„Eltern, was habt ihr euch erwartet?“ – titelt die Süddeutsche Zeitung unter der Rubrik Stress (Haaf 2019). Stress im Rahmen von Elternschaft bzw. das Wohlbefinden von Eltern stehen immer wieder im Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit. So informieren Zeitschriftenbeiträge über Strategien zur Stressminimierung für Eltern oder diskutieren aktuelle Befunde wissenschaftlicher Studien zu Einschränkungen des elterlichen Wohlbefindens, den Auswirkungen auf Kinder und zum Ausmaß der Betroffenheit von Stress von Müttern und Vätern (siehe z. B. Bohsem 2014; Frankfurter Allgemeine Zeitung 2015; Haaf 2019; Klüver 2019). Im wissenschaftlichen Diskurs kristallisiert sich ebenfalls heraus, dass Eltern heute zunehmendem Druck ausgesetzt sind und Elternschaft nicht nur eine bereichernde Lebensaufgabe ist (Wilhelm 2015; Merkle und Wippermann 2008; Henry-Huthmacher 2008), sondern das Wohlbefinden der Eltern sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann (Morse und Steger 2019). Diese gemischte Gefühlslage verdeutlichen Ergebnisse einer großangelegten deutschen Studie zu Selbstverständnissen, Befindlichkeiten und Bedürfnissen von Eltern verschiedener sozialer Bedingungen. In einer sich schnell entwickelnden, auf Flexibilität angelegten Welt, wird Elternschaft häufig als einschränkend erlebt. Zugleich wird dem Kindeswohl große Bedeutung zugewiesen (Merkle und Wippermann 2008). Die starke Akzentuierung des Kindeswohls assoziiert Elternschaft mit überhöhten Anforderungen, Überanstrengung und dem Bild der verantworteten Elternschaft (Ruckdeschel 2015). Elternschaft ist demzufolge eine verantwortungsvolle, zeitintensive Aufgabe, die Arbeit bedeutet und sich vorranging am Wohl des Kindes und dessen Bedürfnissen orientieren sollte (Ruckdeschel 2015; Merkle und Wippermann 2008; Schneider et al. 2014; Vodafone Stiftung Deutschland 2015; Knauf 2019). Der hohe Erwartungsdruck wirkt sich dann negativ auf das Wohlbefinden von Eltern aus. Rizzo et al. (2013) etwa zeigen, dass sowohl die Auffassung von Elternschaft als anstrengend und herausfordernd (Challenging Parenting) als auch die starke Fokussierung auf das Kind und dessen Bedürfnisse (Child-Centered Parenting) unterschiedliche Aspekte des Wohlbefindens von Müttern negativ beeinflussen. Zugleich lösen der Druck, als Mutter perfekt sein zu müssen, und das Schuldgefühl, nicht alle Ansprüche und Bedürfnisse des Kindes im Rahmen der Elternrolle erfüllen zu können, erhöhte Angst- und Stresssymptome aus und verringern zugleich das Kompetenzerleben in der Elternrolle (Henderson et al. 2016). Das Wohlbefinden von Eltern, insbesondere von Müttern, wird im Rahmen dieses neueren Diskurses der verantworteten Elternschaft (Intensive Parenting) im Lichte von Bedürfnissen und Anforderungen des Kindes, verknüpft mit Erwartungen an Elternschaft, verstanden. In dieser Forschungslinie stellt das KindFootnote 1 einen wichtigen Referenzpunkt für das Wohlbefinden von Eltern dar. Doch inwiefern wurde bislang das Kind im Kontext der Forschung des Wohlbefindens von Eltern betrachtet?

Mit Blick in den aktuellen Forschungsstand eröffnet sich ein weites Feld. Im Rahmen von Elternstress (Parenting Stress) werden primär Verhaltensauffälligkeiten und verschiedene Störungsbilder als Referenzpunkte elterlicher Belastungsprozesse untersucht (z. B. Theule et al. 2011; Theule et al. 2012; McStay et al. 2014). In der Paar- und Familienstressforschung wurde das Kind in einem theoretischen Modell zu Familienstress als familieninterner Stressor identifiziert, der beispielsweise für die Paarbeziehung am Übergang zur Elternschaft eine große Anpassungsleitung bedeuten kann (Bodenmann 2002). Unter Belastungsbedingungen oder in anforderungsreicheren Phasen kann das Kind demnach einen wichtigen Ausgangspunkt für das Wohlbefinden von Eltern darstellen. Selbst in theoretischen Überlegungen zu familieninternen Prozessen, die im Zuge der Belastungen durch die Coronapandemie ausgelöst werden (Schließung von Kindertageseinrichtungen, Kontaktbeschränkungen, geschlossene Freizeit- und Sportangebote)Footnote 2, stellt die Ebene des Kindes einen zentralen Dreh- und Angelpunkt für das Wohlbefinden von Eltern dar (Prime et al. 2020). Obwohl das Kind unter dieser systemisch geprägten Paar- und Familienstressperspektive grundsätzlich als potenzieller Stressor verstanden wird, befasst sich eine Vielzahl an Studien in diesem Feld mit der Frage, welche Risiken Einschränkungen des elterlichen Wohlbefindens (z. B. Depression der Eltern, Paarkonflikte) für die Entwicklung des Kindes bedeuten. Die Studien bestätigen dabei, dass elterliche Belastungsprozesse Risiken für eine gelingende kindliche Entwicklung darstellen. Eine soziologisch geprägte Forschung zum Wellbeing und zur allgemeinen Lebenszufriedenheit von Eltern (Life-Satisfaction-Forschung) widmet sich dem Wohlbefinden von Eltern unter einer gänzlich anderen Betrachtungsweise. Sie befasst sich mit den Effekten von Elternschaft (Psychological Effects of Parenthood) (Galatzer-Levy et al. 2011) und der Frage, warum Elternschaft für einige Eltern mit einem niedrigeren Wohlbefinden einhergeht im Vergleich zu kinderlosen Personen, obwohl Elternschaft eine erfüllende und sinngebende Lebensaufgabe darstellt, die Glück und Lebenssinn steigern sollte (Hansen 2012; Glass et al. 2016). Zentrale Erklärung für ein niedrigeres Wohlbefinden von Eltern findet sich in der erhöhten Wahrscheinlichkeit, Belastungsquellen ausgesetzt zu sein (Zeitdruck, Schlafdefiziten, finanziellen Sorgen) (Glass et al. 2016).

Der Forschungsstand zum Wohlbefinden von Eltern ist somit interdisziplinär und breitgefächert. Dabei haben Studien einen besonderen Fokus auf die Betrachtung von Elterneffekten auf das Kind gelegt. Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit den sozial-emotionalen, behavioralen oder kognitiven Folgen elterlicher Belastung oder Einschränkungen elterlichen Wohlbefindens für die kindliche Entwicklung. Studien, die sich auf systematische Weise mit der Frage auseinandersetzen, unter welchen Umständen oder in welchen besonderen Lebenssituationen das Kind oder Anforderungen in der Erziehung und Betreuung des Kindes, in Zusammenhang mit dem Wohlbefinden der Eltern stehen, fernab von klinischen Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, fehlen bisher. Insbesondere vor der Annahme, dass das Kind und dessen Bedürfnisse unter bestimmten Bedingungen oder in anforderungsreichen Phasen, wie am Übergang zur Elternschaft, einen wichtigen Anhaltspunkt für das Wohlergehen der Eltern bilden können. Zugleich stellt sich die Frage, inwiefern das Kind für das elterliche Wohlbefinden nicht nur direkt, sondern auch indirekt relevant ist. Neben Studien, die den direkten Effekt kindlicher Anforderungen auf das elterliche Wohlbefinden etablieren, finden sich deutlich weniger Befund, die zeigen, über welche zwischengeschalteten Variablen, beispielsweise über Variablen auf Individual-, Paar-, und/oder Familienebene, Kindeffekte transportiert werden. Obwohl insbesondere im Rahmen des Elternstresses (Parenting Stress) eine Kernannahme ist, dass äußere Anforderungen nicht direkt zu Einschränkungen des Wohlbefindens führen, sondern vermittelt werden über Kognitionen, die an die Elternrolle und die Elternschaftserfahrung gebunden sind. Dieser zentrale Wirkmechanismus entspringt den Grundideen des transaktionalen Stressmodells. Überdies stehen einige Forschungsbefunde und -aktivitäten unverbunden nebeneinander. Eine höhere Durchlässigkeit von einer Forschungstradition zur anderen wäre wünschenswert. Folglich mangelt es an einer übersichtlichen Verknüpfung und Bestandsaufnahme dieser unterschiedlichen theoretischen und empirischen Befunde zum elterlichen Wohlbefinden und der Rolle des Kindes.

Ziel der Arbeit ist es, die Rolle des Kindes für das Wohlbefinden von Eltern auf systematische Weise theorie- und datenbasiert zu betrachten um herauszufinden, unter welchen Umständen oder in welchen Lebenssituationen das Kind einen wichtigen Ausgangspunkt für das Wohlbefinden der Eltern darstellen kann. Dabei soll die Rolle des Kindes nicht ausschließlich über verhaltensbedingte kindliche Merkmale betrachtet werden, sondern zugleich über Dimensionen, die in enger Verknüpfung zur Ausgestaltung von Elternschaft und damit in direktem Bezug zu kindlichen Bedürfnissen stehen. Das trägt dem Verständnis Rechnung, das Kind als Anhaltspunkt für das elterliche Wohlbefinden nicht nur ausschließlich über Verhaltensanforderungen zu operationalisieren, sondern ebenfalls Indikatoren zu verwenden, die den starken Fokus auf das Kind (Sorgen, Bedürfnisse und Anforderungen) sowie die Ausgestaltung und das Erleben der Elternrolle einfangenFootnote 3. Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende übergeordnete Forschungsfragen ableiten:

  1. 1)

    Für welche Dimensionen des Wohlbefindens von Eltern spielt das Kind eine Rolle?

  2. 2)

    Inwiefern steht das Kind nicht nur in direktem, sondern auch indirektem Zusammenhang mit unterschiedlichen Dimensionen elterlichen Wohlbefindens?

  3. 3)

    Welche zwischengelagerten Mechanismen steuern den Zusammenhang zwischen der Ebene des Kindes und dem elterlichen Wohlbefinden?