Die Ergebnisrationalität beider Gebietskörperschaften stelle ich mit dem Aufgabenkomplex Spannungslagen ausbalancieren der Phase Strategien umsetzen und verstetigen entlang der Arenen dar. Eine vergleichende Gesamtübersicht grenzüberschreitender Professionalität im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kommunikationsmedien schließt das Kapitel ab.

Im Kreis wird das sozial-kulturelle System (L) wie in der Vorgeschichte von den Konfliktfeldern des Kulturmarkts (AL) und der Kulturpolitik (GI) umlagert (vgl. Abbildung 11.1). Im Übergang zur Transferinitiative werden Fragen der monetären Ressourcen für die Fortsetzung der aufgebauten Engagementstrukturen zum Thema. Das politische System spezifiziert den Diskurs mit einem Folgeprogramm, welches die Lernen-vor-Ort-Errungenschaften aufgreift und auf weitere Kommunen der Republik auszudehnen sucht. Das BMK kann Verständigungskraft für gleichwertige Lebensverhältnisse durch Bildung auf den Feldern des politischen (LG) und des öffentlichen Diskurses (LI) ausbauen.

Abbildung 11.1
figure 1

Konstellationsstruktur des BMK in der Nachgeschichte (Eigene Darstellung)

In der Stadt sucht das politische System wie in der Vorgeschichte als Subjekt der Erziehung politische Zielverwirklichung auf den Feldern der Gesellschaftspolitik (LG) und der Kulturpolitik (GL) (vgl. Abbildung 11.2). Im Übergang zur Transferinitiative wird es vom Gemeinschaftssystem auf dem Feld der politischen Vereinigung (IG) umlagert, welches gesellschaftliche Solidarität durch Gemeinschaftsaktivierung sucht. Auch das sozial-kulturelle System hat seine Verständigungskraft auf dem Feld des politischen Diskurses (LG) ausgebaut und hält den Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse durch Bildung aufrecht.

Abbildung 11.2
figure 2

Konstellationsstrukturen des KBM in der Nachgeschichte (Eigene Darstellung)

1 Arenen der (Un-)Beständigkeit

In der Arena (Un-)Beständigkeit verstetigt sich das BMK mit der Aufgabe, die Selbstverantwortung der Kommunen zu stärken und das KBM mit der Zielstellung, mithilfe eines Steuerungsgremiums eine Resonanzstruktur zu schaffen (vgl. Abbildung 11.3, links). Im Kreis wird das Bildungsmanagement zum Objekt des ökonomischen Systems. Das Versiegen des Kommunikationsmediums Geld – in den vorangegangenen Phasen Treiber zur Öffnung des Diskurses – legt den Rückzug des pädagogisch-professionellen Projektpersonals des BMK nahe. Die Verstetigung der Kohärenzidee vollzieht sich im Übergang zum Anschlussprogramm der Transferinitiative Kommunales BildungsmanagementFootnote 1 auf dem Feld des Kulturmarkts zwischen Wahrheit und Nützlichkeit, insofern Lernen-vor-Ort-Meilensteine transferiert (K05.01.01), Transferbedarfe antizipiert und Transferprozesse beschrieben (K05.01.02) sowie die Kohärenzidee über Transferagenturen auf Landesebene transferiert werden (K05.01.03).

Abbildung 11.3
figure 3

Spannungslagen in Arenen der (Un-)Beständigkeit (Eigene Darstellung)

Die Stadt verstetigt das KBM auf dem Feld der politischen Vereinigung zwischen Macht und Solidarität (vgl. Abbildung 11.3, rechts), insofern sie dauerhaft Bildungsfragen thematisiert (S05.01.01), die Binnen- und Außensicht der Bildungslandschaft koordiniert (S05.01.02) sowie Perspektiven von zivilgesellschaftlichen Akteuren beziehungsweise Interessenverbänden in die Stadtverwaltung holt (S05.01.03).

Transferbegleiterinnen im Kreis entwickeln eine Könnerschaft im Umgang mit Strategien, von denen potenziell ein Gefährdungspotenzial für Sozial- und Systemintegration ausgeht. Praktiken der Identitätsbehauptung richten sich mit starker Intensität gegen die Typen 5 und 6, was mit der Überführung von Lernen vor Ort in die Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks einhergeht. Während sich das Profil der kommunalen Koordinatorinnen und Koordinatoren mit dem Übergang zu den Transferagenturen schärft und in den Förderrichtlinien auf Dauer gestellt wird, muss das Lernen-vor-Ort-Personal eine auf befristete Anstellungsverhältnisse angelegte Projekt-, Fluktuations- und damit Job-Hopping-Politik unter Rückgriff auf individuelles biographisches Kapital bearbeiten.

Demgegenüber operiert das KBM mit der Organisationsmacht der Stadtverwaltung und unter Einsatz von Vermittlungsstrategien mittlerer Intensität der Typen 3 und 4. Eine Resonanzstruktur für die Stadtgesellschaft etabliert es mithilfe eines Steuerungsgremiums, welches die Scharnierstelle zu Interessenverbänden der Stadtgesellschaft bildet und die ressortübergreifende Koordination des Bildungsamts legitimiert. Es verstetigt die Binnenmodernisierung der Stadtverwaltung und die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Verwaltung, Politik sowie Bürgerinnen und Bürgern mit der Teilnahme am Nachfolgeprogramm Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für NeuzugewanderteFootnote 2im Rahmen der Transferinitiative.

1.1 Den Wagon  Lernen vor Ort abkoppeln und den Zug Regionales Bildungsnetzwerk weiterfahren lassen

Mehr und mehr Mitarbeitende bewerben sich aus dem Team weg, so dass die noch anstehenden Aufgaben zur Fertigstellung eines Handbuchs zur Beschreibung und Begleitung von Transferprozessen mit zusätzlichen Personalressourcen gesichert werden müssen: »Dafür haben wir vom Programmträger auch eine Verlängerung bekommen bis Ende des Jahres« (K08.14:91–92). Andere Aufgaben finden mit dem Weggang des Personals einen abrupten Abschluss: »Es sind leider auch aus dem Bereich Kolleginnen weggegangen […] und dann ist das eine oder andere liegengeblieben« (K08.14:126–128).

Ergebnis des politischen Diskurses vorangegangener Arbeitsphasen ist ein differenzierteres Verständnis des Transferbegriffs. Ein Transfer ist auf einer ersten Stufe demnach bereits dann vollzogen, wenn aufgebaute Strukturen am selben Ort, aber ohne externe Fördermittel weitergeführt werden: »Das sehen wir auch schon als Transfer, nämlich von einem Projekt zu transferieren in nachhaltige Strukturen« (K08.14:145–146). Diese als Nachhaltigkeit bezeichnete erste Transferstufe steht vor der Herausforderung, die Fördermittel zu ersetzen, kann aber auf bekannte Rahmenbedingungen aufbauen (Rullmann & Uske, 2014b, S. 9). Eine zweite Transferstufe ist als innerkommunaler Transfer dann erreicht, wenn ein Konzept innerhalb einer Stadt von einem Stadtteil in einen anderen wandert. Vier weitere Stufen unterscheiden Formen des interkommunalen Transfers und gehen von einer räumlichen Ausdehnung auf andere Städte innerhalb eines Kreises (Stufe 3), auf andere Kreise (Stufe 4), auf andere Bundesländer (Stufe 5) und schließlich auf andere Nationen (Stufe 6) aus. Allen Stufen gemeinsam sind zwei Herausforderungen: Erstens müssen zusätzliche Ressourcen gefunden und zweitens neue Rahmenbedingungen berücksichtigt werden (Rullmann & Uske, 2014b, S. 9).

Das BMK verortet seinen Transfererfolg bei Stufe 3 und überführt sein Transferwissen für die weiteren Stufen an die TransferagenturenFootnote 3: »Die werden […] zu unserer Veranstaltung kommen und dann auch darstellen, wie sie sich den Transfer interkommunal aus dem Kreis […] hinaus vorstellen« (K08.14:182–184). Das Treppenmodell impliziert mit der Unterscheidung von Lernen vor Ort als Projekt und Lernen vor Ort als Programm darüber hinaus eine Definition eines Strukturprogramms. Das Projekt Lernen vor Ort bringt zum Ausdruck, dass die externe Alimentierung der Kommunen datenzeitlich begrenzt ist. Das Programm Lernen vor Ort verweist demgegenüber auf das Ziel einer unbegrenzten Verbreitung von Leitideen, die das Programm tragen und damit auf modalzeitlich verfasste Zeiträume der Artikulation. Nach dieser Lesart sind eigenwillige Transfers jenseits institutionalisierter Förderprogramme auf jedweder Stufe denkbar, wenn sich Trägerinnen und Träger die dem Programm zugrundeliegenden kulturellen Leitideen zu eigen machen, diese in andere soziale Welten und Arenen tragen und dort in die Koordination von Operationen des Zeigens und Lernens transformieren. Das BMK verstetigt sich auf Transferstufe 3 auf dem Konfliktfeld des Kulturmarkts zwischen Wahrheit und Nützlichkeit. Im Übergang zum interkommunalen Transfer in andere Kreise (Transferstufe 4) überführt es die Lernen-vor-Ort-Errungenschaften in die Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks und verteidigt die Kernaktivitäten mit Bewältigungsstrategien starker Intensität des Misch-Typs 5/6.

Der Kreis ist »mit dem Transferthema von Anfang an noch mal anders konfrontiert« (K14.11:776), weil er mit dem Anspruch des interkommunalen Transfers von einer kreisangehörigen Kommune in eine andere Kommune eine größere Reichweite anvisiert als eine Weiterführung aufgebauter Strukturen am selben Ort: »Da gibt es unterschiedliche geographische und politische Ausgangslagen und das erschwert den Transfer« (K04.13:590–591). Vielmehr als um eine Umsetzung spezifischer Programminhalte geht es um den Aufbau bereichsübergreifender Kooperationsstrukturen, der sowohl beim »Transfer innerhalb einer Stadt« (K04.13:570–571) als auch »beim Transfer zwischen den Städten« (K04.13:566–567) auf sehr unterschiedliche Voraussetzungen trifft. Ein Transfer innerhalb einer Stadt hat »überwiegend dieselben Akteure, die gleichen Entscheidungsträger und dieselbe Verwaltungsspitze« (K04.13:581–582) zu berücksichtigen. Aus Sicht der Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen gestaltet er sich daher »einfacher als zwischen Städten« (K04.13:588). Die Stadtteile bilden hinsichtlich der Adressaten allerdings heterogene Ausgangslagen ab: »Wichtig ist, dass die Übertragung innerhalb einer Stadt von einem Sozialraum in einen anderen Sozialraum durchaus sehr spezifische Anforderungen noch mal stellt« (K04.13:584–585). Ein in einem Stadtteil erfolgreiches Konzept ist es nicht zwangsläufig in einem anderen: »Wenn sich der Stadtteil von der Zusammensetzung der Migrationshintergründe der Menschen sehr stark unterscheidet, muss man das Projekt anders stricken« (K04.13:603–605).

Das Umstricken von Projekten richtet sich nach den Bedarfen der Menschen und erfordert daher Zeiträume der Artikulation, die Operationen des Zeigens immer auch mit Blick auf Operationen des Lernens abstimmen: »Und so hat sich das Projekt anders entwickelt und beim Transfer in einen dritten Stadtteil wird die Entwicklung dort auch spannend sein« (K04.13:607–608). Die Zukunftsoffenheit sowohl von Projekten als auch von transformativen Akteuren bildet eine Stellschraube für die Verstetigung. Dass transformative Akteure dabei nicht auf Operationen des Zeigens verzichten und zugleich Operationen des Lernens nicht garantieren können, konstituiert eine unaufhebbare Spannungslage. Transferbegleiterinnen erreichen Kinder und Jugendliche in der Regel nicht unmittelbar, sondern vermittelt über kommunalpolitisches oder pädagogisches Personal. Diese Mittelbarkeit begünstigt Domänenspiele, von denen sozialintegratives Gefährdungspotenzial ausgeht, wenn es nicht gelingt, weitere transformative Akteure zu gewinnen und einzubinden. Insbesondere Akteure des Schulsystems markieren relevante Schnittstellen, um die Kohärenzidee zu transportieren oder abzublocken: »Das Ganze muss vielleicht noch bei einzelnen Akteuren in den Sozialräumen stärker ankommen. Ich denke da an Schule, die immer noch etwas von einem geschlossenen System hat« (K04.13:644–645).

Ein »großes Fragezeichen« (K04.13:963) ist daher der Transfer eines BMK nach Lernen vor Ort und damit »unter anderen Bedingungen« (K04.13:964). Lernen-vor-Ort-Verantwortliche im Kreis bescheiden sich nicht mit dem Erfolg eines interkommunalen Transfers im Rahmen des Projekts Lernen vor Ort, sondern binden sich über ihr temporäres Engagement hinaus an den Transferanspruch des Programms Lernen vor Ort und damit an den Anspruch, die Idee eines kohärenten Bildungswesens vor Ort auf andere Kreise und in andere Bundesländer auszudehnen: »Die Leuchttürme stehen, aber sie sind einzigartig. Sie stehen an dieser Stelle und leuchten. Und wir müssen ja nicht nur ein Leuchtzeichen geben, sondern wir müssen von diesem Leuchtzeichen zur Beleuchtung der Fläche« (K08.12:538–543). Es stellt sich die Frage: »Wie lernen es eigentlich andere, nicht nur Leuchttürme zu bauen, sondern, dass die gesamte Stadtfläche beleuchtet wird?« (K08.12:551–552).

Benannt ist damit das Erfordernis, Vermittlungsdienstleistungen in einer Bring-Struktur zu organisieren: »Wir haben im Moment noch eine Prozessbegleitung von Kolleginnen, die den Transferprozess selber auch miterlebt haben und damit meine ich das komplette Prozedere, […], dieses Veränderungsmanagement, das in den Kommunen schon stattgefunden hat, wo sich etwas anders bewegt hat« (K04.13:968–979). Transferbegleiterinnen antizipieren, dass die Erfahrung von Zeiträumen der Artikulation, in der die Koordination von Zeigen und Lernen erlebbar wurde, verloren geht, wenn künftige Koordinatorinnen und Koordinatoren wieder bei null anfangen müssen. Zwar berücksichtigen die Nachfolgeprogramme im Rahmen der Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement das Anforderungsprofil der Bildungskoordination strukturell, der Weg des datenzeitlich verfassten Zeigens und des modalzeitlich verfassten Lernens in Zeiträumen der Artikulation ist damit noch nicht beschritten: »Diesen Prozess jetzt ohne diese externen Akteure zu bewältigen, wird ja noch mal eine ganz andere Geschichte« (K04.13:980–981). Den »kommenden Transferagenturen« als Komm-Struktur »fehlt ja dann eigentlich diese Mitgestaltung« (K04.13:984–986). Das Erleben als Lernprozess des Dabeiseins lässt sich nicht verstetigen: »Das, was wir miterlebt haben und das, was wir zumindest auch erfahren haben, dass es geht, das haben die ja nicht« (K04.13:990–991). Das mitgehende Beraten muss immer auch vollzogen werden: »Die haben vielleicht eine Vorstellung davon, wie es hinterher aussehen soll, aber wie das funktioniert, wenn man keine Menschen hat, die das umsetzen, stelle ich mir sehr schwierig vor« (K04.13:994–996).

Die »Expertise von außen in die Verwaltung« (K04.13:997) zu bringen, verlangt ein aktives Reingehen und Begleiten. Vorstellbar ist ein Mentorat, bei dem »ein erfahrener Mensch auch für eine Weile […] eintaucht in diese Verwaltungsstruktur, um diejenigen, die das umsetzen, zu coachen« (K04.13:1047–1051). Es besteht die Sorge, dass das mitgehende Beraten als Operation des Zeigens mit dem Auslaufen von Lernen vor Ort einen Abbruch erfährt: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass da in einer Stadt eine Transferagentur entsteht und die dann die anderen Städte berät. Das können nur die Menschen sein, die jetzt schon in Lernen vor Ort arbeiten« (K04.13:1153–1157). Allerdings sichert ein Wechsel von ehemaligem Lernen-vor-Ort-Personal in eine Transferagentur nicht das nötige Arbeitsbündnis mit den Kommunen: »Dann fehlt ja dann wieder die Anbindung an die Kommunen« (K04.13:1164). Vorstellbar ist der Aufbau eines Pools »von Experten […] aus den Lernen-vor-Ort-Kommunen, die sich dann bereit erklären, gegen ein Honorar […] mit anderen Städten zu kooperieren« (K04.13:1167–1169).

Eine solche Kooperation setzt allerdings voraus, »dass man in den Lernen-vor-Ort-Kommunen nachhaltige Strukturen bereits aufgebaut hat« (K04.13:1175–1176). Diese Lösung erscheint einer Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen »personalpolitisch hochkompliziert. Denn dann hast du in der Kommune A zwei Leute sitzen, die das alles könnten, die dann von Kommune C angefragt werden, etwas zu transferieren. Aber wer bezahlt das?« (K04.13:1207–1221). Das Agentur-Modell, bei dem Kommunen das »Knowhow einkaufen«, ist »unheimlich schwierig zu kalkulieren« (K04.13:1179–1182). Darüber hinaus leistet es aus Sicht der Pioniere des BMK der Praxis Vorschub, »dass da irgendeine Institution beauftragt wird, die Beratungsagentur zu spielen. […]. Man kauft sich vielleicht ein paar Experten ein, die die letzten Jahre bei Lernen vor Ort gearbeitet haben und die ziehen durchs Land und verkünden das Wort« (K04.13:1247–1255). Verstetigung bedeutet im Kern, »die ganze tatsächliche Vor-Ort-Praxis auf der thematischen und strukturellen Ebene« zu erhalten und fortzuführen: »Es muss diese konkrete Erfahrung auch zur Verfügung gestellt werden können« (K04.13:1260). Eine Transferagentur als übergeordneter Organisationskern soll eine Anbindung der Vor-Ort-Praktiken sicherstellen und zugleich die Teilhabe anderer Kreise im Bundesland an diesem Transferwissen ermöglichen.

Der Kreis wünscht sich für einen interkommunalen Transfer auf Stufe 4 ein »kommunales Beratungsbüro«, das er zusammen mit Lernen-vor-Ort-Partnern aufbauen kann und keine »aufgestülpte Institution«: Ich habe nur die große Sorge, dass wir dann doch nicht wirklich einbezogen werden, sondern dass dann doch irgendein hochrangiges Institut einfach beauftragt wird« (K04.13:1270–1277). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird schließlich unterschiedliche TrägerFootnote 4 mit dem Aufbau einer Transferagentur beauftragen. Der Kreis bleibt mit seiner Transferagentur freiwillig verbunden, da die Zusammenarbeit im Rahmen des Förderprogramms Bildung für Neuzugewanderte keine FördervoraussetzungFootnote 5 darstellt (BMBF, 2016, S. 1) und er am Folgeprogramm Bildung integriert nicht mehr teilnehmen darf. Damit verlagert sich sein Engagement auf die Verstetigung der Kooperationsstrukturen innerhalb des Kreises.

Kommunale Koordinatorinnen und Koordinatoren zielen auf die Transferstufe 3, um Lernen vor Ort als Programm und damit die Idee eines kohärenten Bildungswesens in eine überdauernde Orientierung der kreisangehörigen Städte an einer Verantwortungsgemeinschaft für die kommunale Organisation von Bildung zu überführen. Die Koordinationsarbeit zur Verbindung von Zeigen und Lernen gelingt mit Strategien mittlerer Intensität des Misch-Typs 3/4. Die Vermittlungsarbeit erfolgt dabei unter beständigen Kontrollstrategien, um der ›Projektitis‹ (Typ 5) entgegenzuwirken, verstanden als Praktiken des People-Processing, die entkoppelt von einer Anbindung an kommunalpolitische Entscheidungen sowie von einem Fachdiskurs erfolgen. Zum andern erkennen sie in ›Struktursatelliten‹ (Typ 6), verstanden als Bereitstellungsdienstleistungen ohne begleitende Koordinationsleistungen, um mit Belangen von Bürgerinnen und Bürgern in Einklang zu bringen, sozialintegratives Gefährdungspotenzial. Transferbegleiterinnen setzen Coping-Strategien als Praktiken der Identitätsbehauptung (Schimank, 1981) durch eine hohe Identifikation mit ihrer Koordinationsrolle ein. Die Koordination von Zeigen und Lernen balancieren sie aus zwischen Beraten und Verführen, Schenken und Einfordern, Aufzeigen und Aufnötigen, Erklären und Indoktrinieren sowie zwischen Fachkonferieren und Entscheiden.

1.1.1 Zwischen Zeigen und Lernen

Lernen-vor-Ort-Meilensteine zu transferieren, stellt sich »in einem Kreis noch mal besonders kompliziert und schwierig« dar, weil es »nicht die Unterstützung nur einer Hierarchie« braucht, sondern die aller kreisangehörigen Städte: »Das zu organisieren, ist noch mal eine ganz andere Nummer« (K02.15:200–209). Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende tragen die Anliegen des Programms im Projektzeitraum in viele Gremien, um »auf diesem politischen Niveau die Bürgermeisterebene« (K02.15:242–243) zu erreichen. Trotzdem bleibt der Eindruck des Ungenügens: »Das hätte nach meinem Dafürhalten häufiger sein können, regelmäßiger müsste das sein« (K02.15:238–239). Unterstützung zu mobilisieren, ist kein einmaliger Akt, sondern eine stetige Kontaktarbeit, die unerwartet abzureißen droht: »Oder wenn sich politische Verhältnisse ändern, dann hatte man irgendwann guten Kontakt zu einer Stadt. Und dann ist irgendwer entweder in Rente oder wir hatten Neuwahlen« (K02.15:246–248). Am Ende von Lernen vor Ort kristallisiert sich heraus, dass die interkommunale Kontaktpflege mit der politischen Spitze innerhalb des Kreises eine eigene und umfassende Aufgabe des BMK darstellt: »Da müsste man natürlich noch mal gucken, wie man sich dann immer wieder neu ins Gespräch bringt und versucht, die Leute auch mitzunehmen« (K02.15:250–251). Sich immer wieder ins Gespräch zu bringen, »ist kommunikationstechnisch betrachtet schon sehr aufwändig« und in der bisherigen Funktionen-Architektur eine Leerstelle: »Und das passiert mir zu wenig, zumal das auch nicht immer meine Ebene ist. Sobald ich auf der Ebene der Bürgermeister und Dezernenten bin, bin ich schon nicht mehr auf meiner Ebene. Es müssten ja eigentlich andere machen« (K02.15:253–257).

Auf Dauer gestellte Leistungsbeziehungen zwischen Funktionssystemen werden dadurch beeinträchtigt, dass die Regionalen Bildungsnetzwerke mit dem Lenkungsausschuss zwar ein strukturelles Gefäß bereitstellen, um Bildungsfragen in den Interessenhorizont der Kommunalpolitiken zu rücken, die Personalressourcen aber selbst mit Lernen vor Ort nicht ausreichen, um eine systematische Kontaktarbeit auf Dauer zu stellen: »Aber das ist die Gefahr des Ganzen, was ja auch unter ›Projektitis‹ verstanden wird: Während alle da sind, läuft das Projekt, sobald die Leute weg sind, bricht das Projekt zusammen« (K04.15:687–691). Ein mittels Kooperationsvertrags institutionalisiertes Regionales Bildungsmanagement ist zwar »ein Selbstläufer vom System her«, bleibt aber immer »nur an bestimmten Personen hängen« (K04.15:693–694). Der in der Förderlaufzeit früh antizipierte Gedanke, Lernen vor Ort nicht nur als Projekt, sondern als Programm verstehen zu wollen, wird zum kritischen Erfolgsmoment für eine nahtlose Weiterführung: »Es ist zu schade, als dass man es als ›Projektitis‹ enden lässt, weil Lernen vor Ort viel in Bewegung gebracht hat« (K04.15:698–699). Diese Bewegung nicht auszubremsen, gelingt allerdings nur dann, wenn Kommunen den Lernen-vor-Ort-als-Programm-Gedanken aufgreifen und in den kommunalpolitischen Willen überführen, diesen in Schwung zu halten: »Es liegt nun in der Selbstverantwortung der Kommunen, die das ausgerichtet haben, dies jetzt auch weiterzuführen« (K04.15:702–703).

Zwar ist der Kreis mit einem Regionalen Bildungsbüro ausgestattet, um die Regionale Bildungskonferenz, den Lenkungsausschuss und den Lenkungskreis verwaltungsfachlich und pädagogisch zu unterstützen. Allerdings besteht die »große Gefahr« (K06.15:338), dass dieses »oftmals auch einfach überfrachtet, überrannt wird mit verschiedenen Themen« (K06.15:347). Doppelstrukturen zu vermeiden, bedeutet, Synergien zu bilden. Diese erfordern aber erst einen zusätzlichen Kraftakt: »Das war ja hier […] auch so, ja, ein Riesenwirbel, weil auch Lernen vor Ort dann parallel anfing zu arbeiten, und das war ein riesiges Schiff, das zu stemmen war« (K06.15:350–352). Die Herausforderung besteht in der Verbindung von Gelegenheitsstrukturen für Operationen des Zeigens mit Operationen des Lernens. Adressaten des Lernens sind dabei sowohl jene, die Strukturen bereitstellen als auch jene, denen sie zugutekommen sollen. Gefährdungspotenzial für die Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft geht nun davon aus, dass »diese Wege unheimlich lang« sind und »vieles […] darauf verloren« (K02.11:368) gehen kann: »Ich merke bei diesen ganzen Strukturprojekten, man wird wie so ein Satellit oben angesiedelt, und dann entsteht die Frage: ›Wie erdet man das Ganze‹?« (K06.15:502–503). Kommunen als zentrale Adressaten stehen dabei stellvertretend »für Bürgerinnen und Bürger: Ich habe erlebt, dass zu den Themen, sei es beim Übergangsmanagement, Bildungsberatung und Monitoring absolut die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gehört, das heißt, ›wo kommt es an‹?« (K06.15:508–514).

Leuchtturmkommunen haben Erfahrungen mit dem ›Erden‹ von Programmen. Das Engagement im Rahmen von Ein Quadratkilometer Bildung beispielsweise adressiert Kinder über deren Eltern: »Das heißt, ich begleite immer türkische Frauen, die Kinder im ersten Schuljahr haben und bringe denen bei, warum man den Kindern Lesen und Schreiben nahebringen muss und was Mengen bedeuten im Gegensatz zu Zahlen. Das läuft recht offen« (K20.11:108–113). »Harte Diskussionen« (K20.11:138) sind dem Anspruch der Passung von Struktursatelliten für diese Anspruchsgruppe geschuldet: »Wie das immer bei Projekten, die gefördert werden, ist, sind die Vorschriften häufig so eng und stringent, dass sie nicht zu passen zu kriegen sind« (K20.11:161–163). Bedingungen vor Ort erfordern Diskussionen und Anpassungen »nach zwei Seiten« (K20.11:169). Entweder bleiben strukturelle Vorgaben unangetastet und setzen sich trotzdem eigenwillig um: »Aber eine Grundschullehrerin sagt: ›Nach vier Jahren habe ich völlig andere Kinder als ich vor vier Jahren hatte‹. Und in vier Jahren muss sich so ein Projekt gewandelt haben. Das muss sich angepasst haben. Das muss neue Aspekte reingekriegt haben« (K20.11:253–259). Angepasste Vor-Ort-Praktiken drängen in Richtung Wandel von Strukturen, der die Grundidee des Konzepts »aushöhlen könnte« K20.11:396): »Man diskutiert mit der Stiftung und sagt: ›Also, da müsstet ihr noch mal großzügiger hingucken und sagen: Das lassen wir jetzt mal so laufen, auch wenn wir alle Elemente nicht transferieren können, die ihr für dringend notwendig haltet‹« (K20.11:173–176). Oder es schreiben sich umgekehrt anverwandelte Praktiken in die konzeptionellen Strukturvorgaben ein: »Und es muss auch innerhalb der Beschreibungskultur, bezogen auf das Projekt, passend gemacht werden, was auch nicht immer ganz einfach ist« (K20.11:179–180).

Das Festhalten an Strukturvorgaben betont Operationen des Zeigens, von Zeigepraktiken entkoppelte Übernahmen von Offerten verweisen auf den eigenmächtigen Charakter von Operationen des Lernens. Ein dritter Weg besteht im aktiven Verbinden konzeptioneller Strukturanpassungen und Beobachtungen dazu, wie diese in den Sozialräumen verarbeitet werden. Dieses Koordinieren von Zeigen und Lernen stellt eine eigene Passungsarbeit von Leuchtturmwärterinnen dar, die datenzeitlich verfasste Zeiträume artikulieren, um modalzeitlich verfasstes Lernen zu ermöglichen: »Also der Vorteil […] ist der, dass wir einen Jour Fixe jede Woche haben mit der Schulleitung. Wir versuchen ständig rauszukriegen, was notwendig ist« (K20.11:292–295). In der Schuleingangsphase identifizieren sie eine zu bearbeitende Kernaufgabe sowie Mittel und Wege, die Kinder zu erreichen: »Der Quadratkilometer Bildung versucht, in die Kindergärten reinzukommen. Und die ersten Rückmeldungen sagen: ›Okay, wir kennen euch inzwischen, wir wissen, dass ihr was Gutes macht. Also geben wir euch die Kinder einmal in der Woche in die Schule rein‹« (K20.11:311–317.). Auf diese Weise entwickelt sich »ein völlig neuer Zusammenhang mit den Kindergärten« (K20.11:320–321) und die Idee, diesen direkten Zugang auch mit Lernen vor Ort zu suchen.

Lernen-vor-Ort-Verantwortliche gehen mit dem Aufbau überdauernder Kooperationsstrukturen im Bereich der frühkindlichen Bildungsberatung jedoch einen vierten Weg. Auch dieser gibt Probleme der Passung auf. Allein die Auflistung relevanter Akteure für Beratungsstrukturen im Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule und das Ansinnen, diese in eine Zusammenarbeit zu bringen, gestaltet sich als »Monsterarbeit« (K20.11:356): »Diese 200 möglichen Leute in irgendeiner Weise zu strukturieren und damit einen Anfang zu setzen, die an einen Tisch zu kriegen, […], um zum Beispiel bestimmte Themen ranzukriegen, das ist so schwerfällig« (K20.11:369–373). Einen Ausweg in die Sackgasse stellt die Flucht in »ein konkretes, kleineres Projekt« dar: »Aber das ist dann so einem Wandel unterlegen, dass sich sehr schnell so eine Geschichte vor Ort ändert. Da geht ein Kinderarzt weg und schon ist die ganze Geschichte an einer Stelle wieder kaputt« (K20.11:376–383). Erfolgreiche Transferprozesse, die den raschen Wandel berücksichtigen, erfordern stetige Beobachtungen vor Ort und die Möglichkeit für situativ fallsensibles Handeln: »Die ganze Geschichte läuft dermaßen schnell ab, dass da wirklich vor Ort immer jemand sein müsste, der an allen Seiten Ohren hat und alles sieht und Ideen entwickelt« (K20.11:346–348).

1.1.2 Zwischen Beraten und Verführen

Das Profil kommunaler Koordinatorinnen und Koordinatoren, wie es mit dem Nachfolgeprogramm Bildung integriert vorgesehen ist, hat in den Leuchtturmkommunen seinen Ursprung. Akteure, die das Zeigen und Lernen koordinieren, erreichen Kinder, Jugendliche und Eltern mittelbar, indem sie »eine soziale Bindung« zu Bildungseinrichtungen schaffen, »um mit denen weiterarbeiten zu können« (K20.11:348–349). Diese entsteht über »eine offene Kommunikation« (K06.12:763) im Modus der Erziehung als Evokation. Die Kommunikationsart von transformativen Akteuren ist direktiv, auf die Zukunft gerichtet und damit auf ein Lernen, was zu wollen ist. Im Visier stehen Deutungsstrukturen des Gegenübers, die mit Appellen verändert werden sollen. Eine offene Kommunikation changiert zwischen dem Eingestehen von Schwächen und dem Ausloben eines Gewinns. Sie versucht, Glaubwürdigkeit herzustellen, um die Annahmebereitschaft für Botschaften herzustellen: »Man muss zu seinen Schwächen stehen, man kann seine Vorteile natürlich gut verkaufen. Und es ist immer ein Verkaufen. Ich finde, man ist auch immer so ein bisschen im Vertrieb tätig, wenn man so einen Transfer macht« (K06.12:764–769).

Vertrieben wird die Aussicht auf einen Gewinn, der aus der Einlassung auf die Leitidee eines kohärenten Bildungswesens erwächst. Die Offenheit besteht von Beginn an in der Klärung, dass die Verantwortung für ein BMK nicht delegiert werden kann: »Und man muss aufpassen, dass man nicht immer in die gleiche Ecke geschoben wird: ›Wir Städte haben ja alle kein Geld und können uns das nicht leisten, so was zu tun‹. Oder: ›Wir haben ja nicht das Personal, ihr habt das Personal‹« (K06.12:774–780). Die Kommunikationsart der Koordinatorinnen bewegt sich innerhalb des Lebenslangen Lernens, was eine Überschreitung einer Projekt-Politik nahelegt und die Orientierung an einer Verantwortungsgemeinschaft für die kommunale Organisation von Bildung aufdrängt. Der Appell ruft zur politischen Willensbekundung und Annahmebereitschaft von Lernen vor Ort als Programm auf: »Es muss also politischer Wille sein, einen Transfer anzunehmen« (K06.12:783). Diese Annahmebereitschaft beinhaltet die Handlungsbereitschaft, »Personal dafür zur Verfügung zu stellen, um den Transfer eines Projekts in eine andere Stadt zu gewährleisten« (K06.12:785–786). Die Aufgabe von Transferbegleiterinnen besteht darin, Konzepte vorzustellen. In dieser Erziehung durch Lehre vergegenwärtigen sie in erfolgreichen Modellen sedimentiertes Transferwissen. Das ostensive Zeigen vor Ort, das mitgehende Üben von Transferprozessen liegt bei den Kommunen: »Man kann das Konzept weitergeben, transferieren, aber man kann nicht das Personal dahin schicken« (K06.12:787–788).

1.1.3 Zwischen Schenken und Einfordern

Die Mobilisierung politischer Unterstützung stellt somit Eingangspforte und zu überwindendes Hindernis für den Transfer gleichermaßen dar, denn sie ist unberechenbar und erfordert »kleinteilige Kommunikationsarbeit« (K06.12:829): »Ich denke, wichtig ist, dass man überhaupt an Politiker rankommt. Und das ist schwierig, das geht in einigen Kommunen besser, in anderen schlechter« (K06.12:802–804). Zwar ermöglicht der Lenkungsausschuss als institutionalisiertes Gremium des Regionalen Bildungsnetzwerks, die Kommunalpolitik der kreisangehörigen Städte über Tischvorlagen zu erreichen. Der Ansprache über Strukturformate müssen aber direkte Kontakte vorausgehen: »Da braucht man immer Mittelsleute, die einen dahin bringen, überhaupt mit Politik in Kontakt zu kommen. […]. Man muss im Vorfeld Überzeugungsarbeit leisten und mit jeder einzelnen Kommune, deren Stimme man haben will, reden und auch überzeugen von der Wichtigkeit« (K06.12:806–819). An dieser Stelle setzt die Verkaufsarbeit an, die spätere Tischvorlagen in eine soziale Sanktion transformieren, denn Entscheidungsträger sollen erkennen: »Im Prinzip ist das ein Geschenk, die kommen und bringen einem was« (K06.12:822–823). Politische Entscheidungsträger müssen sich zu einem ›Geschenk‹ verhalten und offenbaren damit ihre Gegenleistung auf Erwartungen der Schenkenden. Die Überzeugungsarbeit zielt auf Unterstützung als Gegenleistung: »Das muss man anderen erklären, wie wichtig das ist, damit die die wichtigen Politiker überzeugen, die dann ihre Hand dafür heben im Lenkungsausschuss« (K06.12:826–827). Der Organisationsmodus der Tischvorlage und deren Bearbeitung nach dem IDE-Modell erzeugen Annahmebereitschaft in der Kommunalverwaltung dadurch, dass dieses Verfahren an Kommunikationsarten der Administration anschließt. Anschlüsse an Kommunikationsarten innerhalb der kommunalen Organisation des BMK, das sich am Lernen im Lebenslauf orientiert, müssen indes über Geschenke als soziale Sanktion hergestellt werden: »Man kann nicht davon ausgehen, man schreibt ein Papier, so wie beim Elternabend, man schickt einen Brief und lädt die Eltern ein, sondern man muss immer die Kommunikation suchen« (K06.12:831–833).

1.1.4 Zwischen Aufzeigen und Aufnötigen

Überzeugungsarbeit ist auch in Bezug auf den Gewinn der Darstellung vergleichender Daten in einem kreisweiten Bildungsbericht vonnöten, »weil viele sagen: ›Ich will gar nicht‹« (K06.12:965). Ein Vergleich ist vor allem jenen Städten, denen es »sehr gut geht […] im Kreis«, nicht einsichtig: »Uns kann man ja gar nicht vergleichen« (K06.12:966–968). Die initiativen Lernen-vor-Ort-Städte sehen hingegen den Wert eines kreisweiten Bildungsberichts darin, sich damit selber etwas aufzuzeigen, um zu lernen: »Jetzt sieht man alles im Bildungsbericht schön nebeneinanderstehen, sieht, wie sind die anderen Städte aufgestellt, kann da auch noch mal fragen: ›Warum ist die Stadt XY denn viel besser aufgestellt als ich? Was kann ich denn daraus lernen?‹« (K06.12:938–948). Die Sichtbarkeit vergleichender Darstellungen führt zu »kleineren und größeren Diskussionen« innerhalb der Kommunen, »aber auch innerhalb der anderen Städte mit dem Kreis« (K06.12:952–953). Dass »die Daten überhaupt veröffentlicht werden, dass man sich mal nebeneinander sieht« (K06.12:957–958), drängt auch bisher wenig an Lernen vor Ort beteiligte Kommunalpolitiker zu Stellungnahmen. Ob Vergleiche abgelehnt oder gewünscht werden, ist nachrangig. Was bleibt, ist die Unabweisbarkeit der Anmahnung, die von einem Bildungsmonitoring an die Kommunalpolitik ausgeht, ein datengestütztes BMK aufzubauen. Diese Anmahnung setzt das Nachfolgeprogramm Bildung integriert fort. Es richtet sich dezidiert an Kreise und kreisfreie Städte, »die nicht bereits im Rahmen des Programms LvO gefördert wurden« (BMBF, 2015, S. 3). Gegenstand der Förderung ist der »Ausbau einer Datenbasis zur kontinuierlichen Bildungsberichterstattung sowie der Aufbau und die Sicherung von Netzwerken und Steuerungsgremien auf kommunaler Ebene« (BMBF, 2015, S. 2). Appellative Operationen des Zeigens, die in erster Linie die Kommunalpolitik adressieren, werden damit auf Dauer gestellt.

1.1.5 Zwischen Erklären und Indoktrinieren

Zeiträume der Artikulation für den Transfer von erfolgreichen Konzepten erstrecken sich am Ende von Lernen vor Ort hauptsächlich auf die vier bereits bei der Antragstellung federführenden Leuchtturmkommunen: »Und das ist, glaube ich, das Problem – das war bei uns ein Ergebnis der Evaluation –, dass wir eine sehr schlechte Resonanz in Bezug auf die Regionalen Bildungsnetzwerke bekommen haben« (K02.15:261–264). Es ist voraussetzungsreich, Kommunen, »die bisher kein Leuchtturmprojekt haben, […] mit ins Boot zu holen« (K10.11:739–747). An Einzelgesprächen zeigt sich, dass zunächst die Idee von Lernen vor Ort erklärt werden muss: »Denen muss man erst klarmachen: ›Was ist Lernen vor Ort, […], was sind die Strukturen?‹. Es geht um Strukturaufbau« (K10.11:767–772). Es bedarf direktiver Operationen des Zeigens im Modus des Appells an die Verantwortlichkeit von Kommunen, strukturelle Transfervoraussetzungen erst zu schaffen: »Die denken ja die ganze Zeit nur, wir kriegen Personalressourcen und die machen mir jetzt ein Bildungshaus« (K10.11:774–775).

Vor dem Hintergrund dieser Einflussnahme auf Haltungen rückt ins Bewusstsein, warum der Transfer innerhalb der Pionierkommunen gelingt: »Ich kann denen sofort sagen, so und so ist die Struktur hier, das sind eure Ansprechpartner. Ich eröffne Türen« (K10.11:761–763). Transferofferten werden deshalb als offene Türen erkannt, weil vor Ort bereits Kooperationsstrukturen bestehen: »Die haben eine Grundlage, in der sie arbeiten können, jetzt, um vielleicht ein neues Projekt oder eine neue oder andere Struktur aufzubauen« (K10.11:764–765). Wo diese Strukturen fehlen, muss erst ein Projektdenken überwunden werden: »Dass es nicht darum geht, dass die mich […] kriegen als zusätzliche Kraft, die sie günstigerweise vielleicht noch für andere Themen einsetzen können. So stellen die sich das ja vor, so war es ja auch in anderen Projekten bisher« (K10.11:776–780). Diese Rollenklärung stellt eine konfliktträchtige Transfer-Hürde dar, die bei Kommunen Fragen und Irritationen auslöst: »Wofür seid ihr eigentlich da? Geht es tatsächlich um Strukturaufbau? Das ist ja komisch« (K10.11:786–791).

Ein Selbstverständnis der Kommunen als aktiv Gestaltende von Transferprozessen hat sich noch nicht auf alle kreisangehörigen Städte ausgeweitet. Ein gemeinsam geteiltes Verständnis eines BMK bleibt daher zunächst auf die vier Pionierkommunen begrenzt, die sich eine Bündelung von Interessen wünschen: »Meinem Empfinden nach wird zu wenig auf den Leuchtturm- und Bildungskonferenzen […] vereinbart« (K10.11:1136–1137). Entscheidungen als Ergebnis von Verhandlungen in den Bereichen Inklusion und Chancengerechtigkeit würden das Einflusspotenzial stärken: »Wir hätten die Möglichkeit, zum Beispiel jetzt bei der Bildungskonferenz […], Dinge kreisweit zu vereinbaren oder ein Signal an die Landesregierung zu schicken. Das wird aber nicht gemacht« (K10.11:1140–1151). Dieser Schritt ist noch zu früh, »weil sich die Kommunen erst seit zwei Jahren über Bildung in so einem Rahmen austauschen« (K10.11:1156–1157).

1.1.6 Zwischen Fachkonferieren und Entscheiden

Dennoch stellt das Regionale Bildungsnetzwerk »eine verlässliche Größe« (K06.15:378) für eine dauerhaft politische Anbindung von Bildungs- und Lernprozessen auf vielen Ebenen dar. Es gewährleistet die Struktur, mittels der ein interkommunaler Transfer innerhalb der Leuchtturmkommen erhalten und auf weitere kreisangehörige Städte ausgedehnt werden kann: »Es scheint sich nun die Logik des Programms Lernen vor Ort zu erfüllen, dass alle, die in den Strukturen sitzen, tatsächlich jetzt auf sich angewiesen sind, ohne dass das Programm sie noch unterstützt« (K02.15:703–705). Scheidende Lernen-vor-Ort-Verantwortliche sind sich »darüber im Klaren, dass [sie] nicht das aufrechterhalten können, was vorher gewesen ist« (K02.15:708–709). Sie versuchen es »mit Verlagerung, mit neuen Netzwerken, mit einer neuen Ausrichtung« (K02.15:710–712). Angesprochen ist damit die Frage, welche Elemente der Steuerungsarchitektur ohne Fördermittel und damit zusätzliche Personalressourcen fortgeführt werden können. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich die Fachkonferenz als ein »super arbeitsfähiges Gremium« (K06.14:1054) etabliert, »die regelmäßig auch mit ähnlichem Personal und Akteuren« (K06.14:1036–1037:) arbeitet: »Die hat am Anfang gar nicht so gut angefangen. Das war – ziemlich vorsichtig [gesagt] – holprig. Bösartig könnte man sagen, dass da einige dabei waren, die überhaupt nicht eingesehen haben, was wir jetzt von denen wollen. Es hat sich aber dann sehr gut entwickelt« (K06.14:1047–1051).

Während sich die grosse Gruppe »nur zwei bis drei Mal im Jahr« (K06.14:1055) trifft, bearbeiten Untergruppen Themen im Bereich der Bildungsübergänge und -beratung. Mit dem Weggang des Lernen-vor-Ort-Personals muss »ein Modus gefunden werden« (K06.14:1062), um diese Bildungswerkstätten in die Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks zu überführen: »Und dann müsste man gucken, ob man tatsächlich noch irgendwelche Impulse setzen […] und punktuell zumindest dieses Instrument wieder aufleben lassen kann« (K06.14:1068–1070). Als »ganz besonders schade« bewertet eine Lernen-vor-Ort-Verantwortliche die Auflösung der Bildungswerkstatt im Bereich der frühen Bildung: »Das Ding ist fast am wichtigsten, weil die nämlich so ein Gremium fast überhaupt nicht haben, vor allem nicht kreisweit« (K06.14:1073–1078). Den Vorteil eines kreisweiten Gremiums sieht sie darin, »dass man bestimmte übergreifende Dinge da besonders gut besprechen kann«, weil Träger an einem gemeinsamen Treffen ihre Anliegen an kommunalpolitische Entscheidungsketten anbinden können und nicht in jeder Kommune einzeln vorsprechen müssen: »Sie müssen sich nur vertreten fühlen, um dann noch mal Impulse in die Breite zu bringen. Die waren auch sehr motiviert, daran weiterzuarbeiten« (K06.14:1079–1086).

Mit dem Auslaufen der Stellen für Bereichsleitungen der Aktionsfelder verlagert sich der Ausgangspunkt für Impulse. Gingen diese im Projektverlauf vom pädagogischen Personal aus, liegt die Federführung nun beim Lenkungsausschuss. Die politische Unterstützung wird nicht im Bereich inhaltlicher Fragen erwartet, sondern in Bezug auf die Schaffung von Stellen. Diese fällt kreisweit sehr unterschiedlich aus: »Es gibt andere Städte, wo sehr viel mehr gelaufen ist, wo die politische Akzeptanz von mehreren Parteien und dem gesamten Rat oder Kreistag da ist. […]. Und bei uns ist noch nicht einmal die eine Stelle klar« (K06.14:1125–1132). Der Exodus der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden aus den Kommunalverwaltungen des Kreises nach Auslaufen der Förderlaufzeit ist »von Anfang an klar« und »dass diese Stellen dazu da sind, um diese Handlungsfelder und Projekte aufzubauen« (K08.14:662–663). Ebenso klar ist von Beginn an, »dass es dann in der Verantwortung der jeweiligen Stadt liegen wird, das auch nachhaltig abzusichern« (K08.14:665–666). Was im Rahmen der Förderlaufzeit in die interessierten Städte transferiert werden konnte, soll auch fortgeführt oder in weitere Projekte überführt werden. So trägt das Landesprogramm Kein Abschluss ohne Anschluss (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen [MAIS], 2013) den Gedanken der Übergangsgestaltung von der Schule in den Beruf weiter. Mit dem strukturellen Anschluss via Programmpolitik ist teilweise auch eine Verstetigung über das Personal gesichert, das die Idee eines Programms weiterträgt: »Wir haben jetzt neu das Kommunale IntegrationszentrumFootnote 6. Auch da sind zwei Kolleginnen aus Lernen vor Ort rübergewechselt mit ihrem Knowhow und bleiben dort aktiv« (K08.14:709–714).

1.1.7 Zwischen Lernen und Zeigen

Die mit der Antragstellung vorgenommenen Weichenstellungen, Lernen vor Ort »in diese nachhaltige Struktur des Aufbaus des Bildungsnetzwerks« zu integrieren, mündet in die Metapher, »dass der Wagon Lernen vor Ort sich in den Güterzug Regionales Bildungsnetzwerk eingeklinkt hat« (K08.14:750–757). Verstetigung in diesem Bild bedeutet eine temporäre Anreicherung der Wagontypen, deren Transportgut schließlich reduziert wird: »Die Wagons sind vielleicht leichter geworden, […], aber er fährt immer noch in die richtige Richtung, und weil er leichter geworden ist, ist er vielleicht sogar schneller geworden« (K08.14:791–795). Neben den ›Brute Facts‹ von Feinjustierungen, die dem Ende externer Alimentierung geschuldet sind, bleiben unsichtbare Operationen des Lernens, die Koordinatorinnen potenziell in nächste Projekte und in deren Zeiträume der Artikulation tragen. Im Bereich der Haltungen setzen sich die Erfahrungen als Stärkung der Spannkraft ab: »Man muss lernen, noch mehr Geduld zu haben als man ohnehin schon hat und eine noch höhere Frustrationstoleranz zu entwickeln, als man ohnehin schon hat für Projekte, immer wieder neu und genau zu gucken, warum es irgendwo harkt« (K06.14:1151–1153).

Die mitgehende Beratung von Transferprozessen trägt zur Einsicht bei, »dass diese Prozesse nur wenig vorhersehbar und nur bedingt von außen planbar sind, weil die Bedingungen in jeder Stadt anders sind« (K06.14:1164–1165). Der Transfer von Strukturelementen des Projekts Ein Quadratkilometer Bildung »in einen anderen, angrenzenden Stadtteil« zeigt »allein in dieser räumlichen Nähe […] ganz unterschiedliche Problemlagen« (K02.11:1572–1576). Transferwissen so festzuhalten, dass andere Kommunen davon lernen können, muss das Allgemeine im Besonderen entdecken: »Wie wird der Transfer aufgebaut? Und natürlich auch, was wir transferieren konnten und was nicht und warum nicht. Und dann noch mit dem Effekt, was man bedenken müsste, wenn dieses auch in andere Kommunen transferiert wird« (K02.11:1584–1590).

Die hohe Kontingenz fordert den Bereichskoordinatorinnen Bewältigungsstrategien ab. Sich Beratung zu holen, unterstützt den Umgang mit bedingt planbaren Situationen und entlastet vor dem überfordernden Anspruch, Mehrebenenspiele durchregieren zu können: »Es braucht eine enge Begleitung, es braucht möglichst externe Moderation« (K06.14:1155). Eigene Zeiträume der Artikulation für das Team der Koordinatorinnen tragen zur Unterscheidung kaum beeinflussbarer und gestaltbarer Situationen bei. So entzünden sich an Treffen mit dem pädagogischen Personal von Kindertagesstätten und Grundschulen Konflikte, die sich nicht auflösen, aber »positiv unterstützen« lassen, so »dass die sich auch mal streiten, wenn es sein muss, streiten im Sinn von sich auseinandersetzen können« (K06.14:1181–1183).

Eine stärkende Hinterlassenschaft des Umgangs mit Kontingenzen stellt auch die Gelassenheit dar, die als Operation des Lernens mit dem Personal wandert: »Die vier Jahre Lernen vor Ort, die haben noch mal sehr, sehr viel mit mir gemacht. Wenn ich nämlich dann jetzt schau, dass ich jetzt hier seit Januar bin, dass ich mit ganz vielen Prozessen überhaupt kein Problem habe« (K02.14:579–582). Erfahrungen setzen sich als Fähigkeit ab, in Distanz zu ambivalenten Situationen zu treten: »Weil ich da in dem Sinne drüber stehe, aber nicht in Form von Arroganz oder Überheblichkeit, sondern aus […] einer gewissen Reife und Professionalität heraus« (K02.14:583–585). Die neue Position ermöglicht, Handlungsmöglichkeiten in Anbetracht von Unwägbarkeiten anders einschätzen zu können und schärft das Entscheidungsvermögen, wann eine unbedingte Einlassung und wann Distanzierungen angebracht sind: »Ich muss dann für mich selber gucken, wie bring’ ich mich da ein, wo nehm’ ich mich da raus’, wo lass’ ich das erst mal sich entwickeln, ne, weil es kann in zwei, drei Tagen schon anders sein« (K02.14:588–590).

Was Kontingenzen überhaupt erst konstituiert und Bewältigungsstrategien herausfordert, nämlich die mit dem Programm implizierte Auflage, datenzeitlich verfasste Operationen des Zeigens in modalzeitlich verfasste Operationen des Lernens zu transformieren, wendet sich zur willkommenen Exit-Option. Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende leiden unter temporären Arbeitsbedingungen und nutzen sie als Sprungbrett für berufliche Weichenstellungen: »Ich bin froh, dass ich jetzt nicht mehr dabei bin« (K02.14:959). Die Ambivalenz der Programmpolitik schreibt sich als Erschöpfung und Enthusiasmus gleichermaßen ein: »Ich konnte nicht mehr. Ich hatte keine Kraft mehr« (K02.14:960–961). Die Artikulation unterschiedlicher Kommunikationsarten ermüdet: »Dieses Aufweichen von verkrusteten Strukturen, es ist echt mühselig, und es ist ja nur ein kleiner Bereich« (K02.14:962–964). An die Substanz geht die Kommunikationsarbeit, weil Handlungslogiken nicht verändert, sondern erhalten und ins Gespräch gebracht werden: »Wenn wir die Prozessbegleitung für den Transfer gemacht haben, wie ‘ne Bildungsvereinbarung in ‘ne andere Stadt zu transferieren, da wirklich so viel immer aushalten zu müssen, diese unterschiedlichen Ebenen, die da drin sind« (K02.14:965–968).

Die Möglichkeit des Ausstiegs begründet ein temporär herausragendes Engagement und einen beherzten Absprung: »Also, ich muss sagen, ich vermiss’ Lernen vor Ort grad kein Stück« (K02.14:969). Dennoch setzen sich Erfahrungen nicht als fehlgeleitetes Commitment ab, sondern dieses wird im Gegenteil durch Strategien der Schadenskontrolle auf Linie gehalten: »Ich glaub’, noch ‘n Jahr länger, hätt’ ich die Befürchtung gehabt, dass ich abstumpfe und dass ich nur noch meine Arbeit abarbeite und mein Herz auf der Strecke bleibt dabei. Darum war das genau der richtige Zeitpunkt zu gehen« (K02.14:971–974). Um die Ideen des Programms zu schützen und die eigene Begeisterungsfähigkeit zu erhalten, muss Lernen vor Ort zum Nebenengagement werden: »Das Widersprüchliche, was ich da ja halt ganz klar sehe, ist, dass ich die Idee dahinter gut finde, dass ich gerne für das Projekt gearbeitet habe, dass mir meine Arbeit Spaß gemacht hat, aber dass ich froh bin, dass ich jetzt da raus bin« (K02.14:977–981). Nicht der Bruch mit einer Idee, sondern die handelnde Nähe zu ihr, kennzeichnet das Nebenengagement zentraler Akteure.

Die zeitliche Befristung der Programmpolitik befördert auch ein peripheres Engagement mit einem schwach ausgeprägten Commitment von Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden: »Es war schon schwierig genug dadurch, dass diese kurzfristigen Verträge immer mal wieder dazu führten, dass irgendwer gesagt hat: ›Jetzt habe ich aber über diese Schiene was Neues entdeckt, wo ich mich bewerbe und gehe raus‹« (K20.11:860–864). Das Job-Hoppen belastet die kleinräumige Arbeit und findet mit der kommunalen Verankerung der Bereichsverantwortlichen einen Gegenpol, die den Bereich der Sprachförderung als »ein festgezurrtes Kind« (K20.11:1003–1004) bewachen und die jungen Menschen anleiten: »Pass mal auf, so sieht das bei uns aus, guck mal, ob du das so machen kannst, oder guck mal, ob du eine Idee dazu hast« (K20.11:874–875). Deren Professionalisierung findet ›on the job‹ (K06.12:738–739) statt und ist durch temporäre Verträge gerahmt.

Da die kreisangehörigen Städte alle »unter den RettungsschirmFootnote 7 des Landes gegangen worden« (K06.12:1318) sind, stehen sie unter dem Diktat eines Haushaltssanierungsplans und dem Ziel eines Defizitabbaus (Stolzenberg & Heinelt, 2013, S. 472): »Bei uns ist nur von Personalabbau die Rede und nicht davon, Personal einzustellen und auch freiwerdende Stellen werden nicht wieder besetzt, so lange wir unter diesem Rettungsschirm sind« (K06.12:1324–1331). Eine dauerhafte Übernahme von Lernen-vor-Ort-Personal in die Kommunalverwaltungen ist nicht vorgesehen. Fluktuationen sind daher nicht nur der Programmpolitik, sondern zusätzlich der kommunalen HaushaltskriseFootnote 8 geschuldet: »Und so leid mir das tut, deshalb wechseln auch unsere Projektmitarbeiter« (K06.12:1334). Kommunalverwaltungen treiben Fluktuationen innerhalb von Lernen vor Ort sogar voran: »Also, wir hatten jetzt mehrere freie Stellen innerhalb des Kreises und da haben wir unsere Mitarbeiter hin vermittelt« (K06.12:1350–1351). Aus Sorge um das Personal und im Wissen darum, dass »in der Kommune keine Stelle geschaffen wird«, empfehlen sie dieses weiter: »Da muss man auch gucken, dass man zusieht, dass man gute Leute auch gut unterbringt« (K06.12:1357–1363). Eine Verstetigung von Lernen vor Ort kann somit nicht über eine kontinuierliche Besetzung von Personalstellen erfolgen: »So leid mir das dann immer für meine Institution tut, aber es ist auch wichtig zu gucken, dass gute Leute auch gute Stellen finden« (K06.12:1366–1367. Was bleibt, ist Lernen vor Ort als Katalysator des Regionalen Bildungsnetzwerks, dessen Personalressourcen genutzt wurden, »um das Bildungsnetzwerk inhaltlich zu füllen« (K08.12:425) und das sich nun abkoppelt. Den Zug Regionales Bildungsnetzwerk weiterfahren zu lassen, bedeutet, »zunehmend Projekte, […], die an das Bildungsnetzwerk herangetragen werden«, über das Regionale Bildungsbüro zu koordinieren: »Die hatten wir am Anfang nicht. Da musste […] erst mal dieses Netzwerk wachsen« (K08.12:429–436).

1.2 Als Stadtverwaltung eine Resonanzstruktur für die Stadtgesellschaft etablieren

Mit der AG Bildung institutionalisiert die Stadt den Mechanismus, kommunale Aufgaben der Daseinsvorsorge als Bildungsfragen zu reformulieren. Sie beansprucht den Lead, die Bildungsstadt innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung zu orchestrieren und sichert diesen mit einer politisch legitimierten Leitungsstelle des neuen Bildungsamts. Die Konzentration auf die kommunalpolitische Unterstützung und den Organisationskern der Stadtverwaltung verstetigt das KBM auf Transferstufe 1, was eine Weiterführung am selben Ort, aber ohne Fördermittel, bedeutet (Rullmann & Uske, 2014b, S. 9). Im Übergang zur Transferinitiative, bei der sich die Stadt am Programm Bildung für Neuzugewanderte beteiligt, nimmt das Steuerungsgremium seine Arbeit auf. Dieses legitimiert das Engagement externer Partner und die ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung. Das Netzwerk Bildungsberatung und die Bildungsdatenbank etablieren sich als Zeiträume, in denen korporative Akteure der Bildungsstadt für Bürgerinnen und Bürger Operationen des Zeigens bereitstellen. Dem KBM kommt die Aufgabe zu, die Handlungsorientierung am Lernen (im Lebenslauf) auf Linie zu halten. Es legt den Schwerpunkt auf systemintegrative Artikulationsarbeit und adressiert Bürgerinnen und Bürger mittelbar über die Schaffung von Möglichkeitsstrukturen zum Lernen.

Eine erste Hürde zur Verstetigung des KBM nimmt die Stadt mit der Antragstellung zur Teilnahme an der zweiten Förderphase. In der Wahrnehmung des Projektleiters ist eine fortgesetzte Einbindung des Stadtrats und der Kooperationspartner »richtig prekär« (S08.12:12), weil bilanziert wird: »Was ist erreicht worden, was nicht?« (S08.12:14). Da sich das Bildungsleitbild »sehr positiv darstellt« (S. 08.12:30), stimmen alle Fraktionen zu: »Jawoll, machen wir noch mal« (S. 08.12:31). Die AG Bildung hat sich als Gremium der »Zuarbeit« (S. 08.12:123) für anstehende Fragen (S08.12:127) etabliert: »Auch wenn diese Phase zu Ende ist, wird das weiterlaufen« (S. 08.12:127–128). Die Arbeitsgruppe stellt sich als ein »ineinander verzahntes Netzwerk« (S08.12:137–138) dar, die nicht nur Bildungsfragen »im engeren Sinn« (S08.12:131) bearbeitet: »Die Kulturdirektion hat was vorgestellt zum Thema UNESCO-Weltkulturerbe« (S08.12: 132–133). Die Abteilung für Stadtentwicklung bringt ihr Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung im verwaltungsintern durchmischten Gremium unter. Politische Unterstützung erfährt das Projekt durch die Einbindung der Verwaltungsspitze und des Oberbürgermeisters: »Die […] hab’ ich persönlich ja immer im Blick« (S. 08.12:143–144).

Der schwierigen Haushaltslage setzen die Verantwortlichen den politischen Willen gegenüber, das KBM über die Programmzeit hinaus durch Stellen zu sichern: »Ist schon ambitioniert, das Projekt. Wir wollen das weitermachen, wir machen auch diese nachhaltigen Stellen« (S08.12: 149–150). Mit der Umstrukturierung der Gesamtleitung des Projekts, die mit der zweiten Förderwelle in einer Hand liegt, markiert die Stadt die vorgesehene Leitungsstelle im Amt für Bildung. Das neue Amt soll auch künftig einen Zeitraum der Artikulation darstellen, in dem sich die Amtsleiter für Operationen des Zeigens und Lernens treffen. Der Begriff der Bildung schafft ein breites Dach, unter dem fachspezifische Fragen temporär als Bildungsfragen respezifiziert werden. Die Orientierung am Lernen schafft eine gemeinsame Handlungslogik und ermöglicht den Anschluss ressortspezifischer Kommunikationsarten. Dem KBM kommt dabei eine koordinierende Rolle zu. Es regt das gemeinsame Dachthema »Bildung als Schlüssel zum Erfolg« (S02.14:764) an, bereitet Vorlagen vor, pflegt den Kontakt mit den Arbeits-Innungen und leitet Sitzungen mit dem Steuerungsgremium.

Auf den Schwerpunkt Bildung für nachhaltige Entwicklung soll das Übergangsmanagement im Bereich der beruflichen Qualifizierung folgen: »Das hat sich jetzt so langsam so gefunden« (S02.14:833–834). Auch außerhalb der Stadtverwaltung zeichnen sich Verstetigungen ab. Über vierzig Trägerorganisationen des Netzwerks Bildungsberatung haben sich selber Qualitätsstandards gesetzt: »Die haben sie also festgeschrieben und die haben sie auch alle unterschrieben […] und haben gesagt: ›Das wollen wir einhalten, dass bei uns Beratung stattfindet‹« (S02.14:109–115). Eine seitens der Stadtverwaltung legitimierte und verstetigte Anbindung von Bildungsangeboten der Bildungsstadt erfolgt über eine Kontrollfunktion der Bildungsdatenbank. Aufgeschaltet wird nur, was die Stadt freigibt: »Da gehen wir hin und schauen’ s uns an und nur […], wo wir als Stadt sagen können, jawohl, dahinter können wir stehen, dann nehmen wir’s auch in den Katalog« (S02.14:177–187).

Das KBM verstetigt sich auf Transferstufe 1. Mit der Nachhaltigkeit innerhalb der Bildungsstadt festigt es die Lernen-vor-Ort-Errungenschaften mithilfe eines Steuerungsgremiums und etabliert eine Resonanzstruktur für die Stadtgesellschaft mit Vermittlungsstrategien des Misch-Typs 3/4.

Die Stadt nutzt Lernen vor Ort, um das Amt für Bildung als institutionalisiertes Format für die ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung inhaltlich zu unterfüttern. In den Aktionsfeldern sieht sie ein Arrangement zum Lernen: »Die […] Module Management, Übergang, Monitoring und Beratung sind vier Begriffe, die exakt beschreiben, wo sich demnächst unsere Aufgaben […] widerspiegeln. Dort wird etwas passieren« (S16.11:1236–1239). Dieses Lernen kennzeichnet sich durch willkommene Gelegenheitsstrukturen, in denen Verantwortliche der Kommunalverwaltung die Programmvorgaben als Ressource begreifen: »Und das vorgedacht zu haben, unterstelle ich einmal, war eine echt große Leistung« (S16.11:1242–1243). Ressourcen sind nicht lediglich monetärer Art, sondern verbergen sich in der Möglichkeit, die bereitgestellten konzeptionellen Überlegungen als Operationen des Zeigens zu verstehen und zum Experimentieren zu nutzen: »Es wird an dieser Stelle etwas passieren, was, wird jetzt vierzigfach regional erkundet« (S16.11:1245–1246). Bundesweit regionale Erkundungen konstituieren eine immense Lernlandschaft. Die Stadt begreift das Programm nicht als zweckfreien Zeitraum, sondern als Fundus, um kommunale Aufgaben zu bewältigen: »Es gibt uns auch die Instrumente, diesen nicht wehrlos gegenüberzustehen. Wenn ich mich im demographischen Wandel umsehe, […], dann weiß ich, wie ich diesen begegnen muss und habe etwas aus den Übergängen und aus dem Management gelernt« (S16.11:1248–1253).

Das Amt für Bildung will als Dienstleister für andere Ämter innerhalb der Stadtverwaltung und für Bürgerinnen und Bürger der Bildungsstadt gesehen werden. In diesem Anspruch setzt es auf Ansprechbarkeit, vermittelt über das Programm Lernen vor Ort: »Ich sehe es als meine Aufgabe in diesem Projekt, dafür Sorge zu tragen, muss präsent sein, muss erkannt werden, damit eine Akzeptanz aufgebaut wird und auch ein Vertrauen in diese Kompetenz« (S16.11: 1271–1273). Zu dienen, beinhaltet Leistungserbringungen, die »keiner erwartet hätte« (S16.11:1277) und die nach Programmende in Erinnerung bleiben sollen: »Diese Hilfestellung ist ja das, was von Lernen vor Ort am Ende, wenn alle gegangen sind, übrigbleibt« (S16.11:1291–1292). Als Stadtverwaltung einen Resonanzraum für die Stadtgesellschaft zu etablieren, wird – bedingt durch das Erfordernis, etwas Bleibendes zu schaffen –, von kommunalpolitischen Akteuren angetrieben: »Es war also einer der ersten Fragen vor dem Stadtrat, die ich beantworten musste, um Lernen vor Ort grünes Licht zu geben: ›Was bleibt danach?‹« (S16.11:1295–1297). Eigenmittel als öffentliche Gelder aufzubringen, bedarf der Rechenschaftslegung: »Alle Fördermittel sind aufgebraucht, es ist alles abgerechnet, alle haben sich auf die Schulter geschlagen. Was haben wir dann? Oder haben wir dann nichts? Ist alles weg?« (S16.11:1298–1301). Die Kommunalpolitik verlegt Strategien der Verstetigung als durchgehendes Verhindern von Leerstellen bereits in die Anfangsphase der Programmzeit und dirigiert auf Sichtbarkeit angelegte Aktivitäten: »Und diesem Nichts muss ich entgegensteuern« (S16.11:1304).

1.2.1 Zwischen Partizipieren und Immunisieren

Das KBM entgegnet dem politischen Druck, Nachweise zu erbringen, mit Verfahren der Qualitätskontrolle. Organisationen, die sich mit ihren Angeboten in der Bildungsdatenbank präsentieren wollen, müssen »einen Qualitätsbogen ausfüllen« (S02.13:984) oder sich zur Überprüfung durch Mitarbeitende der Stadtverwaltung bereiterklären. Eine Arbeitsgruppe entwirft für das in der ersten Förderphase aufgebaute Netzwerk Bildungsberatung (S02.13:1008–1009) ein Qualitätsmanagement: »Da gibt es also erste Entwürfe von Qualitätsstandards an Bildungsberatung […], wo alle sich verpflichtet haben, da mit dran zu arbeiten, und wenn die dann abgestimmt und erarbeitet worden sind, sich daran zu orientieren in Zukunft« (S02.13: 1017–1018). Mit dem Wunsch, das KBM zu zertifizieren, erfahren Autonomiebestrebungen eine Steigerung: »Dann ist klar, das ist Qualität und da wird dann nicht diskutiert. Würde mich freuen, wenn wir auf den Weg auch mal kommen, dass kein Stadtrat sich mehr hinstellen kann und kein Externer mehr sagen kann: Das ist so 08/15« (S02.13: 1040–1045).

Ein Qualitätsmanagementsystem dient dazu, »ein Stück weit den Gegenwind aus den Segeln zu nehmen« (S02.13:1053–1054) und steht für eine Strategie der Abschirmung. Die damit verbundene Konzentration auf den Organisationskern der Stadtverwaltung dokumentiert sich darin, dass »kein Transfer nach außen hin« (S02.13:1099) und damit eine »Nachhaltigkeit« und »Weiterführung am selben Ort, aber ohne Fördermittel« (Rullmann & Uske, 2014b, S. 9) stattfindet. Als »erste Elemente, die in Richtung Transfer gehen« (S02.13:1119), kennzeichnet ein Verantwortlicher den Bildungsbericht, der an den »Jugendhilfebereich andockt« (S02.13:1116) sowie die verwaltungsinterne, ressortübergreifende »Ausschussarbeit« (S04.13:139). Letztere fordert dem KBM Prozeduren des Anschließens von Kommunikationsarten innerhalb der kommunalen Organisation ab. Fraktionen wollen »Möglichkeiten haben, […] Fragen zu stellen« (S04.14:142–143) und »aktiv an dem Prozess auch partizipieren« (S04.13:146). Dass dieser intensiven Anschlussarbeit in der ersten Förderphase zu wenig Rechnung getragen wurde, erfordert Korrekturen, die sich im Stellenprofil des stellvertretenden Projektleiters abbilden, der ausdrücklich Kommunikationsgelegenheiten herstellt: »Aber das ist jetzt nichts, was man nicht noch klarstellen kann« (04.13:135).

1.2.2 Zwischen Aufschließen und Kontrollieren

Trotz der Verankerung des KBM als Stabsstelle, bleibt die ursprünglich vorgesehene Stellendotierung aufgrund der Haushaltslage umkämpft: »Also eigentlich hatten wir gesagt, wir schaffen drei Stellen, jetzt waren’s anderthalb Stellen« (S02.14: 523–524). Während sich vier Personen die 150 Stellenprozente teilen und eine »Struktureinheit« (S02.14:607) bilden, die »nicht in Frage« (S02.14:615–616) steht, ist eine fünfte Stelle zur Bildungsberatung als »interfraktionale Vorlage« (S02.14:648) noch in Arbeit. Stadtverwaltungsinternen Strategien, Hegemoniespiele zwischen Vertretern politischer Fraktionen zu ermöglichen, stehen Strategien gegenüber, die auf das Sichtbarwerden in der Lernen-vor-Ort-Gemeinschaft abzielen. Über einen Beitrag in einem »Werkstattbericht«, dem Magazin, das der Projektträger herausgibt, diffundieren »ein paar gute Beispiele« (S02.13:1106) als Operationen des Zeigens und Lernens in die bundesweite Lern- und Bildungslandschaft hinaus.

Während mit der zweiten Förderphase die externen Partner lediglich »über kleinere Geschichten« und »über Unteraufträge« an die Stadtverwaltung »angebunden« (S04.14:757–758) werden, erfährt »der ganze Bereich Marketing« (S04.13:745) eine Aufwertung. Damit markiert die Stadt den Führungsanspruch bei der Gestaltung der kommunalen Bildungslandschaft. Zur Leadership zählt neben dem Dienstleistungsgedanken der Anspruch, Beiträge zur Bildungsdatenbank daraufhin zu beobachten und zu kontrollieren, dass sie keine Gefährdung für die demokratische Grundordnung darstellen. Zwei rechtsnahen Vereinen wird der Zutritt verwehrt: »Die haben da versucht reinzukommen und das haben wir gemerkt. […]. Das war aber auch nur möglich, weil wir ‘n Tipp hatten« (S02.14:216–219). Die Stadt lernt aus diesen Erfahrungen und lässt Vereinsauszüge und Initiativen von zwei zuständigen Mitgliedern prüfen: »Ich mein’, das war auch Learning by Doing. Aber seitdem haben wir noch ‘ne engere Verzahnung zum BürgeramtFootnote 9« (S02.14:225–226).

Auch der Aufbau eines Steuerungsgremiums beruht auf Erfahrungen. Die Idee des Beirats verwirft das KBM und bekundet mit dem Oberbürgermeister eine dauerhafte Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, der Fachhochschule, der Universität, dem staatlichen Schulamt, der Bürgerstiftung, einer Themenstiftung für berufliche Qualifizierung sowie der Industrie- und Handelskammer. Die Besetzung des Steuerungsgremiums gibt neben der Frage, wer einzuladen ist, viel Klärungsarbeit auf: »Was sollen die machen, was dürfen die machen, was können die machen?« (S02.14:837–838). Schließlich kann mit der Integration der Bildungsdatenbank in die Webseite der Stadtverwaltung eine weitere »große Baustelle« (S02.14:915) geschlossen werden. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche organisieren die Online-Plattform zunächst »unabhängig von der Stadtverwaltung« (S02.14:919–920). Für diese »nichtliebste Variante« (S02.14:924) entscheiden sie sich, weil seitens der kommunalen Datenverwaltung die »Skepsis so groß [ist], dass die Sache nicht funktioniert« (S02.14:966–967). Dass die Bildungsdatenbank in der Öffentlichkeit ein großes Interesse erfährt und die Zugriffszahlen höher sind als auf die offizielle Webseite der Stadt, befördert den Entscheid, das Lernen-vor-Ort-Produkt über die Stadtverwaltung zu hosten: »Jetzt sagen sie: ›Oh, das ist aber nicht gut, machen uns Konkurrenz im eigenen Laden‹« (S02.14:934–939). Mit der Überwindung der Vorbehalte findet sich eine technische Lösung, so dass externe Partner Zugang ins Netzwerk der Stadtverwaltung erhalten: »Das war ‘ne Frage des Willens, was jetzt die Einsicht gebracht hat« (S02.14:988–989).

Die Einflussnahme in Entscheidungsverfahren seitens der Lernen-vor-Ort-Protagonisten bildet sich auch im Umgang mit dem Steuerungsgremium ab: »Das Steuerungsgremium, das nennen wir so. […]. Aber zum Schluss, wir reden ja unter uns, ne, ‘s ist schon ‘n bisschen ein Alibi für uns« (S02.14: 1011–1017). Das Steuerungsgremium ersetzt nicht nur die Verbundpartner der ersten Förderphase, sondern fungiert als Scharnier- und Legitimationsstelle zwischen der Stadtverwaltung und der Stadtgesellschaft. Es schließt die durch das KBM antizipierten Bildungsbedarfe des Publikums an Entscheidungsverfahren an, indem es »dauerhaft Sachen anschieben [kann], die dann hinterher abgesegnet werden« (S02.14:1021–1022). Letztendlich aber steuert das KBM mittels Faits accomplis, denen die politische Spitze gerne folgt: »In der Regel ist das relativ entspannt. Der OB ist jetzt voll drauf« (S02.14:1025–1028). Aber auch das Steuerungsgremium sowie das Kommunalparlament werden als Folger des Strukturprogramms adressiert: »Ich bin da frohen Muts, dass da viel passieren kann und dass wir noch viele Sachen mit den Trägern hinbekommen, was sonst nicht funktionieren würde, wenn wir das nicht hätten, das Gremium. Was den Stadtrat betrifft, haben wir ganz viel reingesteuert. Definitiv.« (S02.14: 1032–1036).

Über die AG Bildung erreicht das KBM die Ämter der Stadtverwaltung und moderiert Abstimmungsprozesse, die »am Anfang alle nicht möglich waren« (S02.14:1045). Neugierig erscheinen die Vertreter zu den Treffen und hören den Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen zu: »Wir [haben] erzählt, was wir machen, wie’s gehen soll, was wir vorhaben« (S02.14:1093–1094). Zugleich zeigen sie sich verhalten und reserviert: »Man war auch ein Stück weit skeptisch, aber man hat vor allem nix preisgegeben« (S02.14: 1097–1103). Ämter begegnen sich zwar nicht als Gegner: »Aber es ist halt doch eine Konkurrenz um die Gunst, um die Töpfe der Stadtverwaltung« (S02.14:1110–1111). Dem KBM gelingt es nicht, dieses Denken aufzubrechen. Die Gelegenheit, sich zu treffen, über Bildung zu reden und »in die Ämter Botschaften« (S02.14:1061–1062) zu senden, bedient aber das reflexive Interesse, Einfluss- und Kontrollpotenziale aufrechtzuerhalten oder zu steigern. Der Kampf um Ressourcen eint die Ämter zum gemeinsamen Vorhaben, sich über die Verteilung von Mitteln zu verständigen: »Wir müssen doch mal schauen, wie wir unser weniges Geld, was nicht mehr wird, effektiver zu nutzen« (S02.14:1077–1078).

Über die Herstellung eines spezifischen Interessenkonsenses hinaus, die der Systemintegration zudient, ermöglicht das KBM auch Gelegenheitsstrukturen für Inklusionsspiele: »Das ist wirklich ein neues Herangehen und wir haben ganz, ganz viele Sachen ins Laufen gekriegt dadurch« (S02.14:1121–1124). In Zusammenarbeit mit den Ämtern gelingt es ihm, außerschulische Lernorte für Kinder und Jugendliche zu erhalten, wo »ökologische Fortbildungslager« stattfinden und »wo Schulklassen, Kindergartenklassen und Gruppen hingehen« (S02.14:1131–1132). Dienstleistungen in Form von Öffentlichkeitsarbeit für jene Ämter, die diese Lernorte betreuen, wirken wieder auf Domänenspiele zurück: »Und das hat dafür gesorgt, dass ganz viele Gräben aufgehoben worden sind in der Zeit« (S02.14:1161–1162). Dass die Stadt für Belange des Publikums aufgeschlossen wird, bildet umgekehrt die Voraussetzung dafür, »von außen aus wahrgenommen« (S02.14:1203) zu werden.

Aufmerksamkeit erfährt die Stadt auch seitens der wissenschaftlichen Begleitforschung, die das Programm evaluiert. Die »Teilnahme am programmübergreifenden Transfer und zum Austausch von Ergebnissen und Erfahrungen« (BMBF, 2008a, S. 8) ist für Zuwendungsempfänger verpflichtend. Die Stadtverwaltung bildet nicht nur einen Resonanzraum für die Stadtgesellschaft, sondern ist darüber hinaus in eine bundesweite Lernlandschaft eingebettet. Lernen-vor-Ort-Verantwortliche nutzen deren Operationen des Zeigens zum Lernen: »Das ist immer hilfreich, wenn man so ‘n Begleitprogramm hat, wo man sich austauschen kann über die Grenzen hinweg, um auch einen Input zu kriegen, was kann ich tun, ne« (S02.14:1323–1325). Die Idee, ein Steuerungsgremium einzurichten, kommt von einem Vertreter des Stiftungsverbunds: »Der hat gesagt: ›Machen Sie nicht so viele, machen Sie lieber klein und nehmen Sie die Chefs ran‹« (S02.14:1345–1346). Das Ringen um Formen und Formate der Beteiligung entscheidet sich somit schließlich zugunsten einer Initiierung ›von oben‹: »Das war so der Ansatz, wo ich sagte: ›Ja, das ist wahrscheinlich der bessere Weg, weil dann wird’s ja verbindlicher‹« (S02.14:1351–1352).

1.2.3 Zwischen Konsolidieren und Innovieren

Ein Transfer des KBM im Sinn einer Weiterführung am selben Ort setzt auf eine Umgestaltung des kommunalen Entscheidungssystems, wie es das Leitbild der Bürgerkommune (Bogumil & Holtkamp, 2010) vorschlägt. Eine Bürgerbeteiligung zielt auf einen umfassenden Kulturwandel und auf kollektive Lernprozesse. Kommunalen Entscheidungsträgern kommt im Modell eine initiierende Rolle bei der Gestaltung dieser Lernprozesse zu.Footnote 10 Ein Lernen-vor-Ort-Verantwortlicher sieht den Vorteil einer dauerhaften kommunalpolitischen Anbindung und Unterstützung im Vergleich zu Lernen-vor-Ort-Kommunen, die den Weg von zivilgesellschaftlichem Engagement aus gegangen sind und »die ganz viel hochgeschossen haben« (S02.14:1358–1359), um dann zu merken: »Sie sind nicht genug in der Struktur drinnen und sie haben nicht den Background, dass sie auch dauerhaft in den politischen Gremien so eine Rolle spielen und auch wahrgenommen werden« (S02.14:1360–1365).

Die hohe politische Unterstützung des KBM in der Stadt verdankt sich der »Sondersituation« (S02.14:1368), dass der Projektleiter auf Erfahrungen mit Verwaltungsarbeit zurückgreifen kann. Zu seinem biographischen Kapital zählen darüber hinaus Kontakte innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung. Verwaltungsreformen hängen in hohem Maß von der Person und Persönlichkeit des Bürgermeisters ab (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 400). Der enge Draht zur politischen Spitze begünstigt »diesen Weg, dass man das über Verwaltung wachsen lässt drei, vier, fünf Jahre und danach in die Außenwirkung geht« (S02.14:1378–1379). Die Teilnahme am Programm stellt sich für die Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen generell als »Erfolgsgeschichte« (S02.14:1453) dar, die sich in ihrer Einmaligkeit rekonstruieren und verstehen, nicht aber als Transfermodell übertragen lässt: »Ich persönlich glaube nicht, dass man viele Sachen eins zu eins nutzen kann« (S02.14:1310–1311). Sie ermöglicht die Binnenmodernisierung der Verwaltung und diese »kulminiert« (S02.14:1457) mit »Faktoren von außen« (S02.14:1465), die den Standort stärken, »was Einwohner, was Image, was die Stadt betrifft« (02.14:1453–1454). Trotzdem fällt die Bilanz ambivalent aus, weil die institutionalisierten Formate sich erst noch konsolidieren müssen. Eine Bildungslandschaft brauche, so ein zentraler Akteur, »zwanzig, dreißig Jahre, […], um da auch dauerhaft alles begriffen zu haben« (S02.14:1657–1658). Im Übergang zum Folgeprogramm der Transferinitiative erweist sich zwar das Steuerungsgremium als »zentrale[s] Produkt«, »Vernetzungsagentur« und »Kulminationspunkt« (S02.14:1674–1679), ein »umfassender Kulturwandel« (Bogumil & Holtkamp, 2010, S. 390) ist aber erst ganz am Anfang: »Ich glaub’ nicht, dass sie sich jetzt so verstehen schon. Ich glaube eher, dass ist zurzeit oftmals so ‘n Sitzen und Überlegen: ›Was machen wir jetzt hier?‹« (S02.14:1686–1692). Noch vor dem Engagement für inhaltliche Fragen steht die Sicherung der Ressourcen und das »Argwöhnen« (S02.14:1737) zu verpassen, »was abgeht« (S02.14:1757): »Sie wollen aber dabei sein, weil sie wissen, Bildungslandschaft ist erfolgreich. Nicht dabei zu sein, ist falsch. […] Nicht dabei zu sein, ist ‘n Ausschlusskriterium, wenn ich nicht dabei bin, bin ich weg« (S02.14:1697–1709).

Das KBM tritt den Ansprüchen der Interessenverbände mit einer »Fokussierung auf Verwaltung« entgegen, »damit die erst mal einheitlich auftritt und sich dann nicht auseinanderdividieren lässt« (S02.14:1742–1746). Mithilfe der Programmressourcen holt es sich für die zweite Förderphase Verstärkung ins Team, die einem gemeinsamen Auftritt der Stadtverwaltung zuarbeitet. Zum Profil der stellvertretenden Projektleitung zählt ein »vorbeugendes Konfliktmanagement« (S04.14:298). Die Einsicht, dass ein solches notwendig ist, geht als Operation des Lernens aus der ersten Förderphase hervor und moderiert ressortübergreifende Kommunikationsgelegenheiten innerhalb der Verwaltung sowie Zeiträume der Artikulation mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Es beinhaltet ein vorausschauendes Agieren und frühzeitiges Antizipieren möglicher Interessenkonflikte, »also von Vornherein in die Strategien und Überlegungen miteinzubeziehen, was könnte als Problemlage thematisiert werden und das nach Möglichkeit strategisch zu erfassen und sich darauf vorzubereiten« (S04.14:302–307). Das Probehandeln zielt darauf, »in Gesprächen […] manchmal auch einfach nur Rat gebend tätig zu sein« (S04.14:3010–311), die Kommunikation aufrechtzuerhalten und somit auch die kommunale Handlungsfähigkeit gegenüber den Ansprüchen von Interessenverbänden. Nicht die Suche gemeinsamer Orientierungen, sondern die Berücksichtigung reflexiver Interessen konstituiert die Leadership: »Die haben vielleicht andere Grundkonstellationen, auf die sie zurückblicken, sie stehen auch im Wettbewerb natürlich mit anderen Akteuren, aber die Problemlagen sind relativ ähnlich« (S04.14:321–326). Das Interesse an basaler Erwartungssicherheit teilen alle beteiligten Akteure.

Dem KBM sind Konflikte zwischen großen Akteuren wie beispielsweise der Industrie-und Handelskammer, der Handwerkskammer und der Hochschule »sehr präsent« (S04.14:341). Ihm kommt der Part zu, Kämpfe um Ressourcen und strategische Zielvorgaben zu sekundieren: »Daher versuche ich schon eben das Konfliktmanagement auch großflächig miteinzubeziehen« (S04.14:341–342). Widerstreitende Interessen treten auch bei der Schulnetzplanung zutage: »Die Kommunikation zwischen dem staatlichen Schulamt und dem Schulträger ist nicht immer die beste, nicht auch immer die einfachste« (S04.14:486–488). Das KBM erfährt ein wachsendes Ansehen, insofern es »wahrgenommen« und »in Arbeitsabläufe miteinbezogen« (S04.14:464–467) wird. Es ist »ein Mittler in seiner Funktion und kann Kontakte herstellen, kann gegenseitig für Verständnis werben und auch versuchen, es herzustellen. Und da wird das Bildungsmanagement sehr aktiv auch angefragt und es wird auf dieses zugegangen« (S04.14:494–505). Damit erfüllt sich das zu Beginn von Lernen vor Ort gesteckte Ziel, eine Struktur zu schaffen, »in der das kommunale Bildungsmanagement ein fester Bestandteil der Stadtverwaltung ist« (S04.11:1253–1254). Auch die Vorstellung, dass dieser neue Akteur sich zum »Kulminationspunkt« entwickelt, in dem »alles zusammenlaufen muss« (S22.11:1404–1406) und von dem »Impulse« ausgehen, »was als Zielstellungen umzusetzen ist oder wie Kooperationen weiter auszugestalten sind« (S22.11:1416–1417), bestätigt sich. Es verstetigt sich die Aufgabe, »Beschlussvorlagen vorzubereiten und sie dann, wo politische Legitimation notwendig ist, auch in die Politik einzubinden« (S22.11:1453–1455).

Mit dem Entscheid, ein Steuerungsgremium einzurichten, bricht die »Kooperation mit der Kommunalverwaltung« (S22.11:1823–1824) für die zwei externen Partner der ersten Förderphase nicht gänzlich ab. Allerdings wird der Wunsch nach einer Fortführung des politisch legitimierten Mandats der beiden Interessenverbände enttäuscht und seitens der Stadt darauf verzichtet, die Erfahrungen »an andere Kommunen und Landkreise zu transferieren« (S22.11:1834–1835). Das »Vorreitermodell, […] neben der Stadtverwaltung […] tatsächlich eben Vertreter der Bildungslandschaft in der Entscheidung der Leitungsebene miteinzubinden« (S12.12:83–89), verstetigt sich mit dem Steuerungsgremium. Damit verfallen die durch das Programm vorgespurten fachlichen Inputs entlang der Aktionsfelder und der spezifischen Expertise der temporär beteiligten Institutionen. Sich als Stadtverwaltung dauerhaft »ein mächtiges Gremium an die Seite zu stellen« (S12.12:276–277), ist erwünscht, nicht aber in der Projekt-Konstellation von Lernen vor Ort. Erhalten bleiben die Erfahrung, dass »diese strukturelle Zusammenarbeit mit externen Partnern tatsächlich gelungen ist« (S12.12:284–285) sowie die Idee, sich als Stadtverwaltung für Beiträge der Zivilgesellschaft offen zu halten. Lernen vor Ort stellt einen Zeitraum für Gelegenheitserziehung dar. Innerhalb der bundesweiten Lernlandschaft zeigt die Stadt »im Kleinen, was eigentlich im Großen möglich sein müsste, dass man gemeinsam diskutiert und gemeinsame Entscheidungen trifft für die Bildungslandschaft« (S12.12:290–292). Dieses Experimentieren erweist sich als eigene Operation des Lernens: »Wenn ich das im Kleinen betrachte, haben wir viel gelernt und profitiert von dieser Zeit« (S12.12:295–296). Wie es mit den etablierten Strukturen in Zukunft gelingen wird, eigene Programme zu entwickeln und zu gestalten, ist im Übergang zu den Transferagenturen wieder offen: »Und da ist die Frage: Was geben die sich jetzt für Themen und Aufgaben und wie wird das gemacht?« (S06.14:923–924).

Die Stadtgesellschaft erhält mit der Zusammensetzung des Steuerungsgremiums eine selektive Vertretung der Bildungslandschaft, die ein Beteiligter als »Zigarrenhöchstrangiggremium« (S06.14:918) bezeichnet. Der »Hochrangigkeitsproporz« (S06.14:1503–1504) gewähre aber noch nicht das Selbstverständnis in Bezug auf das Thema Bildung: »Dass es ohne Bildung nicht geht, ist einfach bei jedem da. Aber hinter dem Wort ist ja dann die Frage: ›Was meinen die denn dann alle damit?‹« (S06.14:1560–1564). Eine Beteiligung der Zivilgesellschaft jenseits der ausgewählten Akteure sowie die ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung bleiben als zu bearbeitende Aufgaben bestehen: »Allein diese Ämtergrenzen […] als Fürstenämter zu überschreiten, ist schwierig« (S06.14:1210–1211). Einen Stiftungspartner besorgt die Erwartung, mit reduzierter Personalstärke und mit ›Bordmitteln‹ der Stadt die erreichte Leistungsfähigkeit »in diesen ja grade erst frisch verankerten Strukturen« (S06.14:1331–1332) zu erhalten. Das Engagement müsste – so die Vorstellung – »in der gleichen Art« (S06.14:1371) fortgeführt werden: »Nicht weil das, was da ist, schlecht ist, sondern, weil einfach der Veränderungsprozess ein so großer ist, dass der eben in den herkömmlichen Strukturen wie so ‘ne Gummizelle ansonsten wieder zurückschwingt« (S06.14:1378–1384). In diese noch ›weichen‹ Strukturen sichert der Stiftungspartner die weitere Unterstützung zu: »Wir sind jetzt erst mal in dieser Brücken- und dieser Wir-machen-weiter-Angebotshaltung da« (S06.14:2209–2210). Diese beinhaltet die Bereitschaft, die »sehr abstrakte Strukturrevolutionswelle« (S06.14:1968–1973) Lernen vor Ort »begeisterungskonkret« (S06.14:2035) zu machen. Thematische Konkretisierungen zielen im Kern auf »diese Gesellschaftsveränderung, die da gebraucht wird« (S0614:2067) und umkreisen immer »mehr Demokratie, mehr gesellschaftliche Bildung« (S06.14:2089). Dieser »Zieltrichter« (S06.14:2092) ist offen für vieles: »Wir wollen nicht, dass das hier erst mal abreißt, wir wollen diese personelle und inhaltliche Kontinuität und die ist aber offen. Das heißt also: ›Sagt uns das geeignete Thema und dann kann’s weitergehen‹« (S06.14:2224–2231).

2 Arenen der (Un-)Verantwortlichkeit

In der Arena (Un-)Verantwortlichkeit verstetigt sich das BMK mit der Aufgabe, Kommunen zu befähigen, die richtigen Fragen zu stellen und das KBM mit der Zielsetzung, Vertrauen innerhalb der Verwaltung und in der Öffentlichkeit für kommunalpolitische Entscheide aufrechtzuerhalten (vgl. Abbildung 11.4, links). In beiden Beispielkommunen wird das Bildungsmanagement zum Objekt des politischen Systems. Im Kreis adressiert dieses das sozial-kulturelle System, um den Diskurs rund um eine Verantwortungsgemeinschaft auf dem Feld der Kulturpolitik zwischen Wahrheit und Macht zu spezifizieren. Der Übergang vom Projekt- zum Programm-Engagement beinhaltet, sich als beratende Einzelperson überflüssig zu machen (K05.02.01), Kommunen fachlich zu begleiten und Lösungen auf vorhandene Strukturen zuzuschneiden (K05.02.02), sowie Kommunikationsarten der Profession und der Organisation ins Gespräch zu bringen (K05.02.03).

In der Stadt adressiert das politische System das Gemeinschaftssystem, um die Reputationsinvestition von zivilgesellschaftlichen Akteuren und Interessenverbänden auf dem Feld der Gesellschaftspolitik zu spezifizieren (vgl. Abbildung 11.4, rechts). Dies beinhaltet, das Bildungsmanagement zu legitimieren (S05.02.01), die Projekt- und Programmlogik an die Verwaltungslogik anzuschließen (S05.02.02), sowie die Selbstbindung externer Partner an die Kommunalpolitik zu stärken (S05.02.03).

Abbildung 11.4
figure 4

Spannungslagen in Arenen der (Un-)Verantwortlichkeit (Eigene Darstellung)

Transferbegleiterinnen im Kreis entwickeln eine Spannkraft bei der Gestaltung des Mandats, die Idee einer Verantwortungsgemeinschaft zu verbreiten. In Prozessen des Enthierarchisierens und Hierarchisierens schließen sie Kommunikationsarten der pädagogischen Profession an jene der kommunalen Organisation an. Mittels Moderation von Hegemoniespielen geben sie Raum für das Bewusstmachen unterschiedlicher Bildungsverständnisse des Kita- und Grundschulpersonals. Sie lernen Gelassenheit im Umgang mit unwägbaren und komplexen Aufgaben und balancieren unbedingte Einlassung mit analytischer Distanzierung aus. Das Spektrum ihres Engagements reicht von Opferbereitschaft bis zur Rückzugsfähigkeit mit einem systemischen Außenblick auf Mehrebenenspiele. Sie erkennen Zeiträume für multiperspektivische Zugänge zum Lernen im Lebenslauf als Luxus, um die Zukunftsfähigkeit von Städten temporär ohne Kostenbewusstsein und ohne Druck zum Nachweis von Evidenz zu denken. Dem Verlaufskurvenpotenzial einer zugleich sorgenden und haftenden Verantwortung begegnen sie mit Vertrauen in zivilgesellschaftliche Kräfte und der Anmahnung kommunalpolitischer Verantwortlichkeit für deren Einbezug in den Dialog. Auch das KBM glaubt an zivilgesellschaftliches Engagement und versteht es als Aufgabe des politisch-administrativen Systems, dieses zu initiieren und zu organisieren. Transportieren Transferbegleiterinnen im Kreis oftmals das sozialräumliche Engagement des pädagogischen Personals in politische Entscheidungsprozesse, geht in der Stadt die Initiative gerade andersherum von der Stadtverwaltung aus. Von deren Fähigkeit hängt die Entwicklung von Engagementstrukturen ab, um Beiträge von Interessenverbänden in die kommunale Organisation einzubinden.

2.1 Kommunen angesichts der herausfordernden finanziellen Lage erwecken

Das BMK ruft kreisangehörige Städte zur Verantwortung für ein kohärentes Bildungswesen auf. Diese Prozesse gestalten sich mit dem Misch-Typ 5/6 in einem Spannungsfeld zwischen Enthierarchisieren und Hierarchisieren, zwischen Einlassen und Distanzieren sowie zwischen Vertrauen und Erwecken in schulischen und außerschulischen Feldern. Das pädagogische Anforderungsprofil der Transferbegleiterinnen verlangt den Umgang mit unterschiedlichen Interessenhorizonten von politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie Gratwanderungen zwischen evidenzbasierten und zweckfreien Bildungsverständnissen vor dem Hintergrund begrenzter Verfügungsrechte der Kommunen.

2.1.1 Zwischen Enthierarchisieren und Hierarchisieren

Die Anforderung des Programms, Nachhaltigkeit im Sinn tragfähiger Perspektiven »zur Verstetigung des Vorhabens« zu entwickeln und als Kommune die Absicht zu dokumentieren, »im Förderzeitraum entwickelte Strukturen über die Förderphase hinaus fortzuführen« (BMBF, 2008a, S. 11), stellt sich für Lernen-vor-Ort-Verantwortliche als »ziemliche Herausforderung« dar: »Wir sollten ja nicht nur nette Projektchen machen, sondern wir sollten ja neue Strukturen aufbauen« (K04.14:202–204). Die Förderlaufzeit schätzt eine Koordinatorin im Nachhinein als erfolgreichen Arbeitsbogen ein, der »mit vielen Problemen« behaftet zeitweise auch Verlaufskurvencharakter hatte: »Aber zwischendurch hat’s Stellen gegeben, wo ich gedacht hab’: Es muss nicht unbedingt gelingen, es kann wirklich schiefgehen« (K04.14:205–207). Ein überdauernder Streitpunkt entzündet sich um die Frage, auf welcher Handlungsebene das Engagement anzusiedeln ist und welche Adressaten damit angesprochen sind: »So was wie diese Strukturdebatte in der Bildung« scheint für die Beteiligten anfänglich »überhaupt nicht wichtig zu sein« (K04.14:212–213). Die »meisten Menschen auch [im] Lenkungsausschuss« verschreiben sich der Frage: »Was kommt denn unten an? Unten ist dann immer die Basis, also sprich: ›Was kommt in der Kita oder in der Grundschule an?‹« (K04.14:211–216). Der Anspruch eines Strukturprogramms, überdauernde kommunale Zeiträume für Operationen des Zeigens und Lernens zu organisieren, bricht sich an verstetigten Praktiken des Programmschachtelns: »Und hier sollte ja eigentlich an beiden Enden gearbeitet werden« (K04.14:217).

Sich in Zeiträumen der Artikulation zu treffen und dabei die »heimische« Handlungsorientierung zugunsten der gemeinsamen Perspektive Lernen im Lebenslauf zurückzustellen, fordert allen Beteiligten zunächst eine Bescheidung ab: »Ja, das ist fundamental bei allen Mikroprozessen in den Interaktionen, dass alle schultern und sich keiner hervortut« (K04.13:1115–1116). Ohne dieses Flachmachen der Beziehungen könnten erwünschte Operationen des Lernens mit Blick auf die Übergangsgestaltung gefährdet werden: »Und es gibt auch eben so diese typische Abwehr, die man dann auch hat. Und da gibt es dann von der Hierarchie leider in unserem Lande eine Reaktion zu sagen: ›Die Erzieherinnen haben sowieso keine Ahnung von Bildung‹« (K02.15:372–376). Eine professionelle Gemeinschaft, in der »Gleich und Gleich sich beraten und austauschen« (K04.13:1121), entsteht durch das Überwinden von Hürden. Ein erste besteht darin, sich überhaupt auf enthierarchisierte Prozesse einlassen zu wollen. Ist diese Schwelle überschritten, lauern Kämpfe, in denen die Beteiligten ihre Position markieren.

Transferbegleiterinnen haben nun gelernt, diesen Positionskämpfen Raum zu geben: »Solche Probleme müssen ausgetragen werden, da kommt man nicht drum herum, sonst nutzt auch die bestgemeinte Bildungsvereinbarung nichts, wenn die Probleme einfach unter den Teppich gekehrt werden« (K02.15:379–382). Ein undramatischer Umgang mit »wechselseitigen Animositäten« bedeutet deren Befriedung durch eine nüchterne Betrachtung: »Da muss man dann auch die Stärke haben zu sagen: ›Das ist jetzt so und an dem Protokoll wird nichts geändert und wir gehen auch weiter in einer Weise miteinander um, dass man solche Protokolle nicht intern noch verschlimmbessern muss, sondern wir wollen ja gemeinsam etwas erreichen‹« (K02.15:398–407). Die Ausrichtung auf eine Kommunikationsart gemeinsamen Lernens kennzeichnet sich durch ein temporäres Zurückstehen vom Anspruch einer Deutungshoheit über das Bildungsverständnis oder von hierarchischen Positionen und Zuständigkeiten: »Man muss enthierarchisiert arbeiten. Man trifft sich auf Augenhöhe in einem offenen Netzwerk« (K04.13:1124–1125). Die Errungenschaften dieser Artikulationsarbeit müssen nun aber wieder in die Herkunftsorganisationen zurückgeführt werden, um Anschlüsse an Entscheidungskreisläufe sicherzustellen: »Und dann muss man gleichzeitig wieder hierarchisiert arbeiten, aber als Entscheidungsgremium mit dem neuen Wissen aus diesen Gemeinschaftsrunden« (K04.13:1130–1132). Bei der Moderation von Prozessen des Enthierarchisierens und Hierarchisierens erweitern Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende Kenntnisse, Fertigkeiten und Haltungen, die sie in neue berufliche Umgebungen tragen.

2.1.2 Zwischen Einlassung und Distanzierung

Eine Transferbegleiterin erfährt gänzlich neue berufliche Anforderungen beim Wechsel ins Wissenschaftssystem zwar als Herausforderung, wundert sich aber gleichzeitig über die gewonnene Gelassenheit im Umgang mit komplexen Aufgaben, für die sie auf keine Routinen zurückgreifen kann: »Wo ich eigentlich zwischendurch immer dachte: […] Woher nimmst du diese Kraft, da nicht einfach zu sagen: ›Ich kann nicht mehr, ich gehe‹, sondern einfach zu sagen: ›Okay, dann mach’ ich das‹« (K02.14:620–623). Eine Haltung der Gelassenheit gegenüber unwägbaren Situationen wird zum biographischen Schlüsselerlebnis: »Da war ich so fasziniert von mir« (K02.14:624). Die Bewältigungsstrategie besteht darin, das Engagement zu splitten, um sich gegen eine übermächtige Vereinnahmung durch unterbestimmte Aufgaben abzuschirmen: »Dann hab’ ich genau gemerkt: ›Okay, ich habe das für mich gefunden, dieses, es nur zu einem gewissen Teil an mich so heranzulassen, dass meine […] ganze Emotionalität damit konfrontiert wird‹« (K02.14:624–627). Der Wandlungsprozess führt zu einem Verständnis, »auf einer professionellen Ebene zu sagen: ›Gut, ich muss das gut strukturiert angehen, ich muss fragen, wenn ich nicht weiterkomme‹«(K02.14:627–629). Die neue Aufgabe wird als Mehrebenenspiel bewältigbar: »Ich muss vor dieser Herausforderung jetzt keine Angst haben oder nicht kuschen, ne, sondern, ich geh’ diese Herausforderung an uns sag’ aber ganz klar: ›Hier brauch ich Hilfe und hier komm’ ich nicht weiter‹« (K02.14:629–632).

Die potenzielle Gefährdung, die von befristeten Anstellungsbedingungen und nicht routinisierbaren, komplexen Arbeitsaufgaben für berufliche Lebenschancen des Lernen-vor-Ort-Personals ausgeht, fügt sich in das biographische Handlungsmuster ein. Dieses zeichnet sich durch eine erlebte »sehr, sehr souveräne Ausstrahlung« aus sowie einen offenen Bewusstheitskontext für die in Lernen-vor-Ort-Feldern entwickelte Fertigkeit, »so ‘n System von außen« (K02.14:641–647) zu betrachten. Die Aufkündigung der Lernen-vor-Ort-Rolle und der Wechsel in die Arbeitsrolle der Wissenschaftlerin markieren den Übergang als biographischen Wandlungsprozess, in dem das Autonomieerleben der ehemaligen Bereichskoordinatorin und Transferbegleiterin auch gegenüber der neuen Aufgabe ausgesprochen hoch ist: »Ich denke, […], dass ich hier sehr gut angekommen bin und […] merke, dass […] ich selbst bestimme, wie sehr ich mich da mit reinziehen lasse und wie sehr nicht und für mich selber schaue, wo will ich mit reingezogen werden und wo nicht« (K02.14:643–649).

Dem Projekt Lernen vor Ort ist ein Verlaufskurvenpotenzial eingeschrieben, das hier erfolgreich zugunsten eines multiperspektivischen Blicks auf die »Szenerie aus dem Off« (Strübing, 2007, S. 121) gewendet werden kann: »Ich hab’ manchmal das Gefühl, dass ich nicht komplett drüberstehe, das überhaupt nicht oder drüberschwebe, sondern dass ich vielleicht so sehr den Durchblick schon durch meine Erfahrung habe« (K02.14:651–654). Der Durchblick setzt sich als Erkenntnis ab, die Balance herstellen zu können zwischen Einlassung und Distanzierung: »Dass ich für mich genau gucken kann, ›Okay, da ziehe ich mich jetzt mal ‘n bisschen raus und lass mich da nicht reinziehen – also so wie so ‘n Sog –, sondern betrachte das und woanders gebe ich mich aber voll rein‹« (K02.14:654–657). Der Glaube an die Fähigkeit, sich gegen nicht steuerbare Widerfahrnisse schützen zu können, fließt als Operation des Lernens in Zeiträume der Artikulation der neuen Arbeitsumgebung ein. Praktiken der Identitätsbehauptung (Schimank, 1981) vollziehen sich zwischen der Anforderung, ein wissenschaftliches Projekt zu koordinieren und dem eigenen Anspruch, sich als Wissenschaftlerin zu qualifizieren.

Abgeschirmt wird daher zunächst eine Vereinseitigung organisatorischer Belange der Wissenschaftspraxis: »Nur jetzt muss ich halt aufpassen, dass grade erkannt wurde: ›Sie ist Koordinatorin durch und durch, dann geben wir ihr mal die ganzen koordinatorischen Aufgaben‹« (K02.14:662–664). Die Inszenierung der Arbeitsrolle kennzeichnet sich durch ein Ringen um Zeitgefäße innerhalb der Arbeitsorganisation und jenseits deren Zugriff auf die ganze Person: »Wo ich grade doch ‘n ganz hohen Workload hab’ mit wirklich Deadlines, die ja eingehalten werden müssen […]. Da muss ich jetzt aufpassen, dass ich mich nicht frühzeitig überarbeite und meine eigenen Ziele weiterhin verwirklichen möchte, grade mit der Promotion« (K02.14:665–670). Berufliche Lebenschancen durch eine wissenschaftliche Qualifizierung zu optimieren, fordert Gegenleistungen der Organisation heraus, was im Statement zum Ausdruck kommt: »Da muss ich für mich ‘n bisschen straighter werden und das auch durchsetzen, […], dass ich auch meiner Projektleitung gegenüber auch ganz klar sage: ›Okay, das ist das, was ich biete, das will ich auch dafür haben‹« (K02.14:671–675). Die direktiv eingeforderte Gegenleistung betrifft die Gelegenheit zum Lernen: »Wo ich dann sage: ›Die koordinatorischen Dinge, die mach’ ich, […] aber andersherum will ich hier lernen‹« (K02.14:676–680).

Das Lernen sucht das Zeigen durch Gelegenheitserziehung auf: »Ich versteh’ das hier auch als vier Jahre Ausbildung, auch wissenschaftliche Ausbildung, und ich will lernen. Gebt mir auch Aufgaben, an denen ich mich reiben kann, an denen ich wachsen kann« (K02.14:681–684). Zur Faszination und Überraschung, die eigene Arbeitsrolle definieren zu können, gesellt sich das Offenhalten einer Exit-Option für den Fall, dass Praktiken der Abschirmung nicht greifen: »Ich kann noch nicht sagen, ob ich’s auch schaffe, mich so abzugrenzen, dass ich irgendwann sage: ›So, jetzt reicht’s, jetzt muss ich mich mal um meine eigenen Sachen kümmern‹« (K02.14:698–700). In die Inszenierung der Arbeitsrolle als Wissenschaftlerin ist eine Distanzierung eingebaut, insofern der »Doktortitel« dereinst das Vorhaben unterstützen soll, ein bestehendes »Unternehmen größer aufzuziehen« (K02.14:713–714).

Das Offenhalten für Gelegenheitserziehung bezüglich des eigenen Lernens kennzeichnet das biographische Handlungsmuster und setzt sich ab von der Hingabe an ein institutionalisiertes Ablaufmuster innerhalb einer Wissenschaftskarriere: »Da kann ich noch nicht weiterdenken, […] muss mir kleine Ziele setzen, wo ich hinwill, aber ich setz’ mir die nicht so, dass ich diszipliniert da rangehe, sondern lass’ mir ganz viele Wege auch auf. Wer weiss, was in vier Jahren ist« (K02.14:722–728). Das Programmschachteln gedeiht auf der Bereitschaft, temporär ein maximales Engagement leisten zu wollen sowie langfristig durch das Ausbalancieren von Engagement und Nebenengagement in Zeiträumen der Artikulation im Modus der Gelegenheitserziehung. Ein Commitment mit der Programmidee ist insbesondere zu Beginn eines Projektarbeitsbogens stark und geht mit dem Auftreten von nicht antizipierbaren Kommunikationserfordernissen an die Grenzen der Opferbereitschaft: »Am Anfang war mein Idealismus noch sehr groß. Das habe ich völlig unterschätzt, welche Zeitressourcen man sich da auch wirklich nehmen sollte, das Ganze auch innerhalb der Verwaltung transparent zu machen, was so ein Projekt will« (K06.15:272–275).

Genauso wichtig wie die Fähigkeit zur Distanzierung durch einen systemischen Außenblick schätzt eine Transferbegleiterin die Einlassung auf die Vor-Ort-Praxis ein. Mehrebenenspiele begünstigen die Entwicklung einer grenzüberschreitenden Professionalität, die sich nachgerade durch das Verbinden von Praktiken der System- und Sozialintegration mit Blick auf die Adressaten des Engagements auszeichnet: »Im Rückblick war es für mich ideal, dass so ein Projekt wie Lernen vor Ort kam, dass ich die Erfahrung aus der Praxis noch mal mit diesem strukturellen Ansatz zusammenbringen konnte« (K06.15:694–696). Der Außenblick ist »wieder zu erden« mit der Frage: »Wofür machen wir das eigentlich?« (K06.15:698–699). Der Anspruch, den Fokus auf die Bildungsbiographie von Bürgerinnen und Bürgern zu wahren, schreibt sich als Anforderungsprofil an Koordinatorinnen und Koordinatoren der Nachfolgeprogramme ein: »Ich würde jedem Nachfolger wirklich empfehlen, in die Praxis reinzugucken und nicht immer von oben herabzuschauen« (K06.15:703–704). Distanzierenden Wissenschaftspraktiken stellt die Lernen-vor-Ort-Verantwortliche Praktiken der Einlassung zur Seite: »Wirklich mit so einem Blick reinzugehen und zu gucken, was wirklich die Menschen und Praktiker machen« (K06.15:707–708).

Nicht Erziehung durch Lehre mittels eines Lehrkanons ermöglicht dieses Verbinden, sondern die mit dem Programm inszenierte komplexe Form des Erlebens einer Verantwortungsgemeinschaft, die das Dabeisein und Miterleben in unsteten Lernprozessen ermöglicht: »Mit den Menschen zu sprechen, die diese Arbeit machen und selber im Quartier zu arbeiten oder in den Quartiersgremien, an Stadtteilgremien teilzunehmen, in diese Netzwerke reinzuschauen, um die Nöte und die Schwierigkeiten ganz anders wahrnehmen zu können« (K06.15:709–712). In Zeiträumen der Gelegenheitserziehung zu lernen, bedeutet, durch die Teilhabe am Leiden der Menschen zu lernen: »Ich glaube, hätte ich das nicht gemacht so lange Zeit, hätte mir da eine ganz, ganz wichtige Perspektive gefehlt« (K06.15:713–714). Die Szenerie aus dem Off zu betrachten, bedient nur eine Seite einer grenzüberschreitenden Professionalität: »Ohne dieses Zusammenbringen hängt man da so wie ein Satellit oben und schwebt über allem und versucht es, wissenschaftlich fundiert mit Theorien und Definitionen zu machen. Das funktioniert nicht« (K06.15:716–719). Eine grenzüberschreitende Professionalität gebietet den Respekt vor dem Erfahrungswissen vor Ort: »Das sind Topleute, die haben wirklich Ahnung, die haben Verwaltungserfahrung, die haben auch oftmals Erfahrung in der Feldarbeit. Und um denen zu begegnen, muss man selber natürlich sehr professionell sein und auch wissen, worüber spreche ich denn hier?« (K06.15:723–727).

2.1.3 Zwischen Vertrauen und Erwecken

Mehrebenenspiele zu artikulieren, hebt darauf ab, Wissen über die unterschiedlichen Perspektiven auf den Gegenstand kommunales Bildungsmanagement zu generieren: »Ob ich jetzt mit Akteuren in einem Netzwerk zusammenarbeite, es ist auch immer wieder eine Reflexion von Wissen, Austausch von Wissen« (K06.15:778–779). Transferbegleiterinnen verstehen sich als Trägerinnen multiperspektivischer Zugänge zum Lernen im Lebenslauf und führen »diese ganzen Sichtweisen und Strömungen« zusammen, um die Kommunalverwaltung pädagogisch zu inspirieren: »Das ist auch immer wiederum eine Möglichkeit, andere Sichtweisen hinzubringen. Es ist wieder mein Idealismus, zu hoffen, dass man dadurch Impulse in so ein starres System wie das der Verwaltung hineinbringen kann« (K06.15:781–784). Im Übergang zum interkommunalen Transfer des Lernen-vor-Ort-Wissens zwischen den Kreisen des Landes bringen die Projektverantwortlichen ein ungebrochenes Commitment mit der Kohärenz-Idee im Bildungswesen zum Ausdruck. Der Kreis macht diese Idee mit einem eigenen Zeitraum im Sinn der Erziehung durch Lehre greifbar, in dem er unterschiedliche Perspektiven auf Vor-Ort-Praktiken kommunikativ darstellt und dadurch sichtbar macht: »Was diskutieren denn die einzelnen Akteure, die einzelnen Verbände, die einzelnen Träger mit Blick auf die operative Ebene?« (K06.15:794–795). Das Engagement für den Anschluss von Kommunikationsarten der pädagogischen Vor-Ort-Praxis an Kommunikationsarten der kommunalen Organisation ist mit den Folgeprogrammen zu erhalten und auszubauen: »Ein Faktor, den Lernen vor Ort geleistet hat, diese Kommunikationskanäle, so klein wie sie sind, so zart wie sie sind, auch aufzubauen. Und die gilt es jetzt weiter zu stärken« (K06.15:798–800).

Eine Verstetigung dieses Engagements geht mit der Herausforderung einher, Kommunen für die Übernahme einer grundlegenden Verantwortlichkeit für ein BMK einsichtig zu machen: »Natürlich könnte ich reingehen und dort vor Ort ganz viel machen und ganz viel einbringen. Aber dann ist auch die Frage: ›Bringt es der Kommune etwas?‹« (K06.15:850–851). Am Ende von Lernen vor Ort zeigt sich der Luxus des Programms, Zeiträume geschaffen zu haben, um »wirklich beratend tätig zu sein« (K06.15:855–856). Ein pädagogisches Verständnis von Beratung folgt dem Ziel, »sich selber überflüssig [zu] machen« (K06.15:857). Die Limitierung von Luxus-Zeiträumen erzwingt den Rückzug des Lernen-vor-Ort-Personals und verschiebt eine begleitete Gelegenheitserziehung in Folgeprogramme: »So schwierig, wie das ist, als Einzelperson zu sagen: ›Ich muss ja irgendwie auch gucken, wo ich bleibe‹« (K06.15:858–859). Die Erkenntnis, dass »Bildung das einzige Potenzial ist, was eine Kommune heute noch haben kann« (K20.11:189–190), bricht sich an deren Verfügungsrechten, über die Bereitstellung von Leistungsstrukturen hinaus, Lernen zu ermöglichen.

Kreisangehörige Städte haben »ein großes Interesse daran, dass wirklich Bildung bei ihren Kindern passiert, damit die Wirtschaftlichkeit dieser Stadt in irgendeiner Zukunft, die nicht ganz so fern ist, funktioniert« (K20.11:656–661). Menschen, die in einer Stadt bleiben, sichern deren Zukunftsfähigkeit, indem sie »ihren Unterhalt selbst verdienen können, Steuern zahlen und in dieser Kommune leben wollen« (K20.11:665–666). Investitionen in dieses Humankapital begrenzen sich auf die Schaffung struktureller Lebensbedingungen: »Aber sie müssten eigentlich die Macht haben, Inhalte zu bieten« (K20.11:675). Angesprochen ist damit die Frage: »Wie kommt man an die Leistungskerne ran?« (K20.11:705). Aus Sicht einer Lernen-vor-Ort-Verantwortlichen sind Schulausschüsse »mit Sicherheit weitgehend überfordert« (K20.11:760) mit dem Anspruch, »Einfluss auf innere Strukturen und Inhalte, die notwendig wären« (K20.11:736–737), zu nehmen: »Aber sie kommen in die Stadt nicht rein, in die Schule nicht rein, sie kommen in die Elternhäuser nicht rein, um die mitzunehmen« (K20.11:757–758).

Das Engagement von Stiftungen, das dauerhaft in diese Lücke springt, stellt zwar einen Beitrag im Mehrebenenspiel dar, entbindet Kommunen aber nicht von ihrer grundlegenden Verantwortlichkeit für die Legitimation zivilgesellschaftlichen Engagements: »Die Angst ist ja einfach da […], dass man also die Macht von einer Stelle an die nächste weitergibt. Damit ist ja nichts gewonnen« (K20.11:647–652). Dennoch verschafft das überdauernde Engagement von Stiftungen Zeiträume für Operationen des Zeigens und Lernens, die das Kostenbewusstsein zurückzufahren gestatten sowie den Druck zum Nachweis von Evidenzen minimieren. Der spezifische Beitrag liegt in der »Großzügigkeit in Bezug auf die Selbstständigkeit« (K20.11:1091). Der Vertrauensvorschuss korrigiert die Tendenz eines mittels Bildungsmonitoring kontrollierenden Vorgehens: »Das fand ich toll, dass man einfach sagt: ›Ihr werdet das schon hinkriegen, wir trauen euch zu, dass ihr genau hinguckt. Und wenn ihr sagt: Es muss Veränderungen geben, dann glauben wir euch das zunächst mal‹« (K20.1:1092–1095).

Zeiträume des Vertrauens sind Freiräume für pädagogisches Handeln, in denen die pädagogische Differenz nicht zum Vorwurf und Misstrauen hinsichtlich der aufgewendeten Operationen des Zeigens gewendet werden. Sie stellen deshalb »eine gute Angelegenheit« (K20.11:1097) dar, weil sie »ein richtiges Sicherheitsnetz« (K20.11:1106) bieten, um weitgehend bedingungsfrei zu erziehen und zu lernen: »Ich kann es einfach probieren, ich muss nicht vorlegen, wie viele Kinder ich diese Woche wohin gefördert habe, mit welchen Ergebnissen« (K20.11:1107–1108). Vertrauen in die pädagogische Professionalität blendet den Anspruch des Lernens nicht aus, unterwirft ihn aber nicht dem Glauben an die Messbarkeit: »Einfach zu bestimmen, wir haben nicht nur messbare Ergebnisse. Es muss auch was anderes möglich sein. Weitestgehend« (K20.11:1110–1111). Eine pädagogische Sicht auf die Artikulation von Mehrebenenspielen antizipiert die Handlungsorientierung von Kindern, die sich am Lernen ausrichtet sowie der Eltern, die ihr Kind als ganze Person anerkennen. Wenn Eltern »eine Perspektive für ihre Kinder sehen und nicht nur Konkurrenz […], dann ist das so schnell nicht messbar« (K20.11:1113–1114).

Transferbegleiterinnen schließen Kommunikationsarten innerhalb von Gesellschaft an Kommunikationsarten innerhalb von Organisation an, wenn sie Vorbehalte der Kommunalpolitik gegenüber Interessen von Stiftungen aufdecken und zerstreuen: »Und ich weiß, dass bei uns Politiker auch immer fragen, […], wenn die Stiftung Geld gibt: ›Was will die denn dann von uns? Was müssen wir denn dafür tun?‹« (K06.12:1506–1512). Sie brechen das »Ideal« auf, »möglichst wenig zu tun und von niemandem behelligt zu werden«, indem sie das bürgerschaftliche Engagement anerkennen: »Ich find’ das toll mit den Stiftungen, muss ich ehrlich sagen, das ist eine schöne Arbeit« (K06.12:1514–1519). Sie erkennen, dass die Zusammenarbeit mit »Ehrenamtlern« gepflegt werden muss: »Die müssen betreut werden. Und wenn man das nicht gewährleisten kann, dann braucht man damit gar nicht anfangen« (K05.12:1530–1544). Kommunikationsarten zu artikulieren, bedeutet, einen »Dialog zu organisieren« (K08.12:381). Dies gilt insbesondere für den kreisweiten Austausch, weil in einem Austausch jenseits von Hierarchiefragen keiner sagen kann: »So machen wir das!« (K08.12:372). Dies »führt zu längeren, auch komplizierteren Prozessen, aber […] auch zu Ergebnissen« (K08.12:383–384).

Regionale Bildungsbüros fungieren in der Phase der Verstetigung in der Rolle der Dienstleister. Die Dienstleistungskoordination beinhaltet weniger eine Steuerungsfunktion für den Kreis als vielmehr den fortgesetzten Appell an die kreisangehörigen Städte, sich zu beteiligen: »Also, wenn ich das evangelikal formulieren würde, wäre das so was wie [eine] Erweckungsbewegung, dass also alle mitkriegen: Da bewegt sich was, da bewegt sich vieles, auch unabhängig davon, wie die Städte jeweils politisch aufgestellt sind« (K08.12:513–517). Der Aufruf zur Beteiligung rührt an das Gewissen: »Die machen alle was. Und wir können da nicht zurückstehen. Wir müssen uns da auch mit reinbegeben, trotz einer extrem herausfordernden wirtschaftlichen Lage, finanziellen Lage der Städte« (K08.12:520–523).

2.2 Die Schwungmasse der Verwaltung mit zivilgesellschaftlichem Engagement in Bewegung setzen

Die kommunalpolitische Orchestrierung zivilgesellschaftlichen Engagements mittels eines Steuerungsgremiums zementiert den Lead der Stadtverwaltung und den Stellenwert von Führungspositionen bei der Gestaltung einer Bürgerkommune. Einerseits verankert sich Lernen vor Ort in den Köpfen und als Markenzeichen der Bildungsstadt, andererseits verlangen Engagementstrukturen weiterhin strategische Zielbestimmungen sowie operative Ausgestaltungen, die zum Programmende mit dem Weggang herausragender Promotoren einzubrechen drohen.

2.2.1 Zwischen Hierarchisieren und Enthierarchisieren

Dass die Verwaltungslogik eine »Schwungmasse« und »’ne gewisse Trägheit« (S12. 12:1457) mit sich bringt, reibt sich mit der Projekt- und Programmlogik. Ein externer Partner im Projekt Lernen vor Ort anerkennt die Verwaltungslogik: »Wir sind aber im Projektgeschäft und Verwaltung muss Projektgeschäft nicht machen und nicht kennen, das ist nicht ihre Aufgabe« (S12.12:1460–1462). Trotzdem dringen Projekt- und Programmlogik in die Kommunalverwaltung ein und drängen Ressourcen, Programme und Codes der Erziehung auf. Da die Stadt einen »Bruchteil« dessen, »was […] an Bildung stattfindet« (S12.12:794–795), verantwortet, braucht es aus der Sicht der Lernen-vor-Ort-Partner den Aufbau von Kooperationsstrukturen auch auf Landesebene: »[Es] müsste […] eine ganz enge Anbindung geben an das Bildungsministerium, an das Wirtschaftsministerium, an das Sozialministerium, dass man eigentlich gemeinsam am Tisch sitzen müsste« (S12.12:768–772). Darin, dass Kommunen nicht über Runde Tische mit dem Land adressiert werden, spiegelt sich, dass sie im staatsrechtlichen Sinn den Ländern untergeordnet sind. Die direktiv-appellierende Ansprache für ein freiwilliges und bereichsübergreifendes Engagement im Rahmen eines Projekts bindet zentrale Projektverantwortliche – sofern sie auf Annahmebereitschaft trifft – mit einem ambivalenten Commitment an die programmatischen Vorgaben: »Ich habe noch nie bei einem Projekt so viel über das Projekt selbst geflucht, wie ich es auch liebe. Ja, ich finde, das spiegelt das Ganze wieder« (S16.11:53–54). Das Potenzial, das sich die Stadt mit dem Programm erschließen kann, »ohne, dass es gefordert ist«, lässt »Macken und Probleme, die das Programm begleitet haben« (S16.11:67–71), verblassen und bleibt als verstetigte Einlassungsbereitschaft auf Ambivalenzen erhalten: »Wir würden wieder antreten […] und alles wieder so machen. Auf jeden Fall« (S16.11:70–73).

Obwohl es der Stadt in der relativ kurzen Projektzeit gelingt, Lernen vor Ort »in den Köpfen arg tief« (S02.14:1548) und als Markenzeichen der Bildungsstadt zu verankern, bedarf es eines enormen Engagements von Promotoren, Brüche bei der Fortsetzung des Arbeitsbogens zu verhindern: »Die Gefahr ist ‘n bisschen, das sehen nun ganz viele jetzt, dass es immer an einzelnen Personen nur alles hängt« (S02.14:1551–1552). Als sich für den Projektleiter die Möglichkeit eines politischen Mandats abzeichnet, das den Weggang aus dem KBM nahelegen würde, wird die drohende Bruchstelle überdeutlich: »Das ist halt sehr stark dann auch von uns immer vorangeprescht worden, ne, also OB hat sich von mir preschen lassen« (S02.14:1568–1571). Die Nähe zur Kommunalpolitik als Erfolgskriterium für das zügige Voranbringen legitimierter Kooperationsstrukturen verengt den Anschluss auf die Nachfolge einer Persönlichkeit, die den vorgegeben Pfad beschreitet: »Ich persönlich glaube, dass wir jetzt auf dem Stand sind, dass es einfach nur ‘ner starken Persönlichkeit bedarf, die dranbleibt« (S02.14:1583–1584). Dass Lernen-vor-Ort-Prozesse »vielleicht zu personenbezogen« (S02.14:1594–1595) geführt wurden, zeigt sich an Befürchtungen der verbleibenden Mitarbeitenden: »Ja, was ist jetzt, wenn du weggehst, wenn du nicht mehr da bist?« (S02.14:1575–1576). Dranzubleiben, setzt soziales Kapital voraus: »Man muss vorher die Kontakte haben« (S02.14:1615). In der Flut von Ansprüchen an die Adresse der Kommunalpolitik laufen Beziehungen den konkreten Begehren voraus: »Dann ist man einer von zehn Leuten, die anklopfen jeden Tag. Aber wenn man schon jemand dort hat, […] dann ist man schon mal ‘ne Nummer, und dann ist es ‘ne andere Wertschätzung« (S02.14:1627–1631).

Etablierte Engagementstrukturen wirken als Weichensteller für Anschlüsse abweichungsverstärkend, wenn sie neue Träger finden, die »’ne gemeinsame Vision vom Thema, vom Inhalt, von der Arbeitsweise, das ist egal was, ne, also entwickeln« (S06.14:1464–1465). Sie schwingen sich abweichungsdämpfend ein, wenn sie aufgrund von Fragen des Finanzhaushalts »erst mal wieder kaltgestellt werden« (S06.14:1471). Kooperationsstrukturen erhalten und verändern sich mit dem fortgesetzten grenzüberschreitenden Engagement der Akteure, die als Träger kultureller Orientierungen ein Programm dann in die Fläche tragen, wenn sie sich am Ende eines Projekts auf eine neue Stelle bewerben. Vielfach problematisieren beteiligte Projektmitarbeitende datenzeitlich befristete Engagements, aber gerade das ungebrochene Commitment mit der Idee, ein Programm »begeisterungskonkret« (S06.14:2209–2210) zu machen, stellt Leitideen modalzeitlich auf Dauer.

3 Arenen der (Un-)Beteiligung

In der Arena (Un-)Beteiligung verstetigt sich das BMK mit der Aufgabe, Kommunikation innerhalb und zwischen Kommunen zu organisieren und das KBM mit der Zielstellung, die koordinierende Verantwortung der Kommune zu stärken, ohne die Brücke zu externen Partnern abzureißen (vgl. Abbildung 11.5, links). Im Kreis adressiert das sozial-kulturelle System das politische System, um die Machtinvestition auf dem Feld des politischen Diskurses zwischen Macht und Wahrheit hinsichtlich der Verständigung zu generalisieren. Eine Öffnung für multiple Rationalitäten vollzieht sich durch die Zusammenführung innerer und äußerer Schulangelegenheiten im Regionalen Bildungsnetzwerk (K05.03.01). Die Erneuerung von Entscheidungskreisläufen erfolgt im Hinblick darauf, dass die Transferbegleiterinnen nicht mehr da sein werden (K05.03.02) bei einer kreisweiten Vernetzung von Akteuren der Entscheidungs- und Umsetzungsebene (K05.03.03).

In der Stadt adressiert das politische System das sozial-kulturelle System, um den Diskurs auf dem Feld der Kulturpolitik zwischen Wahrheit und Macht zu spezifizieren (vgl. Abbildung 11.5, rechts). Dies beinhaltet, als Kommunen die Gemeinwohlorientierung zu stärken (S05.03.01), Ressourcen externer Partner für das kommunale Bildungsmanagement zu nutzen (S05.03.02) sowie externe Partner mitzunehmen und für Themen aufzuschließen (S05.03.03).

Abbildung 11.5
figure 5

Spannungslagen in Arenen der der (Un-)Beteiligung (Eigene Darstellung)

Vor dem Hintergrund eines Auftrags-Modus, mit dem der Kreis zum Ende des Förderprogramms Aufgaben seitens des Landes in den Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks bearbeitet, verdeutlicht sich der Wert von Zeiträumen des Experimentierens im Verlauf der beiden Förderphasen. Transferbegleiterinnen haben gelernt, offene Zielfindungsprozesse auszuhalten und dabei die Erfahrung gemacht, dass sich kreative Ansätze an der Schwelle zum Verdruss einstellen. Konflikte katalysieren Kooperation, weil sie unterschiedliche Verständnisse bewusst machen.

Das KBM erkennt Kommunikation als Mittel, um den Lead der Stadtverwaltung zu legitimieren. Es trägt die Leitidee eines kohärenten Bildungswesens in die kommunale Verwaltung und damit Belange des Publikums an Leistungsempfängern. Indem es internes Verwaltungs- und externes Gestaltungshandeln auf kommunaler Ebene koordiniert, vermittelt es zwischen den Verantwortlichkeitsgrenzen der Bundes- und Landesebene. Mittels bundesweiter Kommunikationsgelegenheiten, verwaltungsinterner Kooperation sowie öffentlich-privater Grund- und Themenpatenschaften präsentiert es die Marke Lernen vor Ort und repräsentiert die Stadt als Bildungsstadt. Dem intensiven Kommunikationsbedarf zwischen Stadtverwaltung, -politik und -gesellschaft trägt es mit einem Konfliktmanagement im Organisationskern der Stadtverwaltung Rechnung, welches antagonistische Kräfte in spezifische Interessenkonsense überführt.

3.1 Mit Konfliktarbeit Kooperation katalysieren

Das BMK bearbeitet Zuständigkeitsgrenzen zwischen Land und Kommunen, die sich auf der Ebene des pädagogischen Personals im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung fortsetzen, mit einem Kommunikationsstil zwischen Experimentieren und Kanalisieren sowie zwischen Integrieren und Separieren. Die Bereitschaft, sich auf konflikthafte Aushandlungen einzulassen, erweist sich als Lackmustest für die Überwindung historisch gewachsener Abgrenzungsmotive. Im Übergang zu Transferstufe 4 und der Überführung der Lernen-vor-Ort-Errungenschaften in die Strukturen des Regionalen Bildungsnetzwerks verschieben sich Verfügungsrechte als Ressourcen zu Verfügungsrechten als Normen, insofern sich Zeiträume des Experimentierens zugunsten der Umsetzung von Aufträgen seitens des Landes verschließen.

3.1.1 Zwischen Experimentieren und Kanalisieren

Das Prinzip der Offenheit kennzeichnet den Kommunikationsstil der Koordinatorinnen: »Wenn wir Veranstaltungen geplant haben, dann haben wir sehr oft das in einer sehr offenen Form gemacht« (K04.14:394–395). Dabei entwickeln sie eine Spannkraft im Umgang mit unterschiedlichen Kommunikationsarten, »weil die eine dazu keine Lust hatte und die andere das nicht als wichtig gesehen hat« (K04.14:399–400). Obwohl Zielfindungsprozesse »dann auch manchmal scheinbar damit vorschnell enden, dass man nicht zum Ziel kommt«, führen diese offenen Formen »eigentlich hinterher immer zu ‘nem guten Ergebnis« (K04.14:397–403). Der Erfolg basiert auf der Fähigkeit, Zeiträume der Gelegenheitserziehung bis an die Schwelle des Verdrusses auszuhalten: »Also, wir hatten das jetzt noch bei der Transferkonferenz, wo oft wieder einige gesagt haben: ›Ach, wir können doch jetzt nicht zum x-ten- Mal jetzt schon wieder unsere Transferprodukte vorstellen‹« (K04.14:404–406). Das Ausharren in offenen Gelegenheitsstrukturen für Operationen des Zeigens und Lernens wird mit einer Dynamik belohnt, in der sich »kreative Ansätze« (K04.14:415) entwickeln. Der Moderatorin gelingt es, Missmut und Euphorie als bipolare Ausprägungen der Beteiligungsarbeit auszutarieren, so dass »plötzlich eine Kollegin irgend eine geniale Idee hatte, die grade gefehlt hat und na, alle dann auch ein bisschen mitgerissen hat« (K04.14:417–418). Der Balanceakt besteht darin, »dieses Negative in Anführungszeichen zuzulassen, aber trotzdem immer die Stellen zu finden, wo man was kanalisieren kann« (K04.14:411–412).

Diese im Rahmen von Lernen vor Ort entwickelte grenzüberschreitende Professionalität wird dem Koordinationspersonal auch bei der Umsetzung der Landesinitiative Kein Abschluss ohne Anschluss abverlangt. Die »kommunale Koordinierung« des »Übergangssystems Schule – Beruf« (MAIS, 2013, S. 10) bildet eines von vier zentralen HandlungsfeldernFootnote 11. Kommunen haben dafür zu sorgen, »dass mit den regionalen Partnern ein gemeinsames Verständnis über das Zusammenwirken der Zuständigkeiten erreicht, Rollen geklärt, Absprachen und Vereinbarungen getroffen und deren Einhaltung nachgehalten werden« (MAIS, 2013, S. 10). Für die Verantwortlichen gestalten sich diese Verfügungsrechte als Normen, »weil die Gemengelange inzwischen sehr kompliziert ist, vor allem, was die Träger angeht« (K06.14:53–54). Anders als mit dem Programm Lernen vor Ort sehen sie sich Anforderungen gegenüber, die ihnen ein Role-Taking (Schimank, 2016, S. 67) aufzwingen und die Spielräume für eigene Suchbewegungen eingrenzen: »Wir müssen uns mit diesem ganzen Kram rumärgern. Die Städte können natürlich wichtige Dinge mitentscheiden, aber beim Aufbau eines solchen Riesenprojekts für ein ganzes Bundesland stecken unheimlich viele Fallstricke drin« (K06.14:118–125). Dabei schreckt weniger das Management von Fallstricken ab als vielmehr die Absorption der Kräfte für die Koordination von Projekten im Modus der Beauftragung, die mit dem Pfadwechsel zum Regionalen Bildungsnetzwerk verbunden sind: »Also, es gibt nichts mehr außer Kein Abschluss ohne Anschluss« (K06.14:129–130).

Konflikthaft verlaufen Aushandlungsprozesse mit Akteuren des staatlichen Schulsystems auch bei der Gestaltung von Übergangsprozessen zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen. Im Zuge des Transferprozesses schließt das BMK Bildungsvereinbarungen mit kreisangehörigen Städten ab. Das ist »ein Novum, das es so früher auch nicht gegeben hat« (K06.14:402–403). Die Beteiligten können bei der Artikulation der komplexen Akteurkonstellation nicht auf Routinen zurückgreifen. Fehlende Führungsstrukturen durch unbesetzte Schulleitungsstellen verlangsamen den Kooperationsprozess: »Das kann man nachvollziehen, denn ohne diese Schulleitung kann man diesen Prozess nicht machen« (K06.14:409–410). In einer anderen Stadt kommt der Prozess ins Stocken, weil er auf »Probleme […] zwischen Jugendamt und Schulverwaltungsamt« trifft »mit jeweils unterschiedlichen Dezernentinnen, die noch nie gut miteinander konnten« (K06.14:425–430). Diese Reibungsverluste begleiten den Kooperationsverlauf zwar, verhindern aber nicht das Zustandekommen einer Vereinbarung.

Anders verhält es sich, wenn ein Arbeitsbündnis gar nicht erst zustande kommt und sich Akteure möglichen konflikthaften Auseinandersetzungen entziehen. Als an einer Veranstaltung durch einen »inhaltlichen Input und eine sehr gut vorbereitete Diskussionsgrundlage der Bogen geschlossen werden« soll, ist das pädagogische Personal nur durch die Kindertagesstätten vertreten: »Von den gesammelten Grundschulen […] kam nicht eine einzige« (K06.14:439–448). Das Nichteintreten schulischer Akteure auf Fragen der Übergangsgestaltung trifft die Verantwortlichen hart und auf Ratlosigkeit: »Da muss mir einfach mal irgendjemand erklären, was man da machen soll. Einen roten Teppich? Ich weiß es nicht« (K06.14:450–452). Die Problematik ist als Diskussionspunkt im Lenkungsausschuss vorgesehen: »Dieser Lenkungsausschuss soll dann sagen, was wir denn noch tun sollen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir sagen, der Prozess ist gescheitert, weil die Schulen nicht wollen, oder es muss da irgendjemand etwas machen« (K06.14:460–463). Die Rückmeldung seitens der Schulaufsicht anlässlich eines Evaluationsanlasses zu den Regionalen Bildungsnetzwerken gießt Öl ins Feuer und sorgt für Empörung: »Bei den Schulen kommt nichts an und die Schulen wissen von nichts« (K06.14:241).

Mit der Übergangsproblematik bearbeitet Lernen vor Ort einen Evergreen von Versuchen, unterschiedliche pädagogische Denkformen zwischen Kindergarten und Grundschule (Reyer, 2006, S. 10) zu behaupten: »Ich kann es einfach nicht mehr hören, dass in Schulen nichts ankommt und die Schulen kommen aber nicht dazu, wo sie hingehören. Da liegen für mich ein paar Diskrepanzen« (K06.14:465–467).

3.1.2 Zwischen Integrieren und Separieren

Konflikthafte Aushandlungen führen Abgrenzungsversuche auf einer diskursiven und damit reflexiven Ebene wieder zusammen. Eine Lernen-vor-Ort-Verantwortliche erkennt graduelle Ausprägungen von Abgrenzungsmotiven, bei der die Schule zu einer »extremen Absonderung« neigt: »Diese systemische Absonderung zum Rest, die ich in Schule feststelle, sag’ ich jetzt mal ganz bewusst, finde ich schon auffallend« (K02.15:358–361). Dass konflikthafte Auseinandersetzungen einen Indikator für die Artikulation von Mehrebenenspielen darstellen, wohingegen die Abwendung von möglichen Reibungsverlusten Kooperation bereits in den Anfängen verhindert, zeigt sich auch in Abgrenzungsmotiven zwischen dem Land und den Kommunen: »Innerhalb der Verwaltungseinheit […] gehört nämlich die Schulaufsicht nicht dazu« (K06.14:713–714). Die OrganleiheFootnote 12 erlebt eine Lernen-vor-Ort-Verantwortliche als Fremdkörper: »Diese Menschen sitzen hier und arbeiten hier, aber sie sind nicht Teil der Verwaltung, sondern sie sind gesondert« (K06.14:723–724). Im Unterschied dazu nimmt sich die »richtige Verwaltung« aus, mit der sich die Koordinatorin identifiziert: »Bei […] unserer Verwaltung, […], da gibt es gemeinsame Veranstaltungen. Wir haben ja auch eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe zum Thema Bildung, wo alle zusammenkommen drei bis vier Mal im Jahr, so dass man zumindest schon einmal voneinander weiß« (K06.14:733–745). Eine enge Zusammenarbeit gedeiht da, wo Gestaltungsspielräume auf lokaler Ebene im Sinn von Verfügungsrechten als Ressourcen wahrgenommen werden: »Wir arbeiten sehr eng mit dem Kommunalen Integrationszentrum zusammen« (K06.14:750). Konflikte müssen dabei kein Hindernis darstellen, sondern können eine Kooperation katalysieren: »Das ist schon ganz nett, wenn man merkt, jetzt müssen wir einmal durch den Konflikt durch und danach sind wir beste Freunde. Das ist wirklich gut« (K06.14:771–775).

Strategien der Öffnung für außerschulische Akteure drohen mit dem Ende des Programms einzubrechen, da die Fortführung von grenzüberschreitenden Begegnungsformaten und Stellendeputate für deren Moderation unsicher sind: »Wir haben hier die Problematik der Entwicklungswerkstätten. Da wissen wir noch nicht genau, wie es weitergeht« (K06.14:564–565). Weder Stellen für das Bildungsmonitoring noch für die Bildungsberatung stehen im Übergang zur Transferinitiative fest. Dennoch suchen die Verantwortlichen nach Möglichkeiten, Zusammenarbeitsformen zu erhalten: »Da ist jetzt die Überlegung, […] dass man im sehr großen Lenkungsausschuss mit weit über 20 Mitgliedern vielleicht Untergruppen bildet« (K06.14:579–581). Eine solche Untergruppe zur Bildungsberatung könnte spezifische Themen bearbeiten und punktuell Leute hinzuziehen: »Da guckt man dann, was man erhalten kann und wie sich Ende des Jahres zeigt, ob es wenigstens eine Stelle geben wird« (K06.14:606–607).

Eng verknüpft mit der Frage, mit welchen Kernaktivitäten welche Gremienformate fortgeführt werden, ist die Alimentierung des Engagements. Das Land unterstützt das Regionale Bildungsbüro mit zusätzlichem pädagogischem Personal im Umfang von einer vollen Stelle. Der Beitrag der Kommunen ist laut Kooperationsvertrag nicht auf einen bestimmten Stellenumfang festgelegt, sondern auf die »personelle und sächliche Ausstattung des Regionalen Bildungsbüros« im »Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben« (MSB, o. J., S. 9). Mit den Mitteln, die Kommunen für ihre Geschäftsstelle aufbringen, zeigt sich einer Projektverantwortlichen, »wie sie das Netzwerk begreifen: Eigentlich muss ja auch von der Kommune eine Vollzeitstelle gegengerechnet werden. Aber die haben wir nicht. […]. Das ist nur eine halbe Stelle« (K06.14:637–650). Diese minimale Ausstattung, die »noch nicht mal ein Sekretariat« beinhaltet, bewertet sie als »schon sehr überschaubar« (K06.14:647–648).

Im Übergang zur Alleinfahrt des Kreises mit dem Zug Regionales Bildungsnetzwerk dokumentiert sich die Ausgangskonstellation des Engagements sowie das Ausmaß der kreisweiten Beteiligung in der Teilnahme der Evaluation. Während das Commitment der Pionierkommunen ungebrochen ist, bleiben viele kreisangehörige Städte dem Auswertungsverfahren fern: »Wir haben einmal die Akteure gefragt. Die Bürgermeister wurden extra angeschrieben, […], nur drei [haben] geantwortet« (K06.14:671–673). Das BMK kann nicht an eine kommunalpolitische Unterstützung anknüpfen, die auf einem Interesse an der Evaluation und damit am gesamten Arbeitsbogen basiert: »Da kann man sehen, dass da schon an der Stelle etwas nicht in Ordnung ist« (K06.14:677). Auch an der inhaltlich ausführlichsten Evaluation »im Rahmen eines vierstündigen Workshops« mit den Mitgliedern des Lenkungsausschusses beteiligen sich »eben nicht alle« (K06.14:681–684). Die Orientierung an einem bereichsübergreifenden Ansatz ist für die Kommunen etwas Neues und fordert ihnen die »ganz große Leistung« ab, sich auf »diese verschiedenen Sprachen einzulassen, die gesprochen werden und auf diese verschiedenen Kulturen, die da aufeinanderprallen« (K06.15:432–443).

3.2 Für die Kommunikation noch mal extra was machen, um das Legitimationsproblem zu lösen

Akteure auf Stadt-, Landes- und Bundesebene adressieren die kommunale Organisation mit unterschiedlichen Interessen und konstituieren ein Kräftefeld antagonistischer Erwartungen zwischen Verwalten und Gestalten, zwischen Präsentieren und Repräsentieren, zwischen Integrieren und Separieren, zwischen Offerieren und Nutzen sowie zwischen Beraten und Appellieren. Bei der Bearbeitung dieses Anspruchs-Mix beansprucht die Stadtverwaltung eine klare Führungsrolle. Über intensive Kommunikationsgelegenheiten innerhalb der Stadtverwaltung stellt sie spezifische Interessenkonsense in der Bildungslandschaft her. Sie nutzt Ressourcen, Programmelemente und den Code der Erziehung von Lernen vor Ort, um den Blick der beteiligten Akteure auf Belange des Publikums an Leistungsempfängern zu lenken. Mit der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure transformiert sie Hegemonie- und Domänenspiele in Inklusionsspiele. Im Übergang zu einem KBM mit Bordmitteln der Stadt stellt das Steuerungsgremium die Brücke zur Stadtgesellschaft sowie zur Anbindung von Interessen externer Partner an die Kommunalpolitik her.

3.2.1 Zwischen Verwalten und Gestalten

Die Programmpolitik auf Bundesebene gestattet es, Kommunen um die Kulturhoheit der Länder herum im Modus der Erziehung zu adressieren. Die Orientierung am Lernen im Lebenslauf und die Ausrichtung an Bildungsbiographien versucht direkt auf die Ebene der Individuen vorzudringen. Der Zusatz, Doppelstrukturen zu vermeiden, kaschiert, dass das Schulwesen mit dem Programm zunächst außen vor ist und bürdet Kommunen gleichzeitig die Kooperation »mit weiteren Schlüsselakteuren der Bildung« (BMBF, 2008a, S. 4) auf. Damit verbundene Friktionen enttäuschen den anfänglichen Tatendrang der externen Partner bald: »Als wir die Anträge geschrieben haben für die erste Phase, da haben wir uns natürlich sehr schön vorgestellt, wie wir das machen, und dann sind wir in der Realität angekommen« (S12.12:1432–1435). Die Erkenntnis, ein KBM über die Verwaltung zu koordinieren, erwächst aus der Erfahrung, dass für die interne und externe Zusammenarbeit nichts an ihr vorbeiführt. Nicht nur Mehrebenenspiele zwischen den Ämtern, sondern auch zwischen den Verbundpartnern und der Stadtverwaltung erzeugen Reibungsflächen: »Man kann es vielleicht an der einen Stelle ein bisschen mit Verzweiflung auch beschreiben, die gegenüber der Verwaltung geherrscht hat« (S04.13:828–829). Mit dem Alleingang der Stadt bei der Antragstellung zur zweiten Förderphase folgt sie der Empfehlung des Projektträgers, der »ganz stark auch kommuniziert und unterstützt, dass die Kommune ihre koordinierende Verwaltung stärker wahrnehmen soll« (S12.12:102–104). Damit stellt die Stadt die Weichen für prominente Vertreter der Bildungsstadt in einem Steuerungsgremium. Die im Rahmen von Lernen vor Ort beteiligten Bildungsorganisationen sehen in diesem Schritt »ein Zeichen nach außen hin: ›Und das ist dann die Ecke, wo sich die Dinge ganz klar trennen und sortieren und schärfen, wo sich dann ganz klar Rollenverständnisse ändern‹« (S12.12: 107–113).

Dass die Stadt den klaren Lead bei der Konzertierung der Bildungslandschaft beansprucht und den Weg einer selektiven Beteiligung einschlägt, bilanzieren die Verbundpartner ambivalent. Sie verstehen »die Projektlogik absolut, dass die Kommune die koordinierende Aufgabe wahrnehmen muss« (S12.12:156–157). Der Verzicht auf eine dauerhafte Leistungsvereinbarung hinterlässt aber den Eindruck, als kritischer Anspruchssteller in die Schranken verwiesen zu werden: »Und es ist natürlich immer so gewesen, dass wir nicht unbedingt eine bequeme Rolle gespielt haben. Also die Verbundpartner sind nicht weichgespült. […] Und das ist jetzt glaub’ ich einfach bequem, sich dem zu entledigen« (S12.12:143–151). Auch in Bezug auf Entscheide »in Richtung Strukturveränderung« (S12.12:178–179) fällt die Einschätzung kritisch aus: »Es ist ganz viel passiert, aber viel eben auch nicht oder nicht so, wie es hätte sein können, wenn man es von Stadtseite stärker forciert hätte« (S12.12:182–184).

»Positive Entwicklungen, […], die man sich vor zwei Jahren noch nicht vorstellen konnte«, verweisen darauf, dass »ganz viel passiert« und die Stadt »auf einem guten Weg« (S12.12:366–370) ist. Die externen Partner konnten in den ihnen mittels eines Letter of Intent übertragenen Aktionsfeldern Demographischer Wandel, Wirtschaft, Technik, Umwelt und Wissenschaft, Bildungsberatung und Bildungsübergänge »in eigener Verantwortung« (S12.12:391) sehr viel anstoßen. Dazu »gehören viele Einzelprogramme, Erhebungen, viele Diskussionsrunden, um überhaupt Bestandsaufnahmen hinzubekommen, Handlungsorientierungen ableiten zu können« (S12.12:410–412). Neben inhaltlichen Schwerpunkten verzeichnen sie Erfolge in grenzüberschreitender Gremienarbeit: »Ich denke, da haben wir sehr viel bewegen können und auch sehr viel Verknüpfungsarbeit in der Landschaft und zwischen der Verwaltung und der Bildungslandschaft leisten können« (S12.12:414–416). Offen gebliebene Entscheide in den grundlegenden Bereichen der Bildungsübergänge und -beratung erzeugen aber auch Unzufriedenheit: »Es gibt keine Entscheidung zu einem Übergangsmanagement, […], und da stoßen wir als Verbundpartner sicherlich auch an Grenzen, weil letztlich auch das eine Verwaltungsentscheidung ist« (S12.12:423–428).

Dass die wissenschaftliche Begleitung auf den Bereich der Bildungsberatung fällt, unterstreicht den Eindruck, als Vertreter der Bildungsübergänge an Einfluss einzubüßen: »Das macht uns unzufrieden, weil wir die Chance verpasst haben, […], über die wissenschaftliche Begleitung ein Stück weit das Bewusstsein dafür zu schärfen in der Verwaltung, wie wichtig das ist, was da alles an Überlegungen mit dranhängt für die Beratung« (S12.12:447–450). Trotz eines offenen Bewusstheitskontextes für das Potenzial eines gemeinsamen Fachforums, gelingt ein Zusammenschluss der externen Partner nicht, um die Frage zu diskutieren: »Wo setzt Beratung an den Übergängen an?« (S12.12:464). Die beiden Verbundpartner erleben sich erfolgreich bei der Kernaufgabe, weitere Partner der Bildungslandschaft einzubinden: »Und da hat die Stadt durchaus von uns als Verbundpartner profitiert, weil wir einfach den Kontext zu externen Partnern aus der Natur der Sache haben« (S12.12:714–716). In Hegemoniespielen zwischen den drei Hauptverwaltungsebenen Bund, Land und Kommune erleben sie sich als Spielball: »Der Bund hat da nicht bis zum Ende gedacht, als er sagte: ›Die Kommunen müssen das Land einbinden‹ wobei zunächst das Land übergangen wurde und viel geglättet werden muss« (S12.12:723–728). Sie bekommen »gespiegelt, […], dass da erst mal Krieg war, bevor Lernen vor Ort auch ankommen kann« (S12.12:729–732).

Den Transferanspruch refüsieren sie mit der Frage: »Was entwickelt der Bund mit dem Land gemeinsam, um irgendetwas zu transferieren in andere Kommunen?« (S12.12:747–751). Eine Kultur der Beteiligung – so die Kritik – würde Partizipation bereits bei der Planung von Transfermaßnahmen bedingen: »Aus meiner Sicht müsste man auch andere Kommunen einbinden, um zu fragen: ›Was braucht ihr eigentlich wie, um was zu verändern?‹« (S12.12:751–755). Auch ein Vertreter der Bürgerstiftung ist »ausdrücklich unzufrieden«, dass zwischen Bund, Land und Kommune keine Gespräche stattfinden: »Es hat meine Erwartungen nicht erfüllt, dass es nicht gelungen ist, dass der Bund und die Länder mit uns als Stiftungen und Stadt vernünftig an einem Tisch sich zu diesen Themen ausgetauscht haben« (S06.14:1391–1394). Die dem Programm inhärente Idee des Lernens versteht er nicht nur als ein Gebot für Kommunen, sondern für alle drei Verwaltungsebenen und die kommunale Bildungslandschaft als eine »entwickelte Landschaft vernetzter Projekte und Bildung, die man anfassen […], die man sehen kann« (S06.14:1411–1419). Das Auslaufen des Förderprogramms nimmt er als »eine Lücke, ‘n Bruch« wahr, bei dem sich »die besten Leute wieder an den besten anderen Stellen […] weiterbewerben« (S06.14:1444–1449).

3.2.2 Zwischen Präsentieren und Repräsentieren

Mit den Programmstrukturen institutionalisierte Jahrestreffen ermöglichen bundesweite Kommunikationsgelegenheiten zwischen den beteiligten Kommunen und das Erleben einer Lern- und Schicksalsgemeinschaft: »Wir sind ja auch im regen Austausch mit den anderen Kommunen und Entwicklungsgruppen. Da ist [die Stadt] ja nicht ein singulärer Fall, das ist ja anderswo wenigstens genauso, in manchen Kommunen sogar noch viel verhärteter« (S12.12:1443–1448). Dass sich die Leitidee eines kohärenten Bildungswesens in die Bildungslandschaft hinaus ausdehnt, verdankt sich dem Umstand, dass Lernen vor Ort innerhalb der Stadtverwaltung zunächst »als etwas Externes, was nebenher läuft« (S12.12:1591), wahrgenommen wird. Um die Wahrnehmung zu erhöhen und »diese Verknüpfung mit den Amtsleitern hinzukriegen« (S12.12:1609), reaktiviert das KBM eine bestehende, aber schlafende ämterübergreifende Projektgruppe zur AG Bildung. Eine »sehr gute Kooperation« (S12.12:1654) entwickelt sich mit dem Amt für Stadtentwicklung, das sich an den Teamsitzungen der Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden beteiligt und der Kulturdirektion, die ihre Expertise im Bereich Marketing zur Verfügung stellt. Eine dritte Verknüpfung gelingt mit der MINT-Strategie der Arbeitsgruppe, »flächendeckend für alle Grundschulen die Klassenkisten der Deutschen Telekom Stiftung einzuführen und damit auch alle Erzieherinnen und Lehrer und Lehrerinnen fortzubilden« (S12.12:1718–1724).

Die Lernen-vor-Ort-Beteiligten erleben die Bürgerstiftung durchwegs als »einen sehr konstruktiven und gelungenen Partner, weil dadurch die Nähe zum Bürger auch immer reflektiert wird« (S22.11:1673–1674). In der »Rolle des kritischen Freundes« (S22.11:1685) sorgt dieser Akteur für Anschlüsse zwischen der Programm- und der antizipierten Logik von Bürgerinnen und Bürgern: »Man muss ja in einem Projekt aufpassen, dass man sich in all den Produkten, die man für die Kommune, für ein Monitoring, für die Statistik und für das Management schafft […], nicht zu weit von dem eigentlichen Bürger entfernt« (S22.11:1678–1681). Die Perspektive richtet sich auf die Annahmebereitschaft durch Verstehen: »Die holen uns hier und da ein Stück weit wieder runter und fragen, wie das jetzt dem Bürger verständlich gemacht werden soll« (S22.11:1689–1690). Zum Einsatz kommen Mittel und Wege, um die Idee des Programms in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken: »Sie geben uns auch wirklich tatkräftige Unterstützung im Bildungsmarketing« (22.11:1693–1694).

Mit der Ausdehnung des Labels Lernen vor Ort in die Stadtgesellschaft erhöht die Bürgerstiftung auch die eigene Sichtbarkeit mit zentralen Anliegen der Agenda 21 und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Indem sie ein Stiftungstreffen organisiert, schafft sie einen Zeitraum für Operationen des Zeigens und Lernens für zivilgesellschaftliches Engagement und öffnet den Bewusstheitskontext für das biographische Kapital der Stadt: »Bis dahin wussten wir nicht, dass wir über 40 Stiftungen […] haben und kannten diese gar nicht. Da sind sicherlich nicht alle, die mit Bildung zu tun haben, aber es ist einfach ein toller Beitrag« (S22.11:1702–1706). Als Veranstalter des Bürgerfests organisiert sie eine weitere Gelegenheitsstruktur für Interessengruppen und damit auch für Lernen vor Ort, um das Engagement zu präsentieren. Sie offeriert Ideen zum Thema Bildung: »Und wir können dann gucken, ob wir das integrieren oder nicht. Da kommen also auch viele Anstöße her und es wird viel initiiert unter dieser Bürgernähe. Das ist, denke ich, ein sehr guter Griff gewesen, es so zu installieren« (S22.11:1720–1722). Während die Bürgerstiftung die Grundpatenschaft sichert, konstituieren zwei Themenpatenschaften mit unternehmensnahen Stiftungen »eine zielbestimmte Zusammenarbeit« (S22.11:1770–1771). Deren konkrete Angebote – die Experimentierkisten der Deutschen Telekom Stiftung und die Lehr-Lern-Methodik der TheoPrax Stiftung – sind »unkompliziert und zügig einsetzbar« (S22.11:1749). Die Zusammenarbeit kennzeichnet ein externer Partner als »sehr unkompliziert und kurzfristig auf Ergebnisse orientiert« (S22.11:1754–1755).

Eine auf Dauer gestellte Brücke zu externen Partnern stellt die Bildungsdatenbank als »größte Errungenschaft« (S06.12:1402) beim Aufbau eines KBM dar. Sie transportiert das Anliegen des Jugendrings, »dass Freizeitbereiche auch zum Bildungsbereich gehören« (S06.12:1421–1422). Sie trägt dazu bei, den Jugendförderplan darauf auszurichten, »dass es hier nicht mehr darum ging, irgendwo Kinder und Jugendliche von der Straße wegzukriegen« (S06.12:1424–1426). Die Orientierung am Thema Bildung gestattet dem Interessenverband eine Stärkung der Position, »dass das wirklich auch Lernorte, Lerninhalte und auch Bildungsangebote sind« (S06.12:1426–1427). Das angepasste Konzept erfährt nicht nur bei den Jugendverbänden, sondern auch bei der Kommunalpolitik große Zustimmung, weil es gelingt, Lernorte der Stadt als Gelegenheitsstrukturen für außerschulisches Lernen herauszuarbeiten und darzustellen. Darüber hinaus bündelt die Datenbank »bestimmte Denkweisen von freien Trägern« (S06.12:1409–1410) und ermöglicht »die Vernetzung zwischen sehr unterschiedlichen Trägern, die so vielleicht gar nicht oder nur auf sehr schwierigen Wegen« (S06.12:1415–1416) möglich wäre.

3.2.3 Zwischen Integrieren und Separieren

Bei der Beteiligung von Bildungspartnern hält die Stadt das Heft fest in der Hand. Sie anerkennt deren Interessen und moderiert Hegemoniespiele um Nachwuchssicherung ohne Anspruch, die beiden Partner in Kooperation zu bringen: »Die sind etwas in Konkurrenz miteinander, da muss man immer sehr genau gucken. Die beiden an einen Tisch zu bekommen, ist etwas schwierig, insofern haben wir uns darauf eingestellt, separat zu arbeiten und in bilateralen Gesprächen mit beiden zu verhandeln« (S22.11:1732–1736). Die Herstellung eines spezifischen Interessenkonsenses erfolgt im Bewusstsein um antagonistische Kräfte: »Und wenn man dann mit der Stiftung spricht, muss man im Hinterkopf diese Strukturen haben und wissen, dass man auch mit dem Geschäftsführer eines Bildungswerkes der […] Wirtschaft spricht, wo ganz bestimmte Ausbildungsziele verfolgt werden« (S22.11:1783–1786). Bildung und Lernen werden nicht einseitig zugunsten ökonomischer Relevanzkriterien überformt. Das KBM wägt kritisch ab, ob und inwieweit Angebote der Stiftungen »nutzbar gemacht« (S22.11:1786) und deren Rolle als »Macherinnen« (S22.11:1746) aufgenommen werden. Es markiert den Lead, wenn es bestimmt, »was hier und da nicht in die Ziele gegenwärtig passt« (S22.11 und »überlegt […], wie man dies anspricht« (S22.11:1786–1788). Es erkennt das Erfordernis eines intensiven Kommunikationsbedarfs zwischen Stadtverwaltung, -politik und -gesellschaft, insbesondere in der Transferphase zu einem kohärenten Bildungswesen ohne Fördergelder.

Mit dem Stellenprofil des stellvertretenden Projektleiters trägt das KBM der Überführung der Programmstrukturen in die zweite Förderphase Rechnung und nimmt die externen Partner aus den Konfliktlinien, ohne auf deren Wissensressourcen zu verzichten: »Aber wir haben mit denen auch noch Kontakt und die sagen natürlich auch, sie können sich auch ein Stück weit wieder auf ihre eigenen Aspekte konzentrieren, ohne dass da generell, sagen wir mal, die Brücken abreißen« (S04.13:791–794). Die Verlagerung des Konfliktmanagements auf den Organisationskern der Stadtverwaltung markiert nach einer Experimentierphase im Rahmen des Projekts Lernen vor Ort eine Zäsur und eine Rückkehr zum Courant normal des staatlichen beziehungsweise kommunalpolitischen Steuerungsanspruchs: »Vielleicht war es eben auch gut, dass dann frischer Wind mit dazu kam, der dann auch noch mal gesagt hat: ›Okay, sei es, wie es ist, wir können noch mal an der und der Stelle was machen, auch noch mal eine Stellschraube machen‹« (S04.13:872–876). Ein »neues Gesicht« soll »festgefahrene Aspekte noch mal ein Stück auflösen« (S04.13:880–881). Eine zentrale Aufgabe besteht darin, verwaltungsinterne Gremien so zu organisieren, dass »Themen ämterübergreifend interdisziplinär betrachtet werden können« und »das von den einzelnen Fachbereichen erkannt wird« (S04.14:530–538). Lernen-vor-Ort-Errungenschaften fließen in eine »ämterübergreifende Sozialstrukturplanung« (04.14:1104–1105) ein, insofern ein »Referent der Dezernenten so ‘ne Runde einberuft […] und sagt: ›Okay, wir erarbeiten jetzt mal gemeinsam Indikatoren für eine Planung oder für eine Berichterstattung‹« (S04.14:1109–1115). Der Bildungsbericht forciert die Notwendigkeit, den Schulnetzplan und den Bildungsplan zu bündeln: »Diese Pläne haben in der Vergangenheit immer schön nebeneinander agiert« (S06.12:1255–1256).

Dass Pläne agieren und damit den Status von Aktanten erhalten, verweist auf deren Eigenleben, welches das Handeln der Kommunalverwaltung dirigiert. Durch das Ganztagsschulprojekt entstehen »Grauzonen, wo sich Leistungen überschneiden, wo Grundschulen einen Freizeitbereich mit absichern« (S06.12:1270–1271). Überschneidungen irritieren das bisherige Vorgehen, finanzielle Mittel an Aufgabenressorts zu binden und erzwingen Justierungen auf kommunalpolitischer Ebene: »Na, wenn diese Zielgruppe im Hort ist nachmittags, dann habt ihr sie ja nicht mehr. Also, warum sollen wir hier Jugendeinrichtungen oder Einrichtungen für Kinder im Grundschulalter fördern?« (S06.12:1275–1278). Ressortgebundenes Konkurrenzdenken um Ressourcen wird »in der fachlichen Diskussion natürlich eher in eine Kooperation umgelenkt« (S06.12:1284–1285), wobei der Bildungsbericht den »Blickwinkel der Bildungslandschaft [und] ganz andere Fachlichkeiten« (S06.12:1290–1291) ermöglicht: »Und nicht mehr so der Zug, naja: ›Ihr nehmt uns die Kinder weg, wir sind doch eigentlich diejenigen, die hier Freizeitangebote machen‹« (S06.12:1293–1294). Verselbstständigte Planungspraktiken, die dem Ressortegoismus geschuldet sind, vermag der Entscheid, sich dem programmatischen Anspruch des Bildungsberichts zu unterwerfen, aufzubrechen und in Richtung einer integrierten Planung zu lenken. Das Programm leiht der Verwaltung den Blick für Belange des Publikums an Leistungsempfängern. Diese sieht einen Nutzen darin, dass mit dem IT-Tool ein ämterübergreifend gepflegter Datensatz »Arbeiten vereinfacht und auch Kommunikationswege verflachen lässt« (S04.14:1129–1130).

Eine »gewisse Selbstverständlichkeit« hat das »regelmäßige Entsenden von Fachplanern oder von Sachbearbeitern in die Projektgruppe Bildung« (S. 04.14:1137–1139) erreicht. Die Verstetigung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit zeigt sich darüber hinaus an Kopierprozessen. Dass die Idee von dezernatsübergreifenden Arbeitsgemeinschaften sich »nicht bewusst gesteuert« (S04.14:1172) vervielfältigt hat, stellt sich zufällig heraus, als eine zentrale Person der Projektgruppe Bildung einen Termin absagt »unter Verweis, dass sie in der Arbeitsgruppe Personal- und Strukturentwicklung tätig ist« (S04.14:1293–1204). Das KBM, das bisher nichts von dieser Arbeitsgruppe wusste, markiert auch hier den Leadanspruch: »Natürlich war’s dann halt unser Impuls, sofort zu sagen: ›Okay, einer von uns geht da mit rein in diese Gruppe‹« (S04.14:1227–1228). Neben ressortübergreifender Zusammenarbeit als unvorhergesehener und erwünschter Parallelprozess verzeichnet das KBM auch unvorhergesehene und unerwünschte Abbrüche in der Zusammenarbeit mit externen Partnern. Als im Übergang zur zweiten Förderphase infolge von »Stadtratsaktivitäten« (S04.14:1330) Stellen mit einem zeitlichen Verzug genehmigt werden und infolgedessen eine dreimonatige Lücke im externen Schnittstellensupport entsteht, erkennt das KBM: »Es geht nicht nur darum, innerhalb der Stadtverwaltung sich […] wieder zu positionieren, sondern auch [darum], eben die Kontakte zu den externen Partnern aufzubauen wieder« (S04.14:1348–1352). Die Einsicht, dass Leistungsbeziehungen mit externen Partnern fragil sind und auf Akzeptanz innerhalb der Verwaltung beruhen, geht als Operation des Lernens aus dem Projekt Lernen vor Ort hervor. Die Kommunikationsstrategie innerhalb der Stadtverwaltung setzt darauf, »Verständnis zu wecken, also ganz banal etwa in den Ausschüssen regelmäßiger zu berichten« (S04.14:1418–1421). Diese Gangart ist der Kommunikationsart innerhalb der Administration geschuldet, die sich an einer hierarchisch-arbeitsteiligen Organisationsstruktur orientiert. Hegemoniespiele zwischen Akteuren des politisch-administrativen Systems werden über Beobachtungsgelegenheiten in ressortübergreifenden Zeiträumen moderiert.

Demgegenüber wollen externe Partner gezielt einbezogen werden: »Also, wir haben festgestellt, dieses rein: ›Okay, wir setzen uns mal zusammen und informieren mal wie der Stand ist‹, das ist zu wenig« (S04.14:1448–1450). Akteure in Domänenspielen haben »ihre eigenen Baustellen, die sie tagtäglich bearbeiten müssen« (S04.14:1454–1455). Sie wollen mit einer Anbindung an die Stadtverwaltung »nicht einfach ein Netzwerk um des Netzwerks Willen« (S04.14:1490), sondern »ganz spezifisch aufgabenbezogen« (S04.14:1514) angesprochen werden. Ein Vertreter der Handwerkskammer beispielsweise adressiert das KBM mit dem Anspruch, die Interessenhorizonte abzustecken: »Was wollen Sie von uns? Was haben Sie für Erwartungen? Und wo können wir Ihnen auch wirklich helfen und nützen? […]. Reden Sie mit uns und geben Sie uns letztlich ‘nicht ‘n klaren Auftrag, aber ‘ne Perspektive« (S04.14:1538–1545).

3.2.4 Zwischen Beraten und Appellieren

Das KBM sieht seine Aufgabe darin, den Hochschul- und Ausbildungssektor ins Gespräch zu bringen. Sowohl Fachhochschule und Universität als auch die Kammern ringen um das Publikum an Leistungsempfängern: »Letztlich ist es ja so, dass wir im Grunde genommen sehr, sehr hohe gymnasiale Übertritts-Quoten […], sehr hohe Abitur-Quoten haben. Und die meisten, die Abitur eben erreichen oder anstreben, gehen auf Hochschulen. Kann man legitim finden, die Kammern tun es nicht« (S04.14:1728–1737). Kämpfen Kammern darum, »viele Leute in die duale Ausbildung zu bringen« (S04.14:1745), überlegt die Universität, wie sie an »Leute aus dem Berufsfeld rankommt, um diese weiterzuqualifizieren« (S04.14:1806–1807). Dieser Konflikt lässt sich »nur sehr begrenzt lösen« (S04.14:1751–1752), aber kommunikativ bearbeiten. Das Steuerungsgremium eröffnet einen Zeitraum, in dem das KBM eine beratende Funktion ausübt, etwa, indem es den Kammern vorschlägt, an Klassen heranzutreten und um Nachwuchs zu werben oder indem es die Hochschulen dazu anregt, sich auf die Ansprüche von Menschen aus der Berufswelt ein- und umzustellen. In seiner Beratungsrolle transformiert das KBM Domänenspiele in Inklusionsspiele. Noch spielt es dabei einen »stark steuernden« Part, erhofft sich aber, »dass auch mal ein Akteur selbst ein Thema einbringt und sagt: ›Okay, das Thema haben wir ganz brisant bei uns auf der Agenda‹« (S04.14:1780–1791).

Im Anspruch, mit Gesprächen »da ‘n Stück weit Verständnis zu wecken« (S04.14:1418), liegt der Appell, die eigenen Interessen zugunsten einer gemeinsamen Verantwortung zu überwinden: »Man soll schon auch gucken, welches gesamtstrategische Problem macht eine Institution nach außen hin auf und kann man dieses Problem vielleicht mit anderen Akteuren gemeinsam bewältigen« (S04.14:2045–2051). Noch gestaltet sich diese auf die Zukunft gerichtete Aufgabe des Steuerungsgremiums als »’n schwerer Arbeitsprozess« (S04.14:2055). Dass die Beteiligungsstrukturen im Projekt Lernen vor Ort »konzentriert mit viel Manpower« (S04.14:2062) erprobt werden konnten, relativiert die Anforderungen an den Transfer im Sinn einer Nachhaltigkeit vor Ort: »Das jetzt in kurzer Zeit von diesem Gremium zu verlangen, die auch vielleicht so nicht in der Idee stecken, das ist ‘n Stück weit zu viel« (S04.14:2065–2067). Auch der neuen Konstellation wird ein Lernprozess zugestanden, der »viel Verständnis«, und »ganz, ganz viel Geduld« erfordert, »ohne belehrend zu wirken« (S04.14:2070–2074). Für alle Beteiligten bedeutet dies »viel, viel Arbeit, die auch wahrscheinlich nach Lernen vor Ort einfach genau so weitergehen muss« (S04.14:2078–2084).

4 Arenen der (Un-)Bewusstheit

In der Arena (Un-)Bewusstheit verstetigt sich das BMK mit der Aufgabe, eine Verständigung über Bildungsberichte zu ermöglichen und das KBM mit der Zielstellung, das biographische Kapital für die Stadtgesellschaft bereitzustellen. In beiden Beispielkommunen adressiert das sozial-kulturelle System das politische System, um die Machtinvestition auf dem Feld des politischen Diskurses zwischen Macht und Wahrheit hinsichtlich gleichwertiger Lebensverhältnisse durch Bildung zu generalisieren (vgl. Abbildung 11.6).

Datengestützte Reflexion betreibt das BMK, indem es Wissenschafts- und Berufspraxis ins Gespräch bringt (K05.04.01), Themen und Projekte als Dienstleister für die Städte koordiniert (K05.04.02) sowie dadurch, dass es Bildungsberichte datenbasiert aufeinander abstimmt und dabei die Politik mitnimmt (K05.04.03). Biographisches Kapital macht die Stadt sichtbar, indem sie den außerschulischen Bereich und die Beratungsstelle evaluiert (S05.04.01), Wissenskooperation innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung auf die Agenda setzt (S05.04.02) und dabei Denkprozesse über die eigenen Interessen hinaus anregt (S05.04.03).

Abbildung 11.6
figure 6

Spannungslagen in Arenen der der (Un-)Bewusstheit (Eigene Darstellung)

Transferbegleiterinnen resümieren Wissensarbeit als datengestützte Reflexion, um Verborgenes sicht- und verstehbar zu machen. In Zeiträumen des Rückzugs vom Handlungsdruck transformieren sie Widerfahrnisse mithilfe wissenschaftlicher Konzepte und kollegialer Beratung in Verstehen und emotionale Entlastung. Handlungsentlastete Reflexionsgelegenheiten erweisen sich als tragfähig für ergebnisoffene Verständigungsprozesse, in denen sie Anschlüsse herstellen zwischen der Darstellung und Deutung von Berichtsdaten. Sie erkennen den Wert von Vertrauen zur Überbrückung eines sorgenden, pädagogischen Engagements mit einer haftenden Verantwortung, die sich mit der Bereitstellung von Bildungsberichten begnügen könnte. Auch das KBM sieht sich der Aufgabe gegenüber, die Darstellung von Berichtsdaten zu überschreiten und zur Grundlage von Entscheiden mit Blick auf das Publikum an Leistungsempfängern zu machen. Dem erkannten Potenzial qualitativer Einzelfalldarstellungen steht die Einsicht gegenüber, dass Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung eine eigene professionelle Tätigkeit darstellen, die nicht nebenher geleistet werden kann. Die Bildungsdatenbank als Gesamtabbildung des biographischen Kapitals der Bildungsstadt und Arrangement von Bildungsangeboten berührt noch nicht den eigentlichen Leistungskern, der erst durch das Vermitteln zwischen Operationen des Zeigens mit Operationen des Lernens bearbeitet werden kann.

4.1 Mit Wissenschaftspraxis Verborgenes verstehbar machen

Beobachtungsprozesse übersetzen verborgene Wissensbausteine in sichtbare Instrumente. Dieses biographische Kapital dokumentiert das in Sozialräumen der Leuchtturmstädte entwickelte Praxiswissen. Bildungsberichte repräsentieren indikatorenbasierte Kennzahlen, die datengestützte Reflexionen anleiten können. Beide Produkte grenzüberschreitender Kooperationen verbinden konflikthafte Aushandlungen in Domänenspielen, an denen Akteure der Kommunalpolitik, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft teilnehmen und die Lernen-vor-Ort-Mitarbeitende leiten. Datenbasiertes Wissen kann kommunalpolitische Entscheide zwar beeinflussen, ohne Kommunikationsarbeit mit dem pädagogischen Personal aber nicht bis zum Publikum an Leistungsempfängern vordringen. Umgekehrt bleibt das Engagement des pädagogischen Personals unwägbaren Hegemoniespielen verhaftet, wenn es nicht gelingt, die vielfachen Interessen der Träger politisch zu legitimieren. Das BMK bearbeitet dieses sowohl system- als auch sozialintegrative Gefährdungspotenzial, indem es Domänen- und Hegemoniespiele auf die Belange von Kindern, Jugendlichen und Eltern ausrichtet und damit in Inklusionsspiele transformiert.

4.1.1 Zwischen Verstehen und Beraten

Transformative Akteure sind Wissensarbeiterinnen, die sich »diese ganz komplizierte Gemengelage« (K04.14:232) an Mehrebenenspielen erschließen. Dabei greifen sie auf externe Unterstützung zu: »Was dann für mich noch mal sehr wertvoll war, war die Fortbildung, die wir vom Projektleiter finanziert bekommen haben« (K04.14:224–225). Zu verstehen, dass Verwaltung und Schulen »völlig anders funktionieren als so ‘n Projekt funktioniert«, erfahren die Transferbegleiterinnen als »außerordentlich wertvoll: ›Das mal uns vor Augen zu führen, also, was sollen wir eigentlich tun, mit wem und warum und wie kann das überhaupt funktionieren?‹« (K04.14:229–238). In »Runden mit so zwischen zehn und fünfzehn Kollegen und Kolleginnen« (K04.14:242–243) ziehen sie sich zum Projektbeginn vier Mal im Jahr zu einer zweitägigen Retraite zurück und lassen sich mit wissenschaftlichen Konzepten eine Außenperspektive auf den Gegenstand Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene geben: »Also, wie funktionieren eigentlich bestimmte Systeme und warum. Und warum ist es so schwierig, wenn zum Beispiel Verwaltung jetzt plötzlich konfrontiert wird mit so einem Projektmanagement, was ja auf kurzfristige Erfolge aus ist, was ja ein Veränderungsmanagement bedeutet« (K04.14:261–266). Später moderieren sie die Treffen selber: »Dass wir also tatsächlich mal unsere Probleme loswerden konnten, uns gegenseitig Tipps geben konnten, Erfahrungen austauschen, also sprich, kollegiale Beratung im wahrsten Sinne des Wortes, also das war außerordentlich wichtig« (K04.14:253–256). Neben organisierten Formaten für Beratung und kollegialen Austausch im Lernen-vor-Ort-Team erweist sich auch die wissenschaftliche Begleitforschung als Gelegenheitsstruktur, um Erfahrungen bewusst zu machen und in Sachverhaltsdarstellungen zu gießen. Der Dialog zwischen der Berufspraxis der Transferbegleiterinnen und der Wissenschaftspraxis der Projektbeobachtenden befördert Einsichten, die in die Transferarbeit eingehen: »Auch diese Gremienarbeit bringt viel, jetzt noch mal mit dieser Außensicht, deswegen auch dieses Reflektieren hier: ›Was kann man neuen Kommunen mit auf den Weg geben?‹« (K05.15:285–290).

4.1.2 Zwischen Darstellen und Deuten

Die mehrfach zum Ausdruck gebrachte Relevanzmarkierung eines Rückzugs, kollegialen Austauschs und einer wissenschaftlich fundierten Beratung unterstreicht die Bedeutung handlungsentlasteter Reflexionsgelegenheiten angesichts von Widerfahrnissen beim Aufbau eines BMK. Als eine Arbeitsgruppe den vermeintlich fertigen Bildungsbericht redigiert, »ist hinterher alles rot« (K04.14:438). Gelegenheitsfenster für ergebnisoffene Verständigungsprozesse auf der Basis eines fundierten Hintergrundwissens stellen sich rückblickend »als sehr tragfähig« (K04.14:447–448) heraus. Für Adressaten des Bildungsberichts sind konflikthafte Aushandlungs- und Verständigungsprozesse unsichtbar. Sie »fangen konkret mit den Zahlen etwas an« (K06.14:787) und würdigen den Wert der Berichte: »Wir haben sehr gute Rückmeldungen zum Bildungsbericht bekommen von den unterschiedlichsten Personen und Einrichtungen« (K06.14:777–778). Ein »Vertreter einer Stadt« schlägt anlässlich eines Arbeitstreffens vor, sich als Kreis mit dem Hauptthema »Kinderarmut und Bildung« zu befassen und begründet dies mit dem Bildungsbericht: »Da hat er dann draus vorgelesen« (K06.14:789–792).

Dass das aufbereitete Wissen für kreisangehörige Städte zur repräsentativen Operation des Zeigens werden kann, erleben Lernen-vor-Ort-Verantwortliche als Anerkennung ihrer Arbeit: »Das fand ich dann schon sehr gut« (K06.14:793). Eine kreisweit gemeinsame und verbindliche Nutzung der Berichtsdaten ist aber kein Selbstläufer: »Wir haben uns nie als Team zusammen hingesetzt und gesagt: ›So, was gibt es denn für uns an neuen Erkenntnissen, was machen wir draus, wie müssen wir als Team im Kreis […] mit dem Thema Bildung darauf reagieren?‹« (K10.11:1028–1030). Die Bedeutung eines kreisweiten Bildungsberichts für eine kreisangehörige Stadt zu erschließen, bedarf nochmals eines gesonderten kommunikativen Aufwands: »Für meine operative Arbeit […] gucke ich mir lieber den Familienbericht […] an, weil ich da Stadtteilzahlen habe, als den Bildungsbericht für den Kreis« (K10.11:1040–1043). Indikatorenbasierte Kennzahlen entfalten ihr Potenzial für den Sozialraum erst, wenn sie den Dialog über weitere Zielsetzungen anleiten: »Das ist nur interessant, wenn wir uns wirklich im Team mal drüber unterhalten: ›Was heißt das eigentlich für uns?‹. Und das haben wir nicht gemacht« (K10.11:1045–1046). Wer in den Sozialräumen einer Stadt unterwegs ist, zieht »immer die Zahlen für die Stadt zu Rate […]: Da wir in dem Feld arbeiten, sind das die wichtigen Dinge, die wir wissen müssen« (K10.11:1058–1065).

Für Transferbegleiterinnen erwächst daraus die Aufgabe, Anschlüsse zwischen den unterschiedlichen Berichtsebenen herzustellen. Darüber hinaus führen Erfahrungen mit dem Bildungsmonitoring zur überraschenden Einsicht, »dass die veröffentlichte Quote der Studienberechtigten der Agentur sehr viel höher ist als eigentlich gedacht, weil immer die BerufskollegsFootnote 13 nicht mit eingerechnet wurden, die ja auch voll Abitur haben« (K06.14:803–804). Eines der großen Ziele im Kreis, »die Abiturquote zu erhöhen«, ist damit »längst erfüllt« (K06.14:815–816). Weitere Operationen des Lernens gehen aus der Auseinandersetzung mit der U3-QuoteFootnote 14 hervor, deren Aussagewert durch aufwändige Nachforschungen rekonstruiert werden muss. Da die amtliche Statistikstelle des Landes die Quote der U3-Kinder zu einem anderen Stichtag erhebt als die Städte, sind die Zahlen nicht vergleichbar: »Da gibt es eine Menge Punkte, wo man erst einmal für Klarheit sorgen muss und natürlich auch für Informationen« (K06.14:825–826). Während hier »eine gewisse Grundlage« erreicht werden kann, sind datengestützten Aussagen zu non-formalen und informellen Lernwelten noch Grenzen gesetzt. »Wir haben jetzt auch noch mal mit dem Sport angefangen, in andere Bereiche reinzublicken« (K06.14:828–832). Das Berichtswesen gestaltet sich »ziemlich kompliziert«, weil »man mehr oder weniger den Überblick selber erheben« muss: »Das geht gar nicht. Das schaffen wir nicht und schon gar nicht im Haus« (K06.14:868–878).

Im »Kampf um die Darstellung und Vereinheitlichung von Zahlen« (K06.14:841) wird deutlich, dass es sich bei der Bildungsberichterstattung um einen eigenen, komplexen Arbeitsbogen handelt, dessen Gestaltung anfängliche Vorstellungen bei Weitem übertrifft: »Aber da haben die sich allen Ernstes vorgestellt, dass man den Anwendungsleitfaden einfach nehmen und umsetzen könne« (K06.14:908–909). Die ursprüngliche Idee, den kreisangehörigen Städten »die Zahlen möglichst einfach zur Verfügung [zu] stellen«, die diese dann »mit eigenen Worten wiedergeben«, zerschlägt sich an den Anforderungen der Wissenschaftspraxis: »Das hat man dann gemerkt, dass dann das DIPFFootnote 15 auch anfing, Fortbildungen zu machen auf einem relativ hohen Niveau. Wir haben dann gemerkt, dass, je tiefer man in die Materie blickt, desto komplizierter wird es« (K06.14:989–1000). Allein eine präzise Definition dessen, was man misst und die Begründung, warum man dies tut, stellt sich als enormer, diskursiver Aufwand heraus, der durch unterschiedliche Verständnisse und Praktiken genährt wird: »Wenn man dann […] noch nicht mal innerhalb eines Kreises Klarheit hat, weil sie auch noch unterschiedlich rechnen, dann hat man einfach keine Datengrundlage, mit der man irgendetwas anfangen kann« (K06.14:1013–1018).

Nicht nur die mit der Datenarbeit verknüpften Verständigungsprozesse profilieren das BMK als Könner im Anschließen unterschiedlicher Kommunikationsarten: »Die Tatsache, dass jede Profession in ihrem Wasser so stark schwimmt, dass man ihre Sprache nicht versteht und das noch nicht mal bemerkt, das gibt es natürlich an ganz vielen Stellen« (K02.15:336–339). Gespräche mit Partnern der Bildungslandschaft offenbaren eine je »eigene Sprache […]: Wenn man über Auszubildende […] redet, dann muss man sich immer wieder darüber verständigen, ob wir jetzt eigentlich immer noch zum selben Thema reden oder ob nicht alle was anderes meinen, zum Beispiel, wie Jugendliche eigentlich sein sollten, was sie können müssen« (K02.15:341–350). Anschlüsse herzustellen, entwickelt sich zur Kernaufgabe einer grenzüberschreitenden Professionalität und beinhaltet, die in Praktiken eingelagerten und verborgenen Perspektiven verstehbar zu machen und zu zeigen, »was dahinter steckt und wie das organisiert wird« (K02.11:1627–1628). Eine »Voneinander-Lernen-Kultur« bedeutet, genau zu beobachten: ›Mit was beschäftigen die sich, was haben sie schon für Handlungsstrategien und was können wir davon aufnehmen?‹« (K02.13:123–125).

4.1.3 Zwischen Sorgen und Haften

Transferbegleiterinnen vermitteln nicht nur zwischen den verschiedenen Auflösungsebenen von Berichtsdaten, sondern verbinden auch die Beiträge zum biographischen Kapital mit dem Bildungsmonitoring. Stiftungen tragen mit dem Projekt Ein Quadratkilometer Bildung »eine ganze Menge« (K20.11:96) an Praxiswissen bei: »Es gibt inzwischen regelmäßige Austausche mit anderen Kommunen, die sowohl den Quadratkilometer Bildung als auch Lernen vor Ort haben« (K201.11:508–509). Dieses vor Ort entwickelte Programmwissen bringt eine Lernen-vor-Ort-Verantwortliche in Opposition zum Anspruch einer datenbasierten Reflexion. In Sozialräumen tätiges pädagogisches Personal stütze sich auf Beobachtungen vor Ort: »Wenn ihr in diesem Stadtteil Daten erfasst, wisst ihr genau, was dabei rauskommt, wie Eltern ihre Kinder sehen, was sie investieren können, um ihre Kinder auf den Weg zu bringen« (K20.11:526–528). Dieses Beobachtungswissen genüge, um das Handeln anzuleiten: »Da muss man nicht erst Daten erfassen. Da muss man was tun« (K20.11:530). Transferbegleiterinnen sehen nun aber, dass das Wissen der pädagogischen Könnerinnen an kommunalpolitische Entscheide gekoppelt werden muss, um Ressourcen für die Arbeit vor Ort zu legitimieren, und dies gelingt nur über die Überzeugungsmacht von Daten: »Wir müssen erst mal wissen, damit müssen wir in den Rat gehen, und wenn wir die Daten haben, dann kann man den Rat auch überzeugen« (K20.11:538–539).

Auch Stiftungen können sich dem Anspruch nach Evidenz nicht gänzlich entziehen, wie die Diskussionen um die ›Reinheit‹ beim Transfer eines Modells zeigen: »Es gab so harte Vorschriften: ›Es muss eine pädagogische Werkstatt sein, es muss eine Möglichkeit sein, nachprüfbare Ergebnisse vorgelegt zu bekommen‹ und was so eine Stiftung sich vorgestellt hat« (K20.11:1137–1140). Das pädagogische Personal kann nun aber gar keine belastbaren Wirkungen seines Engagements vorlegen: »Nicht, dass ich am Ende jedes Jahres sage: ›So, sieben Kinder sind jetzt mehr ins Gymnasium gegangen und neun Kinder [mit einer] Sprachstörung mehr oder ähnliches‹« (K20.11:1146–1147). Die Schwierigkeit, wenn nicht gar Unmöglichkeit, Lernen sichtbar zu machen, verschiebt die Rechenschaftslegung in Richtung narrativer Berichtsformen: »Das haben die also auch gemerkt und sind zu einer anderen Form der Beschreibung übergegangen, also Einzelfalldarstellungen oder sonst was werden als eine Möglichkeit inzwischen gesehen« (K20.11:1149–1151). Aushandlungsprozesse im Domänenspiel verschieben sich zugunsten eines Inklusionsspiels, in dem Vertrauen die Lücke zwischen evidenzbasierter Rechenschaftslegung und einem verantwortungsvollen Qualitätsmanagement überbrückt: »Da hat die Stiftung durchaus gelernt, dass ein paar Dinge einfach auf Vertrauensbasis laufen müssen« (K20.11:1153–1154). Dieses Vertrauen ist nicht grenzenlos, sondern an Beziehungsarbeit und Können geknüpft: »Die setzen jemanden in so ein Quartierbüro hinein, den sie selbst kennen und dem sie auch vertrauen, dass der was kann« (K20.11:1155–1156). Vorzeitig abgebrochenen Arbeitsbögen wirken Ressourcen für ein zeitlich angemessenes Engagement entgegen: »Und da hat die Stiftung natürlich einen längeren Atem. Also, dass man sagt: ›Wenigstens für drei Jahre kriegst du erst mal einen Vertrag und dann hast du schon drei Jahre, mit denen du arbeiten kannst‹« (K20.11:1161–1163).

4.2 Das Wissen der Stadt zentralisieren, aufarbeiten und bündeln

Das KBM prozessiert die Wissensorganisation zwischen Domänen- und Inklusionsspielen. Als durchschlagenden Erfolg bewertet es die Bildungsdatenbank als Arrangement von Bildungsangeboten, die Domänenspiele von Leistungsanbietern strukturiert und Inklusionsspiele für Bürgerinnen und Bürger in Aussicht stellt. Es erkennt das Potenzial einer Bereitstellungsorientierung, mittels der ein stadtweites Bildungsmarketing gelingt. Zugleich sieht es sich gefordert, Bildungsberichterstattung über die Darstellung von Daten hinaus zum Instrument für Entscheide zu machen.

4.2.1 Zwischen Bereitstellen und Nachweisen

Am Ende von Lernen vor Ort hat sich die Leitidee Bildung für nachhaltige Entwicklung innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung verankert. Sie dehnt sich in die Bildungsstadt aus, indem sie die Bildungsdatenbank inhaltlich strukturiert und Kriterien vorgibt: »Das ist ja erst mal ‘n guter Beginn« (S06.14:164). Besonders stolz sind BNE-Verantwortliche des Amts für Stadtentwicklung und Stadtplanung, dass ein »Lernprozess bei Kollegen auch in den anderen Ämtern« (S06.14:174–175) stattgefunden hat: »Es wird von mehr Leuten verstanden, dass das eben schon ziemlich gut ist, dass die Studenten da mit uns als Stadt und Vereinen oder Bürgern […] Projekte machen« (S06.14:274–275). Das Thema Bildung lässt sich kaum fassen. Als »Kunstwort« ist es »sehr schwer […] eben zu greifen« (S06.14:1588). Veränderte Kenntnisse, Fertigkeiten und Haltungen, die aus Lernen-vor-Ort-Aktivitäten hervorgehen, verschließen sich einer exakten Bilanzierung: »Es ist für den Oberbürgermeister oder die Stadtgesellschaft schwierig, einen Strukturprozess oder den Lernerfolg von Lernen im Stadtteil« (S06.14:1592–1594) nachzuweisen: »Wie mess’ ich das jetzt?« (S06.14:1599).

Angesprochen ist damit, dass Operationen des Zeigens sozial verfasst, sichtbar und darstellbar sind, während Operationen des Lernens individuell verfasst, unsichtbar und daher schwer zu repräsentieren sind. Datenbasierten Entscheiden wohnt eine systematische Überforderung inne: »Meine Sorge ist jetzt, bestimmte solche Grundlagen sind jetzt da und jetzt bräuchte ich aber auch genug Kapazität oder Wertfreiheit, um die eben analysieren zu können« (S06.14:1686–1689). Die programmatische Vorgabe der Nachhaltigkeit nimmt die Stadt als Nutznießer von Fördermitteln in die Pflicht, Belege für das Engagement zu erbringen, die die aufgewendeten Ressourcen rechtfertigen. Das KBM antizipiert den Bedarf, Domänenspiele in Inklusionsspiele zu überführen: »Und es geht für uns jetzt darum, das Ganze, nachdem wir es erfasst haben, zu bündeln und aufzubereiten, damit […] wirklich gearbeitet werden kann« (S04.13: 1021–1023). Die Bereitstellungslogik ist in eine Nutzungslogik zu transformieren, so dass für Bürgerinnen und Bürger Operationen des Lernens entstehen: »Und wir sehen uns in unserer Funktion eben genau darin, das eben für den Bürger zu ermöglichen« (S04.13:1057–1058).

Kommen mit dem Steuerungsgremium insbesondere die ›Global Player‹ (S04.13: 1110–1111) zum Zug, berücksichtigt die Bildungsdatenbank auch »sehr, sehr kleine Bildungsanbieter, die wahnsinnig tolle Angebote haben« (S04.13:1066–1067). Indem die Stadt diese Onlineplattform hostet, bietet sie auch jenen Anbietern eine Sichtbarkeit, die »nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, [um] Marketingmaßnahmen im großen Stil durchzuführen« (S04.13:1071–1072). Mächtigere Akteure hält sie zum Mitspielen an: »Größere Institutionen […] tun sich wiederum manchmal ein bisschen schwerer. Die sagen sich: ›Ja, wir haben hier unheimlich viel Geld in Stellenbörsen […] investiert und in Marketingmaßnahmen. Warum sollten wir jetzt noch zusammenarbeiten?‹« (S04.13:1076–1082). Die Sichtbarkeitspolitik stellt einen Benefit in Aussicht: »Und genau bei denen müssen wir eben sagen, das hat den Mehrwert, weil ihr eben auch mit euren Angeboten noch nicht wahrgenommen werdet oder nicht alle Angebote wahrgenommen werden« (S04.13: 1086–1088).

4.2.2 Zwischen Berichten und Entscheiden

Bedient die Bildungsdatenbank das Grenzobjekt, um Akteure in Domänenspielen zusammenzuhalten, stellt der Bildungsbericht das Grenzobjekt für Inklusionsspiele dar. Neben Bewegungen der Zentralisierung vollzieht die Stadt Suchbewegungen in Sozialräume der Bildungslandschaft hinaus: »Im Bildungsbericht haben wir auch ganz markante Unterschiede gefunden, die wir eben momentan aufarbeiten« (S04.13:1154–1155). Anders als erwartet, verzeichnet der »Innenstadtbereich eine sehr hohe Quote« (S04.13:1173–1174) an Zugewanderten, was unterstützende Maßnahmen für Schulen nahelegt. Als weitere Herausforderung wird das Phänomen erkannt, dass in einem Stadtteil die Übertritte ins Gymnasium auseinanderklaffen: »Da haben wir bei der einen Grundschule eine gymnasiale Übertritts-Rate von 80 Prozent und bei der anderen 20 Prozent. Wie kann so was passieren? Das ist innerhalb eines Stadtteils« (S04.13:1263–1267).

In Bezug auf datenbasierte Entscheide verortet sich die Stadt am Ende von Lernen vor Ort nach einer Phase der Zentralisierung auf dem Weg »zwischen Aufarbeitung und Bündelung« (S04.13: 1032). Steht die Bildungsberichterstattung für die Aufarbeitung, zielt die Bündelung auf datenbasierte Entscheide, die sich am Publikum an Leistungsempfängern orientieren. Wissensdarstellungen beinhalten »neben zahlenmäßig erfassbaren Größen auch qualitative Aspekte« (Giar et al., 2017, S. 41) und narrative Berichtsformen: »Also, es gibt das DIPF und das DLR, was uns immer dazu ermuntert, dass bestimmte Ergebnisse […] in diesen Bildungsbericht reingehören, […] die nur narrativ zu beschreiben sind« (S12.12:1792–1798). Das Potenzial qualitativer Aussagen, die anders als hoch aggregierte Daten nahe am Einzelfall sind, wird in der Stadt erkannt, ist aber, bedingt durch den Personalwechsel und den zeitlichen Druck zur Veröffentlichung der angekündigten Bildungsberichte, noch nicht ausgeschöpft. Forderungen aus den Bereichen der Bildungsübergänge und -beratung, auch die mittels qualitativer Interviews erhobenen Bestandaufnahmen zu verwerten und in eine Berichtsform zu bringen, müssen zurückstehen. Rückblickend kommt eine Lernen-vor-Ort-Verantwortliche zur Einsicht, dass, um »rein statistische Sichtweisen« (S12.12:1896–1899) zu überschreiten, Instrumente für die qualitative Berichterstattung in Abstimmung mit dem Bildungsmonitoring und mit Blick auf die Berichterstattung entwickelt werden sollten. »Das Monitoring hätte da ganz stark mit eingebunden werden müssen, um zu sagen, wir müssen so und so in der Form sein, um sie dann auch auswertbar für einen Bildungsbericht zu machen. Das ist nicht passiert« (S12.12:1969–1975). Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung erweisen sich als eigene professionelle Wissenschaftspraxis, die von Lernen-vor-Ort-Mitarbeitenden nicht nebenher geleistet werden kann.

5 Arenen der (Un-)Sichtbarkeit

In der Arena (Un-)Sichtbarkeit verstetigt sich das BMK mit der Aufgabe, die Verbindung der Vor- und Endkombination von Bildungsdienstleistungen verstehbar zu machen und das KBM mit der Zielstellung, die Vorkombination von Bildungsdienstleistungen sichtbar zu machen. Im Kreis adressiert das sozial-kulturelle System das Gemeinschaftssystem, um die Reputationsinvestition auf dem Feld des öffentlichen Diskurses zwischen Solidarität und Wahrheit auf Verständigung hin zu generalisieren (vgl. Abbildung 11.7, links). Bestehende Verfügungsrechte als Ressourcen transformiert es in Verfügungsrechte als Normen, indem es Lernen vor Ort sowohl bewusst macht als auch präsentiert (K05.05.01), zeigt, was und wie etwas gemacht wird (K05.05.02), sowie indem es mit kreisweiten Sichtbarkeiten von Projekten und Verwaltungsaktivitäten Vertrauen in der Öffentlichkeit herstellt (K05.05.03).

Abbildung 11.7
figure 7

Spannunslagen in Arenen der der (Un-)Sichtbarkeit (Eigene Darstellung)

In der Stadt adressiert das Gemeinschaftssystem das politische System, um die Machtinvestition auf dem Feld der politischen Vereinigung zwischen Macht und Solidarität hinsichtlich gesellschaftlicher Solidarität zu schließen (vgl. Abbildung 11.7, rechts). Das Stadtmarketing beinhaltet, mit Bildungsprodukten eine Grundlage für das operative Bildungsgeschäft zu schaffen (S05.05.01), für die Stadtgesellschaft kommunikativer, öffentlichkeitswirksamer und zugänglicher zu werden (S05.05.02) sowie die Bildungsstadt mit ›Big Playern‹ zu repräsentieren (S05.05.03). Für die öffentliche Darstellung proaktiver Dienstleistungen des BMK besteht kein integriertes Marketing-Konzept. Die Qualität der Lernen-vor-Ort-Aktivitäten steht unter ständiger Beobachtung jener kreisangehörigen Städte, die unter dem Rettungsschirm des Landes ein Kostenbewusstsein als Muss-Erwartung (Schimank & Volkmann, 2008, S. 386) entwickeln. Transferbegleiterinnen werden nur da aktiv, wo ihre Dienstleistungen erfragt werden. Vermittlungsleistungen zwischen dem politisch-administrativen System und der Zivilgesellschaft erhalten mit Lernen vor Ort zwar ein Label mit Markenpotenzial, welches sich mit dem Programmende aber in die Regionalen Bildungsnetzwerke auflöst. Die Dokumentation von Prozess- und Strukturinnovationen überführt bedeutsame Hintergrundmechanismen ins institutionelle Gedächtnis von Kommunalverwaltungen, vermag die Lebenswelt einer breiten Öffentlichkeit damit aber kaum zu berühren.

Genau andersherum verhält es sich in der Stadt. Hier schließt das KBM an Marketing-Strategien im Rahmen etablierter BNE-Aktivitäten an und erreicht als Produktinnovator eine hohe Sichtbarkeit für Interessenorganisationen der Stadtgesellschaft. Die hohe öffentliche Aufmerksamkeit hemmt allerdings eine datengestützte Bildungsberichterstattung, welche die Imagewerbung überschreitet und damit eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung einer Kultur straffreien Lernens.

5.1 Hintergrundmechanismen (nicht) in den Interessenbereich der Öffentlichkeit rücken

Als Operation des Lernens schärft sich im Übergang zur Transferinitiative die Einsicht, dass das Publikum an Leistungsempfängern über die Qualität des Erlebens erreicht werden kann. Im Rahmen von Lernen vor Ort geschaffene Zeiträume für Operationen des Zeigens stellen lokal sichtbare Verfügungsrechte als Ressourcen dar, da sie auf Freiwilligkeit basieren und Offerten zum (unsichtbaren) Lernen bereithalten.

5.1.1 Zwischen Hinterfragen und Erleben

Das BMK sieht sich »ständig auf dem Prüfstein […], was die Qualität der Strukturen angeht«, dies »aufgrund der Tatsache, dass [die] Städte die Aktivitäten des Kreises mit kritischen Blicken beäugen« (K04.13:664–667). Der Lenkungskreis der Regionalen Bildungsnetzwerke ist »ein wichtiges Steuerungsgremium für die Projekte« und »eine Art Aufsichtsgremium«, das über deren Qualität wacht: »Alles, was dann keine gute Qualität hat, wird ganz sicher nicht am Leben gehalten« (K04.13:748–781). Als Indikator für die Güte kreisweiter Zeiträume für Operationen des Zeigens und Lernens erweist sich die Beteiligung der kreisangehörigen Städte: »Die Mitwirkung der Akteure zeigt uns aber eben, dass wir gerade auf dem richtigen Weg sind« (K04.13:679–680). Unter regionaler Beobachtung zu stehen, verstetigt Praktiken des Hinterfragens: »Wir wollen uns weiterentwickeln und fragen uns immer, ob wir die richtigen Akteure mit im Boot haben oder ob etwas fehlt. Das wird ein ständiger Prozess bleiben, den ich als ständigen Evaluationsprozess erlebe« (K04.13:683–688).

Über die Wahl der Exit-Option überprüfen Lernen-vor-Ort-Verantwortliche die Annahmebereitschaft von Empfehlungen bei kreisangehörigen Städten: »Was die Akzeptanz einzelner Projekte anbelangt, kann man dadurch, dass die Akteure weiter dabei sind, von einer Evaluation sprechen« (K04.13:715–716). Daran, wie Angebote nachgefragt werden, lesen Transferbegleiterinnen Qualität ab. Dass die Städte unter dem Rettungsschirm des Landes stehen, restringiert die Bereitschaft, den Bereich der freiwilligen Handlungsfelder auszubauen: »Dadurch, dass immer wieder neue Projekte und neue Aufgaben auf uns zukommen, wird jedes Mal kritisch beäugt, wie sinnvoll das ist, ob es gebraucht wird, dann ständig hinterfragt« (K04.13:744–746). Offerten von Lernen vor Ort konkurrieren mit pflichtigen Aufgaben, die in unmittelbarer Verantwortung der Kommunen stehen und durch landes- und bundesgesetzliche Vorgaben beeinflusst werden. In der Phase der Überführung von Lernen vor Ort in die Regionalen Bildungsnetzwerke tritt das »Neue Übergangssystem Schule – Beruf in NRW« (MAIS, 2013) prominent auf den Plan und drängt zur Umsetzung der Initiative Kein Abschluss ohne Anschluss. Die schrittweise Umsetzung beginnt mit sieben Referenzkommunen (MAIS, 2013, S. 8) und erreicht den Kreis in der Halbzeit von Lernen vor Ort. Mit dem zentralen Handlungsfeld der kommunalen Koordinierung sind erneut Doppelstrukturen zu vermeiden und vorhandene Strukturen wie das Regionale Bildungsnetzwerk und den AusbildungskonsensFootnote 16 in die Prozesse einzubinden. In den kreisangehörigen Städten ringen damit zwei große Programme um Aufmerksamkeit, wobei Lernen vor Ort bereits den Rückzug antritt: »Der Kreis kann sich nicht anmaßen, von sich aus Projekte zu steuern, ins Leben zu rufen und dann durchzuführen, sondern das muss in enger Abstimmung mit den […] Städten und Akteuren geschehen« (K04.13:761–767).

Dabei hat es das BMK generell schwer, wahrgenommen zu werden, weil es in seiner Dienstleistungsrolle nicht ins Rampenlicht drängt. Es ist unsichtbar, so lange es Erfolg hat, da erst desintegrative Tendenzen sichtbar werden. Dass Lernen selber unsichtbar ist, legt aktive Strategien des Sichtbarmachens von Operationen des Zeigens nahe: »Man muss auch seine Arbeit verkaufen« (K06.14:334). Dies gelingt im Kreis nicht zur Zufriedenheit einer kommunalen Koordinatorin: »Gestern hatten wir eine Pressekonferenz angeordnet um ein Uhr und es kam niemand« (K06.14:324). Eine offensive Öffentlichkeitsarbeit verlangt aus ihrer Sicht regelmäßige Auftritte in der Presse, um die Aufmerksamkeit auf das Engagement zu lenken: »Hallo, das waren wir!« (K06.14:345.). In seiner proaktiven Ausrichtung erbringt es dort seine Dienstleistungen, wo sie erfragt werden. Während es von betrieblichen Weiterbildungsorganisationen regelmäßig eingeladen wird, kommen Treffen mit Schulen nicht systematisch zustande: »Ja, Leute, wir würden auch kommen, wenn man uns einlädt« (K06.14:370).

Das auf Bundesebene initiierte Programm Lernen vor Ort operiert ausdrücklich unter Vermeidung von Doppelstrukturen, was Aktivitäten auf den Bereich des außerschulischen Lernens lenkt, um nicht in die Kulturhoheit der Länder hinzuregieren. Projekte in Zusammenarbeit mit dem Kreissportbund und der Stiftung Lesen bezeichnet eine Koordinatorin als »Nebengeschichten […]: ›Es muss ja irgendjemanden geben, der es organisiert und moderiert und macht und überhaupt auch die richtigen Leute zusammenbringt‹« (K06.14:517–519). Diese kaum sichtbaren »Serviceleistungen« erbringen Lernen-vor-Ort-Verantwortliche, weil »die sich dann auch für die einzelnen auszahlen« und dies trotz der Aussicht darauf, dass sie wegfallen, »wenn es kein Personal mehr gibt« (K06.14:522–526). Lernen vor Ort dient Mitarbeitenden als »Marke«, die vor Ort »jeder kennt« und womit sich Kommunen »schmücken« (K06.12:1173–1174) können. Im Schatten öffentlich ausflaggbarer Leuchttürme gestaltet sich die Artikulation von Zeiträumen für Operationen des Zeigens und Lernens anspruchsvoll und zugleich unspektakulär: »Ich denke, die Arbeit vor Ort ist keine Leuchtturmarbeit. Die Arbeit vor Ort ist die Arbeit vor Ort mit den gegebenen Strukturen, Herausforderungen, schönen Dingen und schlechten Dingen« (K02.11:1982–1987).

Die Flüchtigkeit von Operationen des Lernens in Anbetracht von Lernen vor Ort als Projekt in Verbindung mit einem Markt, auf dem Projekte um Annahmebereitschaft konkurrieren, treibt die Strategie an, »die Qualität des weiteren Prozessübertragens festzuhalten, um dieselbe Qualität auf eine andere Art und Weise gewährleisten zu können« (K04.13:1088–1089). Die Schriftlichkeit macht das Projektwissen herzeigbar und verstetigt dieses als repräsentatives Formelement des Erziehens. Bedient die Schriftlichkeit den Modus der Organisation, indem sie Verfahren ins institutionelle Gedächtnis der Verwaltung festschreibt, bedarf eine bürgerorientierte Kommunikation Verfahren, die erst noch gefunden werden müssen: »Das ist auch immer die Frage: Wie positioniert sich so eine Verwaltung? Mit welcher Haltung begegnet sie ihren Bürgern?« (K06.15:580–581). Die »hohe Kunst der Kommunikation« besteht darin, die Lebenswelt der Menschen zu berühren: »Es ist etwas, das ein Bürger erleben, ein Angebot, das er wahrnehmen kann« (K06.15:602–612). Vorgelagerte Arbeiten, sei es »eine Vernetzungstätigkeit, eine Abstimmung des Handlungsfelds […] unter Mitnahme der Politik« (K06.15:614–615), bilden die Basis für das Erleben einer lebenswerten Stadt. Diese der Sozialintegration vorgelagerte systemintegrative Abstimmungsarbeit lässt sich schwer in den Interessenbereich der Öffentlichkeit rücken: »Ich glaube, diese ganzen Hintergrundmechanismen, wann, wie, wo, welches Gremium, welcher Ausschuss, was wo belegt hat, das ist für den Bürger in dem Moment nicht interessant. Wichtig ist, was kommt im Endeffekt wieder bei ihm an« (K06.15:617–620).

5.2 Mit Bildungsberichten Verstehensprozesse forcieren

Im Übergang zur Transferinitiative schärft sich die Einsicht, dass eine Bereitschaft für Aussagen im Bildungsbericht, die ins Mark treffen, um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen zu entwickeln, straffreie Zeiträume braucht. Um über die Repräsentation der Bildungslandschaft hinauszukommen, ist das Erleben als Element eines erfolgreichen Bildungsmarketings auf datengestützte Reflexion umzustellen.

5.2.1 Zwischen Lernen und Entscheiden

Die Sichtbarkeit, die mit der Bildungsberichterstattung einhergeht, ist riskant: »Es ist heikel, wenn im Bildungsbericht eine Aussage getroffen wird, die die Dezernentin bis ins Mark trifft« (S12.12:2223–2224). Akteure des politisch-administrativen Systems brauchen besonders viel Mut, sich sichtbar zu machen: »Ich hab’ das aus anderen Kommunen gehört, […], dass da bestimmte Sachen einfach rausgestrichen wurden« (S12.12:2240–2241). Um Verstehensprozesse nicht durch die Aussicht auf Abstrafung zu gefährden, ist eine Haltung der Anerkennung für die Bereitschaft zum Sichtbarmachen aufzubauen: »Es geht ja um das Aufzeigen von etwas, und zwar so, dass das Amt oder der Akteur Lust hat, daran weiterzuarbeiten« (S12.12:2236–2237). Die Etablierung eines wissenschaftlich-reflexiven Habitus ist in besonderem Maß auf sanktionsfreie Zeiträume angewiesen: »Und da ist es dann so, jeder, der was bringt, wird gelobt, nach dem Motto: ›Wir brauchen mehr davon‹« (S12.12:2248–2251). Die Kommunalverwaltung, »die jetzt aktenförmig arbeitet und nur nach Ergebnissen denkt« (S12.12:2179–2180), auf eine Kultur des straffreien Lernens umzustellen, braucht Zeit: »Es braucht bestimmt zwei Jahre, um einfach an so einen Punkt zu kommen« (S12.12:2265–2266). Die Zielrichtung ist, wenngleich der Weg noch zu gehen ist, in der Stadt gegeben: »Ich bin optimistisch, dass es tatsächlich einen Bildungsbericht hier gibt, mit einem abgeleiteten Bildungsplan, der auch Handlungsempfehlungen zulässt« (S12.12:2269–2270).

6 Ergebnisrationalität des (kommunalen) Bildungsmanagements (auf kommunaler Ebene)

Im Kreis kennzeichnet grenzüberschreitende Professionalität starker Intensität die Spannungslagen in allen Arenen (Misch-Typ 5/6) (vgl. Abbildung 11.8, links). Zum Ende des Projektarbeitsbogens gebietet das Auslaufen der monetären Ressourcen einen Rückbau der Sprachinvestitionen zu Gunsten anderer Kommunikationsmedien, um sowohl die Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen als auch das unmittelbare People-Processing auf Linie zu halten. Das Ziel der Stärkung kommunaler Selbstverwaltung geht mit einer Öffnung der Sprachinvestition durch Geldinvestition einher. Den Wagon Lernen vor Ort abzukoppeln und den Zug Regionales Bildungsnetzwerk weiterfahren zu lassen, stellt Bereichsverantwortliche vor die Aufgabe, ihre Sprachinvestitionen zurückzubauen und zugleich zu verstetigen (K05.01.04). Die Befähigung, sich in eigener Verantwortung relevante Fragen zu stellen, bedarf einer Spezifikation der Sprachinvestition mit der Aufgabe der Politik, Kommunen angesichts der herausfordernden finanziellen Lage zu erwecken (K05.02.04). Bleibende Errungenschaften von Lernen vor Ort sind Sprachinvestitionen. Um Kommunikation innerhalb und zwischen Kommunen zu organisieren sowie eine Verständigung über Bildungsberichte zu ermöglichen, werden weiterhin Konfliktarbeit in der Arena (Un-)Beteiligung (K05.03.04) und Wissenschaftspraxis in der Arena (Un-)Bewusstheit (K05.04.04) nötig sein. Eine Generalisierung der Reputationsinvestition zeichnet sich mit der Ausdehnung der Sprachinvestition auf das Feld des öffentlichen Diskurses ab. Das Zusammenwirken von Operationen des Zeigens und Lernens ist jenseits der Fachöffentlichkeit für eine breite Öffentlichkeit verstehbar zu machen (K05.05.04).

Abbildung 11.8
figure 8

Beitrag der Spannungslagen zur gesellschaftlichen Integration (Eigene Darstellung)

In der Stadt kennzeichnet grenzüberschreitende Professionalität mittlerer Intensität die Spannungslagen in allen Arenen (Misch-Typ 3/4) (vgl. Abbildung 11.8, rechts) Zum Ende des Projektarbeitsbogens gestattet das von Beginn an institutionalisierte Bildungsamt den Erhalt und Ausbau von Sprachinvestition auf dem Feld des politischen Diskurses und von Reputationsinvestition auf dem Feld der politischen Vereinigung, um bereichsübergreifende Zusammenarbeit und unmittelbares People-Processing wechselseitig anschlussfähig zu machen. Das Auslaufen der monetären Ressourcen wird mit dem integrierten Bildungsamt, wenngleich zum Projektende mit reduzierten Personalstellen, bereits von Anfang an in den Modus der Organisation gebracht. Mit einem Steuerungsgremium erhält das KBM die Reputationsinvestition von Interessenverbänden und schafft eine Resonanzstruktur, die zugleich der politischen Zielverwirklichung zudient (S05.01.04). Es investiert Macht ins Gemeinschaftssystem, indem es Vertrauen und Legitimation zugleich berücksichtigt, um die Schwungmasse der Verwaltung mit zivilgesellschaftlichem Engagement in Bewegung zu setzen (S05.02.04). Mit dem Anspruch der Koordination von Stadtverwaltung und externen Partnerorganisationen spezifiziert es den Diskurs und erweitert mit gezielter Kommunikationsarbeit innerhalb der Stadtverwaltung zugleich die Verständigungskraft (S05.03.04). Den politischen Diskurs bewahrt es mit der Organisation des biographischen Kapitals, indem es das Wissen der Stadt zentralisiert, aufbereitet und bündelt (S05.04.04). Die Sichtbarkeit von Zeigeoperationen baut es auf dem Feld der politischen Vereinigung aus und erkennt die Aufgabe, mit Bildungsberichten Verstehensprozesse zu forcieren (S05.05.04).

Die Bearbeitung gesellschaftlicher Integration erfolgt zum Ende des Projektarbeitsbogens mit grenzüberschreitender Professionalität mittlerer und starker Intensität (vgl. Abbildung 11.9). Dominant ist das politische System in der Stadt, das nun – anders als zum Projektbeginn – gleichwertig Subjekt und Objekt der Erziehung ist, insofern sich Durchsetzungskraft nachhaltig mit Verständigungs- und Vereinigungskraft verbindet. Auch im Kreis kommt es zu einem Ausgleich des sozial-kulturellen Systems, das nun nicht mehr nur Objekt, sondern auch Subjekt der Erziehung ist. Mit dem BMK gelingt eine nachhaltige Re-Adressierung des politischen und gemeinschaftliches Systems mit der Investition von Verständigungskraft.

Abbildung 11.9
figure 9

Ergebnisrationalität eines kommunalen Bildungsmanagements (Eigene Darstellung)