4.1 Gewalt

Im ersten Teil der Analyse wurden Pearson-Korrelationen zwischen den fünf Einflussfaktoren (Einkommensungleichheit, Wohlstand, ethnische Fraktionalisierung, Vertrauen, Materialismusrate) und der Mordrate als Proxy für das Ausmaß von Gewalt in reichen Ländern geschätzt. Abbildungen 4.1 bis 4.3 zeigen die entsprechenden Ergebnisse für das gesamte und bereinigte Länderset. Der Vergleich zwischen den Ländersets zeigt, dass der Ausschluss von Ausreißen die Zusammenhänge in ihrer Höhe und Signifikanz durchaus beeinflusst. Daher werden nachfolgend nur die Ergebnisse für das bereinigte Länderset berichtet. Aus Abbildung 4.1 ist ersichtlich, dass die Einkommensungleichheit seit 2002 mittelstark und positiv mit der Mordrate assoziiert ist (rmin (2020) = 0,327*; rmax (2009) = 0,466**). Wohlstand ist dagegen an allen 30 Zeitpunkten mittelstark bis stark negativ mit der Mordrate assoziiert (rmin (2016) = −0,358*; rmax (1997) = −0,618***).

Abbildung 4.1
figure 1

(Quelle: World Bank (2021b), World Bank (2021c), SWIID 9.2 (Solt, 2020), eigene Darstellung)

Korrelationen von Gini/ GDP und der Mordrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Des Weiteren veranschaulicht Abbildung 4.2 für das bereinigte Länderset, dass die ethnische Fraktionalisierung zwischen 1992 und 2004 mittelstark positiv mit der Mordrate assoziiert ist (rmin (2004) = 0,355*; rmax (1993) = 0,425*).

Abbildung 4.2
figure 2

(Quelle: HIEF (Dražanová, 2020), World Bank (2021c), eigene Darstellung)

Korrelationen von ethnischer Fraktionalisierung (HIEF) und Mordrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (blau) und bereinigte Länderset (lila).

Schließlich zeigen die in Abbildung 4.3 dargestellten Korrelationen, dass Vertrauen an lediglich fünf Zeitpunkten mittelstark negativ mit der Mordrate assoziiert ist (rmin (2012) = −0,328*; rmax (2020) = −0,379*) und dass die Materialismusrate an nur zwei Zeitpunkten mittelstark positiv mit der Mordrate zusammenhängt (rmin (1994) = 0,322*; rmax (1995) = 0,365*).s

Abbildung 4.3
figure 3

(Quelle: EVS (2021), Haerpfer et al. (2021), World Bank (2021c), eigene Darstellung)

Korrelationen von Materialismusrate/ Vertrauen und der Mordrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Im zweiten Teil der Analyse wurden die Querschnittseffekte der fünf Einflussfaktoren auf die Mordrate geschätzt. Tabelle 4.1 präsentiert die Ergebnisse für das bereinigte Länderset. Aus ihnen geht hervor, dass eine höhere Einkommensungleichheit sowohl einzeln als auch unter Kontrolle der Kovariaten einen verstärkenden Effekt auf die Mordrate, ganz wie von Wilkinson und Pickett vermutet, besitzt (Modelle 1, 3 bis 6).

Tabelle 4.1 Gepoolte OLS der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Mordrate für das bereinigte Länderset

Entgegen der Annahme von Wilkinson und Pickett zeigen die Ergebnisse, dass ein höherer Wohlstand über alle Regressionsmodelle hinweg mit einer geringeren Mordrate einhergeht (Modelle 2 bis 6). Ein Blick auf das korrigierte R2 verrät, dass Wohlstand einen deutlich höheren Anteil der Varianz der Mordrate erklärt (26,6 %) als die Einkommensungleichheit (9,9 %). Darüber hinaus zeigt Modell 4, dass ethnisch heterogenere Länder im Mittel durch eine höhere Mordrate charakterisiert sind. Sowohl das Vertrauen als auch die Materialismusrate weisen keinen signifikanten Einfluss auf die Mordrate auf.

Im dritten Teil der Analyse wurden die Längsschnitteffekte der fünf Einflussfaktoren auf die mittlere Mordrate des bereinigten Ländersets geschätzt. Tabelle 4.2 zeigt die Ergebnisse. Es stellt sich in allen Modellen heraus, dass ein Anstieg der Einkommensungleichheit über die Zeit im Mittel mit einer sinkenden Mordrate einhergeht (Modelle 1 bis 6). Dieser Effekt konterkariert den in der Spirit Level Theory angenommenen und durch die Querschnittsanalyse bestätigten negativen Zusammenhang zwischen den beiden Größen.

Tabelle 4.2 TWFE-Regression der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Mordrate für das bereinigte Länderset

Zudem zeigt die Längsschnittanalyse im Kontrast zu Wilkinson und Picketts Argumentation, dass wachsender Wohlstand in reichen Ländern im Mittel nach wie vor mit sinkenden Mordraten zusammenhängt (Modelle 2 bis 6). Im Vergleich der bivariaten TWFE-Modelle erklärt Wohlstand mit 26,7 % außerdem einen deutlich höheren Anteil der Varianz der Mordrate als die Einkommensungleichheit mit nur 4,8 % (Modell 1 vs. 2), was die Rolle der Wohlstandsveränderung verdeutlicht. Generell stellt sich heraus, dass die Varianz im Querschnitt besser erklärt werden kann als im Längsschnitt. Ethnische Fraktionalisierung, Vertrauen und die Materialismusrate haben im Längsschnitt keinen signifikanten Einfluss auf die Mordrate (Modelle 4 bis 6). Der Querschnittseffekt der ethnischen Fraktionalisierung kann entsprechend im Längsschnitt nicht bestätigt werden.

4.2 Inhaftierungen

Mittels ökologischer Pearson-Korrelationen wurden im ersten Analyseteil die Zusammenhänge zwischen den fünf Einflussfaktoren und der Inhaftierungsrate geschätzt. Abbildung 4.4 bis 4.6 zeigen die Ergebnisse im Vergleich zwischen dem gesamten und bereinigten Länderset. Dieser dokumentiert, dass der Ausschluss von Ausreißern die Korrelationskoeffizienten in ihrer Höhe und Signifikanz durchaus erheblich beeinflusst. Entsprechend werden im Folgenden nur die Ergebnisse für das bereinigte Länderset berichtet. In Abbildung 4.4 wird deutlich, dass die Einkommensungleichheit über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg mittelstark bis stark positiv mit der Inhaftierungsrate assoziiert ist (rmin (1991) = 0,322*; rmax (2005) = 0,648***). Indessen hängt Wohlstand über den dreißigjährigen Zeitraum hinweg mittelstark bis stark negativ mit der Inhaftierungsrate zusammen (rmin (1995) = −0,396**; rmax (2010) = −0,516***).

Abbildung 4.4
figure 4

(Quelle: SWIID 9.2 (Solt, 2020), World Prison Brief Database (2022), World Bank (2021b), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Gini/ GDP und der Inhaftierungsrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Des Weiteren veranschaulicht Abbildung 4.5 für das bereinigte Länderset, dass auch die ethnische Fraktionalisierung zwischen 1991 und 2014 stark bis mittelstark positiv mit der Inhaftierungsrate assoziiert ist (rmin (2014) = 0,342*; rmax (1991) = 0,544***).

Abbildung 4.5
figure 5

(Quelle: EVS (2021), Haerpfer et al. (2021), World Bank 2021, eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von ethnischer Fraktionalisierung (HIEF) und Inhaftierungsrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (blau) und bereinigte Länderset (lila).

Schließlich zeigen die Korrelationskoeffizienten in Abbildung 4.6, dass Vertrauen und Inhaftierungen konstant negativ auf mittelstarkem bis starkem Niveau assoziiert sind (rmin (2006) = −0,393*; rmax (2020) = −0,547***) und dass die Materialismusrate mit der Inhaftierungsrate zwischen 1994 und 2018 mittelstark positiv zusammenhängt (rmin (2004) = 0,320*; rmax (2002) = 0,495**).

Abbildung 4.6
figure 6

(Quelle: EVS (2021), Haerpfer et al. (2021), World Prison Data Brief 2022, eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Materialismusrate/ Vertrauen und der Inhaftierungsrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Im zweiten Teil der Analyse wurden die Querschnittseffekte der fünf Einflussfaktoren auf die Inhaftierungsrate geschätzt. Tabelle 4.3 präsentiert die Ergebnisse für das bereinigte Länderset. Sowohl die bivariaten als auch die multivariaten Analyseergebnisse zeigen, wie von Wilkinson und Pickett vermutet, dass Länder mit einer höheren Einkommensungleichheit im Mittel auch durch eine höhere Inhaftierungsrate charakterisiert sind (Modelle 1, 3 bis 6).

Tabelle 4.3 Gepoolte OLS der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Inhaftierungsrate für das bereinigte Länderset

Entgegen der Spirit Level Theory geht außerdem höherer Wohlstand mit einer geringeren Inhaftierungsrate einher. Dieser negative Zusammenhang wird sowohl bivariat als auch multivariat geschätzt (Modelle 2, 3, 4, 6). Eine Ausnahme besteht unter der Kontrolle auf Einkommensungleichheit und Vertrauen (Modell 5). Der bivariate Vergleich des korrigierten R2 weist darauf hin, dass Einkommensungleichheit mit 28 % eine größere Rolle bei der Erklärung der Varianz der Inhaftierungsrate spielt als Wohlstand mit 19,9 %. Darüber hinaus zeigt Modell 4, dass in ethnisch heterogeneren Ländern unabhängig von Einkommensungleichheit und Wohlstand mehr Menschen inhaftiert werden. Dieses Modell erklärt mit nur drei Variablen bemerkenswerterweise über 50 % der Variation der Inhaftierungsrate. Außerdem verrät das sechste Modell unter Kontrolle auf Einkommensungleichheit und Wohlstand, dass die Inhaftierungsrate in Ländern mit einem höheren Anteil an Menschen mit materialistischen Einstellungen höher ist (Modell 6). Das Vertrauenslevel steht dagegen in keinem signifikanten Zusammenhang mit der Inhaftierungsrate.

Im dritten Teil der Analyse wurden die Längsschnitteffekte der fünf Einflussfaktoren auf die mittlere Inhaftierungsrate des bereinigten Ländersets geschätzt. Die Ergebnisse in Tabelle 4.4 zeigen, dass eine Veränderung der Einkommensungleichheit über die Zeit im Mittel keinen signifikanten Einfluss auf die Inhaftierungsrate besitzt. Dagegen veranschaulicht die Längsschnittanalyse im weiteren Kontrast zur Spirit Level Theory, dass wachsender Wohlstand in reichen Ländern nach wie vor mit einer Verringerung der Inhaftierungsrate einhergeht.

Tabelle 4.4 TWFE-Regression der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Inhaftierungsrate für das bereinigte Länderset

Während der Querschnittseffekt der ethnischen Fraktionalisierung im Längsschnitt seine Signifikanz verliert, geht zunehmendes Vertrauen im Mittel mit weniger Inhaftierungen einher (Modell 5). Die Materialismusrate besitzt weiterhin keinen signifikanten Einfluss. Der Blick auf die Höhe der Bestimmtheitsmaße verrät, dass die Querschnittsmodelle die Varianz der Inhaftierungsrate deutlich besser erklären können als die Längsschnittmodelle.

4.3 Teenagerschwangerschaften

Im ersten Analyseteil wurden abermals ökologische Pearson-Korrelationen für den gesamten Untersuchungszeitraum geschätzt. Die Abbildungen 4.7 bis 4.9 zeigen die Effekte zwischen den Einflussfaktoren und der logarithmierten Teenagerschwangerschaftsrate für das gesamte und bereinigte Länderset im Vergleich. Auch in der vorliegenden Analyse zeigt sich, dass der Ausschluss von Ausreißern die Höhe und Signifikanz der Koeffizienten zum Teil stark beeinflusst. Entsprechend werden nur die Ergebnisse der bereinigten Ländersets berichtet. Entgegen der Spirit Level Theory geht aus Abbildung 4.7 hervor, dass die Einkommensungleichheit nicht signifikant mit der Anzahl der Teenagerschwangerschaften assoziiert ist. Dagegen ist Wohlstand unter Ausnahme von 2004 im gesamten Untersuchungszeitraum mittelstark bis stark negativ mit der Teenagerschwangerschaftsrate assoziiert (rmin (2002) = −0,323*; rmax (1993) = −0,530***).

Abbildung 4.7
figure 7

(Quelle: SWIID 9.2 (Solt, 2020), World Bank (2021b), World Prison Brief Database (2022), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Gini/ GDP und der Teenagerschwangerschaftsrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Darüber hinaus geht aus Abbildung 4.8 hervor, dass die ethnische Fraktionalisierung zwischen 1991 und 2011 mittelstark positiv mit der Teenagerschwangerschaftsrate zusammenhängt (rmin (2011) = 0,356*; rmax (1992) = 0,434*).

Abbildung 4.8
figure 8

Korrelationen von ethnischer Fraktionalisierung (HIEF) und Teenagerschwangerschaftsrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (blau) und bereinigte Länderset (lila). (Quelle: HIEF (Dražanová, 2020), World Prison Brief Database (2022), eigene Berechnung und Darstellung)

Schließlich zeigt Abbildung 4.9, dass die Materialismusrate keinen signifikanten Einfluss auf die Teenagerschwangerschaftsrate hat und Vertrauen lediglich zwischen 2013 und 2015 mittelstark negativ mit der Anzahl der Teenagerschwangerschaften assoziiert ist (rmin (2013) = −0,334*; rmax (2015) = −0,322*).

Abbildung 4.9
figure 9

(Quelle: EVS (2021), Haerpfer et al. (2021), World Bank (2021a), eigene Darstellung)

Korrelationen von Materialismusrate/ Vertrauen und der Teenagerschwangerschaftsrate zwischen 1991 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Im zweiten Teil der Analyse wurden die Querschnittseffekte der fünf verschiedenen Einflussfaktoren auf die logarithmierte Teenagerschwangerschaftsrate geschätzt. Tabelle 4.5 präsentiert die Ergebnisse für das bereinigte Länderset. Sowohl das bivariate als auch die multivariaten bereinigten Regressionsmodelle bestätigen das Bild der einfachen Pearson-Korrelationen: Die Einkommensungleichheit hat entgegen der Annahme von Wilkinson und Pickett keinen signifikanten Einfluss auf die Teenagerschwangerschaftsrate (Modelle 1, 3 bis 6), die Teenagerschwangerschaftsrate ist in wohlhabenden Ländern geringer (Modelle 2 bis 6) und in ethnisch diverseren Ländern höher (Modell4). Dabei erklärt Wohlstand allein über 30 % der Variation der Teenagerschwangerschaftsrate.

Tabelle 4.5 Gepoolte OLS der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die logarithmierte Teenagerschwangerschaftsrate für das bereinigte Länderset

Im dritten Teil der Analyse wurden die Längsschnitteffekte der fünf Einflussfaktoren auf die logarithmierte Teenagerschwangerschaftsrate geschätzt. Tabelle 4.6 zeigt die Ergebnisse der TWFE-Regressionen für das bereinigte Länderset. Die Analyse veranschaulicht, dass keines der Modelle die Variation der Teenagerschwangerschaftsrate im Längsschnitt erklären kann. Es wurden keine signifikanten Effekte zwischen den unabhängigen Variablen und der Teenagerschwangerschaftsrate festgestellt.

Tabelle 4.6 TWFE-Regression der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die logarithmierte Teenagerschwangerschaftsrate für das bereinigte Länderset

4.4 Schulische Leistungen

Im ersten Analyseschritt wurden einfache ökologische Pearson-Korrelationen zwischen den fünf Einflussfaktoren und der mittleren PISA-Lesekompetenz geschätzt. Die Abbildungen 4.10 bis 4.12 veranschaulichen die Ergebnisse im Vergleich zwischen dem gesamten und bereinigten Länderset. Es zeigt sich erneut, dass der Ausschluss der Ausreißer die Korrelationskoeffizienten in ihrer Höhe und Signifikanz durchaus beeinflusst. Entsprechend werden nur die bereinigten Ergebnisse berichtet. Abbildung 4.10 veranschaulicht entgegen der Annahme von Wilkinson und Pickett, dass die Einkommensungleichheit und Lesekompetenz nicht signifikant miteinander assoziiert sind. Dagegen zeigt sich ein mittelstarker bis starker positiver Zusammenhang zwischen Wohlstand und der Lesekompetenz zwischen 2002 und 2020 (rmin (2002) = 0,346*; rmax (2014) = 0,505**). Des Weiteren zeigt Abbildung 4.11, dass die ethnische Fraktionalisierung nicht signifikant mit der Lesekompetenz zusammenhängt. Schließlich geht aus Abbildung 4.12 für das bereinigte Länderset hervor, dass Vertrauen im gesamten Untersuchungszeitraum überwiegend stark positiv mit der Lesekompetenz assoziiert ist (rmin (2006) = 0,453**; rmax (2015) = 0,566***).

Abbildung 4.10
figure 10

(Quelle: OECD (2022), SWIID 9.2 (Solt, 2020), World Bank (2021b), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Gini/ GDP und der PISA-Lesekompetenz zwischen 2000 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Abbildung 4.11
figure 11

(Quelle: HIEF (Dražanová, 2020), OECD (2022), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von ethnischer Fraktionalisierung (HIEF) und Lesekompetenz zwischen 2000 und 2020 für das gesamte (blau) und bereinigte Länderset (lila).

Abbildung 4.12
figure 12

(Quelle: EVS (2021), Haerpfer et al. (2021), OECD (2022), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Materialismusrate/ Vertrauen und der PISA-Lesekompetenz zwischen 2000 und 2020 für das gesamte (links) und bereinigte Länderset (rechts).

Im zweiten Analyseteil wurden die Querschnittseffekte der fünf Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz geschätzt. Tabelle 4.7 zeigt die Ergebnisse der gepoolten OLS-Regressionen für das bereinigte Länderset. Im Kontrast zu Spirit Level Theory weist auch die Querschnittsanalyse auf keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einkommensungleichheit und der Lesekompetenz hin, was das Bild der einfachen ökologischen Korrelationen stützt (Modelle 1, 3 bis 6). Dagegen zeigt sich unter Ausnahme von Modell 5, dass Kinder in wohlhabenderen Ländern im Mittel eine höhere Lesekompetenz besitzen (Modelle 2 bis 4, 6). Indessen verdeutlicht Modell 5, dass höheres Vertrauen mit einer höheren mittleren Lesekompetenz einhergeht. Dieses Modell erklärt darüber hinaus mit 29,5 % den größten Anteil der Varianz der Lesekompetenz.

Tabelle 4.7 Gepoolte OLS der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz für das bereinigte Länderset

Die im dritten Analyseteil geschätzten Längsschnitteffekte zeigen in Tabelle 4.8 für das bereinigte Länderset, dass ausschließlich Vertrauen unter Kontrolle der Kovariaten signifikant mit der Lesekompetenz zusammenhängt (Modell 5). Es wird deutlich, dass eine Zunahme des Vertrauens über die Zeit im Mittel mit einer Steigerung der Lesekompetenz einhergeht.

Tabelle 4.8 TWFE-Regression der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz für das bereinigte Länderset

Das Vertrauen erklärt im Längsschnitt mit 26,8 % ähnlich viel Varianz der Lesekompetenz wie im Querschnitt. Einkommensungleichheit, Wohlstand, ethnische Fraktionalisierung und die Materialismusrate können Unterschiede in der Lesekompetenz im Längsschnitt nicht erklären.

4.5 Wahlbeteiligung

Auch für das letzte untersuchte Problem wurden im ersten Teil der Analyse einfache ökologische Pearson-Korrelationen zwischen den fünf Einflussfaktoren und der Wahlbeteiligung geschätzt. Die Abbildungen 4.13 bis 4.15 präsentieren die Ergebnisse für das gesamte Länderset, da in den Daten zur Wahlbeteiligung keine Ausreißer festgestellt wurden. Nur in der ersten Korrelationsreihe zwischen der Einkommensungleichheit und Wahlbeteiligung wurde eine weitere Gini-bereinigte Analyse durchgeführt. Abbildung 4.13 verdeutlicht diesbezüglich für das unbereinigte (gelb) und bereinigte Länderset (rosa), dass Einkommensungleichheit und Wahlbeteiligung nicht signifikant miteinander assoziiert sind. Dagegen zeigt sich, dass Wohlstand und Wahlbeteiligung zwischen 2011 und 2020 in mittlerer Stärke miteinander zusammenhängen (rmin (2011) = 0,344*; rmax (2017) = 0,448**).

Abbildung 4.13
figure 13

(Quelle: International IDEA (2022), SWIID 9.2 (Solt, 2020), World Bank (2021b), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Gini/ GDP für das gesamte und bereinigte (Gini, rosa) Länderset.

Aus Abbildung 4.14 geht hervor, dass die ethnische Fraktionalisierung über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg nicht signifikant mit der Höhe der Wahlbeteiligung assoziiert ist. Auch die Materialismusrate hängt nicht signifikant mit der Wahlbeteiligung zusammen, was Abbildung 4.15 verdeutlicht. Dagegen stellt sich heraus, dass Vertrauen zwischen 2015 und 2020 mittelstark positiv mit der Anzahl der Personen assoziiert ist, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen (rmin (2015) = 0,323*; rmax (2017) = 0,369*).

Abbildung 4.14
figure 14

(Quelle: HIEF (Dražanová, 2020), International IDEA (2022), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von ethnischer Fraktionalisierung (HIEF) und Wahlbeteiligung zwischen 1991 und 2020 für das gesamte Länderset.

Abbildung 4.15
figure 15

(Quelle: EVS (2021), Haerpfer et al. (2021), International IDEA (2022), eigene Berechnung und Darstellung)

Korrelationen von Materialismusrate/ Vertrauen und der Wahlbeteiligung zwischen 1990 und 2020 für das gesamte Länderset.

Im zweiten Analyseteil wurden die Querschnittseffekte der fünf Einflussfaktoren auf die Wahlbeteiligung geschätzt. Tabelle 4.9 präsentiert die Ergebnisse für das bereinigte Länderset unter der Kontrolle des Einflusses einer Wahlpflicht. Im Kontrast zu den einfachen Pearson-Korrelationen zeigt die Querschnittsanalyse, dass die mittlere Wahlbeteiligung in Ländern niedriger ist, in denen das Einkommen ungleicher verteilt ist. Dieser Zusammenhang zeigt sich in allen gepoolten OLS Modellen (Modelle 1, 3, 4 und 6) unter Ausnahme der Kontrolle auf Vertrauen, Wohlstand und Wahlpflicht (Modell 5). Ein positiver Zusammenhang zwischen Wohlstand und Wahlbeteiligung konnte dagegen nur unter der Kontrolle auf Einkommensungleichheit und ethnische Fraktionalisierung festgestellt werden (Modell 4). Modell 5 verrät, dass Länder, in denen Menschen eher einander vertrauen, im Mittel durch eine höhere Wahlbeteiligung charakterisiert sind. Dieser Zusammenhang besteht unter der Kontrolle auf Einkommensungleichheit, Wohlstand und Wahlbeteiligung. Die Materialismusrate hat auch im Länderquerschnitt keinen Einfluss auf die Wahlbeteiligung (Modell 6). Darüber hinaus wird über alle Modelle hinweg deutlich, dass die Wahlbeteiligung in Ländern mit einer Wahlpflicht im Mittel um ca. 20 % höher ist. Dieser starke Effekt der Wahlpflicht trägt maßgeblich dazu bei, dass in allen Modellen ein vergleichsweise großer Anteil der Varianz der Wahlbeteiligung erklärt werden kann (34 bis 44,8 %).

Tabelle 4.9 Gepoolte OLS der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Wahlbeteiligung für das bereinigte Länderset

Im dritten Teil der Analyse wurden die Längsschnitteffekte der fünf Einflussfaktoren auf die mittlere Wahlbeteiligung unter der Kontrolle des Einflusses einer Wahlpflicht geschätzt. Tabelle 4.10 präsentiert die Ergebnisse der TWFE-Regressionen für das bereinigte Länderset. Es wird deutlich, dass eine Zunahme der Einkommensungleichheit über die Zeit im Mittel mit einer Abnahme der Wahlbeteiligung einhergeht. Dieser negative Zusammenhang zeigt sich über alle Modelle hinweg unter Kontrolle der jeweiligen Kovariaten (Modelle 1, 3 bis 6).

Tabelle 4.10 TWFE-Regression der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Wahlbeteiligung für das bereinigte Länderset

Dagegen besteht im Längsschnitt kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Wohlstand und der Wahlbeteiligung über alle Modelle hinweg (Modelle 2 bis 6). Die Assoziation zwischen Vertrauen und der Wahlbeteiligung kann dagegen im Längsschnitt bestätigt werden: Eine Zunahme des Vertrauens über die Zeit geht im Mittel mit einer Steigerung der Wahlbeteiligung einher. Indessen konnte im Längsschnitt ein signifikanter Zusammenhang zwischen der ethnischen Fraktionalisierung und der Wahlbeteiligung festgestellt werden: Werden Länder über die Zeit ethnisch heterogener, so erhöht sich im Mittel der Anteil der Personen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Dieser Zusammenhang besteht unter der Kontrolle der entsprechenden Kovariaten (Modell 4). Insgesamt wird deutlich, dass im Querschnitt ein deutlich höherer Teil der Varianz der Wahlbeteiligung erklärt werden kann als im Längsschnitt.

4.6 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse

Tabelle 4.11 fasst die Ergebnisse der bivariaten Pearson-Korrelationen (PK), der multivariaten Quer- (QS) und Längsschnittanalysen (LS) für die bereinigten Ländersets zusammen (s. jeweils Regressionsmodelle 4 bis 6). Für die Pearson-Korrelationen ist die Anzahl der signifikanten Zusammenhänge im Untersuchungszeitraum angegeben. Signifikante Quer- und Längsschnitteffekte sind mit einem Haken (✓) gekennzeichnet, insignifikante mit Kreuzen (X). Die unterschiedlichen Farben markieren Problem-verstärkende (rot) und Problem-abdämpfende (grün) Zusammenhänge und Effektrichtungen. Eingeklammerte Haken ( (✓) ) kennzeichnen die für Gini und GDP möglichen Sonderfälle, in denen nur in einem bzw. zwei von drei fokussierten Modellen ein signifikanter Effekt festgestellt wurde; also unter Kontrolle auf ethnische Fraktionalisierung oder Vertrauen oder Materialismus.

Tabelle 4.11 Ergebnisübersicht der Quer- und Längsschnittanalysen für das bereinigte Länderset

Die Ergebnisse zeigen in Übereinstimmung mit der Spirit Level Theory im Länderquerschnitt, dass eine höhere Einkommensungleichheit mit einer höheren Mordrate, einer höheren Inhaftierungsrate und einer geringeren Wahlbeteiligung einhergeht. Entgegen der Theorie wurden keine Effekte auf die Teenagerschwangerschaftsrate und Lesekompetenz von Kindern festgestellt. Im Längsschnitt ist die Zunahme der Einkommensungleichheit lediglich mit einer Verringerung der Wahlbeteiligung assoziiert und geht entgegen der Annahme von Wilkinson und Pickett sogar mit einer Verringerung der Mordrate einher. Die Ergebnisse der multivariaten Querschnittsanalyse konterkarieren außerdem die Behauptung der Spirit Level Theory, das Wohlstandsniveau habe in reichen Ländern keinen Einfluss mehr auf das Ausmaß sozialer Probleme. So zeigt sich, dass reichere Länder sogar unter Kontrolle der Einkommensungleichheit von allen untersuchten sozialen Problemen in einem geringeren Ausmaß betroffen sind. Im Längsschnitt zeigt sich außerdem, dass die Zunahme des Wohlstands mit einer Verringerung der Mord- und Inhaftierungsrate einhergeht.

Die Ergebnisse verweisen im Länderquerschnitt darauf, dass ethnisch diversere Länder höhere Mord- und Inhaftierungs- und Teenagerschwangerschaftsraten aufweisen. Dagegen geht aus der Längsschnittanalyse hervor, dass eine über die Zeit zunehmende ethnische Fraktionalisierung mit einer Zunahme der Wahlbeteiligung assoziiert ist. Zwischen der ethnischen Fraktionalisierung und der Lesekompetenz wurde kein signifikanter Zusammenhang festgestellt. Vertrauen ist sowohl im Länderquer- als auch im Länderlängsschnitt positiv mit der Lesekompetenz und der Wahlbeteiligung assoziiert. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Zunahme des Vertrauens über die Zeit im Mittel mit einer Abnahme der Inhaftierungsrate einhergeht. Der aus den Pearson-Korrelationen hervorgehende dämpfende Zusammenhang zwischen Vertrauen und Inhaftierungen konnten durch die multivariate Querschnittsanalyse dagegen nicht bestätigt werden. Außerdem zeigen die multivariaten Quer- und Längsschnittanalysen, dass das Vertrauenslevel weder mit der Mordrate noch mit der Teenagerschwangerschaftsrate assoziiert ist. Abschließend zeigen die Ergebnisse, dass die Materialismusrate lediglich signifikant mit der Inhaftierungsrate im Länderquerschnitt zusammenhängt. Länder mit einem materialistischeren Werteklima sind durch höhere Inhaftierungsraten gekennzeichnet. Mit den anderen untersuchten sozialen Problemen ist die Materialismusrate nicht assoziiert.