„KIES IST MIES“ (NEIN zum Sand- und Kiesabbau in Königshain, Claußnitz & Altmittweida, 2020b), „REST IN KIES“ (ebd.) und „Bei uns ist KEIN KIES zu holen!“ (NEIN zum Sand- und Kiesabbau in Königshain, Claußnitz & Altmittweida, 2020a) – diese Slogans sind auf Plakaten und Schildern in und um Altmittweida zu lesen: Bürger:innen engagieren sich gegen den seit 20 Jahren in Planung befindlichen Sand- und Kiesabbau vor Ort (Christoph, 2020). Teile der mittelsächsischen Bevölkerung positionieren sich gegen den Rohstoffabbau, gegen fossile Energieumwandlung oder den Bau erneuerbarer Energieumwandlungsanlagen in ihrem Umfeld (ebd.; Apitz, 2016; Hubricht, 2018; MittweidaForFuture, 2019; Leißner, 2020; Junge, 2021; Bürgerinitiative Gegenwind Wiederau, o. D.). Auf regionaler Ebene ist bürgerschaftlicher Widerstand eher Normalfall denn Ausnahme (Rugenstein, 2017). Der Landkreis Mittelsachsen ist nur ein Beispiel; Proteste gegen Energie- und Rohstoffvorhaben können im Freistaat Sachsen (Kreutzfeldt, 2018; Becker, 2019; MDR & kb, 2020; SZ & dpa, 2020), anderen deutschen Bundesländern (Meier, 2019; tz, 2019; Amann, 2020; Balint, 2020; Roisch, 2021) und im Ausland (Angerer et al., 2016; Landsforeningen Naboer til Kæmpevindmøller, 2017; Faget, 2019; Boddenberg, 2020; Kiefer et al., 2020; Domradio, 2021; Seliger, 2021; Bastian et al., 2021) nachgewiesen werden.

Bei dem Protest gegen den Tagebau in Mittelsachsen ist zudem „Sand & Kies – das braucht kein Schwein“ (NEIN zum Sand- und Kiesabbau in Königshain, Claußnitz & Altmittweida, 2020c) zu lesen. Dies weist darauf hin, dass den Protestierenden und damit Teilen der Bevölkerung die Notwendigkeit der Nutzung dieser mineralischen Rohstoffe nicht oder nicht hinreichend bewusst ist. Dabei sind Rohstoffe ebenso wie Boden, Wasser und Energie für das menschliche Überleben existenziell (Neugebauer, 2017; Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF, 2018).

Die Zunahme der Weltbevölkerung und die Bestrebungen der internationalen Gemeinschaft, das allgemeine Wohlstandsniveau zu steigern, bedingen einen erhöhten Ressourcen-, Energie- sowie Rohstoffbedarf (Flach et al., 2005; Kalkoffen, 2011; Gandenberger et al., 2012; Neugebauer, 2017; Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe – BGR, 2020b; BP, 2020; von Hartlieb, 2020; International Energy Agency, 2020). Als eine der führenden Industrie- und Exportnationen sowie Produktions- und Technologiestandorte zählt Deutschland zu den größten Energie- und Rohstoffkonsumenten der Welt (Weyer, 2018; BGR, 2020b). Hierzulande hängt die industrielle Wertschöpfung, auf der der gesellschaftliche Wohlstand basiert, von einer sicheren Versorgung mit Energie und Rohstoffen ab (Steeg, 2003; Hegele & Knapek, 2014; Goedecke et al., 2017; Vereinigung Rohstoffe und Bergbau e. V. – VRB, 2017; BMBF, 2018; Weyer, 2018; BGR, o. D.-a). Dabei sind Industrie, Politik und Wissenschaft bemüht, Rohstoffe effizienter zu gewinnen und sie – wie auch Energie – nachhaltig(er) zu nutzen (CDU et al., o. D.). Diese Bemühungen sind zu unterstützen; allein durch Recycling, Einsparungen sowie Effizienzsteigerung kann jedoch weder der aktuelle noch der zukünftige Rohstoffbedarf gedeckt werden (Wellmer et al., 2017; Weyer, 2018):

  • Die Möglichkeiten des Recyclings sind technisch und durch die dafür aufgewendete Energie wirtschaftlich begrenzt (Weyer, 2018). In Computern und Mobiltelefonen befinden sich bis zu 60 chemische Elemente (Informationszentrum Mobilfunk, o. D.), deren Trennung hohen Aufwand erfordert.

  • Selbst wenn eine vollständige Rohstoffrückgewinnung durch Recycling möglich wäre, würde dies den zukünftigen Bedarf nicht decken können, da dieser steigt. Metallische Rohstoffe sind zudem über die teils Jahrzehnte umfassende Produktlebenszeit gebunden und können erst anschließend wiederverwendet werden (Angerer et al., 2016).

  • Der Bedarf an Hochtechnologierohstoffen steigt u. a. durch die zunehmende Materialvielfalt in der Halbleiterindustrie (Theis, 2007; Steinbach et al., 2011; Zepf et al., 2014; Ring Deutscher Bergingenieure e. V. – RDB, 2018).

  • Zahlreiche mineralische Rohstoffe sind unentbehrlich für Zukunfts- und Schlüsseltechniken, Hightech-Produkte sowie Informations- und Kommunikationstechnik (Steinbach et al., 2011; Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V. – acatech, 2017; Deutsche Rohstoffagentur – DERA & BGR, 2017; VRB, 2017).

  • Selbst wenn die Energieversorgung ausschließlich durch erneuerbare Quellen realisiert wäre, bedürfte es dazu mineralischer Rohstoffe: Für den Bau der erneuerbaren Energieumwandlungsanlagen, die Energiespeicherung und den transport werden Metalle wie Seltene Erden, Indium, Germanium und Platingruppenelemente, aber auch Eisen, Kupfer und Baurohstoffe in steigender Menge benötigt (Öhrlund, 2012; Reller, 2012; Angerer et al., 2016; acatech, 2017; acatech et al., 2017; Wedig, 2019; PVS Solarstrom, 2020).

Folglich ist Energieversorgungssicherheit eng mit Rohstoffsicherheit verbunden (acatech et al., 2017). Bedarfslücken existieren, entstehen und müssen ausgeglichen werden (Wellmer et al., 2017; Weyer, 2018). Es gilt bis heute, was Agricola bereits im Jahr 1557 für die damalige Zeit feststellte: dass „Bergbau sehr vonnöten [ist]“ (Agricola, 1557/2015, S. XVII, Hervorhebung nicht im Original).

Unter hohen Umweltschutz- und Sicherheitsstandards werden in Deutschland u. a. Steine und Erden, Salze sowie Energierohstoffe gewonnen (RDB, 2018; BGR, 2020b); bspw. wurden in Sachsen im Jahr 2020 ca. 35 Mio. Tonnen Kies, Kaolin, Ton und Quarzsand produziert (MDR, 2020). Für Indium und Germanium existieren hierzulande ebenso Potenziale wie für Lithium und Nickel (ebd.; acatech et al., 2017; Drebenstedt, 2020). Bei vielen Rohstoffen ist Deutschland jedoch von Importen abhängig: Metallische Rohstoffe werden in hohem Maße aus dem Ausland bezogen (Wedig, 2019; BGR, 2020b), der Energiebedarf wird zu über 70 % aus importierten Rohstoffen gedeckt (BGR, 2020b) und bei Mineralöl für Mobilität und den Wärmemarkt existiert eine fast vollständige Importabhängigkeit (ebd.; Wedig, 2019). Jährlich werden für die Einfuhr von Rohstoffen 174,6 Mrd. € aufgewandt und die Importmenge steigt (ebd.). Deutschland ist von diesen Importen abhängig, wobei einzelne rohstoffreiche Länder eine ausgeprägte Marktmacht besitzen und eine zunehmend geringere Zahl von Akteur:innen immer größere Rohstoffmengen kontrolliert (DERA & BGR, 2017; Wedig, 2019); dies birgt vielfältige Risiken.Footnote 1

Soll hierzulande ein Energie- oder Rohstoffvorhaben realisiert werden, müssen zunächst technische und ökonomische Voraussetzungen erfüllt sein. Die Gesellschaft sollte bspw. den Rohstoffabbau aber zumindest tolerieren (Angerer et al., 2016). In der Öffentlichkeit schwindet jedoch die erforderliche Akzeptanz für die bergbauliche Rohstoffgewinnung und der Protest der Bürger:innen scheint zuzunehmen (Bleicher & David, 2015; acatech et al., 2017; Aschenbrand et al., 2017; Weyer, 2018; RohstoffWissen!, 2019b). Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Beispielen für Widerstand gegen Abbauprojekte: Seit dem Jahr 2012 wird über die Blockade des Hambacher Forsts durch Umweltaktivist:innen berichtet (Wyputta, 2012); es formierten sich Initiativen wie Ende Gelände (Ende Gelände, o. D.), die sich für die Beendigung des Abbaus von Kohle in der Lausitz ausspricht, 3.500 Aktivist:innen beteiligten sich im Jahr 2016 an der Blockade des Braunkohletagebaus Welzow-Süd (Bosse, 2017) und anno 2021 ist von Greenpeace-Protesten gegen den Manganabbau im Pazifik sowie Waldbesetzungen zu lesen (Kannenberg, 2021; INDUSTRIEMAGAZIN, 2021; BILD, 2021; Richter, 2021).

Die Sicherstellung der Versorgung mit mineralischen und nicht-energetischen Rohstoffen erfährt in der allgemeinen öffentlichen Diskussion unterdessen weniger Aufmerksamkeit als jene der Energierohstoffe (Rolle, 2011; Gandenberger et al., 2012). Wie Deutschland sich gegenwärtig und zukünftig mit Energie versorgt, wird von Gesellschaft und Politik dauerhaft besprochen (Matschullat et al., 2011; Böttcher, 2012; Briese & Westhäuser, 2013), so ist z. B. die Nutzung fossiler Energieträger seit Jahren „ein heiß diskutiertes Thema“ (Verein Deutscher Ingenieure e. V. – VDI, 2017, S. 386). Dies zeigte u. a. die Auseinandersetzung um den Stein- und Braunkohleausstieg mit seinen regionalen Folgen. Wie stark sich Diskussionen um die Energieversorgung auswirken können, wurde bei der Atomenergie offensichtlich (Renn, o. D.): Der Widerstand von Teilen der Bevölkerung war vehement und teilweise protestierten bis zu 250.000 Personen (sto et al., 2011). Dies zeigt, dass bei der Energieversorgung nicht mehr allein die technische Machbarkeit im Vordergrund steht (Renn, 1987), sondern gesellschaftliche Ablehnung dazu führen kann, dass eine Technik aufgegeben wird (Cremer et al., 2008).

Mit dem Atomausstieg strebt Deutschland politisch die Energiewende an. Diese Zielstellung und die erneuerbare Energiebranche genießen hohes Ansehen und gesellschaftliche Akzeptanz (Setton et al., 2017; YouGov, 2020, zit. nach Agentur für Erneuerbare Energien e. V. – AEE, 2021). Dies gilt aber nur, bis ein Solarpark, eine Windkraftanlage o. ä. vor Ort gebaut werden soll (Jobert et al., 2007; Althaus, 2012; Renn, 2015b; Ab Egg & Poser, 2015; Fuchs et al., 2016). Teils massive regionale Konflikte sind „nahezu allgegenwärtig“ (Mautz, 2012, S. 160) und scheinen zuzunehmen (Hirschl et al., 2004; Bellmann & Himpel, 2006; acatech, 2011; Maly, 2014; Messinger-Zimmer & Zilles, 2016; Bürgerinitiative Rettet den Odenwald, 2017; Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, 2017). Gegen Windkraftanlagen werden Ortsgruppen oder Bürger:inneninitiativen gegründet, deren Zahl deutschlandweit 1.100 übersteigt (windwahn, o. D.). Bürgerschaftlicher Protest kann die Ausführung der Projekte verzögern oder verhindern, weshalb die Akzeptanz der Bevölkerung die mögliche Zahl der Windkraftanlagen in hohem Maße mitbestimmt (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, 2011; Aiwanger, 2019) – für andere Anlagevorhaben gilt dies ebenfalls.

Die Akzeptanz der Bevölkerung ist damit ein ebenso wichtiger Faktor für die betriebs- und letztlich volkswirtschaftliche Entwicklung wie der Zugang zu Energie und Rohstoffen selbst. Betroffen davon ist auch der Freistaat Sachsen, dessen Regierung aus den Landesverbänden von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD im aktuellen Koalitionsvertrag den Klimaschutz als Staatsziel ausgegeben hat, wobei durch den „Umbau des Energiesystems …, die Versorgungssicherheit … erhalten bleiben und er … sozial verträglich sein [soll]“ (CDU et al., o. D., S. 37). Der Verzicht auf die Kohleverstromung führt dabei u. a. zu einem vorgegebenen „Ausbauziel für erneuerbare Energien, ein[em] Beteiligungs- und Akzeptanzmanagement für Bürgerinnen und Bürger“ (ebd., S. 38). Akzeptanz zu managen – oder zu verbessern, um die postulierten Ziele zu erreichen – ohne den Status Quo im Detail zu kennen, ist ein gewagtes Unterfangen, das letztlich neben der Versorgungssicherheit ebenso den Fortbestand der sächsischen Energie- und Rohstoffbranche gefährden könnte. Detaillierte Untersuchungen der Akzeptanz sächsischer Bürger:innen existieren jedoch nicht. Deshalb verfolgt diese Arbeit das Ziel, Akzeptanz im Freistaat Sachsen zu untersuchen sowie kommunikative Maßnahmen zu bestimmen, die zur Erreichung der Transformation des Energiesystems durch eine gesteigerte Akzeptanz in der Bevölkerung ebenso beitragen können wie zu einer gesicherten heimischen Rohstoffversorgung.