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Das Problem der Generationen

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Schriften zur Wirtschafts- und Kultursoziologie

Part of the book series: Klassiker der Sozialwissenschaften ((KDS))

Zusammenfassung

Auch bei dieser Frage ist die erste Pflicht des Soziologen die Problemlage zu sichten. Allzu oft hat er es mit heimatlos gewordenen Fragestellungen zu tun, mit Problemen, zu denen alle Wissenschaften ihr Scherflein beigetragen haben, bei denen aber über die Kontinuität der Problematik niemand gewacht hat. Aber nicht einfach »Dogmengeschichte« des Problems gilt es hier zu geben, sondern die »innere Lage« der Fragestellung zu skizzieren (Teil 1), um auf diese Weise den eigenen Zugang zur Lösung zu sichern (Teil 2).

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Notes

  1. 1.

    Vgl. zu den Hume- und Comte-Stellen die Quellenbelege bei Mentré, S. 179 f. und S. 66 ff.

  2. 2.

    Die genauen Titelangaben der bisher angeführten und noch zu zitierenden Werke über das Generationsproblem befinden sich in der Bibliographie, am Ende dieser Arbeit.

  3. 3.

    Wissenschaftlich am besten fundiert scheint uns der Versuch Rümelins zu sein, der, zunächst unabhängig von jeder geisteswissenschaftlichen Problematik, auf rein statistischem Wege die Generationsdauer im Volksganzen zu bestimmen versucht. Hierbei sind die folgenden beiden Faktoren bestimmend: das durchschnittliche Heiratsalter der Männer und die halbe Dauer der mittleren ehelichen Fruchtbarkeit. Durch Summierung dieser (in den verschiedenen Ländern und sozialen Lebenskreisen verschieden ausfallenden Daten) erhält er die Generationsdauer, die für Deutschland 36½, für Frankreich 34½ Jahre ergeben hat.

  4. 4.

    Vgl. auch hier die genauen Titelangaben am Ende dieser Arbeit.

  5. 5.

    Wir besprechen in diesem Kapitel nur jene Repräsentanten der Generationstheorie ausführlicher, die von Mentré noch nicht behandelt wurden.

  6. 6.

    Mentré, S. 298.

  7. 7.

    Vgl. hierzu u. a. die Bücher von Agathon, Bainville, Ageorges, Valois; vgl. auch E. R. Curtius und R. Platz, wo auch stets der Generationsgesichtspunkt bei der Darstellung berücksichtigt wurde.

  8. 8.

    Über das konservative Zeiterleben vgl. K. Mannheim: Das konservative Denken, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 57, S. 98 ff.

    Gegen die Fortschrittskonzeption als geschichtliche Gesamtvorstellung z. B. Pinder, S. 138.

  9. 9.

    Vgl. Dilthey, S. 36 ff.

  10. 10.

    Heidegger, S. 384 f.

  11. 11.

    Pinder (vgl. insbesondere Kap. 7).

  12. 12.

    Pinder, S. 21. Von Pinder hervorgehoben.

  13. 13.

    Pinder, S. 20 ebenda.

  14. 14.

    Vgl. hierzu K. Mannheim, Beiträge zur Theorie der Weltanschauungs-Interpretation, in: Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. I, Wien 1923. Erschienen auch in der Serie: »Kunstgeschichtliche Einzeldarstellungen«, Bd. 2. Herausgegeben vom »Kunsthistorischen Institut des Bundesdenkmalamtes«, Wien 1923, S. 38 ff.

  15. 15.

    Pinder, S. 98.

  16. 16.

    Pinder, S. 159 f.

  17. 17.

    Pinder, S. 154. Von Pinder hervorgehoben.

  18. 18.

    Pinder, S. 30.

  19. 19.

    Pinder, S. 60.

  20. 20.

    Gemeint sind Kulturzustand und die gesellschaftlich politischen Verhältnisse.

  21. 21.

    Dilthey, S. 38.

  22. 22.

    Joel (siehe die Bibliographie am Ende dieser Untersuchung).

  23. 23.

    Eine nüchternere Fundierung der drei Generationeneinheiten, als der Einheit eines Jahrhunderts, hatte O. Lorenz versucht. Eine 600 Jahre-Rhythmik betont Scherer in seiner Literaturgeschichte. S. 18 ff. Auf die Lösungsversuche der modernen Literaturhistoriker Kummers und Petersen, ferner auch auf L. v. Wiese, kommen wir im nächsten Teil dieser Untersuchung zu sprechen.

  24. 24.

    In diesem Zusammenhange müßte u. a. der strukturelle Unterschied, der zwischen den durch K. Schurtz so genau geschilderten Altersklassen und Männerbünden bei den sogenannten »Primitiven« einerseits und den modernen Generationsbewegungen andererseits genau herausgearbeitet werden.

  25. 25.

    Es kann Thema einer historisch-soziologischen Untersuchung werden, auf welcher Stufe der Entwicklung und unter welchen Bedingungen aus Klassenlage Klassenbewußtsein aufsteigt, genau so kann es ein historisch-soziologisches Problem werden, wann sich neue Generationen ihrer generationsmäßigen Lagerung als solcher bewußt werden und gerade dieses Wissen zur Unterlage ihres Verbundenseins machen. Warum ist gerade in der jüngsten Zeit Generationseinheit ins Bewußtsein gehoben worden? Das wäre hierbei die in erster Reihe zu lösende Frage.

  26. 26.

    Da den Geistes- und Sozialwissenschaften kein Experiment zur Verfügung steht, kann oft ein solches »Gedankenexperiment« dazu verhelfen, die wichtigsten Faktoren zu isolieren.

  27. 27.

    Über das »Jungsein«, »Altern« und deren geistige Relevanz vgl. u. a. Spranger (bei diesem weitere Literatur über das Seelenleben der Jugendlichen, in diesem Zusammenhange auch Honigsheim), ferner A. E. Brinckmann (mit kunsthistorisch interpretativer Methode arbeitend), Jakob Grimm, F. Boll (mit historisch philologischer Methode arbeitend). Die Literatur über Jugendbewegung (da sie ein Problemgebiet für sich darstellt) ist in unserer Bibliographie nicht angeführt.

  28. 28.

    Es ist hier nicht der Ort, die ganze Mannigfaltigkeit der Formen sozialer Erinnerung aufzuzählen. Hier werden mit absichtlicher Beschränkung und Vereinfachung die beiden polaren Möglichkeiten sozialer Erinnerung fixiert, wobei unter »bewußten Vorbildern« in erweiterter Bedeutung etwa auch jenes Gesamtwissen verstanden werden kann, welches in unseren Bibliotheken aufgestapelt liegt. Dieses in der Bibliothek vorhandene Wissen kommt aber für das Weiterleben stets nur insofern in Betracht, als es immer wieder aktualisiert wird. Aktualisiert aber kann es stets in den beiden Weisen da sein, als intellektuell das Handeln regulierendes Vor-Bild, Vor-Wissen, an dem man sich orientiert, oder aber als im Vollzug komprimiert vorhandene Erfahrung. Über die Instinktsphäre und über die insbesondere durch Freud behandelte verdrängte und unterbewußt mitpräsente Sphäre müßte noch gesondert gehandelt werden.

  29. 29.

    Diese im Vollzug zustandekommende Neuentdeckung verschütteter Möglichkeiten am Hergebrachten macht es uns erst verständlich, daß oft reformierende und revolutionierende Bewegungen ihre neuen Wahrheiten an ältere anzuknüpfen vermögen.

  30. 30.

    Wenn man – wie vorausgesetzt – diesmal von den vital biologischen Momenten körperlich-seelischen Alterns hier absieht.

  31. 31.

    Daß das in diesem Sinne angedeutete »Neuansetzen-Können« nichts mit »Konservativ« und »Progressiv« zu tun hat, muß betont werden. Es ist nichts unrichtiger, als zu meinen – was die meisten Generationstheoretiker unkritisch voraussetzen –, daß die Jugend progressiv und das Alter eo ipso konservativ sei. Gegenwärtige Erfahrungen zeigen zur Genüge, daß die ältere, liberale Generation politisch progressiver zu sein vermag als etwa bestimmte jugendliche Kreise (Burschenschaften usw.). »Konservativ« und »progressiv« sind historisch-soziologische Kategorien, die an einer bestimmten konkretinhaltlichen historischen Dynamik orientiert sind, während »alt« und »jung«, »generationsmäßig neuartiger Zugang«, formal-soziologisch gemeint sind. Ob eine bestimmte Jugend konservativ, reaktionär oder progressiv ist, entscheidet sich (wenn auch nicht ausschließlich, aber doch in erster Reihe) dadurch, ob sie am vorgefundenen Status der Gesellschaft von ihrem sozialen Orte aus Chancen der eigenen sozialen und geistigen Förderung erwartet. Ihr »Jungsein«, ihr »neuartiger Zugang« aber erweist sich u. a. dadurch, daß sie innerhalb der nunmehr gewählten Strömung eine Transformation und Adaptation dieser an die neue Totallage leichter vollzieht; also innerhalb der konservativen Strömung eine der modernen Situation entsprechende Form dieser politisch-geistigen Richtung, innerhalb etwa des Sozialismus eine gegenwärtige Form dieser Tradition zu finden imstande ist. Auch dies ist ein wichtiger Beweis für die später noch ausführlich zu erhärtende Hauptthese dieses Aufsatzes, daß die vitalen Gegebenheiten (so die des Jung- und Altseins) nichts unmittelbar inhaltlich geistige Verhaltensweisen involvieren (jung nicht unbedingt progressiv gleichzusetzen ist usw.), sondern nur formale Tendenzen, die allein im Elemente des Sozialen und Geistigen relevant werden können. Jede unvermittelte Gleichsetzung oder Verknüpfung biologischer Data mit geistigen Erscheinungen führt zu einem quid pro quo, das nur Verwirrung stiftet.

  32. 32.

    Wann dieser Prozeß im Individuum abgeschlossen ist, wann der unbewußte Lebensfond (in dem auch die nationalen und landschaftlichen Eigenheiten ruhen, aus dem landschaftliche und nationale »Entelechien« aufsteigen) kaum mehr sich bildet, ist schwer zu bestimmen. Der Prozeß scheint abgeschlossen zu sein, wenn sich gerade dieser aproblematische Lebensfond kaum mehr ändert. Das Kind, der Jüngling, in ein neues Milieu gebracht, ist stets in der Lage, auch neuen Einwirkungen dieser Art gegenüber offen zu sein. Sie lassen ohne weiteres neue, unbewußte Seelenhaltungen, Gewohnheiten in sich einsickern, ändern Sprache und Dialekt. Der Erwachsene, in eine neue Lebenslage versetzt, transformiert bewußte Aspekte, Denk- und Verhaltungsweisen, »akklimatisiert« sich aber niemals vom Grund aus in derselben Weise. Die fundamentalsten Verhaltungsweisen, der Seelenfond und im Äußeren die Sprache und Dialekt bleiben meistens auf früherer Stufe stehen. Es scheint also ein indirektes Indizium für das Abgeschlossensein dieses Prozesses in der Sprache und Aussprache zu liegen. Wenn man feststellen kann, wann die Sprache, der Dialekt des Individuums abgeschlossen ist, hat man zumindest einen äußeren Anhaltspunkt für die Fixierung des Zeitpunktes, wo der Abschluß der Bildung auch des unbewußten Lebensfonds im Individuum anzusetzen sei. Nach den sprachwissenschaftlichen Forschungen A. Meillets ändert sich Alltagssprache, Dialekt des Individuums nach dem 25. Jahre kaum mehr. (A. Meillet, Méthode dans les sciences, Paris, Alcan 1911; ferner ders., Introduction a l’étude comparative des langues indo-européennes, 1903; zitiert bei Mentré, S. 306 ff.).

  33. 33.

    Auch Spranger setzt einen erheblichen Einschnitt um das 17. Lebensjahr herum an (S. 145).

  34. 34.

    Das »Vorauseilen« der »Ideen« der reellen Transformation gegenüber kann von hieraus verständlich gemacht werden. Hierbei ist an den französischen Begriff der Idee zu denken und nicht an das »Urbildhafte« der »platonischen Idee«. Diese »moderne Idee« hat eine auflockernde und das gesellschaftliche Gefüge in Bewegung setzende Tendenz. Sie ist nicht vorhanden in statischen Gesellschaftseinheiten, etwa in den noch in sich geschlossenen bäuerlichen Lebenskreisen, sofern man dort noch aproblematisch, vom unbewußt tradierten Fond zehrt. Dort kommt es auch nicht dazu, daß die neue Generation gerade durch eine solche Verbindung mit den Ideen sich gegen die Alten abhebt. »Jungsein« wirkt sich hier nur in der biologischen Differenzierung aus. Hierüber später.

  35. 35.

    Die Reihenfolge des zur Geltungkommens der wirkenden Faktoren scheint die folgende zu sein. Zunächst verändern sich die »Verhältnisse«. Die aktuellen Vollzüge, auf diese Weise in eine neue Situation hineingestellt, transformieren sich zunächst unbewußt. Man versucht ein Eingehen auf die neue Lage durch instinktive, nicht bewußt werdende Anpassung. (Der noch so orthodoxe, prinzipiengetreue Mensch paßt sich in den nicht in den bewußten Beobachtungskreis fallenden Dingen in einem fort an.) Ist durch beschleunigte Dynamik des sozial-geistigen Prozesses der Wandel allzu gewaltig, so daß unbewußte Anpassung nicht mehr ausreichen würde, »funktionieren« die Vollzüge in der allzu plötzlich neugewordenen Situation nicht (wird etwas in diesem Sinne realiter problematisch), so reagiert das Bewußtsein mit Bewußtmachung, die in ihrer konkreten Gestalt der jeweilig historischen Bewußtseinsstufe: Mythos, Philosophie, Wissenschaft entspricht -, und es lockern sich von hier aus, soweit dies möglich ist, die tieferen Seelenbestände auf.

  36. 36.

    L. v. Wiese schildert diese Vater-Sohn Opposition in sehr anschaulicher Weise. Äußerst wichtig ist der Hinweis, daß der Vater hierbei der Tendenz nach dazu gedrängt wird, die »Gesellschaft« dem Sohne gegenüber zu vertreten (Allgemeine Soziologie, S. 196 ff.).

  37. 37.

    Um auch ein gegenwärtiges Beispiel anzuführen, weist ein Leitartikel der Frankfurter Zeitung (8. Dezember 1927 im Abendblatt) gelegentlich des Studentenrechtskonfliktes ziemlich genau diese bereits heute wahrnehmbare Verschiebung in der Lebensorientierung der Nachkriegsgeneration und der darauffolgenden Zwischengeneration nach: auch für den Ausgleich, der zwischen beiden sich vollzieht, findet man dort Belege.

  38. 38.

    Als eine entsprechende Gegentendenz ist die Tatsache zu beachten, auf die L. v. Wiese (ebenda S. 197) aufmerksam macht, daß mit dem modernen Individualismus ein jeder mehr als früher sein eigenes Leben zu führen beansprucht.

  39. 39.

    Auch ein Beweis dafür, daß die naturalen biologischen Faktoren, die das Alter endgültig charakterisieren, durch soziale Kräfte paralysiert werden, daß im Elemente des Sozialen biologische Gegebenheiten beinahe in ihr Gegenteil umgebogen werden können.

  40. 40.

    Wir haben bisher Generation, Generationszusammenhang usw. undifferenziert benützt; zu einer genauen Bedeutungsdifferenzierung soll es erst jetzt kommen.

  41. 41.

    Vgl. das Heidegger-Zitat in der vorliegenden Untersuchung.

  42. 42.

    Inhalte können sozial verbinden und differenzieren. Derselbe Begriff der Freiheit z. B. hatte in der liberalen »Generationseinheit« eine ganz andere Bedeutung als in der konservativen. So können Bedeutungsanalysen als sichere Maßstäbe für die Differenzierung des Generationszusammenhanges in Generationseinheiten verwendet werden. Vergleiche die erwähnte Untersuchung Karl Mannheim, Das konservative Denken (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 57 [1927], S. 90 ff.), wo der konservative Freiheitsbegriff in seiner spezifischen Bedeutung dem gleichzeitigen liberalen gegenüber herausgearbeitet wird.

  43. 43.

    Es hatten z. B. in den [18]40er Jahren zur Zeit der Hochflut oppositioneller Ideen auch adelige Jünglinge an diesen Ideen partizipiert. Vgl. Marx, Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland, 3. Aufl., Stuttgart 1913, S. 20 f. und 25.

  44. 44.

    Kummer hatte in seiner Literaturgeschichte eine ganz differenzierte Typik der Generationsträger herausgearbeitet; er unterscheidet stets: Vorläufer, Pfadfinder, Genies, selbständige Talente ohne führende Bedeutung, abhängige Talente, Ausläufer und Modetalente (S. 6 ff. und passim).

  45. 45.

    So kann Nietzsche als Vorläufer der gegenwärtigen Neuromantik gelten. In Frankreich ist ein eminentes Beispiel Taine, der unter dem Eindruck der Ereignisse von 1870/71 die vaterländische Wendung vollzog und dadurch zum Vorläufer einer nationalistischen Generation wurde (vgl. Platz, S. 43 ff.). In solchen Fällen, wo es sich um Vorläufer handelt, gälte es in historisch-soziologischer Einzeluntersuchung festzustellen, wie die Erlebnisstruktur jener, die den Übergang zum Neuen in sich erarbeiten, dennoch völlig anders geartet ist als bei jener neuen Generation, die erlebnisgemäß gerade dort ansetzt, wo die Vorläufer erst endeten. Ein interessantes Beispiel ist diesbezüglich in der Geschichte des deutschen Konservativismus der Rechtsgelehrte Hugo, der als Begründer der »historischen Schule« gelten kann. Dennoch vollzog er niemals jene irrationalistische Wendung, wie es die nächste Generation (Savigny) tat, die in ihrer Jugend den Befreiungskrieg miterlebte.

  46. 46.

    Die Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Dynamik wird ihrerseits keineswegs vom Generationswechsel verursacht, der ja stets konstant bleibt.

  47. 47.

    Pinder hat eine primäre Orientierung an der Kunstgeschichte, sein Entelechiebegriff ist an den künstlerischen Gebilden abgelesen. Bei genauer Beschreibung müßte man abstufend differenzieren zwischen neuen Generationsimpulsen, Willenskeimen, Formungstendenzen, Gestaltungsintentionen, Entelechien usw. Auf der gegenwärtigen Stufe der Betrachtung können wir von diesen Unterschieden absehen, und wir verwerten deshalb öfters im folgenden der Einfachheit halber den Pinderschen zusammenfassenden Terminus der Entelechie.

  48. 48.

    Wie sehr die Burschenschaften sich bereits als eine bewußte Jugendbewegung erlebten, mögen einige Sätze von Herbst im Sinne eines Quellenbelegs veranschaulichen. Die Burschenschaften fühlten sich als Nachbildner der griechischen έταιριαι. Herbst sagt: »Sie (scil. die Griechen) bildeten ihre έταιριαι in einem ähnlichen Sinne wie unsere Burschenschaften.« Zur Stimmungscharakteristik der Bewegung vgl. etwa folgende Sätze: »… bei uns läßt man den Jüngling gerade am Scheidewege stehen und glaubt alles getan zu haben, wenn man ihm Gelegenheit gibt, mit einiger Gelehrsamkeit es dahin zu bringen, daß er mit leichter Mühe durch das Leben jagen kann. Wir sind nun überzeugt, daß das Leben höhere Anforderungen an uns macht, und wenn von oben herein diese Anforderungen nicht befriedigt wurden, so glaubten wir, uns selbst überlassen, ein Recht zu haben, unsere Lebensverhältnisse so zu ordnen, daß wir in ihnen unserer Überzeugung gemäß uns bilden und kräftigen können, welche uns die Vernunft und der Geist der Zeit gesetzt hat« (S. 97).

  49. 49.

    Vgl. den oben angeführten Leitartikel der »Frankfurter Zeitung«.

  50. 50.

    Die Möglichkeit der Entelechiebildung hängt sicherlich auch mit der sozialen Geltungsmöglichkeit einer Altersstufe zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammen. Eine Zuschrift an die »Vossische Zeitung« (20. Mai 1928, Nr. 21, Rubrik: Briefe an die Vossischen Zeitung) berichtet über die gegenwärtig ungünstige Lage der »Zwischengeneration«, also der heute 30-50Jährigen. Über das jeweilige Prestige des Alters vgl. die sehr richtigen soziologischen Bemerkungen bei Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 609.

  51. 51.

    Kummer S. 2 ff. Kummer war Journalist, der in seinen freien Stunden sein Werk schrieb. Er kam zum Generationsproblem durch eine Kritik der literaturhistorischen Kategorien »Epigone« und »Dekadenz«. Diese wollte er durch eine »natürlichere« Einteilung ersetzen und fand dafür die Grundlage im Generationsphänomen. Die äußere Anregung verdankte er Erich Schmidt, der zusammen mit Haym, Stern und Bartels in der Literaturgeschichte jene Anregungen aufnahm, die bei Rümelin (1875) und O. Lorenz (1886) (der letztere auf Ranke zurückgreifend) auch lebendig waren. Bei Dilthey taucht das Problem zuerst 1865 auf, als er sich mit Novalis beschäftigte. R. Haym übernahm 1870 den Diltheyschen Generationsbegriff, als er seine »Romantische Schule« herausgab (vgl. Kummer S. 1 f., Petersen S. 133). Kummers Darstellung ist sicher, vom ästhetischen Standpunkte aus gesehen, oft dürr und unzulänglich, das Blickfeld aber ist wohltuend erweitert; er achtet mehr, als im allgemeinen üblich, auf das gesellschaftliche Wechselspiel der Kräfte, das hinter den Werken steht. So ist die stete Berücksichtigung der Presseverhältnisse in diesem Zusammenhang erfreulich, wenn auch all dies nur als ein allzu schematischer Anfang zu werten ist.

  52. 52.

    Wir bringen unsere Beispiele absichtlich aus der politisch-ideengeschichtlichen Sphäre, einmal um der Einseitigkeit, wonach die meisten Generationstheorien (insbesondere in Deutschland) sich entweder an der Literaturgeschichte oder an der Kunstgeschichte orientieren, ein Gegengewicht zu geben, und zweitens, weil wir der Ansicht sind, daß die Struktursituation der gesellschaftlich treibenden Impulse und auch die Generationsdifferenzierung hier am klarsten ablesbar wird. Die übrigen »Entelechien«, Stilwandlungen, müssen auch unserer Ansicht nach für sich untersucht werden, und keineswegs können die kunstgeschichtlichen und literaturgeschichtlichen Entelechien aus dem Politischen abgeleitet werden; aber ihr gegenseitiger Zusammenhang, ihre Affinitäten, können von hier aus am klarsten erfaßt und übersichtig gemacht werden. Der Künstler lebt zwar in erster Reihe in seiner künstlerischen Welt und deren Traditionen, aber als Mensch ist er stets verbunden mit den gesellschaftlich treibenden Kräften seiner Generation, auch wenn er politisch völlig indifferent sein sollte. Von hier aus transformiert er auch die im rein Künstlerischen liegenden Wollungen und Entelechien. Als Orientierungszentrum für die Übersicht des Gesamtgefüges scheint uns die politische Ideengeschichte in erster Reihe wichtig zu sein. Darüber ausführlicher weiter unten.

  53. 53.

    Von uns aus gesehen ist der »Zeitgeist« die kontinuierlich-dynamische Verkettung der aufeinanderfolgenden »Generationszusammenhänge«.

  54. 54.

    Romantik und Konservativismus gingen übrigens nicht von Anfang an zusammen. Romantik war ursprünglich in Deutschland genau so wie in Frankreich eine revolutionäre Bewegung.

  55. 55.

    Petersen, S. 146 f.

  56. 56.

    Das kann man auch bei der modernen »Jugendbewegung« beobachten, die sich immer wieder sozial und politisch polarisiert. Sie ist als kohärente Erscheinung Beleg für das Phänomen »Generationszusammenhang«. Konkret erfaßbar wird sie aber nur in Gestalt sozialer und geistig sich differenzierender »Generationseinheiten«.

  57. 57.

    Vgl. zu diesem Terminus Alfred Weber, Prinzipielles zur Kultursoziologie (in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 1920).

  58. 58.

    Pinder, S. 156.

  59. 59.

    Siehe oben.

  60. 60.

    Über die spezifische Form des Kampfes der Jungen und der Alten in den Zünften spricht Schmoller in seinem Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre (München-Leipzig 1923, Bd. II, S. 591).

Zur Bibliographie des Generationsproblems

(Theorie und Anwendung)

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Mannheim, K. (2023). Das Problem der Generationen. In: Barboza, A., Lichtblau, K. (eds) Schriften zur Wirtschafts- und Kultursoziologie. Klassiker der Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41108-4_4

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