Mit der Digitalisierung finden allseits neue Zahlenwerke Einkehr in Unternehmensorganisationen. Sie finden ihre Basis in der digitalen Erfassung der analog sich reproduzierenden Welt in der Form von Daten, weshalb Häußling die „Datafizierung“ (Häußling 2020, S. 135) als zentralen Vorgang der Digitalisierung beschreibt. Diese werden miteinander verrechnet (Baecker 2019) und die Produkte dieser Verrechnung werden in Kurven, Bildern, Textmeldungen und Zahlenwerken in die organisationale Kommunikation zurückübersetzt. Die aufwändige und oftmals problematische technische Genese und Verrechnung von Daten soll dazu dienen, Probleme des Betriebs besser zu lösen. Maschinen und Prozesse sollen neu beobachtbar gemacht werden und von diesen neuen Datengrundlagen intelligentere Entscheidungen profitieren. Wo die Schwingungen von Maschinenbauteilen registriert werden, soll eine vorausschauende Instandhaltung ermöglicht werden.

Im KILPaD-Projekt konnte dies insbesondere gegen Projektende in einem Unternehmen am Beispiel eines neuen Manufacturing Execution Systems (MES) und der damit verbundenen sensorischen Erfassung von Maschinenzuständen und der Auftragsabarbeitung untersucht werden, über das in Echtzeit neue OEE-Zahlen (Overall Equipment Effectiveness)Footnote 1 berechnet werden. Doch in diesem Beispiel zeigte sich zugleich die problematische Seite dieser neuen Kennzahlen. So formulierte der entsprechende Produktionsleiter die gegenwärtig in seiner Organisation diskutierte Frage, welcher Prozentwert in Bezug auf die OEE gut und erstrebenswert sei. Hierzu würden die Meinungen auseinandergehen und von mancher Seite vorschnell auf 100 % gedrängt werden, ohne dass dort ein Wissen darum bestünde, welche Folgeprobleme 100 % nach sich ziehen könnten. So finde man sich mit dem neuen MES in anstrengenden und ungewohnten Auseinandersetzungen darüber wieder, welcher Veränderungsbedarf in der Produktion bestehe. Dieser Text fragt danach, wie diese Auseinandersetzungen zu erklären sind und auf welches Bezugsproblem sie reagieren.

1 Das Bezugsproblem der Digitalisierung

Warum also stellt sich die Frage, ob 65 % eine gute oder schlechte OEE-Zahl ist? Mit Marshall McLuhan stellen Zahlen „visuelle Abstraktionen“ (McLuhan 1994, S. 177) eines zunächst über den Tastsinn laufenden Raumempfindens dar. Von (der Notwendigkeit) unmittelbarer Wahrnehmbarkeit wird auf die Ebene visueller Abstraktion gewechselt und damit auch der Kreis derer prinzipiell ausgeweitet, die ihre Wahrnehmungsfähigkeit auf die sich in Zahlen (vermeintlich) widerspiegelnden Realitäten beziehen können. Diese neuen Zahlen ermöglichen eine „neue Welle primitiver Schau und magisch unbewußten Innewerdens des (…) Empfindens“ (ebd., S. 172), wobei diese ihre Primitivität daraus bezieht, dass sie die „visuelle Abstraktion“ (ebd., S. 177) mit dem durch sie abstrakt erfassten Konkreten verwechselt.

Niklas Luhmann beschreibt solcherlei Quantitäten als besondere „Aufmerksamkeitsfänger“ (Luhmann 1996, S. 59), die als Nachrichten „substanzlose Aha-Effekte“ (ebd., S. 60 f.) erzeugen können, wenn sie nicht nur durch diejenigen ausgelesen werden, „die sich auskennen“ (ebd., S. 61). Die Differenz zwischen dem ‚Aha‘ an der Oberfläche der Quantitäten und dem Auskennen in ihren Entstehungsbedingungen arbeitet Luhmann an anderer Stelle grundlegend mit der Unterscheidung zwischen digitalen und analogen Verhältnissen aus. Ihm zufolge sind Systeme in ihrer Reproduktion darauf angewiesen, dass sie ihre Umwelt digitalisieren, und so aus dem parallellaufenden analogen Nebeneinander durch dessen diskrete Unterscheidung in Digitalisierungen umsteigen, um an diese diskreten Unterscheidung mit eigenen Operationen anschließem und so Information gewinnen zu können (Luhmann 1997, S. 101 ff.). Ohne sinnlichen Zugang zur Welt kein Denken. Ohne Sprache gewinnt (mündliches) Kommunizieren unter denkenden (Bewusstseins-)Systemen keine Relevanz. Die Umwelt wird für Systeme nur relevant, wenn sie einen digitalen Zugriff auf die Umwelt gewinnen und es dafür gelingt, die Umwelt in jeweils selektiven Aspekten zu digitalisieren. Häußling konzeptualisiert dies techniksoziologisch damit, dass sich erst durch Daten eine Schnittstelle zwischen den technischen Operationen digitaler Prozesse auf der einen und sozialen Prozessen auf der anderen Seite etabliert, über die eine wechselseitige Beeinflussung möglich wird (Häußling 2022, S. 140).

Umso verständlicher wird es vor diesem Hintergrund, auf welche Differenz die Auseinandersetzung mit jenen neuen Zahlenwerten reagiert, die aus der elektronisch unterstützten Digitalisierung der Umwelt von Organisationen entstehen. Jeder Zahlenwert kann auf die Selektivität seines Zugriffs auf analoge Umwelten wie beispielsweise bestimmter Maschinenarbeitsplätze und der Arbeit an diesen beobachtet werden. Und je nach Beobachter kann sich die Beobachtung dieser Differenz unterscheiden. Die, ‚die sich auskennen‘ mit Maschinenarbeitsplätzen werden um die problematische Seite eines 100 % OEE womöglich besser wissen als jene Mitglieder des Managements, die mit der Einführung von MES und neuen OEE-Steuerungswerten erstmalig einen (digitalen) informativen Zugriff auf das Geschehen in der Produktion erlangen. Je nach Beobachtungsperspektive kann sich die Beobachtung der Differenz zwischen Zahlen und ihren durch sie unterschiedenen analogen Realitäten unterscheiden und mit ihr die Information, auf welche ein Datum wie eine Zahl hin gelesen wird (Bateson und Ruesch 1951, S. 7). Umso verständlicher werden vor dem Hintergrund dieses Bezugsproblems der Digitalisierung neue Streitigkeiten darüber, welche Entscheidungen bestimmte neue Zahlenwerte nötig machen oder auch nicht.

2 Die analoge Realität der Digitalisierung

Durch die numerische Codierung von Prozessen der Organisation im Zuge der Digitalisierung werden relevante Umwelten der Organisation auf neue Art und Weise und für neue hinzutretende Beobachter transparent gemacht. Haridimos Tsoukas hat angesichts der damit möglichen neuen Anschlüsse von und in Organisationen von der „tyranny of light“ (Tsoukas 1997) gesprochen. Denn nun würde es wahrscheinlich, dass die neuen Daten aus der Beleuchtung der Organisation diejenigen Phänomene überschatten, auf die man sich mittels der Daten zu beziehen versucht (Tsoukas 1997, S. 833). Damit kann es zu einem Management der digitalisierten Zeichenebene kommen, die ein Management der sich darin selektiv widerspiegelnden „original problems“ (ebd., S. 838) der analogen Umwelt ablösen. Die Digitalisierung der Welt kreiert eine eigene analoge Realität der Steuerungsentscheidungen von und in Organisationen beziehungsweise reichert diese digital an. Den Ausgangspunkt dieser Anreicherungen verortet der Informatiker Frieder Nake an den neuen „surfaces“ (Nake 2008, S. 105), mit denen die digitalen Rechenmaschinen mit visuellen Ausformungen ihrer algorithmischen Prozesse in soziale Zusammenhänge hineinragen. Der Wirtschaftsinformatiker Peter Brödner lenkt mit der Beschreibung dieser Maschinen als „semiotische Maschinen“ (Brödner 2008, S. 10) die Aufmerksamkeit auf all die Interpretationsvorgänge, welche durch die Digitalisierung zu prägen versucht werden. Statt sich wie die „Maschinen und Prozesse (…) der Energie- und Stoffumwandlung“ (ebd.) auf die Stofflichkeit zu fokussieren, bettet sich die semiotische Maschine als neues „Medium des Organisierens“ (ebd., S. 11) in die Zeichenprozesse der Organisation ein, von denen ihr ihr Kommunizieren und Entscheiden über relevante Umwelten wie ihre Produktionsumgebung oder bestimmte Verwaltungsprozesse abhängig werden.

Da sich mit Luhmann (2000) diese Interpretationsvorgänge in Organisationen im Kontext von Entscheidungen bewegen, lassen sich die in Unternehmen andeutenden Auseinandersetzungen um die Deutung der neuen, digital begründeten Kennzahlen umso besser verstehen. Je nach Deutung bestimmter Zahlenwerte und der informativen Schlüsse aus diesen werden unterschiedliche Entscheidungen plausibel und dynamisiert sich auch die Entscheidungskommunikation der Organisation entsprechend. Dieser Aufgriff der Digitalisierung analoger, zu steuernder Prozessumwelten der Organisation etabliert eine eigene analoge Realität, die sich ihrerseits wiederum in Entscheidungen zuspitzt. Doch welche Relevanz hat es nun, ob diese oder jene Entscheidung gefällt wird? Wozu all die Auseinandersetzungen über die Deutung neuer Dashboards?

3 Die Analogisierung der Digitalisierung

Ihre Relevanz beziehen jene Deutungsstreitigkeiten daraus, dass die darauf basierenden Entscheidungen Festlegungen produzieren können, die wiederum in die digital vermessene analoge Umwelt eintreten und diese einerseits stabilisieren oder auch dynamisieren können. In Deutungsstreitigkeiten wird somit das Verhältnis zur vermessenen analogen Umwelt beruhigt oder beunruhigt.

Dies zeigte sich insbesondere in einem beobachteten Fall der empirischen Erhebung im Kontext von KILPaD. Darin stellte ein leitender Mitarbeiter einer Auftragsmanagement-Abteilung dar, dass an ihn aus der Unternehmensleitung die Anweisung ergangen sei, die Lieferperformance aus einem niedrigen Prozentbereich von 85 % in Richtung 100 % zu bewegen. Bei der Analyse der Probleme mit der Lieferperformance stieß er darauf, dass ihre Höhe durch die Kürze der Schicht im Versand bedingt sei. Denn diese endete früher als in der Produktion, wodurch dort fertiggestellte Produkte in vielen Fällen zwangsläufig erst am nächsten Tag versendet werden könnten. Daraus schloss er, dass die Formel zur Berechnung der Lieferperformance durch das ERP-System anzupassen sei, da die Zahl ‚künstlich‘ zu niedrig gewesen und um die Schichtenden zu korrigieren sei. Dank der Korrektur stieg die Lieferperformance auf 95 % und die Spitze der Organisation zeigte sich hiermit zufrieden.

An diesem Beispiel zeigt sich das Spektrum des Wiedereintritts von Entscheidungen über Zahlen in die darin vermessene organisationsinterne analoge Umwelt. Auf eine anfängliche Beunruhigung und das Drängen auf bessere Zahlen folgt eine Beruhigung dieses Verhältnisses zur analogen Realität des Lieferprozesses, indem die Berechnungsmethode der Lieferperformance-Zahl angepasst wird. Durch eine Veränderung des digitalen informativen Zugriffs auf Lieferprozesse wird ein Eingriff in diese unnötig. Die Schichtplanung und die Taktung von Produktion und Versand können bleiben, wie sie sind. Wäre jener Schritt in die Veränderung der Berechnungsmethode verschlossen geblieben, wären im Zuge der Diskussion über die Deutung der 85 % womöglich tatsächliche Veränderungen der durch die 85 % digitalisierten analogen Realität nötig geworden. Aus genau diesen Möglichkeiten des Wiedereintritts der (entschiedenen) Deutung der Digitalisierung der Organisation in seine analoge Realität gewinnt die Analogizität der Kommunikationen zur Deutung und ihrer Zuspitzung auf Entscheidungen ihre Relevanz. Zugleich scheint es jene analoge Realität der Kommunikation digitaler Zuspitzungen aus der analogen Umwelt zu benötigen, um letztere in neue Verschränkungen zu bringen und sie damit zu verändern. Wie Watzlawick et al. es schon 1967 fassten: Ohne die Digitalisierung der Welt, keine „civilized achievements“ (Watzkawick et al. 1967, S. 62) in dieser. Ohne Bauzeichnungen keine Verschränkung von Zement, Stahl und Glas, die ein Empire State Building ergibt.

Auf ein in diesem Beispiel nicht enthaltenes Folgeproblem solcher auf die digitale Vermessung von Organisationen reagierenden Steuerungsversuche macht wiederum Tsoukas aufmerksam. Er stellt am Beispiel von Essenslieferungen an hochbetagte Senioren dar, dass das Management in Reaktion auf die digitale Ausleuchtung des Betriebs gewissermaßen über die eigenen Füße stolpern kann, wenn es die Selektivität dieser Ausleuchtung ignoriert. Denn in der Folge kann es zu einem stärkeren Management der Vehikel der digitalen Vermessung kommen als zu einem Management der ursprünglich zur Messung verleitenden Probleme der analogen Umwelt, die man zu steuern versucht. Wie Tsoukas es ausdrückt: „Collapsing one level into the other, that is to say, conflating meeting elderly residents’ demands with ‘meeting’ their demands as the league table prescribes (which is what the social engineering model of policy making does), creates paradoxes“ (Tsoukas 1997, S. 838). Doch diese Paradoxien bedürfen dafür sensibler Beobachter. Die hier begründete Beobachtungsperspektive möchte neue digitale Indikatoren wie die thematisierte Lieferperformance danach befragen, welche Aspekte der Lieferung von Produkten an Kunden sie beleuchten und welche (analogen) Aspekte sie mit womöglich problematischen Folgen im Schatten von Managemententscheidungen belassen. Es gibt zahlreiche Beispiele für solche Über- bzw. Fehlsteuerungen des Managements, die später auffällige Folgeprobleme produzieren. Wo digitale Vermessungen von einzelnen Arbeitsplätzen überhandnehmen, wird schnell beklagt, dass sich Mitarbeiter vor allem an diesen Kennzahlen orientieren und sich von damit unvereinbaren Kundenanfragen und -bedürfnissen abwenden.

Vor dem Hintergrund dieser riskanten Selektivität von Versuchen der Selbststeuerung von Organisationen über ihre sich selbst digitalisierende Selbstbeschreibung stellt sich die Frage, ob es eine Alternative zu dieser Selektivität gibt.

4 There is no alternative: Analog -> Digital -> Analog…

In Rekurs auf die Theorie sozialer Systeme lässt sich schlussfolgern, dass die Umwelt der Organisation analog gegeben ist und zwangsläufig so bleiben muss. Ihre Umwelt ist für die Organisation in ihrer Gänze unerreichbar. Bezüge auf sie und damit ein Operieren in ihr, das heißt in der Umwelt der Mitarbeiter, Maschinen, Kunden, Zulieferer etc. und ihrer Leistungen, sind insofern immer digitaler Natur, als sie bestimmte Selektionen erfordern und adressieren. Es gibt keine Alternative dazu, die Umwelt durch immer wieder neue Digitalisierungen zu erreichen zu versuchen. Ob nun durch neue selektive Messungen von Umweltaspekten – was wird schon gemessen, wenn alles gemessen würde – oder neue Entscheidungen über das Verhalten zu dieser vermessenen Umwelt: Das Problem der (digitalen) Selektivität des Zugangs zur analogen Umwelt und des (digitalen) Zugriffs auf diese bleibt bestehen.

Die Operativität von Systemen ist zwingend auf die Digitalität ihres Umweltzugangs angewiesen. Das Denken verdankt sich selektiven Sinneszugängen zur Umwelt. Kommunizieren verdankt sich der Selektivität der Sprache in der Kopplung einzelner denkender Bewusstseinssysteme. Es bedarf einer solchen Digitalisierung der Umwelt, um eigene „Möglichkeitsüberschüsse“ (Luhmann 1997, S. 101) selektiv handhaben zu können. Das heißt nicht alles zugleich zu denken oder alle kommunikativen Möglichkeiten zugleich auszureizen. Wenn sich mit Luhmann also Systeme der strukturellen, und das heißt digitalen, Kopplung mit Umwelten verdanken, heißt das umgekehrt, dass keine Operativität von Systemen ohne die Leistungen der Digitalisierung möglich ist. Man schaut immer in den Spiegel der eigenen Selektivität und damit verbundener Formen der Digitalisierung der Welt.

Je nach der Selektivität dieses Zugangs zur Welt bieten sich dabei der analogen Umwelt unterschiedliche Möglichkeiten, über die Digitalisierung in Systemen und den diskreten operativen Aufgriff dieser Digitalisierung verändert in sich wiedereinzutreten. Die Organisation sichert diesen digitalisierenden Wechsel von der zu steuernden analogen Welt in digitale Anreicherungen der analogen Umwelt der digitalen Operativität der (Steuerungs‑)Entscheidungen ab. Umgekehrt schafft sie aber auch die Bedingungen der Möglichkeiten des analogisierenden Wechsels von dieser Steuerungsebene in die Analogizität des zu Steuernden zurück. Die Aufleitung in die digitale Operativität der Organisation verdankt sich einer eigenen Digitalisierung. Die Rückwendung von dieser digitalen Operativität in ihre analoge Umwelt beschreibt eine Analogisierung ihrer selbst. Eine solche Analogisierung im Sinne der Umprägung der entsprechenden Analogizität kann dabei nur gelingen, wenn sich diese über eine passende Form der Digitalisierung über genau diese Analogizität informiert. Die Gesellschaft strukturiert sich in Systeme, um sich situativ so zu digitalisieren, dass Chancen dafür entstehen, in ihr eigenes analoges Nebeneinander verändernd einzugreifen.

Ob es digitale Zuspitzungen analoger Realitäten geben muss, um digital im Modus von Entscheidungen darauf reagieren zu können, kann also nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Auch vor der elektronischen Digitalisierung wurden (digitalisierende) Gänge durch die Produktion, Statusberichte in Meetings oder Interviews mit Betroffenen angestrengt. Die Frage ist aber umso mehr, a) welche analogen Realitäten sich Managemententscheidungen zuzuführen versuchen und b) über welche digitalen Zurichtungen wie Dokumentationen, Berichte oder Dashboards sie dies versuchen und sich dafür welchen Selektivitäten ausliefern. Der einzige Weg, der aus dem Dilemma der selektiven Digitalisierung der Welt führt, ohne es gänzlich auszuräumen und so das eigene Bestehen aufzugeben, besteht in der Temporalisierung der Digitalisierung. Varianz im Zeitablauf stellt sicher, dass mehrere Praktiken sich wechselseitig beleuchten können. Medienroutinen der Digitalisierung und der damit (visuellen) Abstraktionen der Welt müssen gewechselt werden, um den blinden Fleck der eigenen Operativität beweglich zu halten und sich über die Verunsicherung ob der informativen Schlüsse aus datenmäßigen abstrakten Repräsentationen und Unterscheidungen der analogen Umwelt immer wieder neu dieser kontinuierlich mitlaufenden Umwelt zu vergewissern. Der Blick auf das Dashboard muss mit Gesprächen und dem Gang durch die Produktion abgewechselt werden. Wo ein Umweltverhältnis durch die Manipulation der Methode der digitalen Zuspitzung dahingegen für immer beruhigt und entproblematisiert ist, kann sich die Schere zwischen der eigenen (Messung der) Lieferperformance und der Wahrnehmung dieser Performance durch den Kunden problematisch weit öffnen.

Die genannten Beispiele entstammen nicht zufällig dem KILPaD-Projekt mit seinem Fokus auf Digitalisierung. Denn im gegenwärtigen Schub der elektronischen Digitalisierung scheinen wir gesellschaftlich mit der Selektivität unseres Weltbezugs und unseren Formen der damit verbundenen Digitalisierung der Welt zu spielen. Wir misstrauen gegenwärtiger Digitalisierung und nutzen im wahrsten Sinne des Wortes neue Filter (siehe SnapChat), erzeugen neue Zahlen, Grafiken und Töne, um in ein anderes Verhältnis zu dieser Welt da draußen zu finden, durch das wir uns anders von dieser affizieren lassen können und auch anders auf sie einwirken können.

Umso mehr gilt es, den Veränderungen des Verhältnisses zwischen den zu steuernden Umwelten und den Versuchen, diese zu steuern, zu folgen. Erst dann wird beobachtbar, wie sich die Welt in Bezug auf sich selbst beruhigt oder auch dynamisiert.