Skip to main content

Kontroversen zur Macht des Diskurses: Jürgen Habermas und Michel Foucault

  • 567 Accesses

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt des zweiten Autorenpaars im Kontext zeitgenössischer Politischer Theorie stehen Probleme gesellschaftlich-politischer Macht und die Bedeutung, die „Diskurse“ für die Konstitution, Kritik und Transformation von Machtverhältnissen haben. Das Konzept des Diskurses wird bei Jürgen Habermas und Michel Foucault sehr verschieden verstanden. Damit verbinden sich gegensätzliche Einschätzungen der Funktion von Diskursen und Ansätze für politische Analyse und gesellschaftskritische Praxis. Für Habermas stellen „rationale Diskurse“ den Weg zu einer gerechten Lösung sozialer Konflikte und einer Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse dar. In einem idealen Diskurs könnten alle frei über alles beraten und würde nur das Geltung erlangen, was von allen Betroffenen akzeptiert wird. In der realen Welt können nicht alle Fragen durch rationale Diskurse entschieden werden. Insbesondere wird das Leben in der Moderne von Systemen geprägt, die auf der Grundlage von Steuerungsmedien wie Geld oder Macht, nicht aber durch vernünftigen Konsens aller Beteiligten gesteuert werden. Dennoch ist verständigungsorientiertes Handeln möglich und kann das Vernunftpotential der Sprache durch den Aufbau „kommunikativer Macht“ für emanzipatorische Lernprozesse genutzt werden. Das Modell „deliberativer Politik“ entwirft die dafür relevanten demokratietheoretischen Bedingungen. Foucault steht dem Glauben an eine Emanzipation durch vernünftige Verständigung skeptisch gegenüber. Diskurse unterwerfen aus seiner Sicht das Individuum, indem sie ihm bestimmte Identitäten, Normalitätskonzepte und Verantwortungszuschreibungen auferlegen. Die Geschichte der Vernunft in der Moderne ist zugleich eine des Ausschlusses derjenigen, die ihren Maßstäben nicht entsprechen. Die diskursive Macht dringt immer tiefer in unsere Körper und Selbstverhältnisse ein. Für Foucault gilt es, Widerstand gegen die Zumutungen einer „Disziplinargesellschaft“ zu entwickeln. Gesellschaftliche Entwicklungen wie etwa die Gleichstellung Homosexueller erscheinen im Ausgang von Habermas′ und Foucaults Diskursverständnis in einem jeweils unterschiedlichen Licht.

This is a preview of subscription content, access via your institution.

Buying options

eBook
USD   19.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   29.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Also auf Immanuel Kants Rechtsphilosophie zurückgehend.

  2. 2.

    Erhellend dazu (Sarasin 2019).

Literatur

  • Eribon, Didier. 1991. Michel Foucault. Eine Biographie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1973. Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1974. Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1976. Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1977. Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1985. Freiheit und Selbstsorge. Interview mit Helmut Becker 1984 und Vorlesung 1982. Frankfurt a. M.: Materialis-Verlag.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1996. Der Mensch ist ein Erfahrungstier. Gespräch mit Ducio Trombadori. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 1997 [1969]. Archäologie des Wissens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 2005. Subjekt und Macht. In Analytik der Macht, Michel Foucault, 240–263. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 2014 [1971]. Die Ordnung des Diskurses. Mit einem Essay von Ralf Konersmann. Erw. Ausg., 13. Aufl. Frankfurt a. M.: Fischer.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1981a. Die Moderne – ein unvollendetes Projekt. Rede anlässlich der Verleihung des Adorno‐Preises. In Kleine Politische Schriften IV, Jürgen Habermas, 444–464. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1981b. Theorie des kommunikativen Handelns. Band 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1983. Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1991. Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1992. Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1996. Drei normative Modelle der Demokratie. In Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, Jürgen Habermas, 277–292. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen. 1997. Versöhnung durch öffentlichen Vernunftgebrauch. In Zur Idee des politischen Liberalismus. John Rawls in der Diskussion, Hrsg. Philosophische Gesellschaft Bad Homburg und Wilfried Hinsch, 169–195. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Habermas, Jürgen und Joseph Ratzinger. 2005. Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion. Freiburg: Herder.

    Google Scholar 

  • Haus, Michael. 2000. Die politische Philosophie Michael Walzers. Kritik, Gemeinschaft, Gerechtigkeit. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

    Google Scholar 

  • Haus, Michael. 2022. Drei Quellen politischen Handelns. In Neutralität ist keine Lösung! Politik, Bildung – politische Bildung, Hrsg. Alexander Wohnig und Peter Zorn, 329–340. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

    Google Scholar 

  • Horster, Detlef. 1999. Jürgen Habermas zur Einführung. Hamburg: Junius.

    Google Scholar 

  • Keller, Reiner. 2011. Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen, 4. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag.

    Google Scholar 

  • Lemke, Thomas. 2003. Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität, 4. Aufl. Hamburg: Argument.

    Google Scholar 

  • Menke, Christoph. 2003. Zweierlei Übung. Zum Verhältnis von sozialer Disziplinierung und ästhetischer Existenz. In Michel Foucault: Zwischenbilanz einer Rezeption. Frankfurter Foucault-Konferenz 2001, Hrsg. Axel Honneth und Martin Saar, 283–299. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Rosa, Hartmut, Andrea Kottmann, und David Strecker. 2013. Soziologische Theorien, 2. Aufl. Konstanz: UVK.

    Google Scholar 

  • Sarasin, Philipp. 2019. Zeitenwende. Michel Foucault und die iranische Revolution. https://geschichtedergegenwart.ch/zeitenwende-michel-foucault-und-die-iranische-revolution/. Zugegriffen: 24. Juni 2022.

  • Walzer, Michael. 1991. Zweifel und Einmischung. Gesellschaftskritik im 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M.: Fischer.

    Google Scholar 

  • Wiggershaus, Rolf. 2010. Die Frankfurter Schule. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Michael Haus .

Rights and permissions

Reprints and Permissions

Copyright information

© 2023 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Haus, M. (2023). Kontroversen zur Macht des Diskurses: Jürgen Habermas und Michel Foucault. In: Grundlagen der Politischen Theorie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41176-3_9

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-41176-3_9

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-41175-6

  • Online ISBN: 978-3-658-41176-3

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)