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Die programmatische Seite des Parteienwettbewerbs: Eine Analyse der Wahlprogramme und des Koalitionsvertrags 2021

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Die Parteien nach der Bundestagswahl 2021

Zusammenfassung

Die Analyse der Wahlprogramme zur Bundestagswahl und des Koalitionsvertrags in diesem Beitrag gliedert sich in drei Schritte: Zunächst werden im Rahmen der quantitativen Untersuchung inhaltliche Schwerpunkte identifiziert. Der zweite Analyseschritt, die qualitative Untersuchung, kontrastiert politikfeldweise die Positionen der verschiedenen Parteien in den Wahlprogrammen sowie deren Niederschlag im Koalitionsvertrag. Als Kombination aus den Ergebnissen der quantitativen und qualitativen Analyse werden die Positionen der Parteien und der Ampel-Koalition im dritten Schritt in einem Cross-Cutting-Cleavage verortet, das die sozio-ökonomische und die sozio-kulturelle Konfliktlinie abbildet. Auf diese Weise wird die starke Ähnlichkeit von SPD, Grünen und FDP in sozio-kultureller Hinsicht, die Reformen in diesem Bereich erwarten lässt, ebenso deutlich wie die Unterschiede in der sozio-ökonomischen Dimension zwischen einerseits SPD und Grünen und andererseits der FDP, was ein gewisses Konfliktpotenzial verrät. Vor diesem Hintergrund erscheint der Koalitionsvertrag als fairer Kompromiss, in dem rot-grüne Positionen leicht überwiegen. Diese Erkenntnis relativiert das medial gezeichnete Bild der dominanten FDP – auch wenn zu berücksichtigen ist, dass der Einfluss von SPD und Grüne durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit (zwei von drei Koalitionsparteien) und ihre inhaltliche Nähe verstärkt wurde. Insgesamt ist eine hohe Kompromissbereitschaft aller Koalitionspartner zu konstatieren. In Bezug auf das gesamte deutsche Parteiensystem zeigt der Vergleich mit 2017 eine Zunahme der politischen Polarisierung, da vor allem die Linke seitdem in beiden Konfliktdimensionen exponiertere Positionen vertritt.

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Notes

  1. 1.

    An dieser Stelle sei ausdrücklich unserer studentischen Hilfskraft, Thomas Conrad gedankt, der ebenfalls zahlreiche Stunden in die Kodierung der Wahlprogramme investiert hat.

  2. 2.

    Es sei darauf hingewiesen, dass politische Maßnahmen in diesem Bereich, insbesondere in Bezug auf Russland oder die NATO, durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits jetzt nicht mehr der Programmatik der Parteien entsprechen, beziehungsweise hier grundlegende Veränderungen stattgefunden haben. Eindeutig verworfene Forderungen und politische Ziele werden daher nicht aufgeführt.

  3. 3.

    Auf der sozio-ökonomischen Konfliktlinie wurden die Politikbereiche Finanz- & Steuer-, Gesundheits-, Verkehrs- & Infrastruktur-, Wirtschafts- & Innovations-, Arbeitsmarkt- & Sozialstaats- sowie Umwelt,- Energie und Klimapolitik inklusive ihrer Subkategorien betrachtet. Die sozio-kulturelle Konfliktlinie umfasst die Bereiche: Innen-, Gleichstellungs-, Familien-, Bildung-, Europa- sowie Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungs-, Sicherheits- & Handelspolitik sowie deren Subkategorien. In dieser Analyse nicht berücksichtigt wurden die Kategorien Regierung & Bürokratie, Landes- & Selbstverständnis, Demokratieverständnis sowie Abgrenzung von anderen Parteien/politischen Gegnern, da sie keiner der beiden Achsen eindeutig zuzuordnen sind.

  4. 4.

    Beispielsweise besteht die Kategorie Arbeitsmarkt- & Sozialstaatspolitik aus der Hauptkategorie sowie den beiden Subkategorien Wohnungsmarkt- und Rentenpolitik. Für die durch die qualitative Analyse der Wahlprogramme und die dadurch selektierten politischen Maßnahmen in diesen Bereichen wurde durch die Addition der jeweiligen versehenen Werte (-1, 0 oder 1) für jede der drei (Sub-)Kategorien eine Zahl errechnet. Die Zahlen der beiden Subkategorien wurden jeweils mit 0,5 multipliziert. Der Wert der Hauptkategorie bleibt unverändert. Anschließend wurden die drei neuen Werte addiert und bilden den Wert der Gesamtkategorie.

  5. 5.

    Die Werte aller Gesamtkategorien einer Konfliktlinie werden addiert, nachdem die Werte solcher Kategorien nochmal verdoppelt wurden, die auf Basis der quantitativen Analyse zu den drei meist angesprochenen Kategorien einer Partei zählen. Dadurch unterscheiden sich diejenigen Kategorien zwischen allen Parteien, deren Werte verdoppelt werden. Nachdem alle neuen Werte der Gesamtkategorien zusammengerechnet wurden, werden sie durch den Divisor 7,5 geteilt, der auf beiden Achsen die Anzahl der Kategorien wiedergibt, wobei Subkategorien mit 0,5 gewertet werden. Die Verdoppelung der jeweiligen TOP3-Kategorien wird hier bewusst nicht mitgerechnet, um deren Schwerpunktgewicht nicht wieder zu relativieren. Die beiden so ermittelten Werte entsprechen den Koordinaten auf der X- bzw. der Y-Achse des Cross-Cutting-Cleavage.

  6. 6.

    Die in Teilen unterschiedliche Verortung im Cross-Cutting-Cleavage lässt sich vermutlich auf unterschiedliche Gewichtungen und Schwerpunktsetzungen in der Methodik der Analyse zurückführen. Außerdem können unterschiedliche Zuordnungen der einzelnen Politikfelder zu den Achsen ursächlich für die Verschiebungen sein.

  7. 7.

    Umso erstaunlicher erscheint Karl-Rudolph Kortes (2021, S. 21) Einschätzung eines „Wohlfühlwahlkampf[es], der nicht polarisier[e]“ (ebd.). Die Basis für das genaue Gegenteil sollte durch die Wahlprogramme gegeben sein. Ein plausibler Grund dafür ist, dass inhaltliche Auseinandersetzungen und Unterschiede erst ab Mitte August den Wahlkampf prägten und ein zentrales, überwölbendes Thema, (wie 2017 die Flüchtlings- und Migrationspolitik) fehlte. 2021 dominierten die Spitzenkandidat:innen und deren Fehler die mediale Berichterstattung, sodass Inhaltsschwere erst in den letzten Wochen vor dem Wahltag aufkam (ebd.).

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Minas, M., Jakobs, S., Jun, U. (2023). Die programmatische Seite des Parteienwettbewerbs: Eine Analyse der Wahlprogramme und des Koalitionsvertrags 2021. In: Jun, U., Niedermayer, O. (eds) Die Parteien nach der Bundestagswahl 2021. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40860-2_2

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