„Es ist ein kleines Büro und es ist viel los, es passiert zwischen Tür und Angel, aber die Absprachen funktionieren und es ist eine so tolle Stimmung“, (Forschungstagebuch Kenia, 17.10.2019). Mit diesem Eintrag in mein Forschungstagebuch habe ich meine persönliche Reflexion eines Besuchs in einem Büro einer lokalen Organisation begonnen, die an verschiedenen Projekten zur Friedensförderung arbeitet. Das Zitat ist sinnbildlich für den Tag, den ich dort erlebt habe.

Als ich an dem Gebäudekomplex angekommen bin, in dem die Organisation arbeitet, die ich besuchen möchte, fällt mir direkt auf, wie viele verschiedene Sitzmöglichkeiten es gibt – in Büros, in der Cafeteria und im Freien, es gibt viel Raum und viel Platz. Doch dieser erste Eindruck ist trügerisch. Als ich nach etwas Suchen in dem Gebäude schließlich die Büroräume der Organisation finde, ist von viel Platz keine Rede mehr. In einem Büroraum sind verschiedene Schreibtische aufgestellt, die alle mit Computer oder Laptop ausgestattet sind. An jedem Platz sitzt eine Person und arbeitet. Dabei handelt es sich um den*die Leiter*in der Organisation, einige angestellte Personen, ein*e Praktikant*in und eine deutsche Friedensfachkraft. Für mich wird ein Stuhl zwischen zwei der Schreibtische gestellt und nach einer kurzen Begrüßung gehen alle wieder ihrer Arbeit nach. Ich führe ein paar Gespräche über die Arbeit, um zu verstehen, was die Organisation macht, wie sie aufgebaut ist und wie sie arbeitet. Aber vor allem bekomme ich einen Einblick in die gemeinsame Arbeit der verschiedenen Personen in diesem Büro und – wie ich im Verlauf des Tages feststellen konnte – in noch zwei weiteren Büroräumen in einem Nebengebäude. Eine Person telefoniert, eine Person schreibt einen Werbetext am Computer, zwei Personen tauschen sich über eine vergangene Veranstaltung aus – alles in einem Raum. Auf meine Frage, ob sie sich nicht manchmal gegenseitig stören, erhalte ich die Antwort, dass dies schon mal vorkommen und es auch anstrengend sein kann. Aber dass es andere Rückzugsorte gebe, das gemeinsame Beisammensein auch die Kreativität fördere und man so immer wüsste, wer an was arbeitet. Während ich auf dem Stuhl zwischen den Schreibtischen sitze, kann ich diese Absprachen gut beobachten: eine Person nimmt ein Telefonat an, aus dem sich eine Rückfrage für die deutsche Friedensfachkraft entwickelt. Diese bekommt das mit und kann direkt die Antwort an den Nachbarschreibtisch weitergeben. In einer anderen Situation druckt die deutsche Friedensfachkraft etwas aus, das von dem*der Leiter*in unterschrieben werden muss, das Dokument wird einfach zwei Schreibtische weitergereicht und schon ist die Unterschrift da. Kurz bevor es Zeit für die Mittagspause wird, kommen nochmal alle Personen gedanklich zusammen, es wird gemeinsam über verschiedene Pläne für Aktivitäten und zu verteilende Aufgaben gesprochen. Dabei moderiert eine Person das Gespräch und jede Person, egal ob Organisationsleitung, Praktikant*in oder Friedensfachkraft aus Deutschland, bekommt die Möglichkeit, ihre Meinung zu dem Thema zu sagen und es wird geschaut, welche Person mit welchen Kompetenzen an welcher Stelle unterstützen kann.

Als ich später am Tag das Büro verlasse, um mit der deutschen Friedensfachkraft noch ein Projekt zu besuchen, mit dem die Organisation zusammenarbeitet, denke ich darüber nach, wie gut die Absprachen im Büro laufen, wie gleichberechtigt alle diskutieren und wie auch mit komplexeren Themen umgegangen wird. Ich überlege, wie gut eine solche Zusammenarbeit zwischen lokalen und externen Friedensfachkräften funktionieren kann und frage mich, woran genau es liegt, dass sie in diesem Team so gut klappt.

Diese Geschichte schildert eine von vielen Situationen, die ich in meiner Forschung erlebt habe. Dabei ist die am Ende formulierte Frage, warum diese Zusammenarbeit so gut klappt, ein Teil der Forschungsfrage, die mich immer wieder beschäftigt hat und die nun im Folgenden hergeleitet wird.

1.1 Das Argument in Kürze: lokale Friedensarbeit und partnerschaftliche Zusammenarbeit

Schaut man sich Friedensprozesse der letzten Jahre an, zeigt die Analyse, dass diese nur dann erfolgreich sein können, wenn lokale Akteur*innenFootnote 1 aktiv einbezogen werden und sie den „Fahrer*innensitz“ des Friedensprozesses innehaben. „A core value, and strategy, of peace programming is enabling and supporting people in building their own peace. Real solutions only grow from and are firmly anchored in the communities affected“ (Anderson & Olson, 2003, S. 33). Es werden zunehmend ein umfassender Ansatz für die Zusammenarbeit mit lokalen Akteure*innen gefordert sowie Konzepte, die den lokalen Akteur*innen keine westlichen Vorstellungen aufzwingen, sondern sie als aktiven Teil des gesamten Prozesses betrachten (Reich, 2005, S. 475).

Durch dieses Wissen entwickelten sich in den vergangenen Jahren auch theoretische Diskussionen darüber, wie die lokale Bevölkerung in die Friedensarbeit und Konflikttransformation eingebunden werden kann. Friedensarbeit wird hier in Anlehnung an das folgende Zitat definiert: „We adopt a broad definition of peacebuilding as the range of efforts – engaging with a variety of actors – aimed at political, institutional, social and economic transformations in post-war societies for the purpose of a sustainable and positive peace“ (Björkdahl et al., 2016b, S. 3). Mit dieser weit gefassten Definition fokussiert diese empirische Forschung auf friedensfördernde Aktivitäten in der Zivilen Konfliktbearbeitung sowie auf internationale und international unterstützte Aktivitäten.

Zunächst ist festzustellen, dass diese Konzepte, welche verstärkt eine lokale Einbeziehung in Friedensprozesse fordern, aus einer kritischen Diskussion des liberalen Friedens entstanden sind. Dabei nehmen liberale Ansätze an, dass externe Akteur*innen über das Wissen verfügen, um Frieden zu schaffen und einen Staat wiederherzustellen, der nach den Regeln guter Regierungsführung funktioniert. Diese Annahme wird besonders in der kritischen Friedensforschung hinterfragt. So werden gerade in der kritischen Debatte die Einbeziehung lokaler Akteur*innen in diese Prozesse und ein reflektierter Ansatz zur Friedensförderung gefordert. Im Local Turn wird angenommen, dass lokaler Frieden mehr erfordert als nur die Umsetzung liberaler Werte und die Abwesenheit von Krieg. Es wird vielmehr von einem kontinuierlichen Prozess ausgegangen, der Beziehungen, Verhaltensweisen, Einstellungen und Strukturen vom negativen hin zu einem positiven Frieden verändert. Die Rolle externer Akteur*innen wird zunächst darin gesehen, lokale Akteur*innen in ihrem Handeln zu unterstützen (Paffenholz, 2015, S. 858). Unter Berücksichtigung von poststrukturalistischen und postkolonialen Theorien zielt der Local Turn darauf ab, dass lokale Akteur*innen der Ausgangspunkt für jede friedensfördernde Maßnahme sein sollten (Mac Ginty & Richmond, 2013, S. 772). Folglich ist es in der Praxis wichtig, lokale Akteur*innen von Beginn an einzubeziehen und ihre Ideen und Sichtweisen in der Friedensförderung widerzuspiegeln.

Dabei ist es jedoch auch wichtig, die Beziehungen der beteiligten Akteur*innen zueinander im Blick zu haben, und genau dies macht das Konzept des hybriden Friedens. Hier wird der Handlungsspielraum lokaler Akteur*innen hervorgehoben und der daraus resultierende Nutzen für den gesamten Prozess der Friedensförderung aufgezeigt. Dennoch darf Hybridität nicht so verstanden werden, als würden zwei Gruppen von Akteur*innen zu einer dritten hybriden Einheit verschmelzen, denn sie bestehen stattdessen selbst in einer hybriden Form weiter. Dies geschieht meist langsam in alltäglichen Aushandlungsprozessen (Mac Ginty, 2011, S. 72), die nie abgeschlossen sind, sondern sich in einem Zustand ständiger Veränderung befinden (Mac Ginty, 2011, 8 f.). Mit einem erweiterten Blick auf die konkreten Wechselwirkungen kann das Friction-Konzept helfen, diese Fragen zu reflektieren. Der Fokus liegt hierbei weniger auf dem Ergebnis von friedensfördernden Maßnahmen als auf dem Prozess selbst. Frictions werden als „the unexpected and unstable aspects of global interaction“ (Tsing, 2005, S. xi) verstanden und damit als ein Prozess, der durch das Zusammenspiel von Global und Lokal entsteht. Dieser Prozess sollte nicht zwangsläufig als negativ angesehen werden, da er die Analyse der Friedensförderung um Komplexität, Unsicherheit und Unbestimmtheit erweitert. In der Praxis sollte auftretende Reibung als ein analytisches Werkzeug betrachtet werden, das die Interpretation der Ergebnisse von Interaktionen in komplexen Post-Konfliktgesellschaften erleichtert (Björkdahl et al., 2016b, 1 f.). Zusammenfassend ist es wichtig, das Konzept der Friedensförderung neu so zu fassen, dass darunter ein interaktiver Prozess zwischen verschiedenen Akteuren*innen (Bernhard, 2013, S. 10) auf der Grundlage ihrer Beziehungen und Verhandlungen zu verstehen ist.

Doch gerade in diesem interaktiven Prozess, der sich in der Praxis größtenteils zwischen Akteur*innen aus dem Globalen Norden und aus dem Globalen SüdenFootnote 2 vollzieht und der von Machtungleichgewicht und Abhängigkeiten geprägt ist, ist es wichtig, sich die Ausgestaltung von PartnerschaftlichkeitFootnote 3 und Zusammenarbeit genauer anzuschauen (siehe zum Beispiel: Björkdahl et al., 2016c). Dabei gibt es in bisherigen Forschungen Autor*innen, die in Interaktionsanalysen herausarbeiten, wie internationale Akteur*innen lokale Strukturen am besten unterstützen können (siehe zum Beispiel: Hoksbergen, 2005; Lederach, 1997; van Leeuwen, 2009), wie die Koordination zwischen internationalen und lokalen Akteur*innen ablaufen kann (siehe zum Beispiel: Campbell, 2018; Cooley & Ron, 2002; Hellmüller, 2020; van Leeuwen, 2009), welche unterschiedlichen Verständnisse lokale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen von Peacebuilding haben (siehe zum Beispiel: Dibley, 2014) oder wie sich internationale Akteur*innen auf lokaler Ebene in der Friedensarbeit engagieren (siehe zum Beispiel: Autesserre, 2010, 2014). Viele weitere Studien und empirische Beispiele aus der Friedens- und Konfliktforschung lassen sich in dem analytischen Konzept des Local Turn (siehe zum Beispiel: Hughes et al., 2015; Lundqvist & Öjendal, 2018; Mac Ginty & Richmond, 2013; Randazzo, 2017; Simangan, 2017) oder des hybriden Friedens (siehe zum Beispiel: Bernhard, 2013; Boege, 2015; Mac Ginty, 2010; Tom, 2013) finden oder in Untersuchungen, die sich mit Frictions (siehe zum Beispiel: Björkdahl & Höglund, 2013; Millar, 2016b; Schia & Karlsrud, 2013) auseinandersetzten. Dabei liegt ein großer Fokus jedoch auf der Beziehung zwischen lokalen Akteur*innen und den Vereinten Nationen oder anderen militärischen Interventionen (siehe zum Beispiel: Hellmüller, 2016; Philipsen, 2016; van der Lijn, 2016). Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Studien aus der Entwicklungsforschung, die aufzeigen, dass es einen Widerspruch zwischen der Botschaft der Partnerschaft und den Selbstbildern der Geber*innen und Entwicklungshelfer*innen als „Partner*innen“ gibt (siehe zum Beispiel: Baaz, 2008; Kontinen, 2003; Pickard, 2010). In der Literatur über die Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen/Civil Society Organisations (CSOs) wird der partnerschaftliche Ansatz der Zusammenarbeit zwischen internationalen und lokalen CSOs somit meist nicht explizit diskutiert „indeed, there is a distinct lack of systematic analysis of any approach to partnership“ (Dibley, 2014, S. 92). Somit fehlen bisher vertiefte wissenschaftliche Studien, die sich mit der zivilen, partnerschaftlich gedachten Friedens-Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen Akteur*innen befassen, also einer Art der Friedensarbeit, welche von Beginn an auf Kooperation und Partnerschaft ausgelegt ist. Auch wird in der wissenschaftlichen Diskussion um die Einbeziehung von lokalen Akteur*innen und vor allem von lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert, mehr dazu zu forschen, inwieweit lokale und globale Akteur*innen in der Friedensarbeit gemeinsam (dialogisch oder partnerschaftlich) in hybriden Räumen arbeiten und dazu, diese nicht zu sehr als binäre Optionen zu sehen (Boege & Rinck, 2019, S. 236; Brigg, 2016; Paffenholz, 2016b, S. 221; Reimann, 2007). Die vorliegende Forschung adressiert diese Lücke, indem sie am Beispiel ziviler, partnerschaftlich gedachter Friedensarbeit untersucht, inwieweit diese Zusammenarbeit tatsächlich partnerschaftlich stattfindet. Zudem betrachtet sie die Interaktion zwischen den Akteur*innen in Bezug auf Herausforderungen und Chancen in dieser Zusammenarbeit. Um diese Zusammenarbeit genauer zu untersuchen und einzugrenzen, wird sich die Arbeit besonders der Zivilen Konfliktbearbeitung (ZKB) widmen und geht der Frage nach: Inwiefern liegt im Kontext der Zivilen Konfliktbearbeitung eine gleichberechtige Partnerschaft der Akteur*innen vor? Als zweite Fragestellung untersucht die Arbeit die Frage: Inwiefern ist die Zusammenarbeit in der Zivilen Konfliktbearbeitung von Machtasymmetrien geprägt?

Dieser Fokus wurde ausgewählt, da ZKB die partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Fokus rückt und sie im Vergleich zu Konfliktbearbeitung im Sinne von zum Beispiel UN-Missionen in ihren Ansätzen von Grund auf partizipierend gestaltet ist. So wurde in bisherigen Forschungen festgestellt, dass das lokale Handeln in Friedensprozessen nicht immer richtig angehört wird, da viele internationale Akteur*innen, die in den Friedensprozess involviert sind, nicht über die richtigen Mechanismen verfügen, um Zugang zu diesen lokalen Dynamiken zu erhalten und sie aufzudecken (Galvanek, 2013, S. 7). Die ZKB geht jedoch davon aus, dass sie über Mechanismen verfügt, die das lokale Handeln anhören und einbeziehen können. ZKB lässt sich definieren als „die Bearbeitung von Konflikten ohne den Einsatz von direkter Gewalt mit dem Ziel, eine Regelung oder Lösung zu finden, die die Interessen aller Konfliktparteien berücksichtigt“ (Schweitzer, 2004, 512 f.). In der Regel wird ZKB von CSOs durchgeführt. Dabei ist die Akzeptanz der ZKB-Methode im Kontext von Konfliktprävention, Friedensschaffung und Post-Konfliktarbeit gestiegen (Fischer, 2011, S. 288). Eine weitere Eingrenzung wurde vorgenommen, indem die ZKB in Deutschland untersucht wurde. Dies geschah, da hier ZKB in besonders institutionalisierter Art und Weise stattfindet und somit einen geeigneten Untersuchungsraum darstellt. Zivile Konfliktbearbeitung durch deutsche CSOs wird hauptsächlich durch den Zivilen Friedensdienst (ZFD) umgesetzt, der in einem Konsortium bestehend aus zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteur*innen zusammenarbeitet. Der ZFD setzt auf die Zusammenarbeit mit lokalen Partner*innen und fördert einen „Frieden der Menschen vor Ort“ (Paffenholz, 2011, S. 11). Gleichzeitig versteht sich der ZFD als ein Mittel der Personalentsendung, denn es werden Fachkräfte aus Deutschland vermittelt, um gemeinsam mit lokalen Partner*innen in verschiedenen Ländern zu arbeiten (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 2). Da hier also klar die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur*innen im Zentrum steht, eignet sich der ZFD besonders gut, um die Fragestellung zu untersuchen.

Diese Fragestellung wird mit empirischen Daten beantwortet, die zum einen im Rahmen des ZFD in Deutschland erhoben wurden, zum anderen in Fallstudien aus afrikanischen Ländern. Dieser Schwerpunkt ist für die Forschung besonders interessant, da die Arbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen besonderen Schwerpunkt auf den afrikanischen Kontinent legt (BMZ, 2017a). Dieser Schwerpunkt findet sich auch im ZFD wieder. So arbeitet ein Drittel des vom ZFD entsandten Personals in afrikanischen Ländern. 2022 waren dies 120 von 370 eingesetzten Friedensfachkräften (ZFD, 2022, S. 1). Somit kann die Beantwortung der Fragestellung nicht nur zu theoretischen Diskursen beitragen, sondern auch für Akteur*innen der ZKB von Interesse sein. Durch diese neue Perspektive auf Prozesse und Dynamiken in dem Zusammenspiel lokaler und externe Akteur*innen in der Friedensarbeit leistet diese Forschung einen wertvollen Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte der kritischen Friedensforschung und insbesondere zur Diskussion um Hybridität und Frictions. Sie untersucht, wie Diskurse über Zusammenarbeit von lokalen und externen Akteur*innen in der Friedensarbeit ausgehandelt werden und wie eine Zusammenarbeit in der Friedensarbeit aussehen kann. Des Weiteren wird reflektiert, wie Macht als eigener Diskurs in diese diskursiven Räume und praktischen Aushandlungsprozesse einfließt, denn Macht zwischen verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen kann einen großen Einfluss auf die Friedensarbeit haben (Dibley, 2014). Somit ist die vorliegende Arbeit relevant, da sie den theoretischen Diskurs zur Einbeziehung lokaler Akteur*innen um Hybridität und Frictions bereichert. Gleichzeitig spricht diese Forschung auch die praktische Arbeit der ZKB an. Denn auch wenn bekannt ist, dass der Friedensprozess nachhaltiger gestaltet ist, wenn die lokalen Akteur*innen an allen Phasen eines Prozesses der Friedensarbeit beteiligt sind – von der Konzeption der Idee über die Planung bis hin zur Durchführung und abschließenden Evaluierung –, gibt es ein generelles Problem bei der Einbeziehung lokaler Partner*innen und Akteur*innen in Friedensprozesse. Oft findet diese nur unzureichend oder gar nicht statt (Anderson & Olson, 2003; Autesserre, 2014; CDA, 2004; Richmond, 2015; Wilén, 2009). Durch die Erforschung der Friedensförderung als Interaktion zwischen Akteur*innen trägt diese Forschung dazu bei, „the banal, everyday activities that actually make up the bulk of the work of peacebuilding“ (Autesserre, 2014, S. 8) zu untersuchen. Indem sich die Arbeit auf die Chancen und Herausforderungen der Zusammenarbeit konzentriert, statt auf die Ergebnisse der Friedensprozesse, gelingt es, die Handlungen zu analysieren. Die vorliegende Arbeit wird somit

  1. 1)

    herausarbeiten, wie Theorien der kritischen Friedensforschung in Wissenschaft und Praxis zu verstehen und anzuwenden sind;

  2. 2)

    Zivile Konfliktbearbeitung und insbesondere die Arbeit des ZFD auf Aspekte der partnerschaftlichen Zusammenarbeit hin untersuchen und daraus Implikationen für die Friedensarbeit ableiten;

  3. 3)

    das Wechselspiel zwischen dem Lokalen und dem Internationalen/Globalen – repräsentiert durch externe Akteur*innen in der zivilen Friedensarbeit – entschlüsseln, indem Reibungen zwischen Ideen, Akteur*innen und Praktiken analysiert werden;

  4. 4)

    analysieren, ob und wenn ja, wie angesichts der bestehenden Machtdynamiken eine lokal verankerte und partnerschaftliche Friedenskonsolidierung möglich ist;

  5. 5)

    einen wichtigen Beitrag zur Dekolonisierung von Friedenskonsolidierung leisten;

  6. 6)

    23 Handlungsempfehlungen entwickeln, wie eine lokal verankerte und partnerschaftliche Friedenskonsolidierung gestaltet werden kann.

Somit trägt die Arbeit sowohl zu wissenschaftlichen Debatten bei, leistet aber auch einen Beitrag zur direkten Arbeit von Akteur*innen in der Friedenskonsolidierung. Sie ist somit sowohl für wissenschaftliches Fachpublikum als auch für Praktiker*innen geschrieben und ebnet den Weg für eine verstärkt dialogische Friedensarbeit, „that is culturally sensitive, more self-reflective and locally connected and that works with the difference and sameness of culture – instead of seeing difference as a hindrance and bending sameness towards – Western – universalism“ (Boege & Rinck, 2019, S. 236).

1.2 Zivile Konfliktbearbeitung und lokale Akteur*innen

Die Kernelemente dieser Forschung bilden der ZFD, ZKB und lokale und internationale Akteur*innen im Sinne von Friedensfachkräften. Da diese Konzepte von Beginn an für die vorliegende Arbeit relevant sind und sie das Grundgerüst und zugleich den Untersuchungsgegenstand darstellen, werden sie einleitend betrachtet. Bevor diese Betrachtung stattfindet, ist es relevant, auf die Begriffe des „Lokalen“ und des „Internationalen“ beziehungsweise „Externen“ zu schauen. Im Sinne des Local Turn, welcher „das Lokale nicht länger als eine Black Box betrachtet, sondern sein historisches Gewachsensein und seine intrinsischen Eigenschaften berücksichtigt“ (Buckley-Zistel, 2021, S. 24), ist es wichtig, sich von den oft dichotom dargestellten Ebenen des Globalen und Lokalen zu lösen und sich mehr mit der Mikroebene und mit Fragen zu Themen wie Identität, Macht und Wandel auseinanderzusetzen (Solomon & Steele, 2017, S. 269).

Zunächst werden die ZKB und der ZFD kurz vorgestellt, bevor auf die lokalen Akteur*innen eingegangen wird. Eine vertiefte Beschreibung der Akteur*innen findet in Kapitel 4 statt. Die verkürzte Beschreibung an dieser Stelle ist jedoch hilfreich, um die Arbeit besser einordnen zu können. Der Begriff „Zivile Konfliktbearbeitung“ (ZKB) bezieht sich auf einen gesellschaftlichen Wandel, der auf strukturelle Veränderungen abzielt, aber auch Einstellungen und Perspektiven zu verändert versucht (Reich, 2005, S. 485). Diese Veränderungen können entweder in Form von Veränderungen des Settings oder der Werte bzw. der Wahrnehmungen von Individuen (individuelle/persönliche Ebene) oder in Bezug auf politische Prozesse und wirtschaftliche, rechtliche und andere Institutionen (auf der sozio-politischen Ebene) dargestellt werden (Anderson & Olson 2003, S. 49). Die Krisenprävention im Vorfeld, Konfliktlösungen und generell der Abbau von Gewalt- und Konfliktursachen stehen in der ZKB dabei im Zentrum (Nachtwei 2008, 1). Dabei lässt sich die Diskussion um ZKB in eine friedenstheoretische, eine sicherheitspolitische und eine entwicklungspolitische Debatte unterteilen (Weller & Kirschner, 2005, S. 13). Die friedenstheoretische Debatte hat vor allem zum Ziel, Gewaltursachen und Friedensbedingungen zu verstehen (Calließ & Weller, 2004) und betrachtet Konflikte als Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens (Weller & Kirschner, 2005, 13 ff.). Die sicherheitspolitische Debatte rückt das Individuum in das Zentrum eines erweiterten Sicherheitsbegriffs (Daase & Moltmann, 1991). In der entwicklungspolitischen Debatte werden die Einflüsse von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung in einem Land auf Konflikte betrachtet (Weller & Kirschner, 2005, 17 ff.). In der Praxis der ZKB verschmelzen diese einzelnen Ansätze oftmals, da die Akteur*innen im Vordergrund der Arbeit stehen. Zivile Konfliktbearbeitung durch deutsche Akteur*innen ist nicht nur durch die Beteiligung staatlicher Akteur*innen, sondern auch durch zahlreiche nicht staatliche und religiöse Organisationen gekennzeichnet (Auer-Frege, 2010b, S. 15). Eine Besonderheit der Zivilen Konfliktbearbeitung in Deutschland seit den 1990er Jahren ist der Zivile Friedensdienst, der 1999 vom BMZ als Instrument der Zivilen Konfliktbearbeitung institutionalisiert wurde.Footnote 4

Die Idee für einen Zivilen Friedensdienst entstand in Deutschland in religiösen und zivilgesellschaftlichen Kreisen, als die Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren Europa erschütterten. Ab 1993 gründete sich ein Diskussionsforum „Ziviler Friedensdienst“. Es arbeitete an dem Konzept einer professionellen Friedensarbeit nach dem Vorbild der Entwicklungsdienste, bei dem erfahrene Personen aus Deutschland in verschiedene Länder reisten, um dortige Projekte mit ihrem Wissen zu unterstützen (Erl, 2000, S. 16). Bereits im Jahr 1995 wurde mit politischer Lobbyarbeit begonnen, um das Konzept zu institutionalisieren und zu finanzieren. 1997 unterzeichnete eine Vielzahl an Persönlichkeiten die „Berliner Erklärung für einen Zivilen Friedensdienst in Deutschland“ (Schimmelpfenning, 2019). Etwa zur gleichen Zeit wurde unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft Ziviler Friedensdienst“ ein Qualifizierungsprogramm für Friedensfachkräfte initiiert, und es fand ein regelmäßiger Austausch von Erfahrungen und Ideen zwischen den beteiligten Friedensakteur*innen und den anerkannten Entwicklungsdiensten statt. Doch erst nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 begann die konkrete Umsetzung des Friedensdienstes (Autesserre, 2014, S. 2; Evers, 2006, S. 2). Eine Arbeitsgemeinschaft von deutschen Friedens- und Entwicklungsorganisationen und dem BMZ wurde ins Leben gerufen (Bohnet, 2004, S. 134). Diese Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den TrägerorganisationenFootnote 5, existiert bis heute in Form des Konsortiums ZFD. Es entwickelte sich von einem Forum für den Ideenaustausch zu einer operativen Plattform für die Arbeit des ZFD. Heute kann der ZFD als ein gemeinsames Projekt staatlicher und nicht staatlicher Institutionen gesehen werden, das im Rahmen einer gemeinsamen Agenda als Entsendeprogramm agiert und gemäß seiner Konzeption einen wirksamen Beitrag zur Zivilen Konfliktbearbeitung und zum internationalen Frieden leisten will (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014c, S. 2). Seine Arbeit steht im Einklang mit dem Leitbild der Bundesregierung zur Konflikttransformation. Es beinhaltet Themen wie die Verantwortung Deutschlands für Frieden, Freiheit, Entwicklung, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit, betont partnerschaftliche Arbeit und inklusive Friedensprozesse (Die Bundesregierung, 2017, 44 f.) und basiert auf den „Handlungsprinzipien des BMZ zur Gestaltung der Zusammenarbeit für Frieden und Sicherheit“ (Die Bundesregierung, 2014, S. 1). Das Ziel des ZFD ist es, die Grundlagen für einen nachhaltigen Frieden zu schaffen. Generell gehören zu den Zielen des ZFD: 1. der Aufbau von Kooperations- und Dialogplattformen, um sichere Treffpunkte für Konfliktparteien zu schaffen; 2. die Stärkung von Informations- und Kommunikationsstrukturen zur Unterstützung besonders gefährdeter Gruppen und zur Förderung der sozialen Integration besonders betroffener Menschen; 3. die Förderung von Methoden und Konzepten der Zivilen Konfliktbearbeitung sowie die friedenspädagogische Beratung und Ausbildung und 4. die Stärkung der Rechtssicherheit und die Förderung der Menschenrechte (BMZ, n.d.). Der ZFD wendet in seiner Arbeit das Konzept der konstruktiven Konflikttransformation an, das von Adam (Curle, 1994), Johan (Galtung, 1996) und Jean Paul (Lederach, 1997) gefördert wurde. Konstruktive Konflikttransformation bezieht sich auf einen fortlaufenden Prozess der Veränderung von Beziehungen, Verhalten, Einstellungen und Strukturen von negativ zu positiv.

Die Idee des ZFD ist vor allem die Unterstützung von lokalen Partnerorganisationen in Krisenregionen durch ZFD-Fachkräfte. Somit ist der ZFD ein Instrument der Personalentsendung (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a). Diese Personalentsendung und damit die Umsetzung des ZFD findet durch die staatlich anerkannten Entwicklungsdienste statt. Diese neun OrganisationenFootnote 6 arbeiten nach den Programmrichtlinien des ZFD, welche sich stark in dem „Reformdokument“ wiederfinden (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a), aber auch nach ihren eigenen Statuten und mit unterschiedlichen Ansätzen. Alle entsandten Mitarbeitenden arbeiten nach dem deutschen Entwicklungshilfegesetz (Gemeinschaftswerk ZFD, 2014a). Dabei findet die Entsendung in der Regel mit zwei unterschiedlichen Modellen statt. So gibt es zum einen integriert arbeitende Fachkräfte, die direkt in einer lokalen Partnerorganisation tätig sind. Zum anderen gibt es nicht integrierte Fachkräfte, welche zum Beispiel in Regionalbüros tätig sind, die mit mehreren lokalen Partnerorganisationen zusammenarbeiten. Die Strukturen unterscheiden sich je nach Situation vor Ort und eine einzelne Organisation kann auch innerhalb eines Landes mit unterschiedlichen Ansätzen arbeiten. Der Hauptunterschied besteht darin, dass einige Organisationen primär mit integriertem entsandtem Personal direkt in einer Partnerorganisation arbeiten, während andere Organisationen mit entsandtem Personal arbeiten, welches in lokalen Länderbüros tätig ist, und verschiedene lokale Partner*innen unterstützen. Auf diese sogenannten lokalen Partner*innen schaut der folgende Abschnitt.

Diese beschriebenen Ziele und Wirkungen sollen durch die Arbeit der ZFD-Fachkräfte in Kooperation mit den lokalen Partner*innen durchgeführt werden und für die lokale Bevölkerung erfolgen. Nun stellt sich natürlich die Frage, wer oder was unter dem Begriff „lokal“ zu verstehen ist. Generell erfolgt die Identifizierung von lokalen Partner*innen hauptsächlich durch die deutschen Organisationen. Gerade in den ersten Jahren des ZFD wurden oft bereits bestehende langjährige Kooperationen in ZFD-Projekte umgewandelt. In den letzten Jahren hat sich ein positiver Trend abgezeichnet, der den Zugang für neue lokale Organisationen erleichtert hat. Allgemein sind Partner*innen im ZFD zivilgesellschaftliche Akteur*innen (Vereine, Verbände oder Initiativen), kirchliche Akteur*innen oder öffentliche Institutionen (Ämter, Universitäten oder Ministerien) (Gemeinschaftswerk ZFD 2014, Abschn. 5.5 S. 1 f.). Dennoch wird in den Beschreibungen des ZFD nicht klar, was unter dem Begriff „lokal“ zu verstehen ist. Zwar wird in den folgenden Kapiteln nochmal darauf eingegangen, was dies für den ZFD bedeutet, doch sollen zusätzlich an dieser Stelle noch einige einführende Worte zu dem Begriff des „Lokalen“ gegeben werden. Wenn man sich beispielsweise die Definitionen von verschiedenen internationalen Akteur*innen anschaut, wird schnell deutlich, wie groß die Unterschiede sind. So kann das Lokale in Form von „local governments“ (United Nations, 2018, S. 2), lokalen staatlichen und nicht staatlichen Akteur*innen oder Implementierungspartner*innen (Auswärtiges Amt/ Die Bundesregierung, 2017, 117 f.) oder mit einem Schwerpunkt auf lokalen Autoritäten als „public institutions with legal personality, component of the State structure, below the level of central government and accountable to citizens“ (European Commission, 2013, S. 2) definiert werden. Um von diesen allgemeinen Zuschreibungen wegzukommen, ist es wichtig, den Begriff genauer zu betrachten.

Das „Lokale“ kann hier als ein emanzipatorischer Prozess betrachtet werden. Und zwar im Sinne eines prozessorientierten Verständnisses von Lokalisierung, nach dem das lokale Handeln verstanden wird als „situated in time and space and subject to constant transformation“ (Kappler, 2015, S. 875). Mit Blick auf postkoloniale Theorien ist es wichtig, dass das „Lokale“ nicht räumlich an einen geografischen Ort gebunden ist, sondern dass es sich als die Summe alltäglicher Handlungen und Praktiken einer Pluralität von Akteur*innen definiert (Reich, 2006, S. 21). Es ist wichtig, eine breite Definition des Lokalen zu verwenden.

„By ‘local’ we mean the range of locally based agencies present within a conflict and post-conflict environment, some of which are aimed at identifying and creating the necessary processes for peace, perhaps with or without international help, and framed in a way in which legitimacy in local and international terms converges“ (Mac Ginty & Richmond, 2013, S. 769).

Dabei ist zu beachten, dass das Lokale in seiner Komplexität oft nicht wahrgenommen wird (Paffenholz, 2015, S. 862). Trotz zunehmender Bedeutung lokaler Akteur*innen finden wissenschaftliche Debatten meist rund um das Thema externe Akteur*innen statt (Matthies, 2002). Wenn es einen Diskurs über das „Lokale“ gibt, wird seine Bedeutung typischerweise in konzeptionellen Überlegungen betont, ohne Klarheit über die Akteur*innen selbst zu schaffen (Reich, 2005; Tongeren van, 1998). Obwohl es in Wissenschaft und Praxis inzwischen weitgehend verankert ist, dass alles Lokale komplex, wandelbar und heterogen ist, kommt es immer noch vor, dass das „Lokale“ als vollständig verstanden, romantisiert oder ebenso homogen betrachtet wird. Ein weiteres Problem bei der Definition von dem „Lokalen“ ist, dass „lokal“ oft gleichbedeutend mit Tradition ist. Es scheint nur als Gegenkategorie zu Begriffen wie „modern“ oder „international“ zu existieren und damit die globalen Machtungleichgewichte zu verstärken. Hier werden Fragen der Repräsentation wichtig. „Representations of the local are conflictingly produced by scholars, participants, and government officials, telling about the true, the good, and the bad local, empowering some and disempowering other actors, institutions, and practices“ (Hirblinger & Simons, 2015, S. 422). In der lokalen Konfliktlösung gibt es einige Mechanismen, die seit Langem in Gebrauch sind und in diesem Zeitraum als traditionell angesehen werden könnten. Aber dies sollte nicht ihr einziger legitimierender Grund sein und sie sind auch deshalb nicht automatisch erfolgreich (Mac Ginty, 2011, S. 49). Wenn externe Akteur*innen solchen Interpretationen folgen, laufen sie Gefahr, das „Lokale“ und seine Traditionen zu romantisieren. Dies kann z. B. in einer Post-Konfliktsituation geschehen, in der ein*e lokale*r Akteur*in eine bestimmte friedensfördernde Maßnahme initiiert, die in der Gegenwart konstruiert, dann aber von externen Akteur*innen in eine bestimmte Vergangenheit zurückprojiziert wird. Die Initiative funktioniert dabei als historische Fiktion. Dies führt zu einer „Erfindung der Tradition“. Der von Eric Hobsbawm und Terence Ranger (Hobsbawm & Ranger, 2013, S. 1) eingeführte Begriff „erfundene Tradition“ beschreibt ein Phänomen, das Antworten auf bestimmte (neue) Verhaltensweisen gibt, wobei die Antworten durch die Schaffung einer vermeintlichen Kontinuität gegeben werden, die auf einer künstlich geformten oder angepassten historischen Vergangenheit beruht. „The ‘tradition’ may then be defined as simply the legacy of the past, including the changes and transformations that this past may have gone through“ (Osaghe, 2000, S. 204). Wenn diese „Erfindung der Tradition“ von innen heraus geschieht, kann dies durchaus positive Auswirkungen haben. So etwa die Entwicklung einer kollektiven Identität und eine gesellschaftliche Legitimation bestimmter Normen und Strukturen gegen den aktuellen Veränderungsdruck. Kommt dieser Prozess jedoch wie beschrieben von außen, muss er negativ bewertet und als romantisierend definiert werden. Um das Lokale bei friedensfördernden Maßnahmen ernst zu nehmen, muss eine Loslösung von der Romantisierung der Tradition stattfinden.

Wie hier dargestellt wurde, hat der ZFD den Anspruch mit lokalen Akteur*innen zusammenzuarbeiten. So verfolgt der ZFD den Ansatz, partnerschaftlich zu arbeiten, lokale Prozesse ernstzunehmen und nicht top-down zu arbeiten und gibt an, anders als der Mainstream der Friedensarbeit zu funktionieren. Dieser Mainstream kann beschrieben werden als „‘Peace, Inc.’: the conventional way to end wars. In this approach, foreign peacebuilders run the show. But they don’t get immersed in complicated local issues or develop in-depth knowledge of the history, politics, and cultures of the countries in which they work“ (Autesserre 2021, S. 5). Doch inwieweit der ZFD durch seine partnerschaftliche Arbeit tatsächlich anders funktioniert und wie die hier geschilderten Elemente dazu beitragen, wird empirisch untersucht und dargestellt. Um genauer zu untersuchen, wie diese Zusammenarbeit aussieht und ausgestaltet wird, ist es deswegen wichtig, sich nicht nur auf theoretischer Ebene damit auseinanderzusetzten, sondern mit den Akteur*innen selbst in Kontakt zu treten und die Interaktionen zu erleben und nachvollziehen zu können. Deswegen habe ich einen qualitativen, reflexiven Forschungsansatz gewählt, der im Folgenden erläutert wird.

1.3 Ein reflexiver Forschungsansatz

Zur Bearbeitung der Fragestellungen (Inwiefern liegt im Kontext der Zivilen Konfliktbearbeitung eine gleichberechtige Partnerschaft der Akteur*innen vor? Inwiefern ist die Zusammenarbeit in der Zivilen Konfliktbearbeitung durch Machtasymmetrien geprägt?) habe ich verschiedene empirische Forschungsschritte durchgeführt. Dabei standen immer die „everyday-practices, habits and narratives“ (Autesserre 2014, S. 253) im Vordergrund der Forschung, um dadurch die täglichen Interaktionen, Handlungen und Geschichten von externen und lokalen Friedensakteur*innen in der gemeinsamen Zusammenarbeit untersuchen zu können. Dadurch, dass das Alltägliche (Everyday) in den Fokus rückt, können wichtige Schlüsselbegriffe der internationalen Beziehungen und Ideen von Macht, Legitimität und Verantwortung untersucht werden (Mac Ginty, 2014, S. 550).

Die verschiedenen Forschungsschritte sind: 1. Expert*inneninterviews in Deutschland; 2. teilnehmende Beobachtung bei Vorbereitungsseminaren für ausreisende ZFD-Fachkräfte; 3. teilnehmende Beobachtung in ZFD-Projekten in Kenia, Liberia und Sierra Leone und 4. eine quantitative Umfrage unter ZFD-Fachkräften und lokalen Partner*innen in verschiedenen Ländern der Welt. Dabei wurde besonders in den Schritten eins bis drei ein bewusst offener, qualitativer und reflexiver Forschungsansatz gewählt, welcher im Folgenden kurz dargestellt und in Kapitel 5 vertieft beschrieben wird.

Für die gesamte Forschung wählte ich einen reflexiven Forschungsansatz. Dieser liegt zum einen in der Natur der teilnehmenden Beobachtung, spielt jedoch im Kontext der Nord-Süd-Forschung nochmals eine besondere Rolle, da nicht nur die Rolle der forschenden Person, sondern auch eine Reflexion allgemeiner gesellschaftlich konstruierter Machtgefälle und ethischer und praktischer Herausforderungen notwendig ist. Im Allgemeinen gibt es zwei Machtverhältnisse, die im Feld anzutreffen sind (Ackerly & True, 2008b): eines zwischen der forschenden Person und den Akteur*innen im Feld und eines zwischen den Akteur*innen im Feld selbst. Insbesondere das Machtverhältnis zwischen mir als forschender Person und den Akteur*innen variierte sehr stark in der Forschung. In den Expert*inneninterviews in Deutschland würde ich die Personen, die ich interviewt habe, und mich als gleichermaßen mächtig beschreiben. Trotzdem bleibt die Asymmetrie bestehen, denn als Forscherin hatte und habe ich die Deutungshoheit und die wissenschaftliche Entscheidungsgewalt. Ich war mir der asymmetrischen Machtverteilung auch in den Seminaren und während der Forschung in den drei Ländern durchaus bewusst. Ich habe das Feld identifiziert und definiert, die methodischen Ansätze festgelegt und die Daten ausgewertet. Neben der Reflexion von Macht ist es auch wichtig, meine eigene Positionalität zu reflektieren und sie auf postkoloniale Debatten zurückzubinden. Denn sie prägt die Art der Beziehung zu den Akteur*innen im Feld und die Art und Weise, wie ich die Daten analysiere (Kacen & Chaitin, 2006). Da ich mir dieser Tatsache bewusst bin, sehe ich es als meine Verantwortung als Forscherin, ethische Ansätze in der Forschung zu berücksichtigen und zu reflektieren und die Machtstrukturen im Feld als analytisches Instrument für die empirische Forschung zu nutzen. Ich sehe mich jedoch nicht in der Rolle, Machtstrukturen zu durchbrechen oder als Fürsprecherin für bestimmte Akteur*innen aufzutreten. Vielmehr kann ich durch meine Forschung auf bestimmte Themen und Probleme aufmerksam machen, Dialoge zwischen den Akteur*innen anstoßen und Handlungsempfehlungen geben. Wie genau dies in den einzelnen Forschungsschritten geschehen ist, werde ich im kommenden Absatz thematisieren.

Um die Hintergründe, Strukturen und Vorgehensweisen einzelner Organisationen, die ZFD-Projekte durchführen, zu verstehen, habe ich in einem ersten Schritt zunächst sieben Expert*inneneninterviews mit dem BMZ sowie mit den Programmverantwortlichen der ZFD-Trägerorganisationen durchgeführt. Um den Interviewpartner*innen möglichst viel Spielraum für ihre Antworten zu geben, wurden qualitative Interviews mit offenen Leitfragen durchgeführt. In einem zweiten Schritt habe ich die Perspektive der ZFD-Fachkräfte genauer untersucht, um die Arbeit in den ZFD-Projekten besser zu verstehen. Dazu hatte ich die Möglichkeit, an fünf Seminaren teilzunehmen, in denen ZFD-Fachkräfte geschult und auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Diese Seminare wurden von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der Akademie für Konflikttransformation/Forum ZFD und von AGIAMONDO, dem Personaldienst der deutschen Katholik*innen für internationale Zusammenarbeit durchgeführt. Während dieser Seminare habe ich eine teilnehmende Beobachtung durchgeführt, und es fanden offene Gespräche mit den ZFD-Fachkräften und Trainer*innen statt. Der dritte Forschungsschritt war jeweils ein Forschungsaufenthalt in ZFD-Projekten in Kenia, Liberia und Sierra Leone, um die Arbeit des ZFD in der Praxis zu verstehen und in direkten Kontakt mit den verschiedenen beteiligten Akteur*innen zu treten. Die Forschung in Sierra Leone und Liberia fand von Januar bis Ende April 2019 und die Forschung in Kenia von September bis Dezember 2019 statt. Anwendung fand die qualitative Methode der teilnehmenden Beobachtung. Die teilnehmende Beobachtung eignet sich besonders gut für die Forschungsfrage, da mit ihr die natürlichen Interaktionen (reale Situationen) beobachtet und komplexe Zusammenhänge wahrgenommen werden können. Sie ist eine lebensnahe Art der Datenerhebung, deren Ziel es ist, die konkrete Praxis des Zusammenlebens möglichst ganzheitlich zu erfassen und in ihren Prozessen und mit ihren Strukturen zu analysieren (Friedrichs, 1982, S. 270). Somit handelt es sich um eine geplante Beobachtung des Verhaltens von Menschen in ihrer natürlichen Umgebung beziehungsweise um die Beobachtung des Alltäglichen durch eine*n Beobachter*in, der*die auch an den Interaktionen teilnimmt und von den Personen im Feld als Teil ihres Umfelds betrachtet wird. Dabei soll der Alltag der zu Beobachtenden durch die Forschung so wenig wie möglich beeinflusst werden, damit ein Ausschnitt von „Realität“ untersucht und in Aussagen transformiert werden kann. Somit findet eine Re-Konstruktion von Wirklichkeit statt (Pfadenhauer, 2017, S. 6). Um diese Realitäten im Alltag besser zu verstehen, konnte die Forschung durch offene Interviews ergänzt werden, die mit den ZFD-Fachkräften und Mitarbeitenden der lokalen Organisationen geführt wurden. Abschließend fand Schritt vier der empirischen Forschung statt, in dem eine quantitative Umfrage unter ZFD-Fachkräften und lokalen Mitarbeitenden aller ZFD-Organisationen in allen ZFD-Ländern durchgeführt wurde. Sie diente dazu, einige Forschungsergebnisse nochmals in einem globaleren Kontext zu betrachten.

1.4 Der Aufbau der Arbeit

Das vorliegende Werk umfasst neun Kapitel. Nach dieser Einleitung geht Kapitel 2 auf die für die Arbeit zentralen Begriffe von Partnerschaft und Macht ein. Es wurde den anderen Kapiteln vorangestellt, um den Blick der Leser*innen für weitere in der Arbeit aufkommende Konzepte und Diskussionen über die Grundannahmen zu schärfen. Mithilfe einer Geschichte aus der Forschung wird das Erlebte mit verschiedenen machtkritischen Theorien und Diskursen in Verbindung gebracht. So wird ein Fundament für die weiteren Geschichten gelegt, welche erzählt werden.

Im anschließenden Kapitel 3 wird der konzeptionelle Rahmen der Arbeit diskutiert. In diesem Kapitel werden verschiedene theoretische Überlegungen zur Einbeziehung lokaler Akteur*innen in Friedenskonsolidierung beleuchtet. Dabei wird in einem ersten Schritt auf das Konzept von Peacebuilding beziehungsweise Friedenskonsolidierung eingegangen und es werden die damit einhergehenden liberalen Machtstrukturen diskutiert, welche lange Zeit in der Friedensarbeit vorherrschten. Diese Diskussion findet vor allem unter Berücksichtigung des theoretischen Konzepts des liberalen Friedens statt. Da diese Diskussion aus einem analytisch-kritischen Blickwinkel geführt wird, werden im Folgenden Konzepte eingeführt, welche sich kritisch mit dem liberalen Frieden auseinandersetzen und neue Konzepte für Peacebuilding beziehungsweise Friedenskonsolidierung einbringen. Zunächst findet eine Diskussion des Konzepts der Hybridität statt, welches den Fokus stark auf die Vermischung von lokalen und internationalen Ansätzen in der Friedensarbeit legt. Daran anschließend wird der sogenannte Local Turn in der Friedensarbeit diskutiert, welcher sich für eine stärkere Einbeziehung lokaler Akteur*innen ausspricht. Abschließend wird das Konzept der globalen Frictions eingeführt, welches Reibungen und Spannungen in der Friedensarbeit als produktiven Prozess betrachtet. Besonders die Konzepte des Local Turn und der Frictions dienen dabei als konzeptioneller Rahmen für die empirische Ausarbeitung der Fragestellung. Somit sind die dargestellten Konzepte im Sinne des qualitativen Charakters der Arbeit als Werkzeugkasten zu verstehen, mit deren Hilfe anschließend dargestellt werden kann, wie die theoretische, normative Ebene in der Praxis aussieht. Am Ende des Kapitels werden offene Fragen an die theoretischen Konzepte gestellt: Wer sind die lokalen Akteur*innen? Was ist als „lokal“ zu verstehen? Wie lässt sich Prozesshaftigkeit darstellen und wann kann sie wirklich helfen, etwas in der Praxis zu verändern? Welche Eigenschaften von Frictions bestimmen das Ergebnis? Welche Rolle spielen Machtdynamiken (beziehungsweise Machtasymmetrien) in Friedensprozessen? Diese offenen Fragen werden im Verlauf der Arbeit beantwortet.

Im Anschluss an den konzeptionellen Rahmen wird in Kapitel 4 in die Zivile Konfliktbearbeitung allgemein und den Zivilen Friedensdienst im Speziellen eingeführt. Um den ZFD in seiner Arbeit verstehen zu können, ist es wichtig, zunächst die dahinterstehenden Konzepte zu verstehen. Deswegen findet zunächst eine allgemeine Einführung und Begriffsklärung in Friedenskonsolidierung und Zivile Konfliktbearbeitung statt. Darauf aufbauend wird die Rolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Friedensarbeit betrachtet. Diese Darstellung ist an dieser Stelle besonders hilfreich, da sich die weitere Arbeit explizit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen befasst und somit eine Eingrenzung der großen Akteur*innenlandschaft in der Konfliktbearbeitung vorgenommen werden kann. Nach diesen allgemeineren Darstellungen wird detailliert auf den ZFD eingegangen. Dieser wird zunächst in seiner Entstehung betrachtet und historisch eingeordnet. Um im weiteren Verlauf der Arbeit den ZFD in seinen Handlungen besser verstehen zu können, findet in dem Kapitel ebenfalls eine detaillierte Darstellung der Strukturen, der verschiedenen Akteur*innen, der Netzwerkarbeit und der Evaluationen und des Monitorings von Projekten statt. Dies sind alles Punkte, welche sich besonders im empirischen Teil der Arbeit wiederfinden, sie liefern somit den Hintergrund der Untersuchung. Abschließend wird auf Herausforderungen in der Arbeit des ZFD eingegangen, welche im empirischen Teil der Arbeit mit Forschungsergebnissen unterfüttert werden.

Kapitel 5 geht schließlich auf die in der Forschung angewendeten Methoden ein. Für diese Forschung werden vor allem die teilnehmende Beobachtung und Interviews als ethnografische Methoden verwendet. In dem Kapitel wird zunächst verstärkt auf die teilnehmende Beobachtung eingegangen. Als Erstes findet eine allgemeine Einführung in die teilnehmende Beobachtung als Methode statt. Diese Einführung geht sowohl auf die methodische Herkunft als auch auf einzelne Forschungsstrategien und mögliche Phasen und Vorgehensweisen im Feld ein. Daran anschließend findet eine Übertragung der allgemeinen methodischen Ausführungen in die Politikwissenschaft und die Friedens- und Konfliktforschung statt. Hier werden aktuelle und herausragende Forschungen aus den Disziplinen kritisch diskutiert und besondere Aspekte der teilnehmenden Beobachtung allgemein herausgearbeitet. In einem Zwischenfazit findet eine Diskussion der Methode hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Durchführbarkeit statt, bevor auf Expert*inneninterviews als ergänzende Methode eingegangen wird. In dem zweiten größeren Block des Kapitels wird der Fokus auf die ethische Betrachtung der Methode der teilnehmenden Beobachtung gelegt. Dabei wird zunächst darauf eingegangen, warum forschungsethische Überlegungen wichtig sind. Daran anschließend wird konkret darauf eingegangen, wo Forschung möglich ist und welche Rolle machtkritische Fragen und Fragen der Wissensproduktion mit besonderem Fokus auf Forschung im Nord-Süd-Kontext haben. Um die einzelnen Ausführungen in dem Kapitel anschaulicher zu gestalten, findet im Anschluss an jedes Unterkapitel eine Reflexion der durchgeführten Forschung statt. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten ethischen Fragen während der Forschung und gibt Antworten darauf, wie diese konkret beantwortet wurden und wie mit ihnen umgegangen wurde.

Nachdem somit theoretische, methodische und inhaltliche Grundlagen gelegt wurden, werden in Kapitel 6 erste empirische Ergebnisse vorgestellt. Dafür werden empirische Daten von Expert*inneninterviews in Deutschland und Daten verwendet, die im Rahmen der Teilnahme an Vorbereitungsseminaren für Fachkräfte vor ihrer Ausreise gewonnen wurden. In einem ersten Schritt wird zunächst der ZFD aus Sicht der durchführenden Trägerorganisationen beleuchtet. Somit wird ein tieferer Einblick in Strukturen und Prozesse ermöglicht. Danach wird detailliert auf die Vorbereitung der Fachkräfte sowie auf die verschiedenen Seminarinhalte, Ziele und Seminarmethoden eingegangen. Danach werden vier Themen genauer betrachtet, welche in den Seminaren immer wiederkehrend waren. Dies sind: 1) Verortung des ZFD in der Friedensarbeit; 2) die Rolle und Aufgabe der Fachkräfte; 3) die Rolle und Aufgabe der Partner*innen und 4) die Zusammenarbeit. Diese Themen werden kritisch betrachtet und die Wahrnehmungen der Fachkräfte werden in das Zentrum der Ausführungen gestellt, welche wiederum mit den bisherigen theoretischen Überlegungen und den Ausführungen zu ZKB und zum ZFD verknüpft werden. Das Kapitel schließt mit einer Auflistung von Implikationen dieser ersten Forschungsergebnisse für die weitere Arbeit.

In Kapitel 7 wird die Fallauswahl für die in der weiteren Arbeit untersuchten Länder (Kenia, Liberia und Sierra Leone) hergeleitet. In der Fallauswahl wird vor allem auf die Relevanz der deutschen Afrikapolitik und die starke Präsenz des ZFD auf dem afrikanischen Kontinent eingegangen. Es wird aufgezeigt, welche besondere Rolle die drei ausgewählten Länder für den ZFD spielen. So ist Kenia beispielsweise das Land mit den meisten entsandten Fachkräften und auch Sierra Leone und Liberia haben eine Vielzahl an Fachkräften, arbeiten jedoch auch länderübergreifend zusammen. Im Anschluss daran findet eine genaue Betrachtung der drei ausgewählten Länder statt. Zunächst wird eine allgemeine Einführung in das jeweilige Land mithilfe zum Beispiel demografischer Daten gegeben. Anschließend folgt eine Darstellung vergangener, größerer Konflikte und verschiedener Konfliktlinien. Diese werden auf die aktuelle Lage in dem jeweiligen Land bezogen, und es werden die aktuellen Konfliktlinien, welche besonders im ZFD bearbeitet werden, herausgearbeitet. Da in den ausgewählten Ländern nicht die Konflikte an sich der Untersuchungsgegenstand sind, sondern CSOs, welche in, an und mit diesen Konflikten arbeiten, wird in dem Kapitel ebenfalls für jedes der drei Länder die Situation der Zivilgesellschaft und insbesondere der CSOs dargestellt. An diese Darstellung knüpft die Einordnung des ZFD in die drei Länder an.

Kapitel 8 schließt an die Fallauswahl an und stellt die empirischen Ergebnisse der Forschung mit einem Schwerpunkt auf den Ergebnissen aus Kenia, Liberia und Sierra Leone vor. Das Kapitel ist dabei in verschiedene Unterkapitel unterteilt, welche die Forschung thematisch gliedern. Das erste Unterkapitel geht auf das Thema der Friedenssicherung durch gemeinschaftliches Arbeiten ein. Es thematisiert zuerst die in der Arbeit des ZFD eingesetzten trägerübergreifenden Landesstrategiepapiere und das Verständnis der Arbeit des ZFD. Darauf aufbauend wird das Verständnis von Friedensarbeit mit einem Schwerpunkt auf der Neutralität von Fachkräften besprochen. Ebenfalls werden die für den ZFD wichtigen Themen Legitimität, Netzwerkarbeit und administrative Komponenten der Zusammenarbeit diskutiert. Nach diesen allgemeineren Grundlagen widmet sich das folgende Unterkapitel der Rolle der Fachkräfte im ZFD. Zunächst werden allgemeine Erwartungen an Fachkräfte – von sich selbst, von den lokalen Partner*innen und von den Trägerorganisationen – herausgearbeitet. Dabei wird aufgezeigt, wie unterschiedlich diese sein können und wie diese unterschiedlichen Erwartungen auch zu unterschiedlichen Rollenverständnissen und zu einem positiven oder negativen Einfluss oder Effekt führen. Darauf folgt ein Unterkapitel, welches sich der Rolle der lokalen Partner*innen widmet. Dieses geht vor allem auf den erwarteten und den tatsächlichen Aufbau von lokalen Organisationen ein und betrachtet die vielfältigen Aufgaben der lokalen Partner*innen. Das kommende Unterkapitel bündelt das Thema Fachkräfte und lokale Partner*innen und beleuchtet detailliert verschiedene Rollenverständnisse, die Frage der gemeinsamen Zusammenarbeit, Kündigungsgründe im ZFD und die Rolle von Hierarchien und Ownership in der Arbeit. Darauf folgen zwei weitere Unterkapitel, die sich mit Trainings, Weiterbildungen und der Vorbereitung für Fachkräfte, aber auch für lokale Partner*innen und mit Fragen der Effektivität, Nachhaltigkeit und des Monitorings und der Evaluation befassen. Jedes Unterkapitel beginnt mit einer ethnografischen Geschichte aus der Feldforschung. Diese ermöglicht einen direkten Einblick in die Geschehnisse vor Ort. Es folgt eine Reflektion der Geschichte und eine Rückkoppelung an theoretische Bezüge, den ZFD und lokal verankerte Friedensarbeit allgemein.

Die Arbeit schließt mit Kapitel 9, dem Fazit der Arbeit. Neben einer Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte werden hier nochmals genauer die Teilfragestellungen der Arbeit beantwortet. Diese Antworten finden sowohl auf einer theoretischen als auch vor allem auf einer empirischen Ebene statt. Aus diesen Antworten werden Implikationen für die Praxis des ZFD und der Friedensarbeit generell herausgearbeitet und in Form von 23 Handlungsempfehlungen dargestellt.