Die Stabilität des Geldwertes ist von überragender Bedeutung für eine funktionierende Marktwirtschaft und gehört daher zu den zentralen Zielen der Wirtschaftspolitik. Wie kann die Stabilität des Geldwertes gesichert werden? Welche Rolle spielen dabei insbesondere die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik? Und was sind die Nebeneffekte einer Politik stabiler Preise? Kann Geldwertstabilität schädlich für die „Gesundheit“ einer Volkswirtschaft sein?

5.1 Das Konzept der Geldwertstabilität und die Kosten der Inflation

Geld erfüllt in einer modernen arbeitsteiligen Volkswirtschaft wichtige Aufgaben als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und als Recheneinheit. Diese Funktionen kann das Geld nur dann optimal erfüllen, wenn sein Wert stabil ist. Geldwertstabilität ist gegeben, wenn sich das Preisniveau nicht ändert, also die Güterpreise im Durchschnitt stabil sind. In dieser Situation bleibt die Kaufkraft des Geldes über die Zeit erhalten. Geldwertstabilität ist somit gleichbedeutend mit Preisniveaustabilität (siehe auch Kap. 3).

Preisniveau und Geldwert entwickeln sich immer gegenläufig. Bei steigendem Preisniveau können die Menschen für einen gegebenen Geldbetrag nur noch weniger Güter und Dienstleistungen kaufen. Je höher das Preisniveau ist, desto geringer ist also der Wert des Geldes.

Preisniveaustabilität bedeutet nicht, dass alle Preise in einer Volkswirtschaft konstant bleiben (sollen). Es ist im Gegenteil für das Funktionieren einer Marktwirtschaft von zentraler Bedeutung, dass sich die einzelnen Güterpreise entsprechend der relativen Knappheiten ändern. So signalisiert der steigende Preis für ein Produkt, dass dieses knapper geworden ist. Die Nachfrager werden weniger von dem teurer gewordenen Produkt nachfragen, die Anbieter entsprechend ihr Angebot ausweiten. Insgesamt passt sich so die Produktion den veränderten Nachfrageverhältnissen an, und der Nachfrageüberhang wird abgebaut. Solche Änderungen der relativen Preise gleichen sich bei einem stabilen Preisniveau im Durchschnitt aus.

Inflation, also ein allgemeiner Anstieg der Preise, verursacht eine Reihe ganz unterschiedlicher gesamtwirtschaftlicher Kosten. Die Vorteile der Geldwertstabilität liegen darin, dass diese Kosten vermieden werden. Dies gilt im Wesentlichen analog für einen Rückgang des Preisniveaus, also einer Deflation. Zu den wesentlichen Kosten der Inflation gehören i) die Beeinträchtigung des Preismechanismus, dem zentralen Steuerungsmechanismus in einer Marktwirtschaft, ii) die unerwünschte Umverteilung von Einkommen und Vermögen sowie iii) die direkten Kosten für die Anpassung von Preisen.

Beeinträchtigung des Preismechanismus

Unter Preisniveaustabilität signalisiert ein höherer Preis, dass ein Produkt knapper geworden ist. Unter Inflation ist aber unklar, welche Information in einem höheren Preis steckt. Ist das Produkt tatsächlich knapper geworden? Oder ist der höhere Produktpreis Teil des allgemeinen Preisanstiegs und an den realen Marktverhältnissen hat sich gar nichts geändert? Im ersten Fall wäre eine Ausweitung der Produktion angemessen, im zweiten dagegen nicht. Vor allem wenn Inflation unerwartet auftritt, erhöht sich diese Unsicherheit und damit das Risiko bei Investitionen. Diese werden möglicherweise verschoben oder ganz unterlassen.

Inflation verzerrt somit die Informationsfunktion von Preisen und beeinträchtigt den Preis- und Marktmechanismus. Geld soll als Recheneinheit Maßstab bei der Messung wirtschaftlicher Transaktionen sein. Es ist damit vergleichbar mit anderen Maßeinheiten wie dem Urmeter bei der Längenmessung. Der Vorteil solcher allgemein gebräuchlichen Maßeinheiten liegt offensichtlich in ihrer Verlässlichkeit. Die Folgen eines geänderten Preisniveaus für die Wirtschaft lassen sich somit durchaus mit den negativen Wirkungen vergleichen, die eine veränderte Definition des Urmeters oder anderer Maßeinheiten für Technik und Naturwissenschaften hätten.

Ungeplante Umverteilung von Einkommen und Vermögen

Unerwartete Inflation und die damit einhergehende Unsicherheit macht sich vor allem bei längerfristigen Verträgen negativ bemerkbar, etwa bei Tarif- und Kreditverträgen. Steigt das Preisniveau beispielsweise schneller als bei Abschluss eines Tarifvertrags angenommen wurde, so ergibt sich für die Arbeitnehmer:innen ein geringerer Reallohn als ursprünglich beabsichtigt worden war. Faktisch bedeutet dies offensichtlich eine willkürliche, weil nicht leistungsbezogene Umverteilung von den Lohn- zu den Gewinneinkommen. Auch bei Kreditverträgen wird die erwartete Inflation berücksichtigt. Der vereinbarte Kreditzins erhöht sich im Ausmaß der erwarteten Inflation, um den Kaufkraftverlust über die Laufzeit zu kompensieren (Fisher-Effekt). Im Falle einer unerwartet hohen Inflation sinkt der Realzins, es kommt also zu einer willkürlichen Umverteilung zugunsten der Schuldner (Kreditnehmer:innen) und zu Lasten der Gläubiger (Kreditgeber:innen). Da höhere Inflationsraten meist auch stärker schwankende Inflationsraten bedeuten, nimmt bei Inflation meist auch die Bereitschaft zu Verträgen mit längerer Laufzeit ab. Darunter leiden vor allem risikoreichere Investitionen.

Neben dieser Umverteilung zwischen privaten Akteuren kommt es unter Inflation auch zu einer Umverteilung von privaten Haushalten und Unternehmen zugunsten des Staats. Da Bargeld unverzinslich ist, kann ein inflationsbedingter Kaufkraftverlust nicht über eine entsprechend höhere Verzinsung ausgeglichen werden. Inflation wirkt wie eine Steuer auf Bargeld, die sogenannte Inflationssteuer. Zusätzlich bewirkt das Steuersystem unter Inflation ebenfalls eine Umverteilung zugunsten des Staates. Wenn etwa in einer Situation die nominalen Einkommen entsprechend der Inflation zunehmen, bleiben offensichtlich die realen Einkommen unverändert. Dennoch werden die nominalen Einkommenszuwächse in der Einkommensteuer wie erhöhte Realeinkommen behandelt und entsprechend besteuert. Ist die Einkommensteuer progressiv ausgestaltet, wie das in vielen Ländern der Fall ist, verschärft sich dieser Effekt noch (kalte Progression).

Kosten der Preisanpassung

Ganz offensichtlich fallen bei Inflation auch immer direkt Kosten an, wenn die einzelnen Güterpreise angepasst werden. Bei steigendem Preisniveau werden Unternehmen und Haushalte alle nominalen Preise laufend anpassen, um den realen Wert der Produkte und damit der Einnahmen zu erhalten. Diese sogenannten Speisekarten-Kosten (Menu costs) fallen etwa an für neue Speisekarten (engl. menu), Kataloge, Preislisten und die Preisauszeichnungen im Einzelhandel. Um die Inflationssteuer auf Bargeld zu mindern, werden private Haushalte auch weniger Bargeld halten, womit die Abwicklung von Zahlungen aufwendiger werden kann. In diesem Zusammenhang wird auch von sogenannten Schuhsohlen-Kosten der Inflation gesprochen, also Kosten, die bildlich gesprochen für häufigere Bankbesuche und ein aufwendigeres Management von Zahlungen anfallen. Speisekarten- und Schuhsohlen-Kosten mögen in Ländern mit niedriger Inflation nur von untergeordneter Bedeutung sein, können aber in Ländern mit hoher Inflation oder gar Hyperinflation ganz erheblich sein.

5.2 Rolle der (Europäischen) Geldpolitik

Aufgrund ihrer überragenden Bedeutung für die effiziente Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft zählt Preisniveaustabilität in vielen Ländern zu den zentralen Zielen der Wirtschaftspolitik. In der Bundesrepublik Deutschland etwa wurde ein stabiles Preisniveau erstmals im Jahr 1967 im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes als Teil des sogenannten Magischen Vierecks vorgegeben, in der Europäischen Union im Rahmen von Art. 3 EUV festgelegt. Besonders ist dabei, dass spezialisierte Institutionen beauftragt werden, nämlich die Notenbanken (ein anderes Wort ist Zentralbanken), um dieses Ziel zu erreichen. Sie sollen mit ihrer Geldpolitik für stabile Preise sorgen.

Geldpolitik als Nachfragepolitik

Notenbanken verfügen zwar über eine Vielzahl geldpolitischer Instrumente, um das Ziel der Geldwertstabilität zu verfolgen. Allerdings können sie mit ihrer Geldpolitik direkt nur die Güternachfrage beeinflussen, dagegen nicht das Güterangebot (siehe Kap. 4). Bei (zu) hoher Inflation können Notenbanken versuchen, mit einer restriktiven Geldpolitik die Güternachfrage von privaten Haushalten, Unternehmen, des Staates und des Auslandes zu dämpfen. Entsprechend ist bei (zu) niedriger Inflation bzw. Deflation angezeigt, die Güternachfrage im Rahmen einer expansiven Geldpolitik anzuregen.

Die geldpolitischen Maßnahmen werden über verschiedene Transmissionsmechanismen auf die wirtschaftlichen Akteure übertragen. Dabei können insbesondere der sogenannte Zinskanal und der Kreditkanal unterschieden werden. Der Zinskanal erfasst, wie sich durch eine restriktive Geldpolitik die Finanzierungsbedingungen verschlechtern und insbesondere die Kreditzinsen steigen. Kreditfinanzierte Investitionen werden teurer und sind möglicherweise nicht mehr rentabel, viele private Haushalte können sich Konsum auf Pump nicht mehr leisten. Regierungen müssen unter Umständen Staatsausgaben kürzen, um den gestiegenen Schuldendienst leisten zu können. Ein höheres Zinsniveau kann auch zu einer Aufwertung der heimischen Währung führen, verbunden mit einer schlechteren Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen und einer geringeren Exportnachfrage des Auslands. Geldpolitik wirkt auch über den sogenannten Kreditkanal, also die Vergabe von Bankkrediten. Wenn etwa die Zinsen steigen, sinkt der Wert von Unternehmen und damit die Möglichkeit, Sicherheiten für Bankkredite zu hinterlegen. Entsprechend kann sich bei höheren Zinsen die Liquidität von privaten Haushalten verschlechtern und sich das Risiko von finanziellen Notlagen erhöhen, sodass sie weniger neue Kredite nachfragen.

Bei der Umsetzung der Geldpolitik wägen Notenbanken, wie andere wirtschaftspolitische Akteure auch, Kosten und Nutzen ihrer Maßnahmen ab. Dabei haben sie typischerweise eine Reihe von trade-offs und Nebenwirkungen ihrer Politik zu berücksichtigen. Vergleichsweise einfach ist die Geldpolitik, wenn Inflation nachfragegetrieben ist. In diesem Falle gehen Preissteigerungen mit einer guten konjunkturellen Lage einher bzw. werden von der guten Konjunkturlage getrieben. Eine restriktive Geldpolitik kann dann den allgemeinen Preisanstieg dämpfen und der damit einhergehende Rückgang der Güternachfrage ist wegen der guten konjunkturellen Lage meist wenig problematisch.

Sehr viel schwieriger und komplexer ist die Situation im Fall eines negativen Angebotsschocks, etwa einem starken Anstieg der Energiepreise wie bei den beiden Ölpreisschocks in den 1970er Jahren und bei Russlands Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022. In solchen Situationen kann es zu einer Stagflation kommen, also hoher Inflation bei stagnierender wirtschaftlicher Entwicklung. Bekämpft die Notenbank dann die Inflation mit einer restriktiven Geldpolitik, ist eine weitere Verschlechterung der konjunkturellen Lage mit einem Rückgang der Produktion und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit wahrscheinlich. Der damit verbundene Zielkonflikt ist für eine Notenbank wie der US-amerikanischen Fed, die sowohl das Ziel stabile Preise als auch das Ziel hohe Beschäftigung anstreben soll, besonders offensichtlich. Aber auch eine Notenbank mit dem vorrangigen Ziel Preisniveaustabilität wie die EZB wird die konjunkturellen Wirkungen ihrer Politik im Auge haben.

Geldpolitische Strategie

Grundsätzlich sind Notenbanken in der Lage, mit ihren geldpolitischen Instrumenten die Kredit- und Finanzierungsbedingungen und damit die Güternachfrage so zu steuern, dass das Preisniveau stabil bleibt. Allerdings ergeben sich in der geldpolitischen Praxis eine Reihe praktischer Probleme. So lassen sich die vielen Millionen unabhängig dezentral agierender privater Haushalte und Unternehmen in einer Marktwirtschaft nicht direkt mechanistisch steuern. Stattdessen wirkt die Geldpolitik nur indirekt über die Veränderung finanzieller Rahmenbedingungen und mit einer gewissen Zeitverzögerung (Lag), die zudem noch je nach wirtschaftlicher Situation unterschiedlich lang dauern kann. In dieser Situation kann eine Notenbank versuchen, mit einer regelorientierten Politik die Wirkungen ihrer Geldpolitik zu verstetigen. Bekannte Beispiele sind die frühere Geldmengenregel der Deutschen Bundesbank und das heute weit verbreitete sogenannte Inflation Targeting (Verfolgen eines Inflationsziels), dem auch die EZB zu folgen scheint.

Das Inflation Targeting, das eigentlich ein Inflation Expectation Targeting ist, betont die Rolle von Inflationserwartungen für die Preisentwicklung. Erwarten Haushalte und Unternehmen zukünftig eine höhere Inflation, so werden länger laufende Verträge, etwa Tarif- und Kreditverträge, entsprechend schon heute angepasst. Die vereinbarten Tariflöhne fallen höher aus, und es werden höhere Kreditzinsen fällig. Inflationserwartungen können sich also wie selbsterfüllende Prophezeiungen unmittelbar in der aktuelle Inflationsentwicklung niederschlagen.

Im Rahmen des Inflation Targetings richtet die Notenbank ihre Geldpolitik an den Inflationserwartungen der Marktteilnehmer:innen aus. Erwartet „der Markt“ zukünftig eine höhere Inflationsrate als der Zielwert der Notenbank, im Falle der EZB also 2 %, dann erhöht die Notenbank die Zinsen, die Geldpolitik wird restriktiver. Liegen die Inflationserwartungen unter dem Zielwert, wird die Geldpolitik entsprechend expansiver. Auf diese Weise sollen die Inflationserwartungen am Zielwert „verankert“ und die Kosten der Inflationsbekämpfung niedrig gehalten werden.

5.3 Geldwertstabilität und andere wirtschaftspolitische Ziele

Angesichts der vielfältigen negativen Wirkungen von Inflation und Deflation kann es nicht überraschen, dass heute große Übereinstimmung über die Vorteile des Ziels Geldwertstabilität besteht. Umso mehr überrascht dann aber, dass in keinem Land Geldwertstabilität tatsächlich dauerhaft erreicht wird und in manchen Ländern sogar Hyperinflationen zu beobachten waren. Selbst die anscheinend so stabilitätsbewusste Deutsche Bundesbank hat über fünfzig Jahre hinweg eine durchschnittliche Inflationsrate von rund 3 % toleriert, sodass die D-Mark zwischen 1948 und 1998 rund zwei Drittel ihrer realen Kaufkraft verlor, von einer D-Mark nach dieser Zeit also real nur noch rund 30 Pfennige übriggeblieben waren.

Während also die Vorteile der Geldwertstabilität in Wissenschaft und Wirtschaftspolitik unbestritten sind, besteht Uneinigkeit darüber, inwieweit eine Politik der Geldwertstabilität andere wirtschaftspolitische Ziele gefährdet. Gibt es also Konflikte zwischen Preisniveaustabilität und anderen wirtschaftspolitischen Zielen? Führt etwa mehr Geldwertstabilität zu mehr Arbeitslosigkeit? Während der mögliche Zielkonflikt zwischen Preisniveau und Beschäftigung schon lange die wirtschaftspolitische Debatte prägt, wird in neuerer Zeit auch intensiv diskutiert, inwieweit eine an der Geldwertstabilität orientierte Geldpolitik mit Finanzmarktstabilität und dem Kampf gegen den Klimawandel vereinbar sei. Damit eng verbunden ist auch die Diskussion, ob die Aufgaben von Notenbanken auf diese Ziele erweitert werden sollten.

Geldwertstabilität und Beschäftigung

Der Zusammenhang zwischen Geldwertstabilität und Beschäftigung wird in Wissenschaft und Wirtschaftspolitik meist im Rahmen des sogenannten Phillips-Kurven-Ansatzes diskutiert (benannt nach dem englischen Ökonomen Alban Phillips). In seiner einfachsten Form suggeriert er, dass zwischen Geldwertstabilität und Beschäftigung ein negativer Zusammenhang besteht und dass die Wirtschaftspolitik die wünschenswerte Kombination von Inflation und Beschäftigung wählen kann. Der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat diese Sichtweise im Wahlkampf 1972 popularisiert: „Mir scheint, dass das deutsche Volk – zugespitzt – 5 % Preisanstieg eher vertragen kann als 5 % Arbeitslosigkeit“. Nach dieser Sichtweise ist Arbeitslosigkeit der Preis, den eine Gesellschaft für einen stabilen Geldwert zahlen muss.

Diese Sichtweise gilt spätestens seit den Ölpreisschocks von 1973/74 und 1979/80 als empirisch überholt. In den Industrieländern war kein Trade-off mehr zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit zu beobachten. Unter den negativen Angebotsschocks herrschte Stagflation vor, also hohe Inflation und gleichzeitig hohe Arbeitslosigkeit bei stagnierender Wirtschaftstätigkeit.

Die moderne Form der Phillips-Kurve unterscheidet zwischen einerseits der langfristigen senkrechten Phillips-Kurve auf dem Niveau der sogenannten natürlichen Arbeitslosigkeit sowie andererseits der kurzfristigen negativ geneigten Phillips-Kurve und betont die Rolle von Erwartungen (vgl. Friedman (1968)). Sie ist damit eng mit dem Konzept der langfristig senkrechten und kurz- bzw. mittelfristig positiv geneigten Güterangebotskurve verbunden. Entsprechend unterscheiden sich die Wirkungen der Geldpolitik in der kurzen und mittleren Frist, die geprägt ist von rigiden Preisen, von denen in der langen Frist mit flexiblen Preisen. In der kurzen Frist wirkt eine expansive Geldpolitik positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auf die Beschäftigung. In der langen Frist führt die höhere Beschäftigung zu höheren Löhnen und damit verschlechterten Angebotsbedingungen. Letztlich steigt die Arbeitslosigkeit wieder auf das natürliche Niveau bei jetzt höherem Preisniveau. Eine expansive Geldpolitik kann somit die Arbeitslosigkeit nicht dauerhaft unter das natürliche Niveau absenken, sondern „verpufft“ in Inflation.

Insgesamt besteht die Kunst der Geldpolitik letztlich darin, das langfristige Ziel der Geldwertstabilität mit kurzfristigen Politikzielen, wie der konjunkturellen Stabilisierung, zu vereinbaren. Grundsätzlich sollten Notenbanken – ihrem gesetzlichen Auftrag folgend – ihre Politik am Ziel der Geldwertstabilität orientieren und keine aktive Beschäftigungspolitik anstreben. Dies muss aber nicht ausschließen, dass die Geldpolitik konjunkturelle Schocks zu dämpfen versucht. Prinzipiell kann die Notenbank im Falle vorübergehender Nachfrageschocks ihre kurz- und mittelfristigen Konjunkturziele erreichen, ohne das Primärziel der Geldwertstabilität zu gefährden. Allerdings wird sie bei der praktischen Umsetzung ihrer Politik mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert. So kann sich die Geldpolitik insbesondere nicht auf einen stabilen Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit stützen.

Geldwertstabilität und Wirtschaftswachstum

Die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft wird wesentlich von realen Faktoren bestimmt, wie Anzahl und Ausbildungsstand der Arbeitskräfte, Bestand und Qualität des Sachkapitals sowie technologischem Wissen. Welche Rolle könnte dabei die (fehlende) Geldwertstabilität spielen? Die wissenschaftliche und politische Diskussion betont heute vor allem die zentrale Rolle angemessener makroökonomischer Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Entwicklungsprozess. Eine an Geldwertstabilität orientierte Geldpolitik kann dazu beitragen, ein stabiles gesamtwirtschaftliches Umfeld zu sichern. Umgekehrt verursacht Inflation makroökonomische Unsicherheit und kann so das wirtschaftliche Wachstum bremsen.

Inflation beeinträchtigt die Wirtschaftsentwicklung vor allem über die damit einhergehende Unsicherheit bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Dadurch werden besonders langfristig wirksame Entscheidungen wie Investitionen in Sachkapital sowie in Forschung und Entwicklung negativ betroffen. Das Wirtschaftswachstum fällt aufgrund der geringeren Sachkapitalbildung und einer niedrigeren Rate des technischen Fortschritts schwächer aus. Die bei hohen Inflationsraten teilweise zu beobachtende Flucht in die Sachwerte führt zwar zu hohen Sachinvestitionen, die allerdings durch eine geringe Effizienz gekennzeichnet sind (Fehlallokation von Ressourcen).

Diese Effekte werden noch verstärkt, wenn Investoren Inflation als ein Signal für die allgemein fehlende Stabilitätsorientierung der Wirtschaftspolitik interpretieren. So könnte Inflation nicht nur ein Indiz für eine problematische Geldpolitik, sondern auch ein Indikator für zukünftige Probleme in der Fiskalpolitik sein.

Die negativen Wirkungen von Inflation sind vor allem in Phasen hoher Inflationsraten, insbesondere bei Hyperinflationen, offenkundig und können massive Kosten verursachen. Empirische Untersuchungen belegen, dass sich hohe Inflationsraten von über 10 % negativ auf das wirtschaftliche Wachstum auswirken (vgl. etwa Barro 1996) Ein typisches Ergebnis dieser Untersuchungen ist, dass mit einem Anstieg der Inflationsrate um zehn Prozentpunkte ein Rückgang der Wachstumsrate um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte einhergeht. Solche Wachstumseinbußen mögen zunächst nicht sehr groß erscheinen, sie können aber im Zeitablauf durch kumulierende Effekte erhebliche reale Wirkungen verursachen. Für niedrige Inflationsraten liefern die Regressionsanalysen meist keine eindeutigen Ergebnisse. Möglicherweise sind die angewandten Untersuchungsansätze aber auch nicht differenziert genug, um den Einfluss der Inflation auf das Wirtschaftswachstum von der Wirkung anderer Faktoren zu unterscheiden.

Geldwertstabilität und Finanzmarktstabilität

Der Finanzsektor erfüllt wichtige Aufgaben in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Er

  • stellt Geld und wichtige Dienstleistungen im Bereich Zahlungsverkehr bereit (Geldfunktion),

  • leitet Finanzmittel über den Brückenschlag zwischen Sparer:innen und Investor:innen in die Verwendung mit dem höchsten wirtschaftlichen Nutzen (Allokationsfunktion),

  • stellt effiziente Instrumente des Risikomanagements bereit (Versicherungsfunktion).

Finanzmärkte sind durch erhebliche Instabilitäten und systemische Risiken geprägt und gehören zu den am intensivsten regulierten Märkten. Ziel ist dabei die Finanzmarktstabilität, mithin eine Situation, in der das Finanzsystem, also Finanzinstitute, Finanzmärkte und Finanzmarktinfrastruktur, auch bei finanziellen Ungleichgewichten und negativen Schocks seine wesentlichen makroökonomischen Funktionen erfüllt.

In vielen Ländern ist die Notenbank nicht nur mit ihrer Geldpolitik dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet, sondern soll über die Regulierung des Bankensektors für Finanzmarktstabilität sorgen. Im Euroraum beaufsichtigt die Europäische Zentralbank seit dem Jahr 2014 im Rahmen des sogenannten einheitlichen europäische Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) direkt die wichtigsten Großbanken der Euro-Länder und mittelbar zusammen mit den nationalen Aufsichtsbehörden auch die übrigen Banken.

Können durch diese Doppelfunktion der EZB als Notenbank und Bankaufsichtsbehörde Probleme für das Ziel der Geldwertstabilität entstehen? Langfristig besteht zwischen Geld- und Finanzmarktstabilität grundsätzlich kein Zielkonflikt, sondern Zielharmonie. Mit einem stabilen Preisniveau entfällt eine wichtige Quelle für makroökonomische Unsicherheit, was sich auch stabilisierend auf die Finanzmärkte auswirkt. Umgekehrt erleichtert Finanzmarktstabilität die Geldpolitik.

Kurz- und mittelfristig können dagegen durchaus Zielkonflikte zwischen Geld- und Regulierungspolitik auftreten. Dies gilt insbesondere, wenn es durch Schocks zu Instabilitäten im Finanzsektor kommt, wie während der Großen Finanzkrise und der Euro-Staatsschulden- und Bankenkrise. Die Notenbank kann sich dann in ihrer Funktion als „lender of last resort“ gezwungen sehen, einzelne Finanzinstitute mit Hilfe von Liquiditätshilfen zu stabilisieren oder gar mit einer generell expansiveren Geldpolitik und niedrigeren Zinsen den Finanzsektor und die Wirtschaft insgesamt zu stützen. Gerade die Erfahrungen im Euroraum zeigen, wie schwer sich die EZB (und andere Notenbanken) damit tun, den Krisenmodus und die selbstgewählte Rolle als „Retter“ wieder zu verlassen. Unter der Maxime „Diese Mal ist alles anders“ (this time is different) lassen sich in der geldpolitischen Praxis immer wieder mehr oder weniger gute Gründe finden, warum es gerade jetzt keine gute Idee ist, einen expansiven Krisenmodus zu beenden.

Geldwertstabilität und der Kampf gegen den Klimawandel

Der fortschreitende Klimawandel gehört zu den größten Herausforderungen der Menschheit. Es kann somit nicht überraschen, dass weltweit Notenbanken und Finanzaufsichtsbehörden den Kampf gegen den Klimawandel als neues wichtiges Ziel ihrer Politik betonen (z. B. Bolton et al. 2020; Bank of England 2015; European Central Bank 2022).

Notenbanken und Aufsichtsbehörden sind dabei auf zweifache Weise betroffen. Zum ersten bringt der Klimawandel erhebliche Risiken für die Finanzmarktstabilität und die Wirkung der Geldpolitik. Die mit den zunehmenden Extremwetterereignisse verbundenen Kosten können zu erheblichen Preisrisiken führen, auch wenn diese in der Regel regional und zeitlich beschränkt sein dürften. Die mit dem Verdrängen fossiler Brennstoff und der Transformation zu einer CO2-neutralen Wirtschaft einhergehenden privaten und staatlichen Mehrausgaben können über steigende Produktionskosten und die erhöhte Güternachfrage inflationär wirken, die sogenannte Fossinflation. Zum Zweiten kann die Finanzmarktstabilität gefährdet sein, wenn im Transformationsprozess auf fossilen Energien basierende Geschäftsmodelle obsolet und die damit verbundenen Kreditrisiken schlagend werden. Notenbanken könnten in dem Maße direkt betroffen sein, wie sie im Rahmen von Ankaufprogrammen solche Anleihen halten bzw. Kredite als Sicherheiten akzeptieren. Die notwendigen Abschreibungen bei Banken könnten die Stabilität der Finanzmärkte gefährden, vor allem wenn diese Risiken sich nicht über die Zeit, sondern abrupt realisieren würden.

Derzeit prüfen viele Notenbanken und Bankaufsichtsbehörden, mit welchen konkreten Maßnahmen sie zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen können. Entsprechend der beschriebenen Gefahren dürften Aufsichtsbehörden die Vergabe von Krediten an CO2-intensive, sogenannte „braune“ Branchen erschweren und an „grüne“ Sektoren fördern, etwa durch differenzierte Eigenkapitalvorschriften. Entsprechend könnten Notenbanken bei der Hinterlegung von Sicherheiten Anleihen dieser Branchen unterschiedlich behandeln. In der Europäischen Union ist mit der sogenannten Taxonomie ein entsprechender rechtlicher Rahmen geschaffen worden. Im Bereich der Geldpolitik könnten Notenbanken ihre Anleihekaufprogramme anpassen.

Neben vielen technischen Fragen, die in diesem Zusammenhang noch zu klären sind, stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit Notenbanken und Aufsichtsbehörden mit ihren Politiken überhaupt direkt zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen können. Nach allgemeiner Einschätzung sind insbesondere Notenbanken keine zentralen Akteure (vgl. etwa Gros 2020). Gerade die Instrumente der Geldpolitik wurden für ganz andere Aufgaben geschaffen und werden in der Regel nur kurz- und mittelfristig eingesetzt. Speziell Ankaufprogramme sind jeweils zeitlich befristet und dem Prinzip der Marktneutralität verpflichtet. Um die hinter dem Klimawandel stehenden externen Effekte der Nutzung fossiler Energien zu korrigieren, sind entsprechende (Pigou-) Steuern und Emissionszertifikate besser geeignet.

Damit sehen viele Beobachter:innen die größte Gefahr einer am Kampf gegen den Klimawandel orientierten Geldpolitik darin, dass die Geldpolitik durch die Ausweitung des Mandats (noch) stärker „politisiert“ und ihre Unabhängigkeit gefährdet wird. Die Unabhängigkeit, die einer Notenbank wie der EZB eingeräumt wird, lässt sich in einer Demokratie nur damit begründen, dass das Mandat klar definiert und eng begrenzt ist. Im Gegensatz dazu beinhalten Kompetenzen in der Klimapolitik weitreichende politische Entscheidungen mit dem Abwägen unterschiedlicher Ziele. Für solche Aufgaben ist die EZB – dieser Argumentation folgend – demokratisch nicht legitimiert. Solche Entscheidungen können nur im politischen Prozess getroffen werden.

Fazit

Die Stabilität des Geldwertes ist von überragender Bedeutung für eine funktionierende Marktwirtschaft. In der Europäischen Währungsunion soll die Europäische Zentralbank dieses zentrale Ziel der Wirtschaftspolitik sicherstellen, indem sie mit ihren geldpolitischen Instrumenten vorrangig die Güternachfrage steuert. Wie in anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik gibt es auch in der Geldpolitik zahlreiche Zielkonflikte, vor allem wenn Inflation durch Angebotsschocks, wie höhere Energiepreise, verursacht wird. Notenbanken werden deshalb in ihrer Politik der Geldwertstabilität insbesondere mögliche negative Effekte auf Beschäftigung und Finanzmarktstabilität beachten. In neuerer Zeit diskutieren Notenbanken auch, wie sie mit ihrer Politik den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen können.