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Beiträge zur Theorie der Weltanschauungs-Interpretation

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Schriften zur Wirtschafts- und Kultursoziologie

Part of the book series: Klassiker der Sozialwissenschaften ((KDS))

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Zusammenfassung

Wir stellen uns die Aufgabe, die methodologische Struktur und den logischen Ort des Weltanschauungsbegriffes innerhalb der historischen Kulturwissenschaften zu bestimmen. Nicht auf eine inhaltliche Definition des Weltanschauungsbegriffes im Rahmen eines bestimmten philosophischen Systems haben wir es dabei abgesehen, sondern wir fragen uns: was für eine Aufgabe steckt dahinter, wenn der kulturwissenschaftliche Geschichtsforscher (Kunstgeschichtler, Religionsgeschichtler oder auch der Soziologe, usw.) sich das Problem stellt, die Weltanschauung eines Zeitalters zu bestimmen oder partielle Erscheinungen seines Gebietes aus dieser Totalität zu erklären? Ist uns diese Totalität (die der Weltanschauungsbegriff meint) überhaupt gegeben, und, wenn sie es ist: wie ist sie uns gegeben, wie verhält sich ihre Gegebenheitsweise zu den Gegebenheitsweisen anderer möglicher kulturhistorischer Gegenstände? Aber dies genügt nicht: es ist uns so manches gegeben, das dennoch nicht zu theoretischer Darstellbarkeit gelangen kann. Gibt es Methoden, die dieses – wie wir sehen werden – in vortheoretischer Weise bereits Erfaßte auf das theoretisch-wissenschaftliche Niveau erheben können? Kann es zum kontrollfähigen Gute einer geltenden Wissenschaft werden?

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Notes

  1. 1.

    Auf kunstgeschichtlichem Gebiet sei als Beispiel dafür der Schnaase’sche Versuch erwähnt.

  2. 2.

    Auch das muß hervorgehoben werden, daß diese konturhafte Abgrenzung von Religion, Kunst usw. als ein Produkt der theoretischen Einstellung anzusehen ist. In der originären Erfahrung der Kultur sind die Grenzen flüssig.

  3. 3.

    Die moderne Naturphilosophie stellt sich die Aufgabe, die Erklärungsprinzipien der Einzelwissenschaften (z. B. die der mechanisch-kausal erklärenden Physik mit denen der theologisch erklärenden Biologie) in Einklang zu bringen. Daß dies nichts mit jener Synthese zu tun hat, von der wir in den Kulturwissenschaften sprachen, versteht sich von selbst.

  4. 4.

    Außer den noch später zu erwähnenden Arbeiten seien hier noch die Aufsätze von Alfred Weber erwähnt, der diese Synthese zu leisten der Soziologie zur Aufgabe stellt. Vgl. u. a. »Prinzipielles zur Kunstsoziologie«, in: Archiv für Sozialwissenschaften, Bd. 47 (1920), Heft I.

  5. 5.

    Dilthey: Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den metaphysischen Systemen. Erschienen im Sammelwerke »Weltanschauung«, hrsg. von Frischeisen-Köhler, Berlin 1911, S. 15.

  6. 6.

    Vgl. Hermann Nohl: »Stil und Weltanschauung«, Jena 1920, S. 12.

  7. 7.

    Daß wir sämtlich Kulturobjektivationen als Sinngebilde auffassen, sei hier nur betont und als Voraussetzung des Folgenden hervorgehoben. Ein Nachweis dafür ist heute bereits überflüssig, es sei diesbezüglich u. a. auf die Arbeiten von Husserl, Rickert und Spranger hingewiesen.

    Der Letztere hatte zuerst versucht, den irrealen erlebnisjenseitigen »Sinn«, den Husserl für die logisch-theoretische, Rickert dagegen im Sinne eines Pluralismus – den wir uns hier auch zu eigen machen – für alle Sphären der Kultur prinzipiell und systematisch herausarbeitete, beim Problem des Verstehens zu verwerten. Vgl. Husserl: Logische Untersuchungen2, Bd. I, Halle 1913; Rickert: System der Philosophie, Teil I, Tübingen 1921. E. Spranger: Zur Theorie des Verstehens und zur geisteswissenschaftlichen Psychologie. Festschrift für Johannes Volkelt. München. 1918. Wir fassen Sinn in einem viel weiteren Sinne als die erwähnten Autoren und differenzieren ihn. – wie später zu sehen sein wird – nach mehreren Richtungen, weil unserer Ansicht nach ein Eingehen auf die einfachsten Probleme der Interpretation ohne diese Differenzierung nicht möglich ist. Für eine Theorie des Verstehens kommen alle die Fragen, die für eine systematische Fundierung wichtig sein mögen (die ganze Verquickung des Sinnproblems mit einer Theorie zeitlos geltender Werte), nicht in Betracht, hier handelt es sich nur darum, – was wir an mehreren Beispielen klarzulegen versuchen werden – daß ein jedes Kulturgebilde seiner Seinsart nach ein Sinngebilde ist und als solches weder in der dinglichen Welt noch in der psychischen restlos unterzubringen ist und daß man ihm zuliebe mit: einer in dieser Richtung hin erweiterten »Ontologie« arbeiten muß. Alle »platonisierenden Tendenzen«, die zumeist in die Fundierung dieser Lehre hineinspielen, können also hier außer acht gelassen werden.

  8. 8.

    Was wir bei dieser phänomenologischen Analyse Husserl zu verdanken haben und wie weit wir sein Verfahren für unsere Zwecke modifiziert haben, wird dem Kundigen kontrollierbar sein.

  9. 9.

    Als dritte Art der Vermittlung können wir noch die des Abbildes erwähnen, aber das ganze Problem des Abbildes schalten wir im Folgenden aus, da sie unsere Problemstellung überflüssig belasten würde. Hier sei nur Folgendes über diese in anderen Zusammenhängen äußerst wichtige Fragt gesagt: Das Problem des Abbildens und Nachbildens spielt jene vornehmliche Rolle hauptsächlich in der Malerei und Skulptur, die, abgesehen davon, daß sie ein Sujet und einen Darstellungsstoff – in einem später zu klärenden Sinne – gestalten, zugleich auch noch eine Reihe von Gegenständen abbilden. Zwischen Ausdruck und Abbild besteht der wesentliche Unterschied darin, daß das Abbild und das Abzubildende in der selben Sphäre liegen müssen. Man kann Akustisches durch Akustisches, Optisches durch Optisches nachbilden, Sinnlich-wahrnehmbares durch Sinnlich-wahrnehmbares abbilden, aber Geistig-Seelisches kann nur ausgedrückt oder dokumentiert sein.

  10. 10.

    Dies bedeutet natürlich wieder nicht, daß man sich von jener Kenntnis reflexiv-theoretisch Rechenschaft zu geben imstande sein muß.

  11. 11.

    Er bleibt dennoch etwas Irreales: Sinn. Nur kann man ihn etwas Tatsächliches nennen, weil seine Bezogenheit auf ein auch im Raume existierendes reales Individuum und auf dessen Bewußtseinsstrom (in einer fixierten Zeitlichkeit) so intensiv ist, daß dieser Bezug auch in den Inhalt des Sinnes konstitutiv eingeht. Tatsache ist in diesem Sprachgebrauch nicht der Gegensatz von irreal.

  12. 12.

    Als Beispiele für eine Geschichte des Ausdrucks auf dem Gebiet der bildenden Künste seien die Arbeiten von Émile Mâle erwähnt und in der deutschen Literatur der neuerdings erschienene Versuch von Anita Orienter: Der seelische Ausdruck in der altdeutschen Malerei, München 1921.

  13. 13.

    Dies werden nur diejenigen leugnen, die mit dem Vorurteil an die Sachen herangehen, daß es nur sinnliche Anschauung geben könne, und sich nicht fragen, ob man nicht notwendigerweise – um nur die einfachsten Phänomene klarstellen zu können – eine geistige, richtiger kategoriale Anschauung anerkennen müsse. Verstehe ich den objektiv visuellen Sinn (die Sichtbarkeitszusammenhänge [!]) einer Statue, so muß ich diesen Sinn gerade so unmittelbar gegenwärtig haben, geistig gerade so unmittelbar wahrnehmen wie ich zur gleichen Zeit die rein sinnlichen Elemente (»Farbe«, »Glanz«, »Schatten«) unmittelbar sinnlich wahrnehme. Ich assoziiere nicht die Formen zu dem Marmor. Genau so formend, sinngebend und geistig unmittelbar wahrzunehmen sind die ausdrucksmäßigen (und dokumentarischen) Sinnbezüge am Kunstwerke. Der einer Farbe oder Farbenkonstellation anhaftende »Ausdruckswert«, die »charakteristische Prägung«, sind ja dermaßen präsent, daß einem dieser »Ausdruckswert« und diese »charakteristische Prägung« oft früher ins Auge springt als die tragende Farbe selbst. Sinn kann überhaupt nur unmittelbar gegeben sein, nur deshalb ist es möglich, daß wir uns verstehen, weil es geistige Anschauung des Erlebnisjenseitigen, desubjektivierten, »irrealen« Sinngehaltes gibt. Das sinnliche Medium ist zwar unerläßliche Vorbedingung eines jeden Mitteilens und Verstehens, aber es allein würde niemals genügen, etwas zu übermitteln. Das wahre intersubjektive Medium ist der »Sinn« in seiner, mit dem populären Sprachgebrauch sich nicht deckenden, jedenfalls viel umfassenderen Bedeutung.

  14. 14.

    Um ein Beispiel für eine solche dokumentarische Analyse zu bringen, die bis in die kleinsten Einzelheiten dies Dokumentarische verfolgt, führen wir eine Stelle aus einem Vortrage Dvořaks an, er sagt, über das Bild Grecos »Die Bestattung des Grafen Orgaz« sprechend: »Das feste räumliche Gefüge, seit Giotto das unverrückbare Fundament jeder bildlichen Darstellung, ist verschwunden. Ist der Raum breit, tief? Man weiß es nicht. Die Figuren sind zusammengedrängt, als ob der Künstler in ihrer räumlichen Verteilung unbeholfen gewesen wäre. Zugleich aber erweckt oben das flackernde Licht und die Feerie die Empfindung unbegrenzter Weiten. Der Grundgedanke der Komposition ist alt und einfach, viele hundertemal in der vorangehenden Kunst in der Darstellung der Assunta angewendet. Doch wie hat sich sein Sinn allein dadurch verändert, daß der Maler die vordersten Figuren durch den Bildrand überschnitten hat, so daß man nichts vom Boden des Platzes sieht und die Gestalten irgendwo magisch emporzuwachsen scheinen.« (»Über Greco und den Manierismus«, erschienen im »Jahrbuch für Kunstgeschichte«, Band I (XV) 1921/1922, Heft I, S. 24 ff.) (Von uns hervorgehoben.)

    Zuerst Herausarbeitung der objektiven Sinnschicht sowohl im Bereich der Formung des Bildinhaltes wie der des Darstellungsstoffes und gleich anschließend daran Abhebung des an ihnen haftenden dokumentarischen Gehalts!

  15. 15.

    Vgl. Erwin Panofsky: Der Begriff des Kunstwollens. (Erschienen in der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Band XIV, Heft 4). Hier wird an Händen einer Analyse des Riegl’schen Kunstwollens der Dokumentsinn bereits klar gesehen. Vgl. noch die Anmerkung am Ende dieses Kapitels.

  16. 16.

    Es ließe sich die Frage stellen, ob aus einer solchen strukturanalytischen Einstellung gesehen auch das »reale« Subjekt der intentionalen Interpretation sich nicht als eine Fiktion, als ein Beziehungspunkt gewisser Sinnesganzheiten auffassen und die ganze vermeintliche »Realität« des Fremdpsychischen in bloße Sinnbezüge auflösen ließe. Strukturanalytisch gesehen stünde dem nichts im Wege, in dieser Einstellung steht das als real vermeinte Subjekt des Ausdruckssinnes auf demselben Niveau als das als irreal vermeinte Subjekt der Dokument-Interpretation; es läßt sich genau so in Sinnbezüge auflösen. Folglich: wenn es dennoch als »real« gesetzt wird, muß außerdem noch ein nicht sinnmäßiges, sondern rein ontologisch unmittelbares Erlebnis vorliegen; wir müssen seine psychische Existenz auch unmittelbar ohne geistig verstehbare Gebilde und ihre gleichfalls sinnmäßigen »Selbstweltbezüge« irgendwie haben. Ein solches ontologisches Erlebnis auch bezüglich des Weltanschauungssubjekts zu besitzen geben jene an, die es als ein metaphysisches einsetzen. So oft Hegel oder Lukács (in seinem später zu zitierenden Werk) von »Geist« sprechen, verstehen sie darunter gerade so wenig eine methodologische Fiktion, als jener, der von Goethe spricht und durch seine Objektivationen nicht nur das Sinngebilde seiner Persönlichkeit, sondern seine Existenz zugleich zu erfassen vermeint.

    In der Auffassung des Gegebenseins und des Aufbaues vom fremden Ich sind zwei extreme Positionen möglich. Eine, die den ganzen Besitz des Fremdichs aus Sinnbezügen rekonstruiert und das Haben des existent Psychischen nur durch die Vermittlung des inexistent Geistigen für möglich hält. In diese Richtung geht die Auffassung von Spranger. (Vgl. die bereits zitierte Abhandlung und das später zu zitierende Werk »Lebensformen«.) Und die andere, die das ganze Haben des Fremd-psychischen nur aus solchen seinserfassenden Akten der unmittelbaren Intuition, unter Vernachlässigung der überpsychisch, vom Bewußtseinsstrom ablösbaren Sinnsphäre betrachtet. Dies ist die Position Schelers. Vgl. ders., »Über den Grund zur Annahme des fremden Ich«, als Anhang erschienen zur »Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und von Liebe und Haß«, Halle 1913.

    Die Wahrheit scheint diesmal ausnahmsweise in der Mitte zu liegen. Das Verständnis des Fremdichs muß zunächst von Sinnbezügen ausgehen. Will man aber daran festhalten, so muß die Sphäre des Sinnes weiter gefaßt werden, als dies üblich ist. Man verstand unter Sinn bisher entweder nur das Theoretische oder – wenn schon sehr weit gefaßt – jenen Umkreis von Erscheinungen, der in unserer Terminologie »objektiver Sinn« heißt. Von Ausdruckssinn, Dokumentsinn war bisher keine Rede. Dabei gilt es aber zu bedenken, daß das Subjekt wenn von irgendwo doch nur aus dieser Sinnschicht erreichbar ist. Es ist nicht einzusehen, wie aus der objektiven Sinnschicht jemals das Fremdich aufgebaut werden könnte. Aber auch die Annahme der von uns hervorgehobenen Sinnschichten genügt nicht dazu, die reale Existenz des Fremdpsychischen zu begründen. Mit der Ausflucht in Analogieschlüsse und Einfühlung kommt man nicht aus – das hat Scheler ausführlich bewiesen. Die Existenzialsetzung der realen Fremdpsyche ist durch einen unmittelbaren anschauenden Akt fundiert. Einem menschlichen Blick sehe ich nicht nur die Farbe des Auges, sondern zugleich das Sein dieser Seele an.

    Wie und auf welcher Stufe diese Seinserfassung sich einstellt, ob immer nur mit Sinnerfassung verbunden oder auch unmittelbar, sind Fragen, die wir nicht weiter verfolgen müssen, da wir das Realitätsproblem nicht in seiner ganzen Breite aufrollen lassen können.

  17. 17.

    Vgl. Karl Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen, Berlin 1919; Eduard Spranger: Lebensformen. Geisteswissenschaftliche Psychologie und Ethik der Persönlichkeit, 2. Aufl. Halle 1921.

  18. 18.

    Vgl. zu diesem Problem Dagobert Frey: Max Dvořaks Stellung in der Kunstgeschichte. Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band I (XV) 1921/1922, Wien 1922, S. 15 ff.

    Anmerkung: Wir haben die Bezeichnungen intendiert und Ausdruckssinn durcheinander laufen lassen und mit einander verbunden gebraucht und die beiden (um die Darstellung nicht zu überlasten) als soz. gleichbedeutend eingesetzt. Auf der Stufe unserer Darstellung erwächst daraus kein Irrtum, denn der Ausdruckssinn ist stets ein intendierter und nur als solcher verständlich – aber nicht nur der Ausdruckssinn kann intendiert bewußt beabsichtigt sein.

    Intendiert stammt aus einer ganz anderen Korrelation als die oben herausgestellten drei Arten des Sinnes. Im Gegensatz zu intendiert (von einem Individuum in seiner besonderen Weise gemeinten) steht der ablösbare »Richtigkeitssinn« der Kulturobjektivation, der auch dann gilt (und unter dem Kriterium der Richtigkeit vom Rezeptivem aus erfaßbar ist), wenn es im Produktiven nicht mehr gegenwärtig ist. Unter Umständen (und dies ist sehr häufig) erfaßt der Schöpfer selbst den Richtigkeitssinn seiner Schöpfung nicht adäquat, dann fällt der intendierte Sinn und der Richtigkeitssinn kraß auseinander.

    Intendierter und Richtigkeitssinn entspricht der Unterscheidung, die Max Weber macht, wenn er vom tatsächlichen und richtigen Sinn spricht (Wirtschaft und Gesellschaft, im Grundriß der Sozialökonomik, Abt. III, Teil I, S. 1 ff.).

    Nicht auf diese letztere Gegenüberstellung kam es uns in erster Reihe an. Diese zweigliedrige Korrelation kann man jeweils an ein jedes Glied unserer Unterscheidung heranbringen und auf die Vereinbarkeit mit ihm untersuchen; so erhalten wir:

    intendierten und richtigen objektiven Sinn,

    intendierten Ausdruckssinn,

    richtigen Dokumentsinn (evtl. nachträglich auch vom produktiven Subjekt erkannt).

    Während es für den objektiven Sinn unwesentlich ist, ob er intendiert ist, dagegen der Ausdruckssinn nur als intendierter vermeint sein kann, ist es für den Dokumentsinn außerwesentlich, daß er vom schöpferischen Subjekt erfaßt sei.

    Erwin Panofskys Unterscheidung von psychisch bewußtem und endgültig letztem Sinn im künstlerischen Phänomen (op. cit.) entspricht im großen und ganzen der Weber’schen Unterscheidung; aber auch der Dokumentsinn ist klar bei ihm gesehen. Nur daß er die entsprechenden und zusammengehörigen Korrelation nicht herausgearbeitet hat, weshalb noch so manches für ihn zusammenfällt, was in einer ausführlichen Analyse auseinanderzuhalten ist. Sein »letzter Sinn« im künstlerischen Phänomen, bezeichnet bald den richtigen Dokumentsinn, bald den richtigen objektiven Sinn, in unserer Terminologie gesprochen.

  19. 19.

    Rudolf Otto: Das Heilige (1919), S. 5 ff.

  20. 20.

    Psychologisch entspricht dem das »Zusammengefaßtsein im Gefühl und andererseits auf das Gefühl«, wie das Geiger (»Das Bewußtsein von Gefühlen«, Münchener Abhandlungen für Lipps, 1911) herausgearbeitet hat. Dem »Zusammengefaßtsein auf das Gefühl« würde in unserer Terminologie das Gerichtetsein auf einen bereits vorhandenen »Gefühlssinn« entsprechen.

  21. 21.

    In der schönen Untersuchung von Rudolf Kautsch (Die bildende Kunst und das Jenseits, Jena 1905) ist als Dokument des Weltanschauungswandels hauptsächlich dieses »daß« verwertet. Daß gewisse Kunstgattungen inaktuell werden und andere in den Vordergrund treten, wird in solchen Fällen in Beziehung gebracht zum jeweiligen Verhältnis des Menschen zum Jenseits.

  22. 22.

    Vgl. Nicolai Hartmann, Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, Berlin-Leipzig 1921, S. 211 ff.

  23. 23.

    Vgl. S. 35 ff. dieser Arbeit.

  24. 24.

    Wenn Wölfflin (Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. In: Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Akad. d. Wissensch. XXXI [1912], S. 572 ff.) eine »doppelte Wurzel« des Stils unterscheidet, zu seiner immanenten autonomen Entwicklungsgeschichte der optischen Form gelangt und diese Auffassungs- und Darstellungsformen vom Bildganzen absondert, so ist das der konsequente Typus dieser Entwicklung. (Vgl. die stichhaltigen Bedenken, die Panofsky gegen den Terminus »optische Form« ausspricht: »Das Problem des Stils in der bildenden Kunst«. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgem. Kunstwissenschaft, Jahrgang X, S. 460 ff.).

  25. 25.

    »Biographie« kann einen zweifachen Sinn haben, entweder die »Gestalt« des Dichters aus den in seinen Objektivationen gegebenen Dokumentsinn aufzubauen (in diesem Falle unterscheidet sich diese Aufgabe – strukturell genommen – gar nicht von der Weltanschauungsinterpretation), oder sie ist im strengen Sinne Lebensgeschichte, in diesem Falle trachtet man, aus den intentionalen Ausdrucksfragmenten die »Innenwelt« des schöpferischen Subjektes als einen tatsächlichen Verlauf aufzubauen. Vgl. hierzu das weiter oben Gesagte.

  26. 26.

    Eine – dem Typus nach – ähnliche Erfahrung zeichnet Joh. Eichner in seiner interessanten Untersuchung (Das Problem des Gegebenen in der Kunstgeschichte. Festschrift für Riehl, Halle an der Saale 1914) auf. Er bemerkt, daß bei der Bestimmung der stilgeschichtlichen Ganzheit auch eine ähnliche Reziprozität zwischen Stil und Einzelwerk besteht: »Einmal bestimmen wir aus gewissen Punkten des Stils einer künstlerischen Periode die Zugehörigkeit eines undatierten Werkes zu ihr; dann wieder bereichert eben dieses Werk unsere Kenntnis des Stils dieser Zeit in anderen Punkten.« (S. 203). Also auch in der Ebene des objektiven Sinnes ist diese Gegenseitigkeit vorhanden.

  27. 27.

    Vgl. a.a.O.

  28. 28.

    Op. cit. und Kultur der Gegenwart, I. Abt. VI, S. 1–72.

  29. 29.

    Hermann Nohl: Stil und Weltanschauung, Jena 1920.

  30. 30.

    Alois Riegl: Die spätrömische Kunstindustrie nach den Funden in Osterreich-Ungarn im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung der bildenden Künste bei den Mittelmeervölkern, Wien 1901, S. 17 ff.

  31. 31.

    A.a.O., S. 215 ff. und S. 19 ff.

  32. 32.

    A.a.O., S. 209 ff.

  33. 33.

    Dies gegenüber der strengen aber feinen Kritik Heidrichs an Riegl (Beiträge zur Geschichte und Methode der Kunstgeschichte, Basel 1917, S. 82). Heidrich hat recht, wenn er die Einseitigkeit einer solchen Deutung, die auch die allerkompliziertesten geistigen Erscheinungen nur aus diesen einfachen Vorformen – wie wir sie nennen werden – zu erklären sucht, tadelt (S. 102), wenn er die Primitivität der Riegl’schen Begriffsbildung »das einseitige psychologische System« und – man kann auch hinzufügen – auch den sonstigen positivistisch gefaßten Hilfsapparat (taktisch, optisch) beanstandet. Er hat aber nicht recht, wenn er die Strenge der Ableitung verurteilt. Sofern diese Strenge nicht eine bloße Ableitung aus den »Begriffen«, sondern eine Rationalisierung, Abhebung des künstlerisch »Gesehenen« ist, ist sie nur der Nachfolge würdig.

  34. 34.

    Wir bringen das Beispiel aus Max Webers Aufsätzen zur Religionssoziologie (Tübingen 1920, Bd. I. 538 ff.), der dort versucht, die verschiedenen Möglichkeiten der religiösen Weltflucht typologisch zu rationalisieren.

  35. 35.

    Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, München 1920.

  36. 36.

    Extreme Beispiele dafür bei Spengler: »die Barockphysik Newtons«, die kontrapunktische Methode der Zahlen, katholische und protestantische Farbe usw. Bei dieser Gelegenheit wollen wir bemerken, daß wir auf die sachhaltige Richtigkeit der besprochenen und nunmehr zu besprechenden Werke nicht eingehen. Uns interessiert diesmal nur ihr methodologisches Verfahren.

  37. 37.

    In den Äquivokationen (so oft ein Begriff mehrere Bedeutungen hat) liegt ein guter Sinn, was man heute leicht zu übersehen geneigt ist. Wenn die Sprache einen Brunnen und einen Ton zugleich als tief bezeichnet, so ist das, wie man anzunehmen geneigt ist, im letzteren Falle keineswegs die Übertragung einer räumlichen Kategorie auf die Tonwelt, sondern in den beiden spricht sich dieselbe allgemein menschliche Vorform des Erlebens aus, die sich dem akustischen und räumlichen Material gemäß erst später differenziert. In der Äquivokation, in dem bloßen Umstande, daß dasselbe Wort in zwei Bedeutungen gebraucht werden kann, spricht sich eine sinnvolle Erfahrung der vorwissenschaftlichen Sprache aus. Sie weist uns darauf hin, daß hier etwas Gemeinsames liegt. Die Äquivokation ist für den Analytiker ein Ärgernis, für den synthetischen Forscher eine Fundgrube.

  38. 38.

    Vgl. Dvořak: Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei, München-Berlin 1918, S. 10 ff.; Heidrich a.a.0., S. 107; Max Weber: Religionssoziologie, Bd. I, S. 12 ff. und 205 ff. Vgl. auch die kritischen Bemerkungen Sombarts hierzu: Der moderne Kapitalismus2, Bd. I, S. 881.

  39. 39.

    Allenfalls muß hervorgehoben werden, daß Max Webers theoretische Reflexionen keineswegs mit seinem historischen Verfahren immer zusammenfallen. Will er sich in den ersteren von der Kausalerklärung nicht lossagen, so verfährt er sehr oft bei seiner historischen Arbeit dokumentativ.

  40. 40.

    Vgl. zum Verständnis der beiden Termini das diesbezüglich bereits Gesagte in dieser Arbeit.

  41. 41.

    Georg Lukács: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik, Berlin 1920. Vgl. auch meine Rezension im »Logos«, Bd. IX, Heft 2, S. 298 ff.

  42. 42.

    Vgl. die methodologischen Arbeiten von Troeltsch: Über den Begriff einer historischen Dialektik. 1919, Historische Zeitschrift, 3. Folge, Bd. 23, Heft 3. S. 373–426; 3. Folge, Bd. 24, Heft 3, S. 393–451; ders., Der historische Entwicklungsbegriff der modernen Geistes- und Lebensphilosophie, Historische Zeitschrift 1920, 3. Folge, Bd. 26, Heft 3, S. 377–453; ders., Die Dynamik der Geschichte nach der Geschichtsphilosophie des Positivismus, Berlin 1913 (Philosophische Vorträge der Kantgesellschaft Nr. 23).

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Mannheim, K. (2023). Beiträge zur Theorie der Weltanschauungs-Interpretation. In: Barboza, A., Lichtblau, K. (eds) Schriften zur Wirtschafts- und Kultursoziologie. Klassiker der Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41108-4_2

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