1 Digitalisierung

Digitalisierung ist die Bereitstellung eines Mediums für die Herstellung von Komplexität. Der bereits anspruchsvollste Fall ist die natürliche Sprache, deren Ja/Nein-Distinktion die analog, kontinuierlich und widerständig vorliegende Wirklichkeit in diskrete Bezeichnungen und Unterscheidungen übersetzt, die zu komplexen Beschreibungen geordnet und mithilfe derselben Distinktion interpretiert und korrigiert werden können (Watzlawick et al. 1969, S. 61 ff.; Luhmann 1997, S. 221 ff.). An diese anspruchsvollste Leistung können einfachere Codierungen anschließen, die mithilfe bereichsspezifischer Distinktionen wie profan/heilig, gerecht/ungerecht, mächtig/ohnmächtig, arm/reich, gebildet/ungebildet, geliebt/gehasst eine Komplexität konstruieren, die zunächst hochgradig verwickelt ist, bis jeder dieser Codes mehr oder minder prägnant zu einem System ausdifferenziert wird, das mithilfe eigener Prozesse, Strukturen und Institutionen eine eigene Wirklichkeit konstituiert.

Im Medium dieser Systeme findet statt, worauf es bei der Digitalisierung ankommt: die Herstellung einer Komplexität im Kontakt mit einer Wirklichkeit, die registriert und protokolliert wird, ohne sich in den jeweiligen Registern und Protokollen zu erschöpfen. Bereits die Differenz von System und Umwelt ist komplex im Sinne der Unreduzierbarkeit des einen auf das andere. Erst recht ist es die Ausdifferenzierung eines Systems, das sich nur durch seine Unterscheidung von der Umwelt auf diese beziehen kann.

Der jüngste Fall einer solchen Bereitstellung eines Mediums für die Herstellung von Komplexität ist die Digitalisierung mithilfe elektronischer Medien. Elektronische Medien nutzen elektronische Impulse und Widerstände, um mithilfe der 0/1-Distinktion „logische“ Netzwerke aufzubauen, die in dem Maße komplex werden, in dem sie sich sensorisch und motorisch an eine gleichwohl unabhängig bleibende Wirklichkeit binden. Das technische Medium der Elektronik wird übersetzt in das soziale Medium der Daten, um eine Komplexität herzustellen, die die physische Wirklichkeit materieller Prozesse mit der semiotischen Wirklichkeit sozialer und psychischer Prozesse verknüpft. Strenggenommen hat man es mit einer dreifachen Komplexität zu tun, jener von Elektronik und Materie, jener von Datum und Messgegenstand und jener von Datum und Interpretation. Da man Komplexität jedoch rein begrifflich nicht multiplizieren kann, bleibt es bei einer „einfachen“ Komplexität, verstanden als Einheit einer Vielfalt und Vielfalt einer Einheit.

2 Daten

Daten sind Formen der strukturellen Kopplung zwischen Systemen und ihren Umwelten. Unter einer strukturellen Kopplung versteht man den Aufbau einer Struktur, in die sich die Wirklichkeit einer Umwelt eintragen kann, ohne die Operationen festzulegen, die im System auf diese Struktur reagieren (Luhmann 1995). Strukturelle Kopplung ist daher ein Komplementärbegriff zur Idee operational geschlossener, selbstreferentiell operierender Systeme. Die natürliche Sprache koppelt in diesem Sinn gesellschaftliche Kommunikation und individuelles Bewusstsein, Verträge koppeln Recht und Wirtschaft und Kapital koppelt Wirtschaft und Unternehmen, um nur einige Beispiele zu nennen. Daten erhalten sowohl in künstlichen als auch in sozialen oder in psychischen Systemen einen strukturellen Wert, wenn und insofern sie Anschlussoperationen anregen. Künstliche Systeme gewinnen gegenüber einfacheren technischen Systemen in dem Maße an Autonomie, in dem sie entscheidungsfähig beziehungsweise reflexiv und kreativ in der Herstellung von und im Umgang mit Daten werden.

Um diese Funktion einer Form struktureller Kopplung erfüllen zu können, müssen Daten bestimmten Anforderungen genügen. Sie müssen eine eigene Komplexität aufweisen, die es ausschließt, sie linear im Sinne einer eineindeutigen Übersetzung in Operationen zu verwenden. Erst dann können sie Eigenleistungen der mit ihnen arbeitenden Systeme anregen. Erst dann sind sie keine bloßen Signale, die kausal entweder wirken oder nicht wirken, sondern Kommunikation beziehungsweise, um in der Sprache der Semiotik zu bleiben: Zeichen, die interpretiert werden können und müssen, um gemäß der Eigendynamik der beteiligten Systeme wirken zu können.

Daten, die dieser Funktion der Anregung von Komplexität genügen, besitzen die Struktur der Einheit einer Differenz von Bericht und Befehl oder Beschreibung und Interpretation (Ruesch und Bateson 1987, S. 179 f.; Newell 1980). Nur so gewinnen sie jenen Informationswert, der als Unterschied, der einen Unterschied macht, definiert worden ist (Bateson 2000, S. 459). Es fällt nicht leicht, diese wesentlich differentielle Struktur von Daten zu verstehen, weil sie in einem Widerspruch zur wichtigsten Leistung elektronischer Medien zu stehen scheint, die darin besteht, technisch garantierte Kopien liefern zu können. Bevor Computer Daten berechnen können, müssen sie die Daten kopieren. Im Gegensatz zu allem, was man aus Natur und Gesellschaft kennt, liefert der Computer exakte Kopien (Dyson 2012, S. 282 f.). Doch damit ist noch nichts gewonnen. Daten werden in einem anderen Kontext generiert als verwendet. Sie müssen daher, obwohl mit sich identisch, übersetzt werden. Sie müssen mit einem Risiko der Interpretation angereichert werden. Ihr Befehl, so könnte man sagen, liegt in den Augen des Betrachters.

Daten idealisieren die Wirklichkeit. Das ist ihre quasi-mathematische Struktur, gleichgültig, ob sie nun quantitativ oder qualitativ vorliegen. Nur so können sie erwarten, kausal zu wirken, weil sie nur so auf ihrerseits standardisierte und damit ihrerseits idealisierte Anschlüsse treffen. Doch sobald sie auf verschiedene Beobachter treffen, werden sie wieder messy  (Fischer et al. 2020). Die Kommunikation schützt sich vor ihnen, indem sie sie mit jener Uneindeutigkeit versorgt, die sie für ihre eigenen Zwecke benötigt.

3 Form…

Daten digitalisieren die Wirklichkeit (Süssenguth 2015; Houben und Prietl 2018; Häußling 2020). Sie übersetzen analog widerständige Vorgänge und Ereignisse in diskret messbare, berechenbare und korrigierbare Einheiten. Sie ordnen und zählen, kopieren und zeigen. Sie bilden Reihen und Listen, werden vernetzt und verschaltet, formulieren Bedingungen, unter denen weitere Bedingungen gelten, stellen Ergebnisse bereit und beenden Prozesse. Sie sind Teil eines Zyklus von Lesen und Schreiben (Haugeland 1981), Darstellung und Entscheidung, der bereits die Turing-Maschine definiert, nun aber den Computer in der Wirklichkeit seiner Einbettung in physische Abläufe, psychische Wahrnehmung und soziale Nutzung betrifft.

Im Anschluss an Arbeiten von Mikkel Flyverbom und Anders Koed Madsen (2015, S. 145 f.) schlägt Roger Häußling (2020) ein Fünf-Phasen-Modell der Datentechnologie vor, das den Produktionscharakter von Daten unterstreicht und deutlich macht, welchen Entscheidungen sich die scheinbare Gegebenheit von Daten verdankt:

  1. (1)

    In einer ersten Phase müssen Daten durch einen materiellen oder immateriellen Vorgang hergestellt werden. Sensoren müssen Kontinua auslesen und in diskrete Einheiten übersetzen.

  2. (2)

    In einer zweiten Phase müssen diese Daten strukturiert werden, das heißt sie müssen mit Metadaten versehen, geordnet und für etwaige Zugriffe beschrieben werden.

  3. (3)

    In einer dritten Phase müssen diese Daten distribuiert, das heißt an mögliche Adressen verteilt werden, die an diese Daten weitere Berechnungen anknüpfen.

  4. (4)

    In einer vierten Phase werden die Daten visualisiert, das heißt für einen nicht technischen, sondern mentalen und im Anschluss daran sozialen Prozess des Auslesens, Verstehens und Kommunizierens verfügbar gemacht.

  5. (5)

    Und in einer fünften Phase werden anhand dieser Daten Entscheidungen getroffen, die sich auf die Daten berufen, um weitere Prozesse auszulösen.

Je gewichtiger, das heißt folgenreicher die Entscheidungen dieser fünften Phase sind, desto mehr wird man dazu neigen, die zur Gestaltung der ersten vier Phasen erforderlichen Entscheidungen abzuschatten, – und desto größer ist unter Umständen das Interesse daran, diese Entscheidungen zwecks Wiedergewinnung von Entscheidungsalternativen offenzulegen. So lässt sich vermuten, dass im Umgang mit Daten eine nicht stillzustellende Konkurrenz zwischen ihrer Technisierung und ihrer Sozialisierung besteht. Die einen verweisen auf die vermeintlich kausale Eindeutigkeit der Daten, die anderen auf die Selektivität und das in jedem Fall an bestimmten Interpretationen interessierte  Design der Daten. Angesichts dieser Konkurrenz hilft es, sich der Artifizialität aller Daten bewusst zu sein und die Frage zu stellen, welches Wissen (Willke 2007, S. 27 ff.) über welche Vorgänge zugunsten welcher Absichten sie jeweils transportieren beziehungsweise welche Praktiken sie unterstützen oder auch gefährden.

Daten kombinieren Sinn und Rückkopplung. Das ist ihre elementare Komplexität. Die Rückkopplung findet in einer Materie statt, auf die der Sinn keinen direkten Zugriff hat (Richardson 1999). Man muss neue Daten produzieren, um aus dem Sinn wieder zurück in die Materie zu kommen, und muss nächste Daten abwarten, um kontrollieren zu können, was man angerichtet hat. Daten haben Sinn, indem sie materielle Vorgänge und Ereignisse unterscheiden und bezeichnen, aber sie haben Bedeutung nur für die Nutzer, die sie wahrnehmen, individuell verarbeiten und als Anlässe für Kommunikation begreifen oder vernachlässigen. Für die gemessene Materie bedeuten Daten nichts, solange sie nicht Reaktionen auslösen, die kausale Wirkung haben.

Wegen der Bedeutung, die sie beanspruchen, haben Daten Adressen. Ohne Adressen laufen Daten ins Leere. Andererseits erschöpfen sie sich nicht in ihren Adressen, sondern erst im Prozess, der diese Adressen mit ausgewählten weiteren Adressen verknüpft. Deswegen sind Daten Zeichen und liegen Sinn und Bedeutung dieser Zeichen in der Kommunikation. Ihre Bedeutung erlaubt es, Daten zu adressieren, ihr Sinn jedoch, auch über diese Adressen unterschiedlich zu disponieren.

Der Sinn von Daten liegt demnach in ihrer Kommunikation. Sie teilen Zustände und Vorgänge mit und können ihrerseits Zustände und Vorgänge auslösen. Sie bündeln Komplexität und markieren Kontingenz. Die Komplexität resultiert aus ihrer Vernetzung mit Maschinen und Programmen, die Kontingenz ergibt sich aus dem offenen Zugriff auf Wahrnehmung und Kommunikation. Auf der einen Seite sind sie das Ergebnis einer technischen Rahmung der Komplexität mit dem Ziel einer kausalen Kontrolle, auf der anderen Seite sind sie bloßer Gegenstand einer Disposition, die mental trainiert und sozial organisiert und dennoch weder mental noch sozial festgelegt werden kann. Was Daten berichten, ist eines, wozu sie auffordern, ein anderes. Eindeutige Register können mehrdeutig interpretiert werden.

Wenn man so will, macht sich auf diese Art und Weise die gerahmte Komplexität in der Kontingenz der Reaktion wieder bemerkbar – mit der Konsequenz freiwerdender Kapazitäten auf Seiten der Wahrnehmung und Kommunikation für eine mitlaufende Problematisierung der errechneten Daten. Datenkommunikation ist keine Signalkommunikation. Erst diese Möglichkeit und Notwendigkeit der Interpretation ihres Inhalts oder Informationswerts und ihres Zustandekommens befähigt Daten zu ihrer Rolle und Funktion als Mechanismus struktureller Kopplung zwischen Maschinen und Rechnern auf der einen Seite und Menschen und ihrer Interaktion auf der anderen Seite. Man kann es auch so formulieren: Vertrauen in Datenkommunikation ist nur möglich, weil auch Misstrauen möglich ist. Das hat die Kommunikation jedem technischen Prozess voraus.

Daten sind eine Form der Codierung, die auf der rechnerischen Seite Register und Programme und auf der mentalen und sozialen Seite Interpretation und Entscheidung umfasst. Wir fassen die beiden Seiten zusammen zu Register (Smith 1996) und Entscheidung (Luhmann 2000) und können so die Form des Datums wie folgt anschreiben:

figure a

Wir verwenden die Notation aus George Spencer-Browns (1969/1997) Formkalkül. Das cross, , markiert die Unterscheidung, auf der das Datum beruht, hier die Unterscheidung zwischen Register und Entscheidung, derart, dass beide in ihrem Unterschied einen Zusammenhang definieren, eben jenen eines Datums. Und die Operation des Wiedereintritts der Unterscheidung in die Form der Unterscheidung, der re-entry, , markiert den Umstand, dass Entscheidungen, die auf registrierte Daten reagieren, ihrerseits registriert werden und somit zu weiteren Daten führen, die weitere Entscheidungen ermöglichen oder erfordern.

Der Vorteil dieser Notation liegt darin, dass sie auf Operationen bezogen ist, die nicht etwa bereits vorliegende Sachverhalte nur aufgreifen und sortieren, sondern diese Sachverhalte allererst generieren. Es gibt keine Daten, wenn nicht registriert wird; und es gibt keine Daten, wenn diese Register nicht im Interesse von Entscheidungen gestaltet worden sind.

Die Außenseite der Form, n, bleibt zunächst unmarkiert:

figure d

Das heißt, sie bleibt frei für die Besetzung durch beliebige Beobachter. Im Sinn der Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung können wir sagen, dass Register und Entscheidung die Bedeutung eines Datums definieren und n seinen Sinn bezeichnet. Man kann für n unterschiedliche Variablen einsetzen, etwa Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Fehlerhaftigkeit, Bewährtheit, Vertrautheit und Akzeptanz, und so für bestimmte Beobachter (alternativ zu anderen Beobachtern) die Kontexte definieren, in denen eine bestimmte Datenkommunikation ihren Sinn entfaltet.

Mit dem Formkalkül von Spencer-Brown sprechen wir von der „Form“ des Datums. Ein Datum schließt bestimmte Dinge ein und andere aus. Ein Datum ist nicht irgendetwas, sondern etwas durch bestimmte Operationen der Unterscheidung Bestimmtes und dementsprechend auch Gestaltbares. Der Begriff der Form unterstreicht die Differenz zwischen Innen- und Außenseite nicht nur, sondern überbrückt sie auch. Ganz im Sinne bestimmter Reflexionsfiguren der europäischen Rationalität, aber auch ostasiatischer Weisheitslehren beschreibt eine Form den Zusammenhang eines Unterschiedenen  (Luhmann 1992; Möller 2001). Auf der einen Seite wird ein Unterschied getroffen und bestimmt damit, worum es geht, hier: erstens ein Register und zweitens die Möglichkeit einer Entscheidung; und auf der anderen Seite wird der Zusammenhang des Unterschiedenen mittels der Operation des Wiedereintritts der Form in die Form reflektiert, so dass die Form über die Form Auskunft zu geben und ihre Termini in Abhängigkeit voneinander zu variieren vermag. Mit dem Wiedereintritt gewinnt die Form Beweglichkeit.

Im Medium des Sinns kann über die Bedeutung jederzeit neu entschieden werden und kann gefragt werden, welche Art von Messung und Berechnung mit dem Datum vorliegt. Letzteres ist schon deswegen wichtig, damit die Selektivität des Datums und so auch die Ausschnitthaftigkeit seiner Messung und Berechnung bestimmter Zustände und Vorgänge dem Blick nicht verloren geht.

4 …und Formen

Jedes Datum, codiert durch die Differenz von Register und Entscheidung, ist in unserem Zusammenhang ein Element eines „Produktionssystems“ (Simon 1981, S. 121 f.): Es fungiert als Gedächtnis für die Motive, die Registern und Entscheidungen zugrunde liegen; es ermöglicht ein Lernen zugunsten anderer Register und anderer Entscheidungen; und es weist voraus auf weitere Daten, die in einer unbekannten Zukunft erst noch zu erwarten sind. Jede dieser drei Dimensionen kann zum Gegenstand von Gestaltungsabsichten gemacht werden, je nachdem, welches Gedächtnis gefördert, was gelernt oder auch nicht gelernt und was erwartet oder nicht erwartet werden soll.

Digitalisierungsvorhaben in Betrieb und Büro gehorchen dem allgemeinen Schema, im Medium des Sinns Daten zu generieren, die für Entscheidungsprozesse Bedeutung haben, weil sie Rückkopplungen mit Produktionsverfahren, Aktenvorgängen, Ressourcenplanung, Maschinensteuerung und Kundenkontakten im Netzwerk zur Verfügung stellen. Jede weitere Analyse geht daher in drei immer wieder aufeinander bezogenen Schritten vor:

  1. (1)

    Welche Register im Umgang mit Maschinen, Aufträgen, Ressourcen, Verfahren etc. bedient ein elektronisches Medium?

  2. (2)

    In welche Netzwerke von Entscheidungen ist ein elektronisches Medium eingebettet? Welche Rolle spielen die betriebliche Hierarchie, die überbetrieblichen Netzwerke und die Formen der Kooperation im Team?

  3. (3)

    Welcher Sinn wird von welchen Beobachtungen aufgerufen, um über die strategischen, technologischen, ökonomischen, kulturellen oder sonstigen Erwartungen an elektronische Medien zu verhandeln? Welche Rolle spielen Erwartungen an Innovation und Fortschritt, Zuverlässigkeit und Datensicherheit, Agilität und Wettbewerbsfähigkeit, Marktforschung und Öffentlichkeitsarbeit?

Antworten auf diese Fragen werden in die oben genannte Form eingetragen, sodass das Ergebnis der Analyse eines konkreten Datums in einer Organisation mit einer Variante der folgenden Form spezifiziert werden kann:

figure e

Wird der Sinn des Designs von Daten eigens reflektiert, erweitert sich die Form des Datums wie folgt:

figure f

Man gewinnt eine weitere Reflexionsebene im Betrieb, die genutzt, allerdings auch bestritten werden kann. Und man gewinnt eine neue unmarkierte Außenseite, n, die für Variablen wie Tradition und Gottvertrauen, Ambition und Witz, vielleicht auch für die reflexive Beobachtung von Lernprozessen zur Verfügung steht, insofern Letzteres nicht bereits unter Sinn rubriziert wurde. Wird die unmarkierte Außenseite markiert, rückt sie eine weitere Stelle nach rechts, so dass die Form so oder durch ein n geschlossen wird, das heißt gegenüber unbenannten und unbeachteten Kontexten offenbleibt. Formen haben grundsätzlich eine offene Flanke; sie setzen eine Welt voraus, in der sie funktionieren müssen, ohne diese Welt ihrerseits verstehen und beschreiben zu können. An die Stelle eines Verständnisses oder einer Beschreibung tritt die „empty world hypothesis“ (Smith 1981, S. 221), das heißt die Annahme, dass der Rest der Welt vernachlässigt werden kann, solange keine Gründe auftreten, dies nicht zu tun.

5 Ausblick

Alles Weitere ist die Frage einer Arbeit an einem Bildschirm oder sonstigen Datenausgabegerät. Beispiele können nur im Zusammenhang technischen Wissens, psychischer Wahrnehmung durch die Nutzer und sozialer Abstimmung zwischen diesen Nutzern erhoben, ausgewertet und dokumentiert werden. Dazu ist es erforderlich, Geschäftsführung, Werker und Wissenschaftler, möglicherweise auch technische Dienstleister und andere Netzwerkpartner an einen Tisch zu holen und gemeinsam klären zu lassen, welche Daten auf einem Bildschirm mit welcher Bedeutung und welchem Sinn zugunsten der Gestaltung welcher Rückkopplungen dargestellt und bearbeitet werden können.

Die Zielsetzung einer solchen Analyse ist ein Verständnis der Gestaltungsoptionen einer nicht nur technischen, sondern auch sozialen und mentalen Einbettung der Datenverarbeitung eines Betriebs in diesen Betrieb (Dourish 2001, 2004; Dourish und Gómez Cruz 2018). Die strukturelle Kopplung, die von Daten geleistet wird, koppelt einen Betrieb an seine beiden Primärumwelten der Technik einerseits und der Arbeit und des Lernens andererseits. Jedes einzelne Datum leistet zu dieser strukturellen Kopplung einen Beitrag – oder es ist verzichtbar. Umso wichtiger ist es, jedes einzelne Datum unter diesem Gesichtspunkt analysieren zu können – selbst wenn Stichproben genügen und das Verfahren irgendwann nicht mehr explizit durchgeführt werden muss, sondern mehr oder minder intuitiv abgerufen werden kann und mitläuft.