Forschung im Bereich Sustainable Consumption and Production (SCP) setzt heute nicht nur auf Information und Aufklärung. Als geeignete „Konsumbotschaften“, die zu einem nachhaltigen Konsum anregen, empfehlen wissenschaftliche Studien zusätzliche Verhaltensangebote und Handlungsanreize (Blättel-Mink et al., 2013; BMUB, 2019). Inhaltlich konzentrieren sich die Vorschläge auf effizienz- und konsistenzorientierte Ziele; und zunehmend werden auch suffizienzorientierte Botschaften diskutiert. (Vgl. Literaturübersicht bei Frick & Gossen, 2019; Gossen et al., 2019.) Dieser Trend ist auch in der Wirtschaft zu beobachten: Vereinzelt werben Unternehmen in ihrem Nachhaltigkeitsmarketing – neben der Inszenierung der „grünen Vorteile“ ihrer Dienste und Produkte – für einen insgesamt genügsameren Konsumstil (Griese & Halstrup, 2013).

1 Erkenntnisinteresse der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“

Das Spektrum an Kommunikationsstrategien für umwelt- und sozialverträglicheren Konsum. ist breit. Gemeinsam ist ihnen der Fokus auf das individuelle Verbraucherverhalten. Dieser strategische Ansatz erscheint mir für das Transformationsziel eines ressourcengerechten Konsumniveaus nicht die erste Wahl zu sein, wenn ich meine bislang erhobenen Daten ernstnehme. In der Aufstellung „Konsumsystem“ (vgl. Kapitel 6) zeigen sich Verbraucher:innen als schwache Akteure. Aus dieser Beobachtung habe ich die These (KS.8) entwickelt, dass Nachhaltigkeitskonzepte, die auf der „Verbrauchermacht – Unser Konsum verändert die Welt“ aufbauen und das Thema „Nachhaltiger Konsum“ in den hauptsächlichen Verantwortungsbereich der Konsumierenden legen, in eine konzeptionelle Sackgasse führen.

Gleichzeitig scheinen Kund:innen zu wissen, was für ein anderes, zukunftsorientiertes Marketing wichtig ist: Sie sind eine „Wissensressource“, wie Marketing aus einer zukunftsorientierten Perspektive erkennt. Vor diesem Hintergrund möchte ich im nächsten Schritt einige der Kommunikationsstrategien in den Blick nehmen, die im Mittelpunkt des aktuellen fachpolitischen Diskurses stehen und auch von Unternehmen im „Nachhaltigkeitsmarketing“ eingesetzt werden. Dabei fokussiere ich mich darauf, wie Kund:innen auf die unterschiedlichen Ansätze reagieren. Die Aufstellungsmethode ermöglicht ein aufmerksames Zuhören: Wie denken und fühlen Konsumierende zu den unterschiedlichen Strategien, was sind ihre – vielleicht bisher noch verborgenen – Handlungsmotive in Bezug auf Nachhaltigkeit?

2 Steckbrief der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“

Die Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ wurde am 28. September 2018 im Rahmen eines Aufstellungs-Workshops in einem buddhistischen Zentrum in Berlin realisiert. Die Leitung der Aufstellung hatte Dr. Matthias Teller. Als Stellvertretende agierten in der Aufstellungsarbeit erfahrene Personen.

2.1 Format

Für die Aufstellung habe ich das Dilemma-Format, also einen Inszenierungsraum mit zwei Polaritäten, gewählt. Das Setting ist doppelt-verdeckt; die Repräsentanten hatten also weder Kenntnis zum Kontext noch zur eigenen Rollenzuschreibung. Die Rollen wies ich den Stellvertretenden intuitiv zu. Zur Einweisung legte ich jeweils meine rechte Hand auf die Schulter der Repräsentanten und nannte dabei im Stillen die entsprechende Rolle. Die Pole markierte der Aufstellungsleiter mittels Karten als Bodenanker, da zur Besetzung dieser Positionen nicht genügend Stellvertretende anwesend waren.

2.2 Theoretischer Bezugsrahmen: Theorie der Spiral Dynamics

Um die Wirkungen der verschiedenen Kommunikationsstrategien auf Verbraucher:innen zu beobachten, habe ich die Theorie der Spiral Dynamics als theoretischen Bezugsrahmen gewählt (Beck & Cowan, 2007/2014; vgl. Abschnitt 4.3). Das Modell bietet ein elaboriertes Tool, um mögliche Resonanzeffekte auf das Denken und Handeln von Menschen zu messen.

Nach dem Spiral Dynamics-Modell befinden sich Systeme auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen in der Bewältigung von Komplexität. Den Schlüssel zu persönlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen bilden WMeme, die mit jeweils spezifischen Problemlösungsmodi ausgestattet sind. Veränderungen können sich sowohl horizontal und diagonal, über neues Verhalten innerhalb des aktuellen WMemes vollziehen als auch als vertikale Bewegungen innerhalb der Entwicklungsspirale auf die jeweils nächsthöhere Komplexitätsstufe. Denkbar ist Wandel auch als Abwärtsbewegung und Rückkehr zu Problemlösungsmodi älterer Stufen (Beck & Cowan, 2007/2014:112 ff.; Wilber, 2001a/2010:46; vgl. ausführlich Abschnitt 4.4.).

2.3 Inszenierungsraum

Den Inszenierungsraum für die Dilemma-Aufstellung habe ich innerhalb des Spannungsfeldes aus Eigennutz und Gemeinsinn angelegt. Diese Polarität spiegelt das grundlegende Dilemma eines ressourcenorientierten Konsums, wie ich es im ersten Teil meiner Arbeit herausgearbeitet habe: Die notwendige Reduktion des Ressourcen- und Emissionsverbrauchs erfordert Zurückhaltung im Konsum. Da Konsum jedoch der wichtigste Wirtschaftsmotor ist, führt weniger Konsum gleichzeitig zu Einkommenseinbußen bei Unternehmen und privaten Haushalten. Bei einer Transformation des Konsumsystems sind Verbraucher:innen (sowie allen andern Akteur:innen) also mit Trade-offs zwischen wirtschaftlichem Eigeninteresse einerseits und Ressourcenorientierung zugunsten des Gemeinwohls andererseits konfrontiert.

Das Spannungsfeld zwischen Eigennutz und Gemeinsinn entspricht gleichzeitig den Polaritäten, zwischen denen sich gemäß Spiral Dynamics auch die WMeme bewegen. Clare W. Graves hat beobachtet, dass sich Bewusstseinsebenen hin- und herpendelnd zwischen individueller und kollektiver Perspektive entwickeln. Zwischen den Entwicklungsstufen wechselt der Kernfokus der WMeme von Fragen des Individuums bzw. des Selbstausdrucks (Beige, Rot, Orange, Gelb) zu Fragen der Gruppe bzw. Selbstaufopferung (Purpur, Blau, Grün, Türkis) (Beck & Cowan, 2007/2014:91). Im AQAL-Modell nach Ken Wilber entspricht diese Pendelbewegung einem Wechsel zwischen den oberen Quadranten (individuell) und unteren Quadranten (kollektiv). Der Inszenierungsraum teilt sich somit von den zwei Polen Eigennutz und Gemeinsinn ausgehend in einen Ich- und einen Wir-Raum.

2.4 Elemente

Im Spannungsfeld stehen prototypische Kund:innen der vier WMeme der Spiral Dynamics, die aktuell in westlichen Konsumgesellschaften vorherrschen: Blau, Orange, Grün – die jeweils miteinander konkurrieren – sowie Gelb, das als WMem der Seins-Ebene, der 2. Tier fähig ist, die Legitimität der anderen Wertesysteme zu erfassen (Beck &Cowan, 2014:101 f.).

Als Interventionen habe ich zum einen Kommunikationsstrategien ausgewählt, die prominent im fachwissenschaftlichen Diskurs stehen (Nudging sowie Suffizienz) sowie zum anderen eine kommunikative „Mode“, die ich im Alltag als Konsumentin beobachte: Label zur (nationalen) Herkunft.Footnote 1

Die erste Intervention Nudging (engl. für Stups oder Schubs) repräsentiert Kommunikationsstrategien, die auf der gleichnamigen verhaltensökonomischen Methode basieren, die der Wirtschaftswissenschaftler Richard H. Thaler, Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften, zusammen mit dem Rechtswissenschaftler Cass Sunstein entwickelt hat (Sunstein, 2015; Thaler & Sunstein, 2008; 2010). Die Bandbreite dessen, was gegenwärtig in Praxis und Wissenschaft als „Nudge“ betrachtet wird, ist sehr breit (Heidbrink & Klonschinski, 2018). Doch im Wesentlichen zielen Nudges auf Rationalitätsdefizite von Menschen. Nudging versucht, das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote, Gebote oder ökonomische Anreize zurückzugreifen.

„Unter Nudge verstehen wir [...] alle Maßnahmen, mit denen Entscheidungsarchitekten das Verhalten von Menschen in vorhersagbarer Weise verändern können, ohne irgendwelche Optionen auszuschließen oder wirtschaftliche Anreize stark zu verändern. Ein Nudge muss zugleich leicht und ohne großen Aufwand zu umgehen sein. Es ist ein Anstoß, keine Anordnung.“ (Thaler & Sunstein, 2010:15)

Im Gegensatz zum Nudging zielt die Intervention Suffizienz direkt auf eine Veränderung von Konsummustern. Die suffizienzorientierte Kommunikation wirbt für genügsamen Verbrauch und fragt Kund:innen: „Brauchen Sie das wirklich? Überkonsum schadet dem Planeten.“ Gleichzeitig wird mit dem Maßhalten beim Konsumieren ein Plus an Lebensqualität in Aussicht gestellt.

„Die suffizienzorientierte Kommunikation stellt im Gegensatz zu einer effizienz- und konsistenzorientierten Kommunikation den konsumentenseitig genügsamen und umweltverträglichen Verbrauch von Material- sowie Energiemengen bei gleichzeitig steigendem individuellen Nutzenzugewinn beziehungsweise einer steigenden Lebensqualität als Hauptaussage in den Mittelpunkt (z. B. ,Carsharing: Weniger Auto ist mehr.‘).“ (Griese & Halstrup, 2013:40 f.)

Umwelt- und Sozialzeichen sollen Kund:innen Orientierung bieten. In jüngster Zeit werden verstärkt Label eingesetzt, die über die (nahe) geografische Herkunft der Produkte informieren. Die Label suggerieren frische Produkte und versprechen zudem, die regionale Wirtschaft zu unterstützen sowie durch kurze Transportwege das Klima zu schonen. Herkunfts-Label sind nicht geschützt und unterliegen unterschiedlichsten Standards. Biomärkte wie Discounter werben mit Produkten aus der Region. Teilweise werden „Produkte aus der Heimat“ mit der schwarz-rot-goldenen Flagge kenntlich gemacht. Nationalstaatliche Symbole sind gegenwärtig – anders als nach der WM 2006 – sehr stark von rechts konnotiert (Traxler, 2011:218). Auf Kommunikationsstrategien, die Symbole unreflektiert möglicher demokratiefeindlicher Bedeutungsaufladungen einsetzen, ist die dritte Intervention bezogen; ich nutze dafür im Folgenden die Kurzform National.

3 Ablauf der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“

Die Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ dauerte 45 Minuten. Zunächst wurde den Stellvertretenden der unterschiedlich memischen Kunden Zeit gegeben, sich im Spannungsfeld von Eigennutz und Gemeinsinn zu positionieren. In den anschließenden drei Phasen intervenieren getrennt voneinander die Kommunikationsstrategien Nudging, Suffizienz sowie National.

Die Aufstellung begann mit dem verdeckten Einweisen der vier Repräsentanten der Kunden Blau, Orange, Grün und Gelb. Dazu erhielten die Stellvertretenden jeweils eine Ansteckkarte mit einem Buchstaben. Danach definierte der Aufstellungsleiter den Inszenierungsraum zwischen den beiden Polen Eigennutz und Gemeinsinn, indem er zwei Karten mit etwa drei Meter Abstand als Anker auf den Boden legte.

Die Stellvertretenden der Akteure des Konsumsystems suchten sich innerhalb des Inszenierungsraumes ihre Position selbst, indem sie nur auf ihre innere Wahrnehmung achteten. Aus ihren mentalen Karten konnten sie keine sinnvolle Position ableiten, da sie ja weder Kenntnis darüber hatten, welches Element sie repräsentierten noch darüber in welchem Kontext sie sich bewegten. Die vier Stellvertretenden der Kunden sind von Beginn an sehr präsent in ihrer repräsentierenden Wahrnehmung: Treffsicher finden sie ihre Positionen im Wir-Raum (Blau und Grün) und im Ich-Raum (Orange) sowie jenseits der Polaritäten auf der Seins-Ebene (Gelb).

3.1 Phase 1: Intervention Nudging

  • Nudging betritt den Inszenierungsraum und findet seinen Platz zügig im Wir-Raum an der linken Seite vom Kunden Grün.

  • Der Kunde Blau hat keine Verbindung zum Nudging – obwohl „ich glaube, ich müsste eine haben“. Er merkt an, dass eine bessere Informationslage sein Verhältnis zu Nudging möglicherweise ändern würde.

  • Der Kunde Orange fühlt sich dem Nudging gegenüber überlegen und findet für die Kommunikationsstrategie die Worte „harmlos“ und „niedlich“.

  • Der Kunde Grün reagiert uneingeschränkt positiv: Er entwickelt ein „warmes, mütterliches Gefühl“ zum Nudging und erkennt, dass Nudging (noch) seiner Fürsorge bedarf. Der Kunde Grün spricht sich für ein Dreierbündnis zusammen mit Nudging und Blau aus.

  • Der Kunde Gelb bleibt von Nudging unberührt; er spürt keine Veränderungen und sieht lediglich einen gewissen Unterhaltungswert im Zusammenspiel von Nudging & Grün.

  • Nudging selbst bezeichnet Grün als seine „wärmende Heimat“.

  • Auch zu Blau hat Nudging eine positive Beziehung, auch wenn es die (informationellen) Bedürfnisse von Blau nicht erfüllen will.

  • Zu Orange hat Nudging kein gutes Verhältnis; es empfindet es als „ganz böse“.

  • Gelb wird vom Nudging als „neutral“ bewertet.

Abbildung 9.1
figure 1

(Eigene Darstellung)

Das Kundenfeld nach der Intervention von Nudging.

Die Abbildung 9.1 zeigt das 3D-Raumbild mit Invivo-Kodes der Repräsentanten in Phase 1 nach der Intervention Nudging. Der Wirkungsraum von Nudging konzentriert sich auf den Wir-Raum. Die Kommunikationsstrategie ist eindeutig „das Kind“ des gefühlsbetonten grünen WMem. Die Intervention ist (noch) zu schwach, um Veränderungen in der systemischen Konstellation im Akteursfeld zu bewirken. Perspektivisch hätte die Intervention ein solches Potenzial jedoch beim Kunden Orange.

3.2 Phase 2: Intervention Suffizienz

  • Suffizienz wählt ihren Platz im Ich-Raum an der linken Seite vom Kunden Orange.

  • Der Kunde Blau findet, dass Suffizienz Veränderung ins System bringe, die erzeugte „Spannung“ etwas mehr Klarheit erzeuge.

  • Der Kunde Orange geht d’accord mit der Platzwahl von Suffizienz an seiner Seite. Die Intervention verbessert ausdrücklich sein Wohlbefinden. Orange erkennt in Suffizienz „etwas Relevantes“ mit „Substanz“ und freut sich: „Gemeinsam bringen wir es zum Tanzen.“

  • Der Kunde Grün hingegen zeigt eine heftige Abwehrreaktion gegen Suffizienz. Gleichwohl erkennt Grün den Wert von Suffizienz an der Seite von Orange an: Orange & Suffizienz seien ein stärkeres Paar als er selbst zusammen mit Nudging.

  • Der Kunde Gelb merkt an, dass Suffizienz zwar Bewegung ins System bringe – allerdings nur solange es nicht stillstehe: „Seit Suffizienz glaubt, bei Orange ihren Platz gefunden zu haben, ist sie neutral.“

Auf die Frage der Aufstellungsleitung, welches Bedürfnis Suffizienz erfüllen könnte, antworten die vier Kunden wie folgt:

  • Der Kunde Blau wiederholt zunächst seinen Wunsch nach Information. Er fügt jedoch noch hinzu: „Ich würde gern teilhaben an dem, was Suffizienz & Orange zusammen haben. Ich würde gern dazugehören.“

  • Der Kunde Grün stört sich an der „Arroganz“ der Suffizienz: „Die Überheblichkeit finde ich echt fehl am Platz. Ein bisschen kleinere Brötchen backen und stattdessen das Ding [zusammen mit Orange] voll durchziehen. Das wär super.“

  • Der Kunde Gelb demonstriert weiterhin Langeweile. (Eine Haltung, die den Ärger des grün-memischen Kunden gegen den Kunden Gelb auf die Spitze treibt, wie im weiteren Verlauf deutlich wird (siehe Abbildung 9.3).

Abbildung 9.2
figure 2

(Eigene Darstellung)

Das Kundenfeld nach der Intervention von Suffizienz.

Die Abbildung 9.2 zeigt das 3D-Raumbild mit Invivo-Kodes der Repräsentanten in Phase 2 nach der Intervention Suffizienz. Die Intervention bewirkt Änderungen in der systemischen Konstellation. Als Teampartner erkennen sich Suffizienz und der Kunde mit rationalem orangen WMem. Auch der Kunde Blau fühlt sich angezogen, weil die von Suffizienz ausgelöste Spannung klärend wirkt. Der Kunde mit harmoniebedürftigen grünen WMem möchte hingegen Distanz zur Suffizienz wahren, gleichwohl anerkennt er die hohe systemische Wirkkraft, die von Suffizienz ausgeht. Der Kunde Gelb mahnt, dass Suffizienz nur impulsgebend wirke, wenn sie nicht stillstehe.

3.3 Phase 3: Intervention National

  • Die Intervention National sieht ihren Platz in der Mitte des Feldes, vor dem Kunden Gelb, den National „gern provozieren würde“, aber dafür fehle noch die Kraft. Letztlich stellt sich National zwischen den Kunden Orange und Grün gegenüber von Kunde Gelb.

  • Der Eintritt von National wird von den Kunden aller WMeme als starke negative Energie wahrgenommen und beschrieben als autoritäre „enorme Kraft“ (Blau), die „Kraft zieht“ (Orange) sowie als „Rückschritt“ (Gelb). Auch der Kunde Grün wünscht keinen näheren Kontakt zu National. (In der Nachbesprechung beschreibt National sich selbst als „schwerbewaffneter Revolverheld“.)

  • Die negative Energie von National entlädt sich am Kunden Gelb. Beim Einritt von National bekommt die Stellvertretende einen sehr heftigen Hustenanfall und beschreibt eine große Traurigkeit: „Was hier jetzt passiert, geht in die falsche Richtung.“

Kunde Grün zeigt seinen Ärger gegen Kunde Gelb:

  • Der Kunde Grün begrüßt, dass sich National auf den Kunden Gelb konzentriert, um ihn „an seinen Platz zu verweisen“. Der Kunde Grün würde sich aber nicht mit National gemein machen wollen: „Ich kann da nicht mitgehen.“

  • Der Kunde Gelb begegnet der Anklage von Grün mit Unverständnis: „Ich verstehe nicht, welcher Job bei mir zu erledigen ist. Ich bin doch super. Als wäre etwas zu tun.“

  • Der Kunde Grün reagiert: „Genau das ist das Problem!“ und erklärt, dass sein Ärger auf den Kunden Gelb seinen Ursprung in der vorherigen Phase habe: „Kunde Orange & Suffizienz waren ein gutes Team. Doch dann hat Kunde Gelb mit der Aussage provoziert, dass ihm so langweilig sei. Das war ärgerlich.“

Abbildung 9.3
figure 3

(Eigene Darstellung)

Das Kundenfeld nach der Intervention von National.

Die Abbildung 9.3 zeigt das 3D-Raumbild mit Invivo-Kodes der Repräsentanten in Phase 3 nach der Intervention National. Der erschütternden Wirkung von National kann sich keine Kundengruppe entziehen, obwohl sich die volle Negativität von National im Feld noch gar nicht entfaltet. Die Kunden aller WMeme verlieren an Kraft. In der zugespitzten Krise wird zudem ein weiterer Konflikt virulent, der sich beim Kunden Grün in der vorherigen Phase mit der Suffizienz-Thematik aufgebaut hat und sich jetzt in einer Aggression gegen den Kunden Gelb Bahn bricht.

4 Auswertung der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“

Die Paradigma-Darstellung zur Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ ist im elektronischen Zusatzmaterial einsehbar.

4.1 Theorie-Memos

Die in der Paradigma-Darstellung strukturierten Kodierungsansätze führe ich beim Memo-Schreiben zu hypothetischen Ideen aus, die ich wiederum mittels Perspektiven-Triangulation reflektiere. Bei der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ nutze ich die triangulierende Perspektive, um die wissenschaftliche Anschlussfähigkeit meiner Analyseansätze zu prüfen – und ganz besonders auch als Inspirationsquelle in einem spielerisch-kreativen Interpretationsprozess.

Bei der Auswertung der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ nehme ich Bezug auf die sieben Variationen der Veränderung, die Beck & Cowan (2007/2014:145 ff.) im Spiral Dynamics-Modell unterscheiden: je zwei horizontale und diagonale (über neues Verhalten innerhalb des aktuellen Memes) sowie drei vertikale (als Aufwärts- bzw. Abwärtsbewegung in ein nächstliegendes System hinein). Ausführlich habe ich die möglichen Variationen in Abschnitt 4.3 (Tabelle 4.1) dargestellt.

4.1.1 Phase 1: Intervention Nudging

Kategorien: verhinderte Entwicklung (Blau); potenziell diagonal-aufwärts (Orange); systemstabilisierend (Grün); ohne Wirkung (Gelb)

Beobachtung:

Das Kundenfeld zeigt sich – bis auf den grün-memischen Kunden – recht unbeeindruckt vom Nudging. Die Kommunikationsstrategie wird als „niedlich“, „harmlos“ und „unterhaltsam“ beschrieben. Der blau-memische Kunde fordert „mehr Informationen“, die ihm Nudging jedoch verweigert. Am Ende lässt allerdings die Aussage des Kunden Orange etwas aufhorchen, die Intervention des Nudging könne ihm vielleicht „etwas kindlich Unverfälschtes geben, etwas Frisches, Flexibles, Leichtigkeit“. – Wird die Wirkung von Nudges für die Entwicklung eines nachhaltigen Konsumentenverhaltens gemeinhin überschätzt? Ist der Kern des Nudging – der Verzicht auf Information – am Ende vielleicht sogar hinderlich?

Interpretation:

Nudges bestätigen in erster Linie die Weltsicht von Kunden mit grünem WMem. Angesichts der globalen Herausforderungen erscheinen Nudges dann nicht mehr zu sein als eine Spielerei, die „unterhaltsam anzuschauen ist“ (Gelb). Doch womöglich ist dies ein vorschnelles Urteil, denn es zeigt sich eine potenzielle Anschlussfähigkeit von Nudges zum orangen WMem. In dem geäußerten Bedürfnis, „etwas Frisches, Flexibles, Leichtigkeit“ zu erhalten, deutet sich die Chance einer Streckung des orangen WMem zur grünen Bewusstseinsstufe an:

„Wenn orange Bestandteile verblassen, wird das Denken heiterer, eher wie bei einem nicht auf Gewinn ausgerichteten Musikfestival.“ (Beck & Cowan, 2007/2014:422)

Eine mögliche Lesart der Sequenz gemäß Spiral Dynamics: Nudges sind eine geeignete Reformstrategie, um bei Kund:innen der orangen Bewusstseinsebene in der Beta-Phase die Gamma-Falle zu vermeiden und sich stattdessen diagonal-aufwärts zu strecken und komplexere grüne WMeme aufzunehmen. Ein solcher Entwicklungsschritt steht bei orange-memischen Konsumgesellschaften wie Deutschland noch zweifelsfrei an. Hier könnten Nudges also ggf. gezielt unterstützen. In der repräsentierenden Wahrnehmung zeigt sich jedoch, dass die Strategie – im Konsumkontext – noch nicht ausgereift ist. Womit die Wirkung von Nudging positiv unterstützt werden kann – die konkrete Art der erforderlichen „Fürsorge“ (grünes WMem) – bleibt in dem Bild (für mich) vorerst noch offen.

In der repräsentierenden Wahrnehmung werden aus meiner Sicht nicht nur Potenziale, sondern auch die Grenzen des Nudging-Ansatzes deutlich. Mit seiner bevormundenden Attitüde („Ich habe keinerlei Informationen für dich, Blau. Aber ich komme gern einen Nachmittag vorbei zum Spielen.“) verhindert Nudging die Streckung des blauen WMem. Auf der orange-memischen Ebene wird gemäß Spiral Dynamics der mündige, wissbegierige Mensch geboren; der Bürger (Citoyen) als Bedingung und legitimierendes Prinzip von Demokratie. Hier spezifiziert sich aus meiner Sicht die – oft pauschal vorgetragene – demokratietheoretische Kritik gegen den Nudging-Ansatz, den Thaler & Sunstein (2008) selbst als „libertären Paternalismus“ bezeichnen. Die Reaktion des blau-memischen Kunden ist überdies bemerkenswert: Das Bild steht im Widerspruch zu den in jüngster Zeit zunehmenden Stimmen, die in Aufklärungs- und Informationskampagnen wenig Nutzen erkennen und stattdessen auf verhaltenspsychologische Ansätze setzen. Auch hier muss differenziert werden: Auf der Stufe des blauen WMems sind neue Informationen eine wesentliche Voraussetzung, um seine Wahrnehmung zu differenzieren und sich für neue Denk-und Verhaltensweisen zu öffnen. Ich interpretiere dies als Hinweis – gemäß der Hauptdirektive integraler Entwicklung –, dass eine selbstständige Urteilskraft respektive Mündigkeit von Konsumierenden unverzichtbar ist für eine „Gesundheit der Gesamtspirale“ (Wilber 2001a/2010:18), d. h. für eine faire und gerechte Transformation des Konsumsystems. Deshalb ist Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wichtig für Menschen jeden Alters.

Perspektiven-Triangulation:

Verhaltenspsychologische Ansätze stehen aktuell bei Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen gleichermaßen hoch im Kurs. Große Hoffnung wird dabei auch auf das Entwickeln nachhaltiger Konsummuster gesetzt (Kenning et al., 2016; Reisch & Sunstein, 2017; Thorun et al., 2017). Dem Nudge-Ansatz begegnet jedoch auch Kritik. Im Mittelpunkt steht der Vorwurf, Nudging trüge autoritäre paternalistische Aspekte in sich (Lepenies & Malecka, 2016; Wolff, 2015). Die Kritik reicht soweit, dass Nudging – digital ausformuliert – den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat gefährde. Die Warnungen beziehen sich auf das sogenannte „Big Nudging“ (Helbing, 2017), bei dem ein individueller „Citizen Score“, ähnlich dem chinesischen Punktesystem zur „Mentalität der Ehrlichkeit, Punkte für „soziales Verhalten“ registriert werden. Konsequenz einer solchen Datensammlung als Grundlage für die Zuteilung von Ressourcen wären letztlich die Aufgabe der informationellen Selbstbestimmung und die totale Überwachung durch Staat bzw. Unternehmen.

Autoren wie George Marshall (2014) von der britischen Organisation Climate Outreach und der norwegische Psychologe Per Espen Stoknes (2015) bezweifeln, dass Bürger:innen die gleichen Schlüsse ziehen würden wie Expert:innen, wenn ihnen nur genügend Informationen zur Verfügung stünden. Doch es gibt auch Studien, die das Gegenteil belegen. So berichten zum Beispiel norwegische Psychologen im Fachjournal Climatic Change, dass der 1,5°-Sonderbericht des IPCC die Öffentlichkeit mit Erfolg für das Problem sensibilisiert habe (Ogunbode et al., 2019). Der US-amerikanische Soziologe Doug McAdam (1982:48ff.) hat die Bedeutung von Information für die Entwicklung eines Menschen in einem anderen Kontext als „cognitive libération“ bezeichnet. Der Politikwissenschaftler Mundo Yang und die Sozialwissenschaftlerin Sigrid Baringhorst (Yang & Baringhorst, 2017) übernehmen diesen Begriff für das erkennende „Erschrecken über das Elend des Massenkonsums“ bei Heranwachsenden:

„Diese Momente der Abgrenzung, genauer formuliert, der Abstoßung vom Mainstream der Konsumentinnen und Konsumenten gehen biografisch auf Momente der „Cognitive Liberation“ (McAdam 1982:48 ff.), wie es in der Literatur zu den sozialen Bewegungen heißt, zurück. Sie umfassen den plötzlichen Ekel in der Jugend über den massenindustriellen Umgang mit Tieren, bis hin zum bewussten Ausstieg aus einer auf Leistung und Konsum getrimmten Arbeitswelt in beruflichen Krisensituationen.“ (Yang & Baringhorst, 2017:200)

These KSt.1:

Nudging ist eine Strategie, die im Konsumkontext einen sehr differenzierten Einsatz erfordert. Beim Ziel, Konsum- und Lebensstile zu verändern, können Nudges gleichermaßen förderlich wie auch blockierend wirken: Ihre spielerische Leichtigkeit kann vielleicht (auf der Stufe des orangenen WMem) einer ungesunden Verbissenheit und einem gesellschaftlichen Klima der Intoleranz entgegensteuern. Ihr Verzicht auf Information kann aber gleichermaßen (auf der Stufe des blauen WMem) die Ausbildung einer selbstständigen Urteilskraft respektive Mündigkeit behindern.

These KSt. 2:

Eine selbstständige Urteilskraft respektive Mündigkeit von Konsumierenden ist unverzichtbar für eine zukunftsfähige Transformation des Konsumsystems.

4.1.2 Phase 2: Intervention Suffizienz

Kategorien: diagonal-aufwärts (Blau); horizontal (Orange); diagonal-abwärts (Grün); keine Wirkung (Gelb)

Beobachtung:

Die Beobachtung, dass Suffizienz ausgerechnet vom Kunden Orange als Bereicherung erfahren wird, mag verwundern. Denn ein wesentliches Charakteristikum dieses WMem ist gemäß Spiral Dynamics das Streben nach „dem süßen Leben“ und materiellem Überfluss (Beck & Cowan, 2007/2014:387) – also das Gegenteil von Mäßigung. Eine noch größere Irritation verursacht vielleicht die (sehr heftige) Abwehrreaktion des Kunden Grün gegen die Intervention. Denn ein wichtiges Credo des grünen WMem besteht darin, Menschen von Gier zu befreien (ebd.:413).

Interpretation:

Smarter Konsum bedeutet weniger Konsum! – Wenn Suffizienz mit solch rationaler Argumentation vorgetragen wird, kann die Strategie auf der Ebene des orangen WMems als ein folgerichtiger, probater Problemlösungsmodus verstanden werden. Die orange Bewusstseinsstufe kennt keine Dogmen. Richtungsgebend ist nur das, was zum Erfolg führt, denn man will zu den Siegern gehören. Ein Beispiel: In der orange-memischen Leistungsgesellschaft sind die Insignien des Erfolges ein schlanker, athletischer Körper sowie eine gesunde, jugendliche Ausstrahlung. An diesen Lebensstil ist Suffizienz hoch anschlussfähig: Wer „Verzicht“ übt, z. B. beim Konsum tierischer Produkte, oder vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, beweist aus orange-memischer Perspektive Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen. Auf diesem Hintergrund wird die Affinität des Kunden Orange zur Intervention Suffizienz plausibel.

Aus der integralen Perspektive des gelb-memischen Kunden ist jedoch erkennbar, dass sich die tatsächliche Wirkkraft von Suffizienz als eine ausschließlich mit (orangener) Rationalität argumentierende Intervention noch nicht voll entfaltet hat. Die Suffizienz-Strategie scheint das Potenzial zu besitzen, das gesamte (materielle) System zu verändern – jedoch nur unter der Bedingung, dass die eigentliche, zugrundeliegende systemische Spannungslinie klar benannt wird und existierende Zielkonflikte nicht verschwiegen werden. (Hier klingt auch eine Formulierung des Kunden Blau in mir nach: „Suffizienz bringt Spannung in den Raum. Endlich wird ein wenig klarer, worum es hier eigentlich geht.“) Auch der grün-memische Kunde erkennt die systemische Wirkkraft von Suffizienz (die viel größer ist als „seine“ Nudging-Strategie). Als der Kunde Gelb diese Wahrheit jedoch laut ausspricht, löst dies eine große Angst beim post-rationalen Kunden Grün aus, die letztlich in Aggression umschlägt. Diese Aggression des grünen gegen das gelbe WMem ist typisch für das Phänomen der „Boomeritis“ (Wilber, 2008).

„Wie immer, wenn irgendein Mem seine Hegemonie zu verlieren beginnt, beginnen seine Inquisitoren es auch oft auf kriegerische und reaktionäre Weise zu verteidigen. In Hinsicht auf dieses Verhalten seitens von Grün könnte man es ‚das ätzende grüne Mem‘ nennen (hier fühlt sich die Boomeritis ganz besonders wohl).“ (Wilber, 2001a/2010:139f.)

Angesichts dieser heftigen, explosiven Reaktion auf der Ebene des post-rationalen grünen WMem wird deutlich, welche hohe Sensibilität die Kommunikation von Suffizienz erfordert. Suffizienz muss – so lese ich die Aussage des Kunden Gelb – für jedes WMem anders erzählt werden.

Perspektiven-Triangulation:

Für Stolperfallen bei der Kommunikation von Suffizienz gibt es viele Beispiele in der Praxis – obwohl die (zumindest mir bekannten) Beispiele angesichts der tatsächlichen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung immer nur sehr kleine Teilbereiche berühren. Ein wiederkehrendes Beispiel ist die Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen, das vielleicht am häufigsten zitierte Beispiel ist der „Veggie Day“. Im Vorfeld der deutschen Bundestagswahl 2013 löste der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, für Klimaschutz und Tierwohl einen vegetarischen Tag im Wochenmenü öffentlicher Kantinen einzuführen, eine erregte Debatte aus. „Ideen der Grünen: Heute schon was verboten“ (Rossbach, 2013)? (Vgl. auch Schmelzer & Vetter, 2019:173) Die gesellschaftliche Empörung, die aus solchen Schlagzeilen spricht, wird vor dem Hintergrund von Spiral Dynamics plausibel. Beim „Veggie Day“ ist es das orangefarbene WMem, das die (grün-memischen) Apelle an den Gemeinsinn nicht versteht bzw. interpretiert als Versuche der Gleichschaltung und Verbot dessen, was das Individuum ausmacht.

These KSt.3:

Suffizienz ist eine Schlüsselkategorie für ein Marketing, das Konsumwandel unterstützen will. Denn die Suffizienz-Strategie birgt das Potenzial zu einer tatsächlichen Veränderung des Konsumsystems – unter der Voraussetzung, dass die grundlegende systemische Spannung zwischen Konsum und Nachhaltigkeit respektive Ressourcenerhalt klar benannt wird.

These KSt.4:

Die Suffizienz-Strategie impliziert die Abkehr von der bisherigen Wachstumslogik und birgt somit eine große gesellschaftliche Sprengkraft. Ein hohes Konfliktpotenzial liegt (auch) auf der Ebene des grünen WMems, also bei Kund:innen, die gemeinhin als besonders sozial und umweltbewusst gelten und die Hauptzielgruppe des herkömmlichen Nachhaltigkeitsmarketing darstellen. Kurzum: Suffizienz-Kommunikation erfordert eine hohe Sensibilität. Suffizienz muss für jedes WMem anders erzählt werden.

4.1.3 Phase 3: Intervention National

Kategorien: diagonal-abwärts (alle WMeme)

Beobachtung:

Die Wirkung von National ist eindrücklich destruktiv für alle Beteiligten. National bringt sich als „der Ankläger“ von Gelb in Stellung. Im Mittelpunkt dieses Bildes steht die Reaktion des Kunden Grün: Er geht zwar auf Distanz zu National, doch er versucht, National zu instrumentalisieren, um den Kunden Gelb „an seinen Platz zu verweisen“.

Interpretation:

Konsumpatriotismus“ impliziert logisch die Abschottung gegen Fremde. Vor diesem Hintergrund ist der Auftritt der Intervention National als „Revolverheld“ (Stellvertretende National in der Nachbesprechung) schlüssig. In dem Bild werden für den Konsumkontext ganz ähnliche Wirkmechanismen rechter Ideologien sichtbar, wie sie in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen bereits seit längerer Zeit zu beobachten sind:So zeigt sich auch in repräsentierenden Wahrnehmung, dass populistische Strömungen auf einen entsprechenden gesellschaftlichen Resonanzboden angewiesen sind: „Ich kann nicht allein gehen“ (National). Populisten verstärken daher bestehende oder sich anbahnende gesellschaftliche Spannungen und Konflikte.Footnote 2 Ihre Zielgruppe sind Menschen, die sich Sorgen machen, die verunsichert oder unzufrieden sind.Genauso fühlt sich der grün-memische Kunde durch das aggressive Auftreten von National ermutigt, jetzt ganz offen in Richtung des gelben WMem zu „ätzen“ – so wie es Wilber (2008) für die Boomeritis beschreibt – und es für die empfundene Misere verantwortlich zu machen.

Gemäß der Spiral Dynamics-Theorie ist Dissonanz zwar ein wichtiger Faktor in Change-Prozessen, um „Missklang in eine Situation zu bringen, damit sich die Leute in Bewegung setzen und handeln, bevor die Lage wirklich schlecht wird“ (Beck & Cowan, 2007/2014:130). Ein solcher Wirkmechanismus ist bei der Intervention National jedoch nicht erkennbar. Das Aufstellungsbild lese ich als eindrückliche WarnungFootnote 3, dass politisch-unbedarfte Marketingstrategien regressive populistische Strömungen gefährlich verstärken und dadurch systemischen Wandel insgesamt blockieren können.

Perspektiven-Triangulation:

Nach systemtheoretischer Lesart sind Regional-Label grundsätzlich eine sinnvolle Strategie, weil sie eine unübersichtliche globalisierte Welt lesbar machen. Sie sind – mit Niklas Luhmann (1968/2014:42) formuliert – ein „Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“. Aktuelle empirische Studien bestätigen Luhmanns Analyse: Label haben Konjunktur. In Deutschland gibt es weit mehr als 1000 verschiedene Kennzeichen. (Kunze, 2012) Die hohe Zahl der Label führt ihrerseits zu einer Überforderung der Verbraucher:innen, die ein Navigationssystem durch den „Label-Dschungel“ notwendig erscheinen lässt. (Kahl et al., 2017:18)

Regional-Label stehen in der Verbrauchergunst weit oben, noch vor den Bio- und Fair-Trade-Siegeln. Aktuellen Erhebungen zufolge kaufen über 70 Prozent der Befragten mehrmals im Monat regionale Lebensmittel (Hiekmann, 2019). Abschwächen wird sich die Nachfrage nach dem Regionalen in absehbarer Zeit kaum, prognostiziert eine Studie der Marktforschungsinstitute Integral und T-Factory (2019). Denn Regional-Label sprechen ganz unterschiedliche Zielgruppen an. Dabei gibt es ein Bedürfnis, das viele Konsumierende haben, hat Marktforscher Bertram Barth herausgefunden: „Das Bedürfnis nach Verankerung teilen alle Bevölkerungsschichten“ (zitiert nach Innerhofer, 2019). Der zunehmende „Konsumpatriotismus“ stehe dabei in einem engen Zusammenhang mit einer Inflation diffuser Ängste in den westlichen Konsumgesellschaften: Angst vor Globalisierung, Klimakrise, Migration, Besitz- und Arbeitsplatzverlust etc.

These KSt.5:

Label sind nützlich, weil sie Konsumierenden in einer zunehmend komplexen, globalisierten (Konsum-)Welt wichtige Orientierung und Verbindlichkeit bieten. Seitens der Absender erfordern Vereinfachungsstrategien jedoch ein hohes Verantwortungsbewusstsein und ein feines Gespür für gesellschaftspolitische Wechselwirkungen. So unterstützen z. B. politisch-unbedarfte Kommunikationsstrategien, die unreflektiert von rechts konnotierte, völkisch-nationalistisch aufgeladene Symbole verwenden, einen rückwärtsgewandten „Konsumpatriotismus“ und tragen zum Erstarken populistischer, demokratiefeindlicher Sammelbewegungen bei.

5 Zusammenfassung der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“

Eine Übersicht der entwickelten Thesen ist im elektronischen Zusatzmaterial einsehbar.

Die Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ ist für mich ein gutes Beispiel für das hervorragende Potenzial von Aufstellungen als Simulationsmethode. Diese Möglichkeit, Veränderungen von Systemen experimentell durchzuspielen und zu analysieren, ist nicht zu unterschätzen, denn: „Man kann ein System nicht verstehen, solange man es nicht verändert“, zitiert C. Otto Scharmer (2009/2011:47) den Aktionsforscher Kurt Lewin. (Eine detaillierte Methodenreflexion finden Sie, liebe Lesende, im Abschnitt 15.3.) In der simulierten Wirkung bestimmter Kommunikationsstrategien auf Kund:innen unterschiedlicher WMeme zeigen sich Hinweise darauf, welche (tiefsten) systemischen (Umwelt-)Bezüge ein zukunftsorientiertes Marketing zusätzlich in den Blick nehmen muss.

Suffizienz ist eine potenzielle Schlüsselkategorie für ein Marketing, das Konsumwandel unterstützen will. Dieser Zusammenhang zeigt sich in der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“, und meine Beobachtungen im ersten Teil meiner Arbeit (vgl. Kapitel 6, 7, 8) werden damit bestätigt. Das herkömmliche Nachhaltigkeitsmarketing (mit seinem Versprechen, grüner Konsum rette die Welt) blendet die tatsächliche Herausforderung aus: das Dilemma zwischen Konsum und Nachhaltigkeit respektive Ressourcenerhalt. Konsumwandel erfordert vielmehr Klarheit über diese grundlegende Spannungslinie. In der repräsentierenden Wahrnehmung wird diesbezüglich noch ein weiterer erkenntnisreicher Unterschied für Marketingwissenschaft und -praxis deutlich: Suffizienz birgt ein sehr hohes Konfliktpotenzial auf der Ebene des grünen WMems, also bei Kundengruppen, die gemeinhin als besonders umweltbewusst gelten und die Hauptzielgruppe des herkömmlichen Nachhaltigkeitsmarketing darstellen.

Weiterhin zeigt die Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ einige gefährliche Stolperfallen von Nachhaltigkeitskommunikation. Damit wird meine bisherige Beobachtung unterstrichen, dass ein zukunftsorientiertes Marketing ein Analyseinstrumentarium benötigt, das weit über die klassische Marktforschung hinausgeht. Kommunikation in Transformationskontexten erfordert nicht nur ein Gespür für ökonomische Entwicklungen, sondern sehr feine Antennen für seine gesamte Umwelt inklusive gesellschaftspolitischer Stimmungslagen und möglicher Wechselwirkungen. Die Aufstellungsbilder unterstreichen eindrücklich die Notwendigkeit eines differenzierten, systemsensiblen Vorgehens. Weiterhin entnehme ich den Daten den Hinweis, dass ein transformativer Konsumwandel voraussetzt, dass die Entwicklung nicht über die Köpfe der Akteure, namentlich der Konsumierenden hinweg geschieht, sondern diese sich in ihrer Urteilskraft respektive Mündigkeit ernstgenommen fühlen.

5.1 Diagramm „Kommunikationsstrategien“

Meine vorläufigen Thesen habe ich in einem Diagramm zusammengefügt. Die Abbildung 9.4 visualisiert die beobachteten Wirkungen von Kommunikationsstrategien auf Kunden unterschiedlicher WMeme.

In der repräsentierenden Wahrnehmung verbinden sich die drei Kommunikationsstrategien mit jeweils einer bestimmten WMem-Provenienz (der 1. Tier) in besonderer Weise. Der spielerische Nudging-Ansatz resoniert mit der grünen Bewusstseinsstufe. Suffizienz-Strategien sind plausibel für das rationale Orange. Dass sich die völkisch-nationalistisch aufgeladene Kommunikationsstrategie in der Aufstellung gegenüber dem gelb-memischen Kunden in Stellung bringt, wird vor dem Hintergrund von Spiral Dynamics ebenfalls plausibel: Gelb ist in dem Modell die höhere Ausprägung von Beige. Die Abschottung gegen Fremde – so wie von der Kommunikationsstrategie National propagiert – dient auf der beigefarbenen Stufe dem physischen Überleben in einer bedrohlichen Umwelt. Mit der Spiral Dynamics ist auch die Beobachtung schlüssig, dass die Kommunikationsstrategien auf Kunden der jeweils vorhergehenden Stufe stimulierend wirken können: So ist die orange-rational argumentierende Suffizienz-Strategie attraktiv für das blaue WMem, und das grün-memische Nudging wirkt anziehend auf das orange WMem.

Abbildung 9.4
figure 4

(Eigene Abbildung)

Wirkungen unterschiedlicher Kommunikationsstrategien auf Kunden unterschiedlicher Bewusstseinsebenen nach Spiral Dynamics.

In der repräsentierenden Wahrnehmung wird zudem deutlich, wo auf der Spirale besondere Ressourcen aber auch spezifische Hindernisse und Fallstricke für Transformationsprozesse im Konsumkontext liegen.

  • Informationen sind eine wesentliche Voraussetzung für Konsumwandel. Insbesondere auf der blauen Ebene sind Aufklärung und Sensibilisierung entscheidend. Hier kann das Verständnis ökologischer Zusammenhänge eine cognitive libération, einen biografischen Wendepunkt für die Öffnung zu umwelt- und sozialverträglicheren Konsummustern markieren.

  • Die Wirkung von Nudges ist ambivalent: Auf der Stufe des orangenen WMems wirken sie einer ungesunden Verbissenheit entgegen, doch auf der Stufe des blauen WMem behindern sie die wichtige cognitive libération.

  • Die Suffizienz-Strategie benennt klar die grundlegende systemische Spannung zwischen Konsum und Nachhaltigkeit respektive Ressourcenerhalt. Damit birgt dieser Ansatz das Potenzial zu einer tatsächlichen Veränderung des Konsumsystems. Auf der Ebene des grünen WMem kann diese Botschaft jedoch sehr leicht eine Blockade-Haltung provozieren und damit den „bedeutungsvollen Sprung“ (Graves) in den Hyperraum der 2. Tier verhindern.

  • National als eine politisch-unreflektierte Kommunikationsstrategie, die von rechts völkisch konnotierte Symbole einsetzt, wirkt auf gesellschaftliche Spannungen, wie sie für Transformationsprozesse charakteristisch sind, verschärfend.

5.2 Weiterführende Überlegungen und Fragen

Die folgende Gesamtschau dient dem Theoretical Sampling. Mit etwas zeitlichem Abstand lasse ich die Daten der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ Revue passieren und vergleiche sie mit dem  im Analyseteil – vgl. Zusammenfassung in Kapitel 8 – erhobenen Datenmaterial. Dadurch gewinne ich theoretische Anhaltpunkte, welches Aufstellungssetting im nächsten Schritt geeignet ist, um neues konzeptrelevantes Material hervorzubringen. Im Ergebnis dieses hypothesengeleiteten Vorgehens sind einige der bereits zuvor beobachteten Unterschiede noch deutlicher hervorgetreten, und auch neue Fragestellungen sind emergiert, und zwar zu folgenden Aspekten eines zukunftsorientierten Marketing:

  1. (1)

    dem strategischen Kern

  2. (2)

    der taktischen Zielausrichtung

  3. (3)

    den internen Entscheidungsprozessen

ad 1: Im analytischen Teil habe ich hergeleitet und begründet, dass die zentrale Zukunftsaufgabe (in wohlhabenden frühindustrialisierten Ländern) bis auf weiteres darin besteht, gesellschaftliche Aushandlungsprozesse der (Neu-) Definition von Wohlstand unter „Bestimmung eines rechten Maßes“ zu unterstützen. Meine These sehe ich durch die Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ gestützt, v. a. durch die Einschätzung des gelb-memischen Kunden, dass die Suffizienz-Strategie über das Potenzial verfüge, „Bewegung ins System“ zu bringen. Dieser strategische Hebel erfordert jedoch eine erhöhte systemische Sensibilität, denn Suffizienz – das wird in der repräsentierenden Wahrnehmung an der grün-memischen Reaktion exemplarisch deutlich – birgt eine enorme gesellschaftliche Sprengkraft. Vor diesem Hintergrund habe ich die These entwickelt, dass ein Marketing, das einen transformativen Konsumwandel i. S. der notwendigen Abkehr vom herrschenden Wachstumsparadigma unterstützen will, ein besonderes Bewusstsein für gesellschaftliche Wechselwirkungen sowie ein integrales Denken braucht. Der Umgang mit gesellschaftlicher Komplexität erlaubt keine einheitliche Herangehensweise, sondern erfordert differenzierte, zielgruppengenaue (besser: dialoggruppengenaue) Argumentationslinien: Für welche Botschaft sind Kund:innen der unterschiedlichen WMeme jeweils empfänglich? Als strategischen Kern eines zukunftsorientierten Marketing halte ich daher fest: Suffizienz ist ein strategischer Hebel und muss für Kund:innen der unterschiedlichen WMeme differenziert formuliert, d. h. jeweils anders erzählt werden.

Dieses strategische Postulat eines zukunftsorientierten Marketing führt letztlich zu der Frage nach einer Umsetzung in konkrete Maßnahmen. Der Ansatz, der von der Branche aktuell als „sehr mutig und innovativ“ prämiert wird, ist das Suffizienzmarketing. Ich bin mir nicht sicher, ob sich mit „Kauf weniger“-KampagnenFootnote 4 das besondere Potenzial des Marketing für Konsumwandel erschließen lässt. Die Aufstellungsbilder, namentlich die beobachtete Ambivalenz in der Verbraucherrolle sowie die zerstörerische Dynamik, die sich in der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ gezeigt hat, zeichnen zumindest ein eindrücklich anderes Bild. In der Gesamtschau führen mich die beobachteten Aufstellungsdaten zu einer weiteren zentralen Frage:

Welche wirksamen Ansatzpunkte gibt es, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Transformation zu stärken? Besitzt vielleicht Marketing das Potenzial, an dieser entscheidenden Stelle zu integrieren ?

ad 2: Erfordert Konsumwandel die Entwicklung der Konsumierenden zu einer ganzheitlichen Bewusstseinsstufe? Meine Kritik zu dieser Frage, die ich im analytischen Teil formuliert habe, greife ich an dieser Stelle wieder auf: Unter dem Eindruck der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ verdichtet sich für mich mein Postulat, dass es kein Ziel von Marketing sein sollte, Konsumierende zu einem ganzheitlichen (gelb-memischen) Bewusstsein zu führen: Die Aufforderung zur Konsumzurückhaltung wirkt an einer nach Spiral Dynamics entscheidenden Stelle der Entwicklungsspirale blockierend: dem „bedeutungsvollen Sprung“ (Graves) des grünen WMem in den Hyperraum des sekundärschichtigen Bewusstseins. Diese Beobachtung lenkt meine Aufmerksamkeit auf die Hauptdirektive des holonischen Modells von Wilber (2001/2010:70), nach der keine Bewusstseinsebene zu bevorzugen ist, sondern jedes WMem – in seiner gesunden Form – ein absolut notwendiges Element der Gesamtspirale ist. Vor dem Hintergrund dieses Holarchieprinzips lässt sich die Frage nach der taktischen Zielausrichtung, die am Anfang jedes Kommunikationskonzeptes steht, präzisieren: Ausgangspunkt ist die Annahme, dass jedes WMem einen wertvollen, unverzichtbaren Beitrag zum Ganzen leistet (ebd.). Umweltbewusstes Konsumhandeln braucht kein integrales Bewusstsein: Es gibt viele Gründe, weniger (z. B. Fleisch) zu konsumieren: für ein gesundes blaues WMem machen das vielleicht bestimmte Regeln (Gesetze, religiöse Vorgaben) erforderlich; ein oranges WMem erkennt gesundheitliche Vorteile; und ein gesundes grünes Mem sorgt sich um das Wohl von Tieren und das Klima.

Ein zukunftsorientiertes Marketing verfolgt keine „weg von – hin zu“-Strategie, die eine gezielte Bewusstseinsveränderung des einzelnen Konsumierenden zum Ziel hat. Entscheidend ist nicht, warum (auf welcher Wertebasis) sich Konsumierende ressourcenbewusst verhalten, sondern dass sie es tun.

Diese Überlegungen korrespondieren mit den beobachteten Aufstellungsbildern im Analyseteil, dass ein zukunftsorientiertes Marketing Kund:innen in einer vitaleren Rolle als Marktteilnehmer:innen willkommen heißt. Konsumierende sind keine Akteure, die in eine als „richtig“ bestimmte Spur gesetzt bzw. „gestupst“ werden müssen. Konsumierende übernehmen vielmehr eine vitale Rolle als Wissensressource eines zukunftsorientierten Marketing.

ad 3: Die Re-Konzeptualisierung des Kundenbildes berührt nicht zuletzt ein Herzstück der Marketingdisziplin: die Zielgruppentypologie. Der Versuch, Konsumierende mit soziodemografischen und psychografischen Daten zu identifizieren und zu beschreiben, ist ein zentraler Forschungsbereich innerhalb des herkömmlichen Marketing, dem eine ganze „Industrie“ von Marktforschungsinstituten – von Sinus-Institut über Sigma Gesellschaft und Nymphenburg Consult bis hin zu Kantar TNS und Google – angeschlossen ist. Auch das bisherige Nachhaltigkeitsmarketing hat eine Reihe spezifischer Modelle und Typologien für „nachhaltig“ Konsumierende entwickelt, wie z. B. LOVOS (Lifestyle of Voluntary Simplicity) und die LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability). (Glöckner et al., 2010; Weykopf, 2019)

In der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ entdecke ich innovative methodische Ansätze, die vermutlichFootnote 5 gängige Zielgruppentypologien für Marketing und Kommunikation sinnvoll ergänzen können. Vor dem Hintergrund des beobachteten vielschichtigen Zusammenspiels der Kommunikationsstrategien und WMeme wird z. B. erklärbar, warum einige „Nachhaltigkeitskampagnen“ erfolgreich sind und andere wiederum nicht zünden oder gar „nach hinten losgehen“. In dem Setting der Aufstellung „Kommunikationsstrategien“ liegt m. E. somit eine für die Marketingpraxis hoch interessante methodische Blaupause, die sich für eine zielgruppensensiblere Aussteuerung von Kampagnen utilisieren ließe. Auch in einem (zu entwickelnden) Modell eines zukunftsorientierten Marketing wird die Zielgruppentypologie einen zentralen Platz haben, weil Marketing in Transformationskontexten nicht nur ein Gespür für ökonomische Entwicklungen erfordert, sondern auch sehr feine Antennen für die gesamte Umwelt inklusive gesellschaftspolitischer Stimmungslagen und möglicher Wechselwirkungen. Eine bessere Kenntnis der spezifischen Problemlösungsmodi unterschiedlicher (Kunden-)Gruppen ist deshalb für ein zukunftsorientiertes Marketing elementar.

Ich kann mir eine Zielgruppentypologie ausgehend von den Bewusstseinsebenen gemäß Spiral Dynamics – möglicherweise in Kombination mit dem AQAL-Modell – als ein nützliches Analyseinstrumentarium in Transformationsprozessen vorstellen. Weitere Forschungen mittels der Aufstellungsmethode könnten hier sicher gute Grundlagen liefern.