Zusammenfassung
Hochschilds ethnographische Studie von „tea party“-Anhängern in Louisiana ist ein Beitrag zur politischen Soziologie des Rechtspopulismus. Sie arbeitet den gesellschaftlichen Kontext heraus, in dem diese Menschen gegen ihre offensichtlichen Eigeninteressen an staatlicher Regulierung von Großkonzernen und wohlfahrtsstaatlicher Absicherung von Lebensrisiken für eine rechtspopulistische Politik votieren, die vehement anti-etatistisch agiert und mit einer besitz- und leistungsindividualistischen Ideologie vom Konzernkapitalismus erzeugte Probleme individueller Eigenverantwortung zuschiebt – womit diese freilich hoffnungslos überfordert ist. Als Sündenböcke, auf die die Wut und daraus hervorgehende anti-etatistische Selbstermächtigung der „tea party“-Anhänger von Politikern wie Donald Trump massenwirksam umdirigiert wird, müssen jene herhalten, die der Wohlfahrtsstaat in den vergangenen Jahrzehnten angeblich ungerechtfertigter Weise bevorzugt hat – zum Schaden der traditionellen ‚natürlichen‘ kulturellen Hegemonie von Weißen, Männern, guten Christen und amerikanischen Patrioten: aufbegehrende Schwarze, sich emanzipierende Frauen, Menschen mit ‚unchristlicher‘ und ‚unpatriotischer‘ Lebensweise, die „undeserving poor“ und Migranten.
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Notes
- 1.
Wenn im Weiteren nur Seitenzahlen angegeben werden, beziehen sie sich auf dieses Buch.
- 2.
Siehe auch die empirische Studie zur „tea party“ von Nils Kumkar (2018, S. 116–119).
- 3.
Um hier einen künstlerischen Vorläufer aus dem „Great American Songbook“ anzuführen: Randy Newmans (1974) Album „Good Old Boys“ porträtiert Louisiana mit den großen Überschwemmungen Ende der 1920er Jahre und in der Weltwirtschaftskrise danach, in der Ära des notorischen proto-faschistischen Governor Huey P. Long. Die große Kunstfertigkeit Newmans besteht genau darin, sich nicht einfach nur – was wohlfeil wäre – vor einem gebildeten linken Publikum über die „rednecks“ und „hillbillies“ lustig zu machen, sondern denen, die überhaupt nachdenken wollen, die Lebenswelt dieser Menschen näher zu bringen.
- 4.
Ein Teil dieser Arbeit ist bereits getan, wenngleich sicher noch Vieles besser geklärt werden muss.
- 5.
Wenn man auch dem einen gewissen Heroismus zuschreiben will, ist es jedenfalls keiner des „daring“, sondern einer des Sich-nichts-Vormachens.
Literatur
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Schimank, U. (2023). Der steile Aufstieg des Rechtspopulismus. Fremd in ihrem Land von Arlie Russell Hochschild. In: Farzin, S., Laux, H. (eds) Soziologische Gegenwartsdiagnosen 3. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41328-6_13
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