Die Wohnforschung zu Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten mit wenigen Ausnahmen kaum in die internationale scientific community eingebracht. Ganz anders als zum Beispiel in den Niederlanden haben nur wenige Wissenschaftler*innen in internationalen Journalen publiziert und auf internationalen Kongressen Forschungsergebnisse vorgetragen. Dabei sind die praktisch-politischen Fragen zur Organisation der Unterstützung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und Gestaltung von Wohnmöglichkeiten in den Gemeinden zumindest in den westlich orientierten, wohlhabenden Ländern die gleichen. Deutschland gibt auch im Vergleich nicht wenig aus für die Unterstützung von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung, verfügt über gut ausgebildete Fachkräfte und versucht vereinzelt und verteilt über einzelne Bundesländer innovative Wege zu gehen. Internationale Kolleg*innen bedauern oft, dass von der Lebens- und Wohnsituation von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und von innovativen Entwicklungen in Deutschland selten etwas in den internationalen wissenschaftlichen Diskursen sichtbar wird. Wir meinen aber feststellen zu können, dass sich das gerade auch durch jüngere Kolleg*innen, die international orientiert sind, verändert und dass die Wohnforschung in Deutschland internationalen Anschluss gewinnt.

Dieses Kapitel möchte dazu beitragen, indem ein deutschsprachiger Überblick über Erkenntnisse, Methoden und Konzepte der internationalen Wohnforschung zu Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung gegeben wird, wie sie in englischsprachigen Überblicksartikeln vielfach zusammengefasst wurden. In der internationalen Forschung wird dabei die Phase der Deinstitutionalisierungsstudien von der Post-Deinstitutionalisierungsphase unterschieden (Kozma et al. 2009). In den 1980er bis hinein in die 2000er Jahre sind zahlreiche Studien zu den Auswirkungen des Auszugs von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung aus großen Wohninstitutionen (Komplexeinrichtungen) in sehr viel kleinere Wohnsettings in den Gemeinden (oft in sog. group homes mit 4–10 Bewohner*innen) durchgeführt worden. Internationale Studien in der Post-Deinstitutionalisierungsphase befassen sich nicht mehr mit den großen Wohninstitutionen/Komplexeinrichtungen, sondern verschiedenartigen kleineren Wohnsettings und nehmen auch organisationale und sozialräumliche Bedingungen, Fachkonzepte u. ä. stärker in den Blick. Der Großteil der in diesem Kapitel zusammengefassten empirischen Untersuchungsergebnisse stammt aus den letzten zehn Jahren und ist der Post-Deinstitutionalisierungsphase zuzuordnen.

FormalPara Untersuchungsfragestellungen

Folgende Fragestellungen sind für die Analyse der internationalen Wohnforschung leitend:

  • Welche Fragestellungen bzw. Hypothesen werden in der bisherigen internationalen Wohnforschung untersucht?

  • Welche Forschungsmethoden werden angewendet und welche Erhebungsinstrumente kommen wie zum Einsatz?

  • Welche Befunde und Ergebnisse zeigen sich und wie können diese gewichtet und bewertet werden?

  • Welche Schlussfolgerungen, Anregungen und Impulse ergeben sich für die Weiterentwicklung der Wohnforschung im internationalen und nationalen Raum?

1 Methodisches Vorgehen

Für die Analyse wurden Überblicksartikel (Reviews) recherchiert, die zwischen 2009 und 2019 in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht worden sind und in denen empirische Studien zu Einflussfaktoren auf die Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im Lebensbereich Wohnen ausgewertet wurden.

Ausgewählt wurden Überblicksartikel, die folgende Kriterien erfüllen:

  • Review-Artikel

  • Personenmerkmale: Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, Erwachsene

  • Veröffentlichung der Ergebnisse in wissenschaftlich anerkannten Zeitschriften

  • Peer-reviewed

  • analog oder digital

  • thematischer Bezug zu Einflussfaktoren auf Lebensqualität oder Teilhabe

Zum einen wurde die Literaturrecherche durch eine Kombination von Schlüsselwörtern in der Fachdatenbank Pubmed realisiert. Zentrale Suchbegriffe waren „review“, „intellectual disability“, „outcome“, „impact“, „quality of life“, „participation“, „living arrangement“ und „accomodation“. Zum anderen dienten Expert*innenwissen, die Recherche bei Researchgate und Google Scholar, die Suche in ausgewählten Fachzeitschriften wie z. B. dem Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities (JARID) sowie das Weiterverfolgen von Verweisen in Literaturlisten gemäß des Schneeballprinzips der Quellensammlung. Insbesondere Übersichtsarbeiten zu Studien aus der Deinstitutionalisierungs- und Post-Deinstitutionaliserungsphase standen im Fokus, da hier die Auswirkungen der veränderten Wohnbedingungen auf verschiedene Dimensionen der Lebensqualität Forschungsgegenstand sind.

1.1 Merkmale der ausgewählten Reviews

Insgesamt konnten acht zentrale Übersichtsarbeiten identifiziert werden, die sich wiederum auf zahlreiche Primärquellen beziehen (Tab. 4.1). Die Arbeiten stammen von Forscher*innen aus Australien, Belgien, Großbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden und den USA und wurden in einem Zeitraum von 10 Jahren zwischen 2009–2019 publiziert. Neben englischsprachigen Artikeln wurde auch ein Review aus den Niederlanden von Van der Putten et al. (2015, 2018) ausgewertet, welcher 2015 auf Niederländisch veröffentlicht wurde und in deutscher Übersetzung 2018 in der Fachzeitschrift Teilhabe. Da dieser Artikel ein spezielles Augenmerk auf Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und komplexen Unterstützungsbedarf legt, wurde er mit aufgenommen.

Tab. 4.1 Übersichtsartikel (Reviews) zum Wohnen von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung im Zeitraum 2009–2019

In den analysierten Reviews werden Forschungserkenntnisse aus dem Zeitraum 1970–2017 zusammengetragen, wobei Studien überwiegen, die nach der Jahrtausendwende publiziert wurden. Die Anzahl der Primärquellen liegt je nach Review zwischen 11 und 95. Zusammengenommen liegt die Zahl bei mindestens 348 Quellen, wobei in zwei von acht Reviews nicht ersichtlich ist, wie viele Primärquellen in die Auswertung eingeflossen sind. Außerdem wird aus den Überblicksartikeln nicht immer deutlich, ob jede der einbezogenen Primärquellen empirische Ergebnisse veröffentlicht.

Bei den Überblicksartikeln handelt es sich mehrheitlich um systematische Reviews (systematic review), d. h. es werden „alle zu einer konkreten Fragestellung vorhandenen Studien nach vorher genau festgelegten Kriterien gesucht, ausgewählt und bewertet.“ (Timmer und Richter 2008, S. 137)

Bigby und Beadle-Brown (2016) haben für ihre Analyse ein anderes, innovatives Vorgehen gewählt und ein sogenanntes realistisches Review (realist review) verfasst. Realistische Reviews finden bei komplexen sozialen Maßnahmen Anwendung, wie sie die professionelle Unterstützung der Teilhabe oft in Kombination mit einem speziellem Wohnsetting darstellt. Ziel ist es zunächst, anhand von Expert*innen ausgewählter Arbeiten in diesem Feld eine Gesamtheit von Wirkungs- und, falls möglich, Erklärungshypothesen zu formulieren, die der Komplexität der Maßnahme gerecht wird. Was funktioniert für wen unter welchen Voraussetzungen und in welcher Hinsicht? Und wieso funktioniert es? In einem zweiten Schritt wird dann gezielt nach Studien gesucht, die auf diese Arbeitshypothesen antworten. Gesucht wird forschungsmethodisch offen nach quantitativen und qualitativen Studien (Bigby und Beadle-Brown 2016; Pawson et al. 2005). Erkenntnisse über die Effektivität von Maßnahmen werden somit differenzierter und können das Unterstützungssetting in positivem Maße beeinflussen.

Thematisch geht es in einem Teil der Reviews allgemein um die Auswirkungen verschiedener Faktoren im unterstützten Wohnen auf die Lebensqualität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (Bigby und Beadle-Brown 2016; Walsh et al. 2010; Bertelli et al. 2013). Dabei werden auch Befunde zu den Auswirkungen der Deinstitutionalisierung berichtet (Kozma et al. 2009; Walsh et al. 2010). In einigen Reviews werden thematische Schwerpunkte gesetzt: Neben dem Einfluss des Wohnsettings werden Erkenntnisse zur Wirkung von Strategien, Konzepten und Maßnahmen der Unterstützung im Wohnkontext zusammengetragen. Zwei Personengruppen werden besonders fokussiert: Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und komplexem Unterstützungsbedarf (Van der Putten et al. 2018) und Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im Alter (Schepens et al. 2019). Ein weiterer thematischer Schwerpunkt liegt auf Einflüssen verschiedenartiger Umweltfaktoren auf die soziale Inklusion von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (Amado et al. 2013; Verdonschot et al. 2009).

Zur Strukturierung der Studienergebnisse greifen die Autor*innen der Reviews mehrheitlich auf die acht Dimensionen der Lebensqualität nach Schalock und Verdugo (2002) zurück. Allein Verdonschot et al. (2009) beziehen sich auf die ICF als Strukturierungsmodel und weisen nachdrücklich auf die Bedeutsamkeit der Analyse von Umweltfaktoren hin.

1.2 Methodisches Vorgehen zur Strukturierung der Variablen

In den Reviews werden zahlreiche Einflussfaktoren auf die verschiedenen Dimensionen von Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung aufgeführt. Um die Zusammenhänge zu strukturieren, wurden die unabhängigen und abhängigen Variablen aus den Reviews kategorisiert.

Die Kategorisierung der unabhängigen Variablen erfolgte aufgrund ihres ökologischen Bezugs. Entsprechend wurden die unabhängigen Variablen vier Kategorien zugeordnet:

  • Merkmale des Individuums: Grad und Komplexität der Beeinträchtigung, Alter, adaptives Verhalten, Hilfsmittel etc.

  • Merkmale des Wohnangebots: Wohnsetting, Wohnlage, Ausstattung etc.

  • Merkmale des Wohndienstes/der Anbieterorganisation: Konzepte, Strategien, Organisationskultur, Kooperationen, finanzielle Ressourcen, Personal, Maßnahmen etc.

  • Merkmale des sozialen Umfelds: soziale Beziehungen, Akzeptanz der lokalen Gemeinschaft etc.

Da in den Reviews – bis auf eine Ausnahme – das Modell der Lebensqualität als Strukturierungsrahmen dient, wurden die abhängigen Variablen mithilfe der Dimensionen der Lebensqualität nach Schalock und Verdugo (2002) kategorisiert: soziale Beziehungen, soziale Inklusion, persönliche Entwicklung, Selbstbestimmung, emotionales Wohlbefinden, physisches Wohlbefinden, materielles Wohlbefinden, Rechte. Um die spezifischen Variablen aus den Reviews den übergeordneten Dimensionen zuordnen zu können, half als Zwischenschritt die Orientierung an Indikatoren. Diese Indikatoren wurden aus verschiedenen Quellen zusammengetragen: die „most common indicators“ der Quality of Life (Schalock et al. 2007, S. 9), Komponenten des Lebensqualitäts-Modells (Dieckmann et al. 2013, S. 15), Kerndimensionen und exemplarische Indikatoren von Lebensqualität (Schäfers 2008, S. 35). Die Variablen aus den Reviews wurden mit den Indikatoren abgeglichen und im nächsten Schritt den Dimensionen der Lebensqualität zugeordnet. Eine mittelbar wirksame Variable für die Lebensqualität und Teilhabe der Zielgruppe ist die Unterstützung durch Mitarbeiter*innen, die in manchen Studien auch als abhängige Variable verwandt wurde. Aus diesem Grund wurde sie neben den Lebensqualitäts-Dimensionen als Kategorie mit aufgenommen.

Die unabhängigen und abhängigen Variablen wurden anschließend als Zeilen- bzw. Spaltenköpfe in einer Matrix (Kreuztabelle) eingetragen. Die in den Reviews benannten Zusammenhänge lassen sich anhand der Zeilen- und Spaltenzuordnung leicht ablesen.

In Abb. 4.1 sind die unabhängigen und abhängigen Variablen kategorial geordnet aufgelistet, die in den Reviews erwähnt werden.

Abb. 4.1
figure 1

Zusammenstellung unabhängiger und abhängiger Variablen aus den Reviews

2 Ergebnisse

2.1 Methodik der Studien

Die Forschungsdesigns der Studien werden in den einzelnen Übersichtsarbeiten unterschiedlich ausführlich beschrieben. In einigen Reviews sind die Primärquellen tabellarisch samt Angaben zum Forschungsdesign, zu den Stichprobengrößen und teilweise zu Erhebungsinstrumenten aufgeführt (Kozma et al. 2009; Verdonschot et al. 2009; Schepens et al. 2019). Die Autor*innen der Reviews weisen auch darauf hin, dass die Forschungsmethoden in den Primärquellen nicht immer deutlich beschrieben werden und es selten eine Einschätzung zur Limitation der Forschungserkenntnisse gibt. Bei Amado et al. (2013) oder Bertelli et al. (2013) finden sich wenige bis gar keine Informationen zu den Forschungsdesigns der einbezogenen Studien.

Die Mehrheit der Studien zu Einflussvariablen auf die Teilhabe und Lebensqualität von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen arbeitet mit quantitativen Fragebogenerhebungen. Im Rahmen von Mixed-Methods Designs werden quantitative Daten hauptsächlich mit qualitativen Interviewdaten ergänzt (Schepens et al. 2019). Quantitative oder qualitative Beobachtungstudien sind aufwendig und werden (zu) selten durchgeführt (Felce 2000).

Insgesamt werden Querschnitts- und Längsschnittdesigns laut Kozma et al. (2009, S. 194) etwa gleich häufig durchgeführt. Je nach Themenbereich gibt es jedoch eine deutliche Präferenz: Studien zur sozialen Inklusion sowie Selbstbestimmung (bzw. Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten) verwenden überwiegend Querschnittsdesigns. Studien zum adaptiven Verhalten werden hingegen vorwiegend als Längsschnitt angelegt (Kozma et al. 2009).

Längsschnittuntersuchungen zur Deinstitutionalisierung wurden meistens ohne Vergleichsgruppen durchgeführt (Walsh et al. 2010). Wohnstudien in der Post-Deinstitutionalisierungsphase arbeiten dagegen stärker mit Vergleichsgruppen oder statistischen Kontrollverfahren, um den Einfluss von Drittvariablen einzuschätzen.

Laut Verdonschot et al. (2009) liegt der Mehrheit der untersuchten Studien kein theoretisches Rahmenkonzept zugrunde. Mit Ausnahme einiger größerer Studien umfassen die Stichproben meistens weniger als 100 Personen (Kozma et al. 2009, S. 194; Verdonschot et al. 2009; Schepens et al. 2019; Walsh et al. 2010).

Einige Autor*innen weisen auf den Mangel an partizipativer Forschung hin. Menschen mit Beeinträchtigung haben kaum bzw. gar keinen Einfluss auf die Planung der Forschungsmethoden (Kozma et al. 2009). Bei der Befragung von Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf werden in der Regel Proxy-Befragungen durchgeführt. Stellvertretend antworten professionelle Assistenzpersonen, Familienangehörige oder Freunde. Eine Triangulation dieser Sichtweisen in einer Untersuchung findet selten statt. Nur eine geringe Zahl an Studien fokussiert überhaupt diesen Personenkreis (Schepens et al. 2019).

In den Reviews werden nur vereinzelt Erhebungsinstrumente aufgeführt. Neben einer tabellarischen Sammlung von Instrumenten zur Erhebung der sozialen Inklusion (Verdonschot et al. 2009) finden sich Hinweise auf Instrumente zur Ermittlung der adaptiven Fähigkeiten von Menschen mit Beeinträchtigung. Die Ausprägung der adaptiven Fähigkeiten der Teilnehmer*innen werden in den Studien zur Einschätzung des untersuchten Personenkreises herangezogen. Bei den verwendeten Messinstrumenten handelt es sich in erster Linie um die Adaptive Behavior Scale (ABS) bzw. deren Kurzform (SABS) (Hatton et al. 2001). Darüber hinaus kommt auch das Adaptive Behaviour Assessment System (ABAS) zum Einsatz (Zurbriggen et al. 2017). International gebräuchliche Instrumente werden im Kap. 4 näher beschrieben.

2.2 Überblick über die benannten Einflussfaktoren aus den Primärquellen

Welche Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung werden durch welche Faktoren beeinflusst? In den acht Reviews finden sich am häufigsten Aussagen zu Einflüssen auf das emotionale Wohlbefinden (inklusive herausforderndem Verhalten) (n = 129), die soziale Inklusion (z. B. Aktivitäten im Gemeinweisen) (n = 118), interpersonale Beziehungen (z. B. soziale Netzwerke) (n = 98) und die persönliche Entwicklung (n = 94) von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Einflüsse auf die Rechte (z. B. Privatsphäre) (n = 16) und das materielle Wohlbefinden (n = 26) sind seltener untersucht worden (Abb. 4.2).

Abb. 4.2
figure 2

Anzahl der Aussagen zu untersuchten Einflussfaktoren (unabhängige Variablen – UV) auf LQ-Domänen (abhängige Variablen)

Die überwiegende Mehrheit der Aussagen thematisiert, wie organisationale Aspekte des Wohnangebots sich auf die Lebensqualität bzw. Teilhabe von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung auswirken und insbesondere auf ihr emotionales Wohlbefinden (Abb. 4.2 und 4.3).

Abb. 4.3
figure 3

Anteile der Aussagen zu untersuchten Einflussfaktoren (unabhängige Variablen, zusammengefasst in Kategorien) auf Lebensqualität und Teilhabe (N = 751)

Am häufigsten werden als organisationale Faktoren Arbeitsweisen bzw. Interventionen der direkt unterstützenden Mitarbeiter*innen erwähnt. Zwei Reviews widmen sich ausschließlich Interventionen im Unterstützungskontext. Schepens et al. (2019) führt dabei zahlreiche Erkenntnisse zum Einfluss von Interventionen auf die Lebensqualität im Alter auf.

Vergleichsweise häufig wird der Einfluss der von Wohndiensten angewandten Fachkonzepte (wie z. B. Active Support oder Personenzentrierung), die Personalbesetzung und Personalfluktuation sowie die Wirkung von Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen untersucht.

Konzeptionen und Strategien auf der Organisationsebene, die Organisationskultur in Wohndiensten sowie Kooperationen und Vernetzung der Wohndienste mit externen Akteuren werden in den Reviews kaum aufgeführt. Auch die Arbeitsweise und Qualifikation von Leitungspersonen in Wohneinrichtungen wird selten betrachtet. Eine Ausnahme stellt hier der Übersichtsartikel von Bigby und Beadle-Brown (2016) dar, der bezogen auf das Fachkonzept der aktiven Unterstützung (Active Support) die Auswirkungen von Leitungshandeln auf die direkt unterstützenden Mitarbeiter*innen beleuchtet.

In den Reviews werden wenige Erkenntnisse zum Einfluss des sozialen und räumlichen Umfelds auf die Lebensqualität aufgeführt. Vereinzelte Aussagen beziehen sich auf die Bedeutung familiärer Beziehungen und den Einfluss des lokalen Gemeinwesens für die soziale Inklusion.

Individuell differenzierende Merkmale, wie z. B. der Grad der Beeinträchtigung, werden vor allem im Hinblick auf die soziale Inklusion berichtet.

2.3 Erkenntnisse zu vier thematischen Schwerpunkten

Die Analyse der acht Reviews macht das äußerst komplexe Zusammenspiel von sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren auf die Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sichtbar. Es fehlt an Rahmentheorien (frameworks), die die verschiedenen Zusammenhänge im Lebensbereich Wohnen ordnen und verorten (Bigby und Beadle Brown 2016, S. 183). U. E. könnten die sozial-ökologischen Rahmentheorien von Urie Bronfenbrenner (1990) oder Rudolf Moos (2017) hier hilfreich Anwendung finden.

Die Analyse der Übersichtsartikel offenbart besonders viele, differenzierte und relevante Erkenntnisse zu folgenden Fragestellungen:

  • Welche Faktoren wirken sich wie auf die soziale Inklusion von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung aus?

  • Welchen Einfluss hat das Wohnangebot auf die Lebensqualität der Personengruppe?

  • Welchen Einfluss haben welche Arbeitsweisen und Interventionen der direkt unterstützenden Assistenzpersonen auf die Lebensqualität?

  • Welchen Einfluss haben Fachkonzepte auf die Lebensqualität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung?

Der aktuelle internationale Erkenntnisstand zu diesen Fragestellungen wird dargestellt.

Cluster 1: Soziale Inklusion

Den Untersuchungen mangelt es nach wie vor an einer einheitlichen Definition von sozialer Inklusion. In englischsprachigen Publikationen werden verschiedene Begrifflichkeiten verwendet, die in den Untersuchungen nicht klar voneinander abgegrenzt werden (Abb. 4.4). Der englische Begriff Community ist mehrdeutig. Unter Community kann z. B. das Gemeinwesen, eine Gemeinschaft mit gleichen Interessen, die Bewohnerschaft eines Stadtteils oder einer Nachbarschaft oder eine soziokulturelle Gruppe verstanden werden.

Abb. 4.4
figure 4

Synonyme Begriffe für soziale Inklusion in internationalen Studien mit deutscher Übersetzung

Wie sich diese Begrifflichkeiten voneinander abgrenzen, wird in den wissenschaftlichen Untersuchungen jedoch nicht diskutiert. Amado et al. (2013) weisen darauf hin, dass es an einheitlichen Indikatoren mangelt, die Aufschluss darüber geben, wie gut eine Person in das lokale Gemeinwesen inkludiert ist. In Zeiten der Deinstitutionalisierungsstudien lag der Fokus eher auf der physischen Inklusion im örtlichen Sozialraum. Untersucht wird, wie häufig bestimmte Orte im Sozialraum aufgesucht werden oder wie viele Sozialkontakte eine Person (Freunde, Bekanntschaften usw.) dort hat (Amado et al. 2013, S. 360 f.). Vernachlässigt wird die Qualität der Kontakte und Beziehungen. Ein anderer Ansatz zur Messung sozialer Inklusion ist, im Sinne der Selbstbestimmung zu fragen, ob eine Person mit Beeinträchtigung, auch wenn sie außerhalb der Wohnung auf Unterstützung angewiesen ist, die Möglichkeit und Erlaubnis hat, „spontan“ wie andere Menschen in der Allgemeinbevölkerung auch das Wohngebäude zu verlassen und etwas zu unternehmen (Amado et al. 2013). Inwieweit kann die Person ohne langzeitige Vorplanung außerhäusliche Aktivitäten wahrnehmen und Kontakte pflegen?

Soziale Inklusion ist eng mit der Einbindung in Aktivitäten verbunden, sei es inner- oder außerhäuslich (engagement in activity).

„The central concern is with individuals’ interaction with their material and social worlds. Behavior reflecting adaptive functioning, irrespective of the person or context, is characterized by the extent to which the individual is actively engaged with (attending to, interacting with, participating in) his or her environment.“ (Felce 2000, S. 174)

Was wirkt sich wie auf die soziale Inklusion einer Person aus?

Merkmale des Individuums: In vielen Studien wird der Zusammenhang zwischen dem Grad der Beeinträchtigung, dem Alter und der sozialen Inklusion untersucht. Der Einfluss individueller Faktoren, auch von adaptiven Fähigkeiten (u. a. sozialen und kommunikativen Kompetenzen), ist erheblich: Mit steigendem Grad der Beeinträchtigung und im hohen Alter sinkt die Häufigkeit und Vielfalt der Teilnahme einer Person am Gemeinwesen (Amado et al. 2013, S. 363 f.; Verdonschot et al. 2009, S. 58; Kozma et al. 2009, S. 195).

Selbstbestimmung: Die Möglichkeit, selbst zwischen Alternativen zu wählen und Entscheidungen zu treffen, sowie die Förderung dieser Fähigkeit korrelieren positiv mit dem Ausmaß sozialer Inklusion. Die Wahl bei täglichen Aktivitäten ist mit einem höheren Maß an Teilhabe im Gemeinwesen verbunden. Wird die Entscheidungsfindung aktiv vom Umfeld unterstützt, wirkt sich dies zusätzlich positiv aus (Verdonschot et al. 2009, S. 61).

Mobilität: Es ist besonders entscheidend, welche Möglichkeiten es für einen Menschen mit Beeinträchtigung gibt, im Sozialraum und darüber hinaus mobil zu sein. Dies mag zum einen von den lokomotorischen Fähigkeiten und der Verkehrssicherheit einer Person abhängen. Daneben spielen Umweltfaktoren in punkto Mobilität eine wichtige Rolle, z. B. die Verfügbarkeit von Transportdiensten sowie deren Regelmäßigkeit, auch anfallende Kosten und barrierefreie Informationsmaterialien zu Transportleistungen (Amado et al. 2013, S. 362 f.; Schepens et al. 2019, S. 510; Verdonschot et al. 2009, S. 61). Bei gemeinsamen Fahrten kann das Angewiesensein auf andere Nutzer*innen die Teilhabemöglichkeiten dämpfen (Amado et al. 2013, S. 362). Öffentliche Verkehrsmittel sind u. a. aufgrund einer schlechten Anbindung oder mangelnder Barrierefreiheit nicht für jeden attraktiv. Die Lage des Wohnsettings ist ebenfalls mitentscheidend: Sind Haltestellen des ÖPNV, Geschäfte, Arbeits- und Freizeiteinrichtungen sowie Erholungsmöglichkeiten nicht in der Nähe erreichbar, beeinträchtigt dies die Teilhabemöglichkeiten (Schepens et al. 2019, S. 499; Verdonschot et al. 2009, S. 61).

Hinsichtlich des Wohnsettings ist vielfach belegt, dass eine stärkere Beteiligung an Aktivitäten im Gemeinwesen in kleineren, weniger institutionellen Settings messbar ist (Walsh et al. 2010, 140; Bertelli et al. 2013, S. 226; Kozma et al. 2009, S. 195; Amado et al. 2013, S. 363; Verdonschot et al. 2009, S. 61). Gleichzeitig zeigt sich, dass beim Alleine-Wohnen mit ambulanter Unterstützung die Gefahr der sozialen Isolation real vorhanden ist. Es kann z. B. sein, dass jemand selten oder nie soziale Aktivitäten mit Menschen ohne Beeinträchtigung teilt (Bertelli et al. 2013, S. 225 f.). Diese Zusammenhänge werden in Cluster 2 ausführlicher dargestellt.

Die Einstellung von Mitarbeiter*innen ist zu beachten: Eine positive Einstellung von Mitarbeiter*innen korreliert signifikant mit einer stärkeren Beteiligung der Klient*innen an Aktivitäten im Gemeinwesen (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 190; Verdonschot et al. 2009, S. 62). Dabei ist auch entscheidend, ob Mitarbeiter*innen in ihrer Freizeit selbst vielfältigen Aktivitäten nachgehen. Tun sie dies, wirkt es sich positiv auf ihr Engagement für Freizeitaktivitäten bei Bewohner*innen aus und auf die Auswahl von Angeboten, die sie eröffnen (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 190). Wenn sich das Personal für die Initiierung von inner- und außerhäuslichen Aktivitäten nicht verantwortlich fühlt, wirkt sich das negativ auf die soziale Inklusion der Klient*innen aus (Schepens et al. 2019, S. 510). Wenn es um die Unterstützung von älter werdenden Menschen mit Beeinträchtigung geht, können traditionelle, allzu starre Vorstellungen vom Altern bei Mitarbeiter*innen die Unterstützung zum Beispiel bei Aktivitäten in den Gemeinden oder der Pflege „externer“ Beziehungen beeinflussen (Schepens et al. 2019, S. 509).

Folgende Arbeitsweisen und Interventionen der direkt unterstützenden Mitarbeiter*innen haben einen positiven Einfluss auf die soziale Inklusion von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung:

  • eine individuelle Planung im Sinne der Personenzentrierung, spezifiziert für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (Schepens et al. 2019, 504; Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 189)

  • Strategien zur Förderung der Unabhängigkeit, z. B. durch die Fokussierung individueller Wünsche und dem Aufzeigen von Alternativen (Schepens et al. 2019, S. 502)

  • die Aufmerksamkeit für und die Unterstützung von inner- und außerhäuslichen Aktivitäten (Schepens et al. 2019, S. 509; Amado et al. 2013, S. 363; Verdonschot et al. 2009, S. 60).

  • die Förderung von Interaktionen im sozialen Umfeld (z. B. durch praktische Informationen und Unterstützung anderer Personen im Sozialraum) und der Aufbau und die Pflege von sozialen Netzwerken (Amado et al. 2013, S. 364; Verdonschot et al. 2009, S. 61; Schepens et al. 2019, S. 502–509).

  • Gerade für außerhäusliche Aktivitäten ist die Akzeptanz im lokalen Gemeinwesen ausschlaggebend für den Grad der sozialen Inklusion. Negative Vorbehalte und Hemmnisse der Menschen in der Allgemeinbevölkerung können die gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung deutlich einschränken (Bertelli et al. 2013, S. 227; Verdonschot et al. 2009, S. 62).

  • Mitarbeiter*innen, die nicht ausschließlich in routinierten Abläufen denken und nach festgefügten Tagesplänen arbeiten, sondern eine gewisse Flexibilität für Aktivitäten, die sich im Alltag ergeben, mitbringen (Schepens et al. 2019, S. 508).

  • Kognitive Hilfsmittel wie Zeitpläne oder andere Zeithilfen können Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung Unterstützung bieten (Schepens et al. 2019, S. 508), um sich im Tagesablauf orientieren und Aktivitäten nachgehen zu können.

  • In der Lebensphase Alter hat die Förderung der sozialen Inklusion mit dem Beginn des Ruhestandes einen besonderen Stellenwert. Programme und Interventionen, die ein aktives Altern und die Aufrechterhaltung von bevorzugten Aktivitäten fördern, wirken sich positiv aus (Schepens et al. 2019, S. 484 f.).

  • Berücksichtigung von Transportmöglichkeiten für die Planung von außerhäuslichen Aktivitäten – ebenso wie der Einsatz des Personals. Wenn die Mobilität der Person sowie die personelle Unterstützung der Aktivität nicht gewährleistet ist, steht dies der Teilnahme an Aktivitäten im Wege und limitiert im Umkehrschluss die Möglichkeiten sozialer Inklusion (Schepens et al. 2019, S. 510).

Die informelle soziale Unterstützung, die vor allem Angehörige der Herkunftsfamilie bieten, fördert die soziale Inklusion (Verdonschot et al. 2009, S. 60). Verschiedene Untersuchungen bestätigen den positiven Effekt familiärer Kontakte (Verdonschot et al. 2009, S. 60; Kozma et al. 2009, S. 196; Amado et al. 2013, S. 363). Haben Familienmitglieder jedoch selbst ein hohes Alter und Unterstützungsbedarf, schränkt das die Teilnahme an Aktivitäten und Sozialkontakte ein (Schepens et al. 2019, S. 510).

Cluster 2: Wohnangebot

Unterstützte Wohnsettings werden unterschiedlich bezeichnet und klassifiziert, was die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Studienergebnissen erschwert. Kozma et al. (2009) hat Gemeinsamkeiten in Studien bei der Definition von „Institution“ und „Community-based service“ herausgearbeitet. Studien kommen darüber überein, dass Wohninstitutionen sich durch die Größe (Anzahl der Bewohner*innen), die atypische Wohnarchitektur, die räumliche Abgetrenntheit vom lokalen Gemeinwesen sowie eine stark geregelte, restriktive Wohnumwelt auszeichnen. Im Gegensatz dazu kennzeichnet „Community based“ eine Vielzahl an Wohnmöglichkeiten, die innerhalb von Stadtteilen oder kleineren Kommunen angesiedelt sind: „clustered housing“, bei dem mehrere Wohngruppen oder viele Apartments in einem Gebäude oder auf einem Gelände gebündelt sind (gruppengegliederte Wohnheime, Apartmenthäuser für Menschen mit Beeinträchtigung); „dispersed housing“ – Wohngemeinschaften oder Apartments, die im Stadtteil verteilt sind; sog. „group homes“ und das „independent supported living“ – das ambulant unterstützte Wohnen in der eigenen Wohnung (Kozma et al. 2009). „Group homes“ sind normale oder speziell für Menschen mit Beeinträchtigung gebaute Wohnhäuser oder Wohnungen für idealerweise 4–6 Bewohner*innen, die bei Bedarf 24 h und 7 Tage in der Woche von professionellen Assistenzpersonen unterstützt werden (Clement und Bigby 2010, S. 15). „Group homes“ sind z. B. in Australien, Skandinavien, Großbritannien und Nordamerika sehr verbreitet und das Haupt- oder zumindest ein Standardwohnangebot für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und hohem Unterstützungsbedarf. Viele Untersuchungen fokussierten lange Zeit den Einfluss der Größe eines Wohnangebots (Anzahl der Bewohner*innen) und weniger andere strukturelle oder organisatorische Merkmale eines Wohnangebots (auch Kozma et al. 2009, S. 194). Wenn im Weiteren von kleineren gemeindebasierten Wohnsettings die Rede ist, sind damit „group homes“ (Außenwohngruppen oder (intensiv) ambulant betreute Wohngemeinschaften), das in einem Gebiet verteilte Apartmentwohnen bzw. das ambulant unterstützte Wohnen alleine oder zu zweit in einer Wohnung gemeint. Das Wohnen in der Herkunftsfamilie mit professioneller Unterstützung wird kaum thematisiert.

Auf der Basis zahlreicher Studien konstatieren die Reviews durchgehend einen deutlich positiven Einfluss kleinerer gemeindebasierter Wohnsettings auf verschiedene Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Ein kleineres, gemeindebasiertes Setting wirkt sich positiv auf ihre Beteiligung an Aktivitäten (engagement in activities) und soziale Inklusion aus (Kozma et al. 2009, S. 195; Walsh et al. 2010, S. 140 f.; Verdonschot et al. 2009, S. 61; Amado et al. 2013, S. 363). Für die Partizipation im Gemeinwesen ist zudem die geografische Lage des Wohnsettings relevant. Vorteile bieten Lagen in Wohngebieten, die sich in der Nähe von zentralen Einrichtungen eines Stadtteils bzw. einer Kommune sowie Geschäften und Dienstleistern für den täglichen Bedarf befinden, die an öffentliche Verkehrsmittel gut angebunden sind sowie schnell und einfach erreicht werden können von Angehörigen und Freund*innen (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 192).

Je größer das Wohnsetting ist, desto geringer ist das Maß an Beteiligung an Aktivitäten. Zurückzuführen ist dies z. T. auch auf eine oft geringere Personalquote und weniger intensive individuelle Beziehungen zwischen Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen in größeren Settings (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 191; Schepens et al. 2019, S. 501).

Kleinere gemeindebasierte Wohnsettings können einen deutlich positiven Einfluss auf die sozialen Beziehungen haben. Viele Studien zeigen, dass Menschen mit Beeinträchtigung, die in kleineren gemeindebasierten Wohnsettings leben, mehr Freundschaften inner- und außerhalb des Hauses und größere soziale Netzwerke haben als Menschen, die in größeren Settings leben (Kozma et al. 2009, S. 195 f.; Walsh et al. 2010; Amado et al. 2013). Allerdings wird auch auf einen Teil der Personen hingewiesen, die allein in der eigenen Mietwohnung mit ihrer Wohnsituation und sozialen Zugehörigkeit nicht zufrieden sind. Das Gefühl der sozialen Isolation sei größer als zu der Zeit, als sie bei ihrer Familie oder in Wohneinrichtungen gelebt haben. Für viele alleinlebende Betroffene seien soziale Aktivitäten mit Menschen ohne Beeinträchtigung aus dem Umfeld selten oder gar nicht existent (Bertelli et al. 2013, S. 225 f.). Einsamkeit entsteht dann, wenn die sozialen Bedürfnisse des Individuums nach Kontakt, Kommunikation, Anschluss und Liebe nicht durch die verfügbaren sozialen Beziehungen befriedigt werden. Einsam fühlen sich genauso häufig Menschen mit Beeinträchtigung in Wohneinrichtungen wie solche, die allein leben. Die Einsamkeit alleinlebender Menschen mit Beeinträchtigung hängt häufig mit einer Unsicherheit zusammen, soziale Interaktionen und Kontakte im Gemeinwesen anzustoßen, sich auf sie einzulassen und sie zu pflegen (Kozma et al. 2009, S. 197). Die Häufigkeit des Kontakts zu Familienangehörigen korreliert erheblich mit der Entfernung des Wohnangebots zum Wohnort der Familienmitglieder. Familiäre Kontakte finden häufiger statt, wenn die Person mit Beeinträchtigung in einem kleineren Wohnsetting lebt. Gerade das Wohnen in großen institutionellen Settings ist im Mittel mit weniger Familienkontakten verbunden (Kozma et al. 2009, S. 197).

Einflüsse der Gestaltung von Wohngebäuden und der Wohnräume wurden im Gegensatz zur früheren Forschung zu Wohninstitutionen in den jüngeren Studien zum Wohnen nur vereinzelt untersucht. Ein gutes Raumprogramm und ein guter Grundriss, eine ansprechende und dem kulturell üblichen Wohnen entsprechende Architektur, eine angemessene Ausstattung der Räume, die Verfügbarkeit über private Räume und Einrichtungsgegenstände, die Möglichkeit der Aneignung privater wie gemeinschaftlicher Räumlichkeiten durch Gestaltung wirken sich positiv aus (Bertelli et al. 2013, S. 226; Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 192). Eine ästhetisch wenig ansprechende Gestaltung, eine schlechte Erschließung und Anordnung von Räumen in einem Wohnhaus bzw. in einer Wohnung, nicht dem Bedarf entsprechende Räumlichkeiten und die Bereitstellung zu kleiner privater Räume (z. B. ohne Stauraum) wirken sich negativ auf die persönliche Entwicklung der Bewohner*innen aus (Schepens et al. 2019, S. 509).

Das Wohnen in kleinen gemeindebasierten Wohnsettings bietet mehr Möglichkeiten der Selbstbestimmung, d. h. mehr Auswahlmöglichkeiten und eine stärkere Partizipation an Entscheidungsprozessen (Kozma et al. 2009, S. 199; Bertelli et al. 2013, S. 226; Walsh et al. 2010, S. 140; Schepens et al. 2019, S. 499; Bigby und Beadle-Brown 2016). Es ermöglicht einen weniger durch Routinen zeitlich starr festgelegten Alltag. Entscheidungen für Aktivitäten können von Tag zu Tag, spontaner und kurzfristiger getroffen werden. Dies wird durch ein personenzentriertes Management gefördert und wirkt sich u. a. positiv auf die persönliche Entwicklung der Betroffenen aus (z. B. den Kompetenzerwerb, die Ausbildung von Präferenzen und Entwicklung eines eigenen Lebensstils (Schepens et al. 2019, S. 499 & 501)). Die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung werden in kleineren Wohnsettings besser gewährleistet, z. B. durch die Schaffung und Einhaltung der Privatsphäre eines Bewohners/einer Bewohnerin (Bertelli et al. 2013, S. 226).

Für die Selbstbestimmung förderlich ist gerade für älter werdende Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung die Anpassung der Wohnumgebung zur Beseitigung von Barrieren und zur Sturzprävention. In diesem Zusammenhang wirkt sich zudem die motivierende Beratung, die Anschaffung, das Trainieren mit und die Nutzung von Hilfsmitteln, die funktionale und körperliche Beeinträchtigungen kompensieren, nachgewiesen positiv auf die Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung aus – u. a. Mobilitätshilfen (Rollstuhl, Gehhilfe etc.), kognitive Hilfsmittel (Zeitschaltuhr, Zeitpläne etc.) (Schepens et al. 2019, S. 499).

Bei allen positiven Aspekten zum Einfluss kleinerer gemeindebasierter Wohnsettings auf verschiedene Dimensionen der Lebensqualität darf die Perspektive von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und komplexem Unterstützungsbedarf – sei es aufgrund einer starken intellektuellen Beeinträchtigung oder zusätzlicher gravierender körperlicher Beeinträchtigungen – nicht vernachlässigt werden. Die Lebensqualität dieses Personenkreises verbessert sich nicht in gleichem Umfang wie bei anderen durch das Wohnen in einem kleineren gemeindebasierten Setting. Ob Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf profitieren, liegt entscheidend in der Hand der Mitarbeiter*innen, die die neuen lokalen Möglichkeiten und Freiräume für und mit den Personen erschließen müssen (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 192).

Die Auswirkungen der Deinstitutionalisierung auf die adaptiven Fähigkeiten von Menschen mit Beeinträchtigung sind nicht eindeutig. In einigen Studien kam es durch den Umzug in ein weniger institutionelles Setting zu erheblichen Verbesserungen der adaptiven Fähigkeiten. Positive Einflussfaktoren sind hier eine geringe Setting-Größe, die Attraktivität und die Stimulation (Aufforderungscharakter) der physischen Umgebung sowie die Möglichkeit zu selbstbestimmten Entscheidungen (Kozma et al. 2009, S. 204). In anderen Studien beschränkt sich der positive Einfluss kleinteiliger Wohnsettings auf begrenzte Fähigkeitsbereiche, wiederum andere konnten keine Verbesserung von adaptiven Fähigkeiten feststellen (Bertelli et al. 2013, S. 224; Kozma et al. 2009, S. 204). Die Erfolge scheinen jedoch auch vom Grad der Beeinträchtigung abhängig zu sein. So finden sich einige Belege dafür, dass sich die adaptiven Fähigkeiten von Menschen mit schwer intellektueller Beeinträchtigung durch die Deinstitutionalisierung stärker verbesserten als die von Menschen mit einer leichten oder mittleren intellektuellen Beeinträchtigung (Kozma et al. 2009, S. 204).

Die Auswirkungen des Wohnsettings auf das emotionale Wohlbefinden zeigen ebenfalls kein eindeutiges Bild. Obwohl es auch positive Effekte gibt (Schepens et al. 2019; Bertelli et al. 2013), zeigt sich, dass die Deinstitutionalisierung, d. h. der Umzug in ein weniger institutionelles, gemeindebasiertes Wohnsetting z. B. nicht zwangsläufig zu einer Reduktion des herausfordernden Verhaltens führt (Kozma et al. 2009; Walsh et al. 2010). Es ist manchmal auch eine Verschlechterung des Verhaltens und der psychischen Gesundheit eingetreten (Kozma et al. 2009, S. 204; Bertelli et al. 2013, S. 223; Schepens et al. 2019, S. 509). Die Vermutung liegt nahe, dass die unterschiedlichen Ergebnisse zu den Auswirkungen eines Umzugs auf herausfordernde Verhaltensweisen u. a. auf die Verwendung verschiedener Erhebungsmethoden zurückzuführen sind. Kozma et al. (2009, S. 204) fasst zusammen, dass in einigen Untersuchungen nach dem Umzug das Niveau des herausfordernden Verhaltens bei der Messung mit standardisierten Instrumenten gleich blieb, während bei einer direkten Beobachtung Veränderungen in der Häufigkeit und Art des herausfordernden Verhaltens erkennbar waren. Auch ist die Dauer des Follow-up von Bedeutung. Umzüge sind stressreiche Übergänge, in denen Menschen mit Beeinträchtigung auch auf geübte herausfordernde Verhaltensweisen zurückgreifen, um in einer neuen Umgebung zurechtzukommen und sich zu stabilisieren. Erst längere Zeit nach dem Einzug tritt ein gewohnter neuer Wohnalltag ein. Insbesondere krisenhafte Umzüge in ein neues Wohnsetting, die von anderen Personen (z. B. rechtliche Betreuer, Angehörige, Assistenzpersonen) beschlossen werden und häufig mit dem Zerbrechen bestehender sozialer Netzwerke einhergehen, haben einen negativen Einfluss auf das emotionale Wohlbefinden, die Selbstbestimmung und die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung (Schepens et al. 2019, S. 501 & 509).

Allgemein förderlich für das emotionale Wohlbefinden wirkt eine friedliche, familiäre und unterstützende Wohnumgebung, in der die Person die Sicherheit hat, auch im Alter und bei steigendem Unterstützungsbedarf wohnen bleiben zu können, wenn sie das möchte (Schepens et al. 2019, S. 505).

Zum Einfluss des Wohnsettings auf das physische Wohlbefinden gibt es zahlreiche, aber auch gegensätzliche Erkenntnisse. Bisher sind vor allem die medizinische Versorgung, die Häufigkeit von Krankheiten und die Sterblichkeitsrate untersucht worden. Deinstitutionalisierungsstudien haben gezeigt, dass kleinere gemeindebasierte Wohnsettings die medizinischen und pflegerischen Versorgungsstrukturen oft nicht ausreichend vor Ort erschließen konnten, die in größeren Wohninstitutionen selbst vorgehalten wurden. Bei Untersuchungen zur Sterblichkeit und zu Erkrankungen ist zu berücksichtigen, dass das Alter und der Grad der Beeinträchtigung von Bewohner*innen in großen Wohninstitutionen höher ist als in den jüngeren alternativen Wohnformen (Thimm et al. 2019).

Cluster 3: Arbeitsweisen und Interventionen direkt unterstützender Assistenzpersonen

Die direkt unterstützenden Assistenzpersonen haben eine zentrale Rolle für das Wohnen und die Lebensführung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Ihre Arbeitsweise und ihr persönliches Engagement schlagen sich in verschiedenen Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung nieder. Eine bedürfnisorientierte Arbeit zur Förderung der Selbstbestimmung wirkt nachweislich positiv. Dazu gehört die Konzentration auf die Wünsche der Bewohner*innen, die Ermöglichung und Befähigung zur Selbstbestimmung bei großen langfristigeren wie kleinen alltäglichen Entscheidungen, z. B. auch durch das Öffnen von Wahlalternativen (Amado et al. 2013, S. 363; Schepens et al. 2019, S. 503). Wenn Vorstellungen der Assistenzpersonen, z. B. darüber, wo und mit wem jemand wohnen soll, über die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner*innen gestellt werden, beeinträchtigt dies deren Selbstbestimmungsmöglichkeiten in besonderem Maße (Bertelli et al. 2013, S. 224).

Entscheidend scheint zu sein, ob Assistenzpersonen Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Initiierung und Weiterführung von Aktivitäten und sozialen Kontakten direkt unterstützen (Verdonschot et al. 2009, S. 61; Schepens et al. 2019, S. 502; Amado et al. 2013, S. 363). Werden inner- und außerhäusliche Aktivitäten nicht gefördert, wirkt sich dies nachweislich negativ auf die persönliche Entwicklung von älteren Menschen mit Beeinträchtigung aus. Gründe für eine mangelnde Förderung sind z. B.: Assistenzpersonen arbeiten nicht personenorientiert und zeitlich vorausschauend, sondern „Sachzwängen“ folgend. Oder sie möchten die Verantwortung nicht übernehmen und übertragen stereotype Altersbilder auf Bewohner*innen (Schepens et al. 2019, S. 509 f.). Stattdessen fördert die Konzentration auf einen aktiven Lebensstil und ein aktives Altern die Lebensqualität, indem z. B. individuelle Tagespläne gemeinsam mit Aktivitäten gefüllt und Gewohnheiten und Fähigkeiten aufrechterhalten und gefördert werden (Schepens et al. 2019, S. 502).

Werden Assistenzpersonen im Unterstützungskontext mehrere Verantwortungen gleichzeitig zugewiesen, verursacht dies Stress und ein mangelndes Wohlbefinden beim Personal, was wiederum negative Auswirkungen auf die Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung hat (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 189).

Unterstützung im Alter: Werden Menschen mit Beeinträchtigung älter und der Unterstützungsbedarf steigt, wirken sich Entscheidungen z. B. zum Umzug, dem Tagesprogramm oder dem Ruhestand deutlich negativ aus, wenn sie ausschließlich von Mitarbeiter*innen sowie Familienangehörigen getroffen werden, anstatt von den betroffenen Menschen mit Beeinträchtigung selbst (Schepens et al. 2019, S. 503). Einen positiven Effekt haben hingegen eine rechtzeitige zukunftsorientierte Planung und intensive Prüfung alternativer Optionen, wenn ein krisenhafter Umzug verhindert und die Lebensqualität erhalten oder verbessert werden soll. Um langfristig unterstützungsbedingte Umzüge zu vermeiden, ist ein effektives Anpassen von Gebäuden und Wohnungen mit Blick auf das Älterwerden förderlich (Schepens et al. 2019, S. 500). Wenn ein Umzug nicht zu verhindern ist, sollte er möglichst langsam realisiert und wichtige bestehende Kontakte gepflegt und somit aufrechterhalten werden. Beeinträchtigt wird dies durch mangelnde Transportmöglichkeiten, ein bereits hohes Alter und einen schlechten Gesundheitszustand der Person mit Beeinträchtigung sowie durch einen Mangel an Personal und an finanziellen Mitteln (Schepens et al. 2019, 510). Neben bestehenden Kontakten ist gleichzeitig auch der Aufbau neuer sozialer Netzwerke in der neuen Umgebung essentiell. Die Unterstützung dieser Kontakte, z. B. durch die Einbeziehung von Familienangehörigen, Freunden oder Ehrenamtlichen in und über Aktivitäten, leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Förderung des emotionalen Wohlbefindens, der persönlichen Entwicklung, interpersoneller Beziehungen und der sozialen Inklusion (Schepens et al. 2019, 504). Bei einem Umzug ist es für das emotionale Wohlbefinden wesentlich, der Person mit Beeinträchtigung in erster Linie Zeit zu geben, um sich an die Veränderungen zu gewöhnen und sich daran anpassen zu können (Schepens et al. 2019, 501).

Eine auf Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung spezialisierte Unterstützung spielt für deren Lebensqualität im Alter eine wichtige Rolle. Bilden sich Unterstützungskräfte über das Älterwerden von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung oder deren Begleitung am Lebensende (inklusive ihrer palliativen Versorgung) fort, steigerte das die Zufriedenheit der Klient*innen (emotionales Wohlbefinden; Schepens et al. 2019, S. 508). Das Sprechen über das Altern, über das zukünftige Leben im Ruhestand oder mit steigendem Unterstützungsbedarf oder über Sterben und Tod erleichterte die Lebensführung im Alter (persönliche Entwicklung). Ein Mangel an Programmen für lebenslanges Lernen wirkt sich insbesondere auf Menschen mit schwerer intellektueller Beeinträchtigung negativ aus (Schepens et al. 2019, S. 512). Die ausschließliche Unterstützung von älteren Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung durch einen regulären Service der Altenhilfe zeigte ebenfalls negative Effekte (Schepens et al. 2019, S. 500).

Cluster 4: Fachkonzepte

Drei Fachkonzepte seien herausgestellt, deren Wirkungen international wissenschaftlich evaluiert worden sind. Eine personenzentrierte Unterstützung verbessert nachweislich die Wahlmöglichkeiten, die Autonomie, das persönliche soziale Netzwerk und die soziale Inklusion von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 185; Schepens et al. 2019, S. 504). Bei Personen mit herausforderndem Verhalten führt die Ermöglichung und Stärkung von Verhaltensweisen, die sowohl den Bedürfnissen der Personen entsprechen als auch sozial positiv bewertet werden (positive behaviour support (PBS)) zu einer Verringerung von herausforderndem Verhalten und einer stärkeren Teilnahme an häuslichen und außerhäuslichen Aktivitäten (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 185).

Die Reviews berichten von fast durchgehend positiven Ergebnissen des Einsatzes von Active Support im Wohn- und Unterstützungskontext (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 185; Kozma et al. 2009, S. 196–199; van der Putten et al. 2018, S. 60). Mit diesem Handlungskonzept werden Assistenzkräfte in die Lage versetzt, Unterstützung zu leisten, die die aktive Teilnahme der Klient*innen an Aktivitäten in relevanten Rollen zum Ziel hat (United Response o. J., S. 1). Active Support ist grundsätzlich in allen Unterstützungssettings anwendbar und soll insbesondere die Partizipation an Aktivitäten und Beziehungen fördern. Um Active Support anwenden zu können, müssen keine künstlichen Situationen geschaffen werden, da jegliche Alltagssituationen Potenzial bergen, um Partizipation zu ermöglichen. Umfangreiche Aktivitäten sollen in kleine Teilschritte aufgeteilt und dahingehend analysiert werden, welche Teile von der Person selbstständig oder mit Unterstützung ausgeführt werden können. Active Support bedeutet demnach nicht, dass Aktivitäten von der Person vollständig selbstständig vollzogen werden müssen. Verschiedene Formen der Unterstützung werden unterschieden. Sie muss an die Bedarfe der Person angepasst sein und kann durch das Umfeld, verbal, visuell oder physisch erfolgen. Dabei ist die Förderung der Wahlfähigkeit und der Wahlmöglichkeiten des Menschen mit Beeinträchtigung zentral. Es geht auch darum, mit möglichen Risiken im Alltag umgehen zu lernen, anstatt Risiken dauerhaft zu eliminieren (United Response o. J., 2–7).

Laut der internationalen Studienergebnisse hat Active Support einen positiven Einfluss auf folgende personen- und umweltbezogenen Bedingungen für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung:

  • verbrachte Zeit für bedeutsame Aktivitäten und soziale Interaktionen

  • Partizipation im Haushalt und an inner- und außerhäuslichen Aktivitäten

  • Verbesserung der Fähigkeiten

  • Verbesserung der Wahlmöglichkeiten

  • Reduzierung von herausforderndem Verhalten

    (Bigby et al. 2019, S. 161).

Studien aus verschiedenen Ländern zeigen, dass die Unterstützung durch die direkten Assistent*innen wesentlich von der Führungspraxis des/der direkten Vorgesetzten beeinflusst wird. Somit ist Active Support eng mit dem Konzept des Practice Leadership verknüpft. Das Konzept dient der Entwicklung und Sicherung guter Unterstützungspraxis durch Assistenzpersonen. Ein „practice leader“ ist somit eine Person, die ihr Mitarbeiterteam entwickelt, ermutigt und unterstützt, die Vision der Organisation in die Praxis umzusetzen. Anhand von fünf Maximen geht es darum, (1) die Lebensqualität der Menschen mit Beeinträchtigung in den Blick zu nehmen und zu überlegen, wie Mitarbeiter*innen diese am besten unterstützen können, (2) den Mitarbeitereinsatz zu organisieren, um diese Unterstützung bestmöglich gewährleisten zu können, (3) Mitarbeiter*innen zu coachen, (4) die Qualität der Unterstützung zu überprüfen und (5) zu evaluieren, inwieweit Klient*innen zur Teilhabe an Aktivitäten tatsächlich erfolgreich ermutigt und befähigt werden. Untersuchungen zur Umsetzung von Active Support zeigen, dass die Herausforderung für Führungskräfte darin besteht, Mitarbeiter*innen nicht nur die Fähigkeiten für Active Support zu vermitteln, sondern diese auch zu motivieren, das Konzept konsequent zu nutzen (Bigby und Beadle-Brown 2016).

Zu den Auswirkungen verschiedener Aspekte der Führungspraxis auf die Qualität der Mitarbeiterpraxis und auf die Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung existieren bisher nur wenige, aber vielversprechende Untersuchungsergebnisse (Beadle-Brown et al. 2015, S. 1082 f.).

3 Schlussfolgerungen und Forschungsbedarfe

Die in den Reviewartikeln formulierten Schlussfolgerungen und Forschungsbedarfe werden hier neu strukturiert zusammengefasst und durch eigene Überlegungen ergänzt. Insgesamt hat die internationale Wohnforschung zu Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung eine Vielzahl und Vielfalt von empirischen Erkenntnissen zutage gefördert. Teilweise können Zusammenhänge aufgrund sich stützender Studien als empirisch belegt gelten. So wirkt sich die Größe eines Wohnsettings oberhalb von 8–12 Bewohner*innen durchgehend negativ auf viele Dimension der Lebensqualität aus, zum Beispiel die Selbstbestimmung oder die soziale Inklusion. Teilweise zeigen Studien uneindeutige oder sich widersprechende Ergebnisse, was auch mit einer unzureichenden Definition von Konzepten, einer unterschiedlichen Operationalisierung von Konzepten und unterschiedlichem methodischen Vorgehen zu tun hat. Das macht es schwer, Studien miteinander zu vergleichen und aufeinander zu beziehen.

3.1 Uneinheitliche Definition von Konzepten

In der internationalen Forschung werden Konzepte häufig unterschiedlich oder unzureichend klar definiert. Zum Beispiel fehlt es bis heute an einer international akzeptierten Klassifikation und Beschreibung der unterschiedlichen Arten von Wohnsettings, in denen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung leben und unterstützt werden, obwohl sich zumindest in westlich orientierten, wohlhabenderen Ländern die gleichen Arten von Wohnsettings entwickelt haben (Kozma et al. 2009). Die Zielgruppe einer Untersuchung und der untersuchte Personenkreis werden nicht anhand einheitlicher Kriterien beschrieben (Verdonschot et al. 2009), wobei positiv zu vermerken ist, dass international häufig untersuchte Personengruppen anhand ihrer adaptiven Fertigkeiten umrissen werden. Auch Dimensionen der Lebensqualität werden begrifflich nicht einheitlich gefasst. Amado et al. (2013) stellen heraus, dass mit Blick auf die soziale Inklusion beispielsweise nicht klar ist, welche Faktoren wie untersucht werden müssen, um etwas über den Grad der sozialen Inklusion einer Person aussagen zu können. Es gibt keinen konzeptionellen Rahmen, um die vielen verschiedenen Aspekte sozialer Inklusion nachvollziehen zu können. Zur Beurteilung der sozialen Inklusion kann nicht allein die Anzahl der Kontakthäufigkeiten mit Mitgliedern aus der Gemeinde oder die Anzahl der Ortsbesuche herangezogen werden. Weitere qualitative Merkmale sozialer Kontakte und der Zugänglichkeit bzw. Barrieren des Sozialraums sind zu betrachten. Die Bedeutung von Partner- bzw. Intimbeziehungen für Menschen mit Beeinträchtigung wird selten inkludiert. Eine Person kann sich trotz vieler Freunde und einem guten Eingebundensein aufgrund eines fehlenden Partners/einer fehlenden Partnerin alleine fühlen (Amado et al. 2013, S. 365). Subjektive Indikatoren wie eine Ortsbindung oder ein Gefühl der Zugehörigkeit werden ebenfalls selten einbezogen. Bei der Bewertung gilt es zu berücksichtigen, dass sich ein hoher Grad an sozialer Inklusion (gemessen an Verhaltensmerkmalen) nicht bei jedem Menschen zwangsläufig positiv auf dessen erlebte Zufriedenheit auswirkt. Die individuellen Präferenzen und Teilhabe im Sozialraum sind verschieden. Ist dieses Ausmaß an sozialer Inklusion von der Person gewünscht? Verursacht es ggf. Stress, der vermieden werden sollte?

Allerdings stellen sich auch hier nach wie vor methodische und thematische Bedarfe an Erkenntnissen zu Einflussfaktoren auf die Teilhabe und Lebensqualität von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung heraus.

3.2 Fehlende Rahmentheorien

Wie Bigby und Beadle-Brown (2016) haben wir versucht, Erkenntnisse aufgrund der dahinterliegenden Zusammenhangs- oder Kausalhypothesen zwischen zwei Variablen zu ordnen. Das Konzept der Lebensqualität nach Schalock und Verdugo (2002) mit seinen Dimensionen ist dabei das anerkannte Konstrukt für die Messung der Auswirkungen. Unter den Wohnforscher*innen besteht aber Einigkeit darüber, dass es in Zukunft stärker darum gehen muss, die komplexen Wirkungsgefüge zu artikulieren und empirisch zu erfassen, also das Zusammenspiel von Variablen und deren Wirkung auf die Lebensqualität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Beispielsweise wirken sich bei Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf kleine Wohnsettings (erst gänzlich) im Zusammenspiel mit verändertem Unterstützungshandeln von Assistenzpersonen positiv auf die soziale Inklusion und Selbstbestimmung aus. Um diese Wirkungsgefüge zu artikulieren, bedarf es einer Rahmentheorie, die sich zum Beispiel an den Ökologiekonzepten von Urie Bronfenbrenner oder Rudolf Moss orientieren kann. Noch weitergehender lässt sich das Wohnen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im Rahmen eines soziokulturellen Modells betrachten, das Wohnumwelten, das Zusammenleben in Wohnsettings, die Lebensführung und Mitarbeiterhandeln als sozialkulturell definiert begreift und versucht, die Bedeutungen von Lebens- und Berufspraxen und von gestalteter Umwelt aufzuspüren. Beide theoretischen Perspektiven, die Aufdeckung von Wirkungsgefügen und von Praxen und Gestalten innewohnenden Bedeutungen können einander ergänzen.

3.3 Angemessenheit von Designs und Vielfalt von Methoden

Forschungsdesigns, Erhebungs- und Auswertungsmethoden sollten in den Veröffentlichungen differenzierter und konsequenter dargestellt werden. Dies gewährleistet eine Nachvollziehbarkeit des methodischen Vorgehens, ermöglicht methodisch noch besser voneinander zu lernen und Studienergebnisse international zu vergleichen.

Vergleichsweise selten werden in den Untersuchungen die subjektiven Erfahrungen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung erfasst. Die Forschung stützt sich größtenteils auf die direkte Erfassung von „objektiv“, aus der Außenperspektive Beobachtbarem oder Einschätzungen auf Skalen oder in strukturierten Fragebögen, die Bezugspersonen oder – seltener – Menschen mit Beeinträchtigung abgeben. Dies ist auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass Studienteilnehmer*innen aufgrund ihrer intellektuellen Beeinträchtigung anders nur eingeschränkt kommunizieren. Es bedarf alternativer und kreativer Erhebungsmethoden für den Zugang zum Erleben dieser Zielgruppe, die nicht auf Verbalsprache basieren. So können biografische Aspekte, gelebte Erfahrungen bei Menschen mit schweren intellektuellen Beeinträchtigungen einbezogen werden (Bigby und Beadle-Brown 2016). Zukünftige Forschung sollte ein breiteres Spektrum von Methoden einbeziehen.

Quantitativ angelegte Studien werden häufig schon mit Vergleichsgruppen konzipiert oder zumindest Effekte statistisch kontrolliert auf andere Einflussfaktoren. Es wird angemahnt, dass Stichproben für die Analyse von Untergruppen (z. B. ältere Menschen) ausreichend groß sein müssen und auf Unterschiede in Sozialräumen hingewiesen (Walsh et al. 2010).

Insgesamt werden Mixed-Methods Ansätze empfohlen, die quantitative wie qualitative Methoden kombinieren, und dadurch vielfältige Informationsquellen erschließen, um die Dynamik komplexer Wirkungszusammenhänge aufzuhellen, zu verstehen und insbesondere auch wirksame Interventionen zur Verbesserung der Teilhabebedingungen zu entwickeln (Amado et al. 2013, S. 365).

3.4 Forschungsbedarfe

Wohnen mit und Unterstützung durch Angehörige

Auch in der internationalen Forschung gibt es wenige Untersuchungen zum Wohnen und zur individuellen Lebensführung von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung, die bei ihren Angehörigen wohnen, obwohl es sich hier in den meisten Ländern um die häufigste Wohnform dieses Personenkreises handelt. Und auch wenn Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ausgezogen sind, sind Angehörige als informelle Unterstützer unverzichtbarer Teil von Hilfemixlösungen, die als Ganzes wenig betrachtet werden. Zum Wohnen in Gastfamilien (shared living) findet sich ebenfalls wenig – trotz der starken Verbreitung dieser Wohnform insbesondere in Nordamerika.

Nachbarschaft, Wohnumfeld, Gemeinwesen

Nachbarschaften, Wohnumfelder und Gemeinwesen wurden noch nicht systematisch als differenzierender Faktor für die Lebensqualität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung untersucht. Aussagen gibt es zu einzelnen Umweltmerkmalen wie die Nähe zum ÖPNV, zu Geschäften für den täglichen Bedarf usw. Nachbarschaften und Gemeinwesen werden aber nicht als multidimensionale Einheiten einbezogen. Es bedarf mehr Informationen über die Eigenschaften und Qualitäten von Umweltfaktoren. Die Perspektive der Community-Mitglieder zur Inklusion gilt es zu berücksichtigen. Wie schätzen sie Maßnahmen ein? Für wie effektiv halten sie diese? (Amado et al. 2013, S. 365). In diesem Zusammenhang sind auch sozial-räumliche und sozial-kulturelle Unterschiede von Nachbarschaften, Gemeinwesen und Regionen von Bedeutung (Walsh et al. 2010, S. 140). Soziale Inklusion in ländlichen Räumen hat andere Chancen und stößt auf andere Barrieren als in städtischen Räumen. Nachbarschaftsverhalten wird auch von der Einwohnerschaft und vom Siedlungstyp beeinflusst. Um die soziale Inklusion zu fördern, ist es wichtig, im Sozialraum – ein Begriff, der sich international allenfalls bei niederländischen Autor*innen findet – Hemmnissen zu begegnen und Interaktionen zwischen den Mitgliedern des Sozialraums aktiv zu unterstützen. Dies gilt insbesondere für alleinlebende Menschen sowie diejenigen mit komplexem Unterstützungsbedarf, die in diesem Kontext größeren Barrieren begegnen.

Organisationskultur und Führung

Die Organisationskultur in Wohndiensten der Behindertenhilfe als wesentlicher Einflussfaktor für die Lebensqualität ist vergleichsweise wenig untersucht worden (Walsh et al. 2010, S. 140). Bigby und Beadle-Brown (2016, S. 188) weisen zudem darauf hin, dass es bisher kaum Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen der Arbeitszufriedenheit, dem Stress der Assistenzpersonen und der Lebensqualität der Bewohner*innen gibt. Diese Erkenntnisse sind jedoch umso wichtiger, wenn sich laut aktueller Erkenntnisse die Einstellung von Assistenzpersonen z. B. maßgeblich auf soziale Inklusion von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung auswirkt. Darunter fallen auch Einstellungen von Assistenzpersonen zum Altern, dem damit verbundenen Ruhestand und dem Wohnen.

Auf die Frage nach den Auswirkungen der Führungspraxis auf die Qualität des Mitarbeiterhandelns und auf die Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung benennen Bigby und Beadle-Brown (2016) einen deutlichen Untersuchungsbedarf:

„We need to know more about: the characteristics, experience, training and support systems that make good practice leaders; the best way to train staff in a specific evidence-based practice (in this case Active Support); the most effective systems and structures for monitoring outcomes and measuring quality of support; the commitment, knowledge and structure required within the senior management team of any organization.“ (Bigby und Beadle-Brown 2016, S. 194)

Digitale Teilhabe und Unterstützung

In Zeiten zunehmender Digitalisierung und Technisierung im Unterstützungskontext stellt sich die Frage, welchen Einfluss technische Unterstützung im Wohnen (bzw. Assistive Technologien) auf die Lebensführung der Bewohner*innen hat. In den Reviews findet dieses Themenfeld nur wenig Berücksichtigung. Lediglich Verdonschot et al. (2009) geht darauf ein, dass assistive Technologien grundlegend Auswirkungen auf alltägliche funktionelle Aktivitäten zu haben scheinen, die mit dem grundlegenden täglichen Leben, der Freizeit, der sozialen und gemeinschaftlichen Teilhabe zusammenhängen. Differenziertere Aussagen werden an dieser Stelle aber nicht getätigt. Aufgabe der Forschung ist es, aufzuzeigen, wie digitale Technologien Menschen mit Beeinträchtigung im Alltag unterstützen können und dabei ihre Fähigkeiten und Kompetenzen gefördert werden oder zumindest erhalten bleiben. Ein weiterer Zweig ist die Entwicklungsforschung, also gemeinsam mit dem Beteiligten neue digitale Tools, z. B. Apps, zu entwickeln und ihren Alltagsgebrauch im Hinblick auf Teilhabechancen zu evaluieren. Entwicklungsforschung zeichnet sich auch durch den Gebrauch anderer Forschungsmethoden aus.

Unklar ist, welchen Einfluss soziale Medien auf die soziale Inklusion, Zugehörigkeit und Einsamkeit haben. Die Vernetzung über soziale Netzwerke oder Instant Messenger kann als Werkzeug genutzt werden, um die Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im Sozialraum zu fördern. Studien sollten die Möglichkeiten der Teilhabe ausloten, dabei die Merkmale virtueller und realer Beziehungen in den Blick nehmen sowie den individuellen Umgang mit den digitalen Möglichkeiten beleuchten.

Zur Teilhabe an außerhäuslichen Aktivitäten gehört es auch, barrierefreie Informationen über Transportmöglichkeiten, wie den ÖPNV oder Taxis, ebenso wie Informationen zu örtlichen Freizeitaktivitäten zur Verfügung zu stellen. In Ergänzung zu analogen Informationsmaterialien können digitale Anwendungen hier ein großer Gewinn sein.

Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf

In den meisten Übersichtsartikeln tauchen Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf nur am Rande auf. Es gibt insgesamt eine überschaubare Anzahl von international veröffentlichten Publikationen. Die Frage ist hier, welche Strategien nötig sind, um die Lebensqualität von Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf, die eng mit der Qualität der Unterstützung zusammenhängt, zu verbessern (van der Putten et al. 2018, S. 60). Zu Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und herausforderndem Verhalten gibt es eine sehr viel größere Anzahl von Publikationen, die sich vor allem auf Interventionen beziehen, aber auch auf Wohnsettings. Dieses Themenfeld haben wir wegen der Fülle der dortigen Ansätze hier ausgeklammert. Ein Überblick findet sich z. B. bei Dieckmann und Haas (2007).