Lernen vor Ort ist kein zufällig gewählter Begriff, sondern Programm (Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF], 2008c). Als solches versteht es sich als »eines der größten bisherigen Public-Private-Partnership-Programme Deutschlands« (BMBF, 2008b), mit dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit deutschen Stiftungen Kreise und kreisfreie Städte bei der Entwicklung und Verstetigung eines kohärenten kommunalen Bildungsmanagements unterstützten. Die Initiative wurde mit Mitteln des BMBF und des Europäischen Sozialfonds (ESF) im Rahmen der ESF-Förderperiode 2007 bis 2013 gefördert. Lernen vor Ort bietet einen Ansatzpunkt, um eine praktisch gewendete, anwendungsbezogene Theorie sozialer Ordnung zu gewinnen. Unter dieser Perspektive kann gefragt werden, für welche Probleme der Gesellschaft die »Kernelemente des Programms« (BMBF, 2008a) eine Lösung darstellen. Lernen vor Ort kann aber auch eine politisch gewendete Theorie sozialer Ordnung anleiten, indem die Umsetzung der programmatischen Vorgaben als »Kampf über die Durchsetzung von Ordnungsvorstellungen […] in Interessen- und Einflusskonstellationen« (Schimank, 1987, S. 233) zum Gegenstand der Untersuchung wird. Beide Fragestellungen sind zentral für die Governance-Perspektive, die sich für Muster der Interdependenzbewältigung zwischen Akteuren unter dem Aspekt der intentionalen Gestaltung interessiert (Schimank, 1987, S. 232). Die mit dieser Studie vorgelegte Governance grenzüberschreitender Professionalisierung und gesellschaftlicher Integration legt den Fokus auf die zweite Fragestellung und damit auf die analytische Perspektive, indem sie Strategien und multiple Rationalitäten beim Aufbau eines kommunalen Bildungsmanagements darstellt. Den Aussagen der Sprecherinnen und Sprecher lässt sie breiten Raum und führt so die normative Perspektive stets mit.

Die Governance-Perspektive sieht sich vier zentralen Herausforderungen gegenüber. Politische und organisatorische Gestaltungsakteure setzen auf der Meso-Ebene organisatorischer und interorganisatorischer Strukturen an, um die Leistungsproduktion in einem spezifischen Sektor zu beeinflussen (Schimank, 1987, S. 234). Um die Komplexität sozialer Ordnung zu erfassen, hat die Governance-Forschung daher erstens auch die Makro- und Mikro-Ebene der intentionalen Gestaltung von Governance-Strukturen in den Blick zu nehmen. Im Kontext der Hochschulforschung hat sich der so genannte Governance-Equalizer als Analyseinstrument etabliert, dessen Dimensionen als »Schieberegler […] graduell herauf- und heruntergefahren« (Schimank, 1987, S. 239) werden, um Veränderungen von Governance-Regimen darzustellen. Auch die wissenschaftliche Begleitforschung zum Programm Lernen vor Ort arbeitet mit einem Governance-Equalizer, ersetzt die »dezisionistisch« gesetzten Regler allerdings »durch empirische Regler […], die induktiv aus Interviewdaten und teilnehmenden Beobachtungen gewonnen wurden« (Brüsemeister, 2015a, S. 85). Die Governance-Perspektive bedarf somit zweitens der Klärung des theoretischen Vorwissens und der Spezifizierung der Wissensformen, um im qualitativen Forschungsprozess zu empirisch gehaltvollem Theoriewissen (Kelle & Kluge, 2010, S. 39) zu gelangen. Drittens stellt sich damit die Frage, wie der für die qualitative Forschung zentrale Anspruch der Offenheit bei der empirischen Operationalisierung des Governance-Equalizers gewahrt werden kann. Viertens schließlich kann die Governance-Perspektive ihre praktische Relevanz nur dann einlösen, wenn es ihr gelingt, »Analysen von Governance-Regimen auf der Meso-Ebene damit zu verknüpfen, dass auf der Mikro-Ebene systematisch die Auswirkungen bestimmter Ausprägungen dieser Regime auf die jeweilige sektorale Leistungsproduktion untersucht werden« (Schimank, 1987, S. 254). Kritik an der fehlenden Verknüpfung zwischen Regelungs- und Leistungsstrukturen findet ihren Ausdruck in der Aussage, dass Regionalisierung lediglich auf der Ebene der Systemintegration ansetze und das Ziel der Sozialintegration verfehle (Emmerich, Rahm & Nerowski, 2011, S. 20).

Das Forschungsdesign berücksichtigt alle vier ›Baustellen‹ der Governance-Perspektive und führt sie in einer prozessbezogenen pädagogischen Organisationsforschung zusammen. Zwei Fragestellungen leiten die Untersuchung an. Eine Makro-Meso-Mikro-Betrachtung folgt der Fragestellung: Wie stellen das Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene (BMK) in der Gebietskörperschaft eines Kreises und das kommunale Bildungsmanagement (KBM) in der Gebietskörperschaft einer kreisfreien Stadt kollektive Handlungsfähigkeit her? Den Zusammenhang von Regelungs- und Leistungsstrukturen sucht die Fragestellung: Welchen Beitrag leistet die kollektive Handlungsfähigkeit zur gesellschaftlichen Integration? Die Komplexität des Kräftefelds verlangt den Einbezug von theoretischen Sichtweisen auf mehreren Ebenen. Die Makro-Betrachtung nehme ich mit gesellschaftstheoretischen Perspektiven vor. Pädagogische Perspektiven bedienen mit der pädagogischen Systembildung die Makro- und mit der operativen Pädagogik die Mikro-Ebene des Sozialen. Für die theoretische Fundierung der Meso-Ebene eignen sich die Brückenprinzipien Profession und Organisation. Für eine Makro-Meso-Mikro-Verknüpfung von Professionalisierung unterscheide ich Struktur-, Prozess- und Handlungskategorien. Ein kommunales Bildungsmanagement als Zielperspektive des Programms Lernen vor Ort verorte ich im politischen Diskurs der deutschen Verwaltungsmodernisierung zu Formen der Dienstleistungsorganisation bei der Wohlfahrtsproduktion. Die Dimensionen des erneuerten Governance-Equalizers lese ich als empirisch gehaltlose Kategorien, welche als Regelungsstrukturen Beobachtungskorridore für die Analyse von Leistungsstrukturen schaffen. Leistungsstrukturen operationalisiere ich mit Arenen, die ich als Integrationsräume lese. Kommunale Koordinatorinnen und Koordinatoren verstehe ich als Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die innerhalb und zwischen den Arenen Vermittlungsarbeit leisten.

Dieser Vermittlungsarbeit sind entsprechend den gewählten gesellschaftstheoretischen Perspektiven mehr oder weniger Grenzen gesetzt. Das Emergenz-Paradigma bestimmt gesellschaftliche Integration als mittleren Ordnungszustand zwischen Des- und Überintegration, der sich mehrheitlich transintentional einstellt und »der durch ein Mehr oder Weniger an Ordnung gestört werden kann« (Schimank, 2000, S. 452). Demgegenüber lenkt das Dekompositions-Paradigma den Blick auf die Bearbeitbarkeit gesellschaftlicher Integration durch Vermittlungsorgane auf Konfliktfeldern der Interpenetration (Münch, 2015, S. 306). An der ›Unvereinbarkeit‹ beider Denkgebäude setzt diese Studie an. Während Konzepte der akteurtheoretischen Differenzierungstheorie eine Typologie zur gesellschaftlichen Integration inspirieren, verortet der handlungs- und konflikttheoretische Ansatz die rekonstruierten Typen in Austauschprozessen zwischen Subsystemen der Gesellschaft. Die Zusammenführung eines negativen und positiven Integrationsverständnisses trägt beiden Fragestellungen der Governance-Perspektive Rechnung. Weder kann sich eine praktisch gewendete Theorie sozialer Ordnung mit einer »Zwangsläufigkeit des Beschriebenen« (Münch, 2015, S. 176) begnügen, noch darf die politisch gewendete Theorie sozialer Ordnung Interessen- und Einflusskonstellationen im Grenzverkehr zwischen Funktionssystemen vernachlässigen. Beide Paradigmen integriere ich in einer pädagogischen Organisationstheorie, die den Aufbau eines BMK und KBM als Großform der Erziehung zwischen dem politischen und dem pädagogischen System konzeptioniert.

Die Governance grenzüberschreitender Professionalisierung und gesellschaftlicher Integration stelle ich in vier Teilen dar. Im ersten Teil (Kapitel 2 bis Kapitel 5) entfalte ich theoretische Konzepte, die zum einen als Denkwerkzeuge in das heuristische Kategoriensystem einfließen und zum anderen den Stand der Forschung repräsentieren. Ein zweiter Teil (Kapitel 6) widmet sich dem methodischen Vorgehen. Konzepte der Sozialwelt-Theorie (Strauss, 2010) markieren eine Gelenkstelle zur Governance-Perspektive und zur Grounded-Theory-Methodologie. Im dritten Teil (Kapitel 7 bis Kapitel 12) führe ich die empirischen Ergebnisse zum Aufbau eines BMK und KBM mit einer Vor-, Haupt- und Nachgeschichte aus. Im vierten Teil (Kapitel 13 und Kapitel 14) führe ich die Ergebnisse in einer Bedingungsmatrix zusammen und schließe sie an den im ersten Teil der Arbeit ausgeführten Stand der Forschung an.

Kapitel 2 beleuchtet gesellschaftliche Integration aus gesellschaftstheoretischer Sicht. Die Makro-Perspektive beschreibt die Ordnungsstruktur, Dynamiken, Integrationsdimensionen und Spannungslagen der modernen Gesellschaft mit zwei gegensätzlichen Erklärungsansätzen. Die Verschränkung der akteurtheoretischen Differenzierungstheorie von Uwe Schimank mit der Handlungstheorie von Richard Münch dient der theoretischen Sensibilisierung für Konzepte der Grenzziehung und Grenzüberschreitung. Beide Theoriegebäude befassen sich mit der Frage der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Systemlogiken. Die Differenzierungstheorie geht von einem generellen Orientierungsdissens in modernen Gesellschaften aus, der weder durch eine ›Zivilreligion‹ noch durch Sprache oder intersystemische Vermittler (Schimank, 1992, S. 252–258) überwunden werden kann. Nicht Orientierungskonsens, sondern spezifische Interessenkonsense ermöglichen gesellschaftliche Systemintegration. Demgegenüber betont die Handlungstheorie Vermittlung als Modus der Bearbeitung konflikthafter Austauschprozesse zwischen gesellschaftlichen Subsystemen.

Diese gegensätzlichen Positionen führe ich mit pädagogischen Perspektiven auf gesellschaftliche Integration in Kapitel 3 zusammen. Vermittlung als Mechanismus für gesellschaftliche Integration beschreibt Jochen Kade (1997) aus systemtheoretischer Sicht mit einer doppelten Aufgabenstellung. Die Reproduktion des pädagogischen Systems erfolgt durch eine Spezialisierung auf die Orientierung am negativen Codewert ›nicht-vermittelbar‹ und dadurch, dass vermittelt wird. Sie ist gleichgültig gegenüber der Frage, was und wie etwas vermittelt wird. Unabhängig von diesem Modus der Vermittlung im pädagogischen System orientiert sich Aneignung am Codewert ›vermittelbar‹ und vollzieht sich im biographischen System. Diesen Hiatus und die damit einhergehende Kontingenz des Pädagogischen macht die operative Pädagogik zu ihrer Domäne.

Sie sucht die Einheit der pädagogischen Differenz, im Wissen darum, dass sie das Lernen der Adressaten nicht erzwingen kann. Die Zeige-Theorie von Klaus Prange und Gabriele Strobel-Eisele (2015) inspiriert die Idee, Lernen vor Ort als Zugriff des politischen Systems auf das pädagogische System zu lesen und begründet die Verbindung von System- und Sozialintegration. In Kapitel 4 gehe ich auf das Brückenprinzip Profession ein. Diesen Modus der Vermittlung gesellschaftlicher Integration entfalte ich mit der Unterscheidung zwischen Profession und Professionsentwicklung als Strukturkategorie, Professionalisierung als Prozesskategorie sowie Professionalität als Handlungskategorie. Professionstheoretische Ansätze legen den Schwerpunkt auf jeweils eine dieser drei Kategorien und kennzeichnen ein bestimmtes Verhältnis zur Biographie. Alle drei Kategorien sind für ein umfassendes Verständnis des Handelns der kommunalen Koordinatorinnen und Koordinatoren wichtig. Mit dem Aufbau eines BMK und KBM bearbeiten sie sowohl die institutionelle als auch die individuelle Dimension des Brückenprinzips Profession. Da sie auf einer intermediären Ebene operieren, beeinflussen sie Professionellen-Klienten-Verhältnisse mittelbar über die Gestaltung von Konstellationen, in denen sich das People-Processing und damit die sozialintegrative Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft vollzieht.

Das Brückenprinzip Organisation ist Gegenstand von Kapitel 5. Ein kommunales Bildungsmanagement verorte ich in (Re-)Formen der Dienstleistungsproduktion. Vor dem Hintergrund eines dualistischen Aufgabenmodells spielen sich Reformen im Mehrebenensystem der Verwaltung bisher weitgehend als Politik der Ökonomie, der Solidarität und des Diskurses ab. Der Ansatz der Local Governance stellt die Fließrichtung der Adressierung auf die Ökonomie, die Solidarität und den Diskurs der Politik um und entwirft mit dem Konzept der öffentlich-privaten Partnerschaft die Vorstellung, dass die Kombination unterschiedlicher Logiken und Wissenspotenziale zu einer qualitativen Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen führt. Regionalisierung von Bildung erscheint aus dieser Perspektive als Möglichkeit, die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit von Organisationen durch einen bewussten Umgang mit multiplen Rationalitäten zu sichern. Professionalität als Organisationsform der Wohlfahrtsproduktion hat in Verbindung mit einer indikatorengestützten Bildungsberichterstattung das Potenzial zur Politikberatung mit echter Aufgabenkritik. Die Rekonstruktion der Deutungsstrukturen der Gesellschaft erfolgt auf der Grundlage des Operationellen Programms des Bundes für den Europäischen Sozialfonds, auf dem Lernen vor Ort beruht. Systeminnovationen für Lebenslanges Lernen als Regelungsstrukturen zielen auf die Leistungsstrukturen Wachstum und Beschäftigung sowie auf die Verbesserung des Humankapitals.

Die Darstellung des methodischen Vorgehens in Kapitel 6 markiert den Übergang zum empirischen Teil. Mithilfe von Kategorien der Educational-Governance- und der Soziale-Welt-Perspektive entfalte ich im ersten Teil das Konzept der Artikulation, welches die Entwicklung einer dreidimensionalen Heuristik zur Befragung des Datenmaterials anleitet. Diese stellt mit Ebene A Kategorien zur zeitlichen Durchgliederung der Institutionalisierung bereit, mit Ebene B die Arenen und mit Ebene C die Arbeitstypen beziehungsweise Aufgabenkomplexe. Interviewdaten der als Längsschnitterhebung angelegten wissenschaftlichen Begleitforschung zum Programm Lernen vor Ort nutze ich zur (Re-)Konstruktion der Projektarbeitsbögen von zwei teilnehmenden Kommunen. Im zweiten Teil widme ich mich den drei Essentials der Grounded-Theory-Methodologie und zeichne die Entwicklung theoretischer Konzepte, das Sampling entlang der drei Kodierverfahren und das Vorgehen beim ständigen Vergleichen nach.

Der empirische Teil der Arbeit setzt sich entsprechend dem GTM-Paradigma aus einer Vor-, Haupt und Nachgeschichte zusammen (Brüsemeister, 2020, S. 20). Er erzählt die analytische Geschichte des BMK als an Wissenspraktiken orientierten, im Modus der Förderung operierenden Integrationstyp sowie des KBM als an Sichtbarkeitspraktiken, im Modus der Polarisierung operierenden Integrationstyp. In Kapitel 7 stelle ich die Handlungsrationalität des BMK und KBM in Bezug auf das Verhältnis der Regelungs- und Leistungsstrukturen vergleichend dar. Die Erhöhung der kollektiven Handlungsfähigkeit (Regelungsstrukturen) und den Beitrag derselben zur System- und Sozialintegration (Leistungsstrukturen) rekonstruiere ich mit den Arbeitskomponenten einer pädagogisch, gesellschafts-, professions- und organisationstheoretisch aufgerüsteten Governance-Forschung. In der Anfangsphase des Projektarbeitsbogens bearbeiten das BMK und KBM gesellschaftliche Integration mit grenzüberschreitender Professionalität schwacher und mittlerer Intensität.

Die Hauptgeschichte erzähle ich mit drei Kapiteln. In Kapitel 8 erhalten das Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene als Prozess- und Strukturinnovator und in Kapitel 9 das kommunale Bildungsmanagement als Produktinnovator ihren Auftritt. Deren Verfahrensrationalität erzähle ich mit Memos zum Aufgabentyp Leistungsbeziehungen herstellen entlang der Arbeitsphasen Relevante Akteure und Daten bestimmen, Strukturen und Verfahren aufbauen sowie (Datenbasierte) Strategien entwickeln. Um eine positive Kultur für die Grundidee eines Strukturprogramms zu schaffen (Abschnitt 8.1), in gemischten Gremien ein kreisweites Übergangsmanagement zu entwickeln (Abschnitt 8.2) sowie Bildungsberatung im Bereich Frühe Bildung zu transferieren (Abschnitt 8.3), setzt das BMK auf Verständigungskraft. Der Prozess- und Strukturinnovator tritt als Subjekt der Erziehung auf dem Feld des politischen Diskurses auf und prozessiert grenzüberschreitende Professionalität mit Strategien mittlerer und starker Intensität. Bereichsübergreifende Zusammenarbeit zur Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen ist immer dann dominant, wenn sich der Aufbau von Kapazitäten zeitlich vor das People-Processing schiebt. Wenn Kommunikationsgelegenheiten zwischen Organisations- und Professionsrollen zeitlich parallelisiert werden können, treten System- und Sozialintegration in eine Wechselbeziehung. Darüber hinaus kommen Strategien starker Intensität bei der Vermittlung in Hegemonie- und Domänenspielen zum Tragen. Der schwache Institutionalisierungsgrad des Regionalen Bildungsnetzwerks greift zur Stabilisierung der Koordinationsarbeit auf individuelles berufsbiographisches Kapital zurück.

Demgegenüber setzt das BMK auf Durchsetzungs-, Vereinigungs- und Verständigungskraft, um herkömmliche Strukturen durch zivilgesellschaftliches Engagement aufzubrechen (Abschnitt 9.1), Lernen innerhalb der Stadtverwaltung und in der Bildungsstadt zu organisieren (Abschnitt 9.2) sowie um das Bildungsmanagement als Wissensplattform zu nutzen (Abschnitt 9.3). Der Produktinnovator tritt als Subjekt der Erziehung auf den Feldern der Gesellschafts- und Kulturpolitik und als Objekt der Erziehung auf den Feldern der politischen Vereinigung und des politischen Diskurses auf. Er prozessiert grenzüberschreitende Professionalität mit Strategien schwacher und mittlerer Intensität. Die datengestützte Wissensorganisation ist dann dominant, wenn sich – wie im Kreis – der Aufbau von Kapazitäten zeitlich vor das People-Processing schiebt. Grenzüberschreitende Strategien schwacher Intensität überwiegen dann, wenn sich das KBM mit sich selbst beschäftigt, um die Zusammenarbeit innerhalb des politisch-administrativen Systems zu koordinieren.

In Kapitel 10 wende ich mich der Verfahrensrationalität beider Gebietskörperschaften im Verlauf des Projektarbeitsbogens zu. Eine fallübergreifende Betrachtung von Paradoxien grenzüberschreitender Professionalität nehme ich mit Memos zum Aufgabenkomplex Spannungslagen ausbalancieren entlang der Arenen vor. Nach einer vergleichenden Betrachtung der Typen gesellschaftlicher Integration und deren Intensitäten lese ich die Strategien als Investition von Kommunikationsmedien im Kontext der bereits dargestellten Bedingungen und der noch folgenden Konsequenzen. Die konzentrierte Sprachinvestition ins politische System des BMK antwortet auf die Adressierung des sozial-kulturellen Systems als Objekt der Erziehung. Strategien mittlerer und starker Intensität setzt das BMK ein, um die Selbstverantwortung der Kommunen zu stärken, die Kommunikation innerhalb und zwischen den Kommunen zu organisieren, eine Verständigung über Bildungsberichte zu ermöglichen und um die Vor- und Endkombination von Bildungsdienstleistungen verstehbar zu machen. Demgegenüber antworten die Macht-, Reputations- und Sprachinvestition des KBM auf die Adressierung des politischen Systems als Objekt und Subjekt der Erziehung. Strategien mehrheitlich schwacher und mittlerer Intensität setzt das KBM ein, um mit einem Steuerungsgremium eine Resonanzstruktur zu schaffen, Vertrauen und Legitimation zu berücksichtigen, die koordinierende Verantwortung der Kommune zu stärken, das biographische Kapital bereitzustellen und um die Vorkombination von Bildungsdienstleistungen sichtbar zu machen.

Die Nachgeschichte beinhaltet die Ergebnisrationalität, die ich in Kapitel 11 mit Memos zum Aufgabenkomplex Spannungslagen ausbalancieren zur letzten Arbeitsphase Strategien umsetzen und verstetigen in den Blick nehme. Im Übergang zur Transferinitiative wird das (kommunale) Bildungsmanagement (auf kommunaler Ebene) zum Thema der Erziehung. Gesellschaftliche Integration bearbeitet das BMK zum Ende des Projektarbeitsbogens mit starker Intensität. Verständigungskraft verstetigt sich auf den Feldern des politischen und öffentlichen Diskurses. Demgegenüber investiert das KBM neben Durchsetzungskraft nun auch Vereinigungs- und Verständigungskraft und bearbeitet gesellschaftliche Integration mit grenzüberschreitender Professionalität mittlerer Intensität. Ein Vergleich der Investition von Kommunikationsmedien über alle Projektphasen hinweg schließt die Nachgeschichte mit Kapitel 12 ab. Die vergleichende Darstellung des Arbeitskomplexes Handlungslogiken antizipieren erklärt die Handlungs-, Verfahrens- und Ergebnisrationalität beider Gebietskörperschaften mit den Konstellationsstrukturen vor Ort.

Der letzte Teil führt die Teilergebnisse in die Grounded Theory einer »Governance grenzüberschreitender Professionalität und gesellschaftlicher Integration« zusammen. Die Komponenten der Bedingungsmatrix zu Integrationsräumen des BMK und KBM diskutiere ich in Kapitel 13. Hier nehme ich eine Verschränkung der Theorieperspektiven nach Schimank vor, lege die Leistungssteigerung durch Konfliktfelder nach Münch dar und stelle Anschlüsse an pädagogische Perspektiven sowie an Perspektiven der Profession und Organisation her. Anschlüsse an gesellschaftstheoretische Perspektiven beleuchten den konflikthaften, aber leistungssteigernden Grenzverkehr zwischen den Funktionssystemen. Anschlüsse an pädagogische Perspektiven zeigen die Institutionalisierung des BMK und KBM als Großform der Erziehung in Verbindung mit Feldern der Interpenetration auf. Anschlüsse an Perspektiven der Profession gehen auf Profession und Professionsentwicklung als Strukturkategorie, Professionalisierung als Prozesskategorie und Professionalität als Handlungskategorie ein. Der an Wissenspraktiken orientierte, im Modus der Förderung operierende Integrationstyp etabliert sich durch ein Domänenspiel zwischen dem politischen und dem pädagogischen System. Als Prozess- und Strukturentwickler koordiniert er Operationen des Zeigens mit Operationen des Lernens. Der an Sichtbarkeitspraktiken orientierte, im Modus der Polarisierung operierende Integrationstyp etabliert sich durch ein Hegemoniespiel innerhalb des politischen Systems. Als Produktentwickler macht er Zeigeformate öffentlich sichtbar.

In Kapitel 14 bilanziere ich den Ertrag der theoretischen Perspektiven. Die Theorieperspektiven nach Schimank gestatten die Modellierung einer Typologie gesellschaftlicher Integration und die Lesart von Kämpfen um Deutungsstrukturen. Münchs handlungstheoretische Perspektive ermöglicht es, den Grenzverkehr zwischen Funktionssystemen und damit verbundene Leistungssteigerungen durch Möglichkeitsbeschränkungen in den Blick zu nehmen. Der Ertrag pädagogischer Perspektiven liegt darin, das systemtheoretische Verständnis von Vermittlung mit jenem der operativen Pädagogik zu verknüpfen. Die ästhetische Formkausalität und die Moral der Erziehung führen beide Perspektiven zusammen. Professions- und organisationstheoretische Perspektiven beleuchten das grenzüberschreitende Profil kommunaler Koordinatorinnen und Koordinatoren entlang der Arenen in Verbindung mit den Regelungsbereichen des erneuerten Governance-Equalizers. Der Impact von Systemintegration auf Sozialintegration ist im vielfältigen Umgang mit multiplen Anforderungen der Gesellschaft zu sehen, der nicht auf Entparadoxierung angelegt ist, sondern darauf, Spannungslagen auszuhalten.