Zusammenfassung
Was bedeutet es, aus der Perspektive der zirkulären Bioökonomie auf Industriesektoren zu blicken – etwa auf das Bauwesen? Die Rede von der Bioökonomie hat verschiedene Ebenen. Einerseits zielt dieser Begriff auf eine ressourcenschonende Wirtschaft ab, auf den Ersatz fossiler durch nachwachsende oder rezyklierte Rohstoffe sowie eine Lebenszyklusbetrachtung der Emissionen und Energiebedarfe. Andererseits kann die Metaphorik der Bioökonomie auch auf die Ebene des kulturellen Unbehagens an einer Ökonomie verweisen, der es an „bios“ mangele (was auch immer das bedeuten mag, erzählt der Einzelfall). Die erste Ebene ist an Fragen der planetaren Tragfähigkeit oder der Klimafolgen des Wirtschaftens orientiert. Die zweite Ebene blickt auch auf die gegenwärtigen Bedingungen der ökonomischen Teilhabe vieler Akteursgruppen im weiten Sinn. Dieses Kapitel nähert sich einführend beiden Ebenen. Dabei bezieht es das Konzept der zirkulären Bioökonomie einerseits auf die Nachhaltigkeitsdefizite insbesondere im Bauwesen. Andrerseits eröffnet es über Hinweise auf historische und gegenwärtige Semantiken der Rede von Bioökonomie auch Deutungsräume, diese als Artikulation der Orientierung auf eine lebensdienliche Wirtschaft zu verstehen. Gerade in der Originalität, Offenheit und Mehrdeutigkeit dieser Metapher wäre der „Mehrwert“ des bioökonomischen Ansatz gegenüber dem politisch, ökonomisch und juristisch bereits stark formalisierten und institutionalisierten Ansatz der Nachhaltigkeit zu sehen. Darin liegt sowohl eine Gefahr der Verflachung zum Buzzword, als auch eine produktive Anschlussfähigkeit für viele Akteursgruppen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
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Notes
- 1.
In der Regel wird in diesem Buch aus Affinität zur Prägnanz das generische Maskulin verwendet. Damit sind alle biologischen und kulturellen Geschlechter gemeint. Gelegentlich wird aus Affinität zur Variation auch variiert; auch dann soll sich niemand ausgeschlossen fühlen.
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Grossarth, J. (2024). Anliegen und Bedeutungen des bioökonomischen Blickes: Eine Einführung und Einstimmung. In: Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40198-6_1
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Publisher Name: Springer Vieweg, Wiesbaden
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