Bei der Auswertung des Datenmaterials orientiere ich mich erstens an der Fragestellung, welchen Beitrag ein kommunales Bildungsmanagement zur Erhöhung der kollektiven Handlungsfähigkeit leistet. In einem zweiten Schritt frage ich, inwiefern sich diese kollektive Handlungsfähigkeit an System- und Sozialintegration orientiert. Die Arbeitsphase Rahmenbedingungen klären wirft Handlungserfordernisse in allen Arenen gleichzeitig auf. Die Arenen habe ich im Anschluss an die analytische Beschreibung mit offenen Codes den von Münch vorgeschlagenen Feldern der Interpenetration zugeordnet (vgl. Abschnitt 2.2). Damit kann das Beziehungsgeflecht der Subsysteme aufgezeichnet werden. In beiden Gebietskörperschaften schärft sich die Dominanz eines Subsystems aus. Im Kreis ist das sozial-kulturelle System Objekt der Erziehung. Das bedeutet, dass es vom ökonomischen, politischen und gemeinschaftlichen System adressiert wird. Diese Dominanz verstehe ich nachfolgend so, dass das Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene (BMK) als Vertreter des sozial-kulturellen Systems fungiert. In der Stadt ist das politische System Objekt, aber vor allem Subjekt der Erziehung. Diese Dominanz verstehe ich analog zum Kreis so, dass das kommunale Bildungsmanagement (KBM) das politische System vertritt. Das BMK und KBM treten damit als Objekt und Subjekt der Erziehung auf.

Beide Akteure prozessieren kollektive Handlungsfähigkeit auf Konfliktfeldern, die im Schaubild als Kürzel des AGIL-Schemas dargestellt sind. Das erste Kürzel verweist auf das Subjekt, das zweite tiefgestellte Kürzel auf das Objekt der Erziehung. Ein Subsystem dehnt als Subjekt der Erziehung seine Systemlogik in ein anderes Subsystem aus. Dabei kommt es zu einer wechselseitigen Durchdringung, die beide Subsysteme im Sinn einer Steigerung ihrer Systemkraft nutzen. Ich lese die Ausdehnung einer Systemlogik eines Subsystems als Aufdrängen und die Durchdringung auf den Nachbarfeldern eines Subsystems als Option der Einverleibung von Ressourcen, Programmen und Codes. Das Konzept der Durchdringung stelle ich am Beispiel der Konstellationsstrukturen des BMK im Kreis und des KBM in der Stadt dar.

Im Kreis wird das sozial-kulturelle System (L) von den Konfliktfeldern des Kulturmarkts (AL), der Kulturpolitik (GL) und der kulturellen Vereinigung (IL) umlagert (vgl. Abbildung 7.1). Das ökonomische System sucht Nutzenmaximierung durch Alimentierung, das politische System Zielverwirklichung durch demokratische Kontrolle vor Ort und das Gemeinschaftssystem gesellschaftliche Solidarität durch Gemeinschaftsaktivierung. Dazu investieren die Subsysteme Geld (Kaufkraft), Macht (Durchsetzungskraft) und Reputation (Vereinigungskraft). Das adressierte sozial-kulturelle System transformiert diese Investitionen in Sprache (Verständigungskraft), um die kulturelle Identitätsbildung auf gleichwertige Lebensverhältnisse durch Bildung auszurichten.

Abbildung 7.1
figure 1

Konstellationsstruktur des BMK in der Vorgeschichte (Eigene Darstellung)

In der Stadt wird das politische System (G) vom Konfliktfeld der Haushalts- und Finanzökonomie (AG) umlagert (vgl. Abbildung 7.2). Das ökonomische System investiert Geld (Kaufkraft) und sucht Nutzenmaximierung durch Alimentierung. Das politische System sucht als Subjekt der Erziehung politische Zielverwirklichung durch demokratische Kontrolle vor Ort. Es investiert Macht (Durchsetzungskraft) ins gemeinschaftliche und sozial-kulturelle System und mobilisiert gesellschaftliche Solidarität (Vereinigungskraft) auf dem Feld der Gesellschaftspolitik (GI) sowie kulturelle Identitätsbildung (Verständigungskraft) auf dem Feld der Kulturpolitik (GL).

Abbildung 7.2
figure 2

Konstellationsstruktur des KBM in der Vorgeschichte (Eigene Darstellung)

Um die zweite Fragestellung zum Verhältnis der System- und Sozialintegration zu beantworten, ordne ich die Kernaktivitäten und die Handlungslogiken jeder Arena einem Typ gesellschaftlicher Integration zu. Die Situationsmatrix der Handlungsrationalität weist daher für jede Gebietskörperschaft spezifische Typen grenzüberschreitender Professionalität aus. Jede Arena beschreibe ich in einem ersten Schritt in Bezug auf das bereits vorhandene biographische Kapital und das Commitment, welches die Akteure mit Lernen vor Ort eingehen. Dabei verstehe ich jede Arena als Subkategorie des Phänomens Grenzüberschreitende Professionalität und beschreibe diese mithilfe der ursächlichen, kontextuellen und intervenierenden Bedingungen (Strauss & Corbin, 1996, S. 75–93). Aus diesen Bedingungen gehen in jeder Arena Weichenstellungen für die Strategien und Konsequenzen hervor. Diese Weichenstellungen beschreibe ich mit den vier Aufgabenkomplexen Kernaktivitäten bestimmen, Handlungslogiken antizipieren, Leistungsbeziehen herstellen und Spannungslagen ausbalancieren. Bei der analytischen Beschreibung der Arenen folge ich dem GTM-Essential des ständigen Vergleichens. Jeder Arena stelle ich das Beziehungsgeflecht der Subsysteme mit dem didaktischen Dreieck der Kommunikation voran. Es verbindet die gesellschaftlichen Subsysteme mit dem Handeln der Akteure. Die in der Mitte des Dreiecks aufgeführte Form der Erziehung greift die von Münch vorgeschlagenen Prozesse des Durchdringens auf (vgl. Abschnitt 2.2). Sie verbinden das Subjekt, das Objekt und das Thema der Erziehung. Jedes Subsystem mobilisiert die Kommunikationsmedien der anderen Subsysteme zugunsten der eigenen Kommunikationsart. Das ökonomische System öffnet die Macht-, Reputations- und Sprachinvestition zur Vermehrung von Geld. Das politische System spezifiziert die Reputations-, Sprach- und Geldinvestition zur Steigerung von Macht. Das Gemeinschaftssystem schließt die Sprach-, Geld- und Machtinvestition zur Anhebung von Reputation. Das sozial-kulturelle System generalisiert die Geld-, Macht und Reputationsinvestition zur Erweiterung von Sprache. Das Thema der Erziehung wird durch die Kategorie der Weichenstellungen repräsentiert, die sich aus jeweils vier codierten Aufgabenkomplexen zusammensetzen. Nach der Entfaltung der Arenen bestimme ich die Handlungsrationalität des BMK und KBM auf der Basis der Kernaktivitäten und Handlungslogiken. Eine vergleichende Gesamtübersicht dieser Bedingungen mit den Formen der Erziehung, den Weichenstellungen und den Typen gesellschaftlicher Integration schließt das Kapitel ab.

1 Arenen der (Un-)Beständigkeit

Im Kreis investiert das Gemeinschaftssystem Reputation ins sozial-kulturelle System und schließt den Diskurs auf dem Feld der kulturellen Vereinigung (vgl. Abbildung 7.3, links). In der Stadt investiert das ökonomische System Geld über die Projektförderung ins politische System und öffnet die Machtinvestition auf dem Feld der Haushalts- und Finanzökonomie (vgl. Abbildung 7.3, rechts).

Abbildung 7.3
figure 3

Arenen der (Un-)Beständigkeit (Eigene Darstellung)

(Un-)Beständigkeit bearbeiten Kreis und Stadt mit der Handlungsrationalität der Ausdehnung und Konzentration bestehender Leitideen. Das BMK stellt die Weichen für die Bereitstellung von Leistungen und setzt auf die kreisweite Ausdehnung sowie regionale Verankerungen der Leitidee einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft im Rahmen des Regionalen Bildungsnetzwerks. Dieses Handlungsfeld beinhaltet, Leuchtturmprojekte der Pionierkommunen in andere kreisangehörige Städte zu übertragen, in den Austausch mit den Kommunen zu gehen und die Region mit dem Programm Lernen vor Ort zu bemächtigen. Leuchttürme als biographisches Kapital der Pionierstädte verbinden den Kooperationsvertrag zwischen dem Land und dem Kreis mit dem Strukturprogramm für eine Gesamtstrategie auf kommunaler Ebene. Leuchttürme werden in hohem Maß von bürgerschaftlichem Engagement getragen.

Das KBM stellt die Weichen für die Übernahme von Leistungen und setzt auf die Konzentration und Verankerung der Leitidee einer Bürgerkommune. Dieses Handlungsfeld beinhaltet, (nachhaltige) Strukturen für das Bildungsressort in der Stadtverwaltung von Beginn an auf Dauer zu stellen. Seitens der Partnerorganisationen ist daher die Anbindung an die Verwaltung zu suchen und seitens der Stadtverwaltung sind die geteilten Zuständigkeiten der Ämter durch Schnittmengen von Lernen im Lebenslauf und Lernen im Sinn von Nachhaltigkeit zu überwinden. Das KBM setzt auf die Bemächtigung der Stadtverwaltung mit dem Projekt Lernen vor Ort. Die Verankerung des Konzepts Bildung für nachhaltige Entwicklung im integrierten Bildungsamt als biographisches Kapital verbindet die anstehende Verwaltungsrestrukturierung mit dem Strukturprogramm für eine kommunale Gesamtstrategie. Eine Verwaltungsrestrukturierung zielt auf einen sorgsamen Umgang mit stets knappen Mitteln, lässt aber ressourcenintensive Verhandlungsprozesse erwarten.

1.1 Leuchttürme als Weichensteller für ein Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene

Im Kreis stellen Leuchttürme die Weichen für den Aufbau eines Bildungsmanagements auf kommunaler Ebene. Als ursächliche Bedingung für das biographische Kapital wirkt das Erbe vorangegangener Programme, als kontextuelle Bedingung die Dauereinrichtung Regionales Bildungsnetzwerk und als intervenierende Bedingungen gelten Leuchtturmprojekte, deren Strahlkraft noch auf die kreisangehörigen Städte begrenzt ist sowie, aufgrund der Programmteilnahme, monetäre Ressourcen, die temporär für eine strukturelle Weiterentwicklung des Regionalen Bildungsnetzwerks eingesetzt werden können. Fördermittel sind im Programmverlauf mittels personaler Ressourcen in ein Commitment der Städte mit regionalen Kooperationen zu transformieren. Der Begriff der Nachhaltigkeit hat sich dabei geradezu inflationär in der Alltagssprache der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden verbreitet. Er sickert mit der Lokalen Agenda 21Footnote 1 ins biographische Kapital der Kommunen ein, die an ihrer Zukunftsfähigkeit und ZukunftsbeständigkeitFootnote 2 arbeiten sollten (Kuhn, Suchy & Zimmermann, 1998, S. 5). Als ursächliche Bedingung für das Commitment der Gestaltungsakteure wirkt ein sich Einlassen der Städte auf Lernen vor Ort als Strukturprogramm für Lebenslanges Lernen. Dies geschieht vor dem Hintergrund vorangegangener und bestehender Programmwellen für regionale Kooperationen im Rahmen des Regionalen Bildungsnetzwerks, die ihrerseits in eine Mehrebenen-Verantwortungsstruktur für Bildung zwischen Bund, Kreis, Land und Kommunen und damit den Anspruch, Doppelstrukturen zu vermeiden, eingebettet sind. Die Offerte eines Strukturprogramms für Lebenslanges Lernen trägt der kommunalen Selbstverwaltung für freiwillige Handlungsfelder ebenso Rechnung wie der regionalen und kreisweiten Verankerung gemeinsamer Bildungsfragen. Kommunale Selbstverwaltung, enorme Haushaltsprobleme, ein politisches Starkmachen für Bildungsinvestitionen im Rahmen freiwilliger Handlungsfelder sowie eine aktive Rollengestaltung durch die Lernen-vor-Ort-Akteure stellen intervenierende Bedingungen dar, die das Commitment mit einer regional verstetigten Verankerung von Bildung sowohl fördernd als auch hemmend rahmen.

Weichenstellungen für Wandel und Beständigkeit von Bildungsstrukturen erfolgen im Kreis in der Phase Rahmenbedingungen festlegen mit der Kernaktivität, Kreis und Land durch den Transfer erfolgreicher Leuchtturmprojekte in der Kommune zu verbinden. Sie antizipieren in der Planungsphase die Handlungslogiken der kreisangehörigen Kommunen, die sich an den spezifischen Bedarfen vor Ort orientieren. Mit dem Anschluss an die Transferidee berücksichtigen sie auch die Handlungslogik von Projekten, die durch die zeitliche Limitierung von Fördermitteln mit einer begrenzten Handlungsmacht ausgestattet sind. Leistungsbeziehungen mit den Kommunen stoßen Leuchtturmwärterinnen aktiv an, indem sie auf die Kommunen zugehen und ihre Transfermodelle in Aussicht stellen sowie deren Interessenlagen sondieren. Früh erkennen sie dabei die Herausforderung, dass Kooperationen nicht nur innerhalb, sondern auch zwischen den Kommunen aufgebaut werden müssen. Das Bewusstsein langwieriger Prozesse bei gleichzeitiger Endlichkeit der Unterstützung durch zusätzliches Personal kennzeichnet den Programmzeitraum als Moratorium: Der Kreis gewährt sich einen befristeten Zeitraum für eine Entwicklungs- und Erprobungsphase und verlegt das Programmziel eines kohärenten Bildungsmanagements in eine spätere Zukunft. Die Vorwegnahme des durch das Programm definierten Ziels legt den interkommunalen Transfer bestehender Projekte und die damit verbundenen Prozesse des Austauschs bereits in der Antragsphase fest. Vor dem Hintergrund, Doppelstrukturen zu vermeiden, kommt es zu einer Überlagerung von Lernen vor Ort mit den Regionalen Bildungsnetzwerken. Die Überschneidung beider Programme macht Gemeinsamkeiten der Landes- und Bundesinitiative deutlich. Regionale Bildungsnetzwerke verstehen unter Netzwerken »übergreifende Organisationsformen von Schulträgern, Schulaufsicht und weiteren Institutionen« (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen [MSB], o. J., S. 3). Das Programm Lernen vor Ort verbindet die Netzwerkidee mit dem Abstimmen und Verzahnen unterschiedlicher Bildungsbereiche »in verschiedenen Phasen des Lebens« (BMBF, 2008a, S. 4). Es zeigen sich aber auch Unterschiede, insofern Regionale Bildungsnetzwerke »sich mit schulischer und beruflicher Bildung befassen« (MSB, o. J., S. 3), während das bundesweite Förderprogramm den Schwerpunkt auf »ein ganzheitliches, kohärentes Management für das Lernen im Lebenslauf« (BMBF, 2008a, S. 4) setzt. Neben inhaltlichen sind auch zeitliche Programmdifferenzen zu integrieren. Während beständige RBN-Strukturen die im Lebenslauf temporären Schulfragen rahmen, gilt es lebensbegleitende Bildungsfragen unter temporären Bedingungen aufzubauen und zu verstetigen. Für den Kreis liegt es daher nahe, an die auf Dauer gestellten Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks anzuschließen, um so den Anspruch der Verstetigung von Beginn an zu legitimieren. Schulisches Lernen mit dem Ansatz für Lebenslanges Lernen in einem kommunalen Bildungsmanagement zu integrieren und dabei kreisweit zu transferieren, kennzeichnet das Spannungsfeld von (Un-)Beständigkeit der Arbeitsphase Rahmenbedingungen klären im Kreis.

1.1.1 Biographisches Kapital: Anschluss an die Kooperation zwischen Land und Kommunen

Im Kreis schließt das Programm Lernen vor Ort an das biographische Kapital der Region an. Die Zielsetzung, »für die kommenden Jahre nachhaltige Strukturen aufzubauen« (K16.11:73), fällt damit zusammen, dass der Kreis »fast gleichzeitig einen Kooperationsvertrag […] mit dem Land« (K16.11:81) eingeht. Dieser bekräftigt die gemeinsame Verantwortung des Landes und der Kommunen für das Schul- und Bildungswesen mit allen relevanten Partnern (MSB, o. J., S. 2). Ein Kooperationsvertrag besiegelt die Absichtserklärung, bestehende Zuständigkeiten zu erhalten, aber durch verbindliche Zusammenarbeit eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft im Bildungsbereich zu schaffen (MSB, 2018, S. 5). Die Teilnahme des Kreises am Programm Lernen vor Ort fügt sich damit in eine lange Tradition, »systematisch die Kooperation von Land und Kommune vor Ort zu suchen« (Löhrmann, 2015, S. 8). Nach der Denkschrift »Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft« (Bildungskommission NRW, 1995) erprobten zwei PilotregionenFootnote 3 die Empfehlungen und seit 2002 wurde in 19 Modellregionen die Entwicklung von Schulen und Bildungslandschaften systematisch vernetzt (Lohre, Becker, Madelung, Schnoor & Weisker, 2008). 50 von insgesamt 53 Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten haben im Jahr 2015 den Rahmenvertrag mit dem Landesministerium unterschrieben und ein so genanntes Regionales Bildungsnetzwerk (RBN) eingerichtet.Footnote 4

Mit dem Kooperationsvertrag erhält der Kreis ein Regionales Bildungsbüro (RBB) und wird »auch mit Kräften der BezirksregierungFootnote 5 ausgestattet« (K16.11:86–87): »Das sind zwei halbe Lehrerstellen, die seitens der Bezirksregierung zum Kreis […] abgeordnet wurden für den Aufbau des Regionalen Bildungsnetzwerks« (K16.11:91–93). Neben der horizontalen und vertikalen Vernetzung der Bildungspartner legt der Kooperationsvertrag die Stärkung und den Ausbau der »Schul- und Unterrichtsentwicklung an allen Schulen in der Bildungsregion« (MSB, o. J., S. 3) als Zielsetzung fest. Der Kooperationsvertrag soll auf Konsens ausgerichtete Kommunikations- und Kooperationsstrukturen verbindlich auf Dauer stellen. Alle Kreise und kreisfreien Städte, die einen Kooperationsvertrag eingehen, werden durch einen Lenkungskreis unterstützt, der »Absprachen und Entscheidungen von strategischer Bedeutung für die Bildungsregion« (MSB, o. J., S. 8) vorbereitet. Das biographische Kapital des Landes besteht in der Offerte des Kooperationsvertrags und somit darin, dass es »eben kein befristetes Projekt wie Lernen vor Ort ist« (K16.11:109–110): »Aber grundsätzlich sind das Regionale Bildungsbüro und das Regionale Bildungsnetzwerk auf Dauer angelegt« (K16.11:114–115). Neben dieser Ressource der Beständigkeit trifft das Programm Lernen vor Ort auf das inhaltliche Erbe von Vorgängerprojekten: »Es gab natürlich, wie in vielen anderen Kommunen auch, Vorläuferprojekte, wie das Projekt Selbstständige Schule, das hier im Kreis […] gelaufen ist« (K16.11:256–258).

In der Verknüpfung des Programms Lernen vor Ort mit dem Regionalen Bildungsnetzwerk sieht die Projektleitung von Beginn an eine »sehr gute Voraussetzung für eine gute Umsetzung der Lernen-vor-Ort-Themen und auch für nachhaltige Strukturen« (K16.11:270–271) sowie eine »Win-Win-Situation« (K16.11:286). Die antragstellenden Pionierkommunen ergänzen ein landespolitisch dauerhaft unterstütztes Programm mit befristeten Projektressourcen: »Das Regionale Bildungsnetzwerk mit den zwei halben Stellen vom Land und einer halben Stelle vom Kreis kann bei weitem nicht das bewegen, was Lernen vor Ort bewegen kann mit der Power, die wir dort personell und von der Sachausstattung im Moment haben« (K16.11:287–295). Zugleich verbinden sie das bundespolitisch temporär finanzierte Programm mit den auf Dauer angelegten Netzwerkstrukturen: »Auf der anderen Seite könnte Lernen vor Ort als Projekt alleingenommen auch bei weitem nicht so viel bewegen, wie […] zum Beispiel über die Gremien, die wir auch für das Regionale Bildungsnetzwerk eingerichtet haben« (K16.11:298–304). Auch das Projekt Lernende Regionen stellt biographisches Kapital im Sinn eines Programmerbes dar. Hier wurde ein Modul entwickelt »im Bereich Bildungsberatung und Kompetenzentwicklung« (K14.11:978–979), das nun für die Qualifizierung von Personen »aus unterschiedlichen Städten, von Trägern, von Einrichtungen des Kreises [und] der Kommunen« (K14.11:977–978) genutzt werden soll.

Die temporäre Alimentierung des Programms Lernen vor Ort generiert Arbeitsstellen. Mit der Aufteilung in die Rolle der Fachbereichsleitung innerhalb der Verwaltung und die der Projektkoordination schafft der Kreis »eine Doppelspitze« (K16.11:17). Die Vollzeitstelle für die Projektkoordination eröffnet die Möglichkeit, dass sich eine Person in einem festgelegten Zeitfenster »ausschließlich um das Projekt Lernen vor Ort« kümmert« (K16.11:21–22). Damit verbindet sich der Anspruch des Geldgebers, dass »Themen nicht nur für die Projektlaufzeit von Lernen vor Ort eine Bedeutung haben« (K16.11:68–69), sondern »für die kommenden Jahre nachhaltige Strukturen« (K16.11:73) aufgebaut werden. Überdauernde Strukturen denken die Verantwortlichen von Beginn an mit, insofern Lernen vor Ort »an das Bildungsnetzwerk angedockt« (K08.12:421) werden soll, um dieses »inhaltlich zu füllen« (K08.12:425). Das Regionale Bildungsbüro begreifen sie als Organisationskern, der zunehmend Projekte koordiniert, »die an das Bildungsnetzwerk herangetragen werden« (K08.12:433). Während diese Projektkoordination im Bildungsnetzwerk noch wachsen soll, gibt es im Kreis von Anfang an Leuchtturmprojekte, die Lernen vor Ort nun aufgreift: »Die haben ganz viel inhaltlich reingebracht, ob frühkindliche Bildung, ob Übergang Schule-Beruf, also ganz viele Inhalte erst mal. Die haben schon geleuchtet, das muss man sagen« (K08.12:444–448). Lernen vor Ort stellt sich als »Riesenchance« dar, den »Topf Bildungsnetzwerk« zum Kochen zu bringen: »Also, es standen verschiedene Töpfe, und wir hatten das Privileg, an den Herd zu dürfen« (K08.12:465–475).

1.1.2 Commitment: Regionale Verankerung von Bildung

Lernen vor Ort folgt einem Ansatz, der aus der Sicht der Gestaltungsakteure »dieses Mal anders gewählt wird« (K06.11:45) und der sich vom bisherigen Projekt-Prozedere mit einer Aneinanderreihung von Neuanfängen und in sich abgeschlossener Vorhaben absetzt: »Und dann gibt es für drei Jahre irgendein Projekt und dann ist es vorbei und dann kommt das nächste Projekt« (K06:38–41). Die auf nationaler Ebene bildungspolitisch konstruierte Grundidee setzt auf der Strukturebene an und bindet »die Kommunen aktiv mit ein, die ja vor Ort sitzen und auch Verantwortung tragen« (K06.11:52–53). Weiter setzt sie »bei Vorhandenem an« (K06.11:63) und somit »auf verbindliche Strukturen, die schon bestehen« (K06.11:56–57). Dass »Kommunen eigenständig [auf] solche Projekte sich […] bewerben können« (K06.11:79–80), sieht eine Verantwortliche im Bereich der Bildungsberatung als neue Idee, als »sehr interessant und […] als sehr große Herausforderung« (K06.11:68–69). Das »Themenfeld Bildung nicht nur in Bezug auf Schule, sondern Bildung als Lebenslanges Lernen« (K16.11:40–41) bewegt auch dazu, die Projektleitung »weiter in [den] den Händen halten« (K16.11:54–55) zu wollen. Ein Commitment mit einem Strukturprogramm für Lebenslanges Lernen einzugehen, eröffnet die attraktive Möglichkeit »keine Extraziele« (K16.11:118), sondern eine »kommunale Gesamtstrategie« (K16.11:119) zu verfolgen.

Stellvertretend für diese kommunale Gesamtstrategie steht der Aufbau eines BMK mit der »Kernstruktur einer Bildungslandschaft im Kreis« (K16.11:1148). Elemente dieser Kernstruktur bilden »die Durchführung von regelmäßigen BildungskonferenzenFootnote 6, der Aufbau und die Betreuung von Lenkungskreis und Lenkungsausschuss« (K16.11:1153–1155) und die Sorge darum, »dass es ein Regionales Bildungsbüro mit dieser Ausrichtung gibtFootnote 7« (K16.11:1158–1159). Mit einem BMK sollen »Projekte koordiniert und auf der örtlichen Ebene umgesetzt werden« (K16.11:1178–1179). Das Grundverständnis einer regionalen Kooperation wird durch die Teilnahme am Programm Lernen vor Ort und einem Kooperationsvertrag mit dem Land doppelt abgesichert: »Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir nicht nur am Projekt Lernen vor Ort teilnehmen, sondern fast gleichzeitig einen Kooperationsvertrag haben mit dem Land […], mit der Bezirksregierung zu dem Thema Regionale Bildungsnetzwerke« (K16.11:76–83).

Für die regionale Verankerung von Bildung auf Kreisebene entsteht im Rahmen des Übergangsmanagements früh die Idee, »die guten Modelle in die Fläche zu bringen« (K02.11:1485), was sich nicht einfach gestaltet, weil »jeder […] sein eigenes Modell nach vorne bringen« (K02.11:1486) möchte. Erschwerend kommt hinzu, dass das Übergangsmanagement im Regionalen Bildungsbüro einer kreisangehörigen Stadt verankert ist und nicht nur für diese, »sondern für die Region oder für den Kreis […] zuständig ist« (K04.12:707–708). Somit stellt es keine städtische Stabsstelle dar, »sondern es ist regional verantwortlich« (K04.12:714) und die Verantwortlichen der Koordination im Bereich der Übergänge fühlen sich »dann auch eher dem Regionalen Bildungsbüro für die Region verbunden als nur hier städtisch« (K04.12:716–717).

Dem großen Interesse an Bildungsberatung begegnet eine kreisangehörige Stadt mit einem Fortbildungsprojekt, von dem sie sich einen Qualitätsentwicklungsprozess und gleichzeitig einen Vernetzungs- und Kooperationsprozess mit anderen Kommunen verspräche, wären da »nicht diese immensen Haushaltsprobleme« (K14.11:1195): »Also wir haben ja hier […] nicht nur im Kreis, sondern auch in den Kommunen, die Finanzaufsicht und das ja auch nicht zum ersten Mal« (K14.11:1199–1200). Strukturen zu schaffen, »die sicherstellen, dass das Thema Bildung nachhaltig in den kommenden Jahren und Jahrzehnten seitens des Kreises […] bearbeitet wird« (K16.11:129–136), stellt Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende generell vor die Herausforderung, dass sie weder für die Stadt noch in eine Stadt transferieren können, ohne »die Stadt und die einzelnen Menschen, die da in den verschiedenen Stellen arbeiten« (K18.11:1041–1042). Ein Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene ist somit angewiesen auf ein Commitment der Städte mit der Grundidee der regionalen Verankerung von Bildungsfragen. Der Versuch, »beide Projekte, Regionales Bildungsnetzwerk und Lernen vor Ort, unter einer Regie mit identischen Gremien zusammenzubringen« (K16.11:101–102), begründet sich mit dem Wunsch, nachhaltige Strukturen aufzubauen und dabei »keine Doppelstrukturen« (K16.11:324) zu schaffen. Die Semantik der »Doppelstrukturen« verdeckt, dass gemeinsame Strukturen von Kreis und Land durch Lebenslanges Lernen in der Kommune verbunden werden sollen, ohne bestehende rechtliche Zuständigkeiten der verschiedenen Ebenen zu tangieren oder zu verletzen.

Die »Selbstständigkeit der Kommunen« (K16.11:469) zeigt sich als eine von mehreren Herausforderungen bei der Koordination von Bildungsfragen zwischen Kreis und Kommunen: »Ein Thema ist ganz sicher immer wieder die Abwägung, was ein kommunales Projekt einer einzelnen kreisangehörigen Kommune ist, und was geeignet ist, auf einer so großen Kreisebene insgesamt zu beraten oder durchzuführen« (K16.11:479–484). Eine andere Herausforderung stellt der Umstand dar, dass nicht nur die Selbstständigkeit, sondern die Verantwortung in vielen Bereichen, z. B. »für Bildungsberatung, ja überwiegend bei den Städten liegt oder bei freien Trägern« (K18.11:622–623). Der programmatisch doppelten Absicherung einer regionalen Verankerung von Bildung, um nachhaltige Strukturen über die Projektlaufzeit hinaus zu sichern, steht somit auch eine doppelbödige Rolle der Städte gegenüber, denen das Grundgesetz die kommunale Selbstverwaltung garantiert, woraus sich unmittelbare und pflichtige sowie mittelbare und freiwillige Verantwortungs- und Handlungsfelder ergeben (Baethge-Kinsky, 2012, S. 23). Sowohl Lernen vor Ort als auch Regionale Bildungsnetzwerke können lediglich an die Bereitschaft einer kommunalen politischen Einflussnahme für mittelbare und freiwillige Handlungsfelder appellieren.

Eine herausragende Rolle wird dem Bürgermeister zugeschrieben, der »Bildung als Priorität über alles stellt« (K20.11:196): »Selbst bei einem nicht genehmigten Haushalt hat man das noch geschafft, die Bildung nicht zu beschneiden. Das ist ja immerhin für die heutigen Verhältnisse ein Riesenvorteil« (K20.11:197–199). »Enorme politische Kraft« (K20.11:203) entsteht aus der Sicht eines Lernen-vor-Ort-Akteurs nicht nur auf der Kosten-, sondern auch auf der Nutzenseite: »Ja. Aber das muss ich wirklich sagen, da hat er sich selbst stark für gemacht und das funktioniert wirklich. Wenn ich mir im Lenkungskreis manch andere Kommune ansehe, dann sind wir gut dran« (K20.11:207–211). Schließlich fordern verstetigte Programmwellen regionaler Kooperation auch ein spezifisches Commitment von Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden. Auch wenn Lernen vor Ort dem Ansatz folgt, ein kohärentes Bildungswesen und Bildungsmanagement vor Ort aufzubauen und zu verstetigen (Lohre, 2015, S. 56), hat das Personal ein befristetes Programm zu prozessieren, für dessen inhaltliche Ausgestaltung es trotz der Aktionsfelder »keine Blaupausen geben kann« (Lohre, 2015, S. 68). Dies geht mit unterschiedlichen Handlungsfreiräumen einher: »Wir hatten ja diese Leuchtturmwärterinnen, also die Praxisleute, da war das sehr klar vordefiniert, was die machen werden, und wir Bereichskoordinatoren war’n überhaupt nicht vordefiniert« (K02.14:895–897).

Können intrakommunale Bildungsakteure an Leuchtturmerfahrungen innerhalb des Regionalen Bildungsnetzwerks anschließen, werden Bildungsakteure auf interkommunaler Ebene durch Lernen vor Ort mit der Erwartung adressiert, Erfolgsmodelle für eine regionale Verankerung von Bildung zu entwickeln. Darin liegen Risiken des Scheiterns: »Es hat insofern bei einigen von uns […] diese Auswirkung gehabt, dass die an sich selbst gezweifelt haben, und auch früh aufgegeben haben, weil sie gedacht haben, das schaffen wir nicht« (K02.14:901–903). Die Zumutung, die eigene Rolle erst zu finden und mit dem berufsbiographischen Kapital zu integrieren, birgt aber auch Chancen durch Autonomiegewinne: »Bei mir hat sich das […] eher so gestaltet: Okay, wenn ich keine Vorgaben bekomme, dann schaff’ ich mir meine Stelle selber« (K02.14:905–907).

1.2 Ein integriertes Bildungsamt als Weichensteller für ein kommunales Bildungsmanagement

In der Stadt stellt ein integriertes Bildungsamt die Weichen für den Aufbau eines kommunalen Bildungsmanagements. Es entwickelt sich im Zuge einer bereits vorgesehenen Verwaltungsrestrukturierung. Das biographische Kapital der Stadt basiert auf der Leitidee der Integration gesellschaftlicher Kräfte in die Kommunalverwaltung. Es ist in eine Verwaltungsstruktur für eine bewegte Bürgerbeteiligung mit einer Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft für Problem- und Handlungsfelder der Stadt eingebettet und wird durch den Austausch vielfältiger Wissensstrukturen im Bereich der Bildung getragen. Das Commitment mit der Offerte eines Strukturprogramms für Lebenslangens Lernen verschmilzt mit dem etablierten Engagement im Programm Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Weichenstellungen für Wandel und Beständigkeit von Bildungsstrukturen erfolgen in der Stadt in der Phase Rahmenbedingungen klären mit der Kernaktivität, (nachhaltige) Strukturen für das Bildungsressort in der Stadtverwaltung von Beginn an auf Dauer zu stellen. Sie antizipieren mit der Anbindung an die Stadtverwaltung die Handlungslogik des Stadtrats, der sich am Parteienwettbewerb orientiert sowie die Handlungslogik der externen Partner, die politischen Gestaltungswillen bekunden. Mit der Verstetigung des Programms mittels Personalressourcen berücksichtigen die Weichenstellungen auch die Handlungslogik von Projekten, die durch temporäre Ressourcenspritzen das Verwaltungspersonal verstärken. Leistungsbeziehungen konzentrieren sich auf das Zusammenführen geteilter Ämterzuständigkeiten innerhalb der Stadtverwaltung. Früh zeigt sich das Erfordernis, die Kommunalpolitik zu gewinnen, um das Programm zu verstetigen. Trotz zugesicherter Stellen über die Förderlaufzeit hinaus, bleiben Personalressourcen umkämpft und belasten das Moratorium für den Aufbau eines KBM. Bereits in der Initialphase schreibt sich ein Sog auf die Stadtverwaltung als Konzentration auf die Konfliktlinien im Dreieck zwischen Kommunalpolitik, -verwaltung und externen Partnern ein. Vor dem Hintergrund, Doppelstrukturen zu vermeiden, kommt es zu einer Überlagerung von Lernen vor Ort mit Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Überschneidung beider Programme macht die Gemeinsamkeiten deutlich. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche stellen durch Netzwerkkonferenzen Schnittstellen zwischen zwei Leitideen mit einer langen Geschichte her: Sowohl Lernen im Lebenslauf als auch Bildung für nachhaltige Entwicklung wurden von Akteuren der supranationalen Ebene angestoßen und finden den Weg vermittelt über nationale Akteure auf die kommunale Ebene. Beide Programme teilen ein Verständnis von Bildung, das schulisches und institutionelles Lernen überschreitet. Gemeinsamkeiten betreffen auch den Anspruch, Lernen zeitlich überdauernd in der Lebensführung der Individuen zu verankern. Für die Stadt liegt der Schulterschluss mit dem Amt für Stadtentwicklung nahe und mit Protagonisten der Agenda 21 sowie der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Konzentration auf die Stadtverwaltung bei gleichzeitiger Öffnung für externe Partner kennzeichnet das Spannungsfeld von (Un-)Beständigkeit der Arbeitsphase Rahmenbedingungen klären in der Stadt.

1.2.1 Biographisches Kapital: Anschluss an die kommunale Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung

In der Stadt konzentriert sich das biographische Kapital zunächst auf die Stadtverwaltung. Im Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung werden auch Prozesse zur Lokalen Agenda 21Footnote 8 koordiniert. Aus diesen Aktivitäten entsteht ein Verein, »der sich um eine nachhaltige Bau- und Stadtentwicklung« (S18.11:18) kümmert und schließlich eine städtische Bürgerstiftung gründet, »und zwar mit einem neutralen Votum, das heißt ohne Einflussnahmen aller Stadtratsfraktionen« (S18.11:23–24). Die Bürgerstiftung folgt der »Präambel Nachhaltigkeit im engeren Sinne« (S18.11:29–30) und legt den Fokus darauf, »was es heißt, sozial gerecht oder ökologisch nachhaltig zu sein« (S18.11:30–31). Sie wird »im kleinen Kreise gegründet« (S18.11:34), zählt weniger als 100 Bürgerinnen und Bürger und führt zum Zeitpunkt des Programmbeginns seit wenigen Jahren »viele interessante Projekte durch« (S18.11:38). Im Programm Lernen vor Ort übernimmt die Bürgerstiftung eine GrundpatenschaftFootnote 9: »Wir als Stiftung wurden von der Stadt angesprochen, ob wir nicht einer der Grundpaten für das Projekt Lernen vor Ort werden können« (S18.11:41–42). Das Programm trifft daher auf eine Stadtverwaltung, die eine funktionierende Netzwerkstruktur bereits vor Programmbeginn reklamiert: »Es gab eine Netzwerkstruktur, es gibt viele Netzwerkstrukturen, es gibt viele unabhängig von Bildung« (S08.11:174–175).

Ein ausgeprägtes Bewusstsein für das biographische Kapital besteht darüber hinaus in Bezug auf das Thema NachhaltigkeitFootnote 10. Die Einführung in die Ziele des Programms anlässlich einer Informationsveranstaltung wird daher als unzulässige Belehrung abgelehnt: »Und sie haben dann ihre Zieloptionen denen, die stiftungsgemäß oder institutionell schon mit uns gearbeitet haben, zu erklären versucht, worin Nachhaltigkeit besteht« (S08.11:423–425). Bereits in der Initiierungsphase dokumentiert sich der Anspruch, dass die Definitionsmacht für die Ausrichtung der Aktivitäten bei der Stadtverwaltung liegt, und nicht von den Programmrichtlinien ausgeht: »Das brauch’ ich nicht noch mal, zumindest bei Lernen vor Ort, die müssen mal lernen, was wir wollen« (S08.11:419–420).

»Bessere, veränderte und vernetzte Strukturen« (BMBF, 2008c), die ein gutes Bildungsmanagement begründen, sieht die Stadtverwaltung nicht als Novum, sondern als Additum, das mit der Teilnahme am Förderprogramm willkommen ist: »Aber die Vernetzung ist schon so lebensnotwendig für Strukturen gewesen, dass die Vernetzung mit der Verwaltung nur besser und existenter ist« (S08.11:447–448). Verwaltung steht dabei nicht nur stellvertretend für Vernetzung, sondern auch für Nachhaltigkeit: »Die ist meiner Meinung nach in dieser Stadt mit der Verwaltung« (S08.11:446). Der Begriff der Nachhaltigkeit wird hier nicht mehr in seinem Entstehungskontext reflektiert, sondern hat sich als Platzhalter für kommunale Gestaltungsarbeit im Bereich der mittelbaren und unmittelbaren Aufgaben etabliert. Diese betreffen auch den Bereich der Bildung. So läuft mit der Teilnahme an Lernen vor Ort das »Modell Kommune […] parallel und vernetzt weiter« (S08.11:137–138), was beinhaltet, »die Horte an den Grundschulen an die Kommunen zu übergeben« (S08.11:141–142). Die Zusammenarbeit mit dem Land kreist um die Frage, wie der »Bedarf der Eltern [gedeckt] und gesichert werden« (S08.11:98) kann: »Und wir haben als Stadt parallel die Horte in Regie übernommen« (S08.11:102).

An den Begriff der Nachhaltigkeit schließt sich die Stadtverwaltung bereits in der Antragsphase mit Blick auf die »nachhaltige Fortschreibung des Vorhabens nach Auslaufen der BMBF-Förderung« (BMBF, 2008a, S. 8) an: »Bei Lernen vor Ort mussten wir ja die Nachhaltigkeit am Anfang beschließen, in der Form von […] Planstellen, Strukturen und Aufgaben« (S08.11:107). Nachhaltigkeit im Sinn der »Aufrechterhaltbarkeit der sozialen und natürlichen Systeme unter den eher schwieriger werdenden Bedingungen der Zukunft« (Kuhn et al., 1998, S. 5), wie sie mit der Lokalen Agenda 21 angestrebt wird, erhält mit dem Programm Lernen vor Ort eine Bestärkung und Erneuerung. Auch die »Verzahnung mit der Fachhochschule und mit der Uni läuft« (S08.11:193), so dass ein Bildungsmanagement nicht bei null beginnt: »Wir hatten hier gute Voraussetzungen und haben sie uns so gebastelt, wie wir glauben, dass Bildung in einer Kommune strukturiert werden sollte, ohne dass eine Verwaltung alles macht« (S08.11:195–197).

Gerade weil »Subsidiarität und […] Runde Tische« (S08.11:225) bereits gelebt werden und »die ganzen Projekte, Agenda 21, Netzwerkstrukturen, Qualitätsmanagement« (S08.11:179–182) verzahnt sind, verbieten sich programmatische Eingriffe von außen: »Jetzt einfach von denen, die zwei Jahre arbeiten, zu erwarten, wir sagen euch, wie es geht, das geht nicht mehr. Da muss man aufpassen, dass nicht aus Versehen etwas schiefgeht« (S08.11:188–190). Zwar erhält die Kommune »hoheitliche Aufgaben durch das Land delegiert« (S08.11:231), lebt aber »von Anfang an ein Demokratieverständnis der Beteiligung« (S08.11:236–237). Die Stadt weiß, »dass Kommune nicht heißt Verwaltung und […] dass Verwaltungsstruktur so aufgestellt werden muss, dass Bürgerbeteiligung sich bewegen kann […] und Ansprüche hat« (S08.11:240–242).

Der Teilnahme am Programm Lernen vor Ort geht in der Stadt die Restrukturierung der Verwaltung mit der Gründung eines Bildungsamts voraus, das sich der Aufgabe widmet, »die externen und internen Akteure in der Bildungslandschaft zu verifizieren und zusammenzubringen« (S14.11:49–50). Ursächliche Bedingungen für Verfügungsrechte als Ressourcen liegen in der Stadt in der Verwaltungskraft begründet. Ein KBM basiert hier auf dem biographischen Kapital zweier Verwaltungsämter. Während das Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung Handlungswissen unter dem Leitwert der Zukunftsfähigkeit und der Zukunftsbeständigkeit im Rahmen der Lokalen Agenda 21 einbringt, sieht das noch junge Bildungsamt mit Lernen vor Ort die Möglichkeit, das Thema Bildung institutionell dauerhaft zu verankern und inhaltlich zu bearbeiten. Mit der Grundpatenschaft der Bürgerstiftung verbinden sich von Beginn an zivilgesellschaftliches und politisches Engagement.

Während Lernen vor Ort bereits »als Idee geistert« (S14.11:69–70), zeichnet sich in der Stadtverwaltung eine Neustrukturierung der Ämter mit einer stärkeren Repräsentation des Bildungsbereichs ab. Im »Bestreben, eine effiziente Struktur in der Stadtverwaltung zu machen« (S08.11:37–38), werden Ämter zusammengelegt und in ein Bildungsamt überführt: »Ich habe Struktureinheiten, die in der Verwaltung woanders waren, zusammengeführt im Amt für Bildung« (S08.11:56–57). Das neue Bildungsamt soll zwei Drittel seiner Leistung der Bildung und ein Drittel der »Schulverwaltung im Sinne von Schulnetzplanung und im Sinne von Schülerbeförderung« (S08.11:73–74) widmen. Die Umstrukturierung liest sich als klares Statement zum Verhältnis von inneren und äußeren Schulangelegenheiten, wobei die kommunale Verantwortlichkeit für Bildung im Sinn einer integrativen Aufgabe gestärkt werden soll. Alles, »was die Häuserverwaltung, Hausmeister, Sanierungsleistung anbelangt« (S08.11:79–80), wird »im Gebäudemanagement angesiedelt« (S08.11:80–81) Das »Toilettenpapier steht […] als Synonym« (S08.11:85) für klassisch äußere Schulangelegenheiten und die Fokussierung »auf Bildung und auf Rahmenbedingungen, die eine Kommune machen kann« (S08.11:88–89), für mittelbare bildungspolitische Handlungsfelder im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung (Baethge-Kinsky, 2012, S. 23; Tegge, 2015, S. 85).

Eine Verwaltungsstruktur für eine bewegte Bürgerbeteiligung, die zivilgesellschaftliches Engagement mit Blick auf Kinder und Jugendliche bündelt, nimmt ihren Anfang somit bereits vor Lernen vor Ort »innerhalb des Projekts Amtsgründung« (S14.11:48). Das Ziel besteht darin, »für die Stadtverwaltung die Bildung sozusagen vorzubereiten« (S14.11:54) mit der Frage: »Wie kann das, was die Veranstalter anbieten, angefangen über die Musikschulen über Volkshochschule, Bibliothek, […], Museumspädagogen, wie kann das zusammengeführt und verzahnt werden?« (S14.11:54–57). Die Leitidee eines kohärenten Bildungswesens fällt somit auf fruchtbaren Boden: »Und wir haben da schon eine gute Vorarbeit geleistet, bevor das Projekt überhaupt ausgeschrieben worden ist« (S14.11:61–62).

Die Gelegenheitsstruktur des Programms Lernen vor Ort löst in der Stadtverwaltung Bewegungen aus: »Es gab mal irgendwann eine Ausschreibung, die ich mir angeguckt habe« (S08.11:7). Gespräche mit der Leitung und den Mitarbeitenden des Bildungsamts kreisen um das Abgleichen der Ausschreibung mit den Zielen der Stadtverwaltung, in der die Beteiligten prüfen, »ob [sie] wollen und ob [ihnen das] im Sinn der Weiterentwicklung entspricht« (S08.11:14–15). Die »Ausschreibung Lernen vor Ort, die Strukturanalyse« (S08.11:92) und die »Debatte um die Ganztagsschulstrukturen« (S08.11:154–155) bilden drei Prüfkriterien: »Lernen vor Ort hat immer zusätzliche Projektfelder, die parallel laufen […]. Das zahnt sich ja bei uns bereits wie ein Riesennetz. Da ist nichts abgeschlossen« (S08.11:159–162).

Neben der noch relativ jungen und kleinen Bürgerstiftung wird auch eine traditionsreiche regionale Stiftung mit großem Stiftungsvolumen zur Mitarbeit eingeladen: »Wir wurden von der Stadt darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Initiative gibt und wurden gefragt, ob wir mitmachen können« (S20.11:33–34). Nach einer Prüfung, »um was es geht und was es für Stiftungen zu tun gibt« (S20.11:37–38), erfolgt »dann relativ schnell« (S20.11:39) die Zusage. Eine »Möglichkeit mitzuwirken und bewusst Projekte zu unterstützen« (S20.11:140–141), sieht die Stiftung in der Förderung kultureller Projekte: »Bildung an sich ist nicht unser Stiftungszweck, wir können da immer nur mittelbar wirken. Wenn man Sportvereine oder Theater unterstützt, ist das ja in gewisser Weise Bildungsförderung« (S20.11:166–169). Nachhaltigkeit versteht sich hier als Erweiterung der formalen Bildung sowie als Ergänzung des staatlichen Bildungsangebots auf städtischer Ebene: »Ich erhoffe mir, dass man genau guckt, wie es in der Stadt aussieht und wo es bestimmte Problem- und Handlungsfelder gibt, um Maßnahmen zu formulieren, wie man eine Besserung erreichen kann« (S20.11:132–134). Die Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft erstreckt sich dabei auf »Schulen und Kindergärten der Brennpunkte […], um Kultur in diese Institutionen zu bringen« (S20.11:147–148). Kontextuelle Bedingungen für Verfügungsrechte als Ressourcen liegen in der Stadt in den Möglichkeiten des neu geschaffenen Bildungsamts, den Einfluss für Bildungsfragen jenseits der äußeren Schulangelegenheiten auf kommunaler Ebene zu stärken. Die Verwaltungsstruktur orientiert sich an einer bewegten Bürgerbeteiligung und bezieht das Engagement von Stiftungen mit einem erweiterten Bildungsbegriff im non-formalen und informellen Bereich ein.

Lernen vor Ort verspricht mit seinen zusätzlichen Personalressourcen förderliche Bedingungen für die Sicherstellung von Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit stellt im Verständnis der Beteiligten ein Amalgam der ursprünglichen Begriffsverwendung im Rahmen der Lokalen Agenda 21 und dem Auf-Dauer-Stellen von Strukturen zur Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung dar. Kapitel 28 der Agenda 21 (1997) weist der Kommunalverwaltung eine besondere Rolle zu, insofern »die Initiative für die Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 von der Kommunalverwaltung ausgehen soll« (Kuhn et al., 1998, S. 8). Die herausragende Rolle der Kommunalverwaltung »verlangt von den beteiligten Akteuren eine Rückbesinnung auf das grundlegende Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung: Die Bürger sind diejenigen, in deren Auftrag und für deren Ziel die Verwaltung Maßnahmen entwickelt und umsetzt« (Kuhn et al., 1998, S. 8). In der Stadt geht der Anstoß einer örtlichen Agenda von der Bürgerstiftung aus, die in der Kommunalverwaltung verankert ist. Die Verbindung politischen und zivilgesellschaftlichen Engagements bildet somit die Brücke zu den Bürgerinnen und Bürgern, die mit Lernen vor Ort gestärkt wird.

Nachhaltigkeit im ursprünglichen Verständnis einer zukunftsbeständigen Kommune erhält mit Lernen vor Ort eine Zuspitzung auf das KBM. Die Idee eines kohärenten Bildungswesens ist anschlussfähig an den integrativen Charakter der Lokalen Agenda 21: »Das Leitbild von einer zukunftsfähigen Entwicklung beschreibt nicht in erster Linie eine Umkehr oder Weiterentwicklung im kommunalen Umweltschutz, sondern erfordert die Abkehr von der isolierten (und daher oft konkurrierenden) Betrachtung von ökologischer Nachhaltigkeit, weltweiter sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung« (Kuhn et al., 1998, S. 4). Als Schlüssel wird die Integration von gesellschaftlichen Kräften innerhalb »von Kommunalverwaltungen zwischen ihren einzelnen Abteilungen und Ämtern, aber auch zwischen der Verwaltung und den anderen Akteuren vor Ort, allen voran der Wirtschaft und den örtlichen Interessengruppen« (Kuhn et al., 1998, S. 4), gesehen. Für die Zusammenarbeit soll ein Verfahren gewählt werden, »das alle örtlichen Akteure einbezieht, und dies nicht nur bei der Zielfindung, sondern auch bei der Durchführung von Maßnahmen« (Kuhn et al., 1998, S. 4). In der Stadt bildet das neue Bildungsamt das Zentrum dieser Integration: »Wir haben darüber hinaus ein Amt für Bildung von 0 bis 99 in der Verantwortlichkeit. Und dieses hat es möglich gemacht, dass dort die Koordinierung von Lernen vor Ort insgesamt mit reingeht« (S08.11:112–115).

Neben der förderlichen Bedingung, dass mit dem Slogan »0 bis 99« ein weiter Bildungsbegriff die Breite der Daseinsvorsorge innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung umfasst, gestaltet sich die Schaffung dieses Organisationskerns für Integration mühevoll: »Und das war kein kurzer Weg bis zum neuen Beschluss im Stadtrat« (S08.11:118). In einem langwierigen Diskussionsprozess beteiligen sich Stadträte und unterschiedlichste Gremien »von der beruflichen Weiterbildung bis zur Vereinsweiterbildung« (S08.11:124–126): »Und erst danach, am Ende des Diskussionsprozesses, gab es dann mal einen Beschluss, und um den muss man auch noch kämpfen« (S08.11:130–131). Partizipation stellt sich dabei nicht nur als anstrengend und aufwändig dar, sondern auch als gewinnbringend und richtungsweisend für die Gemeinschaftsaktivierung mit Lernen vor Ort: »Was wir deutlich merken, dass Elemente der Bildung, die andere viel besser können, wirklich dadurch auch projektiert werden« (S08.11:249–250). Vielfältige Strukturen »bringen eben schlau hervor« (S08.11:262), weil »die richtigen Mitarbeiter« (S08.11:315–316) im Prozess kommunizieren und die Mitarbeiterstruktur verändern. Die »richtigen Mitarbeiter« sind offene Personen, die ihr Wissen austauschen: »Da vermischt sich ein Wissen aus der Erfahrung […] mit Theorien, die sich lange wissenschaftlich in der Bundesrepublik entwickelt haben und das vernetzt sich. Das ist unheimlich interessant« (S08.11:340–345). Gelingensbedingungen für integrative Prozesse sind Gestaltungswille und Offenheit: »Das liegt an handelnden Personen, ob wir es hinkriegen oder nicht. Und vor allem, wie auf machen sich alle« (S08.11:468–469).

Intervenierende Bedingungen für Verfügungsrechte als Ressourcen liegen in der Stadt in der Fähigkeit, das Leitbild der Lokalen Agenda 21 mit der Leitidee eines KBM zu verbinden und mit einem breiten Bildungsverständnis Anschlüsse an die Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge zu schaffen. Mühevollen Aushandlungsprozessen für die politische Unterstützung eines integrierten Bildungsamts steht die Einsicht in den Gewinn einer Zusammenführung vielfältiger Bildungsbeiträge in der Stadtverwaltung gegenüber. Eine Teilnahme am Programm Lernen vor Ort wird daher nicht allein durch eine willkommene Ressourcenspritze von außen befördert, sondern durch das Erleben eines Zuwachses von Wissensformen in der Stadtverwaltung und damit eines Mehrwerts von Aushandlungsprozessen.

1.2.2 Commitment: Kultur der Vernetzung in der Stadtverwaltung

Lernen vor Ort trifft in der Stadt auf eine »Kultur der Vernetzung, die es ohnehin schon gibt« (S08.11:464): »Wir haben schon zusammengearbeitet, bevor es überhaupt Lernen vor Ort als Idee gab […]. Lernen vor Ort ist ein Projekt, das zum einen die Vernetzung vorangetrieben hat, aber zum anderen auf die Vernetzung draufgehen konnte« (S08.11:456–461). Daher folgt die Übernahme der Programmidee strikt den Belangen der kommunalen Selbstverwaltung und integriert die Leitidee von Lernen vor Ort mit einem weiten Bildungsbegriff: »Daher von uns der Gedanke von 0 bis 99, um nicht immer diesen komischen Begriff des Lebenslangen Lernens zu nehmen, der ja wirklich sehr abgedroschen ist. […]. Nein, wir wollten einen Bildungsbegriff: Bildungsangebote für jedes Alter« (S08.11:204–210). Das Commitment der Stadt kennzeichnet sich dadurch, dass die Idee eines kohärenten Bildungswesens passend gemacht wird mit dem »Ziel der nachhaltigen, zukunftsbeständigen Entwicklung der Kommune« (Kuhn et al., 1998, S. 5). Die Passung besteht im Anspruch der »Integration als Ziel und Weg« (Kuhn et al., 1998, S. 4).

Das Ideengebilde der Nachhaltigkeit erfährt mit Lernen vor Ort aber auch eine Erweiterung. Mit der Zielvorgabe, »ein ganzheitliches, kohärentes Management für das Lernen im Lebenslauf zu entwickeln und umzusetzen«, (BMBF, 2008a, S. 4) adressiert die Initiative zwar Kommunen als Hauptakteure, hebt aber auf die besondere Berücksichtigung »einer ganzheitlichen Betrachtung individueller Bildungsbiographien« (BMBF, 2008a, S. 4) ab. Die Aktionsfelder Bildungsmonitoring, Bildungsberatung und Bildungsübergänge zeigen den Weg, um »die Chancen für einen besseren Bildungszugang für viele Menschen« zu verbessern und einen »Beitrag zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit« (BMBF, 2008a, S. 4) zu leisten. Im Mittelpunkt stehen »die Menschen und deren Bildungsbiographien« (BMBF, 2008a, S. 4). Die Stadt bindet sich an die Idee, die bestehende Kultur der Vernetzung im Bildungsamt zu bündeln und mittels temporärer Ressourcen nachhaltig im Sinn einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung fortzuschreiben.

2 Arenen der (Un-)Verantwortlichkeit

Mit dem Programm Lernen vor Ort als Unruhestifter in kreisangehörige Städte zu gehen, verbindet die Not zu handeln mit der Aussicht auf einen Gewinn durch eine Orientierung am Lernen. Im Kreis investiert das ökonomische System – vermittelt über das politische System – Geld ins sozial-kulturelle System und öffnet den Diskurs auf dem Feld des Kulturmarkts (vgl. Abbildung 7.4, links). Das Programm als Gelegenheitsstruktur für die Unterstützung von Zielen der Stadtverwaltung verbindet die Ressourcen externer Partner-Organisationen mit der Aussicht auf einen Gewinn durch eine Orientierung an Interessenkonsensen. Das politische System investiert Macht ins Gemeinschaftssystem und spezifiziert die Reputationsinvestition auf dem Feld der Gesellschaftspolitik (vgl. Abbildung 7.4, rechts).

Abbildung 7.4
figure 4

Arenen der (Un-)Verantwortlichkeit (Eigene Darstellung)

Das Engagement für Lernen vor Ort ist in zwei grundlegende strukturelle Bedingungen eingebettet und hat daher zwei elementare Eigenschaften: Mit Blick auf die Projektlaufzeit von maximal fünf Jahren hat es einen temporären und hinsichtlich des programmatischen Anspruchs, eine »tragfähige Perspektive zur Verstetigung des Vorhabens (Nachhaltigkeit)« zu entwickeln und »im Förderzeitraum entwickelte Strukturen über die Förderphase hinaus fortzuführen« (BMBF, 2008a, S. 11), einen permanenten Charakter. Veränderungen durch die auferlegte Vermeidung von Doppelstrukturen fordern dem Lernen-vor-Ort-Personal die Balance zwischen einer Projektverantwortlichkeit mit einem befristet hohen und einer Programmverantwortlichkeit mit einem überdauernden Engagement ab, bei dem es das Commitment mit sich wandelnden Leitideen auf Linie hält. Diese (Un-)Verantwortlichkeit bearbeiten Kreis und Stadt mit der Handlungsrationalität der Ausdehnung und Konzentration von Personalressourcen in einem Hol- und Bring-Modus.

Das BMK koordiniert bereichsübergreifende Zusammenarbeit mit Blick auf das Lernen kreisangehöriger Städte. Diese Koordinationsform basiert auf der Bereitstellung von Zeigeformaten ausgewählter Leuchtturmkommunen, zu deren Rezeption die Kommunen ausdrücklich aufgerufen werden. Weichenstellungen setzen darauf, Personalressourcen für die kreisangehörigen Städte bereitzustellen, diese im Bring-Modus und als ausdrückliche Offerten auszudehnen, dabei an die Übernahme von Zeigeformaten zu appellieren und das Aufdrängen von Personalressourcen durch proaktives Konfliktmanagement zu vermeiden. Das BMK organisiert die Ausdehnung von Verantwortlichkeit mit einer Projektkoordination für alle Lernen-vor-Ort-Belange sowie einer Fachbereichsleitung innerhalb der Stadtverwaltung einer kreisangehörigen Stadt. Hier sind auch die Aktionsfelder der Bildungsberatung und Bildungsübergänge angesiedelt. Die Fachbereichsleitung sichert die Anbindung an die Stadtverwaltung, die Projektkoordination kümmert sich mit einer Vollzeitstelle »ausschließlich um das Projekt Lernen vor Ort« (K16.11:21). Die Bereichskoordinatorinnen für die Aktionsfelder der Bildungsberatung und der Bildungsübergänge sind je in eine Leuchtturmkommune abgeordnet.

Das KBM koordiniert bereichsübergreifende Zusammenarbeit durch die Organisation des Zeigens (Prange, 2012a, S. 107–135). Diese Koordinationsform basiert auf der Bereitstellung von Zeigeformaten ausgewählter Interessenverbände, zu deren Rezeption zunächst die Stadtverwaltung sich selbst adressiert. Weichenstellungen setzen darauf, Personalressourcen in der Stadtverwaltung zu konzentrieren. Partnerorganisationen sollen die Stadt mit Zeigeformaten beliefern. Die erbrachten Zeigeformate sind zu koordinieren und die Verstetigung von Personalressourcen in der Stadtverwaltung durch Entscheidung durchzusetzen. Das KBM organisiert die Konzentration von Verantwortlichkeit, indem es eine Projektleitung in einer Doppelbesetzung mit einer Innen- und Außenorientierung installiert. Die Projektleitung koordiniert die Aktionsfelder mit drei Typen von Arbeitsgruppen. Mitglieder der und abgeordnete Projekt-Mitarbeitende in die Stadtverwaltung vertreten die Aktionsfelder Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring. Die grundlegenden Bereiche der Bildungsberatung und der Bildungsübergänge bearbeiten gemischte Teams, die sich aus Mitgliedern der Stadtverwaltung und der zwei Partnerinstitutionen der Bildungsstadt zusammensetzen. Die zwei weiteren Aktionsfelder Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft sowie Demographischer Wandel stehen als reine Arbeitsteams der Partnerinstitutionen unter der Aufsicht der doppelt besetzten Gesamtleitung. Deren Vertretungen verantworten ein eigenes weiteres Aktionsfeld und wirken zusätzlich im gemischten Team ihres Tandem-Aktionsfelds mit.

2.1 Die Not zu handeln als Weichensteller für die Koordination von Zeigen und Lernen

Im Kreis stellt die Not zu handeln die Weichen für die Koordination von Zeigen und Lernen (Prange, 2012a, S. 107–135). Leuchtturmkommunen fungieren als Modelle für die Bearbeitung heterogener Problemlagen vor Ort. Sie haben gelernt, Programme für die Gestaltung des Übergangs an der ersten Schwelle zu nutzen. Dieses biographische Kapital stellen sie bereit, indem sie ihr Engagement auf einen weiteren Arbeitsbogen im Rahmen von Lernen vor Ort ausrichten. Die Orientierung am Lernen kennzeichnet das Engagement im Kreis, aus der die Region mit der Teilnahme am Programm einen Gewinn zieht. Lernen adressiert dabei Kinder und Jugendliche in den Übergängen institutioneller Bildungsangebote, vollzieht sich aber auf kommunaler Ebene zwischen den Gestaltungsakteuren einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft, die ihr Engagement auf weitere kreisangehörige Städte ausdehnen. Die Aussicht darauf, innere und äußere Schulangelegenheiten mit Modellen zu einem Übergangsmanagement zu verbinden, bedient das reflexive Interesse der Aufrechterhaltung und Steigerung von Einfluss- und Kontrollpotenzialen der Politik auf den drei Hauptverwaltungsebenen zwischen Bund, Land und Kommunen. Kommunen suchen in Zeiten knapper Haushaltskassen mittels Programmressourcen die Kontrolle über ihre Interessenrealisierung im Bereich weisungsfreier Aufgaben zu erweitern, um ihre Entscheidungsautonomie zu wahren. Diese Dynamik begünstigt ein Ringen um die Bereichskoordinatorinnen, die als Personalressource begehrt sind und deren Aufgaben- und Verantwortungsbereiche erst ausgehandelt werden müssen.

Kernaktivitäten konzentrieren sich in der Anfangsphase auf Schnittstellenfragen, die sich auf kommunaler Ebene und kreisweit bearbeiten lassen. Der Fokus auf ein Übergangsmanagement und die organisatorische Ansiedelung des Bildungsmanagements sowohl in der Kreisverwaltung als auch in den Stadtverwaltungen zweier Pionierkommunen versprechen die Autonomiesicherung der kreisangehörigen Städte gleichermaßen wie jene zwischen der Kommunal- und Landespolitik. Weichenstellungen für ein temporäres Projekt-Engagement und ein permanentes Programm-Schachteln antizipieren die Handlungslogik regionaler Selbstorganisationskräfte, die unter der Bedingung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ein Werben um Annahmebereitschaft von Dienstleistungen nahelegen. Die doppelte Ausrichtung auf ein zugleich begrenztes und grenzüberschreitendes Engagement kennzeichnet die Rollenbestimmung von Bereichskoordinatorinnen und begünstigt einen Handlungsmodus, der eine Verbindung zwischen Operationen des Zeigens mit Operationen des Lernens (Prange, 2012a, S. 107–135) sucht. Leistungsbeziehungen konstituieren sich daher durch das pädagogische Engagement von Projektverantwortlichen, die auf ihr biographisch gewachsenes Berufswissen zurückgreifen. Das Ziel, einen kreisweiten Dialog zu Fragen der Übergangsgestaltung von der Kindertagesstätte in die Grundschule zu initiieren, entsteht vor dem Hintergrund der spezifischen Expertise einer Bereichskoordinatorin. Im Unruhestiften kommt die Spannungslage zum Ausdruck, Grenzen von Zuständigkeiten im föderalen Staatsaufbau durch pädagogisches Programmschachteln überwinden zu können und auch zu müssen.

2.1.1 Biographisches Kapital: Die Not zu handeln als Ressource

Die Freudenberg Stiftung unterstützt den Kreis mit einer GrundpatenschaftFootnote 11 und fragt die Bürgerstiftung einer kreisangehörigen Stadt an, ob diese »die Vertretung hier im Kreis übernehmen würde« (K20.11:22). Die Bitte um die Übernahme einer ThemenpatenschaftFootnote 12 geht aus der langjährigen Zusammenarbeit in gemeinsamen Projekten hervor: »Ich komme aus dem Schuldienst und wir haben schon zusammen Projekte gemacht. Insofern war das nicht so ganz schwierig, miteinander klarzukommen« (K20.11:40–44). Zivilgesellschaftliches Engagement ist im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit Lernen vor Ort programmatisch verankert, um »die einzelnen Profile und Methoden, die die beteiligten Stiftungen im Bildungsbereich entwickelt haben, systematisch an ausgewählten Standorten bei der Entwicklung eines aufeinander abgestimmten Bildungswesens einzubeziehen, und dadurch Schubkraft für Innovationen in der Kommune zu entwickeln« (BMBF, 2008a, S. 4). Das Engagement der Grundpatenschaft kennzeichnet eine Mitarbeitende als »sehr dezent« (K20.11:29) und auch die Einlassung in die Themenpatenschaft erfolgt im Sinn einer ideellen Unterstützung: »Ich habe gesagt, ich mach‘ das nur, wenn ich nicht sehr viel damit zu tun hätte, Berichte zu schreiben und ähnliches« (K20.11:32–33).

»Dass überhaupt kreisweit mit einem gemeinsamen Bildungsmanagement begonnen wird«, hat es »vorher überhaupt nicht gegeben« (K18.11:10–16). Dieses Novum eines Strukturprogramms nimmt ein Gestaltungsakteur des Übergangsbereichs von der Schule in den Beruf im Kontrast zum Engagement des Stiftungspartners als Unruhestiftung wahr: »Ich bin Unruhestifter. Das traue ich mich auch zu sagen« (K02.11:1209). Unruhe entsteht dadurch, dass immer wieder korrigiert und gesagt werden muss, dass Lernen vor Ort kein Projekt ist: »Wir arbeiten an den Strukturen, wir sind Leute aus einem Programm und wir sind vom Bundesministerium für Bildung geschickt worden. Das ist allein schon die Unruhe, die in die Kommunen gebracht wird« (K02.11:1219–1223). Intrasystemische Abstimmungsarbeit zwischen den drei Hauptverwaltungsebenen Bund, Land und Kommunen gestaltet sich aus kommunaler Perspektive als Dauerbaustelle und Flickwerk: »Und dann ist da noch das Land dazwischen. Und da ist schon ganz viel gebastelt worden« (K02.11:1225–1227). In diesem Feld der Betriebsamkeit wird der Übergang von der Schule in den Beruf »seit mehr als zehn Jahren bearbeitet« (K02.11:1185). Akteure stehen »mitten im Wald«, wenn sie sehen, »dass da 120 Projekte sind und dass das vom Land her gesteuert wird und dazwischen noch die Bezirksregierung ist« (K02.11:1188–1196). Das Unruhestiften wenden sie zur Ressource, indem sie sich einen Überblick verschaffen: »Und diese Strukturen mit einer halben Stelle alle erst mal zu begreifen, hat bestimmt ein halbes Jahr gedauert« (K02.11:1198–1199).

Das Unruhestiften gründet in einer »Not zu handeln« (K14.11:686). Dass eine kreisangehörige Stadt schon lange »ein sehr gutes Übergangsmanagement« (K14.11:215–216) mit »einer besonders intensiven Zusammenarbeit verschiedener Akteure« (K14.11: 622–623) entwickelt hat, hängt »mit der Struktur der Stadt« (K14.11:657) zusammen: »Also Bergbau ist ja hier, neben Stahl und so weiter, das gewesen, womit sich unsere Väter und Großväter im Wesentlichen ernährt haben und Chemie natürlich« (K14.11:666–668). Obwohl die Schließung der Zechen »ein etwas längerer Prozess« (K14.11:681) war, entwickelten sich die Probleme »dann plötzlich von jetzt auf gleich ziemlich gigantisch« (K14.11:679–680): »Wenn eine Zeche zumacht, dann waren das gleich ein paar Tausend Arbeitsplätze, die wegfallen. Und von daher war die Not zu handeln […] natürlich auch sehr groß« (K14.11:682–686). Zuflucht bieten »Bildung und Erziehung« (K14.11:693), die ein Kernthema jeder politischen Rede darstellen und insbesondere auf kommunaler Ebene Bewegung auslösen: »Und von daher verwundert dann auch nicht, dass dann eine Stadt sich dann eben auch in Sachen Übergangsmanagement bewegt« (K14.11:699–700). Maßnahmen der Selbstwehr geht die Diagnose von Ursachen der Not voraus: »Die haben sehr großen Sprachförderbedarf und ganz viele andere Dinge« (K14.11:703). Die Rekonstruktion gesellschaftlicher Problemlagen als Bildungsprobleme mündet in deren Dramatisierung und begründet das Engagement vor Ort: »Also das hängt natürlich damit zusammen, wo die Not am größten ist, […], da wird man dann auch vielleicht eher gezwungen zu handeln, es sei denn, man will untergehen« (K14.11:706–708). Auf personaler Ebene fließt biographisches Kapital schließlich mit der Ressource des Pädagogischen ein. Ein zentraler Akteur berichtet, wie sich diese im Rahmen vieler Projekte herausbilden konnte: »Das war zwar oft Learning bei Doing, aber das hat funktioniert. Bis heute« (K04.14:358). Was mit einer Lehre begonnen hatte, führte über Abitur und Studium zu Tätigkeiten »in der außerschulischen Weiterbildung […], in Volkshochschulen und Akademien und was es da alles so gibt« (K04.14:51–53). Den »nicht grade gradlinigen Berufsweg« (K04.14:309–311) bis zur Teilnahme an Lernen vor Ort beschreibt die Person als »immer befristete Geschichten« (K04.14:67–68) mit der Beteiligung an der Lokalen Agenda 21 und der Projektarbeit im »Programm Lernende Regionen« (K04.14:99) mit den Themenschwerpunkten »Übergang Schule-Beruf, Bildungsberatung, sehr spät auch Monitoring« (K04.14:101–102). Im Übergang des Programms Lernende Regionen zu Lernen vor Ort kamen dann Anträge für Kommunen hinzu und der Einstieg ins Nachfolgeprojekt »hat dann auch auf nicht so ganz gradem Wege aber dann letztendlich doch geklappt« (K04.14:117–118).

Im Kreis zeigt sich das biographische Kapital auf der Ebene der Zivilgesellschaft mit der ideellen Unterstützung von Stiftungen, auf der Ebene des Bundesprogramms mit dem Potenzial des Unruhestiftens in Kommunen, auf der Ebene des Kreises mit dem Novum eines Bildungsmanagements, auf kommunaler Ebene als Fähigkeit, die Not durch Zusammenarbeit vieler Akteure zur Ressource zu transformieren und auf der Ebene der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden als Fähigkeit, Bildungsfragen durch das Schachteln von Programmen zu prozessieren.

Die kreisangehörigen Städte zeichnen sich durch heterogene Problemlagen und Problemlösungen aus: »Das ist schon eine ziemliche Spannbreite, […], und die haben natürlich auch innerkommunal schon zum Teil sehr viel gemacht« (K14.11:207–211). Der »Übergang in den verschiedenen Städten und Kommunen« (K14.11:737–738 ist »unglaublich unterschiedlich auch vom Bedarf her« (K14.11:737): »Was in der einen Stadt ein Problem ist, muss in der anderen noch längst keins sein. Das ist halt lokal verschieden« (K14.11:742–746). Für die Gestaltung eines lokalen Übergangsmanagements stellt eine Bereichskoordinatorin fest, »dass da jede Kommune unterschiedliche Stärken hat« (K04.11:758) und daher »erst mal für sich Prioritäten« (K04.11:777) setzt, »weil jede Stadt […] ja doch wieder unterschiedliche Schwerpunkte ihrer Arbeit« (K04.11:773) hat. So zählt sich eine kreisangehörige Stadt zu einer »der wenigen Städte, die schon [ein] lokales Übergangsmanagement haben« (K06.12:609–610). Die Bereichsleiterin bewertet es als »das große Glück« (K06.12:594), weil »der Bürgermeister […] frühzeitig dafür gesorgt [hat], dass Leute eingestellt werden« (K06.12:596). Mit dieser personalen Stärke konnte eine Zusammenarbeit aufgebaut werden, die eine »Vormachtstellung im Kreis« (K06.12:604–605) begründet: »Hier gibt es etwas Bewährtes, das ist das lokale Übergangsmanagement, und das erlebst du aktiv mit und arbeitest aktiv daran, um aus diesen Erfahrungen, die du hast, den Transfer gestalten zu können« (K04.11:1055–1057). Erfahrungen damit, das Engagement lokaler Kräfte auf ein gemeinsames Ziel hin zu bündeln, bilden im Kreis kontextuelle Bedingungen für die Ausdehnung eines erfolgreichen Modells in die Fläche: »Alle Akteure, die im Übergang Schule-Beruf […] tätig sind« (K06.12:615–616), treffen sich regelmäßig, »also Kammer, Bundesagentur, Jobcenter, Schulen, Mitarbeiter von Schule, die Jugendberufshilfe, das Integrationsbüro« (K06.12:618–619). Gemeinsamer Bezugspunkt bildet die Entwicklung von Konzepten zur Frage: »Wie können wir dem Schüler […] helfen, den Übergang von der Schule in den Beruf optimal zu gestalten?« (K06.12:621–622). Bewährte Modelle zur Gestaltung der ersten Schwelle inspirieren die Ausdehnung des Engagements auf »das lokale Management für Kita-Grundschule« (K04.11:1061–1062).

Neben diesen kommunalen Ressourcen stecken bestehende (Nicht-)Zuständigkeiten auf Kreisebene den Möglichkeitsraum für den Aufbau von Strukturen ab. Während der Kreis »selber nur Schulträger des BerufskollegsFootnote 13 ist« (K16.11:139–140), sind die kreisangehörigen Kommunen »selber Schulträger und selber auch Träger der Jugendhilfe« (K16.11:143–144). Die Betonung der Selbstständigkeit bedeutet, dass es auf Kreisebene keine Strukturen für mittelbare und freiwillige Aufgaben in den Bereichen Schule und Jugendhilfe gibt. Dies stellt das zu etablierende BMK »vor besondere Herausforderungen« (K16.11:161), insofern sich kreisangehörige Kommunen eine Einmischung »in Jugendhilfethemen« (K16.11:164–165) oder »in schulinterne Angelegenheiten« (K16.11:173) verbieten. Diese Restriktion erhält mit den Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden ein Korrektiv, weil sie Träger- und damit Zuständigkeitsstrukturen zwar nicht umstoßen, wohl aber mit ihrem biographischen Kapital bearbeiten können. Studienabschlüsse in erziehungs-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Fächern bilden das Lernen »nach dem intellektuellen Lustprinzip« (K04.14:346) dabei ebenso ab wie Berufserfahrungen im Bereich der Jugendhilfe, der Sozialarbeit und der Früherziehung. Das Aktionsfeld Übergänge wird »intern aufgesplittet« (K02.11:82) in die Schwerpunkte »Übergang Kita-Grundschule« und »Übergang Schule-Beruf« und erfährt dadurch eine Stärkung und Ausdehnung: »Jemanden zu finden, der alle Bereiche von dem Übergang Kita-Grundschule bis zu Schule-Beruf abdeckt, ist doch auf dem Markt so nicht vertreten« (K02.11:78–79).

Mit heterogenen Problemlagen und Modellprojekten auf kommunaler Ebene sowie einer Verknüpfung akademischen und berufsförmigen Wissens auf personaler Ebene ist das biographische Kapital im Kreis in kontextuelle Bedingungen eingebettet, die eine interkommunale Bearbeitung von Problemlagen nahelegen, ohne dabei auf kreisweite Zuständigkeitsstrukturen zurückgreifen zu müssen. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht der kreisangehörigen Städte legt Begrenzungen und Grenzüberschreitungen gleichermaßen auf. Begrenzte verwaltungsrechtliche Verfügungsrechte sind durch lokales Engagement im Bereich von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis und damit in den Übergängen bearbeitbar. Praxiserfahrungen in bereichsübergreifender Zusammenarbeit bei der Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf ermöglichen Anschlussmöglichkeiten für die Entwicklung von Modellen zur Übergangsgestaltung von der Kindertagesstätte in die Grundschule. Grenzüberschreitungen sind durch die Bereichskoordinatorinnen auf der Ebene der Interaktion möglich: »Das heißt, wir müssen ja sehen, dass wir diese Strukturen schaffen über Kommunikation« (K18.11:95–96). Begrenzungen zeichnen sich für einen länderübergreifenden Austausch ab: »Obwohl wir länderübergreifend arbeiten müssen, können wir uns nicht, beispielsweise über das Thema Hauptschule und wie viele Jahre diese dauert […], austauschen und bereichern. Die ganz starren Grenzen« (K02.11:1251–1256).

2.1.2 Commitment: Überwindung des ›Kooperationsverbots‹

Dass »der Kreis überhaupt ein Bundesprojekt mit allen kreisangehörigen Städten auf die Beine« (K06.12:53–54) stellt, ist aus der Sicht einer Zeitzeugin erster Stunde ein erstmaliges Ereignis, bei dem sie sich ein Sendungsbewusstsein zuschreibt: »Ich behaupte von mir, wenn ich nicht gekämpft hätte, gäbe es Lernen vor Ort im Kreis […] nicht, das sage ich mal ganz überheblich« (K06.12:13–15). Die Initialzündung geht von zwei Stiftungen einer kreisangehörigen Stadt aus, die hier bereits zwei Leuchtturmprojekte ins Leben gerufen haben: »Und beide Stiftungen sind an uns herangetreten und haben gesagt, sie würden gerne mit Leuchtturmprojekten in dem Bundesprojekt Lernen vor Ort mitmachen« (K06.12:30–32).

Die Interessensmarkierung seitens zivilgesellschaftlicher Akteure erfolgt vor dem Hintergrund, dass ein Antrag einer kreisangehörigen Stadt im Alleingang unmöglich ist. Bereits die Antragstellung gestaltet sich als langwieriges und kompetitives Mehrebenenspiel, in dem Leuchtturmkommunen eine treibende Kraft darstellen: »Und dann haben wir gemeinsam anderthalb Jahre Vorlauf gehabt, um einen Projektantrag zu schreiben und haben tatsächlich den Zuschlag bekommen und sind in Lernen vor Ort gelandet« (K06.12:45–49). Der Wettbewerb um die Teilnahme am Bundesprogramm ist »ein richtiger Kraftakt« (K06.12:57), weil die »Städte im Kreis, die alle jeweils einen sehr starken Bürgermeister haben, […] immer sehr eigenständig waren« (K06.12:61–63). Mit ihrem je »eigenen Zugang zu Landespolitik und Bundespolitik« (K06.12:73) entschließen sich die kreisangehörigen Städte dazu, »gemeinsam Lernen vor Ort zu machen« (K06.12:76). Dabei arbeiten und denken »sehr viele andere Akteure« (K14.11:101) mit, »nicht nur aus den verschiedenen Kommunen, sondern auch von freien Trägern […], die eben ja auch zu den Bildungsakteuren der Region gehören« (K14.11:105–110). Den Teilnahmebedingungen folgend, suchen initiative Akteure den Lead auf der Ebene der Gebietskörperschaft: »Aber Federführung hatte natürlich der Kreis und so ist das Projekt dann eben ein Kreisprojekt geworden« (K14.11:115–116). Eine führende Position nehmen dabei jene Städte ein, »die ja die so genannten Leuchtturmprojekte installiert haben« (K06.12:86–87): »Vier Städte waren von Anfang an mit im Boot […] und haben auch von Anfang an mitgearbeitet an dem Programm« (K06.12:78–79). Im Zentrum der LeuchtturmprojekteFootnote 14 steht das von Stiftungen finanziell unterstützte Engagement zwischen Schulen und Unternehmen zur Gestaltung des Übergangs in die betriebliche Ausbildung und zwischen Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen des Stadtteils, um den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Mit Lernen vor Ort rückt die Idee des Lebenslangen Lernens in die Aufmerksamkeit der Antragsteller und regt Zielsetzungen an, »die weit über die Thematik Regionales Bildungsnetzwerk, Regionale Bildungslandschaft, die seitens des Landes vorgegeben wurden, hinausgehen« (K16.11:201–203).

Das »lebensbegleitende Lernen« (K02.11:55) ist für eine Lernen-vor-Ort-Mitarbeiterin entscheidend, »sich für das Projekt zu bewerben« (K02.11:51–52). Die Grundidee des Programms kommt auch für die Bereichskoordinatorin für das Aktionsfeld Bildungsberatung »persönlich zur richtigen Zeit« (K06.11:24–25): »Also, das hat mich direkt gepackt, auf den ersten Blick, muss ich ganz ehrlich sagen« (K06.11:21). Auf der Strukturebene anzusetzen und Kommunen, »die ja vor Ort sitzen und auch Verantwortung tragen« (K06.11:52–53), aktiv einzubinden, setzt auf »verbindliche Strukturen, die schon bestehen« (K06.11:56–57). Noch zu erfindende Verfahren »stärken diese Strukturen, bauen sie eventuell aus, leiten sie um« (K06.11:60). Verheißungen des Programms greifen schließlich auch auf die Kommunalpolitik über. Als die politische Spitze »in der Wahlkampfzeit das erste Mal in Kontakt […] mit dem Hinweis [kommt], da komme was im Bildungsbereich« (K12.11:8–9), ist das »ein absoluter Sechser im Lotto« (K12.11:16), weil mit Lernen vor Ort noch zwei weitere Initiativen im Bildungsbereich in der Startphase sind.

Dass sich Kommunen für eine interkommunale Zusammenarbeit auf Kreisebene interessieren und an ein gemeinsames Programm binden, erklärt sich eine Lernen-vor-Ort-Mitarbeiterin damit, »dass jeder Akteur auf seinen Gewinn schauen kann« (K02.11:1370). Mit diesem Gewinn lockt ein Bundesprogramm, das sich als Pilotprojekt mit experimentellem Charakter ausweisen muss (Busemeyer & Vossiek, 2015, S. 26), um das ›Kooperationsverbot‹Footnote 15 zwischen Bund und Kommunen nicht zu verletzen. Mit dem »Stichwort […] Lebenslanges Lernen« (K16.11:206) legitimiert sich die kommunale Mitverantwortung für die Gestaltung von Bildungsfragen in einem umfassenden Sinn: »Also, wir beschäftigen uns bei Lernen vor Ort nicht nur mit schulischer Bildung und nicht nur mit formaler Bildung, sondern wir beschäftigen uns mit non-formaler und informeller Bildung« (K16.11:209–213). Die Übernahme bildungspolitischer Kategorien ermöglicht die Bearbeitung gesellschaftlicher Problemlagen: »Wir beschäftigen uns mit frühkindlicher Bildung im Sozialraum, wir beschäftigen uns auch mit Seniorenbildung, mit demographischem Wandel, mit Familienbildung« (K16.11:213–220).

Ursächlich für ein Engagement auf Kreisebene ist die Dringlichkeit von Problemen einer »Region, die sehr stark betroffen ist von einem Wegfall von Ausbildungsplätzen und der ganzen Problematik, die […] immer stärker war als woanders« (K14.11:151–156). Dass man »dann natürlich mehr tun« (K14.11:170) muss, hat sich als Gebot mit der Teilnahme an einer Reihe von Projekten tief in die Region eingeschrieben: »Also sowohl Bundesprojekte als auch Landesprojekte hat es natürlich schon eine ganze Menge gegeben, die auch im Bereich Bildung gearbeitet haben« (K14.11:179–180). Die bildungspolitische Strategie, gesellschaftliche Problemlagen als Bildungsfragen zu reformulieren, setzt sich auf personaler Ebene mit dem Verständnis eines Bildungsmanagements als Nachteilsausgleich fort: »Also, was wir im Kreis damit verfolgen, ist den Bildungsstand zu verbessern, also sozusagen alle Kinder mitzunehmen, wie es so schön heißt« (K14.11:1699–1702). Der umfassende Anspruch »alle Kinder aller Eltern mitzunehmen« (K14.11:1705) führt die Kritik an der schichtspezifischen »Selektion im gegliederten Schulsystem der Bundesrepublik« (Friedeburg, 2014, S. 282) mit. Im Begehren, »tatsächlich zu erreichen, dass der Bildungshintergrund oder die Adresse der Eltern […] keine Rolle mehr spielt« (K14.11:1709–1711), kommt der Wunsch nach der Bearbeitung »sozialer Ungleichheit im Raum« (El-Mafaalani, Kurtenbach & Strohmeier, 2015, S. 9) zum Ausdruck.

Ein Bildungsmanagement auf zwei Ebenen zu konzipieren, also sowohl kleinräumig in Stadtteilen als auch stadtweit und kreisweit, erhält Nahrung von den Ergebnissen der PISA-Studien: »Wir sind ja in Deutschland sozusagen Weltmeister im Aussortieren und immer noch PISA-Weltmeister, glaube ich, mit ganz wenigen anderen Ländern dahin[gehend], wie dramatisch wichtig der Bildungshintergrund für Kinder ist, ob sie sich gut entwickeln können oder sich nicht gut entwickeln können« (K14.11:1720–1726). In dieser Vorstellung substituiert ein Bildungsmanagement den benachteiligenden Bildungshintergrund: »Also, das ist jedenfalls meine zentrale Motivation dagegen zu arbeiten […] und deshalb ja auch diese starke Motivation im frühkindlichen Bereich zu beginnen, auch vor Ort in den Stadtteilen zu beginnen, also diese Bildung im Sozialraum ist ein ganz zentrales Moment« (K14.11:1729–1745). Im Wissen darum, dass Segregation »räumlicher Ausdruck von Machtgefälle und differenzierten Lebensstilen in der modernen Gesellschaft« (El-Mafaalani et al., 2015, S. 11) ist, konzentriert sich das Engagement auf das Entgegenarbeiten und damit auf die (Bildungs-)Potenziale von Adressaten: »Also einfach auch den Wohnraum […] jetzt im Sinne von Stadtteil […] noch mal stärker in den Mittelpunkt von Bildung zu stellen« (K14.11:1749–1751). Für die proaktive Chancenperspektive spricht auch das Commitment einer zentralen Akteurin, die sich für das Projekt »aufgeopfert« (K02.14:948) hat. Ihr Engagement begründet sie mit der »Liebe« und dem »Herz zum Projekt« (K02.14:931–932), welches Möglichkeiten eröffnet: »Ich find’ die Idee hinter Lernen vor Ort einfach super. Die Umsetzung, da können wir an vielen Punkten diskutieren und streiten, aber die Idee dahinter find’ ich wirklich gut« (K02.14:932–935). Eine starke emotionale Bindung zur Projektidee begründet sie mit dem Motiv der Veränderung: »Und ich wollte Strukturen und Grenzen aufweichen, ich wollte mehr Kooperationen schaffen, ich wollte von Verkrustetem weg zu Offenerem« (K02.14:935–937). Dabei möglichst früh ansetzen zu wollen, unterstreicht den erzieherischen Anspruch der Zukunftsgestaltung: »Das war mein Anliegen, weil es mir wichtig war in meinem frühkindlichen Bereich« (K02.14:937–938). Veränderung durch Erziehung herzustellen, reklamiert ein Alternativprogramm: »Und dafür kann ich immer nur reden, ne, weil ich da einfach einiges gesehen habe und mir es wichtig war, dass da bestimmte Dinge anders laufen für die Zukunft unserer Kinder« (K02.14:938–940). Das Programm legitimiert einen möglichst frühen pädagogischen Zugriff auf die Lebensführung von Individuen quer zur schulischen Bildung, die angesichts drängender gesellschaftlicher Fragen keine adäquaten Lösungen bereitstellt: »Für die Zukunft unserer Kinder möcht’ ich bestimmte Dinge anders haben und nicht nur, weil ich sie so will, sondern […] weil sich bestimmte Dinge einfach so nicht umsetzen lassen, wie sie grade laufen« (K02.14:941–945). Lernen vor Ort stellt eine Modernisierung des Bildungssystems quer zum Schulsystem in Aussicht: »Da muss halt ‘n bisschen moderner geschaut werden« (K02.14:945).

Das Commitment des Kreises beruht auf ursächlichen Bedingungen, die Anschlussmöglichkeiten an bestehendes Engagement auf verschiedenen Ebenen ermöglichen. Kommunale Leuchtturmprojekte und damit das Engagement von Stiftungen versprechen mit Lernen vor Ort bundesweite Aufmerksamkeit. Lebenslanges Lernen gestattet eine Erweiterung weitgehend schulisch geprägter Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks und damit auch eine Erweiterung kommunaler Einflussmöglichkeiten in Bildungsfragen. Der auf Kreise und kreisweite Städte beschränkte Wettbewerb um die Teilnahme an einem bundesweiten Programm eröffnet die Aussicht auf Personalressourcen auf kommunaler Ebene und verflicht die mit dem ›Kooperationsverbot‹ geregelten getrennten Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu einer gemeinsamen Verantwortung, die sich mit einer hohen emotionalen Bindung von Lernen-vor-Ort-Akteuren der ersten Stunde als personale Verantwortlichkeiten abbilden.

Lokale Verantwortungsgemeinschaften für Schlüsselprobleme der Gesellschaft werden insbesondere von Stiftungen stark gemacht. Ein im Kreis wichtiges Leuchtturmprojekt stellt Ein Quadratkilometer BildungFootnote 16 dar, das in einem »Ortsteil mit großen Schwierigkeiten« (K20.11:73) »um eine Grundschule angesetzt« (K20.11:80–81) wurde und mit Lernen vor Ort nun zum Ausgangspunkt von Transferüberlegungen einer kreisangehörigen Stadt wird. Programmatisch vertreten Ein Quadratkilometer Bildung und Lernen vor Ort ähnliche Leitideen. Lernen vor Ort will ein ganzheitliches Bildungswesen unterstützen, »in dessen Mittelpunkt die Menschen und deren Bildungsbiographien stehen«, wobei dadurch »die Chancen für einen besseren Bildungszugang für viele Menschen verbessert« und »ein Beitrag zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit geleistet werden soll« (BMBF, 2008c, S. 4). Ein Quadratkilometer Bildung verfolgt einen kleinräumigen Ansatz, »bei dem die Bildungswege der Kinder – räumlich wie institutionell – im Zentrum stehen« (Salem, 2018, S. 216). Während die Förderrichtlinien von Lernen vor Ort den strukturellen Ansatz »einer öffentlich-privaten Partnerschaft« (BMBF, 2008a, S. 4) betonen, flaggt die Freudenberg-Stiftung als Mit-Initiator von Ein Quadratkilometer Bildung ihr Engagement als Reaktion »auf Innovationslücken staatlichen, vor allem kommunalen Handelns«Footnote 17 aus. Ein Commitment mit der Leitidee sozialer Inklusion bündelt somit zivilgesellschaftliche und staatliche Verantwortlichkeiten, zugleich zeichnen sich staatliche Zuständigkeitsansprüche ab, gilt es doch, ein »kommunales Bildungsmanagement (weiter-) zu entwickeln« und dabei »bereits vor Ort bestehende Programme, Projekte, Ressourcen oder Netzwerke in die Planung einzubeziehen, um durch eine Abstimmung vor Ort die Kräfte zu bündeln« (BMBF, 2008a, S. 4).

Eine lokale Verantwortungsgemeinschaft für Schlüsselprobleme der Gesellschaft nimmt ihren Ausgangspunkt inhaltlich zwar mit Stiftungsinitiativen vor Ort, adressiert als Verantwortliche für das ›Management‹ einer Verantwortungsgemeinschaft aber klar die kreisangehörigen Städte: »Kommunen in diesem Feld der Projektförderung« sind als Adressaten »doch noch sehr neu« (K06.11:72). Die »gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit deutschen Stiftungen« als »eines der größten bisherigen Public-Private-Partnership-Programme Deutschlands«Footnote 18(BMBF, 2008b) kann als Geltungsanspruch staatlicher Verantwortung in einer Gemengelage von Akteuren, die um Einfluss ringen, gelesen werden. Diese Lesart wird durch das Commitment der Projektleitung gestärkt, »für die kommenden Jahre nachhaltige Strukturen« (K16.11:73) aufbauen zu wollen, womit die regionale Kooperation mit dem auf Dauer gestellten Landesprogramm Regionale Bildungsnetzwerke angesprochen ist. Im Kontext der Schlüsselkategorie (Un-)Verantwortlichkeit ist der Begriff der Nachhaltigkeit im Sinn des Aufrechterhaltens des kommunalen Engagements für »ein ganzheitliches kohärentes Management für das Lernen im Lebenslauf« (BMBF, 2008a, S. 4) zu verstehen, was den zentralen Wert des Programms darstellt.

Mit dem Anspruch des Transfers von Leuchtturmprojekten definiert sich das BMK von Anfang an als regionale Koordination. Diese kontextuelle Bedingung stellt es vor große zusätzliche Herausforderungen: »Um den ganzen Kreis zu bespielen, ist das natürlich auch schon eine Größenordnung, die ziemlich gewagt ist, weil sich vieles ja auch lokaler abspielen muss« (K14.11:254–258). Eine »etwas größere Nummer« (K14.11:288) stellt ein BMK auch deshalb dar, weil es alle Akteure in einer Organisationseinheit zusammenbinden soll. »Die einzige Rettung ist dann, dass man sich auf einer neuen Ebene trifft« (K14.11:364–365), denn Lernen vor Ort als Stabsstelle ist in eine Verwaltungshierarchie eingebunden und »die außerschulischen und außerstädtischen Akteure [sind] untereinander nicht verbunden« (K14.11:331–339). Ein BMK verbindet somit die Hierarchien der kreisangehörigen Städte mit der »Heterarchie dieser verschiedenen Akteure« (K14.11:352– 353).

Zudem sind die kreisangehörigen Städte »auf einem sehr unterschiedlichen Niveau« (K18.11:962): »Nicht alle Städte im Kreis sind ja so problematisch vom Hintergrund her, also von dem strukturschwachen Umbau ehemaliger Industrie in was auch immer, mit hohen Arbeitslosenzahlen« (K18.11:967–969). Während manche »ihre Bildung eigentlich gut organisiert« (K18.11:974) und auch ein »Übergangsmanagement Kita-Grundschule schon vor längerer Zeit selbst installiert haben« (K18.11:980–981), »gibt es andere Städte […], die haben eigentlich keinen Plan« (K18.11:984–991). Das Commitment im Kreis zeichnet sich durch ein regionales Bildungsverständnis aus, welches auf die kreisangehörigen Kommunen auszudehnen ist: »Nichtsdestotrotz sagen wir als Kreis, dass das Thema Bildung so wichtig ist, dass wir es nicht nur bei einzelnen Kommunen ansiedeln müssen, sondern regional und nicht nur örtlich denken« (K16.11:179–183). Die Idee, Bildung regional zu denken, legt eine Lernen-vor-Ort-Verantwortliche sich als Imperativ auf, um den Kreis an Verantwortlichen zu erweitern: »Wir müssen es schaffen, dass auch die Vertreterinnen und Vertreter der kreisangehörigen Kommunen in gemeinsamen Gremien mindestens für den Kreis […], wenn nicht für die ganze Region […] oder das ganze [Gebiet], mitdenken« (K16.11:187–190). Ein regionales Bildungsverständnis überschreitet somit die verwaltungsorganisatorischen Grenzen des Kreises und der kreisfreien Stadt, wie sie das Programm zieht.

Die Vorstellung einer kommunalen Verankerung der Idee Region findet sich auch bei der Bereichskoordinatorin für Bildungsberatung. In einer kreisangehörigen Stadt abgeordnet zu sein, bedeutet für sie nicht, »dass die Zuständigkeit […] auf eine Kommune begrenzt ist, sondern dass sie schon bei allen […] Kommunen des Kreises liegt« (K02.12:22–26). Lernen-vor-Ort-Protagonistinnen kennzeichnen ihr bisheriges und gegenwärtiges Engagement übereinstimmend als pädagogisch, zugleich aber als Kontrastfigur zum Schuldienst: »Im Nachhinein bin ich trotzdem froh, dass ich im Schuldienst nicht gelandet bin, weil es wäre glaub’ ich Glückssache gewesen, in einer aus meiner Bewertung guten Schule zu landen« (K04.14:359–361). In einem »Denken von der Sozialarbeit her« (K02.11:132) verweist eine Bereichskoordinatorin auf das Krisenhafte von Übergängen und auf die »Motivation […], wie man die Strukturen verändert, wenn dort die Probleme der Menschen am größten sind« (02.11:125–143). Beratung begründet sich von der Vorstellung her, dass Ratsuchende das Erziehen aufsuchen, weil sie der Unterstützung bedürfen: »Ich glaube, dass die Bildungsübergänge insgesamt im Bildungsmanagement ein Riesenthema sind, weil da sozusagen die roten, blinkenden Punkte sind« (K02.11:146–150). Während die Schule biographische Steuerungsaufgaben übernimmt, halten Zeiträume dazwischen Gefährdungspotenzial bereit: »Wenn das Kind eine bestimmte Zeit in der Schule ist, ist es in der Institution gut aufgehoben. Aber das Vorher und das Wieder-Fußfassen, das sehe ich privat und auch beruflich als Brennpunkt, da ist das meiste zu tun« (K02.11:153–159). Die Konstruktion eines Unterstützungsbedarfs legitimiert die Etablierung von Beratungsangeboten, die mittels eines Managements in einer übergreifenden Architektur an Strukturen aufgehoben sind: »Und dann gibt es bestimmte Mittel, mit denen man die Probleme löst. Dann ist die Hilfestellung dazu die Bildungsberatung, um die Menschen bei den Übergängen gut und richtig zu beraten. Und das Management hat das Ganze von A bis Z komplett im Blick« (K02.11:162–170).

Im Kreis zeichnet sich früh die Verbindung der Aktionsfelder Bildungsberatung und Bildungsübergänge ab, die einen gemeinsamen Nenner in der »Umkehrung der pädagogischen Situation« (Prange & Strobel-Eisele, 2015, S. 82) finden, in der sich das Lernen an das pädagogische Handeln wendet. Lernen vor Ort trifft auf gelebte Verantwortungsgemeinschaften, in denen sich kreisangehörige Städte zusammen mit Stiftungen in Leuchtturmprojekten engagieren. Zentrale Gestaltungsakteure des Programms schließen in der Initiierungsphase an die Leitidee der Regionalen Bildungsnetzwerke an, »mehr in Verantwortlichkeiten und weniger in Zuständigkeiten« (Löhrmann, 2015, S. 8) zu denken. Die Initiative, ein kohärentes Management für das Lernen im Lebenslauf mittels eines Public-Private-Partnership-Programms zu entwickeln und umzusetzen, kann trotz des Hinweises auf die »gemeinsame Verantwortung« (BMBF, 2008c) als Geltungsanspruch staatlicher Verantwortung für soziale Inklusion gelesen werden. Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende sehen sich der Stärkung von Bildungschancen und der Idee des lebensbegleitenden Lernens verpflichtet, greifen auf berufsbiographische Erfahrungen bei der Gestaltung von Bildungsübergängen zurück und richten ihr Engagement auf die Entwicklung von Strukturen im Bereich der frühkindlichen Bildung. Das Commitment des Kreises beruht auf kontextuellen Bedingungen, die Verantwortlichkeiten gleichzeitig lokal und regional denken. Ein Bildungsmanagement soll deshalb kommunal verankert und kreisweit koordiniert werden.

Förderlich für die Teilnahme am Programm Lernen vor Ort ist das frühzeitige Wissen um neue Projekte: »Die Bewerbung ist, soweit ich weiß, so gelaufen, dass wir […] schon natürlich wussten, das alte Projekt läuft aus und Lernen vor Ort, eine neue Projektlinie, soll starten« (K14.11:55–57). Diese Information ist »zu den eingeweihten Kreisen« einer gemeinnützigen Bildungsorganisation »ein bisschen länger unterwegs« (K14.11:60–61), was darauf schließen lässt, dass eine Teilnahme gesucht und die Bekanntgabe der Bewerbung erwartet wurde. Sich an einem neuen Programm zu beteiligen, setzt die Fähigkeit voraus, die Ziele und Themenschwerpunkte, die »vom Programm festgelegt sind« und »bundesweit vereinbart wurden« (K16.11:62–63), mit bestehenden Engagements verbinden zu können. Sich mit Zielsetzungen im Rahmen des Lebenslangen Lernens zu beschäftigen, »die über die ursprüngliche Struktur eines Regionalen Bildungsnetzwerks hinausgehen« (K16.11:222–223), wird im Kreis durch das neue Programm »angeregt, wenn man so will, auch vorgegeben« (K16.11:226). Im Kreis vereinigt sich die Bereitschaft, auf eine neue Programmwelle aufzuspringen mit der Fähigkeit, diese auch reiten zu können. In Lernen vor Ort widerspiegeln sich strategische Ziele der supranationalen Ebene der EU, die sich ihrerseits global orientieren.Footnote 19 Das durch das Programm zusätzlich angestellte Personal stellt zunächst eine Ressource und damit förderliche intervenierende Bedingung dar, hat aber eine schwierige »Gratwanderung hinzubekommen« (K18.11:863). Weil unter der Haushaltskonsolidierung »noch mal intensiv bei den Nicht-Pflichtaufgaben gespart werden muss, ist also das Gegeneinander zwischen den Städten und dem Kreis nicht zu unterschätzen« (K18.11:868–872). Auch seitens der kreisangehörigen Städte außerhalb der vier Pionierkommunen kann nicht selbstverständlich mit einem Commitment mit den Programmideen gerechnet werden und es zeichnen sich früh hinderliche Bedingungen für eine regionale Koordination ab: »Also, ich bin in meinem Handlungsfeld schon überrascht, dass manche sagen, sie wollen sich vielleicht auch gar nicht damit beschäftigen« (K04.11:803–804).

Sich für einen Austausch zu öffnen, scheitert bereits an der Größe von Kommunen, »weil dann die Kleinkommunen gesagt haben, dass sie gar kein Personal haben, um all die Anfragen, die von Lernen vor Ort kommen, zu bearbeiten« (K02.11:1473–1475). Aber auch die Leuchtturmwärterinnen und Projektbetreuerinnen sind am Anfang alle »sehr auf ihre eigenen Projekte fixiert« (K10.11:98–99): »Das heißt, du konzentrierst dich darauf, den Anforderungen gerecht zu werden, das Konzept, das schon geschrieben wurde, umzusetzen. Ich habe mich an das gehalten, was mir vorgegeben wurde« (K10.11:111–115). Erst nachdem die Anforderungen eines Leuchtturmprojekts »mehr oder weniger erfüllt sind« (K10.11:119), ist Raum, um darüber nachzudenken, »wie eben Bildung im Stadtteil aussehen kann unter Bürgerbeteiligung« (K10.136). Das Praxiswissen kann erst zum Transferkapital werden, wenn »die Lernen-vor-Ort-Idee« (K10.11:123) verstandenen wird und dass es »darum geht, Strukturen aufzubauen in diesem Stadtteil« (K10.11:131–132).

Eine Barriere für die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und den Schulen ist durch die Trennung zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten eingebaut: »Die Schule macht die Tür zu und dann passiert nichts. Da ist der Träger nicht derjenige, der die innere Schulanagelegenheit wirklich voranbringt« (K20.11:222–224). Und schließlich verrät das Programm über die inhaltlich definierten Aktionsfelder hinaus nichts über die einzuschlagenden Verfahrenswege: »Eigentlich von Anfang an wurde ich ja ins kalte Wasser geschmissen und musste schwimmen und musste dies und habe mir sehr früh meine Stelle da selbst geschaffen« (K02.14:748–751). Zu den förderlichen Bedingungen auf personaler Ebene zählt die Fähigkeit, das eigene berufsbiographische Kapital abzurufen: »Das war sicherlich ein Vorteil, den ich im Projekt hatte, dass ich die Themenfelder auch inhaltlich kannte« (K04.14:495–496). Dieses Wissen hat sich durch die Beteiligung an Vorläufer-Projekten entwickelt, die inhaltlich allesamt Bereiche quer zur schulischen Bildung abdecken: »Also ich weiß, wovon bei Bildungsberatung geredet wird, das ist für mich jetzt nicht nur theoretisch angelesen oder so. Ich weiß, wie Monitoring funktioniert, ich weiß zumindest beim Thema Übergang Schule-Beruf […] einfach auch Bescheid, und eben nicht nur theoretisch« (K04.14:496–501). Dieses Programmschachteln beinhaltet darüber hinaus die Fähigkeit, sich auf Neues einzulassen: »Das einzige, was ich dann so gemerkt habe, wo ich mich nicht so gut auskannte, das war so der Übergang Kita-Grundschule und Elternbildung, da hab’ ich sehr viel dazugelernt« (K04.14:501–503).

Das förderliche oder hemmende Potenzial für das Engagement, sich auf Lernen vor Ort einzulassen, liegt im Kreis in der Möglichkeit, kommunale Einflussmöglichkeiten im Spannungsfeld von inneren und äußeren Schulangelegenheiten zu erweitern. Zusätzliche Personalressourcen versprechen den Ausbau von Verfügungsrechten. Auf Kreisebene brechen sich Bemühungen der Koordination bereits in der Initialphase des Programms am biographischen Kapital der kreisangehörigen Städte. Leuchtturmkommunen können an das Praxiswissen mit Modellprojekten anschließen, stehen aber vor der Herausforderung, die zugrundeliegenden Mechanismen für deren Funktionieren dingfest zu machen, um den Transfer in andere Städte zu ermöglichen. Nicht alle Adressaten-Städte von Transferstrukturen verfügen über die nötigen Ressourcen, um sich mit dem Aufbau von Kooperationsstrukturen auseinandersetzen zu können, was die Einlassung auf Handlungsfelder erschwert. Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende identifizieren sich in hohem Maß mit der Grundidee des Programms. Ihr Engagement wird von ihrem berufsbiographischen Kapital getragen, welches das aufmerksame Orten neuer Programme sowie die Fähigkeit, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben, einschließt.

2.2 Interessenvielfalt als Weichensteller für die Entwicklung von Zeigeformaten

Interessenvielfalt stellt die Weichen für die Entwicklung von Zeigeformaten in der Stadt. Das Programm fungiert als Gelegenheitsstruktur, um Leuchttürme zu entwickeln. Die Stadtverwaltung beansprucht von Beginn an den Lead für die Organisation neuer Verantwortlichkeits-Formate, die sie am Ziel der Verwaltungsrestrukturierung ausrichtet. Diese Steuerungsmacht stellt sie als biographisches Kapital für die Einbindung heterogener Interessen und Engagementstrukturen der Stadtgesellschaft bereit. Die Orientierung an der Interessenvielfalt kennzeichnet das Engagement in der Stadt, aus der die Stadtgesellschaft einen Gewinn zieht. Akteure auf der Ebene der Zivilgesellschaft, der Kommunalverwaltung und -politik finden unter dem gemeinsamen Dach Bildung für die Gestaltung von Interessenkonsensen zusammen. Im dezidierten Führungsanspruch der Stadtverwaltung, unterschiedliche Verantwortlichkeiten zu bündeln, bildet sich das reflexive Interesse der Autonomiesicherung im Gefüge der drei Hauptverwaltungsebenen sowie der Domänenwahrung in der Interessengemengelage von Akteuren innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung ab. Das Programm stellt die nötigen Kommunikationsgelegenheiten zur Herstellung von Interessenkonsensen bereit. Als Fluchtpunkt der Verständigung über unterschiedliche Bildungsverständnisse zeichnet sich ein KBM als neuer Verantwortlichkeitsbereich in der Ämterstruktur der Stadtverwaltung ab, der das Zuständigkeitsdenken wahrt und gleichzeitig überschreitet.

Kernaktivitäten konzentrieren sich in der Frühphase daher auf eine erkennbare Verortung eines KBM in den Verwaltungsstrukturen der Stadt. Das Programm an sich ist als Schatz zu heben und als dauerhafte Ressource zu sichern. Weichenstellungen für die Dominanz kommunaler Selbstbestimmung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft antizipieren die Handlungslogik einer Verwaltungshierarchie, die formale Zuständigkeiten nicht überwinden, mittels eines organisierten Verwahrens von Schätzen der Bildungsstadt aber verwalten kann. Die Dienstleistungsrolle beinhaltet das Bereitstellen von Bildungsangeboten und begünstigt einen organisatorischen Handlungsmodus, der auf Operationen des Zeigens (Prange, 2012a, S. 107–135) abhebt. Leistungsbeziehungen konzentrieren sich daher auf die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Kräfte und von Interessenverbänden, die ihre je spezifischen Sichtweisen auf den Gegenstand Bildung einbringen und eine kommunalpolitische Konzertierung eines unaufhebbaren Orientierungsdissenses nahelegen. Die Erfassung, Systematisierung und das Sichtbarmachen von Angeboten für die Bildungskette von Bürgerinnen und Bürgern der Stadtgesellschaft bilden ein umfassendes Dach, unter dem unterschiedliche Bildungsverständnisse Schutz finden. Angesichts divergierender Orientierungen und Interessen stellt die Strategie, harte Argumentationsrunden mittels Weisungsmacht des Hauptverwaltungsbeamten in Entscheide zu überführen, den Versuch dar, Spannungslagen in der Rolle der Verantwortung kommunaler Selbstbestimmung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft auflösen zu wollen, aber nicht zu können.

2.2.1 Biographisches Kapital: Externe Partner als Ressource

Die Stadt richtet ihr Engagement auf den Aufbau eines integrierten Bildungsamts in der kommunalen Verwaltung aus. Von hier aus sucht sie die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Zwei Organisationen im Bereich der Weiterbildung verantworten den Aufbau eines KBM mit und arbeiten sowohl in getrennten als auch in gemeinsamen Teams mit Mitgliedern der Stadtverwaltung zusammen. Im Antragsschreiben richten sich die Verantwortlichkeiten nach den grundlegenden und weiteren Aktionsfeldern aus (BMBF, 2008a, S. 6–7). Während Mitglieder der Stadtverwaltung das Bildungsmonitoring und das Bildungsmanagement tragen, sind für die grundlegenden Bereiche der Bildungsübergänge und der Bildungsberatung kombinierte Teams der Stadtverwaltung und der externen Partner vorgesehen. Gleichzeitig arbeiten die externen Partner in einem je eigenen weiteren Aktionsfeld in einem separierten Team. So entstehen drei Typen von Arbeitsgruppen, die unter der Verantwortung der Projektleitung stehen. Ein erster Typ repräsentiert den Lead der Stadtverwaltung: »Wir haben, wenn man so will, das Bild des Teppichs. In dem Teppich liegen quasi die wirklich wesentlichen Aktionsfelder drin, die auch zugleich die Ziele und die Grundnahrung darstellen. Das sind das Bildungsmanagement und das Bildungsmonitoring« (S22.11:499–504). In diesen Bereichen arbeiten »reine Stadtmitglieder« (S22.11:507). Ein zweiter Typ steht für die öffentlich-private Partnerschaft und berücksichtigt die Vorgabe des Programms, Doppelstrukturen zu vermeiden, wodurch sich das Engagement sowohl auf Bildungsübergänge als auch auf Bildungsberatung konzentriert. Diese zwei Aktionsfelder bearbeiten je ein gemischtes Team aus Stadtmitgliedern und eines Weiterbildungsträgers. Die Weiterbildungsträger sind als externe Partner zusätzlich mit einem weiteren Aktionsfeld betraut und verantworten den dritten Arbeitsgruppen-Typ mit: »Und dann haben wir die weiterführenden Aktionsfelder, das sind die Leuchttürme« (S22.11:543). In alleiniger Verantwortung kümmert sich zunächst ein externer Partner für Belange des Aktionsfelds Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft (WTUW) und ein weiterer für jene des Aktionsfelds Demographischer Wandel. Die Anbindung dieser Leuchttürme an je ein grundlegendes Aktionsfeld bildet »das Alleinstellungsmerkmal in genau dieser Kombination« (S22.11:548–549) der städtischen Organisation von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zum Beginn von Lernen vor Ort.

Mit den zwei weiteren Aktionsfeldern als »Leuchttürme[n]« (S22.11:543) übersetzt die Stadt die Vorgaben der Förderrichtlinien in eine eigene Organisation von Verantwortlichkeiten. Diese rufen die Kommunen dazu auf, sich in zwei von fünf weiteren Aktionsfeldern »besonders zu profilieren« (BMBF, 2008a, S. 7). Lösungsansätze, die einzelne Kommunen für die genannten Bereiche entwickeln, sollen auf ungeförderte Kommunen übertragen werden können und damit Leuchtturmcharakter für die Initiative ›Lernen vor Ort‹ entfalten« (BMBF, 2008a, S. 7). Die Bereiche Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft sowie Demographischer Wandel überantwortet die Stadt je einer externen Bildungsinstitution und koppelt sie gleichzeitig je an ein grundlegendes Aktionsfeld. So bilden das Aktionsfeld Bildungsübergänge mit dem Leuchtturm Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft sowie das Aktionsfeld Bildungsberatung mit dem Leuchtturm Demographischer Wandel ein Tandem mit je eigenem Arbeitsgremium. Die gesetzten Ziele werden mit dem Zuschlag zur Teilnahme am Programm »auch alle bestätigt« (S16.11:90), so dass die Verantwortlichen der Stadtverwaltung »eigentlich das tun, was [sie] immer tun wollten, aber nicht konnten, weil […] bestimmte ›Manpower‹ gefehlt hat« (S16.11:90–92).

Diese Aussage charakterisiert das Programm als Gelegenheitsstruktur für die Kommune, die den Aufbau eines KBM mit dem Erfordernis der Verwaltungsrestrukturierung passend macht und die Programm-Koordination entsprechend als gesamtstädtische Aufgabe markiert. Die Gesamtverantwortung im Sinne des kommunalen Selbstverwaltungsrechts beinhaltet die Mitverantwortung externer Partner bereits bei der Antragstellung. Das Wissen externer Partner, das Programm als Anschlussmöglichkeit für Ziele der Kommune und die Integration der Leitidee eines kohärenten Managements für das Lernen im Lebenslauf in die Stadtverwaltung stellen als biographisches Kapital ursächliche Bedingungen für das Engagement der Stadt dar.

Das Programm ist von Beginn an in lokale Kräfte eingebettet, die ihre Interessen für ein Engagement abwägen. Die Bürgerstiftung als Stiftungspartner zeichnet sich durch eine eher geringe Personalkraft, aber um ein großes ideelles Interesse aus: »Da wir sehr klein sind, hat sich für uns die Frage gestellt, ob wir das, was die Stadt von uns als Stiftung erwartet, überhaupt erfüllen können. Da wir voll ehrenamtlich sind, bringen uns unsere Projekte an die Leistungsgrenze« (S18.11:44–49). Ehrenamtlichkeit und Anstrengungsbereitschaft bis zur Belastungsgrenze kennzeichnen den Interessenbereich der Programmverantwortlichen: »Man hat uns damit gebauchpinselt oder überzeugt, dass genau die Zusammensetzung an Stiftern, die wir haben, also angefangen vom Künstler, über die Rentnerin bis hin zu mir als städtischem Angestellten, genau das ist, was für Lernen vor Ort gewünscht ist« (S18.11:54–57). Die Mischung aus »beruflichen oder privaten Engagementstrukturen« (S18:61–62) runden das Profil des kleinen, aber bildungsstarken Partners ab. Die Überzeugungsarbeit ist von Erfolg gekrönt, weil die Anfrage zur Beteiligung an das Ehrgefühl appelliert: »Nicht, dass es heißt, dass da ein paar Ehrenamtler aus einer kleinen Stiftung sitzen, die nicht zuarbeiten können« (S18.11:70–71). Das zivilgesellschaftliche Engagement erfolgt mit dem Selbstverständnis, dass »eine fachlich neutrale Beurteilung mit einem gesunden Menschenverstand und der Bandbreite der Stiftung« (S18.11:75–76) geleistet werden kann.

Auch der Weiterbildungsträger im erweiterten Aktionsfeld WTUW ist sich seines biographischen Kapitals bewusst: »Wirtschaft, Technik, Umwelt, Wissenschaft […] ist eine vielleicht nicht ganz so glücklich gewählte Überschrift, aber hinter dieser verbirgt sich eine ganze Menge« (S22.11:23–25). Der Beitrag wird als Ergänzung der Jugendarbeit ausgeflaggt: »Wir sind konzentriert auf den Teil der unterrichtsergänzenden und unterrichtsersetzenden Maßnahmen. Ein kleiner Teil ist auch außerunterrichtlich und an der Stelle beginnt die Berührung zur Jugendarbeit, da die in der Regel auch außerunterrichtlich stattfindet« (S06.11201–206). Bewusst liegen die Schwerpunkte in der Ausrichtung des Aktionsfelds WTUW im Bereich der Bildungsübergänge »von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen und von dort in den Beruf oder [das] Studium« (S06.11:210–211). Mit einem Praxisprojekt in der »MINT-Bildung« (S06.11:218) umreißt dieser externe Partner seine Vorstellung einer Verbindung unterschiedlicher Lebensphasen und Aktionsfelder. Ehemalige Ingenieure, »die nicht stillsitzen können« (S06.11:226), sollen für Kinder und Jugendliche »die eine oder andere AG anbieten und ihr Lebenswissen, ihre Erfahrung und Begeisterung an Kinder weitervermitteln« (S06.11:226–228). Die mit dem Bildungsamt verfolgten Ziele erhalten mit Lernen vor Ort einen Anschub und eine temporäre Bekräftigung: »Wir mussten in dem Antrag formulieren, welche Ziele wir verfolgen. Und da die Ziele vielen Bildungsleitbildern oder einem wirklich übergreifenden Bildungskatalog entsprechen, sind diese uns heute immer noch wichtig« (S16.11:81–83).

Die Antragstellung erfolgt mit »absoluter Vehemenz« (S16.11:86). Aus zwei Gründen gelingt es »relativ einfach« (S16.11:132), politische Unterstützung zu mobilisieren: »Zum einen ist und war der Bildungsbegriff immer positiv besetzt. Und wer will schon was dagegen sagen« (S16.11:133–134). Zum anderen fügt sich die Teilnahme am Programm in den aktuellen Bedarf der Stadt, was im Antragsschreiben belegt werden kann: »Dadurch, dass wir dieses Amt für Bildung schon vorher evaluiert hatten und gesagt haben, dass [die Stadt] so etwas braucht, war es eine Folgerichtigkeit, sich dort zu beteiligen und dabei – wie auch recht gut im Antrag dargestellt werden konnte – waren wir auch sehr schnell im Rennen« (S16.11:137–140).

Als anschlussfähig stellt sich das Programm auch für den Jugendhilfebereich dar, der einerseits »eine sehr ausgeprägte Bildungslandschaft zusammen mit den Jugendhäusern und den Jugendverbänden« (S12.11:194–195) und durch die Jugendförderpläne andererseits »politisch begründete Entwicklungspotenziale« (S12.11:198–199) sieht. Der Fokus auf »ein ganzheitliches kohärentes Management für das Lernen im Lebenslauf« (BMBF, 2008a, S. 4) stärkt ein erweitertes Bildungsverständnis, das nicht nur auf formales und schulisches Lernen abhebt: »Man kommt mittlerweile Schritt für Schritt dazu, dass man die anderen außerschulischen Aktivitäten, Weiterbildungen, Erwachsenenfortbildungen, alternativen Bildungswege, Lernen als Grundvoraussetzung des Seins, Lernen in allen Lebenslagen, wahrnimmt« (S12.11:228–231). Die Markierung von Bildung als Lernen und dies jenseits der Institution Schule unterstreicht die Geltungsansprüche von Akteuren, die auf kommunaler Ebene auf das Teilsystem Bildung zugreifen: »Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Familien sind ja nicht in der Form nur auf die Schule fixiert, weil sie dort was lernen. Es gibt auch noch andere Ebenen« (S12.11:234–236). Lernen erstreckt sich auf die gesamte Lebensführung der Gesellschaftsmitglieder: »Freizeit gehört eben auch dazu und da gibt es andere Rahmenbedingungen. Im 12. Kinder- und Jugendbericht wurde ja auch das Jugendhaus als Bildungsort herausgestellt« (S12.11:237–239).

Anschlüsse zur Idee eines KBM stellen auch Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende her. So kommt eine Projekt-Angestellte des Stadt-Teams im Aktionsfeld Bildungsmanagement bereits in ihrer Studienzeit mit Lernen vor Ort in Berührung: »Zu dem Zeitpunkt, als der Antrag gestellt wurde, war ich noch nicht involviert, wusste aber aus Nebengesprächen, um was es gehen soll« (S04.11:26–27). Weil der Studienabschluss im Bereich Weiterbildung und Bildungstechnologie erfolgt, »passt Lernen vor Ort thematisch sehr gut« (S04.11:55–56). Lernen vor Ort stellt sich jungen Menschen mit akademischem Abschluss, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen, als Offerte dar, die sie »sehr interessant und spannend« (S04.11:30–31) finden. Aber auch erfahrene Mitarbeitende im Programmschachteln bringen ihr biographisches Kapital als Ressourcen ein. Die Fähigkeit, langfristige Zele hartnäckig verfolgen zu können, auch wenn sich Erfolge nicht unmittelbar einstellen, begründet ein Stiftungspartner mit seiner kindlichen Erziehung, in der er »eigentlich auf extreme Perfektion getrimmt« (S06.14:397) wurde. Die Abschwächung »eigentlich« relativiert die Anspruchsmaximierung »in dem Sinne, dass man das eigentlich sowieso gar nicht schaffen kann, was man sich da selber grade vornehmen würde« (S06.14:401– 402). Was zählt, sind hohe Ideale, die den Weg weisen, den es trotz nicht kurzfristig realisierbarer Ziele unbeirrt zu gehen gilt: »Gleichzeitig bin ich ein ziemlich sturer Mensch, also hartnäckig an Zielen, langfristig an Zielen« (S06.14:405–408). Diese Dreifachbesetzung des Engagements, Hartnäckigkeit trotz Nichterreichbarkeit von Vollkommenheit, gründet in einer Begegnung im Studium, die zum biographischen Schlüsselerlebnis wird. Ein Professor der englischen Landschaftsarchitektur erzählt, dass er mit 88 Jahren den größten Garten seines Lebens zu gestalten beginnt im Wissen darum, dass andere ihn fertig stellen werden. Seine Begeisterung wirkt bis in die Gegenwart mit der Botschaft: »Ihr müsst für das Thema, für euer Fach, müsst ihr brennen« (S06.14:433–434).

Das biographische Kapital der Stadt wird von zivilgesellschaftlichem Engagement sowie der Zuarbeit externer Weiterbildungsorganisationen gerahmt. Auf kommunalpolitischer Ebene stellen die »absolute Vehemenz« (S16.11:86) für die Antragsstellung und eine positive Besetzung des Bildungsbegriffs kontextuelle Bedingungen dar. Schließlich wird Engagement von individuellem biographischem Kapital getragen, das sich durch die Begeisterungsfähigkeit von Novizen und Experten des Programmschachtelns auszeichnet. Das Verschmelzen externer und interner Verfügungsrechte als Ressourcen konstituiert förderliche Bedingungen für Grenzüberschreitungen. Politische Zustimmung, Ehrenamtlichkeit und Fachlichkeit kennzeichnen die dreifache Verbindung zwischen Stadtverwaltung, Stiftungen und externen Partnern. Der Stadtrat unterstützt die Teilnahme am Programm: »Es war also keine Schwierigkeit, das politisch einzubringen. Wir hatten das natürlich wie alle solche großen Projekte in den Stadtrat eingebracht. […]. Es war in der ersten Lesung einstimmig. Was will man mehr« (S16.11:143–150). Die Zusammenarbeit mit den Stiftungen »funktioniert […] sehr zur Zufriedenheit des Teams von Lernen vor Ort« (S18.11:80). Die Frage, »wie man auch bei den freien Trägern eine gewisse Fachlichkeit gestaltet« (S12.11:69–70), stellt einen klassischen Reibungspunkt dar, wenn es darum geht, den Jugendförderplan zu schreiben. Dennoch überwiegt die Einschätzung, »dass man eine gute Grundlage hat« (S12.11:74). Das Lernen-vor-Ort-Team startet »mit null Vorleistung« (S16.11:183) in den Bereich Bildungsmonitoring und sieht sich vor der Herausforderung, »erst einmal [an dieses Thema] ranzukommen« (S16.11:183–184). Auch wenn die Teilnahme am Programm eine kollektive Leistung darstellt, kennzeichnet sich die Initiierungsphase durch das herausragende Engagement zentraler Akteure erster Stunde: »Ich habe den Schatz mit gehoben, denke ich« (S14.11:8). Als intervenierende Bedingungen für Grenzüberschreitungen wirken das herausragende Engagement einzelner, politische Zustimmung, Ehrenamtlichkeit und Fachlichkeit sowie fehlende Vorleistungen im Bereich Bildungsmonitoring.

2.2.2 Commitment: Überwindung von Orientierungsdissens

Ursächliche Bedingungen für das Commitment begründen die Verantwortlichkeit in der Stadt mit einem Konglomerat von Interessen, die Bildung mit einem breiten und das formale Lernen übergreifenden Verständnis rahmen. An die Projektideen von Lernen vor Ort binden sich zentrale und periphere Akteure der Stadtgesellschaft. Für einen externen Partner wird das Programm erst dann konkret, »als der Zuschlag« (S06.11:26) und damit die Anfrage um die Mitarbeit kommt: »Als es hieß, dass wir dabei sind […], dass man mich mit meiner Expertise auch braucht, da wurde es konkret und ich habe einen Bezug zum Projekt gekriegt« (S06.11:27–31). Der angefragte Interessenverband »hat die Aufgabe der Förderung und Unterstützung von interdisziplinären Projekten, die Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bildung zusammenbringen« (S06.11:57–59). Deshalb sieht das Antragskonzept der Stadt für diesen Partner die Verantwortlichkeit für das Aktionsfeld Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft vor. Nachhaltigkeit definiert dieser Akteur »immer im Sinne von ganzheitlichen Ansätzen« (S06.11:66) und »mit dem Aspekt der Wirtschaftsverbindung« (S06.11:64). Der »Gesichtspunkt Wertschöpfungsketten« (S06.11:63) beinhaltet die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Ein weiterer Akteur ist der Jugendring, der als freigemeinnütziger Träger der Stadt die Interessen der Jugendverbände und Jugendvereine vertritt: »Bei uns werden Interessen gebündelt, man stimmt sich ab« (S12.11:34). Die Interessenvertretung des Jugendrings umfasst die Zusammenarbeit mit Verantwortlichen der Jugendverbände und -vereine, der Verwaltung und des Jugendhilfeausschusses: »Ich bin auch für die Beratung und Betreuung ehrenamtlicher Vorstände verantwortlich, darf mit der Verwaltung bestimmte Dinge aushandeln oder Problemlagen diskutieren, und ich vertrete die Mitglieder im Jugendhilfeausschuss«Footnote 20 (S12.11:39–41). Da sich das Angebot der Jugendvereine auf den Freizeitbereich bezieht, beinhaltet das Commitment dieses Akteurs auch immer den direkten Bezug zu Kindern und Jugendlichen im Bereich der außerschulischen Bildung. Lohre bezeichnet die »verantwortliche Mitwirkung engagierter Bürgerinnen und Bürger sowie von Fachleuten aus der Jugendhilfe und die geregelte Kooperation in diesem Bereich der Daseinsvorsorge« (2015, S. 67) als einmalig in der deutschen Verwaltungsstruktur. Auf personaler Ebene bildet »menschliche Integrität« (S06.14:461) das Fundament, um »für das, was man da tut, zu stehen und das dann auch höflich beharrlich […] im Prinzip durchzusetzen« (S06.14:461–466).

Die Verständigung zwischen dem Kernteam und dem erweiterten Team von Lernen vor Ort lässt die »Denke« und den »Hintergrund« (S18.11:91) der beteiligten Akteure erkennen. Unterschiedliche Sicht- und Denkweisen sorgen anfänglich für »Unwohlsein« (S18.11:98) und lösen Fragen aus in Bezug auf den Bildungsbegriff: »Wollen wir Menschen einfach nur bilden, damit sie wieder in Arbeit und Brot kommen? Bilde ich sie, um sie zu befähigen in einem Arbeitssystem zu funktionieren? Oder ist Bildung nicht ein Wert an sich?« (S18.11:103–105). Die Klärung des Bildungsverständnisses beschert der Bürgerstiftung »einen längeren Unruhefaktor« (S18.11:112), bis sie erkennt, wo und wann sie sich einbringen kann: »Es ist so ein breites Feld, auf dem so vieles angedacht und zusammengeführt werden muss, dass es eben auch mindestens ein Jahr dauert, bis greifbare Ergebnisse da sind« (S18.11:117–119).

Das wechselseitige Einschwingen auf gemeinsame Werte irritiert auch bestehende Gleichgewichte im Jugendhilfeausschuss. So reklamiert der Jugendring seinen Einfluss durch eine festgelegte Verteilung der Stimmen: »Insgesamt sind es sechs Stimmen, von denen der Stadtjugendring zwei Stimmen hat« (S12.11:50–51). Bei den anstehenden Fragen zum Ganztagsgrundschulmodell und zur Gemeinschaftsschule will er »angesprochen werden« (S12.11:213) und er erwartet, den Einfluss im Rahmen von Lernen vor Ort zu erhalten und im Bereich des außerschulischen Lernens auszubauen: »Wir sind so frech und sagen einfach, dass wir das wollen« (S12.11:214). Als »verwaltungsunabhängiger, eigenständiger Verein« (S12.11:217–218) nutzt dieser Akteur »den Vorteil, […] auch so frech sein […] und [sich] irgendwo mit einbinden lassen [zu] dürfen« (S12.11:219–220). Die Auseinandersetzung mit Programmideen evoziert Domänenspiele: »Da hat jeder auch erst mal Existenzängste, bis jeder seinen Platz findet und Kooperationen entwickelt werden« (S12.11:177–178).

Eine besondere Bedeutung von Lernen vor Ort sieht ein Stiftungspartner aus zwei Gründen. Erstens stärke das Programm die Möglichkeiten, durch zivilgesellschaftliches Engagement notwendige Ergänzungsleistungen im Bildungsbereich zu erbringen: »Zum einen ist es ein sehr wichtiges Thema, gerade auch, wenn man die Defizite kennt, die wir im Bereich Bildung haben« (S20.11:47–48). Neben dieser komplementären Funktion führt der Stiftungspartner zweitens die Notwendigkeit einer datenbasierten Beobachtung von Bildungsbereichen ins Feld: »Es ist auch wichtig, dass man versucht, bestimmte Akteure in diesem Bereich zu vernetzen und dass man auch versucht, das Ganze zu controllen« (S20.11:51–52). Vernetzen und Controllen heben auf ein evidenzbasiertes Bündeln von Kräften ab mit Blick auf die Frage, was »die Wirtschaft an Bildungsbedarf braucht« (S20.11:65). Ohne »bestimmte Indikatoren oder Kenngrößen« (S20.11:55) werde »das Thema Bildung recht schwammig« (S20.11:59). Das Commitment der Stiftung basiert auf der Überzeugung, mit der Unterstützung von Aktivitäten für Jugendliche »Bildungsgerechtigkeit zu schaffen« (S20.11:92–93). Angebote im Bereich des Sports könnten »beispielsweise […] Immigranten auffangen und eine Beschäftigung bieten und Erfolgserlebnisse verschaffen« (S20.11:97–98). Bei Förderanfragen schaut der Stiftungspartner gezielt darauf, »aus welchem Stadtteil die Anfrage kommt« (S20.11:115). Dass Anfragen oftmals gar nicht aus sozialen Brennpunkten stammen, weil deren Schulen »keine engagierte Elternschaft oder Lehrer« (S20.11:121–122) haben, verweist auf den Koordinationsbedarf zivilgesellschaftlichen Engagements: »Wir würden gerne mehr in den Bereich gehen, da wir da auch Nachholbedarf sehen« (S20.11:125–126). Ihr Engagement bringt die Bürgerstiftung mit einem Selbstverständnis auf den Punkt, »nicht nur in Schulnoten« (S06.14:581), sondern »über Ämter- und Dezernatsgrenzen hinweg und in die Stadt hinein« (S06.14:1344–1345) zu denken. Das bedeute zu fragen, welche Bildung eigentlich gut sei und welche nicht: »Ist das gut, dass die sich selber jetzt ‘n Bürgerpark machen, die Schüler, ja, und so? Will man das, kann man das, ist das Lernen?« (S06.14:594–596). Insofern es bei Lernen vor Ort nicht darum gehe, »drei tolle Veranstaltungen, ‘ne Broschüre« (S06.14:566–567) gemacht zu haben, sondern das Lernen vor Ort auf lange Sicht durchzuhalten, sei es ein »extrem offener Prozess« (S06.14:526). Sich auf diese schrittweise und langwierige »Strukturrevolution« (S06.14:560) einzulassen, bedeute, »dass da eigentlich Begriffe mit ‘ner ganz anderen Toleranz auch […] über Jahre jetzt wahrscheinlich gelebt werden« (S06.14:599–600) müssten. In Stadtgesellschaft zu denken, erfordere die Fähigkeit, sich überhaupt auf einen offenen Zielhorizont einlassen zu können, »ohne dass es aber gleichzeitig beliebig werden« (S06.14:602–603) dürfe.

Die Eigenschaften eines Commitments mit Verantwortlichkeit kennzeichnen sich durch die freiwillige Einlassung auf die dem Programm inhärenten kulturellen Orientierungen in Bezug auf eine Verantwortungsgemeinschaft: »Ich finde auch, dass, je weiter man über den Grundsatz, dem unserer Meinung nach Lernen vor Ort zugrunde liegt, nachdenkt, umso genialer man es findet« (S16.11:58–59). Die Chancenperspektive hinsichtlich eines Autonomiegewinns führt Zwänge, die von dem Programm ausgehen, verdeckt mit: »Ich habe großen Respekt vor denen, die sich dieses Modellvorhaben haben einfallen lassen. Es steckt sehr viel Potenzial darin, das wir uns in den drei Jahren auch erschließen können, ohne dass es gefordert ist« (S16.11:62–67).

Wirkungen der Regierungstechnik mittels einer Programmsteuerung auf Orientierungen bilden sich auch im Verständnis eines Bildungsmanagements der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden ab. Ein Bildungsmanagement im Sinn des Befähigens zum Lernen versteht sich als »Unterstützung eines Lernprozesses« (S16.11:1204) durch das Schaffen von Anreizstrukturen: »Wenn jemand nicht lesen kann, dann kann er auch mein Angebot, welches ich hier habe, […] nicht wahrnehmen. Man muss ihn wenigstens so weit ertüchtigen, dass er das liest und obendrein noch ein gutes Gefühl dabei hat« (S16.11:1197–1202). Für die verantwortliche Person im Aktionsfeld Bildungsmanagement beinhaltet dies, »erst einmal grundlegende Strukturen für das spätere Bildungsmanagement zu schaffen und die Vorarbeit zu leisten« (S04.11:64–66).

Ein anderes Selbstverständnis betont den Weg zu diesen grundlegenden Strukturen und das Erfordernis, »in diese Dialoge und Moderation sich einzulassen« (S06.14:628): »Genau das ist, was auch glaube ich jetzt für Lernen vor Ort und für Bildung für nachhaltige Entwicklung die einzige Chance ist, sozusagen ergebnisoffen zu weiteren Qualitäten zu kommen. Also ‘n Zieltrichter und ‘n Zielrahmen zu definieren« (S06.14:632–637). Kontextuelle Bedingungen für das Commitment rahmen die Verantwortlichkeit in der Stadt durch die Bereitschaft zur Einlassung auf eine gemeinsame Klärung des Bildungsverständnisses, auf das wechselseitige Einschwingen auf gemeinsame Werte, auf das zivilgesellschaftliche Engagement zur Ergänzung staatlicher Strukturen, auf ein Denken über Dezernatsgrenzen hinweg, auf einen langwierigen und offenen Prozess, auf das Schaffen von Anreizstrukturen zur Befähigung zum Lernen sowie auf Dialog und Moderation.

Die Ausrichtung auf ein gemeinsames Commitment für Lernen vor Ort beeinflussen unterschiedliche Interessen. Während der Jugendring sich vom Leitbild des Lernens im Lebenslauf »bestimmte Begründungen und Effekte für die Jugendarbeit« (S12.11:85) verspricht, sehen Verantwortliche der Kommunalpolitik mit dem Programm eine Möglichkeit, »Parallelstrukturen« (S12.11:90) in der Stadtverwaltung aufzulösen. Diskussionen um eine Neustrukturierung von Ämtern und deren Verantwortlichkeiten bringen einen »Kampf auf unterschiedlichen Ebenen« (S12.11:90–91) mit sich. Die Beobachtung, dass »durch Lernen vor Ort […] nun mit sehr viel Geld und Förderung eine Struktur für Netzwerkarbeit, für öffentliche Präsentationen bestimmter Vernetzungen entwickelt« (S12.11:109–110) werden sollen, weckt bei etablierten Akteuren die Befürchtung, an Einfluss zu verlieren: »Man merkt dabei aber nicht, dass bestimmte bestehende Strukturen permanent und auch stringent in dieses neue System implementiert werden« (S12.11:113–114). Mit bestehenden Strukturen spricht der Jugendring die klassischen Verantwortungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe an, wie sie durch das Sozialgesetzbuch (SGB VIII) festgeschrieben sind: »Für uns sind immer die Paragraphen 11 bis 13Footnote 21 die markantesten, weil dort ja in den letzten 20 Jahren Strukturen entwickelt wurden« (S12.11:104–105). Das »neue System« (S12.11:114) zur Herstellung von Kohärenz droht etablierte Strukturen und Praktiken zu vereinnahmen: »Man hat eher das Gefühl, dass mit den Fördermitteln eine Struktur aufgebaut wird und die Politik irgendwann sagen wird, dass man sich für eine Struktur entscheiden muss, da man sich nur noch eine leisten kann« (S12.11:118–120). Mit der Verteidigung der Zuständigkeit für den Bereich der Jugendarbeit geht auch der Anspruch auf die Domäne der außerschulischen und non-formalen Bildungsprozesse einher: »Das ist eine große Gefahr. Man kann Lernen vor Ort keinen Vorwurf machen. Die kommen aus einem Bereich schulischer Grundstrukturen, die politisch gewollt sind und entwickelt werden sollen« (S12.11:124–127). Die Konstruktion einer Konkurrenz zwischen formaler und non-formaler Bildung markiert das reflexive Interesse der Domänenwahrung: »Die Bildungsmanager kommen oft aus einem Bereich, die den außerschulischen und non-formalen Bildungsprozess nicht kennen. Genauso wenig wie kommunalpolitisches Tun im Jugendhilfebereich. Das ist die große Hürde« (S12.11:130–133).

Lernen vor Ort fordert die Auseinandersetzung mit den Folgen fehlender Leistungsbeziehungen heraus: »Wir sind zwar auf einem guten Weg, aber noch nicht so weit, dass man […] den Blick dafür hat, dass man manche Entscheidungen nur gemeinsam entwickeln kann« (K12.11:136–138). In der Initiierungsphase zur Teilnahme am Programm muss zunächst das zuständige Amt der Kommunalverwaltung überzeugt werden: »Nachdem ich darauf aufmerksam gemacht worden bin, haben wir es uns dann angeschaut und gesagt, das wäre eventuell etwas, was die Ziele, die wir mit dem kurz vorher gebildeten Amt für Bildung eigentlich beschrieben haben, gleichsetzt [mit dem], wofür wir eingetreten sind« (S16.11:27–31). Die erfolgreiche Prüfung der Machbarkeit stellt die erste Hürde dar: »Da sollten wir uns einmal drum kümmern und haben darauf festgestellt, dass es ein einfaches Antragsverfahren ist und es ganz einfach versucht« (S16.11:34–35).

Der eigentliche Antrieb für eine erfolgreiche Teilnahme und dafür, weitere Akteure in das Commitment einzubinden, stellt das Engagement eines Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden dar, der die Fähigkeit hat, eine Vision in den Interessenhorizont weiterer Akteure zu rücken. Die Initiative geht von einem Verwaltungsangestellten aus: »Wenn ich ganz ehrlich bin, kam der erste Impuls von […] meinem Stellvertreter. Dieser hatte es als erster angesprochen« (S16.11:19–20). Mit der Beteiligung der Bürgerstiftung erhält Lernen vor Ort eine Bestärkung, die sich durch eine zeitlich überdauernde Treue und Unterstützung für große Ziele bei gleichzeitiger Bescheidenheit in Bezug auf kurzfristige Erfolge auszeichnet: »Das muss nicht heute perfekt sein« (S06.14:477). Die Anfrage erfolgt aus Sicht der Stiftungsvertretung deshalb, weil die Macht eines unerschütterlichen Wollens auch ohne Gelingens-Garantie erkannt wird: »Denen ist allen klar, ich will das mit, und ich finde das gut und die Unterstützung habt ihr und selbst, wenn’s ‘n Jahr dauert oder wenn es auch nicht gelingt, ist das nicht etwas, was negativ ausgelegt wäre« (S06.14:507–514). Was zählt sind »diese Integrität« und »diese Begeisterungsfähigkeit« (S06.14:517–518).

Intervenierende Bedingungen für das Commitment fördern die Verantwortlichkeit in der Stadt durch eine Verständigung zwischen unterschiedlichen Interessengruppen, die Relevanzkriterien der Praktikabilität von Verwaltungsprozessen berücksichtigen. Befürchtungen, den Einfluss in etablierten Domänen zu verlieren, stehen dem Ziel der Kohärenz gegenüber, die Irritation bestehender Gleichgewichte fordert aber auch gemeinsame Entscheidungsprozesse heraus. Die Teilnahme am Programm hängt von der Einschätzung einer erfolgreichen Durchführbarkeit ab, was das Antragsprozedere einschließt. Eine Schlüsselfunktion in der Anfangsphase nehmen initiative Persönlichkeiten ein, die sich an zeitlich langfristigen und großen Zielen orientieren, ohne sich dabei von kurzfristig bescheidenen Erfolgserlebnissen abschrecken zu lassen. Eine biographisch verankerte Integrität und Begeisterungsfähigkeit halten visionäre und nachhaltige Bildungsziele auf Linie.

3 Arenen der (Un-)Beteiligung

Das BMK verbindet das Leitbild einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft mit der Teilhabe am Organisations- und Professionswissen der Leuchtturmkommen zur Gestaltung von Bildungsübergängen. Das ökonomische System investiert – vermittelt über das politische System – Geld ins sozial-kulturelle System und öffnet den Diskurs auf dem Feld des Kulturmarkts (vgl. Abbildung 7.5, links). Das KBM verbindet das Leitbild einer Bürgerkommune durch die Teilhabe am Organisationswissen von Interessenverbänden mit der Binnenmodernisierung der Stadtverwaltung. Das politische System investiert Macht ins Gemeinschaftssystem und spezifiziert die Reputationsinvestition auf dem Feld der Gesellschaftspolitik (vgl. Abbildung 7.5, rechts).

Abbildung 7.5
figure 5

Arenen der (Un-)Beteiligung (Eigene Darstellung)

Formate der Beteiligung im Rahmen von Lernen vor Ort konstituieren sich unter Bedingungen, die eine spezifische Öffnung und Schließung gegenüber unterschiedlichen Rationalitäten anbahnen. Sowohl der Kreis als auch die Stadt organisieren Kooperation unter der Bedingung, Doppelstrukturen vermeiden, das heißt, die Kulturhoheit der Länder wahren zu müssen. Dies gebietet Wandel nicht der, sondern zwischen bestehenden institutionellen Strukturen des geteilten Bildungssystems zu prozessieren und das Engagement zwar auf Lernen vor Ort als Projekt zu begrenzen, die Leitideen des Programms aber zugleich dauerhaft zu verankern. Ein überdauerndes Commitment mit Lernen vor Ort als Programm folgt der Handlungsrationalität der Ausdehnung und Konzentration von Personalressourcen in einem Hol- und Bring-Modus und fundiert die Entwicklung unterschiedlicher Formate der Beteiligung. Kreis und Stadt öffnen die Bildungsgremien für Akteure der Zivilgesellschaft. Die erweiterte Beteiligung erhöht die Beobachtung von Kindern und Jugendlichen als Adressaten von Leistungserbringungen des pädagogischen Systems und dehnt diese Beobachtung auf die Übergänge institutioneller Bildungsstrukturen aus. (Un-)Beteiligung bearbeiten Kreis und Stadt auf der Basis unterschiedlicher Leitideen und Kommunikationsarten. Die Ausdehnung von Personalressourcen im Kreis korrespondiert mit dem Bereitstellen der Leitidee einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft, dem Verzahnen von Kommunikationsarten der Profession und Organisation, dem Anschließen von Kommunikationsarten im Hol-Modus an die pädagogische Profession und im Bring-Modus an die Organisation der Regionalen Bildungsnetzwerke sowie mit transintentionalen Beteiligungseffekten, die aus dem Lernen auf kommunaler Ebene erwachsen. Die Konzentration von Personalressourcen in der Stadt korrespondiert mit der Übernahme der Leitidee der Bürgerkomme, dem Verzahnen von Kommunikationsarten der Organisation, dem Anschließen von Kommunikationsarten im Hol-Modus an die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern sowie mit transintentionalen Beteiligungseffekten, die aus dem Lernen in der Kommunalverwaltung erwachsen.

3.1 Eine komplizierte Kreisstruktur als Weichensteller für den Ausbau von Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich

Eine komplizierte Kreisstruktur stellt im Kreis die Weichen für den Ausbau von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis. Aufgaben im eigenen Wirkungskreis sind weisungsfreie Aufgaben im Rahmen der freiwilligen oder pflichtigen Selbstverwaltung (Böhmer, 2015, S. 6). Bei Aufgaben der freiwilligen Selbstverwaltung entscheidet eine Kommune über das Ob und Wie, bei Aufgaben der pflichtigen Selbstverwaltung lediglich über das Wie von Maßnahmen (Böhmer, 2015, S. 6). Die Gestaltung von Bildungsübergängen an der Schwelle von der Kindertagesstätte zur Grundschule berührt Aufgaben der pflichtigen Selbstverwaltung. Das bedeutet, dass Kommunen an die Weisungen der staatlichen Instanz in Bezug auf Kindertagesstätten und allgemeinbildende Schulen gebunden sind, über die konkreten Verfahren aber Gestaltungsspielräume haben. Die staatliche Instanz stellt das Leitbild einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft bereit. Dieses vereint die widerstreitende Dynamik der Wahrung staatlicher Zuständigkeit für das Schulwesen und des Ausbaus weisungsfreier kommunaler Aufgaben. Mit dem Kooperationsvertrag zur Mitgestaltung des Regionalen Bildungsnetzwerks spricht das Land die pädagogische Profession an, indem es Schulen »die eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts, der Erziehung und des Schullebens im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften« (MSB, o. J., S. 2) überträgt.

Mit der »strukturellen Kopplung von pädagogischem System und biographisch bedingten psychischen Systemen der Adressaten« (Kade, 1997, S. 67) arbeitet die Profession der Sozialintegration zu. Letztere ist aber – bedingt durch die Indifferenz zwischen Vermitteln und Aneignen (Kade, 1997, S. 58) und der Steigerung der Autonomie sowohl des pädagogischen Systems als auch der Adressaten – mit Ungewissheit behaftet (Kade, 1997, S. 60–64). Die Bearbeitung der doppelten Steigerung der Autonomie durch die pädagogische Profession erfolgt mit dem Risiko der »Selbstorganisationszumutung an die Individuen« (Kade, 1997, S. 60). Sie bedarf der Beobachtung der Umwelt des Systems und der Adressaten sowie deren Unterstützungsbedarf »bei der autonomen Aneignung der Welt« (Kade, 1997, S. 67). Die staatliche Instanz adressiert nun Kommunen mit Offerten zur »Verbesserung der Lern- und Lebenschancen aller Kinder und Jugendlichen« (MSB, o. J., S. 2). Regionale Bildungsnetzwerke stellen organisatorische Verfahren bereit, die »das pädagogische System mit anderen sozialen Systemen« (Kade, 1997, S. 67) verschränken. Sie arbeiten der Systemintegration zu und flankieren die pädagogische Profession mit dem Ziel der »Zusammenarbeit aller Bildungsakteure vor Ort, um eine effektive Unterstützung der Schulen zu sichern« (MSB, o. J., S. 2).

Kooperation, verstanden als das Einbeziehen aller an Bildung beteiligten Akteure, konzeptioniert der Kooperationsvertrag als Vernetzung. Die horizontale Vernetzung betrifft die »Kooperation von Schulen untereinander […] mit anderen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen wie Wirtschaft, Arbeitsverwaltung, Jugendhilfe, Kultureinrichtungen usw.« und bildet im Ergebnis eine »breite und differenzierte Infrastruktur« (MSB, o. J., S. 2). Die vertikale Vernetzung zielt auf eine »bessere Abstimmung der verschiedenen Stufen des Bildungswesens untereinander« und im Ergebnis auf die Bewältigung der »jeweiligen eigenständigen Aufgaben« (MSB, o. J., S. 3). Das Tandem von Profession und Organisation an der Schnittstelle des pädagogischen Systems ermöglicht zu sehen, »was das System nicht sieht« (Kade, 1997, S. 64). »Unterstützungs- und Beratungssysteme vor Ort« (MSB, o. J., S. 3) stellen eine Lösung für die Folgeprobleme bereit, die sich im Zuge der »Herausbildung des Pädagogischen als eines autonomen sozialen Teilsystems« (Kade, 1997 S. 61) und der doppelten Steigerung der Autonomie ergeben.

Der Kreis greift das Leitbild einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft mit einer punktuellen Einbindung der Zivilgesellschaft auf und nutzt Lernen vor Ort, um die Beobachtung des pädagogischen Systems mit der Erweiterung der Bildungskonferenz um außerschulische Akteure zu erhöhen. Zur Überwindung des starken Schulbezugs und der restriktiven Gremien- und Größenstrukturen für das Biographie begleitende Lernen bedient er sich des Engagements der Leuchtturmwärterinnen, die ihr Professions- und Organisationswissen zur Gestaltung von Bildungsübergängen sowie einen Bring-Modus zur Ausdehnung des Leitbilds in die kreisangehörigen Städte zur Verfügung stellen. Ihr Commitment basiert auf einem Koordinationsverständnis, wonach Zeigen und Lernen (Prange, 2012a, S. 107–135) mittels der Transformation von Kooperationszumutungen in Synergien zwischen Kreis und kreisangehörigen Städten koordiniert werden können.

Es kennzeichnet sich durch ein Werben um Annahmebereitschaft der Leitidee einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft und ein strukturelles Denken für das Lernen vor Ort. Kernaktivitäten richten sich darauf, ein gemeinsames Verständnis für Biographie begleitende Bildungskooperationen im Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule herzustellen. Eine Öffnung für viele Bildungsakteure mittels der Formate der Entwicklungswerkstatt und Bildungskonferenz erfordert es, die Handlungslogik selbstständiger Kommunen zusammenzuführen, die sich von Lernen vor Ort passgenaue Angebote für ihre je spezifischen Beratungsbedarfe wünschen. Leistungsbeziehungen für eine kreisweite Organisationseinheit zu einem Übergangsmanagement stellt der Kreis ›von oben‹ über die symbolische Unterstützung des Akteurs Politik beziehungsweise des Landrats und der Verwaltungsspitze und ›von unten‹ über das biographische Kapital der Profession beziehungsweise der Bereichsverantwortlichen im Projekt Lernen vor Ort her. Letztere professionalisieren sich als Grenzgängerinnen an der Schnittstelle zwischen den Kommunalverwaltungen und Bürgerinnen und Bürgern, indem sie ein weiteres Programm schachteln und zwischen der pädagogischen Profession und der Organisation von Kooperation in den Gremien der Regionalen Bildungsnetzwerke vermitteln. Das pädagogische System beobachten sie im Hol-Modus, insofern sie auf Einladung informieren. Das Bildungsnetzwerk als Format der Organisation kennzeichnet sich durch eine Bring-Struktur, insofern Lernen-vor-Ort-Verantwortliche auf die Kommunen zugehen und sich als Beraterinnen offerieren. Spannungslagen erwachsen aus unvorhergesehenen erwünschten und unerwünschten Beteiligungseffekten. Euphorisierenden Erkundungen von kreisweiten Angebotsstrukturen steht das Erleben ineffizienter Verständigungsprozesse in Arbeitskreisen mit breiter Beteiligung gegenüber.

3.1.1 Biographisches Kapital: Wahrung staatlicher Zuständigkeit für das Schulwesen zum Ausbau weisungsfreier kommunaler Aufgaben

Das Gespann Lernen vor Ort und Regionale Bildungsnetzwerke begründet sich mit dem Anspruch, die Kulturhoheit des Landes zu wahren und legt nahe, die bestehenden Gremienstrukturen zu nutzen. Diese Weichenstellung ist bedeutungsvoll für die Akteurkonstellation, denn Lernen vor Ort amalgamiert mit einer ambitionierten Landesinitiative auf dem Weg zu einer Institution.Footnote 22 Die Forderung des Deutschen Städtetags nach einer »staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft« (2007, S. 2) hat sich als Begriff und »angemessene Organisationsform« (Löhrmann, 2015, S. 9) gefestigt. Fragen der (Un-)Beteiligung stellen sich für die Koordination der Zusammenarbeit in Lernen vor Ort mit Blick auf die genannte Netzwerkstruktur sowie hinsichtlich der beteiligten und zu beteiligenden Akteure. Die Optimierung der Koordination und Kooperation gilt als eines von acht Feldern der Weiterentwicklung der Regionalen Bildungsnetzwerke (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen [MSW], 2015, S. 40): »Entscheidend für den Erfolg der Arbeit der Regionalen Bildungsnetzwerke ist die Verknüpfung mit anderen bildungspolitischen Programmen, Entwicklungen und Initiativen« (MSW, 2015, S. 40).

Bemerkenswert bei dieser Formulierung ist die Fließrichtung der Verantwortlichkeit: Bildung ist eine staatliche Aufgabe und nimmt ihren Weg von der Landeszuständigkeit in die Kommunen, die durch eine Netzwerkstruktur mit »Gremien zur Kooperation und Koordination« (MSW, 2015, S. 40) zusammengehalten werden. Mehr »in Verantwortlichkeiten und weniger in Zuständigkeiten« (Löhrmann, 2015, S. 8) zu denken, lässt keinen Spielraum in Bezug auf die staatliche Zuständigkeit für Bildungsfragen: »Viele Lenkungskreise sehen hier noch Handlungsbedarf, um Doppelstrukturen zu vermeiden und Synergien auszuschöpfen« (Löhrmann, 2015, S. 8). Bestehende Gremien der Regionalen Bildungsnetzwerke »mit anderen Initiativen zu verknüpfen und weiterzuentwickeln« (Löhrmann, 2015, S. 8), stellt eine Daueraufgabe dar. Bildung in Verbindung mit Schule zu denken und zu organisieren, steht aus landespolitischer Sicht außer Frage: »Mehr Abstimmung tut Not, insbesondere im Hinblick auf die großen Programme im Bildungsbereich. Sie sollten immer in einer klar definierten Beziehung zum Regionalen Bildungsbüro stehen. Abstimmung im Vorfeld ist unerlässlich, um Doppelstrukturen zu vermeiden« (Löhrmann, 2015, S. 8). Ein Bildungsnetzwerk versteht sich als Organisationsformat für eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft mit einem formal nicht hinterfragbaren Lead auf Landesebene, was sich im Begriff des Schnittstellenmanagements ausdrückt. Auch was in Zwischenräumen gedeiht, bedarf der Führung: »Ein guter Weg ist es, wenn alle Programme, die mit der Kommune im Bildungsbereich vereinbart werden, mit dem Lenkungskreis des Regionalen Bildungsnetzwerkes abgestimmt werden. In jedem Fall führt kein Weg an einer Optimierung des komplexer werdenden Schnittstellenmanagements vorbei« (Löhrmann, 2015, S. 8).

Die Optimierung bezieht sich auch auf Beiträge der Zivilgesellschaft mit einem umfassenden, staatlichen Kontrollanspruch: »Stiftungen, Kirchen, Gewerkschaften, Vereine, Hochschulen und Bürgerinitiativen« werden »als Partnerinnen und Partner verstanden, von denen Unterstützung kommt, die aber manchmal selber Unterstützung benötigen« (MSW, 2015, S. 43). Die »Initiative für eine Zusammenarbeit« mit Kooperationspartnern geht vom Lenkungskreis und dem Regionalen Bildungsbüro und damit von staatlicher Zuständigkeit aus (MSW, 2015, S. 43). Dadurch hat die Gremienstruktur von Lernen vor Ort anfänglich einen starken »Schulbezug« (K18.11:112–113), der mit dem biographischen Kapital der Pionierkommunen und damit der Ausrichtung an weisungsfreien Aufgaben zusammentrifft: »Aber wir haben natürlich auch sehr viel im Bereich Kita-Grundschule. Das ist ja ein ganz starkes Handlungsfeld« (K18.11:112–116). Das, »was aus den Leuchttürmen und dem Handlungsfeld Übergänge als Modell sozusagen für den Transfer in der zweiten Förderphase erarbeitet und konzipiert worden ist« (K18.11:126–128), liegt im eigenen Wirkungskreis von Kommunen. Es beteiligt »ganz viele Träger« (K18.11:134) und tangiert die Zuständigkeit der Länder für das Schulwesen ausdrücklich nicht: »Da versteht sich von selber, dass das immer außerschulisch sein muss« (K18.11:130).

Spannungen in Domänenspielen zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren problematisieren Lernen-vor-Ort-Verantwortliche früh: »Und ich würde es für gut halten, wir könnten den Anteil von Schule da auch ein bisschen begrenzen. Das sieht Schule aber anders« (K18.11:175–177). Die grundgesetzlich gestützte Vorherrschaft des Staats legt die Formate der Zusammenarbeit fest und beengt das Engagement einer Lernen-vor-Ort-Koordinatorin: »Und so lange wir eben Regionales Bildungsnetzwerk sind, sind die Strukturen ein bisschen vorgegeben. Das halte ich für ein Manko, da bin ich ganz ehrlich« (K18.11:181–185). Im Hinweis, dass eine Begrenzung der schulischen Akteurbeteiligung in den Netzwerkgremien die »Schule aber anders« (K18.11:177) sieht, zeichnet sich ein Ringen um eine Erweiterung der Gremien um zivilgesellschaftliche Akteure bereits in der Anfangsphase ab. Es steht stellvertretend für die Suche nach einer »Kooperationsrendite« (MSW, 2015, S. 22), die sich durch den Mehraufwand bei allen beteiligten Personen und Institutionen einstellen soll. Die bildungspolitische Programmatik macht den beiderseitigen Gewinn einer Zusammenarbeit zwischen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen stark, von der »nicht nur die Schulen, die ihr Angebot gezielt verbreitern wollen, sondern auch die Einrichtungen, die sich so früh an junge Nutzerinnen und Nutzer wenden und diese so auch langfristig an sich binden können« (MSW, 2015, S. 6), profitieren sollen. Das Profitversprechen erfüllt sich aus Sicht des Projektleiters mit einer kreisweiten Organisation von Lernen vor Ort durch den Lenkungsausschuss: »Nun könnte jede einzelne Kommune sich selbst darum kümmern, aber der Lenkungsausschuss und das Regionale Bildungsbüro sind in der Lage, die Existenz dieses Projekts nicht nur zu kommunizieren, sondern auch zu koordinieren, so dass diese Arbeit nur einmal da ist« (K16.11:1065–1068). Allerdings bildet sich »die kommunale Struktur« (K16.11:870) mit Vertretern, die nicht nur »für Schulen zuständig sind, sondern auch für Kindergärten oder auch die Jugendhilfe« (K16.11:868–869), noch zu wenig in der Regionalen Bildungskonferenz ab.

Eine »geringere Schullastigkeit« (K16.11:901) zugunsten einer Einbindung von Akteuren im »Bereich der Jugendhilfe oder Kultur« (K16.11:904) verspricht ein Bildungsmanagement als Übergangsmanagement. Leuchtturmkommunen haben sich diese Domäne nicht nur bereits erschlossen, sondern sehen im Übergangsmanagement den eigentlichen Transfergegenstand: »Meiner Erinnerung nach ist die Initialzündung auf den Transfer zurückzuführen, den wir vor Augen hatten« (K10.11:240–241). Die (Un-)Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteuren im Kreis liegt ursächlich im Leitbild einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft begründet, das zugleich die Wahrung staatlicher Zuständigkeit für das Schulwesen und eine breite Beteiligung »außerschulischer Bildungseinrichtungen« (MSW, 2015, S. 6) anstrebt. Auf Kreisebene eröffnet die Offerte für eine kreisweite Organisation von Projekten das Versprechen einer wechselseitigen Kooperationsrendite der Beteiligten. Das Andocken von Lernen an Ort an die Gremien der Regionalen Bildungsnetzwerke sorgt für eine »Schullastigkeit« der Akteurkonstellation und schafft das Bedürfnis nach einer Erweiterung der Kooperationsgremien um zivilgesellschaftliche Akteure. Diese Akteurvielfalt liegt im lokalen Engagement in Leuchtturmprojekten verankert, die von Stiftungen initiiert wurden und von kommunalen Akteuren mitgetragen werden. Die Kernaktivität des Transfers eines Übergangsmanagements geht von vier Pionierkommunen aus und begründet sich mit der Kultur von Kommunen, Bildungsschwerpunkte nicht auf innere Schulangelegenheiten zu richten. Da Netzwerke »immer auch auf dem Handeln einzelner – starker und anerkannter – Persönlichkeiten« (MSW, 2015, S. 22) beruhen, wirkt ein biographisch gewachsenes zivilgesellschaftliches Engagement mit einer Orientierung an außerschulischen Akteuren besonders stark in die Gestaltung der Gremienstruktur hinein.

Die Zivilgesellschaft ist in der Initiierungsphase von Lernen vor Ort »in einigen Leuchtturmprojekten […] durchaus sehr stark« eingebunden, seitens der Projektkoordination allerdings nur »punktuell« (K18.11:68–70): »Wenn wir hier noch die Zivilgesellschaft einzubinden versuchen würden, dann würden wir hier einfach versinken« (K18.11:75–76). Lernen-vor-Ort-Verantwortliche wenden sämtliche Energien auf, um die politische Unterstützung der kreisangehörigen Städte zu gewinnen, »weil [sie] einfach so viel zu tun haben, diese komplizierte Kreisstruktur auf der Akteursebene, […] zu verstetigen und gegen diverse Widerstände auch durchzusetzen« (K18.11:80–89). Dieses Durchsetzen kennzeichnet sich durch Versuche, die kreisangehörigen Städte durch Überzeugungsarbeit zu gewinnen. »Weil die […] Städte ja alle selber Schulträger sind« (K18.11:92) und Lernen-vor-Ort-Verantwortliche ihnen »ja gar nichts zu sagen haben« (K18.11:92–93), gilt es eine Beteiligung »sinnvoll erscheinen zu lassen« (K.18.11:88–89). Die Restriktion von kreisweit geringen und kommunal starken Verfügungsrechten wenden die Projektverantwortlichen früh zu einer Ressource, indem sie die fehlende Weisungsberechtigung durch eine Dienstleistungsorientierung ersetzen: »Also, wir verstehen uns da eher als Dienstleister für die Kommunen, denn als diejenigen, die vorgeben« (K18.11:98–99). Dienstleistungen stehen dabei gleichermaßen für die Unterwerfung unter den Staat als Dienstherrn wie für das Hegemoniestreben, Verfügungsrechte auf kommunaler Ebene zu erhalten und auszubauen.

Bemühungen, den Mehraufwand für eine Kooperationsrendite »sinnvoll erscheinen zu lassen« (K18.11:88–89), bezeugen das direktive Vorgehen der Projektverantwortlichen und deren Expansionsstreben für die Leitidee Biographie begleitender Bildungskooperationen: »Das heißt, wir müssen ja sehen, dass wir diese Strukturen schaffen über Kommunikation« (K18.11:95–96). Kommunikation substituiert Durchsetzungsohnmacht und zielt darauf, ein Bildungsmanagement in den Sinn- und Interessenhorizont der Kommunen zu rücken. Die kreisweite Beteiligung der Kommunen stellt eine wesentliche kontextuelle Bedingung dar, die nur eine punktuelle Einbindung der Zivilgesellschaft zulässt sowie durch das Andocken an die Regionalen Bildungsnetzwerke den »sehr starken schulischen Bezug« (K18.11:148) aufnötigt: »Deshalb hat Schule via Lenkungskreis und Lenkungsausschuss einen stärkeren Einfluss als außerschulische Akteure in diesem Gremium« (K18.11:165–166).

Mit der Teilnahme an Lernen vor Ort beginnen sich Bildungskooperationen der Pionierkommunen im Übergangsbereich von der Kita in die Grundschule auszudehnen: »Der Fokus ist weiter geworden: vom Stadtteil zur [städtischen] Bildungs- und Erziehungslandschaft, zum Kreis […], zu den Strukturen im Kreis […], zu den Themen im Kreis […]« (K10.11:61–67). Diese Bewegung vom Zentrum in die Peripherie ist an das »Übergangsmanagement Kita-Grundschule« (K10.11:202–203) und damit an konkrete Leuchtturmprojekte gebunden, die sich an der Idee einer »Biographie begleitenden Bildungskooperation vor Ort« (K10.11:215–216) orientieren. Die Programmatik der Regionalen Bildungsnetzwerke verwendet die Begrifflichkeiten von Bildungsnetzwerk und Verantwortungsgemeinschaft synonym und benennt drei Bedingungen für eine Kooperationsrendite (MSW, 2015, S. 22): Die Kooperationsbereitschaft für ein gemeinsames Ziel, partizipativ zu entwickelnde Kooperationsstrukturen sowie »Inhalte, die die Kooperation konkretisieren und die den Einsatz lohnen, also für die Zielgruppen auch spürbar wirksam werden« (MSW, 2015, S. 22), umreißen den zu erwartenden Mehraufwand. Einen »Benefit« (K16.11:978) versprechen sich Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende davon, »dass alle Kommunen […] im Kreis vor ähnlichen Problemen stehen« (K16.11:985). Diese gemeinsamen »Probleme schweißen da schon zusammen und [man] hofft, voneinander zu lernen« (K16.11:990–993).

Kontextuelle Bedingungen für die (Un-)Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteuren im Kreis liegen in einem starken Schulbezug der Kooperationsgremien. Das Bildungsmanagement im Kreis startet mit einer punktuellen Einbindung der Zivilgesellschaft, obwohl diese mit den Leuchtturmprojekten bei der Initiierung der Programmteilnahme eine zentrale Rolle spielt. Ein gemeinsames Bewusstsein für Problemlagen vor Ort zählt zu den Ressourcen, um eine kreisweite Beteiligung von außerschulischen Akteuren, die sich an Biographie begleitenden Bildungskooperationen ausrichten, anzustoßen. Der Kreis sieht die Beteiligung von Akteuren in den bestehenden Gremien des Regionalen Bildungsnetzwerks bereits mit dem Projektantrag vor. Um einen fachlichen Austausch und die Analyse gemeinsamer Bedarfslagen im Bereich von Bildungsübergängen kreisweit zu ermöglichen, schließt er an das Format der Bildungskonferenz an: »Im Grunde genommen könnte sich aus kommunalen Vertretern, Trägervertretern, Elternvertretern, Vereinen, Organisationen dieser […] Städte eine Konferenz bilden« (K02.11:757–759). So genannte Entwicklungswerkstätten bilden Organisationseinheiten innerhalb der Bildungskonferenz, die sich aus einer Planungsgruppe und thematisch interessierten Akteuren konstituieren. Während die Planungsgruppe aus Lernen-vor-Ort-Personal mit koordinierender Funktion besteht, kann sich die Zusammensetzung von Arbeitsgruppen verändern: »Da wird ein Thema ausgeschrieben und dann kommen die interessierten Akteure, die da mitwirken wollen. Diese erarbeiten das dann und beim nächsten Mal kann es auch wieder eine andere Gruppe sein« (K02.11:733–738). Ergebnisse aus diesen Interessen-Workshops gehen als Handlungsanregung an die »Planungsgruppe innerhalb der Entwicklungswerkstatt« (K02.11:746) zurück, die diese aufnimmt, verschriftlicht und aufarbeitet, um sie dann über die nächste Bildungskonferenz wieder an alle Städte zu verteilen. Die »noch imaginäre« (K02.11:780) Fachkonferenz für Bildungsübergänge »tagt zwei Mal im Jahr, um sich mit dem auseinanderzusetzen« (K02.11:767), was in den Entwicklungswerkstätten erarbeitet wurde: »Und je nach dem, was dort diskutiert wird, wird eine Handlungsempfehlung ausgesprochen, die in die Entwicklungswerkstatt Bildungsübergänge geht« (K02.11:771–775).

Der Beteiligungskreislauf beschreibt die gedankenexperimentelle Übersetzung des Anspruchs, bestehende Gremien um außerschulische Akteure zu erweitern. Mit dem Antrag sind für die Aktionsfelder Bildungsmonitoring, Bildungsberatung und Bildungsübergänge solche Entwicklungswerkstätten vorgesehen. Die Arbeit in Entwicklungswerkstätten gestaltet sich im Kreis mit »ganz anderen Herausforderungen« (K06.11:905) als in kreisfreien Städten, weil mit der Anzahl der kreisangehörigen Städte sich auch die Vertretungen vervielfachen: »Wenn ich sage, ich habe eine Entwicklungswerkstatt, dann sitzen da [x] Vertreter der Volkshochschulen [x] mal Jugendberufshilfe, [x] mal Handwerkskammer, wie auch immer, und also wir reden da von ganz anderen Größenordnungen« (K06.11:897–902). Bestehende Projekte, die von vier Leuchtturmkommunen aus Kreise ziehen sollen, treffen auf biographisch verankertes soziales Kapital, das eine Lernen-vor-Ort-Koordinatorin als Heimvorteil beschreibt, weil sie auf eine Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Akteuren der Region aufbauen kann: »Also, es war sicherlich an der Stelle auch hilfreich, dass ich jetzt nicht zum Beispiel auch nur von außen […] in diesen Kreis […] neu reingekommen bin« (K04.14:323–325).

Förderliche und hinderliche intervenierende Bedingungen für die (Un-)Beteiligung von Akteuren der Zivilgesellschaft bewegen sich um den Anspruch, die Bildungskonferenz als wichtiges Gremium der Regionalen Bildungsnetzwerke um außerschulische Akteure zu erweitern. Zwar sieht der Kooperationsvertrag zwischen Land und Kreis für die Zusammensetzung der Regionalen Bildungskonferenz »Vertretungen weiterer Institutionen und Einrichtungen insbesondere aus dem Kultur- und Sportbereich« (MSB, o. J., S. 6) vor, legt den Schwerpunkt allerdings auf Personen und Institutionen des schulischen Bereichs. Der Schulterschluss von Lernen vor Ort mit dem Regionalen Bildungsnetzwerk stellt sich mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Programmimpulse als förderlich dar. In Bezug auf die Beteiligung und damit Einflussmöglichkeiten durch Ideen, die Lernen umfassender als lebenslang die Biographie begleitend definieren, tragen bestehende Kooperationsgremien restriktive Züge. Erschwerend für die Erweiterung bestehender Kooperationsstrukturen kommt die Größenordnung des Kreises mit vielen kreisangehörigen Städten hinzu. Nichtsdestotrotz nehmen bestehende Projekte im Bereich der Bildungsübergänge von vier Pionierkommunen ausgehend Fahrt auf in Richtung Peripherie des Kreises. Getragen wird die Bewegung zunächst von herausragenden Einzelpersonen, die – ausdrücklich befördert durch die Programmstrukturen – mit biographischem Kapital, das regional verwurzelt ist, Richtung und Schwung mitbestimmen dürfen und auch müssen.

3.1.2 Commitment: Transformation von Kooperationszumutungen in Synergien zwischen Kreis und kreisangehörigen Städten

Eine breite Beteiligung möglichst vieler verschiedener Anspruchs- und Gestaltungsakteure stellt ein BMK vor die Herausforderung, unterschiedliche Commitments mit »einer ganzheitlichen Betrachtung individueller Bildungsbiographien (BMBF, 2008a, S. 5) auf verschiedenen Ebenen zu berücksichtigen: »Das macht die Sache natürlich auch noch mal ein bisschen komplizierter« (K18.11:385). Auf der Ebene der Zivilgesellschaft schreibt das Programm Stiftungen beim »Aufbau von öffentlich-privaten Partnerschaften […] eine herausragende Rolle« (BMBF, 2008a, S. 5) zu. Zum Programmbeginn »beschränkt sich die Stiftungsarbeit auf konkrete Projekte« (K16.11:1350). Eine Person der Freudenberg Stiftung ist »als ständiges Mitglied im Lenkungskreis und Lenkungsausschuss« (K16.11:1332–1333) vertreten. Der geplante Aufbau eines Stiftungsverbunds erfordert Recherchen dazu, »wie viele und welche Formen von Stiftungen es im Kreis […] überhaupt gibt« (K16.11:1342–1343). Für eine Zusammenarbeit stellen sich die Ausgangsbedingungen so dar, »dass die Stiftungen ja alle bestimmte Schwerpunkte haben« (K18.11:369), die »für die nächsten Jahre festgezurrt« (K18.11:372) sind. Daneben gibt es »bestimmte kleine Stiftungen […], die ja häufig sehr gut in die Strukturen vor Ort eingebunden sind, die aber dann auch zum Beispiel kein Interesse haben« (K18.11:377–379).

Eine Erhöhung der »Bildungsbeteiligung vor Ort« (BMBF, 2008a, S. 4) mittels einer guten Bildungsorganisation stellt ein zentrales Ziel der Initiative dar und bildet sich früh im Anspruch und als Commitment mit einer Leitidee des Programms ab, »alle Kinder aller Eltern mitzunehmen« (K14.11:1705). Auf Landesebene besteht die grundgesetzlich verankerte staatliche Aufsicht über das Schulwesen und unterstreicht damit die Gestaltung des Schulwesens als »Sache der Länder« (Avenarius, 2015, S. 73). Gleichzeitig findet die staatliche Herrschaft »ihre Grenze in dem Recht der Kommune, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln« (Döbert & Weishaupt, 2015, S. 11). Das Ringen zwischen staatlicher Schulaufsicht und kommunaler Schulträgerschaft beziehungsweise zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten dokumentiert sich in Versuchen der Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen, Schulausschüsse über die Grundidee des Programms zu informieren. Dies gelingt im Hol-Modus: »Und dann bin ich gerne bereit, alle zwei Monate in irgendeinen [Schulausschuss] zu gehen, wenn die uns denn einladen« (K18.11:785–786). Kommunale Leistungserbringungen für das Schulwesen müssen erst die Schwelle einer grundlegenden Annahmebereitschaft des Staatspersonals passieren. Schulausschüsse sieht die Projektkoordinatorin als »eine wichtige Schnittstelle« (K18.11:789) in den Kommunen, ein aktives Eindringen in sie versagt sich das junge Bildungsmanagement allerdings, insofern es darauf wartet, eingeladen zu werden: »Wir können uns in aller Regel nicht selber einladen. Das macht man nicht« (K18.11:794–795).

Diese (Ohn-)Macht der Zuständigkeit kennzeichnet das Commitment zwischen Landes- und kommunaler Ebene und setzt sich auf der Ebene des Kreises fort: »Man konnte sich nur als kreisfreie Kommune oder als Kreis bewerben« (K16.11:1096). Für die kommunale Ebene bedeutet diese Setzung auf Bundesebene die Aussicht auf Autonomiegewinn und Restriktion zugleich. Um »letztendlich für die kommunale Ebene etwas davon zu haben« (K16.11:1107), »musste man sich bereit erklären, sich als Kreis insgesamt zu bewerben« (K16.11:1106). Fördermittel als willkommene personale Ressourcen angesichts finanziell gebeutelter Kommunen finden ihren Gegenwert in zusätzlichen Interdependenzzumutungen, die sich auf kommunaler Ebene ohnehin in drastischer Weise aufdrängen. So geht »der Aufbau einer Kernstruktur einer Bildungslandschaft im Kreis« (K16.11:1149) mit einem halben Jahr Zeitverzug einher, weil die Teilnahme am Programm »bedingt durch die Haushaltssicherung, […] erst mal die Bezirksregion genehmigen« muss (K18.11:1613–1614). Weil am Anfang »so viele Probleme zu lösen« (K18.11:1609) sind, denkt niemand daran, »mit den Kommunen viel früher einzeln zu reden und häufiger zu reden und regelmäßiger in den Austausch zu gehen« (K18.11:1622–1624). Darunter leidet die Beteiligung jener kreisangehörigen Städte, »die nicht über Leuchtturmprojekte mit [Lernen vor Ort] verbunden sind« (K18.11:1605).

Davon unbenommen wird die Ebene des Kreises von Anfang an mit der kommunalen Initialzündung adressiert, Projekte im Bereich der Bildungsübergänge zu transferieren: »Das, was aus den Kommunen heraus entsteht, was wichtig ist innerhalb dieses Übergangs zu bearbeiten und dieses Themenfeld anzugehen, ist der Punkt« (K02.11:991–992). Kreisangehörige Städte sollen an den Best-Practice-Modellen, die durch zivilgesellschaftliches Engagement in den Kommunen initiiert wurden, beteiligt werden: »Es geht darum, dass nicht jeder für sich allein ›herumputscheln‹ muss, zwar darf, aber nicht muss, sondern dass der ganze Kreis Verantwortung für seine Bevölkerung übernimmt, für Familien mit Kindern im Übergangsalter und dass jeder voneinander lernen kann« (K02.11:1006–1016). Ein kreisweites Commitment basiert auf der Idee, Wissen durch Teilhabe auszudehnen. Kommunen mit nicht konsolidiertem Haushalt, die »schon so ein bisschen an der Grenze sind« (K18.11:355), sollen durch eine sehr kleinräumige Bildungsvernetzung Zugang zum Leuchtturmwissen bekommen. Die Ausdehnung von Wissensformaten durch Beteiligung folgt der Vorstellung eines Zugewinns durch das Zusammenwirken: »Warum soll man denn in jede einzelne Kommune noch mal extra Ressourcen stecken, wenn man die Möglichkeit hat, an etwas gemeinsam zu arbeiten« (K02.11:1035–1036). Schließlich begründet sich eine Beteiligung der kreisangehörigen Städte mit dem Fingerzeig auf eine regionale Verantwortlichkeit: »Es ist nun mal ein Kreis und dann können die sich, in Anführungsstrichen, ›wenigstens‹, untereinander austauschen und voneinander profitieren« (K02.11:1029–1030). Ein Commitment der kreisangehörigen Kommunen mahnt sich hier im Gestus des »Profitiert gefälligst!« an.

Ursächliche Bedingungen für eine Schließung von Bildungsgremien für Akteure der Zivilgesellschaft liegen in der frühen Programmphase in zeitlich und inhaltlich festgezurrten Projekten von Stiftungen begründet. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche verlagern das Commitment mit einer umfassenden Bildungsbeteiligung von der kommunalen auf die kreisweite Ebene mit Blick auf den Anspruch der Verstetigung bei einer zeitlich befristeten Alimentierung durch das Programm. Kreisangehörige Städte adressieren sie mit dem Anspruch, sich ihrerseits an das Versprechen einer Kooperationsrendite zu binden. Kooperationszumutungen einer kreisweiten Beteiligung machen sie mit der Aussicht auf einen Benefit durch die Teilhabe an Wissensformaten zur Gestaltung von Bildungsübergängen und der Herausbildung von Synergien durch Zusammenarbeit beliebt.

Eine kontextuelle Bedingung für die Beteiligung von Akteuren stellt der Umstand dar, dass die grundlegenden und weiteren Aktionsfelder in den Förderrichtlinien zwar gesondert dargestellt, aber gleichzeitig als »integrierter Bestandteil eines übergreifenden kommunalen Bildungskonzepts« (BMBF, 2008a, S. 7) verstanden werden. Die Handlungsfelder stellen zunächst einmal Orientierungsbereiche dar, in denen von Kommunen Lösungsansätze zu entwickeln sind, die dann aber »auf ungeförderte Kommunen übertragen werden können und damit Leuchtturmcharakter für die Initiative ›Lernen vor Ort‹, entfalten« (BMBF, 2008a, S. 7) sollen. Diese Vorgabe organisiert der Kreis mittels einer flächendeckenden Bereitstellungs-, Ausdehnungs-, und Bemächtigungslogik. Für jedes grundlegende Aktionsfeld ordnet er eine Bereichskoordinatorin der Verwaltung einer Leuchtturmkommune zu: »Das heißt, wir sind formell Kreisbedienstete, sind dann aber abgeordnet in einzelne Kommunen« (K18.11:1659–1660).

Die Trennung von Dienst- und Fachaufsicht erschwert eine gemeinsame Verständigung innerhalb des Lernen-vor-Ort-Teams und erfordert, »diesen komplizierten Prozess hinzubekommen, […] dass bestimmte Dinge trotzdem über den Kreis geregelt werden müssen« (K18.11:1675–1679). Die Themenbereiche bilden damit »erst mal […] Blasen für sich« (K18.11:191), die mit aller Macht die Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden auseinanderdividieren: »Wir haben die Ebene der Handlungsfelder, was auch nicht immer so zusammengedacht wird, was wir selber im Lauf der Arbeit gemerkt haben, dass man an bestimmten Stellen nicht wirklich sinnvoll trennen kann« (K18.11:212–214). Eine Entwicklung »in Richtung Verschmelzung« (K18.11:198) stellt sich zwar als »sehr, sehr schwierig« dar, »weil [es] eben so vieles zu verschmelzen« (K18.11:202) gibt, wird aber dennoch klar angestrebt. Es besteht die Vorstellung, dass »bei der späteren Vernetzung dieser einzelnen Bereiche über Schnittstellen und andere Faktoren erst ein Bildungsmanagement aufgebaut wird« (K02.11:203–205). Eine solche Schnittstelle bildet die Geschäftsstelle der Regionalen Bildungsnetzwerke, die nach Programmende die Koordinierung fortführen soll: »Wenn es die Bereichskoordinatorenstelle über Lernen vor Ort nicht mehr geben sollte, könnte es in das Regionale Bildungsbüro mit integriert werden« (K02.11:845–847). Eine inhaltliche Ausgestaltung bestehender Gremien geht anfänglich mit einer Zerstreuung des Personals und damit einer Gegenbewegung zur Vernetzung einher. Auch über Gemeinsamkeiten zwischen den Grundideen der Leuchttürme findet zunächst keine Verständigung statt: »Es gab noch keinen direkten Austausch« (K02.11:2016). Früh setzt sich daher die Erkenntnis durch, dass eine breite Beteiligung nicht nur über das Organisationselement der Entwicklungswerkstatt und einer interessengeleiteten Teilhabe gesichert werden kann, sondern dass eine Annahmebereitschaft über Appelle erzeugt werden muss: »Bei etwas, was von den Kommunen angenommen werden müsste, müssen wir direkt ansetzen. Nicht dass die denken, was ist das denn wieder?« (K04.12:76–79).

Ein Commitment mit der (Un-)Beteiligung an einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft ist in kontextuelle Bedingungen einbettet, die auf der Ebene des Programms die Überwindung versäulter Themenbereiche, auf der Ebene des Kreises eine Verschmelzung von Dienst- und Fachaufsicht, auf kommunaler Ebene eine interessengeleitete Teilhabe und auf personaler Ebene das Schaffen von Akzeptanz nahelegen. Auch die Verbindung zur Landesebene ist mit der Beteiligung der Schulausschüsse angesprochen. Eine Dienstleistungsorientierung kommt als Hol-Struktur zum Ausdruck, insofern Lernen-vor-Ort-Verantwortliche den Kontakt nicht von sich aus herstellen: »Aber, wenn wir, ich sage mal, einmal im Jahr eingeladen werden, was bis jetzt eher noch nicht der Fall war – wir sind auch noch nicht in allen Kommunen gewesen – dann gehen wir da selbstverständlich hin« (K18.11:756–758). Der Fokus der Beteiligung richtet sich mit einer klaren Ansage auf die Kommunen: »Dieses Partizipative, wir wollen jeden mitnehmen« (K04.12:89).

Bereits die Antragstellung zur Teilnahme am Programm Lernen vor Ort erfolgt als Mehrebenenspiel: »Es haben eben auch sehr viele andere Akteure an dem Antrag auch mitgearbeitet, auch mitgedacht, nicht nur aus den verschiedenen Kommunen, sondern auch von freien Trägern« (K14.11:101–105). Obwohl in den Entwicklungswerkstätten »alle Akteure potenziell« (K14.11:380) vertreten sind, richtet sich diese Beteiligung »nur schulbezogen [auf] ein kohärentes Bildungswesen« (K14.11:394). Daraus erwächst der Wunsch, die Beteiligung auf die »richtigen Akteure« (K14.11:1807) in allen Gremien zu erweitern. Als »richtige Akteure« gelten außerschulische Akteure und, bedingt durch den getroffenen Schwerpunkt des Übergangsmanagements, die freien TrägerFootnote 23: »Und was eben fehlt, sind auch im frühkindlichen Bereich zum Beispiel die anderen Träger« (K14.11:456–457). Kooperationsgremien gehen zum Teil in den bestehenden Gremien der Regionalen Bildungsnetzwerke auf und werden zum Teil adaptiert. Mit dem Lenkungsausschuss und dem Lenkungskreis bestehen zwei Organisationseinheiten. Der Lenkungskreis wird als kleineres Gremium im Rahmen von Lernen vor Ort zusätzlich geschaffen, »weil es da noch mal andere und mehr Absprachen« (K18.11:1426–1427) braucht. Er vertritt die vier Leuchtturmstädte, beschäftigt sich »auch mehr mit den operativen Themen« (K18.11:1410) und trifft sich »alle sechs bis acht Wochen« (K18.11:1417) doppelt so oft wie der Lenkungsausschuss. Der Lenkungsausschuss »ist die große Einheit, wo alle Kommunen drin sind, plus die Schulträger, die Schulaufsicht und die verschiedenen Schulformenvertreter« (K14.11:425–427). Als eines der »größten Hindernisse im Projekt« (K18.11:1571) erweist sich für die Projektverantwortlichen die »komplizierte Kreisstruktur und die dadurch bedingte schwierige Kommunikation […] zwischen Kreis und Kommunen und Kommunen und Kreis« (K18.11:1575–1581). Die »nicht vorhandene positive Kommunikationsstruktur« (K18.11:1578) erschwert es, »alle beteiligten Akteure mit ins Boot« (K18.11:1584) zu holen. Bedingungen für den Aufbau eines BMK sieht eine Projektverantwortliche daher darin, »in dieses strukturelle Denken reinzugehen, eine Struktur aufzubauen, ein Netzwerk aufzubauen, und diese Ideen in den Kreis zu tragen und dann mit den Projektbetreuerinnen […] darüber nachzudenken, wo […] die Gemeinsamkeiten und Unterschiede« (K10.11:140–146) sind.

Auch der Teambildungsprozess steht am Anfang vor großen Schwierigkeiten, weil die Bereichsleiterinnen »relativ jwd.Footnote 24 sitzen« (K18.11:1638) und noch keine Gelegenheitsstrukturen für Treffen bestehen: »Weil ein Team kann ich entwickeln, wenn wir hier auf dem Flur sitzen und man mittags essen geht oder irgendwo beim Kaffee oder so« (K18.11:1632–1633). Darüber hinaus stellt ein sorgsamer Umgang mit Begrifflichkeiten eine förderliche Voraussetzung dar, um Beteiligungsprozesse »nicht von Anfang an zu stoppen aufgrund eines Wortes, was unterschiedlich belegt ist und teilweise negativ belegt ist« (K02.11:1930–1931). Wird hinter Begrifflichkeiten die Haltung des »ich weiß es besser als ihr« (K02.11:1940) gedeutet, bleibt eine Einlassung auf Transfervorschläge verwehrt. Der Zugang zu den Menschen vor Ort ist nur über die Neugier zu gewinnen und dadurch, »dass man die Leute nicht erst abschreckt, sondern erst eine wertschätzende Haltung rüberbringt, dass mich auch interessiert, was diese haben und was diese wollen« (K02.11:1961–1965).

Förderliche und hinderliche intervenierende Bedingungen für eine Beteiligung sind in der komplizierten Kreisstruktur verankert. Kompliziert gestaltet sich die Kreisstruktur bereits bei der Antragstellung, die als komplexes Mehrebenenspiel koordiniert werden muss. Die Kreisstruktur erschwert den Aufbau von Kommunikationsstrukturen nach außen in die kreisangehörigen Städte sowie nach innen in die Teamkonstellation. Ein strukturelles Denken, getragen von einer neugierigen Haltung gegenüber den Bedingungen und Ideen vor Ort sowie ein sorgsamer Umgang mit Begrifflichkeiten, erleichtern die Annahmebereitschaft für Transferideen in den kreisangehörigen Städten. Eine förderliche Bedingung für zivilgesellschaftliches Engagement stellt schließlich die Beharrlichkeit im Anspruch dar, die Träger im Bereich der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung beim Aufbau eines BMK zu beteiligen.

3.2 Programmstrukturen als Weichensteller für die Profilierung kommunaler Beteiligungsrollen

Die Programmstrukturen stellen in der Stadt die Weichen für die Profilierung kommunaler Beteiligungsrollen. Bogumil und Holtkamp unterscheiden eine Kunden-, Mitgestalter- und Auftraggeberrolle, die als Säulen das Leitbild der Bürgerkommune tragen (2010, S. 389). Anders als das Neue Steuerungsmodell legt das Konzept der Bürgerkommune den Schwerpunkt nicht auf die Binnenmodernisierung der Verwaltung, sondern auf »eine Neubestimmung des Verhältnisses von Verwaltung, Politik und Bürgern« (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 388. Hervorhebung im Original). Das Konzept der Bürgerkommune unterscheidet sich auch dahingehend, dass es nicht einseitig auf das Ziel der Effizienz, sondern auf ein Bündel von Zielen setzt, die durch eine »gleichberechtigte Förderung« (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 389) der Beteiligungsrollen angestrebt werden. Das Modell geht von einer »grundlegenden Umgestaltung des kommunalen Entscheidungssystems« (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 390) mit vier Bausteinen aus, die das normative Dach der drei Beteiligungsrollen bilden. Demnach sind eine politikfeldübergreifende Koordination, ein Partizipationsmanagement unter gleichberechtigter Beteiligung der Mehrheits- und Oppositionsfraktionen, die Delegation von Verantwortung an dezentrale Einrichtungen sowie ein langfristig umfassender Kulturwandel erforderlich (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 390). Letzterer soll mittels eines kollektiven Lernprozesses dazu führen, »dass die kommunalen Entscheidungsträger von sich aus auf die Bürger zugehen und die Beteiligung der Bürger eher als Bereicherung, denn als Beschneidung ihrer Kompetenzen und Gefährdung eingespielter Routinen empfinden« (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 390).

Das Programm Lernen vor Ort stellt – wiewohl nicht expressis verbis – das Leitbild einer Bürgerkommune bereit, bei dem die »Impulse vor allem von den kommunalen Entscheidungsträgern ausgehen müssen« (Bogumil & Holtkamp, 2010).Footnote 25 Die Stadt greift die Programmstrukturen als Gelegenheitsstruktur sowohl für eine Binnenmodernisierung der Verwaltung als auch für eine Neubestimmung des Verhältnisses mit Interessenverbänden der Bildungsstadt auf. Die gemeinsame Antragstellung mit und Beteiligung von zwei Bildungsinstitutionen sorgt für eine von Beginn an breit abgestützte Beteiligung der Zivilgesellschaft und einen starken Gesellschaftsbezug der Zusammenarbeitsgremien.

Unterschiedliche Relevanzkriterien der Beteiligten machen eine Verständigung über Bildungsziele und die Ausarbeitung eines gemeinsamen Leitbilds notwendig. Dieses ist in kontextuelle Bedingungen eingebettet, die den Bezug zur Zivilgesellschaft als Chance rahmen. Während die Bürgerstiftung sich an einem breiten Publikum orientiert, zeichnen sich die externen Partner durch spezifisches Fach- und Programmwissen aus, welches sie mit der gemeinsamen Antragstellung in die Stadtverwaltung hineintragen. Da die Stadtverwaltung im Rahmen ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts den Anspruch vertritt, die Gremien in der Stadtverwaltung zu bündeln, betätigt sie sich als Brückenbauerin zur Stadtgesellschaft. Bestehende Kooperationen zwischen Jugendverbänden und Schule sind im Rahmen von Lernen vor Ort um Kooperationen zwischen möglichst vielen Bildungsanbietern der Stadtgesellschaft zu erweitern.

Förderlich für das biographische Kapital der Bildungsstadt ist das hohe Interesse der Beteiligten sich einzubringen. Sowohl die Stadtverwaltung als auch die Verbundpartner schreiben sich in der Initiierungsphase impulsgebende Kräfte zu und verstehen sich als Brückenbauer im Kräftefeld unterschiedlicher Interessen zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerinnen und Bürgern. Das Commitment basiert auf spezifischen Interessenkonsensen. Die temporäre Teilhabe am Organisationswissen der beteiligten Interessenverbände ermöglicht das Lernen von Verwaltung und Politik, ohne deren Autonomie zu gefährden. Umgekehrt stellt die gemeinsame Antragstellung den beteiligten Bildungsinstitutionen die Steigerung von Einfluss- und Kontrollpotenzialen in Aussicht. Das Programm stellt das einseitige Ziel der Effizienz auf den Modus des Lernens um. Die Koordination von Operationen des Zeigens mit Operationen des Lernens (Prange, 2012a, S. 107–135) zeichnet sich zwar durch eine konstitutive Ungewissheit aus, trägt aber den positiven Wert des Vermittelns von Akzeptanz, Demokratisierung, Solidarität und Effektivität als Potenzial mit sich. Die Beteiligung externer Partner stellt neben die passive Kunden- eine aktive Mitgestaltungsrolle und bedient mit der Annahmebereitschaft durch Mitgestaltung das Kriterium der Akzeptanz. Das operative Denken der Partnerinstitutionen für das Lernen von Bürgerinnen und Bürgern stärkt die Solidarität und bindet diese potenziell an kommunale Entscheidungsprozesse. Die aktive Einbindung von Bildungspartnern entlastet die Verwaltung und Politik durch die Möglichkeit, Aufgaben zu übertragen und schafft zugleich einen Zeitraum, um sich zunächst der normativen Neubestimmung des Kräftedreiecks zwischen Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft widmen zu können.

Die Kernaktivitäten, ein Bildungsleitbild und eine Bildungsdatenbank als Produkte der Kooperation zu erstellen, räumt eine durch Außensichten reflektierte Binnenmodernisierung der Verwaltung ein. Referenzpunkte der Reflexion bilden Problemlagen von Kindern und Jugendlichen beim Bewältigen von Bildungsübergängen, die, der Handlungslogik einer Projekt-Governance folgend, mittels legitimierter Beteiligungsverfahren an kommunalpolitische Entscheidungsprozesse zurückgebunden werden müssen. Die Stadt stellt vielfache Leistungsbeziehungen durch den Aufbau von Kommunikationsstrukturen her: zwischen der Kommunalpolitik und der Stadtverwaltung, zwischen Kommunalpolitik und Partnerinstitutionen sowie zwischen der Stadtverwaltung und den Partnerinstitutionen. Der Projektleitung kommt dabei die Aufgabe zu, Kommunikationsgelegenheiten zu schaffen, den Informationsfluss zu moderieren und Kommunikationsstrukturen in der Stadtverwaltung zu bündeln. Diese Zentralisierung legt den Modus der Kommunikation als Hol-Struktur zivilgesellschaftlicher Akteure nahe, insofern alle Leistungserbringungen auf eine Anbindung an die Stadtverwaltung zulaufen. Mit der Beteiligung am Programm erwachsen der Stadt vor dem Hintergrund des kritischen Finanzhaushalts Spannungslagen, die sich durch das Abwehren einer einseitigen Effizienzlogik und das Verteidigen gesprochener Ressourcen kennzeichnen. Das Projektteam begegnet diesen vorhergesehenen und unerwünschten Beteiligungseffekten mit der Konzentration von Entscheidungsmacht.

3.2.1 Biographisches Kapital: Profilierung kommunaler Beteiligungsrollen für die Binnenmodernisierung der Stadtverwaltung

Mit der Entwicklung eines Leitbilds fließt in der Stadt von Anfang an die »Sicht der Bürger-Ursuppe« (S18.11:144) in Lernen vor Ort ein. Bei der Verständigung über den Bildungsbegriff versucht die Bürgerstiftung, die unterschiedlichen Relevanzkriterien der Beteiligten auf die Belange der Bürgerinnen und Bürger hin auszurichten: »Wir haben Anregungen gegeben. Wir haben gesagt, dass wir das, was da steht, nicht verstehen. Warum ist die Gewichtung, die Tiefenschärfe, so unklar? Der eine Partner schreibt so, der andere so« (S18.11:154–157). An einer Netzwerkkonferenz stellen Lernen-vor-Ort-Verantwortliche den Zwischenstand der Leitbilddiskussion »auch einem breiteren Publikum« (S18.11:162) vor. Die Bürgerstiftung positioniert sich bei dieser Gelegenheit mit dem Wunsch, dass sie »gerne diese Offenheit des Dialogs« hätte, »um deutlich zu machen«, dass »die Meinung der Bürger irgendwann gefragt ist« (S18.11:167–170). Die Orientierung der Stadt am Leitbild der Bürgerkommune verbindet sich mit dem Ziel der Binnenmodernisierung der Verwaltung (Bogumil & Holtkamp, 2013, S. 388).

Die Orientierung an einem breiten Spektrum der Publikumsrolle dokumentiert sich im Verständnis, die Alltagserfahrung der Bürgerinnen und Bürger zum Ausgangspunkt für gesellschaftliche Teilhabe zu machen. Ihren Beitrag sieht die Bürgerstiftung darin, bei Bedarf auf den »Pool von 70 Stiftern« zurückzugreifen, in dem »die gesamtstädtische Bandbreite vertreten« (S18.11:206) ist. Das Netzwerktreffen dient darüber hinaus dazu, »praktische Projekte von Universitätsstudenten mit städtischen Partnern wie Amt, Jugendclub, Unternehmen oder Bildungsträgern« (S18.11:178–179) vorzustellen sowie Fachvorträge zur Bildung für nachhaltige Entwicklung zu halten: »Die Kernvorträge der beiden Professoren waren sehr überzeugend und das haben die üblichen Bildungsverdächtigen so sicher noch nie gehört« (S18.11:186–187). Die Vernetzung der Bildungslandschaft bildet den Ausgangspunkt der Beteiligung: »Das Wichtigste, das ich in der bisherigen Arbeit mitbekommen habe, sind die Vernetzungsprozesse« (S04.11:69–70). Dabei geht es erst darum, »Kontakte aufzubauen«, so dass »die Beteiligten […] nicht nebeneinander existieren, sondern ihr Bewusstsein und [ihren] Blick für die anderen öffnen und sagen: ›Okay, es gibt nicht nur mich hier, sondern noch weitere Akteure, mit wem könnte ich zusammenarbeiten, um eventuell Synergien freizusetzen?‹« (S04.11:74–82). Das Beteiligungsformat der Netzwerkkonferenz verweist auf eine maximale Öffnung für Akteure der Zivilgesellschaft und auf das Herstellen von Wechselbeziehungen durch Kommunikationsgelegenheiten.

Die Akteure in Kontakt zu bringen, folgt dem Ziel, »die Informationsstruktur der Bildungslandschaft zu verbessern« (S04.11:85–86). Wechselseitige Beobachtungsgelegenheiten bestehen bereits da, »wo Jugendverbände durch die schulbezogene Jugendarbeit, […], sehr intensiv in den Nachmittagsprozess einer Gesamtschule integriert sind« (S12.11:246–248). Wie Kooperationen gelingen, »hängt aber sehr stark von den handelnden Personen ab, die in irgendeiner Form eine persönliche Affinität zu der Schule haben« (S12.11:252–254). Die Teilnahme am Programm ermöglicht nun aber nicht nur eine erweiterte Beteiligung nach außen in die Stadtgesellschaft, sondern auch nach innen in die Stadtverwaltung. Für den Zeitraum des Vorhabens wird das Stadtteam für die Bereiche Bildungsmanagement und Bildungsberatung mit zusätzlichen Personalressourcen verstärkt. Die externen Partner bringen neben ihrem spezifischen Fachwissen ihr Projektwissen in die Verwaltung. Der allein verantwortliche Partner für den Bereich Demographischer Wandel ist zugleich mitverantwortlich für die Bildungsberatung und bringt Erfahrungen mit dem Programm Lernende Regionen mit. Auch bei diesem Akteur handelt es sich um einen Programmschachtler, insofern er »früh von dem Programm Lernen vor Ort erfahren« hat und »da gerne weiter mitarbeiten« (S02.11:27–29) möchte. Er stellt den Kontakt zur Stadt her und greift den Impuls des stellvertretenden Projektleiters auf, »sich daran beteiligen zu wollen« (S02.11:33–34).

3.2.2 Commitment: Lernen der Stadtverwaltung durch Fachberatung

Ursächlich für das Commitment mit der Beteiligung in der Stadt ist das Engagement einzelner. Lange vor der Ausschreibung geht die Initiative für die Beteiligung der Stadt vom späteren stellvertretenden Projektleiter aus: »Ich habe den Schatz mitgehoben, denke ich« (S14.11:8). Die spätere Beteiligungsstruktur mit Interessenverbänden in gemischten Arbeitsgremien bahnt sich bereits in dieser Frühphase an: »Ich gehöre zu den Müttern des Vorhabens in [der Stadt]. Es gab auch ein paar Väter, aber ich glaube, die Mütter hatten die stärkere Funktion« (S02.11:18–22). Im Bild der Elternschaft kommen die geteilte Fürsorge und Verantwortung zum Ausdruck sowie unterschiedliche, aber dennoch gleichwertige Anteile am Zustandekommen von etwas Kostbarem und Behütenswertem. Den Wechsel von einer Weiterbildungsorganisation ins Stadtteam im unmittelbaren Anschluss an die Beteiligung am Programm Lernende Regionen suchen externe Partner aktiv. Die Festlegung auf die Bereiche Bildungsberatung und Demographischer Wandel erfolgt nicht zufällig, sondern aufgrund von Fachwissen, das sich im Rahmen vorangegangener Programme aufbauen konnte. Das Engagement in Lernen vor Ort versteht sich als Fortsetzung des Programmschachtelns. Die Förderrichtlinien geben grundlegende und erweiterte Aktionsfelder vor (BMBF, 2008a, S. 6–7), jedoch nicht, wie Kreise und kreisfreie Städte die Organisation zur Bearbeitung dieser Bereiche zu gestalten haben. In der Stadt greift hier bereits in der Antragsphase die Idee der Verzahnung von Verwaltungs- und Fachkräften mit den Bildungsbedarfen von Bürgerinnen und Bürgern. Letztere werden dabei – abgesehen von dem bereits angelaufenen Projekt in der Familienbildung – mit der Bereitstellung von Bildungsangeboten indirekt adressiert. Bereits das Bewerbungsschreiben legt den Aufbau neuer Gremienstrukturen fest und zielt damit auf gesellschaftliche Teilhabe.

Während die Aktionsfelder Bildungsmonitoring und Bildungsmanagement »rein durch Stadtmitglieder besetzt« (S22.11:38–39) sind, bilden Mitglieder der Stadtverwaltung sowie externe Partner gemischte Arbeitsteams in den Aktionsfeldern der Bildungsübergänge und der Bildungsberatung: »Und in diesen beiden Bereichen gibt es die Vermischung, also ein gemeinsames Team aus Mitarbeitern der Stadt und des jeweiligen Verbundpartners« (S22.11:47–48). Die zwei externen Partner bearbeiten in je eigenen Teams parallel dazu eines von zwei weiteren Aktionsfeldern: »Und dann gibt es die weiterführenden Aktionsfelder. Dort wurde neben dem Demographischen Wandel noch Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft von der Stadt […] gewählt, und da sind wir […] allein dafür zuständig und verantwortlich« (S22.11:56–59). Diese Organisation berücksichtigt zwar eine Beteiligung von Gestaltungskräften, nicht aber eine direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Nicht zufällig ist es die Bürgerstiftung, die dieses Anliegen erkennt und als wichtiges Ziel anmahnt, welches es im Auge zu behalten gelte: »Ich brauche die Experten aus der ersten Liga, also das, was die Verbundpartner […] dazu holen und einbringen. Das sollte aber noch mal aus dem Alltagsleben gespiegelt werden, um eine andere Facette einzubringen« (S18.11: 229–232). Das »Alltagsleben« adressiert Bürgerinnen und Bürger der Stadtgesellschaft nicht lediglich in der passiven »Kundenrolle«, sondern in einer aktiven »Mitgestalterrolle« (Bogumil & Holtkamp, 2013, S. 389).

Allerdings erfolgt die Antragstellung nicht entkoppelt vom Bildungsbedarf von Bürgerinnen und Bürgern, sondern berücksichtigt über die Programmvorgaben wichtige Bedarfe. Die externen Partner fungieren damit als »transformative Akteure« (Preuß, 2018, S. 47), insofern sie die Grundidee von Lernen vor Ort, ein kohärentes Bildungswesen vor Ort zu entwickeln, in passgenaue Konzepte übersetzen: »So war ich in der ganzen Phase der Ideenentwicklung, Vorhabenbeschreibung […] schon aktiv und intensiv dabei« (S02.11:38–39). Beide Verbundpartner stecken »viel Herzblut« (S02.11:71) in das Antragsschreiben, indem sie »grundlegende Ideen« und einen »roten Faden« (S02.11:62) besprechen und durch das Verschriftlichen schärfen: »Beim Schreiben wird manche Idee überhaupt erst mal vertieft. Manchmal hat man erst mal ein Wort. Aber was macht man damit? Welche Richtung gibt man einem Prozess? Das ist häufig eine Arbeit, die beim Schreiben passiert« (S02.11:66–69). Das Programm ermöglicht der Stadt die Erprobung einer Engagementstruktur unter Beteiligung von Interessenverbänden im Bildungsbereich. Das Commitment zur Beteiligung an dieser Gelegenheit zur aktiven Mitgestaltung kennzeichnet sich durch ein aktives und beratendes Eindringen externer Partner in die Stadtverwaltung. Diesem Engagement verdanken sich die Verantwortungs- und Beteiligungsstrukturen, die in einem gemeinsamen Denk- und Schreibprozess in den Antrag um die Teilnahme am Programm einfließen. Drei Beteiligungsformate sind vorgesehen, welche die Zusammenarbeit mit a) reinen Mitgliedern der Stadtverwaltung, b) gemischten Arbeitsgruppen zwischen Mitgliedern der Stadtverwaltung und externen Partnern und c) reinen Arbeitsteams der externen Partner vorsehen. Intervenierende Bedingungen stellen externe Partner als »Mütter des Vorhabens« dar, die sowohl ihr Fach- als auch Programmwissen in Konzepte gießen. Sie wirken dabei als transformative Akteure, insofern sie die Programmvorgaben mit Blick auf die Bedarfe von Bürgerinnen und Bürgern in praktikable Modelle übersetzen.

4 Arenen der (Un-)Bewusstheit

In beiden Gebietskörperschaften investiert das politische System – im Kreis ausgehend von der Ebene des Bundes, in der Stadt ausgehend von der Ebene der Kommune – Macht ins sozial-kulturelle System und spezifiziert den Diskurs auf dem Feld der Kulturpolitik (vgl. Abbildung 7.6) Eine kollektive Bewusstheit für die mit dem Programm Lernen vor Ort angezielte Bereitstellung von Orientierungswissen, um politische Entscheide zu beraten, formt sich mit der datengestützten Reflexion und Darstellung von biographischem Kapital aus. Das Bildungsmonitoring als die mit dem Programm vorgesehene Prozedur der datengestützten Beobachtung flankiert die multiplen Rationalitäten mit der Rationalität der Wissenschaft. Kreis und Stadt greifen diese Rationalität unterschiedlich auf. Der Bereitstellungs- und Ausdehnungslogik folgend, um ein BMK zu verankern und kreisangehörige Städte über das Projekt Lernen vor Ort hinaus mit der Leitidee der staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft zu bemächtigen, schließt der Kreis an bestehende Erfahrungen mit dem Bildungsmonitoring an. Das BMK stellt den Kommunen die Rationalität der Wissenschaft bereit. Es bezieht die multiplen Rationalitäten der beteiligten Akteure ein und bringt sie miteinander ins Gespräch. Dabei vermittelt es zunächst zwischen einer regionalen und einer kommunalen Reichweite einer datengestützten Reflexion. Das BMK verbindet grenzüberschreitende Professionalität als individuelles biographisches Kapital der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden mit dateninformierten Entscheidungen der Kommunalpolitik als Anspruch des Programms.

Der Übernahme- und Konzentrationslogik folgend, um ein KBM zu verankern und über das Projekt Lernen vor Ort hinaus mit der Leitidee der Bürgerkommune zu bemächtigen, schließt die Stadt an das biographische Kapital und somit an vermutete endogene Ressourcen innerhalb der Bildungsstadt an. Das KBM stellt für die Stadtgesellschaft multiple Rationalitäten bereit und bringt sie miteinander ins Gespräch. Die mit dem Bildungsmonitoring aufgedrängte Rationalität der Wissenschaft vermittelt es mit der Rationalität des biographischen Kapitals. Das KBM verbindet den Ausbau von Einfluss- und Kontrollpotenzialen als reflexives Interesse der Partnerorganisationen mit der Zielsetzung der Kommunalpolitik, eine sichtbare Gesamtstruktur der Leistungsangebote zu entwickeln.

Abbildung 7.6
figure 6

Arenen der (Un-)Bewusstheit (Eigene Darstellung)

4.1 Grenzüberschreitende Professionalität als Weichensteller für datengestützte Reflexion

Die grenzüberschreitende Professionalität zentraler Akteure stellt im Kreis die Weichen für datengestützte Reflexion. Als Akteure der ersten Stunde nutzen Lernen-vor-Ort-Mitarbeiterinnen das Programm als Gelegenheitsstruktur für ihre Professionalisierung. Sie beobachten Umwelten des pädagogischen Systems mit einem sowohl professions- als auch organisationssensiblen Inklusionsstil. Als ursächliche Bedingungen für eine datengestützte Reflexion wirken im Kreis unterschiedliche Ressourcenausstattungen der kreisangehörigen Städte bezüglich der Möglichkeit, sich Wissen aus kleinräumigen Daten zu verschaffen. In die Lücke dieser ungleichen Voraussetzungen springen Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende mit ihrem biographischen Kapital, das sie im Zuge des Programmschachtelns aufbauen konnten. Grenzüberschreitende Professionalität kennzeichnet sich durch unterschiedliche Wissensformen. Ein relativierender Umgang mit Orientierungswissen, das zuhanden der Politik erst bereitgestellt, und Handlungswissen, das sich Akteure der Profession im Rahmen temporärer Projekte aneignen, bilden intervenierende Bedingungen für datengestützte Reflexion. Förderlich für eine Verbindung beider Wissensformen sind dateninformierte Handlungsempfehlungen für Akteure der Politik und Verwaltung, als hinderlich erweist sich ein temporäres Programmschachteln, bei dem sich Handlungswissen entkoppelt von Orientierungswissen verselbstständigt. Als ursächliche Bedingungen für ein Commitment mit einem kommunalen Bildungsmonitoring fungieren Programmvorgaben, die ein datenbasiertes Bildungsmanagement nahelegen.

Mit einem Anwendungsleitfaden wird Landkreisen und kreisfreien Städten ein Instrumentarium für einen fortlaufenden Evaluierungsprozess zentraler Handlungsfelder zur Verfügung gestellt und im Rahmen des Programms Lernen vor Ort in zwei Förderphasen von 2009 bis 2014 in 40 Kommunen erprobt (Hetmeier et al., 2014, S. 9). Die Arbeitsgrundlage schließt an die Bildungsberichterstattung auf internationaler und nationaler Ebene an und zielt auf datenbasierte Entscheidungen der Kommunalpolitik zur Stärkung der Bildungslandschaft. Die Differenz zwischen datenbasiertem Orientierungs- und erfahrungsbasiertem Handlungswissen stellt kontextuelle Bedingungen für den Bewusstheitskontext im Kreis dar, der von biographisch gewachsenen und bestehenden auf evidenzbasierte und neue Problemlöseverfahren umgestellt werden soll. Der Ausbau der Mitgestaltungsrolle mit Blick auf die Koordination unterschiedlicher Wissensformen beeinflusst als intervenierende Bedingungen die Qualität kommunaler Entscheidungsprozesse.

Rahmenbedingungen für eine datengestützte Reflexion bearbeitet der Kreis mit der Kernaktivität, eine kollektive Bewusstheit für ein datenbasiertes Bildungsmanagement auf kommunaler Eben zu schaffen. Dies vollzieht sich durch eine gemeinsame Klärung des Beratungsbegriffs und des Beratungsbedarfs der Kommunen. Lernen-vor-Ort-Koordinatorinnen antizipieren damit die Handlungslogik kreisangehöriger Städte, mit knappen Haushaltkassen Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis bewältigen zu müssen und Aufgaben im eigenen Wirkungskreis erhalten und ausbauen zu wollen. Die Überbrückung zwischen datenbasiertem Orientierungs- und erfahrungsbasiertem Handlungswissen evoziert Leistungsbeziehungen zwischen Akteuren des politisch-administrativen und des pädagogischen Systems. Datengestützte Reflexion auf der Ebene des Kreises und der kreisangehörigen Städte konstituiert eine Spannungslage, die Abstimmungsarbeit im Gezerre um Personalressourcen nahelegt.

4.1.1 Biographisches Kapital: Beobachtung von Umwelten des pädagogischen Systems durch einen professions- und organisationssensiblen Inklusionsstil

Ein Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene verfügt über Daten zur Bildungslandschaft in den Grenzen der Gebietskörperschaft des Kreises. Letzterer ist zuständig für das Gesundheitswesen und führt alle Schuleingangsuntersuchungen durch: »Da die Städte keine eigenen Gesundheitsämter haben« (K16.11:520), sind aus der Datenlage Themenfelder und Erkenntnisse abzuleiten, »die durchaus auch für den Sozialraum in einer kleineren Kommune relevant sind« (K16.11:547–548). Der Kreis wünscht sich aber auch Daten, die »nur über die kommunale Ebene zur Verfügung gestellt werden« (K16.11:1203– 1204) können. Für den Datenaustausch zwischen Kreis und Kommunen bestehen »nicht unerhebliche Probleme« (K16.11:1205), weil die »Größe der jeweiligen zuarbeitenden Kommune« (K16.11:1208) über die »personellen und zeitlichen Ressourcen« (K16.11:1215) entscheidet, mit der sich eine Kommune »um Jugendhilfe, Schulentwicklungsplanung und Daten« (K16.11:1211–1212) kümmern kann.

Das BMK muss »sehr sensibel überlegen«, was es »den Kommunen als Recherchearbeit zumuten« darf, wo es »auf Daten verzichten muss« und wo es »über zusätzliche Ressourcen Daten zusammenstellen lassen kann, dort, wo eine Kommune das selber gar nicht schafft« (K16.11:1223–1232). Die Dienstleistungsorientierung tariert Zumutung und Verzicht zwischen einem Bring- und Hol-Modus aus. Den Folgen von kommunal ungleichen Kräften, um das Wissen vor Ort mit Daten zu fundieren, stellt sich das BMK mit seiner personalen Macht, die das Programm aktiviert. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche werfen ihre eigene grenzüberschreitende Professionalität zum Nachteilsausgleich dort ein, wo strukturell bedingter Ressourcenmangel vorherrscht. Ihr biographische Kapital ist insofern grenzüberschreitend, als der berufliche Weg des Programmschachtelns über die Parallelität von Berufs- und Wissenschaftspraxis prozessiert wurde und wird.

Parallelität von Berufs- und Wissenschaftspraxis als Bedingung für die Beobachtung von Umwelten des pädagogischen System: Der Umstand, sich den Lebensunterhalt parallel zum Studium verdienen zu müssen, führt bei der Bereichsleiterin im Aktionsfeld der Übergänge zu einem Wechselspiel beider Praxen, weil sie »dadurch auch viel Praxis und Theorie verknüpfen« (K02.14:342) kann. Die Theorie-Praxis-Figur steht für das Erleben zweier Sozialwelten, die aufeinander verweisen: »Man muss beides haben, man hat auch ‘ne Verschiebung da drin. Dass […] die Praxis oftmals andere Probleme hat als die Theorie und die Theorie ‘n bisschen nachhängt, und bis die Theorie sich irgendwo gesellschaftlich etabliert hat, ist die Praxis eigentlich schon weiter« (K02.14:347–351). Die »Verschiebung« beschreibt zwei Modi der Beobachtung und Bearbeitung sozialer Phänomene. Das »Nachhängen« theorie- und datengestützter Wissenschaftspraxis verweist auf den zeitlichen Modus der Rückschau, um Phänomene zu verstehen und zu erklären. Demgegenüber eilt Praxis, die »schon weiter« blickt, gefestigten Wissensbeständen voraus und betreibt Zukunftsgestaltung unter Ungewissheit.

Die unterschiedlichen »Zeiträume der Artikulation« (Prange, 2012a, S. 121) erfährt die Bereichsverantwortliche früh als aktives Changieren zwischen zwei Sinnbereichen, die ineinander übergreifen und eine eigenständige Studienpraxis begründen: »Ich war keine Schülerin hier sozusagen, sondern ich war wirklich eigenständige Studentin und konnte das Studieren wirklich lernen und das Aneignen von Wissen und das Umsetzen, das war dann spannend, weil ich ja arbeiten musste« (K02.14:372–375). Die Parallelität der Wissenssysteme von Beruf und Wissenschaft bleibt nicht auf das eigene Lernen beschränkt, sondern setzt sich auf didaktischer Ebene fort. Auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, das Unterrichten als Sprachförderlehrerin im Vorschulbereich sowie als Deutschförderlehrerin an einer Grundschule folgen Fortbildungen für Sprachförderkräfte (K02.14:384–391). Das Engagement im Rahmen der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAAFootnote 26) erweitert die Beobachtungen für ein »sehr breites Netzwerk« (K02.14:401) von Akteuren und Wissensformen, die auf vielen Ebenen angesiedelt sind und somit Lernen in einen breiten Rahmen betten: »Dadurch, dass ich hier mit der RAA […] zusammengearbeitet habe und die von mir auch sehr überzeugt waren, hab’ ich immer mehr Leute auch auf dieser Ebene kennengelernt, auch aus anderen Städten, bis ich dann wirklich freiberuflich auch Mitarbeiterin für die Hauptstelle wurde« (K02.14: 391–395).

Zwischen Grund- und Hauptstudium und nach dem ersten Praktikum fällt der Entscheid, trotz Lehramtsstudium später nicht in den Schuldienst einzutreten: »Nach dem ersten Praktikum war das für mich ziemlich klar, dass ich gesagt habe, die Schule ist mir ein zu starres System, […] ich kann da nicht glücklich werden, und ich glaube, dass die auch nicht mit mir glücklich werden würden« (K02.14:428–431). Sich gegen den mit der Studienrichtung vorgezeichneten Berufsweg zu entscheiden, schafft nach dem Studium offene Anschlussoptionen. Der Wunsch zu promovieren, steht in Konkurrenz mit der Existenzsicherung. Das Angebot, als wissenschaftliche Hilfskraft an einer Studie zum Übergangsbereich zwischen Kindergarten und Grundschule mitzuarbeiten, verspricht den Weg ins Wissenschaftssystem (K02.14:455–457). Die Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft bewegt sich auf einer »administrativen oder koordinatorischen Ebene« (K02.14:467–468) und stellt ein breites Lern- und Entwicklungsfeld dar: »Wenn ich nur wissenschaftliche Hilfskraft da war, war’s schon noch mit meine Verantwortung, wenn es Konflikte mit den Testleitern gab, dass ich die gelöst hab’, weil ich komplett dafür zuständig war. Und da bin ich unheimlich gereift dran auch, muss ich sagen« (K02.14:471–475).

Die auf zwei Jahre befristete Projektkoordination als Teil der Wissenschaftspraxis stellt keinen Beitrag zum Promotionsziel im Sinn einer linearen akademischen Laufbahn dar, verdrängt den Wunsch aber nicht, im Bereich der Sprachförderung zu wirken: »Meine Promotion oder meine Dissertation hab’ ich da nicht geschafft anzufangen, weil ich nebenbei immer noch arbeiten war, und ich hab’ mich aus dieser Stelle heraus selbstständig gemacht« (K02.14:478–480). Das Beratungsunternehmen »für sprachliche Bildung in der frühen Kindheit« deckt mit Sprachentwicklung, Sprachförderung und Sprachdiagnostik alles ab, »was mit frühkindlicher Bildung zu tun hat« (K02.14:482–483). Die Parallelität von Wissenschafts- und selbstständiger Berufspraxis ermöglicht die Herausbildung eines InklusionsstilsFootnote 27, der die Aufmerksamkeit auf die schulische Eingangsphase und damit auf die Umwelt des pädagogischen Systems richtet: »Und diese ganzen Erfahrungen, […], ob […] jetzt meine ganzen Nebentätigkeiten oder Institutsvorstand hier, studentisches Mitglied oder Fachschaft oder selber Studentin oder mit den kommunalen Bereichen wie RAA und so weiter, […], das konnt’ ich alles da mit reinfließen lassen« (K02.14:507–512).

Schließlich stellt das Programm Lernen vor Ort die Fortsetzung des begonnenen Programmschachtelns sicher: »Und da ich ja aus dem Bereich generell auch gekommen bin und dann jetzt ja auch zweieinhalb Jahre in dem Projekt Übergang Kita-Grundschule gearbeitet habe, hab’ ich mich da beim Kreis […] beworben und hab’ die Stelle dann bekommen« (K02.14:519–522). In der Biographie der Fachbereichsleiterin für Übergänge stellen Offerten für die Teilnahme an Projekten Sollbruchstellen dar, die Ab- und Umbrüche erzeugen. Daraus erwachsen Handlungsoptionen und Handlungsentscheidungen, die durch das fachliche Interesse und die wachsende Expertise im Bereich der frühen Sprachförderung auf Linie gehalten werden. Das Bewältigen von Sollbruchstellen geht damit einher, ungewisse Wege einzuschlagen: »Also man hat ja die Wahl, entweder geht man sie oder man geht sie nicht, und ich bin sie gegangen und hab’ dann alles miteinander verknüpft. Und das war so spannend« (K02.14:404–406).

Intellektuelles Lustprinzip als Bedingung für die Beobachtung von Umwelten des pädagogischen Systems: Auch die Projektkoordinatorin von Lernen vor Ort schöpft aus einem Wissensfundus, der sich durch das Verketten von Programmen aufbaute. Den dezidierten Entscheid, trotz der gewählten Studienrichtung »kein Lehramt« (K04.14:42) anzustreben, begründet sie mit der »Ministerialbürokratie, die ja so sich in Schulen so ausbreitet« (K04.14:43–44). Darüber hinaus führt sie die Selbsteinschätzung, »überhaupt gar keinerlei pädagogisches Talent« (K04.14:46–47) zu besitzen, in die außerschulische Weiterbildung. Die Arbeit »in Volkshochschulen und Akademien und was es da alles so gibt« (K04.14:52–53), korrigiert das Bild in Bezug auf die pädagogischen Fähigkeiten: »Offensichtlich geht das zum Mindesten mit Erwachsenen schon, mit dieser pädagogischen Qualifikation« (K04.14:54–56). Der Berufseinstieg nach dem Studium wird dadurch erschwert, dass »überhaupt kein Drankommen« (K04.14:65–66) ist an die gewünschten Arbeitsbereiche: »Ich hätte sehr gerne in der Volkshochschule gearbeitet als Fachbereichsleiterin, hätt’ ich ganz gerne gemacht, völlig ausgeschlossen« (K04.14:63–65).

So kennzeichnet sich die Berufsarbeit durch »immer befristete Geschichten« (K04.14: 67–68), die mit der Lokalen Agenda 21 eine Zäsur mit Langzeitwirkung erfahren: »Das war noch mal ‘n sehr wichtiger Einschnitt, auch ‘ne Verbindung von vielen Interessen, die ich immer schon hatte, es ging auch wieder sehr stark um Bildung, also Bildung für nachhaltige Entwicklung, das ist ja ein Schwerpunkt der Lokalen Agenda« (K04.14:72–75). Trotz ungebrochenem Engagement für die Ziele der Lokalen Agenda, bleibt eine dauerhafte Anstellung versagt: »Die Kirche hat dann diese Stelle irgendwann nicht mehr weiter finanzieren können, sondern nur noch ‘nen kleinen Beitrag für Miete, also war ich da wieder draußen« (K04.14:80–82). Die Erfahrung von »befristeten Geschichten« setzt sich fort, als sie von einem Kollegen aus einer führenden Position verdrängt wird: »Man kann’s nicht anders sagen, der [hat] mich einfach rausgemobbt […], also es ging darum, wer kriegt mal die Stelle dauerhaft und so, also ‘s war ganz gruselig, und danach war ich also wieder auf der Suche« (K04.14:88–90).

Mit der Teilnahme am Programm Lernende Regionen gelingt der Einstieg in »Projektarbeit in so großem Stil« (K04.14:109), bei der neben Bildungsberatung und Bildungsmonitoring die Übergangsgestaltung von der Schule in den Beruf den Hauptschwerpunkt für die ganze Region bildet. Der Anschluss an das Nachfolgeprogramm Lernen vor Ort gelingt – wenn zeitlich auch nicht nahtlos – »in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen« (K04.14:105–106) durch frühzeitige und aktive Suchbewegungen. Parallel zur Aufschichtung von Programmerfahrungen als »befristete Geschichten« entwickelt die Projektkoordinatorin eine Karriere, in der sie publiziert, redigiert und lektoriert, Vorträge hält, kleinere und größere Veranstaltungen organisiert und moderiert sowie Stadtrundgänge im Rahmen der Lokalen Agenda durchführt (K04.14:146–177). Das Wissen aus dieser Parallelkarriere, die sie als »kleine Ergänzung und Klammer« (K04.14:147) markiert, speist sie in das Programmschachteln ein, das »in dem Projekt auch nicht unwichtig ist« (K04.14:167): »Bei dem, was wir inzwischen alles publiziert haben, ne, das lernt man ja leider auch nicht an der Uni, ne« (K04.14:167–168).

Wie bei der Fachbereichsleiterin für das Übergangsmanagement kennzeichnet sich auch diese Berufsbiographie durch eine ›Eineweltlogik‹, insofern »keine Trennung zwischen Beruf ›hier‹ und Privates ›dort‹« (Brüsemeister, 2004, S. 355) stattfindet. Hier überbrückt allerdings nicht die Parallelität von Berufs- und Wissenschaftspraxis die Sollbruchstellen, sondern das »intellektuelle Lustprinzip« (K04.14:346) in Verbindung mit einer überdauernden Faszination für die Grundidee der Lokalen Agenda und damit einer »nachhaltigen, zukunftsbeständigen Entwicklung der Kommune« (Kuhn et al., 1998, S. 5).

Eine Vielfalt an Wissensformen »weit über den formalen Bildungsbereich hinaus« (K16.11:862–863) versammelt sich an der jährlichen Regionalen Bildungskonferenz, »wo ganz stark über die kommunalen Vertreter hinaus Kindertagesstätten, Familienzentren oder Integrationsräte und Unternehmen eingebunden sind« (K16.11:889–891), die sich in diesem regionalen Denkraum austauschen. Dem personenbezogenen, multi-professionellen Wissen, steht allerdings das fehlende datenbasierte Wissen in den kommunalen Sozialräumen gegenüber. Daten, wie sie auf Kreisebene von der amtlichen Statistikstelle des Landes zur Verfügung gestellt werden, erleichtern zwar »Vergleiche zwischen den Kommunen […] sowie mit der Landes- und Bundesebene« (Hetmeier et al., 2014, S. 39), erschweren aber »die Darstellung kleinräumiger Ergebnisse unterhalb der Kreisebene« (Hetmeier et al., 2014, S. 43). Das BMK interessiert sich aber gerade für kleinräumige Bildungsdaten, an die heranzukommen voraussetzungsreich ist: »Sozialräumliche Daten sind natürlich die spannendsten Daten für alle, die sich im Bildungsbereich oder im politischen Bereich damit beschäftigen. Es sind aber auch die Daten, die am aufwändigsten zu erheben sind« (K16.11:562–566). Wie komplex sich diese Aufgabe für Kommunen gestaltet, zeigt ein Blick in den »Anwendungsleitfaden zum Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings«, der eine »kommunalspezifische Akzentuierung« (Hetmeier et al., 2014, S. 38) und die Beschaffung von »Daten über eigene primärstatistische Erhebungen« (Hetmeier et al., 2014, S. 40) zwar beliebt macht, gleichzeitig aber darauf hinweist, diese »so gering wie möglich zu halten, um den Aufwand und die Kosten zu minimieren und die Handhabbarkeit zu erhöhen« (Hetmeier et al., 2014, S. 40).

Eine wichtige Bedingung für die lokale Wissenserzeugung stellt die Frage dar, an welche Akteure sich ein datenbasiertes Wissen mittels Bildungsmonitoring richten soll. Neben politischen Institutionen und der kommunalen Verwaltung empfiehlt der Anwendungsleitfaden, auch die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Vereine und Verbände im Blick zu behalten (Hetmeier et al., 2014, S. 44). Zielperspektive stellt »eine Berichtsorientierung des kommunalen Bildungsmonitorings« dar, dies hinsichtlich fundierter Entscheidungen des kommunalen Bildungsmanagements, der Bildungsprozesse bei den Individuen sowie der Diskussion über kommunale Bildungsstrategien« (Hetmeier et al., 2014, S. 44). Insbesondere den diskursiv-partizipativen Prozessen misst der Leitfaden hohe Bedeutung bei (Hetmeier et al., 2014, S. 47), insofern erst eine korrekte Interpretation der Ergebnisse und deren einfache und unmissverständliche Vermittlung die Grundlage dafür darstellen, »Entscheidungen herbeizuführen und Maßnahmen einzuleiten« (Hetmeier et al., 2014, S. 46): »So stehen Indikatorenwahl, Bewertung von Problemlagen, Zieldefinitionen und Mittelverteilung meist am Ende eines Diskussions- und Aushandlungsprozesses, der nicht vom Bildungsmonitoring allein geführt werden kann« (Hetmeier et al., 2014, S. 47).

Die Idee, mittels Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung »Entscheidungen herbeizuführen und Maßnahmen einzuleiten« (Hetmeier et al., 2014, S. 46), sickert mit der Teilnahme an Lernen vor Ort nicht selbstverständlich in den Verständnis- und Interessenhorizont der Akteure. In der Zusammenarbeit mit Stiftungen hat sich vor Ort eine Wissensform aufgebaut, die zwar auch durch Beobachtungen inspiriert wird, diese aber nicht an Daten ausrichtet, sondern an Aktionsprogrammen und konkreten Verfahren. Das »Knowhow« als Kapital von Stiftungen (K20.11:480) reist als Handlungswissen durchs Land: »Es gibt inzwischen regelmäßige Austausche mit anderen Kommunen, die sowohl den Quadratkilometer Bildung als auch Lernen vor Ort haben. Man fährt nach [A-Stadt] oder nach [B-Stadt] oder guckt mal zu, wie die es machen und wie das läuft« (K20.11:508–513). Die »Notwendigkeit« und der »Druck« vor Ort (K20.11:517) begründen dabei das Handeln, nicht aber das Erfassen neuer Daten, weil sich das Wissen um Problemlagen in den »kleinen Raumeinheiten« (Hetmeier et al., 2014, S. 43) der Gemeinden durch die Arbeit in Projekten längstens als Praxiswissen festgesetzt hat: »Wenn ihr in diesem Stadtteil Daten erfasst, wisst ihr genau, was dabei rauskommt, wie Eltern ihre Kinder sehen, was sie investieren können, um ihre Kinder auf den Weg zu bringen. […]. Da muss man nicht erst mal Daten erfassen. Da muss man was tun« (K20.11:526–533).

Zwar zeigt sich ein Verständnis für die legitimatorische Funktion von Daten, wenn es darum geht, die Politik zu überzeugen: »Aber das sind natürlich auch so Unsicherheiten, dass die dann sagen, wir müssen erst mal wissen, damit müssen wir in den Rat gehen, und wenn wir Daten haben, dann kann man den Rat auch überzeugen« (K20.11:537–539). Die Ablehnung des Datenerhebens ist allerdings über das Programmschachteln der Region gewachsen: »Es hat dieses Projekt Selbstständige Schule gegeben. Da haben sie alle Angst gekriegt, dass die Schulen ihnen davonlaufen, aber das ist ja schnell wieder eingestampft worden« (K20.11:602–604). Eingeschrieben hat sich ein Misstrauen gegenüber der Lernfähigkeit kommunaler Verwaltungen: »Das heißt also, wenn man stur sein will, kann eine Kommune weiter mit reiner Verwaltungsarbeit sagen, ich manage das Bildungssystem in dieser Stadt« (K20.11:606–607). Diese Vorstellung eines Bildungsmanagements folgt der Logik des Aufrechterhaltens klarer Zuständigkeiten von ›Verwaltung hier‹ und ›Profession da‹: »Ich habe Daten und ich muss wissen, wie viele Kinder U3-HilfeFootnote 28 brauchen oder Unterbringung brauchen oder ähnliches. Das ist wichtig. Anderes nicht. Aber das ist das Sekundäre. Das Primäre ist, dass inhaltlich gearbeitet wird« (K20.11:608–614).

Die Leitidee einer Verbindung zwischen einem Bildungsmonitoring und Handlungsempfehlungen ist in der Anfangsphase zunächst lediglich als biographisches Kapital auf der Programm-Ebene verankert. Darin zeigt sich die Steuerungsrelevanz »für die Etablierung eines Bildungsmonitorings auf kommunaler Ebene (Hetmeier et al., 2014, S. 11). Individuen, Bildungseinrichtungen oder Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Während Politik und Verwaltung vorwiegend auf der Input-Ebene (Hetmeier et al., 2014, S. 19) aktiv sein können, agieren Akteure einer Profession in unmittelbarem Kontakt mit Bildungsadressaten auf der Prozess-Ebene und betrachten die Steuerungsrelevanz entsprechend aus Sicht der Individuen oder der Bildungseinrichtung: »Wenn man nicht sieht, wo man arbeiten kann und wie es sich weiter entwickeln muss, das kann man auch nicht mit Daten abgleichen. Ich weiß nicht, wozu man diese Riesenmengen Daten braucht« (K20.11:580–582).

Das Programm Lernen vor Ort adressiert mit dem Bildungsmonitoring vor allem Akteure der Politik und Verwaltung und legt den Schwerpunkt auf das Orientierungswissen, um Handlungsempfehlungen abgeben zu können. Akteure des People-Processing (Kurtz, 2014, S. 208) stützen ihre Entscheidungen auf biographisch gewachsenes Handlungswissen und auf Beobachtungen, die sich durch den Austausch von Erfahrungen zu einem Programm-Wissen aufschichten: »Wir haben ja auch damals sehr viele Fortbildungen gehabt, […] wir haben uns ja in unserem Job sozusagen weiterentwickelt« (K04.14:132–133). Die Professionalisierung ›on the job‹, erfährt mit den Weiterbildungen zum Bildungsmonitoring eine qualitativ anspruchsvolle Erweiterung, die über bisherige Verfahren der Supervision hinausgeht. Diesem Wissensaufbau stehen potenzielle Abbrüche gegenüber, die – bedingt durch den temporären Charakter der Projekt-Arbeit – ein fortgesetztes Aneinanderreihen und Integrieren von Anfängen nahelegen: »Was da an Wissen aufgebaut […] und dann plötzlich abgeschnitten wurde« (K04.14:139–140).

4.1.2 Commitment: Weiterentwicklung des Bildungsmonitorings

Mit Lernen vor Ort wird eine Struktur ins Leben gerufen, »die dann auch gelebt werden muss« (K12.11:530). Diese Struktur beinhaltet das Ziel, »ein integriertes datengestütztes Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene« zu entwickeln, »um eine nachhaltige Entwicklung eines ganzheitlichen lokalen Bildungswesens zu erreichen« (Hetmeier et al., 2014, S. 9). Ein ganzheitliches und lokales Bildungswesen will Bürgerinnen und Bürger erreichen und diese bildungsbereichs- und lebensphasenübergreifend dabei unterstützen, ihre Bildungsbiographien »erfolgreicher zu gestalten« (Hetmeier et al., 2014, S. 9). Diese Unterstützung setzt nun aber nicht direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern an, sondern nimmt den Umweg über die Kommunalpolitik, die dateninformiert Entscheidungen treffen soll, »die die Bildungslandschaft stärken« (Giar, Kreisz & Gerhards, 2017, S. 14). Dateninformierte Entscheidungen erfolgen – so die Grundidee des Programms – über die Entwicklung eines kommunalen Bildungsmonitorings: »Hierunter wird ein umfassendes und systematisches Sammeln, Analysieren, Interpretieren und Bewerten von Daten und Befunden zum Zwecke der Information über und der Überwachung, Planung und Steuerung von Entwicklungen im Bildungswesen« verstanden (Hetmeier et al., 2014, S. 8).

Ein kommunales Bildungsmonitoring stützt sich auf theoretische Grundlagen, »die im Rahmen der Bildungsberichterstattung auf internationaler oder nationaler Ebene bzw. auf der Ebene der Bundesländer bereits etabliert sind« (Hetmeier et al., 2014, S. 10). Der Bildungsbegriff umfasst dabei drei Dimensionen: Die individuelle Regulationsfähigkeit bezeichnet die »Fähigkeit des Individuums, eigenverantwortlich und selbstständig Lern- und Entwicklungsprozesse im Sinn von Selbststeuerung zu gestalten« (Hetmeier et al., 2014, S. 10). Mit der Dimension der Humanressourcen hat Bildung auch eine ökonomische Komponente, die durch die Vermittlung von Kompetenzen die Sicherstellung des Arbeitskräftevolumens sowie von Erwerbsarbeit anzielt (Hetmeier et al., 2014, S. 10). Für die kommunale Ebene misst der »Anwendungsleitfaden für den Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings« der dritten Dimension eine besondere Bedeutung bei: Gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit soll auch jenseits der Erwerbsarbeit ermöglicht werden und damit »einen Beitrag zur gesellschaftlichen Kohäsion« (Hetmeier et al., 2014, S. 11) leisten. Ein kommunales Bildungsmonitoring übersetzt die Beobachtung dieser Dimensionen in Indikatoren, die sich an die nationale und internationale Bildungsberichterstattung anlehnen und an einem Prozess-Kontext-Modell (Hetmeier et al., 2014, S. 15) sowie am Begriff des Lebenslangen Lernens (Hetmeier et al., 2014, S. 18) orientieren. Indikatoren stellen eine Kombination eines BildungsbereichsFootnote 29und eines ThemenbereichsFootnote 30 dar und setzen sich aus KennzahlenFootnote 31 zusammen (Hetmeier et al., 2014, S. 20). Sie sind im Prozess-Kontext-ModellFootnote 32 in den Bereichen des Kontexts, des Inputs, des Prozesses und der Wirkungen angesiedelt (Hetmeier et al., 2014, S. 19).

Wenn ein kommunales Bildungsmanagement und ein kommunales Bildungsmonitoring Hand in Hand gehen, und wenn das biographische Kapital der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden in die Lücke der (Un)-Bewusstheit vor Ort springt, dann kommt deren Commitment mit dem kommunalen Bildungsmonitoring eine bedeutsame Rolle zu. Sie haben nicht nur den Abstimmungsprozess mit der kommunalen Politik, sondern auch mit Akteuren bestehender Bildungsprojekte zu moderieren. Zu verbinden sind somit eine Entscheidungs- und eine Handlungsorientierung mit je unterschiedlichen Commitments. Während kommunale Entscheidungsträger durch das Programm so adressiert werden, als müssten sie für »neutrale und fortschreibbare Informationen« (Giar et al., 2017, S. 14) gewonnen werden, orientieren sich Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende in der Anfangsphase an bestehenden Handlungsmodellen für kommunale Netzwerkaktivitäten: »Es geht darum […], dass Best-Practice, gute Beispiele, gute Erfahrungen mit bestimmten Projekten und Programmen weitergegeben werden« (K02.11:1004–1021). Die Differenz zwischen Orientierungs- und Handlungswissen kennzeichnet den Bewusstheitskontext für den Aufbau eines datenbasierten Bildungsmanagements auf kommunaler Ebene, den der Kreis mit Erfahrungen der Pionierkommunen im Bereich des Bildungsmonitorings bereits auf die datengestützte Reflexion ausgerichtet hat.

Nicht alle Bildungsbereiche »lassen sich nach einer einheitlichen Vorgabe in Kennzahlen fassen« (Hetmeier et al., 2014, S. 37). Der Bildungsbereich »Bildungsnetzwerke/Bildungsberatung« zeichnet sich durch »Weichenstellungen in der Stadt oder im Landkreis« aus sowie durch die Suche »nach maßgeschneiderten, auf die kommunalen Bedürfnisse ausgerichteten Lösungen« (Hetmeier et al., 2014, S. 37). Die Darstellung dieser »Netzwerkaktivitäten« erfordert »eine individuelle Darstellung der durchgeführten und geplanten Projekte in narrativer Form« (Hetmeier et al., 2014, S. 37). Mit der Vorgabe einer kommunalen Bildungsberichterstattung folgt das Programm dem Grundsatz der Steuerungsrelevanz (Giar et al., 2017, S. 13), »wobei im Kontext eines kommunalen Bildungsmanagements vorwiegend die Perspektive der Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung von Interesse ist« (Giar et al., 2017, S. 13). Der kommunalpolitischen Entscheidungsebene ist es aufgegeben, »die Möglichkeiten eines chancengerechten Zugangs zu Bildungseinrichtungen und die Gestaltung von Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle Bürgerinnen und Bürger« (Giar et al., 2017, S. 13) ins Zentrum zu stellen. Steuerungsrelevant sind dabei hauptsächlich Themenfelder, die in der »Entscheidungskompetenz auf der kommunalen Ebene« (Giar et al., 2017, S. 13) liegen. Die »kommunalspezifische Perspektive« (Giar et al., 2017, S. 14) auf die Steuerungsrelevanz trägt den aktuellen Handlungsfeldern einer Kommune und »den spezifischen Problemlagen der Kommune bei der Auswahl von Indikatoren und Kennzahlen« (Giar et al., 2017, S. 14) Rechnung.

4.2 Erweiterte Einfluss- und Kontrollpotenziale von Partnerorganisationen als Weichensteller für den Ausbau des biographischen Kapitals

Erweiterte Einfluss- und Kontrollpotenziale stellen in der Stadt die Weichen für den Ausbau des biographischen Kapitals. Ursächlich für das Bewusstmachen des biographischen Kapitals ist das Wissen um einen Schatz an Bildungsangeboten, der mit Unterstützung der Programmressourcen für die Bürgerinnen und Bürger gehoben werden soll. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche nutzen das Programm als Gelegenheitsstruktur, um das Wissen von Partnerorganisationen in die Stadtverwaltung zu holen. Mit der Aussicht auf den doppelten Gewinn, sowohl die kommunale Selbstverwaltung erhalten als auch die Reichweite der Interessenrealisierung von Partnerorganisationen ausdehnen zu können, beobachtet die Stadt Umwelten des pädagogischen Systems mit einem organisationssensiblen Inklusionsstil. Die Expertise externer Organisationen zeichnet sich durch ein multirationales Fach-, Projekt- und Netzwerkwissen in den Schnittstellen von Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Politik aus. Das biographische Kapital der Stadt soll eruiert und mittels einer Bildungsdatenbank nutzungsfreundlich aufbereitet werden.

Unmittelbare Adressaten des Programms sind Bildungsanbieter der Stadt. Bürgerinnen und Bürger auf der Nutzenseite von Bildungsangeboten werden über das Grenzobjekt einer Bildungsdatenbank mittelbar adressiert. Ursächlich für das Commitment der Stadt ist das Wissen darum, dass der zu bergende Bildungsschatz undurchsichtig ist und für die Stadtgesellschaft abgebildet werden soll. Dieses Ziel legt die Konzentration auf eine Vorstufe des Bildungsberichts und damit auf das Zusammenstellen bestehender Daten aus dem Schulbereich fest. Die Optimierung der Angebotspolitik stellt eine intervenierende Bedingung für die Qualität von Zeigeformaten dar, ohne den Anspruch deren Rezeption zu formulieren.

Rahmenbedingungen für den Ausbau des biographischen Kapitals bearbeitet die Stadt mit der Kernaktivität, die kommunale Bildungslandschaft transparent zu machen. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche antizipieren damit die Handlungslogik von Bürgerinnen und Bürgern, die sich einer unübersichtlichen Angebotssituation für Bildungsgelegenheiten gegenübersehen. Die Einlassung auf die Programmvorgabe, datenbasiertes Orientierungswissen bereitzustellen, forciert Leistungsbeziehungen zwischen Akteuren des politisch-administrativen Systems und der Zivilgesellschaft. Die Priorisierung des biographischen Kapitals bei gleichzeitigem Anspruch, datenbasiertes Orientierungswissen bereitzustellen, konstituiert eine Spannungslage, die Abstimmungsarbeit zwischen dem Einsatz von Ressourcen für den Aufbau eines Bildungsmonitorings und einer Bildungsdatenbank nahelegen.

4.2.1 Biographisches Kapital: Beobachtung von Umwelten des pädagogischen Systems durch einen organisationssensiblen Inklusionsstil

Mit der Expertise der externen Bildungspartner stellt die Stadt den Ausbau deren Einfluss- und Kontrollpotenziale in Aussicht und erweitert mit der Integration dieser Wissensressourcen zugleich die Verfügungsrechte der Stadtverwaltung. Eine Weiterbildungsorganisation speist Erfahrungen mit Regionalentwicklungs- und Bildungsprojekten ein. Die Schwerpunkte des Fachwissens liegen auf der Arbeits- und Wirtschaftsförderung. Im Rahmen von Lernen vor Ort verantwortet der Partner das Aktionsfeld Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft allein und die Bildungsübergänge mit. Er »vervielfältigt« (S06.11:151) kein bestehendes Projekt, sondern entwickelt ein Konzept, das beide Bereiche verknüpft: »Für den WTUW-Bereich wird es ein MINTFootnote 33-Zentrum […] geben« (S06.11:158–159). Ein ehemaliges Haus der offenen Jugendarbeit soll sich im Sinn des programmatischen Anliegens profilieren und dazu beitragen, »die technisch-wissenschaftlichen Kompetenzen insbesondere bei Jugendlichen« (BMBF, 2008a, S. 7) zu verbessern. Die öffentlich-private Partnerschaft ermöglicht einen Inklusionsstil, der die Aufmerksamkeit auf die Umwelt des pädagogischen Systems an der ersten Schwelle richtet.

Neben der fachlichen Expertise bringt der externe Partner »auch Erfahrung mit, wie eine Partnerschaft mit vielen Ämtern der Stadt auszugestalten ist oder an was für Schwierigkeiten man hier und da mal anstößt« (S22.11:175–177). Mit dieser Partnerschaft entsteht eine Verbindung »mit einer arbeitsmarktpolitischen Zielstellung« (S22.11:159) und eine Anbindung an »Partner der Arbeitsagentur, der ARGEFootnote 34 und des Oberbürgermeisters mit nachgeordneten Ämtern« (S22.11:160–161). Darüber hinaus besteht eine Kooperation mit der TheoPrax StiftungFootnote 35, die sich der Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie der Aus- und Weiterbildung verschrieben hat und dabei einer projektorientierten Methodik folgt. Der externe Partner engagiert sich »sehr stark in den Bildungsübergängen im Bereich der Berufsorientierung« (S22.11:206–207) und führt seit vielen Jahren Berufsorientierungsprojekte durch, »insbesondere im Seminarfach der Gymnasien, um dort Wirtschaftskooperationen mit realen Projektarbeiten im konkreten Auftragnehmer-Auftraggeber-Verhältnis zu etablieren« (S22.11:211–213). Erfahrungen mit Kooperationen, die Akteure unterschiedlicher Systeme verbinden und daher grenzüberschreitenden Charakter haben, fundieren ein Netzwerkwissen, das hilft, »wenn es denn darum geht, für Lernen vor Ort etwas zu bewegen in den Übergängen oder bei dem Aktionsfeld WTUW« (S22.11:235–236).

Die Netzwerkexpertise der externen Partner greift das städtische Bildungsmanagement in aufwändiger Verständigungsarbeit auf, integriert und richtet es mit der Leitbildarbeit auf gemeinsame Ziele aus: »Gerade die Kommunikations- und Vernetzungsarbeit mit den Akteuren benötigt viel Zeit. Die muss man sich aber auch nehmen, weil die entwickelten Leitbilder natürlich nur mit den Akteuren zusammen umgesetzt werden können« (S04.11:107–112). Nicht nur das Organisationswissen der externen Partner diffundiert in die Stadtverwaltung, sondern auch das politisch-pädagogische Wissen des stellvertretenden Projektleiters, der in der Erwachsenenbildung »einer parteigeprägten Vereinigung« (S14.11:130–131) tätig war und »nahtlos mit Beginn der Amtszeit des OBs als persönlicher Referent mit in die Stadtverwaltung« (S14.11:134–135) wechselt. Zu wissen, »wie Politik tickt« (S14.11:126), ist förderlich, um politische Unterstützung innerhalb der Verwaltung zu mobilisieren. Sich das Wissen externer Partner in die Verwaltung zu holen, unterstützt das Vorhaben, den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe an den Leistungsangeboten verschiedener Teilsysteme zu ermöglichen: »Wir sind in dem Bereich seit vielen Jahren an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, zwischen Wirtschaft und Bildung oder Verwaltung tätig und haben auch immer mit Bildung zu tun gehabt« (S06.11:102–104). Ein Grenzobjekt stellt die geplante Bildungsdatenbank dar, insofern sie die unterschiedlichen Akteurperspektiven bündeln soll. Auch für dieses Vorhaben erweist sich eine Verbindung mit dem Aktionsfeld WTUW als nützlich: »Wir machen viele Projekte in diesem Bereich, sind auf der anderen Seite aber auch sehr technikaffin, so dass wir an dieser Stelle viel Erfahrung mit einbringen können« (S06.11:107–109).

4.2.2 Commitment: Einlassung auf das Bildungsmonitoring

Der stellvertretende Projektleiter arbeitet parallel zum Engagement im Rahmen von Lernen vor Ort »bewusst« (S14.11:89) an einer Weiterbildungsinstitution für Erwachsene, um »den Prozess aus der Sicht der Bildung« (S14.11:89–90) vor Ort zu begleiten. Die Affinität zu bildungspolitischen Fragen begründet das Commitment in der Stadt: »Insoweit war klar, dass wir da was tun« (S14.11:94). Der Bildungsbereich bildet sich innerhalb der Stadtverwaltung in Ämtern mit vielen Angeboten ab, »die aber weitgehend untereinander unbekannt« sind »oder aber bekannt, aber nicht miteinander« (S14.11:85–86) durch eine Zusammenarbeit verzahnt. Der Versuch, »Bildungsangebote aus den gleichen Bereichen […] zu konzentrieren« und »die verstreuten Einzelressourcen und Initiativen stärker zu bündeln«, zielt darauf, »mehr Effizienz und Transparenz zu erreichen« (S06.11:183–188). Planungs- und handlungsleitend ist daher die Repräsentation der Bildungslandschaft und das Herstellen einer Übersichtlichkeit.

Erkundungen zur Bildungslandschaft konzentrieren sich vor dem Hintergrund, die Leistungsangebote der Bildungsstadt für die Bürgerinnen und Bürger in einem Onlinekatalog zu präsentieren, auf die Organisation des Sortiments an Bildungsangeboten. Zu erfassen ist die Gesamtstruktur einer noch nicht bekannten Palette potenziell nachgefragter Zeigeformate. Das in der Stadtverwaltung angesiedelte Aktionsfeld Bildungsmonitoring versucht, »die Stadtteile in fünf Kategorien einzuteilen« (S14.11:511–512), welche die Grundlage für die Strukturierung der Bildungsdatenbank und des Bildungsberichts bilden sollen. Das biographische Kapital kennzeichnet den Bewusstheitskontext für den Aufbau eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements, den die Stadt mit ersten Schritten in Richtung datengestützter Reflexion verschiebt. Der erste Bildungsbericht will daher auf bestehende Daten zurückgreifen und »erste Daten zu schulischen Aspekten« (S14.11:508) darstellen.

Die Stadt adressiert Bürgerinnen und Bürger als potenziell interessierte Kunden eines breiten Spektrums an Leistungsangeboten im Bildungsbereich, das mit Mitteln des Programms zu erfassen und mittels eines elektronischen Gesamtkatalogs zur Darstellung zu bringen ist. Die Binnenmodernisierung der Verwaltung, die Relevanzsetzung der Transparenz und Effizienz, die Kundenorientierung sowie das der Werbung entnommene Kommunikationsinstrument des Katalogs (Holland, 2011, S. 423–441) rekurrieren auf ein quasi-marktorientiertes Verkaufs-Kundenverhältnis zwischen Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft. Wissen basiert auf Informationen, an deren Aufbereitung und Zusammenstellung zu einem Gesamtarrangement korporative Akteure der Bildungsstadt beteiligt werden sollen. Der Ausbau der Mitgestaltungsrolle mit Blick auf das Zeigen (Prange, 2012a, S. 107–135) von Bildungsangeboten beeinflusst als intervenierende Bedingung die Qualität der kommunalpolitischen Repräsentation.

5 Arenen der (Un-)Sichtbarkeit

Das BMK verbindet Prozess- und Strukturinnovationen mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche unmittelbar mit Bildungsdienstleistungen zu adressieren. Das Gemeinschaftssystem investiert – vermittelt über bereits vorhandene strategische Marketingstrategien im Rahmen der Regionalen Bildungsnetzwerke – Reputation ins sozial-kulturelle System und schließt den Diskurs auf dem Feld der kulturellen Vereinigung (vgl. Abbildung 7.7, links). Das KBM verbindet Produktinnovationen mit dem Ziel, die Stadtgesellschaft mittelbar mit Bildungsdienstleistungen zu adressieren. Das politische System auf der Ebene der Kommune investiert – vermittelt über das Leitbild der Bürgerkommune, für das noch keine strategische Ausrichtung besteht – Macht ins Gemeinschaftssystem und spezifiziert die Reputationsinvestition auf dem Feld der Gesellschaftspolitik (vgl. Abbildung 7.7, rechts).

Abbildung 7.7
figure 7

Arenen der (Un-)Sichtbarkeit (Eigene Darstellung)

Lernen vor Ort stellt erweiterte Verfügungsrechte für den Aufbau eines umfassenden Bildungsmarketings bereit. Mit Blick auf die Organisation einer kollektiven Bewusstheit für eine datenbasierte Reflexion, verankert der Kreis ein BMK mit noch zu entwickelnden operativen Marketingaktivitäten. In einer Beeinflussungskonstellation stellen Lernen-vor-Ort-Verantwortlich zunächst die interne Kommunikation im Projektteam sicher, um darauf aufbauend die externe Kommunikation mit kreisangehörigen Städten abzustimmen. Sie sprechen die Anspruchsgruppen einer integrierten Kommunikation als Klienten an, materialisieren Bildung durch positives Erleben und Transformieren Verfügungsrechte als Ressourcen in Verfügungsrechte als Normen.

Mit Blick auf die Organisation einer kollektiven Bewusstheit für das biographische Kapital verankert die Stadt ein KBM mit noch zu entwickelnden strategischen Marketingaktivitäten. In einer Verhandlungskonstellation stellen Lernen-vor-Ort-Verantwortliche zunächst die externe Kommunikation mit Bildungspartnern sicher, um mittels deren Impulse für die Darstellung des biographischen Kapitals die interne Kommunikation innerhalb der Stadtverwaltung zu inspirieren. Sie sprechen die Anspruchsgruppen einer integrierten Kommunikation als Kunden an, materialisieren Bildung durch den Aufbau eines positiven Images und transformieren Verfügungsrechte als Normen in Verfügungsrechte als Ressourcen.

5.1 Greifbare Produkte als Weichensteller für ein operatives Bildungsmarketing

Greifbare Produkte stellen im Kreis die Weichen für ein operatives Bildungsmarketing. Bestehende Modellprojekte und -konzepte der im Programm initiativen Leuchtturmkommunen nutzen die Bereichsverantwortlichen als Ressource, um mit kreisangehörigen Städten ins Gespräch zu kommen. Fluchtpunkt der Kommunikation stellt aber nicht die Distribution von Produkten in die Fläche dar, sondern die Entwicklung von Prozess- und Strukturinnovationen mit kreisangehörigen Städten. Das biographische Kapital kreisweit mittels Bildungsprodukten auf Bildungsinfrastrukturen auszudehnen, konstituiert die intervenierenden Bedingungen für ein dezentral organisiertes Bildungsmarketing. Die Bring-Struktur von Bildungsdienstleistungen beruht auf einer Beeinflussungskonstellation, in der die Bereichsverantwortlichen zwar Bürgerinnen und Bürger als unmittelbare Adressaten im Blick haben, in ihrer Koordinationsrolle aber mit institutionellen Akteuren in Kontakt treten. Zum Einsatz kommen die aufsuchende, persönliche und direkte Kommunikation sowie Elemente des Eventmarketings. Die Entwicklungsaufgabe für den Kreis besteht darin, Grundelemente eines strategischen Bildungsmarketings in den kreisangehörigen Städten zu verankern.

Die Kernaktivität richtet sich daher darauf, die externe mit der internen Kommunikation abzustimmen und die Projektziele in die Fläche zu tragen. In der Willensbekundung, kreisangehörige Städte mitzunehmen, zeigen sich ein heterogenitätsgerechter Umgang mit unterschiedlichen Voraussetzungen vor Ort und die Erklärungsintensität von Bildungsdienstleistungen. Der Modus der Vermittlung steht für eine pädagogische Handlungslogik, der eine Verbindung zwischen Operationen des Zeigens mit Operationen des Lernens (Prange, 2012a, S. 107–135) sucht. Leistungsbeziehungen bahnen sich dadurch an, dass Bereichsverantwortliche zusammen mit Akteuren der Kommunalpolitik das Lernen in Leuchtturmkommunen aufsuchen, um sich etwas zeigen zu lassen. Sich mit Verve und zugleich Bescheidenheit in einem Programm zu engagieren, dessen Erfolge in die Strukturen der Regionalen Bildungsnetzwerke überführt und als Lernen-vor-Ort-Errungenschaften daher unsichtbar werden, kennzeichnet das Handeln im Spannungsfeld von Verfügungsrechten als Normen und Ressourcen.

5.1.1 Biographisches Kapital: Das Programm als Fluchtpunkt für die Beteiligung der kreisangehörigen Städte

Die Leitidee Lebenslanges Lernen, das Ziel der Veränderung von Strukturen in den Zwischenräumen bestehender nationaler Bildungssysteme, der Modus der Vermittlung von Wissen an alle Menschen, um diesen die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu ermöglichen, bilden sich bereits im »Aktionsprogramm ›Lebensbegleitendes Lernen für alle‹« (BMBF, 2001) ab. Im Rahmen der europäischen Bildungs- und Beschäftigungsstrategie legen Bund und Länder unter Ko-Finanzierung des Europäischen Sozialfonds (ESF) 2001 das Programm Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken auf. Die umfassende (weiter-)bildungspolitische Initiative zielt auf die Förderung von Regionen, »um die Schaffung der für das lebenslange Lernen notwendigen strukturellen Veränderungen der Rahmenbedingungen für Bildung zu unterstützen« (Tippelt et al., 2008, S. 164). Die Bildungspolitik rekurriert auf den Übergang in die Wissensgesellschaft durch endogene Regionalentwicklung und die Nutzung innovativer Potenziale der Region (Tippelt et al., 2008, S. 164).

Mit der Semantik der »Nachhaltigkeit« und der »Netzwerke« verfolgt die Initiative eine degressiv angelegte Förderpolitik, die auf temporär erweiterte Verfügungsrechte der beteiligten Kommunen und auf »ein starkes Erkenntnisinteresse an den Erfolgsfaktoren von Lernenden Regionen« (Tippelt et al., 2008, S. 165) setzt. Die wissenschaftliche Begleitforschung trägt dieser Anforderung mit der Beschreibung von Good-Practice-Modellen sowie mit der Formulierung von Gelingens- und Misslingensbedingungen Rechnung (Tippelt et al., 2008, S. 165). Darüber hinaus schlägt sie mit dem Abschlussbericht eine Typologie von Netzwerken vor, die für den erfolgreichen Transfer von Modelllösungen auf dem Gelingensfaktor einer gemeinsamen, für alle transparenten Netzwerkidentität basiert. Die Typologie soll bestehenden Netzwerken eine Selbstverortung ermöglichen, »um darauf aufbauend ein adäquates Transfermanagement zu entwickeln und umzusetzen« (Tippelt et al., 2008, S. 167). Damit leistet das Wissenschaftssystem potenziell einen Beitrag zur Erweiterung kommunaler Verfügungsrechte als Ressourcen.

Die Typologie kann auch für die Bestimmung der Ausgangsbedingungen eines BMK im Rahmen des Folgeprogramms Lernen vor Ort nutzbar gemacht werden. Sie beinhaltet eine Organisations- und eine Innovationsdimension. Die Organisationsdimension beschreibt die Beziehungs- und Organisationsdichte der Akteure in Netzwerken sowie »die Intensität der Steuerung des Netzwerks bzw. die Koordination des kollektiven Handelns« zwischen den zwei Polen »zentral« und »dezentral« (Tippelt et al., 2008, S. 169). Die Innovationsdimension unterscheidet zwischen »Prozess- bzw. Struktur-« und »Produktinnovationen« (Tippelt et al., 2008, S. 171). Innovation stellt eine flexible Kategorie zur Erfassung von Neuerungen dar, »die zuvor nicht oder nicht in dieser Form in der Region vorhanden waren« sowie von Angeboten und Leistungen, »die fortlaufend auf sich verändernde Bedürfnisse, Interessen und neue Situationen reagieren« (Tippelt et al., 2008, S. 171). Aus der Kombination der vier Ausprägungen entstehen fünf Idealtypen als musterhafte Realisierungsansätze, die in der sozialen Wirklichkeit »nicht in Reinform vorzufinden sind« (Tippelt et al., 2008, S. 166).

Die Möglichkeit einer ersten Selbstverortung nutzend, lassen sich unter Berücksichtigung der bisher dargestellten Bedingungen für den Kreis Prozess- und Strukturinnovationen als Fluchtpunkt der Aktivitäten vermuten. Im Unterschied zur Entwicklung von konkreten und greifbaren Produkten betreffen diese »Veränderungen der Bildungsinfrastruktur« oder die Entwicklung von grenzüberschreitenden Strukturen wie beispielsweise Kooperationsformen (Tippelt et al., 2008, S. 172). Während Bildungsprodukte die Nutzerinnen und Nutzer von Bildungsangeboten adressieren, richten sich Prozess- und Strukturinnovationen an Zielgruppen, »die selbst Strukturen und Prozesse verändern« (Tippelt et al., 2008, S. 172). Das BMK wendet sich an kreisangehörige Städte und damit an institutionelle Akteure und Organisationen. Die Nachhaltigkeit von Prozess- und Strukturinnovationen ist durch den Kooperationsvertrag mit dem Land im Regionalen Bildungsnetzwerk aufgehoben. Die Regionale Geschäftsstelle als Organisationskern für die regionale Kooperation dient mit verwaltungsorganisatorischen Aufgaben der Unterstützung der Regionalen Bildungskonferenz und des Lenkungskreises und trägt oftmals die Bezeichnung Regionales Bildungsbüro. Mit Lernen vor Ort zeichnet sich die Idee ab, »gerade im Bereich Bildungsberatung auch noch mit […] mehr kommunalen Bildungsbüros irgendwann mal auf[zu]warten« (K14.11:990–991), die öffentlich zugänglich sind. Mit dieser Zielsetzung verschiebt sich der Fokus von Verwaltungseinheiten zu den Adressaten von Bildung: »Wir haben jetzt das Bildungsbüro der Stadt […], aber das ist eben nicht öffentlich zugänglich, also es ist sozusagen eine interne Verwaltungseinheit, aber kein öffentliches für die Bürger und Bürgerinnen, was die direkt nutzen können« (K14.11:995–1000).

Der Gedanke, Bildung öffentlich zugänglich zu machen, findet sich auch in der Praxis, Bildung mittels Produkten zu materialisieren und sowohl für gestaltende als auch nutzende Akteure von Bildungsangeboten bereitzustellen. Über die Materialisierung, Visibilisierung und Tangibilisierung von Bildung hinaus kommt in der Ansprache der Erziehungsberechtigten ein pädagogischer Impetus zum Ausdruck: »Also, wir haben greifbare Produkte, wir machen zum Beispiel gerade in diesem Jahr mehrere Veranstaltungen […] für Eltern, so genannte Elternuniversität, Elternakademie, zum Teil mit deutsch-türkischen Flyern, weil wir ja auch zum Beispiel die türkischen Eltern erreichen wollen« (K14.11:851–862).

Neben dem Aufruf zur Wahrnehmung von Bildungsgelegenheiten nutzen Pionierkommunen den Bring-Modus als Form der Adressierung. Mit einer mobilen Bildungsberatung suchen sie Menschen direkt auf und bringen Bildung zu ihnen. In einer Leuchtturm-Kommune fährt eine Mitarbeiterin des Regionalen Bildungsbüros mit einem Auto in die Stadtteile: »Die hat jetzt mit einem Stadtteil angefangen und hat dann auch bestimmte Zeiten, wo sie dann da ist […] und macht dann eben gezielt Bildungsberatung vor Ort« (K14.11:1319–1327). Die Idee, den Zugang zu Bildung »niedrigschwellig« zu gestalten und die Angebote da hinzubringen, »wo sie gebraucht werden« (K14.11:1338–1339), erweist sich als Modellkonzept für den Transfer in weitere kreisangehörige Städte: »Und das finde ich eine ganz hervorragende Idee, also, ich glaube, dass das wirklich ausbaufähig ist« (K14.11:1331–1332).

Neben der mobilen Werbung für Bildung innerhalb einer Stadt mittels eines kleinen Wagens, »der dann natürlich auch ganz voll ist mit Reklame« (K14.11:1342–1343), zeichnet sich das biographische Kapital einer Leuchtturm-Kommune durch einen räumlichen Potenzialfaktor für Bildung aus. In einem Stadtteil, »wo sonst nicht mehr allzu viel ist«, erfüllt eine umgebaute Grundschule »eine ganz wichtige Stadtteilfunktion«, die »weit über Bildung hinausgeht«, weil sie »eigentlich auch noch den Stadtteil […] vernetzt: Da kommen also ganz viele Menschen hin, auch wirklich die Lust haben sich zu beteiligen, die sich zum Teil ehrenamtlich einbringen« (K14.11:897–906). Der Kreis verfügt bereits über mobile und stationäre Strukturen zur Gestaltung der Leistungsprogrammpolitik und erkennt das Potenzial einer Leistungsvariation durch das Ausdehnen eines erfolgreichen Serviceangebots in weitere kreisangehörige Städte.

Weitere Elemente eines operativen Bildungsmarketings stellen Modellkonzepte zur Gestaltung von Übergängen im Elementarbereich und an der ersten Schwelle dar. Für »alle Eltern, deren Kind in die Kita kommt« (K14.11:931–932), gibt es in einer Leuchtturmkommune eine Bildungsvereinbarung. Diese orientiert sich am Kinderbildungsgesetz (KiBiz)Footnote 36 sowie an der Bildungsvereinbarung des Landes (Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen [MKFFI], 2015) und konkretisiert unter ausdrücklicher »Anerkennung der Prinzipien der Trägerpluralität und der Trägerautonomie« (MKFFI, 2015, S. 1) die Verständigung über die Bildungsgrundsätze, die sprachliche Bildung und Förderung, fachliche Diskurse sowie »Fragen der Evaluation und Weiterentwicklung der Bildungsarbeit im Elementarbereich« (MKFFI, 2015, S. 2).

Neben diesen greifbaren Produkten mit dem Potenzial zur Leistungsvariation besteht in einer der vier »Power«-Kommunen« (K12.11:323) ein Leuchtturmprojekt im Bereich der Übergangsgestaltung von der Ausbildung in den Beruf, das »die Stadt kreisweit, also erst mal gesamtstädtisch vernetzt, aber dann eben gleichzeitig als Modellprojekt dienen soll, wie man den frühkindlichen Bereich […] besser vernetzt, besser organisiert« (K14.11:954–961). Insofern ein bestehendes Leuchtturmprojekt als Modellprojekt dienen soll, wird es zum Grenzobjekt, das durch Einbeziehen der unterschiedlichen Bedarfe vor Ort Variationen erfährt: »Innerhalb unseres Projekts hat die Kollegin auch in einer Entwicklungswerkstatt zum Übergang Schule und Beruf dieses […] Modell denen da jetzt mal vorgestellt. […]. Man muss es natürlich immer lokal anpassen, das ist vollkommen klar« (K14.11:724–732).

Der Kreis tendiert zu dezentral organisierten Kommunikationsstrukturen. Zwar besteht mit der antizipierten Überführung des BMK in die Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks »eine übergreifende Zielsetzung« (Tippelt et al., 2008, S. 170), eine über die vier Pionierkommunen hinausgehende Identifikation mit diesem Vorhaben ist aber erst noch zu leisten. Tippelt und Mitarbeitende identifizieren für dezentrale Organisationformen die Idealtypen »Produktwerkstatt« und »Strukturentwickler« (Tippelt et al., 2008, S. 172–177), deren Charakteristika die Identifikation förderlicher und hinderlicher Bedingungen für ein Bildungsmarketing im Kreis inspirieren. Der Typus »Produktwerkstatt« beschreibt tendenziell dezentrale und produktorientierte Netzwerke, die dem Motto folgen: »Wir entwickeln und verbreiten Bildungsprodukte« (Tippelt et al., 2008, S. 176). Produkte werden einerseits von einer großen Anzahl von Partnern an vielen Projektstandorten in Subnetzwerken entwickelt und umgesetzt, andererseits beschränken sich Produkte des Gesamtnetzwerks auf einige wenige Angebote (Tippelt et al., 2008, S. 176). Daraus erwächst die grundlegende Herausforderung, »trotz der dezentralen Aktivitäten einen übergreifenden Zusammenhalt im Netzwerk herzustellen« (Tippelt et al., 2008, S. 176). Als Steuerungsmechanismen sind Beobachtungs- und Beeinflussungskonstellationen von Bedeutung (Tippelt et al., 2008, S. 176). Potenziale für Innovationen gründen in der regionalen Breitenwirkung, die mittels umfangreicher Angebote mit direkter »Einwirkungsmöglichkeit auf die Förderung lebenslangen Lernens« (Tippelt et al., 2008, S. 176) erreicht werden kann sowie in der Produktvermarktung.

Der Typus »Strukturentwickler« beschreibt tendenziell dezentrale und strukturorientierte Netzwerke, die dem Motto folgen: »Wir konzipieren Bildungsinfrastrukturen neu« (Tippelt et al., 2008, S. 174). Aktivitäten wie beispielsweise die »Dokumentation von Bildungsangeboten« oder »die gemeinsame Organisation von Fachveranstaltungen und kooperative Öffentlichkeitsarbeit« (Tippelt et al., 2008, S. 174) gehen von einer mittleren Anzahl von Partnern aus, die eine zahlenmäßig begrenzte Zielgruppe institutioneller Akteure adressieren (Tippelt et al., 2008, S. 175). Daraus erwachsen gleichermaßen Potenziale und Herausforderungen, eine »ermöglichende Vorstufe« (Tippelt et al., 2008, S. 175) für direkte Bildungsdienstleistungen vermarkten zu müssen. Als Steuerungsmechanismen sind Beobachtungs- und Beeinflussungskonstellationen von Bedeutung (Tippelt et al., 2008, S. 174–175). Eine erste Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten und -grenzen in Bezug auf eine kreisweite Formalisierung von Abläufen lässt intervenierende Bedingungen für ein kreisweites Bildungsmarketing zwischen einer Orientierung am Typ »Produktwerkstatt« und am Typ »Strukturentwickler« vermuten.

5.1.2 Commitment: Öffentliche Zugänglichkeit von Bildungsberatung

Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende im Kreis binden sich nicht nur an den Anspruch, das Regionale Bildungsbüro für Bürgerinnen und Bürger öffentlich zugänglich zu machen, sondern auch an den Transferanspruch des Programms. Damit schieben sich kreisangehörige Städte als institutionelle Akteure und Zielgruppe vor die unmittelbare und direkte pädagogische Arbeit am Menschen. Eine Verlagerung des bereits bestehenden Typus ›Produktwerkstatt‹ hin zum Typus ›Strukturentwickler‹ zeichnet sich bereits in der Anfangsphase ab: »Und bei der Erwartung, dass wir jetzt was für den Transfer tun müssen, da müssen wir die kleinen [Städte] mitnehmen« (K12.11:325–326). Das Mitnehmenwollen legt die Beteiligung kreisangehöriger Städte nahe sowie ein Umschwenken von einer bereits bestehenden, personennahen Produktorientierung auf mittelbare »Personveränderung« (Stichweh, 1992) durch den Aufbau von Bildungsinfrastrukturen.

Diese Verlagerung auf eine mittelbare Adressierung von Bürgerinnen und Bürgern und direkte Ansprache der kreisangehörigen Städte im Modus einer Bring-Struktur von Bildungsdienstleistungen berührt Fragen der Distributionspolitik im Rahmen des operativen Marketings. Im klassischen Marketing-Mix verbinden sich damit »alle Entscheidungen und Maßnahmen, die sich darauf beziehen, wie ein Produkt an den Endabnehmer übermittelt wird« (Böttcher, Hogrebe & Neuhaus, 2010a, S. 115). Beratungsformen im Rahmen von Lernen vor Ort haben wie alle Bildungsdienstleistungen die Besonderheit, dass sie aufgrund ihrer Immaterialität »nicht wie ein Sachgut lager- und transportierbar« (Böttcher et al., 2010a, S. 115) sind. Leistungen vollziehen sich in Zusammenarbeit, was ein »möglichst problemloses und unkompliziertes Zusammenkommen beider Seiten« (Böttcher et al., 2010a, S. 116) in den Mittelpunkt der Überlegungen rückt.

Im Kreis kennzeichnet sich dieses Zusammenkommen als Versuch, regionale Kooperation mittels Programmwellen zu verstetigen, lokale Verantwortlichkeiten auszudehnen, Kommunen für eine Bereitstellungs-, Ausdehnungs- und Bemächtigungslogik zu öffnen sowie Entscheidungen auf datengestützte Befunde zu stützen. Die Beeinflussungskonstellation mit einem Kern von vier Pionierkommunen und peripheren kreisangehörigen Städten zwingt ein aufsuchendes Vorgehen auf sowie direktive Formen der Adressierung, um Bildungsdienstleistungen mit kreisangehörigen Städten zu entwickeln. Das BMK nimmt seine Arbeit auf der Basis bestehender umfangreicher Bildungsprodukte auf und bewegt sich mit Ideen zu deren Distribuierung bereits auf der Ebene des operativen Bildungsmarketings. Intervenierende Bedingungen stellen Potenziale und Restriktionen der Beeinflussungs-Konstellation dar, in der die Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen Verfügungsrechte als Ressourcen verstehen, die sie gleichsam normativ wenden müssen, um sie in den Interessenhorizont peripherer Kommunen zu rücken. Der Kooperationsvertrag mit dem Land entlastet die beteiligten Kommunen von der Aufgabe, »die grobe Stoßrichtung sämtlicher Marketingaktivitäten« (Böttcher et al., 2010a, S. 51) sowie zeitaufwändige Entscheidungstatbestände zu grundlegenden strategischen Fragen des Bildungsmarketings erst auszuhandeln. Der Kooperationsvertrag stellt – wiewohl nicht expressis verbis – »eine Vielzahl vorbereitender Aufgaben und Aktivitäten« zur Verfügung, die der »Entwicklung von Marketingstrategien zur Erreichung eines dauerhaften Wettbewerbsvorteils« (Böttcher et al., 2010a, S. 95) vorauslaufen.

Dies kann mit einer so genannten SWOT-AnalyseFootnote 37 dargestellt werden. Ein Strukturierungs- und Denkmodell untersucht die internen Ressourcen als Stärken und Schwächen sowie die externen Bedingungen als Chancen und Risiken (Böttcher et al., 2010a, S. 57). In einem erweiterten Modell können Chancen und Risiken mit korrespondierenden Stärken und Schwächen in Verbindung und sichtbar gemacht werden (Böttcher, Hogrebe & Neuhaus, 2010b, S. 8–12). Diesem Vorgehen folgend, entsteht für den Kreis auf der Basis der Mustervorlage zu einem Kooperationsvertrag zur Weiterentwicklung oder Entwicklung eines Bildungsnetzwerks folgendes Bild (vgl. Abbildung 7.8).

Abbildung 7.8
figure 8

SWOT-Matrix für den Kreis auf der Basis der Leitidee  Regionale Bildungsnetzwerke (Eigene Darstellung)

Stärken und Chancen: Bildung vermittelt die Kooperation zwischen Land und Kommunen: Der Kooperationsvertrag zwischen dem Land und den Gebietskörperschaften des Kreises und der kreisfreien Stadt stellt eine aktive Form des Wettbewerbsverhaltens und damit eine Ressource dar (Böttcher et al., 2010a, S. 92). Mit dieser internen Stärke korrespondiert die externe Chance, Beiträge des Bildungswesens zur Stärkung von Marktteilnehmerstrategien abzuschöpfen. Eingefordert werden »die notwendigen Kompetenzen, um im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Bereich bestehen zu können« (MSB, o. J., S. 2).

Schwächen und Chancen: Bildungspartnerschaften gegen fehlende horizontale und vertikale Vernetzung: Das Ministerium für Schule und Weiterbildung diagnostiziert bisher nicht ausgeschöpfte Potenziale in Bezug auf interne Ressourcen. Die Kooperation zwischen Schulen sowie zwischen Schulen und »anderen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen wie Wirtschaft, Arbeitsverwaltung, Jugendhilfe, Kultureinrichtungen usw.« (MSB, o. J., S. 2) zielt auf die Sicherstellung einer noch ausbaufähigen breiten und differenzierten Infrastruktur (MSB, o. J., S. 2). Die Anmahnung einer besseren »Abstimmung der verschiedenen Stufen des Bildungswesens untereinander«, lenkt das Augenmerk auf die Übergänge »der Lernenden zu weiteren Lernprozessen« (MSB, o. J., S. 3). Bemerkenswert ist die Positivformulierung behaupteter Schwachstellen, die ihren Ausdruck in einer Optimierungs- und Ausdehnungssemantik in Bezug auf institutionalisierte, offene und informelle Formen des Lernens finden. Mit der Gefahr fehlender horizontaler und vertikaler Vernetzung korrespondiert die Problemlösung, Bürgerinnen und Bürgern »die notwendige Unterstützung durch alle Bildungspartner erfahren« (MSB, o. J., S. 2) zu lassen. Die Vernetzung der Bildungspartner setzt auf »Entwicklungschancen«, auf die Befähigung zur Lebensgestaltung und auf die Beteiligung »an gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen« (MSB, o. J., S. 2).

Stärken und Risiken: Ressourcen für ein strategisches Bildungsmarketing nach der Leitidee der Regionalen Bildungsnetzwerke: Das Konzept der Regionalen Bildungsnetzwerke stellt den beteiligten Kommunen ein umfassendes strategisches Bildungsmarketing zur Verfügung, das neben der Situationsanalyse eine Zielformulierung und langfristige Marketingplanung sowie Marketingstrategien beinhaltet. Zu den übergeordneten Zielen zählen die Mission, die Philosophie, das Leitbild und die Identität des Netzwerks als spezifische Organisationsform (Böttcher et al., 2010a, S. 50). Die Mission findet im Ziel der staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft (Deutscher Städtetag, 2007) ihren Ausdruck und konkretisiert sich in der Philosophie, die »Vernetzung der schulischen und außerschulischen Institutionen und Partner« (MSB, o. J., S. 8) mit Blick auf die Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern sicherzustellen. Mission und Philosophie begründen das »Leitbild des Engagements der Städte […], die kommunale Bildungslandschaft im Sinne eines vernetzten Systems von Erziehung, Bildung und Betreuung« (MSB, o. J., S. 7) zu gestalten. Schließlich baut auf dem Leitbild, der Philosophie und der Mission die Identität auf, mit der ein Netzwerk zum Ausdruck bringt, wie es sich selbst sieht und wie es von seinen »internen und externen Anspruchsgruppen« (Böttcher et al., 2010a, S. 61) wahrgenommen werden möchte.

Für die Kommunen innerhalb der Regionalen Bildungsnetzwerke bestehen unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten des Verhältnisses zwischen internen und externen Anspruchsgruppen, was die Vielfalt an Beziehungsformen begründet. Die übergeordneten Ziele fundieren die konkreten Handlungsziele, welche die Organisation, die externen Anspruchsgruppen und die Mitarbeitenden betreffen. Der Kooperationsvertrag legt ein Bildungsnetzwerk »grundsätzlich auf eine langfristige Zusammenarbeit ohne zeitliche Begrenzung« (MSB, o. J., S. 4) an. Handlungsziele richten sich mit einer bestmöglichen individuellen Förderung an Kinder und Jugendliche, mit einem angemessenen Beratungs- und Unterstützungssystem an Schulen und mit einer Intensivierung des Informationsaustauschs, der Planung und der Abstimmung zwischen Bildungsbereichen an potenziell alle Bildungsakteure (MSB, o. J., S. 3).

Kooperationspartner einer gemeinsamen Verantwortung adressiert die Kooperationsvereinbarung mit der Zusicherung, dass die »Struktur der staatlichen Schulaufsicht und die Struktur der kommunalen Selbstverwaltung« (MSB, o. J., S. 3) unberührt bleiben. Die langfristige Marketingplanung legt eine räumliche Abgrenzung auf Kreise und kreisfreie Städte fest. Die aufgeführten Handlungsfelder lassen eine sachliche Abgrenzung erkennen, die den Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche als Nachfrager legen. Sie bilden die Zielgruppe, für die Leistungen erbracht werden. Im Zentrum stehen die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler, deren Integration, Sprachförderung, Beratung und Unterstützung (MSB, o. J., S. 5–6). Der Netzwerkbegriff steht für die leistungsbezogene Problemlösung der Koordination einer umfassenden, durch viele Bildungspartner bereitgestellte Infrastruktur.

Der Kooperationsvertrag stellt schließlich auch Marketingstrategien bereit, die das Bindeglied zwischen den Marketingzielen und des operativen Marketing-Mix bilden (Böttcher et al., 2010a, S. 73). Zu den Strategieoptionen zählen so genannte Geschäftsfeldstrategien mit vier Strategieoptionen: Die Marktfeldstrategie legt die strategische Stoßrichtung fest. Der Kooperationsvertrag zwischen dem Land und einer Gebietskörperschaft setzt auf die Entwicklung innovativer Leistungen in Zusammenarbeit mit den Kommunen sowie auf deren Diversifikation. Wettbewerbsvorteilsstrategien zielen auf den Aufbau einer Vorteilsposition durch die wahrnehmbare Darstellung der Überlegenheit einer Leistung (Wahrnehmbarkeit), die Leistungsnehmerinnen und Leistungsnehmer entsprechend bewerten (Bedeutsamkeit) und die langfristig die Leistungen der Konkurrenten überragen (Dauerhaftigkeit) (Böttcher et al., 2010a, S. 78–79). Der Kooperationsvertrag legt die Schaffung von Qualitätsvorteilen nahe. Die »Entwicklung, Erprobung und Evaluation gemeinsamer und aufeinander abgestimmter Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung« (MSB, o. J., S. 4) bildet eines von fünf Prinzipien der Zusammenarbeit der Kooperationspartner. Ein »Qualitätstableau für die Qualitätsanalyse an Schulen in Nordrhein-Westfalen« (MSW, 2006), das sich am »Referenzrahmen Schulqualität NRW« (MSB, 2020) orientiert, stellt Analysekriterien in den Bereichen Lehren und Lernen, Schulkultur sowie Führung und Management bereit. Regionale Bildungsnetzwerke bewegen sich aufgrund des öffentlichen Charakters von Bildung innerhalb einer Gesamtmarktstrategie des Staats, können sich also nicht auf »besonders profitable Marktbereiche« (Böttcher et al., 2010a, S. 83) zurückziehen. Schließlich haben Kommunen Spielräume in Bezug auf Timing-Strategien und können Entscheidungen treffen, ob und wann sie sich am Bildungsnetzwerk beteiligen. Der Kreis zählt zu den Pionieren, da er parallel zur Teilnahme an Lernen vor Ort frühFootnote 38 einen Kooperationsvertrag mit dem Land eingeht.

Neben Geschäftsfeldstrategien zeichnet die Kooperationsvereinbarung auch Marktteilnehmerstrategien vor, die das Verhalten gegenüber den wichtigsten Anspruchsgruppen regeln (Böttcher et al., 2010a, S. 85). Da sich Regionale Bildungsnetzwerke durch die Kooperation einer Vielzahl institutioneller Akteure konstituieren, bedarf es einer differenzierten Marktbearbeitung mit zielgruppenspezifischen Marketinginstrumenten (Böttcher et al., 2010a, S. 85). Darüber hinaus macht die Ausrichtung der Kooperation auf Kinder und Jugendliche einen gezielten Zuschnitt auf diese durch eine konzentrierte Marktbearbeitung notwendig (Böttcher et al., 2010a, S. 86). Bildungspartner können im Rahmen der Regionalen Bildungsnetzwerke durchaus als Marktteilnehmer gelesen werden, die in Konkurrenz um einen potenziellen Nachfragemarkt stehen. Diese Konkurrenz gilt es im Rahmen eines BMK zu steuern.

Regionale Bildungsnetzwerke setzen auf Kooperation. Eine Typologisierung aktiven Wettbewerbsverhaltens kennzeichnet Kooperation als wettbewerbsstellende und imitative Verhaltensdimension (Böttcher et al., 2010a, S. 90). Im Gegensatz zu innovativem Verhalten, das unkonventionell und bewusst kontrastierende Positionen zu Konkurrenten sucht, orientiert sich imitatives Verhalten eher an bewährten Standards und strebt nicht nach Risikobereitschaft (Böttcher et al., 2010a, S. 90). Die strategische Ausrichtung der Kooperationsvereinbarung ermutigt zwar auch zur »Entwicklung innovativer und nachhaltiger Förder- und Bildungskonzepte in der Region« (MSB, o. J., S. 3). Ein Aufruf zu einer offensiven oder gar aggressiven Konfliktstrategie, die Konkurrenten schwächt und verdrängt, ist damit aber nicht verbunden. Dominant sind Strategien, die auf die Beziehungsgestaltung zu netzwerkinternen und -externen Anspruchsgruppen zielen, dies immer mit dem Ziel der Bereitstellung einer umfassenden Infrastruktur für die eigentliche Nachfragegruppe der Kinder und Jugendlichen. Den mit der Kooperationsvereinbarung bereitgestellten umfassenden Komponenten eines strategischen Bildungsmarketings steht die Limitierung gegenüber, dass Leistungen der Vertragsparteien »im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben« (MSB, o. J., S. 9) zu erbringen sind.

Schwächen und Risiken: Gefährdung sozialer Gerechtigkeit durch fehlende Veränderung und Verbesserung: Den Worst Case berücksichtigt eine SWOT-Analyse mit der Kombination von Schwächen und Risiken, dem das Konzept Regionale Bildungsnetzwerke mit einem Arsenal an Gegenmaßnahmen zu antizipierten desintegrativen Entwicklungen entgegentritt. Die Mission einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft operiert mit einem vorausschauenden und sorgenden Verantwortungsverständnis, nach dem das Zusammentreffen von internen Schwächen und externen Risiken erst gar nicht eintreten soll. Gemeinsam mit den kommunalen SpitzenverbändenFootnote 39 präsentiert des Ministerium für Schule und Weiterbildung acht Felder, die besser zu bestellen sind (MSW, 2015, S. 39–44). Aus dem Appell »Verändern, um zu verbessern« (MSW, 2015, S. 39) lassen sich dysfunktionale Effekte rekonstruieren, die sich ohne ein dauerhaftes Bewusstmachen von Anspruchsgruppen-Interessen einstellen könnten. Das Ringen um Verfügungsrechte zwischen dem ›Principal Land‹ und den ›Agents Kommunen‹ rankt sich in einem Kräftefeld zwischen Schullandschaft und Bildungslandschaft, Doppelstrukturen und Koordination der Kooperation, kommunaler und regionaler Schulentwicklungsplanung und Bildungspolitik, formalisierten und experimentellen Beteiligungsformaten, kontinuierlichen und flexiblen Arbeitsgremien, defensiver und offensiver Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie zwischen Ressourcengenerierung und Ressourcenbündelung. Auf dem Spiel steht – wie es in der Präambel der Kooperationsvereinbarung heißt – die »soziale Gerechtigkeit« (MSB, o. J., S. 2), zu der das Bildungswesen einen Beitrag leistet, insofern es »die Menschen auf die Erfordernisse des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels« vorbereitet und sie dazu mit den »notwendigen Kompetenzen« ausstattet, »um im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Bereich bestehen zu können« (MSB, o. J., S. 2).

Obwohl das Konzept der Regionalen Bildungsnetzwerke die Stoßrichtung eines BMK langfristig sichert und anleitet, bleibt ein strategisches Bildungsmarketing eine Entwicklungsaufgabe, da die Architektur durch Spitzenverbände und Bundesland ›von oben‹ zwar gesetzt, durch die kreisangehörigen Städte ›von unten‹ aber auch an- und aufgenommen sowie ausgestaltet werden will. Förderliche und hinderliche Bedingungen für die Ausweitung des Blicks von einer Schullandschaft hin zu einer Bildungslandschaft liegen darin, dass Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende keine direkten Bildungsleistungen vertreiben können, sondern lediglich das »Leistungsversprechen« (Böttcher et al., 2010a, S. 116), dass Bildungskooperationen zu einem kohärenten und damit zu einem besseren – weil effizienterem und effektiverem – Bildungswesen führen. Erweiterte Verfügungsrechte als Ressourcen sind nur um den Preis der Belehrung und über den Umweg von Verfügungsrechten als Normen zu haben, insofern zunächst die übergeordneten Ziele als Mission und Philosophie transportiert werden müssen. Deren Transformation in ein Leitbild und eine Identität haben kreisangehörige Städte selber zu leisten.

5.2 Ein positiver Bildungsbegriff als Weichensteller für ein strategisches Bildungsmarketing

Ein positiver Bildungsbegriff stellt in der Stadt die Weichen für ein strategisches Bildungsmarketing. Die Projektverantwortlichen nutzen das Programm Lernen vor Ort als Identitätsanker, um die Stadtverwaltung als Bildungsdienstleisterin sichtbar zu präsentieren. Die Aussicht auf eine Bildungsdatenbank als Produktinnovation für Bürgerinnen und Bürger bildet den Ausgangspunkt für die Gestaltung der Kommunikation mit institutionellen Akteuren. Das biographische Kapital mittels Prozess- und Strukturinnovationen zu bündeln, konstituiert die intervenierenden Bedingungen für ein zentral organisiertes Bildungsmarketing. Die Hol-Struktur beruht auf einer Verhandlungskonstellation, in der die Projektleitung Interessenverbände für die Bereitstellung von Informationsstrukturen unmittelbar und potenzielle Nachfrager von Bildungsdienstleistungen mittelbar adressiert. Die Ausrichtung an einer kommunalen Gesamtstrategie für die Neugestaltung der internen und externen Kommunikation der Stadtverwaltung legt eine umfassende Situationsanalyse, die Bestimmung übergeordneter Leit- und konkreter Handlungsziele sowie eine langfristige Marketingplanung und Marketingstrategien nahe.

Das Programm Lernen vor Ort stellt einen Pool an informellen Normen bereit, die das Sollen festlegen und die grobe Stoßrichtung aufzeigen. Die Entwicklungsaufgabe für die Stadt besteht darin, diese Verfügungsrechte als Normen in ein operatives Bildungsmarketing zu überführen. Unter der Bedingung einer degressiven Förderung richtet sich die Kernaktivität zunächst darauf, ein positives Image für die Bildungsstadt aufzubauen. Bildung mittels einer Bildungsdatenbank anfassbar zu machen, steht für einen Bereitstellungsmodus, der die Immaterialität und Intangibilität von Bildungsdienstleistungen berücksichtigt. Der Handlungslogik einer Markenpolitik folgend, verzichtet die Stadt auf einen Vermittlungsanspruch und setzt auf den Aufforderungscharakter, der vom Label Lernen vor Ort für die Nachfrage von Bildungsangeboten ausgeht. Die öffentliche Wahrnehmung von Bildung zielt auf die Bildungsstadt als Identitätsanker und damit auf Dauer gestellte positive Leistungsbeziehungen zwischen Stadtverwaltung, -politik und Bürgerinnen und Bürgern. Die für die Öffentlichkeit weitgehend verborgenen Prozess- und Strukturinnovationen beim Aufbau von Kapazitäten laufen der Arbeit am positiven Image zuwider und kennzeichnen das Spannungsfeld von Verfügungsrechten als Normen und Ressourcen in der Stadt.

5.2.1 Biographisches Kapital: Das Programm als Anziehungspunkt für institutionelle Akteure

Die Stadt setzt auf eine sichtbare Gesamtstruktur der Leistungsangebote, indem sie diese für die Bildungskette von Bürgerinnen und Bürgern erfasst, systematisiert und transparent bereitstellt. Ein mit relevanten Bildungspartnern gemeinsam zu erstellendes Bildungsleitbild und die Konzeptionierung einer Bildungsdatenbank zielen auf die Optimierung der Angebotspolitik. Dieses Kernprodukt soll das biographische Kapital vor Ort sichtbar machen und der Stadtgesellschaft als Wegweiser durch die Bildungslandschaft dienen. Die Innovationsdimension beinhaltet somit »die Entwicklung von konkreten, greifbaren Produkten« (Tippelt et al., 2008, S. 172). Adressaten der Produktinnovation sind damit zwar die »einzelnen Endnutzer in der Bevölkerung« (Tippelt et al., 2008, S. 172), davor schieben sich aber institutionelle Akteure, deren Zusammenarbeit interaktiv zu bearbeiten ist. Das Potenzial für die Nachhaltigkeit von Produkten liegt in Einnahmen aus der Vermarktung und in deren Transfer in andere Kontexte (Tippelt et al., 2008, S. 172). Für die Stadt zeichnen sich darüber hinaus früh überdauernde positive Effekte in Bezug auf die Imagebildung ab, da das Programm Lernen vor Ort an sich ein Leistungsversprechen für den Aufbau einer »Corporate Identity« (Böttcher et al., 2010a, S. 61) darstellt. Mit der Teilnahme am Programm attrahiert die Stadt zunächst viele institutionelle Akteure, die eine Gelegenheit sehen, sich und ihre Leistungen zu präsentieren, um Teil der neuen »Unternehmensidentität« (Böttcher et al., 2010a, S. 61) zu werden. Bereits in der Vorbereitungsphase weckt das Programm die Aufmerksamkeit einer Hochschule: »Ich habe einen interessanten Seminarinhalt für meine Studierenden im Bachelor Sozialarbeit gesucht und dachte, bevor ich ein Planspiel erstelle, schaue ich lieber mal, was so in der Stadt los ist« (S10.11:12–14). Um das Seminarthema praxisnah zu gestalten, klärt die Dozentin die Frage ab, ob die »Studierenden innerhalb des Projekts etwas Reales machen können und somit auch der Bezug zur Stadt gestärkt wird« (S10.11:22–24). Indem die Hochschule den Schwerpunkt des Seminars auf die politischen Bedingungen sozialer Arbeit legt und die Beteiligung der Studierenden am Programm anbietet, bekundet sie die Identifikation mit der Leitidee eines kohärenten Bildungswesens. Zugleich transformiert sie diese auf die Ebene von jungen Bürgerinnen und Bürger, die sich die städtische Bildungslandschaft im Rahmen ihres Studiums mit Praktiken der Berufs- und Wissenschaftspraxis erschließen. Der Adressatenkreis erweitert sich auf diese Weise um Akteure, die dazu beitragen werden, »die Informationsstruktur der Bildungslandschaft zu verbessern« (S04.11:85–86). Das Programm entwickelt einen Aufforderungscharakter für Bildungspartner, die Kommunikation mit der Stadtverwaltung zu suchen. Das symbolische Kapital des Programms unterstützt eine »Corporate Communication« (Böttcher et al., 2010a, S. 63) die von einer Anspruchsgruppe aus- und die auf das Zentrum der Organisation zugeht. Noch bevor das KBM die Gestaltung der externen Kommunikation aufnimmt, erweist sich Lernen vor Ort als Grenzobjekt für eine übergreifende Netzwerkidentität.

Die Stadt tendiert zu zentral organisierten Kommunikationsstrukturen. Die Bedingungen, mit Lernen vor Ort eine Verwaltungsrestrukturierung zu unterstützen, Bildungsfragen durch ein neues Verwaltungsressort zu koordinieren und damit die Verfügungsrechte der Stadtverwaltung auszubauen, legen eine hohe formale Organisation mit einem »starken zentralen Knotenpunkt« (Tippelt et al., 2008, S. 170) nahe. Wechselseitiges Verhandeln zwischen der hierarchisch strukturierten Stadtverwaltung und externen Partnern konstituiert die Kommunikation bereits in der Phase der Antragstellung, an der sich nur zwei ausgewählte Bildungsinstitutionen beteiligen. Obwohl mit dem impliziten Leitbild der Bürgerkommune eine breite Einbindung der Zivilgesellschaft und eine Einbindung der Interessenverbände angelegt ist, geht die Führungs- und Steuerungsfunktion klar von der Stadtverwaltung aus.

Noch bevor die Stadt die Arbeit an einem Leitbild aufnimmt, besteht durch das Programm ein gemeinsames Selbstverständnis, sich mit einer Gesamtschau von Leistungsangeboten zu präsentieren. Tippelt und Mitarbeitende identifizieren für zentrale Organisationsformen die Idealtypen »Initiator« und »Regionalentwickler« (2008, S. 172–177), deren Charakteristika die Identifikation förderlicher und hinderlicher Bedingungen für ein Bildungsmarketing der Stadt inspirieren. Der Typus »Initiator« beschreibt tendenziell zentrale und produktorientierte Netzwerke, die dem Motto folgen: »Wir stoßen neue Produkte und Dienstleistungen an – wir bringen neue Ideen in die Region« (Tippelt et al., 2008, S. 175). Die Anzahl gestaltender Bildungspartner ist begrenzt, dominant sind Mehrheitsentscheidungen in Verhandlungskonstellationen (Tippelt et al., 2008, S. 175). Das Netzwerkmanagement versteht sich als Impulsgeber für die Entwicklung von Bildungsdienstleistungen, markiert damit aber auch ein organisatorisches Selbstverständnis, das Produktinnovationen überwiegend von einem Zentrum aus »für eine große Anzahl von Menschen in der Region« (Tippelt et al., 2008, S. 176) bereitstellt. Aus der Leistungserbringung ergeben sich tendenziell selten oder geringe Einnahmen (Tippelt et al., 2008, S. 176). Der Typus »Regionalentwickler« beschreibt tendenziell zentrale und strukturinnovative Netzwerke, die dem Motto folgen: »Wir sind ein neuer Akteur in der Kommune – wir tragen aktiv zur Regionalentwicklung bei« (Tippelt et al., 2008, S. 173). Ein initiatives Netzwerkmanagement bindet eine größere Anzahl regionaler Akteure ein, die sich an der »Entwicklung einer regionalen Gesamtstrategie« (Tippelt et al., 2008, S. 174) beteiligen. Foren für die Beteiligung institutioneller Akteure wie »kommunale Akteure, Wirtschaftsvertreter, Bildungseinrichtungen oder Vereine« (Tippelt et al., 2008, S. 173) rahmen Beeinflussungs- und/oder Verhandlungskonstellationen für die »Leitbildentwicklung« oder »Erstellung von Expertisen und Bestandsaufnahmen« (Tippelt et al., 2008, S. 174). Die geringe Anzahl von Produkten, die »ein mittleres Maß an Akteuren erreichen«, macht »nur begrenzte Einnahmen durch deren Vermarktung« (Tippelt et al., 2008, S. 174) erwartbar. Eine erste Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten und -grenzen in Bezug auf eine Formalisierung von Abläufen lässt intervenierende Bedingungen für ein Stadt-Marketing zwischen einer Orientierung am Typ »Initiator« und »Regionalentwickler« vermuten.

5.2.2 Commitment: Bereitstellen von Informationsstrukturen

Das KBM richtet seine Kommunikationspolitik intern an Mitgliedern der Stadtverwaltung und extern an Interessenverbänden aus. Bürgerinnen und Bürger nimmt es als mittelbare Adressaten in den Blick, insofern es Leistungsangebote sichtbar machen will. Das Bereitstellen von Informationsstrukturen mittels einer Bildungsdatenbank materialisiert Bildung und verringert Zugangsbarrieren potenziell. Bemühungen, das Zeigen und Lernen zu koordinieren (Prange, 2012a, S. 107–135), das heißt, über die Selbstorganisationszumutung (Kade, 1997, S. 60–61) hinaus Lernprozesse auf der Basis der Informationsstrukturen anzuregen, sind nicht erkennbar. Dies macht Versuche der unmittelbaren Personveränderung unwahrscheinlich.

Die Bereitstellungsstruktur der Bildungsdienstleistungen rahmt potenzielle Lerngelegenheiten mit einer Hol-Struktur. Diese beschreibt den Kommunikations-Modus der Stadt, die Bildungsangebote institutioneller Akteure für die Bildungsdatenbank einholt und koordiniert. Da Lernen vor Ort eine Gelegenheitsstruktur für eine neue kommunale Gesamtstrategie darstellt, ist die allgemeine Stoßrichtung zu Fragen, wie Struktureinheiten zusammengeführt, lokale Verantwortlichkeiten gebündelt, Beteiligung organisiert und das biographische Kapital der Stadt aufbereitet werden sollen, erst noch auszuhandeln. Die Verhandlungskonstellation zwischen der Kommunalpolitik und Interessenverbänden, die sich über die Anbindung an das Macht- und Organisationszentrum der Stadtverwaltung für die Stadtgesellschaft präsentieren wollen, zwingt die Suche nach Interessenkonsensen auf, um Bildungsdienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln. Das KBM nimmt seine Arbeit mit dem Ziel auf, Bildungsdienstleistungen zu erstellen.

Das Programm Lernen vor Ort stellt dabei Verfügungsrechte als Normen im »zweistufigen Produktionsprozess« bereit, bei dem der Aufbau von »Kapazitäten« die so genannte »Vorkombination« (Böttcher et al., 2010a, S. 41) darstellt. Erst in Verbindung mit der »Endkombination«, das heißt durch den »Einbezug des Nachfragers« (Böttcher et al., 2010a, S. 41), entsteht die eigentliche Leistung. Das Uno-actu-Prinzip besagt, dass Vor- und Endkombination zeitlich zusammenfallen, wodurch die eigentliche Leistung weder lager- noch transportfähig, häufig nicht sicht- oder wahrnehmbar und eine Produktion auf Vorrat unmöglich ist (Böttcher et al., 2010a, S. 41). Die Stadt steht ganz am Anfang des Marketing-Prozesses und vor der Notwendigkeit, eine permanente Leistungsfähigkeit erst zu initiieren. Mit der Teilnahme an Lernen vor Ort fällt der Entscheid, auf die Potenzialdimension von Bildungsdienstleistungen zu setzen. Grundlegende Entscheidungstatbestände wie die interne und externe Analyse, die Festlegung übergeordneter Ziele sowie eine langfristige Marketingplanung eines strategischen Managements sind damit gemeinsam mit relevanten Anspruchsgruppen aber erst zu treffen und innerhalb der Projektlaufzeit auch bearbeitbar. Als langfristige Entwicklungsaufgabe zeichnen sich Aktivitäten im Bereich des operativen Marketings ab. Das Erfordernis, die eigentlichen Zielgruppen von Bildungsdienstleistungen in den Prozess der Leistungserstellung zu integrieren, tritt zwar zeitlich mit Überlegungen zum Aufbau von Kapazitäten auf, bedarf aber umfassender Marketingaktivitäten, denen strategische Fragen zeitlich vorgelagert sind.

Damit rücken Fragen zum Marketing-Mix sowie der Implementierung und Kontrolle als Anforderungen des operativen Marketing-Prozesses zunächst in den Hintergrund. Das Programm Lernen vor Ort bietet mit der Zielvorgabe, »ein ganzheitliches, kohärentes Management für das Lernen im Lebenslauf zu entwickeln und umzusetzen« (BMBF, 2008a, S. 4), zwar eine grobe Stoßrichtung der Aktivitäten an. Da sich die Stadt ausdrücklich an den Programmvorgaben orientiert, um die Beziehungsstrukturen zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerinnen und Bürgern zu innovieren, wird sie Passungsleistungen zwischen eigenen Relevanzsetzungen und den Vorgaben des Programms erbringen müssen. Intervenierende Bedingungen stellen Potenziale und Restriktionen der Verhandlungs-Konstellation dar, in der die Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen Verfügungsrechte als Normen zu Verfügungsrechten als Ressourcen transformieren. Letztere konzentrieren sich weniger auf die Nachfrage und Vermittlung von Bildungsdienstleistungen als vielmehr auf den Aufbau von Kapazitäten und damit zusammenhängende Entscheide.

6 Handlungsrationalität des kommunalen Bildungsmanagements

Die Fragestellungen der Studie sollen mit Blick auf die Bedingungen nun bilanziert werden. Diese Handlungsrationalität bezieht sich auf die Arbeitsphase Rahmenbedingungen  klären sowie auf die Aufgabenkomplexe Kernaktivitäten herstellen und Handlungslogiken antizipieren. Die Typen grenzüberschreitender Professionalität seien nachfolgend nochmals aufgeführt:

  • Sozialintegration (Typ 1): Strategien orientieren sich am unmittelbaren People-Processing. Bereichsübergreifende Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen kommt nicht in den Blick.

  • Systemintegration (Typ 2): Strategien orientieren sich an bereichsübergreifender Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen. Unmittelbares People-Processing kommt nicht in den Blick.

  • Sozialintegration entwickelt systemintegratives Potenzial (Typ 3): Strategien orientieren sich am unmittelbaren People-Processing. Bereichsübergreifende Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen kommt in den Blick.

  • Systemintegration entwickelt sozialintegratives Potenzial (Typ 4): Strategien orientieren sich an bereichsübergreifender Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen. Unmittelbares People-Processing kommt in den Blick.

  • Sozialintegration entwickelt systemintegratives Gefährdungspotenzial (Typ 5):

  • Strategien vermitteln in Hegemonie- und Domänenspielen, bei denen bereichsübergreifende Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen beeinträchtigt werden könnte.

  • Systemintegration entwickelt sozialintegratives Gefährdungspotenzial (Typ 6): Strategien vermitteln in Hegemonie- und Domänenspielen, bei denen unmittelbares People-Processing beeinträchtigt werden könnte.

Die Typen 1 und 2 ordne ich schwacher, die Typen 3 und 4 mittlerer Intensität grenzüberschreitender Professionalität zu. Die Typen starker Intensität 5 und 6 zeigen sich in den Spannungslagen, die ich in den folgenden Kapiteln darstelle. Zunächst gehe ich auf die grenzüberschreitende Professionalität der Kernaktivitäten, danach auf jene der Handlungslogiken entlang der Arenen unter Berücksichtigung der Interpenetrationsfelder ein. Eine Gesamtübersicht der Bedingungen und Handlungsrationalität, unter der das BMK und KBM gesellschaftliche Integration bearbeiten, schließt das Kapitel ab.

6.1 Grenzüberschreitende Professionalität der Kernaktivitäten

Das BMK richtet seine Kernaktivitäten auf die regionale Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen aus. Der Kooperationsvertrag zur Mitgestaltung der Regionalen Bildungsnetzwerke legt eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Land und zugleich die strategische Ausrichtung der Aktivitäten fest. Die Teilnahme an Lernen vor Ort gewährleistet eine temporäre Stärkung der Personalressourcen, die sich mit der Abordnung von Bereichskoordinatorinnen in die Kreisverwaltung und in die Kommunalverwaltungen der Pionierkommunen begrenzt in die Fläche verteilen. Die Leitidee einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft überlagert sich mit der Leitidee eines kohärenten Bildungswesens und konkretisiert sich mit der Zielsetzung, kreisweit ein gemeinsames Verständnis für Bildungskooperationen im Übergang von der Kita in die Grundschule zu entwickeln. Für diese Prozess- und Strukturinnovation setzt das BMK auf die Entwicklung datenbasierter Entscheide. Die Ausdehnungslogik fordert die interne Klärung der Projektziele heraus, bevor diese an die kreisangehörigen Städte herangetragen werden können. Ein konsistentes Erscheinungsbild des BMK ist durch den komplexen Abstimmungsbedarf zwischen einer Vielzahl von Akteuren und deren Rationalitäten voraussetzungsreich.

Das KBM richtet seine Kernaktivitäten auf die Übernahme von Bildungsdienstleistungen in die Stadtverwaltung aus. Dauerhafte Strukturen für deren Organisation stellt es mit einem neuen Bildungsressort von Beginn an auf Dauer. Die Teilnahme an Lernen vor Ort gewährleistet eine Erhöhung der Kapazitäten, um die Verwaltungsrestrukturierung inhaltlich zu inspirieren. Die zentrale Verortung markiert den kommunalpolitischen Steuerungsanspruch bei der Binnenmodernisierung. Die gemeinsame Antragstellung mit zwei Bildungsinstitutionen stellt eine Neubestimmung des Verhältnisses von Verwaltung, Politik und Bürgerschaft in Aussicht. Die Leitidee der Bürgerkommune überlagert sich mit der Leitidee eines kohärenten Bildungswesens und konkretisiert sich mit der Zielsetzung, eine Bildungsdatenbank gemeinsam zu erstellen. Für diese Produktinnovation setzt das KBM auf das Sichtbarmachen des biographischen Kapitals der Stadt. Die Konzentrationslogik fordert die Klärung der strategischen Ausrichtung heraus, für die das Programm Lernen vor Ort die Mission Bildung vorgibt. Mit der Erarbeitung eines Leitbilds vereint das KBM multiple Rationalitäten der Stadtgesellschaft unter ein gemeinsames Dach und sichert die Imagebildung nach außen.

Abbildung 7.9
figure 9

Beitrag der Kernaktivitäten zur gesellschaftlichen Integration (Eigene Darstellung)

Mit grenzüberschreitender Professionalität mittlerer Intensität gestaltet das BMK die Kernaktivitäten in der Arbeitsphase Rahmenbedingungen klären (vgl. Abbildung 7.9, links). Diese vermittelt – ausgehend vom politischen System mit dem Programm Lernen vor Ort auf den Ebenen der Europäischen Union und des Bundes – zwischen dem Land und der Kommune. In allen Arenen ist das sozial-kulturelle System Objekt der Erziehung, welches bereichsübergreifende Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen beobachten und dabei das unmittelbare People-Processing im Blick behalten soll (Typ 4). Als Subjekt der Erziehung gehen Adressierungen vom Gemeinschaftssystem in der Arena (Un-)Beständigkeit, vom ökonomischen System in den Arenen (Un-)Verantwortlichkeit und (Un-)Beteiligung sowie vom politischen System in den Arenen (Un-)Bewusstheit und (Un-)Sichtbarkeit aus. Mit grenzüberschreitender Professionalität mehrheitlich mittlerer Intensität gestaltet auch das kommunale Bildungsmanagement die Kernaktivitäten in der Arbeitsphase Rahmenbedingungen klären (vgl. Abbildung 7.9, rechts). Diese greift die kommunale Ebene aber – anders als im Kreis – nicht vermittelt über das Land, sondern direkt auf. Als Subjekt der Erziehung tritt daher hauptsächlich das politische System vor Ort auf und sucht sich das Gemeinschaftssystem in den Arenen (Un-)Verantwortlichkeit, (Un-)Beteiligung, und (Un-)Sichtbarkeit als Appelldatum aus. Die Arena (Un-)Beständigkeit wird vom ökonomischen System regiert und in der Arena (Un-)Bewusstheit wendet sich das politische System an das sozial-kulturelle System.

6.1.1 Kernaktivitäten des BMK

Beständigkeit und Wandel sind mit der Initiierung einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft gleichermaßen angelegt. Sie greifen mittels der Programmkonzepte der »Nachhaltigkeit« und »Verstetigung« bereits in die erste Arbeitsphase ein: Lernen-vor-Ort-Produkte sollen in die Fläche strahlen, den Austausch mit den Kommunen moderieren, nach der Förderphase in die Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks überführt werden und die Region auf Dauer bemächtigen. Im Projektarbeitsbogen Lernen vor Ort fungieren Leuchttürme als biographisches Kapital und Weichensteller für ein Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene. Um sie herum stellen die Bereichskoordinatorinnen ihr Commitment für eine Gesamtstrategie auf Kreisebene her.

Erwartungen an ein Projekt- und Programm-Engagement rufen das biographische Kapital des Unruhestiftens der Bereichskoordinatorinnen auf, die zugleich ein hohes temporäres und ein zeitlich überdauerndes Commitment mit dem Programm eingehen. Die Not zu handeln fungiert als Weichensteller für die Koordination von Zeigen und Lernen, bei dem die Kreis- und Kommunalverwaltung auf das biographische Kapital des pädagogischen Programmschachtelns (K01.02.04) für die Koordination von Schnittstellenfragen (K01.02.01) zugreift. Ein kreisweiter Dialog als Zielperspektive der Bereichskoordinatorinnen zu Fragen der Übergangsgestaltung von der Kita in die Grundschule (K01.02.03) überschreitet die von den Pionierkommunen anfänglich gesetzte Forderung, die Personalressourcen für das unmittelbare People-Processing einsetzen zu wollen.

Eine Offenheit im Umgang mit multiplen Rationalitäten bricht sich an einer komplizierten Kreisstruktur der Kommunen, die angesichts der angespannten Haushaltslage um den Erhalt und Ausbau von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis kämpfen müssen. Effekte der Beteiligung zeigen sich sowohl in Gestalt von Handlungsblockaden in Entwicklungswerkstätten als auch in Kooperationsrenditen an Bildungskonferenzen. Akteure kreisweit zu einer Organisationseinheit »Übergangsmanagement« zusammenzubinden, erwächst aus dem Commitment mit Organisations- und Professionswissen, das die Schaffung eines gemeinsames Verständnisses für Bildungskooperationen im Übergangsbereich von der Kita in die Grundschule nahelegt.

Datengestützte Reflexion nimmt ihren Anfang im Gezerre um die Bereichskoordinatorinnen in den Kommunalverwaltungen des Kreises, die mit ihrer grenzüberschreitenden Professionalität Überbrückungsarbeit zwischen datenbasiertem Orientierungswissen auf der Grundlange eines Bildungsmonitorings und erfahrungsbasiertem Handlungswissen der Leuchtturm-Professionellen leisten. Ihre Kernaktivität besteht nicht in der unmittelbaren Arbeit mit Adressaten von Bildungsdienstleistungen, sondern darin, eine kollektive Bewusstheit für ein datenbasiertes Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene zu schaffen. Das biographische Kapital eines professions- und organisationssensiblen Inklusionsstils erweist sich als Weichensteller für das Commitment, Entscheidungen der Kommunalpolitik mit datenbasiertem Wissen zu fundieren.

Greifbare Produkte sind das Ergebnis vorangegangener Projekte und der Ausgangspunkt für die anstehenden Lernen-vor-Ort-Aktivitäten. Für die Leuchtturmkommunen stellen sie Verfügungsrechte als Ressourcen dar, die sie – bedingt durch den Appellcharakter der Ausdehnungslogik – für die kreisangehörigen Kommunen zunächst in Verfügungsrechte als Normen transformieren. Die mit den Regionalen Bildungsnetzwerken vorgegebene strategische Ausrichtung ist in ein operatives Bildungsmarketing zu überführen, bei dem Projektziele zunächst kommuniziert und das Handlungswissen vor Ort in den kreisangehörigen Kommunen beobachtet werden müssen. Dass Lernen vor Ort dereinst in den Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks aufgehen soll, legt unsichtbare Prozess- und Strukturinnovationen nahe und zugleich ein Commitment mit Bildungsdienstleistungen, die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar adressieren.

6.1.2 Kernaktivitäten des KBM

Beständigkeit und Wandel werden mit der Verknüpfung der Initiative Bildung für nachhaltige Entwicklung mit einer Verwaltungsrestrukturierung gleichermaßen angelegt. Wie im Kreis greifen sie mittels der Programmkonzepte der »Nachhaltigkeit« und »Verstetigung« bereits in die erste Arbeitsphase ein. Bestehende BNE-Projekte orientieren sich am unmittelbaren People-Processing und nehmen mit der politischen Verankerung auch bereichsübergreifende Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen in den Blick (Typ 3). Die Verwaltung darüber hinaus mithilfe von temporären Personalressourcen zu bemächtigen, legt die Überwindung geteilter Zuständigkeiten der Ämter sowie Schnittmengen zwischen Lernen im Lebenslauf und Lernen im Sinn von Nachhaltigkeit nahe. Im Projektarbeitsbogen Lernen vor Ort fungiert ein integriertes Bildungsamt als biographisches Kapital und Weichensteller für ein kommunales Bildungsmanagement.

Um dieses herum stellen die doppelt besetzte Projektleitung und die externen Partnerorganisationen ihr Commitment für eine kommunale Gesamtstrategie her. Erwartungen an ein Projekt- und Programm-Engagement rufen das biographische Kapital der zeitlich überdauernden Entscheidungsmacht der Stadtpolitik und -verwaltung sowie das Commitment der temporär agierenden Partnerorganisationen auf. Interessenvielfalt fungiert als Weichensteller, die mit der Entwicklung von Zeigeformaten moderiert werden soll. Diese Koordinationsarbeit prägt grenzerhaltende Strategien vor, die sich hauptsächlich an bereichsübergreifender Zusammenarbeit orientieren, ohne den Blick auf unmittelbares People-Processing zu richten (Typ 2). Ein in der Stadtverwaltung verortetes Bildungsmanagement verlegt sich auf die Erfassung und Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger der Stadtgesellschaft ohne pädagogischen Anspruch, dass diese zwecks Lernens auch auf diese zugreifen müssen.

Eine Offenheit im Umgang mit multiplen Rationalitäten kommt mit der Zielsetzung, ein Bildungsleitbild und eine Bildungsdatenbank unter Beteiligung von Interessenverbänden zu erstellen, zum Ausdruck. Diese Weichenstellung erfolgt mit Blick auf die Profilierung kommunaler Beteiligungsrollen im Dreieck zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern. Die Orientierung sowohl an der Binnenmodernisierung der Verwaltung als auch an der Öffentlichkeit lässt – vermittelt über die Bildungsorganisationen der externen Partner – den Blick auf Fragen des People-Processing zu (Typ 4). Für das Lernen-vor-Ort-Team zeichnen sich neben der eigenen Konstituierung die Bündelung von Kontakten in die Bildungslandschaft sowie Verwaltungswiderstände als Effekte neuer Beteiligungsrollen ab.

Mit dem Aufbau einer Bildungsdatenbank legt die Stadt den Schwerpunkt auf die Schaffung einer kollektiven Bewusstheit für das biographische Kapital vor Ort. Individuelle Akteure kommen vermittelt über die Bereitstellung einer Angebotsstruktur in den Blick (Typ 4). Das biographische Kapital eines organisationssensiblen Inklusionsstils – moderiert durch erweiterte Einfluss- und Kontrollpotenziale von Partnerorganisationen im Bildungsbereich – erweist sich als Weichensteller für das Commitment mit der Schaffung einer sichtbaren Gesamtstruktur der Leistungsangebote. Zugleich drängt der Aufbau eines Bildungsmonitorings als Programmvorgabe zur Verwirklichung mit der Aufgabe, Leistungsbeziehungen für ein datenbasiertes Orientierungswissen zu schaffen.

Ein positiver Bildungsbegriff markiert den Auftakt für ein gemeinsames strategisches Bildungsmarketing für die Stadtgesellschaft. Die Sichtbarmachung von Bildung ist dem Blick auf individuelle Akteure vorgelagert (Typ 4). Bildung als Programm verschafft zunächst Verfügungsrechte als Normen, die mit einem operativen Bildungsmarketing in Verfügungsrechte als Ressourcen zu überführen sind. Bildung als Mission positiv zu besetzen geht mit enormen, für die Bürgerinnen und Bürger zunächst unsichtbaren Vorarbeiten bei der Entwicklung einer Gesamtstrategie einher.

6.2 Grenzüberschreitende Professionalität der Handlungslogiken

Bildungskooperationen stellen Kapazitäten dar, die erst in Verbindung mit deren Nutzung eine Bildungsleistung generieren. Leuchttürme ›zum Laufen‹ zu bringen, bedeutet daher, die den Projekten zugrundeliegenden Leitideen der Kooperation zu distribuieren. Die Ausdehnung des Kooperationsgedankens antizipiert das Uno-actu-Prinzip von Bildungsdienstleistungen und das Wissen darum, dass konkrete Projekte Kommunen zwar inspirieren, nicht aber nachhaltig sicherstellen können, dass diese eine Verbindung zwischen Vor- und Endkombination selbst immer und immer wieder herzustellen versuchen. Die Einsicht in die Unmöglichkeit einer Produktion von Bildungsleistungen auf Vorrat verbietet ein technologisches Applikationsverständnis und legt den Bereichskoordinatorinnen einen invasiv-pädagogischen Zeige-Impetus und eine zurückhaltend-demütige Haltung der Anerkennung kommunaler Selbsttätigkeit nahe. Das BMK offeriert seine Personalressourcen daher auf Zuruf. Die Klärung des Beratungsbegriffs und Beratungsbedarfs offenbart Kommunikationsarten der pädagogischen Profession und der Organisation, die es zu überbrücken gilt. Das BMK balanciert die Bring- und Holstruktur seiner Dienstleistungen mit dem Anspruch aus, den Blick der kreisangehörigen Städte auf Kinder und Jugendliche auszurichten. Die Suche nach einer Verbindung zwischen dem Aufbau von Kapazitäten und deren Nutzung konstituiert ein pädagogisches Vermittlungsverständnis, bei dem die Adressaten von Bildungsdienstleistungen als Klienten verstanden werden.

Die Stadtverwaltung reklamiert kommunale Selbstbestimmung und integriert Ressourcen der Zivilgesellschaft für den Aufbau von Kapazitäten. Eine Bildungsdatenbank stellt einen Wegweiser durch die Bildungslandschaft bereit. Die Hol-Struktur setzt auf die Vorkombination von Bildungsdienstleistungen. Ein Kundenverständnis verzichtet auf pädagogische Vermittlungsleistungen. Externe Bildungspartner suchen – die Konzentrationslogik des KBM antizipierend – die kommunalpolitische Anbindung ihres Engagements. Fragen der Übergangsgestaltung an der ersten und zweiten Schwelle wollen sie auf der Basis von Handlungsempfehlungen in einen legitimierten Steuerungsauftrag überführt wissen. Kommunikationsarten der pädagogischen Profession werden nach diesem Verständnis in Kommunikationsarten der Organisation übersetzt.

Abbildung 7.10
figure 10

Beitrag der Handlungslogiken zur gesellschaftlichen Integration (Eigene Darstellung)

Im Kreis kennzeichnet grenzüberschreitende Professionalität mittlerer Intensität die Handlungslogik der Arena (Un-)Beständigkeit (Typ 3), insofern bestehende Leuchtturmprojekte sich am unmittelbaren People-Processing orientieren und zugleich Leistungsbeziehungen zwischen dem Gemeinschaftssystem und dem sozial-kulturellen System in den Blick kommen, wenn Leuchttürme ›zum Laufen‹ gebracht werden sollen (vgl. Abbildung 7.10, links). Grenzüberschreitende Professionalität schwacher Intensität dominieren in den Arenen (Un)-Verantwortlichkeit, (Un-)Beteiligung, (Un-)Bewusstheit und (Un-)Sichtbarkeit mit Typ 2. Fragen des unmittelbaren People-Processing verlagern sich mit der antizipierten Überzeugungsarbeit der kreisangehörigen Städte auf die bereichsübergreifende Zusammenarbeit beim Aufbau einer staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft. Vordringlich wird die Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung der zu beteiligenden Städte, die Koordination vielfältiger Verständnisse zu neuen Gremienstrukturen, die Klärung des kommunalen Beratungsbedarfs sowie das Werben um Annahmebereitschaft der Idee eines kohärenten Bildungswesens.

In der Stadt kennzeichnet grenzüberschreitende Professionalität schwacher Intensität die Handlungslogik der Arena (Un-)Beständigkeit (Typ 2) (vgl. Abbildung 7.10, rechts) Die externen Bildungspartner stellen ihre fachliche Expertise im Bereich institutioneller Übergänge zugunsten einer dauerhaften Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung zunächst zurück. Mit der Sicherstellung der kommunalen Anbindung verlagern sie ihr bisheriges Engagement in die Stadtverwaltung und in die Sichtbarmachung von Bildungsdienstleistungen. Potenzielle Nutzerinnen und Nutzer der Angebotsstruktur bleiben mit dem Ziel im Blick, einen Wegweiser durch die Bildungslandschaft anzubieten. Abstimmungsarbeit und direkte Interaktionen rücken aber vor allem in den Dienst der Verwaltungsrestrukturierung (Typ 4). In der neuen Beteiligungsrolle als Adressat einer öffentlich-privaten-Partnerschaft bietet sich den externen Partnern die Möglichkeit, Problemlagen der Basis in einen legitimierten Steuerungsauftrag zu überführen (Typ 3).

6.3 Gesamtübersicht der Bedingungen

Im Kreis steigern die Systeme der Ökonomie, der Politik und der Gemeinschaft ihre Leistung durch den Einsatz von Geld, Macht und Reputation, für den sie im Gegenzug das Kommunikationsmedium der Sprache erhalten. Die Alimentierung mittels Programmressourcen öffnet den Diskurs für die Koordination von Zeigen und Lernen und den Ausbau von Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich. Die politische Zielverwirklichung spezifiziert den Diskurs für datengestützte Reflexion und für ein operatives Bildungsmarketing. Die gesellschaftliche Solidarität schließt den Diskurs für ein Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene. In der Stadt steigert das ökonomische System seine Leistung durch den Einsatz von Geld, für das es im Gegenzug das Kommunikationsmedium der Macht erhält. Die Alimentierung mittels Programmressourcen öffnet die Machtinvestition für ein kommunales Bildungsmanagement. Das politische System steigert seine Leistung durch den Einsatz von Macht, für die es im Gegenzug die Kommunikationsmedien der Reputation und der Sprache erhält. Die politische Zielverwirklichung spezifiziert die Reputationsinvestition für die Entwicklung von Zeigeformaten, die Profilierung kommunaler Beteiligungsrollen und ein strategisches Bildungsmarketing. Darüber hinaus spezifiziert die politische Zielverwirklichung den Diskurs für den Ausbau des biographischen Kapitals.

Abbildung 7.11
figure 11

Handlungsrationalität des BMK und KBM (Eigene Darstellung)

Die Bearbeitung gesellschaftlicher Integration erfolgt in der Anfangsphase des Projektarbeitsbogens mit grenzüberschreitender Professionalität schwacher und mittlerer Intensität (vgl. Abbildung 7.11). Dominant ist das politische System als Subjekt der Erziehung in der Stadt und das sozial-kulturelle System als Objekt der Erziehung im Kreis. Das BMK bearbeitet gesellschaftliche Integration mehrheitlich mit Strategien schwacher Intensität (Typ 2). Es antizipiert die grenzerhaltende Handlungslogik der kreisangehörigen Städte jenseits der Pionierkommunen, die mithilfe bestehender Leuchttürme für die Idee eines kohärenten Bildungswesens erst noch gewonnen werden müssen. Das KBM bearbeitet gesellschaftliche Integration mehrheitlich mit Strategien mittlerer Intensität (Typen 3 und 4). Fragen des People-Processing rücken mit dem Fokus des politischen Systems auf die Verzahnung kollektiver Akteure in den Hintergrund, werden aber durch die antizipierten Handlungslogiken vielfältiger Interessengruppen, die sich mit einem breiten Bildungsangebot präsentieren wollen, mitgeführt.