade in der Entwicklungs- und Friedensarbeit immer noch existieren und zumindest Teile der gegenwärtigen Nord-Süd-Beziehungen dominieren. Dies ist zum Beispiel die Vorstellung, dass Personen aus dem Globalen Norden mit ihrem Wissen und ihrem Handeln Akteur*innen in Ländern des Globalen Südens unterstützen können (auch wenn dies vermeintlich partnerschaftlich geschehen soll). Hier zeigt sich eine Art von Gewalt, welche über Diskurse auch im ZFD zu finden ist. Dies liegt auch daran, dass die grundlegende Architektur des Diskurses unangetastet bleibt, solange sich Geber*innen aus dem Globalen Norden weiterhin berechtigt fühlen, ihre Vorstellungen im Globalen Süden umzusetzen. Dies liegt daran, dass Diskurse durch die unbeabsichtigten, nicht reflektierten Folgen alltäglicher Routinepraktiken reproduziert werden können (Fairclough, 2010). „Diese Universalisierung der partikularen eurozentrischen Perspektive tendiert aus epistemologischen und politischen Gründen dazu, (post-)koloniale Hierarchien zu reproduzieren und gewaltdurchdrungene Normalitäten von Macht und Wissen zu bestätigen“ (Brunner, 2018, S. 30). Eingebettet in historische und soziale Prozesse, die den Wenigen auf Kosten der Vielen materiell zugutegekommen sind, verfügen sie über eine Realität, die über „Diskurse und Praktiken“ (Escobar, 1991, S. 659) hinausgeht und politische, wirtschaftliche und soziale Konsequenzen für Individuen hat. Wenn sich sowohl Wissenschaftler*innen als auch Praktiker*innen nicht vertieft der Analyse ebendieser Diskurse widmen und Verantwortung dafür übernehmen, dass die eigene Arbeit auch auf einer Macht- und Privilegienposition beruht, die die Ergebnisse und Vorstellungen prägt (Escobar, 1991, S. 662), kann die Vorstellung von einer partnerschaftlichen Arbeit auf Augenhöhe immer weiter als bloßes Konstrukt bestehen bleiben.

Die Macht ist gleichzeitig überall und nirgendwo (Schuller, 2012, S. 182) und das macht es so schwierig, sie zu fassen und zu analysieren. Dies gilt insbesondere dort, wo in Friedensprozessen partnerschaftlich zwischen lokalen und internationalen Akteur*innen zusammengearbeitet wird. Wie in dem Beispiel aus Kenia geschildert, sind dabei in den Friedensprozessen verschiedene Partnerschaften möglich: zwischen dem ZFD und den lokalen Organisationen, zwischen den verschiedenen Fachkräften, zwischen den lokalen Organisationen und Menschen, mit denen sie arbeiten, zwischen dem ZFD und den Menschen, mit denen sie arbeiten, aber auch zwischen dem ZFD und den lokalen Organisationen und externen Akteur*innen, wie zum Beispiel bei Politiker*innen. Hier gibt es so viele verschiedene Ebenen von Macht, die eine klare Abbildung schwierig machen, da sie nicht nur von allgemeinen Diskursen, sondern auch von persönlichem Handeln, was durch die Diskurse geprägt ist, abhängig sind. Das Handeln von CSOs ist überaus ambivalent. So drängen sie einerseits auf Wandel und Veränderungen in den Regionen und den globalen Verhältnissen, doch gleichzeitig erzeugt ihr eigenes Handeln oft das Gegenteil, nämlich die Stabilisierung der Dominanz des Globalen Nordens (Gebauer, 2007, S. 205). Dies zeigt sich auch in dem eingangs geschilderten Beispiel. So ist das Ziel des Programmes, dass vor Ort ein Wandel stattfindet, ein Wandel im Sinne von Verhaltensänderungen. Gleichzeitig ist das System jedoch so ausgelegt, dass dafür vorher Trainings und Ausbildung in den Regionen stattfinden müssen, welche von internationalen CSOs durchgeführt werden. Viele Initiativen zur Unterstützung der friedensfördernden Arbeit lokaler Organisationen basieren auf einer idealistischen Wahrnehmung der Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft wird oft als überparteilich dargestellt, als a-politische Kraft, die versucht, die Konfliktparteien zu versöhnen. Dabei wird übersehen, dass die Praktiken der Friedenskonsolidierung nicht nur ein Ergebnis der Politik sind, sondern sich auch aus den Organisationspraktiken von Menschen innerhalb einer Organisation entwickeln (van Leeuwen, 2009, S. 5). Foucaults Schriften fordern, Aufmerksamkeit genau auf jene Prozesse und Aktivitäten zu richten, die als neutral und unabhängig dargestellt werden, um aufzudecken, wie Macht durch solche Praktiken verschleiert oder nicht beachtet wird (Foucault, 1980).

Die Machtdynamik zwischen lokalen und internationalen Akteur*innen ist nach wie vor ungleich. Von den Beschränkungen hinsichtlich der Mittelverwendung für Entscheidungen über die Ausbildung bis hin zum Zeitpunkt und zur Strategie des Ausstiegs – lokale Akteur*innen hatten bisher wenig bis gar keine Stimme in Entscheidungsprozessen (Leach, 2018, S. 4). Auch in dem geschilderten Beispiel Kenia war es der ZFD als Gesamtorganisation, welcher sich dem übergeordneten Thema genähert hat, sodass die Handlungen nun in diese Gesamtstrategie passen müssen. Zwar ist das in dem oben geschilderten Fall gut möglich, da die lokale CSO ebenfalls auf das Thema spezialisiert ist, jedoch gibt es, wie die Empirie in Kapitel 8 zeigt, auch andere Beispiele. Auch wird dieses Machtungleichgewicht weiter bestärkt von dem Faktor, dass die Mitarbeitenden der lokalen CSOs und des ZFD dies hauptberuflich machen und dafür Geld erhalten. Die lokalen Personen vor Ort machen dies jedoch ehrenamtlich. Ein Thema, welches bei einem der Treffen vor Ort stark diskutiert und in Frage gestellt wurde – nicht so sehr von den Ehrenamtlichen selbst, sondern von anderen anwesenden Personen. So bleibt die „dualistische Grundstruktur des kolonialen Diskurses […] trotz Wegfall des offen rassistischen Elements enthalten“ (Ziai, 2013, S. 17). Die Teilung in zivilisiert/unzivilisiert wird ersetzt durch entwickelt/unterentwickelt oder auch durch friedlich/unfriedlich. Dies wird ebenfalls deutlich, wenn man sich das Werk „Die Verdammten dieser Erde“ von Frantz (Fanon, 1981) anschaut, der aus einer panafrikanischen, antikolonialen Perspektive schreibt. Dabei geht er auf die koloniale Gewalt, koloniale Handlungen und die Beziehung zwischen Kolonialisierenden und den Kolonisierten ein, die sich in gewalttätiger Unterdrückung zeigt. „The feeling of inferiority of the colonized is the correlative to the European’s feeling of superiority. Let us have the courage to say it outright: It is the racist who creates his inferior‟ (Fanon 1967, 69). Auch in der heutigen internationalen Zusammenarbeit und Friedensarbeit lassen sich Elemente dieser Unterdrückung und Selbstentfremdung finden. Friedenskonsolidierung kann so interpretiert werden, dass sie von einer kolonialen Rationalität angetrieben wird, bei der der Imperativ zu regieren der Praxis vor Ort vorausgeht und diese beeinflusst. Dies ermöglicht unter Verwendung von Hybrid- und Agency-Ansätzen eine Differenzierung: einerseits die koloniale Rationalität, die den Regierungspotenzialen externer Interventionen Vorrang einräumt, und andererseits eine postkoloniale Rationalität, die ihren Diskurs aus der postkolonialen Internationale ableitet und damit der Politik der Selbstbestimmung Vorrang einräumt (Jabri, 2013, S. 3). Die Hegemonie der Friedenskonsolidierung manifestiert sich also institutionell und als Norm, sie manifestiert sich als wissenschaftliches Forschungsprogramm.

Im Zuge der Diskussion um Macht, Diskurse und Akteur*innen in der Friedensarbeit ist es auch wichtig, das Konzept des Paternalismus zu diskutieren, welches hier als Teil einer postkolonialen Diskussion verstanden wird. Paternalismus ist „the interference with a person’s liberty of action justified by reasons referring exclusively to the welfare, good, happiness, needs, interests or values of the person being coerced“ (Dworkin, 1972, S. xx). Dabei ist es wichtig, die Definition von Seana Shiffrins mitzudenken, die nicht die Einmischung in die Interessen eines oder einer anderen Akteur*in betont, sondern vielmehr die Einmischung in den eigentlichen Autonomie- und Beurteilungsbereich eines oder einer anderen Akteur*in (Shiffrin, 2000). Dabei sind folgende Punkte relevant, gerade um Paternalismus zu beobachten und zu erforschen: Erstens ist eine notwendige Bedingung, dass die Motivation ganz oder teilweise durch Mitgefühl, Fürsorge und Wohlwollen getragen ist. Zweitens gibt es die zugrunde liegende Annahme, dass das Objekt der Bevormundung nicht in der Lage ist, eine informierte Entscheidung zu treffen. Drittens wird geschlussfolgert, dass das Urteil eines Akteurs oder einer Akteurin besser ist als das der Betroffenen. Viertens hat der oder die Paternalist*in oft, aber nicht immer das Gefühl, dass er oder sie eine bestehende Pflicht oder Verantwortung zu tragen hat (Barnett, 2015, S. 221). So kommt es häufig vor, dass diejenigen, die sich als solidarisch mit anderen bekennen, beschuldigt werden, in Paternalismus abzugleiten. Sie haben es demnach versäumt, den Ansichten derer, denen sie helfen wollen, richtig zuzuhören und stattdessen einseitig ihr eigenes Urteil an die Stelle des Urteils der anderen gesetzt, da sie davon ausgehen, dass sie die Interessen derer kennen, denen sie helfen wollen, ohne jemals danach zu fragen.

„The paternalistic aspect consists in the claim that it is legitimate for private and public institutions to attempt to influence people’s choices and preferences, even when third-party effects are absent. […] In our understanding, a policy therefore counts as ‘paternalistic’ if it attempts to influence the choices of affected parties in a way that will make choosers better off‟ (Sunstein & Thaler, S. 1162).

Auch hier lässt sich wieder auf das eingangs erläuterte Beispiel zurückkommen. Dadurch, dass Konflikte, welche in einem bestimmten Ort stattfinden, nun mit von internationalen und lokalen CSOs vermittelten Konfliktlösungsmechanismen behoben werden, findet eine Einmischung in Autonomiebereiche der jeweiligen lokalen Strukturen statt, in denen oft die Ältesten das Organ der Rechtsprechung stellen oder polizeiliche Strukturen vorhanden sind. Dabei wird Paternalismus nochmal deutlicher, wenn man bedenkt, dass nicht nur ein erfolgreich gelöster Konflikt als erfolgreicher Ausgang gesehen wird. Vielmehr wird Erfolg auch an den Standards gemessen, welche durch die Trainings der CSOs vorgegeben werden und von den Akteur*innen vor Ort mithilfe der lokalen und internationalen CSOs umgesetzt und zum Teil verinnerlicht wurden. Wie einer der Mitwirkenden vor Ort in der Reflexion des Prozesses sagte: Es ist beeindruckend, wie professionell die CSOs aus Nairobi in diesem Verfahren arbeiten und welche Materialien und Ressourcen sie zu uns bringen.

2.4 … und sie lebten glücklich und zufrieden – Übertragung der Machttheorien auf ein Beispiel meiner Forschung

Nachdem nun die Geschichte erzählt wurde und eine Einführung in die theoretischen Diskussionen um Macht stattgefunden hat, wird beides zusammengeführt. Es sei anzumerken, dass an dieser Stelle nur eine erste Zusammenführung stattfindet und noch keine tiefergreifende Interpretation. Diese findet in dem empirischen Teil der Arbeit in Kapitel 8 statt.

Zum einen gibt es Situationen, in denen die ZFD-Mitarbeitenden als Personen aus der Stadt auftreten, die für oder mit einer internationalen CSO arbeiten und eine bestimmte Rolle innehaben, welche eine gewisse autoritäre und disziplinarische Macht mit sich bringt. Dies sind Situationen wie zum Beispiel die Anreise per Flugzeug, begleitet vom Tragen bestimmter Kleidung (High Heels und Kostüm), das Wohnen in einem sehr guten Hotel oder das Verteilen von Plastikflaschen an die Kinder. Diese Handlungen heben die ZFD-Fachkraft, aber auch die lokalen Partner*innen in eine mächtigere Position als die Menschen vor Ort, mit denen sie arbeiten. Durch eine Wiederholung dieser Handlungen manifestiert sich dieses Bild. Gleichzeitig wird die Asymmetrie der Beziehung weiter verdeutlicht, wenn der Fakt bedacht wird, dass die Personen vor Ort ihre Arbeit ehrenamtlich machen beziehungsweise ein Mittagessen und eine Aufwandsentschädigung dafür erhalten, während die Personen aus Nairobi dafür bezahlt werden. Dass dieses asymmetrische Machtgefälle auch bewusst genutzt wird, zeigt sich zum Beispiel an der Flaschensituation – die Flaschen werden auch verteilt, um in guter Erinnerung zu bleiben – oder in den Situationen, in denen es immer wieder Hinweise gab, dass sie durch meine Anwesenheit als weiße Person mehr Aufmerksamkeit erhalten und dies als gut bewertet wurde. Sicherlich wurden diese Aussagen aus einer bestimmten Situation heraus halb scherzhaft getroffen. Dennoch zeigen die Situationen, wie Diskurse in Handlungen übergehen. Und auch wenn Macht hier nicht bewusst als Instrument eingesetzt wird, so geschieht dies zumindest unterbewusst in Handlungen oder Aussagen, welche durch das Arbeiten und Leben in einem bestimmten System verinnerlicht wurden. Handlungen, welche aus diesem System heraus entstehen, lassen sich auch finden, wenn den ehrenamtlich Leitenden vor Ort Ratschläge gegeben werden, obwohl das Programm bereits begonnen und sie selbstständig Vorarbeit geleistet haben, und die ZFD-Mitarbeitenden generell zur Überprüfung des Vorgehens anwesend sind. Dies zeigt eine Bevormundung der Personen vor Ort und eine Einmischung in lokale Autonomiebereiche. Daran sind nicht die Personen schuld, die für den ZFD arbeiten, beziehungsweise kann ihnen nicht die Schuld daran gegeben werden. Vielmehr ist es das System des ZFD oder der Entwicklungshilfe oder Friedensarbeit generell, welches so funktioniert. So wird die Weiterführung der Kolonialität von Macht, Wissen und Sein sehr deutlich (Brunner, 2020, S. 42). Wie bereits geschildert, zeigt sich im ganzen Programm zur lokalen Konflitklösung deutlich, dass bestimmte Vorstellungen und Ideen, welche von außen hineingetragen wurden, nun lokal implementiert werden und ein Wandel hin in eine bestimmte Richtung bewirkt werden soll. Dabei finden Überprüfungen statt. Dies hat auch etwas mit disziplinarischer Macht zu tun. Es werden bestimmte finanzielle Mittel ausgegeben, um vor Ort etwas zu ermöglichen. Dies wird von den Geber*innen überwacht und nachvollziehbar gemacht und drängt die Personen, die es lokal implementieren, in eine Rolle der Nicht-Mächtigen über den Prozess. Dass Macht jedoch auch bewusster und disziplinarisch eingesetzt wird, zeigt sich zum Beispiel daran, dass Teilnehmendenlisten unterschrieben werden müssen und es Pflicht ist, bei der Veranstaltung ein entsprechendes Banner aufzuhängen, das gut auf Fotos sichtbar ist.

Neben diesen Situationen gibt es noch weitere Momente, in denen Macht deutlich wird – die Friedensfachkraft, die nur deutsche Musik hört, das Zuspätkommen zur Verhandlung und das gleichzeitige lange warten auf einen Politiker, die Aussage, dass Hühnchen auf dem Land besser schmeckt etc. Allein diese Situationen zeigen, wie komplex das Thema Macht in der Friedensarbeit ist, wie es sich teilweise sehr offen und wo es sich aber auch versteckt zeigt. Auch wurde deutlich, dass es Macht auf verschiedenen Ebenen gibt und dass Akteur*innen in der Friedensarbeit teilweise selbst nur ein Rädchen in einem großen System sind, in dem sie ihre Rolle spielen. All diese einzelnen Momente bedürfen einer genaueren und tiefgreifenden Interpretation. So zum Beispiel hinsichtlich postkolonialer Bezüge und bei der Verortung des Lokalen oder beim Agendasetting. Doch bevor diese Interpretation stattfinden kann, ist es wichtig, einige Grundelemente der Zivilen Konfliktbearbeitung, der Situation in Kenia, der lokal verankerten Friedensarbeit und des ZFD zu verstehen und immer wieder auf Aspekte der Macht hin zu überprüfen. Da es in dieser Forschung um die Zusammenarbeit zwischen lokalen und externen Akteur*innen geht, welche, wie hier gezeigt wurde, mit Machtdynamiken durchzogen ist, ist es wichtig, diese Zusammenarbeit und die Beziehungen der Akteur*innen zueinander unter dem Blickwinkel der Macht zu analysieren beziehungsweise einen Fokus darauf zu legen. Insbesondere ein größeres Verständnis der Manifestationen von Macht in der Friedensarbeit und in den Partnerschaften zwischen Akteur*innen aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden kann dabei helfen zu verstehen, was in der Zusammenarbeit gut funktioniert und was nicht. Dies erfolgt in den folgenden Kapiteln anhand von konzeptionellen Überlegungen und empirischen Beispielen.

Doch es ist nicht nur wichtig, die Macht zwischen den verschiedenen Akteur*innen im ZFD zu betrachten, sondern auch meine eigene Rolle als Forscherin machtkritisch zu reflektieren. Wie das Beispiel aus der Forschung gezeigt hat, wohnte auch ich in einem guten Hotel, habe im Feld interagiert und damit Einfluss genommen. Ich wurde, ohne etwas zu leisten, als wichtige Person wahrgenommen (ich habe einen Tisch und Stuhl bekommen, während andere Personen auf einer Bank saßen) und konnte teilnehmen, ohne immer die Sprache zu verstehen, da teilweise für mich übersetzt wurde. Diese Situationen zeigen deutlich, dass ich mich als Forscherin aus dem Globalen Norden in einer mächtigeren Rolle befinde. Sicherlich hätte ich die Möglichkeit gehabt, vor Ort in einem anderen Hotel zu wohnen, mich auf die Bank zu setzten oder auf eine Übersetzung zu verzichten, dies wäre jedoch möglicherweise nicht gut angekommen und als Affront gegen die Gastfreundschaft verstanden worden. Auch wäre es möglich gewesen, dass ich dadurch in meiner Rolle als Forscherin nicht ernst genommen werde. Alternativ hätte es jedoch auch sein können, dass ich gerade deswegen noch bessere Zugänge erhalten hätte. Der Ausweg bleibt reine Spekulation. Als Forscherin kann man Situationen, in denen die machtvolle Stellung deutlich wird, nicht immer entkommen, da man selber in diese eingebettet ist. Deswegen ist es wichtig, solche Situationen zu hinterfragen. Außerdem ist zu prüfen, warum eine bestimmte Machtdynamik in einer Situation besteht und inwieweit diese durch die Anwesenheit der forschenden Person noch beeinflusst wird. Für die hier geschilderte Situation kann ich reflektierend feststellen, dass ich mich im gleichen Rahmen bewegt habe wie die ZFD-Fachkräfte und mich ihrem Verhalten angepasst habe. Dies habe ich gemacht, da auch sie die Rolle von außenstehenden Personen haben, jedoch mit der Umgebung vertraut sind. Dennoch bin ich mir des Privilegs als Forscherin bewusst, in den jeweiligen Situationen anwesend zu sein. Diese Reflektionen der eigenen Macht und der eigenen Rolle werden in den folgenden Kapiteln immer wieder vorgenommen. So wird beispielsweise in der methodischen Beschreibung der Arbeit genau darauf eingegangen, welche Rolle Macht für die Forschung spielt, welche Machtdynamiken zwischen mir und den Akteur*innen im Feld bestehen und wie diese auch die Forschung beeinflussen.