1 Stationäre Sektor

Um Qualität und Qualitätsmanagement im Krankenhausbereich adäquat beleuchten zu können ist ein Exkurs in die politischen und gesundheitsökonomischen Strukturen notwendig. Die Verhältnisse im Gesundheitsbereich und insbesondere im stationären Bereich haben sich in den letzten 20 Jahren drastisch verändert [371].

1.1 Veränderung der Krankenhauslandschaft

Die bisher größte Strukturreform im Krankenhaussektor stellt die Einführung des Fallpauschalensystems als Abrechnungsgrundlage für Krankenhäuser im Jahr 2003 dar [366].

Vor der Reform wurden die Häuser nach der Aufenthaltsdauer der Patienten vergütet [367]. Mit der Einführung des German-Diagnosis-Related-Groups-Systems (G-DRG) existierte von nun an pro Fall ein pauschalierter Gesamtbetrag, der bundeseinheitlich zur Anwendung kam und unabhängig von der Liegedauer vergeben wurde [367]. Ein zentrales politisches Ziel bestand darin, Liegezeiten zu verkürzen und die Anreize, Patienten möglichst lange stationär aufzunehmen, zu reduzieren [368]. Weiterhin sollte für ein- und dieselbe Behandlung auch ein einheitlicher Vergütungsbetrag ausgegeben werden, was dem Prinzip ‚Gleicher Preis für gleiche Leistung‘ näherkommen und wodurch eine höhere Verteilungsgerechtigkeit erzielt werden sollte [369].

Insbesondere die deutsche Krankenhauslandschaft mit einem aktuellen Finanzvolumen von über 115 Milliarden Euro ist von zahlreichen unterschiedlichen Interessen durchzogen [370]. Ärztliches und nichtärztliches Personal, Patienten, gesetzliche und private Krankenversicherungen, öffentliche und private Krankenhausträger, Kommunen, Länder und der Bund haben teilweise diametrale Interessen und Ansprüche an die stationären Versorgungsstrukturen und die Verteilung der Finanzmittel.

Ein zu erwartender Trend nach der Einführung des Fallpauschalensystems und des Wegfalls der Vergütung nach Krankenhausaufenthaltsdauer ist der deutliche Rückgang der mittleren Verweildauer [369]. Lag diese im Jahr 1991 noch bei 14 Tagen, beläuft sie sich 2019 auf nur noch 7,2 Tage im Durchschnitt [370]. Im Fallpauschalensystem wurde nun für einen spezifischen Fall eine bundesweit gleiche Vergütung ausgeschüttet [371]. So wurde der Gewinn eines Krankenhauses auch maßgeblich von den dort vorherrschenden Kostenstrukturen mitbeeinflusst [371]. Eine gleiche Leistung brachte einen gleichen Erlös, der in seiner Höhe stark von der Kostenseite abhängig war [371].

Je wirtschaftlicher und effizienter ein Krankenhaus eine bestimmte medizinische Leistung erbringen konnte, desto größer war auch die Gewinnmarge [371].

Die Fokussierung auf Kosten verursachte einen deutlichen Rückgang von medizinischen Einrichtungen: Seit 1991 sind über 450 Krankenhäuser aufgelöst und über 170.000 Betten abgebaut worden [370]. Trotz dieses Abbaus sank die Bettenauslastung im Vergleich zu 1991 im Jahr 2019 sogar leicht auf 77,2 %, da neben der Reduzierung von Bettenkapazitäten gleichzeitig auch die durchschnittliche Verweildauer abfiel [370].

Im neuen DRG-System gab es nun jedoch andere Anreize, um Gewinne generieren zu können: Seit dessen Einführung im Jahr 1994 stiegen die erbrachten Fallzahlen nahezu jährlich deutlich an, bei somit auch deutlich mehr Patienten [370].

Größere und wirtschaftlich arbeitende Krankenhäuser mit effektiven Kostenstrukturen werden im DRG-System bevorzugt [371]. Dies resultierte in der Entwicklung, dass kleine Krankenhäuser vermehrt aus dem Wettbewerb verschwanden [370, 371]. Zentren und Klinikverbände dominieren aktuell die Krankenhauslandschaft, da Synergieeffekte und Kosteneinsparungen hier deutliche Vorteile bringen [372]. Ein zentraler Einkauf und eine zentrale Logistik beispielsweise können Kosten reduzieren. Auch die Trägerschaft hat sich fundamental geändert. Die Privatwirtschaft zeigte mehr und mehr Interesse, unter den veränderten Rahmenbedingungen in den Krankenhaussektor zu investieren und in direkte Konkurrenz zu staatlichen Kliniken zu treten [373, 374].

Ein Beispiel ist die Helios Kliniken GmbH, die mit Abstand größte privatwirtschaftliche Betreiberin im Gesundheitssektor in Deutschland. 2020 betrieb der Konzern 86 Kliniken mit einem Jahresumsatz von 6,3 Milliarden Euro [375] (Abbildung 8.1).

Abbildung 8.1
figure 1

(Eigene Abb., nach [370])

Relevante Indikatoren und ihre Entwicklung im stationären Bereich.

1.2 Wirtschaftliche Lage von Krankenhäusern

Ein wesentlicher Ansatzpunkt für die Analyse von Entwicklungen, Veränderungen und deren Ursachen im Gesundheitsbereich ist die ökonomische Situation von Krankenhäusern. Der enorme Fortschritt der Medizin und Pharmazie sorgt für immer neue Behandlungsverfahren und Therapiemöglichkeiten [376]. Im Zuge dieser Entwicklungen steigt die Lebenserwartung der Menschen und die Patienten werden immer älter [376]. Viele onkologische Erkrankungen stellen heute kein Todesurteil mehr dar und für chronische Erkrankungen kann dank verbesserter Therapien fast eine normale Lebenserwartung ausgewiesen werden [377].

Die Kosten im Gesundheitswesen überstiegen im Jahr 2012 erstmals die 300-Milliarden-Euro-Grenze [370]. Die entsprechenden jährlichen Budgetsteigerungen der Krankenhäuser deckten bei weitem nicht die enorm gestiegenen Kosten ab [378]. Die stete, insbesondere kommunale Verschuldung führte zu einem Rückgang der Investitionen von Gemeinden und Ländern [378]. Ein Trend der DRG-Umstellung beinhaltete das ‚Sterben‘ von kleinen und unwirtschaftlich arbeitenden Häusern und eine Abnahme von Einrichtungen und Betten [370].

Laut dem Deutschen Krankenhausinstitut haben in den Jahren 2002 bis 2007 die Häuser vermehrt ausgeglichene und sogar überschüssige Jahresabschlüsse verbucht [379]. 2007 hatten über 80 % der Häuser einen ausgeglichen bzw. positiven Jahresabschluss [379]. Nur 17 % der Einrichtungen waren defizitär [379]. Dieser Trend brach im Jahr 2007 nun vermehrt ab, da Optimierungs- und Synergieeffekte ausgenutzt waren und tarifpolitische Entscheidungen die Personalkosten deutlich erhöhten [380]. Ein Beispiel hierfür ist der 2006 erstmals durchgesetzte arzteigene Tarifvertrag des Marburger Bundes für alle angestellten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland [381].

2018 veröffentlichte das Deutsche Krankenhausinstitut Zahlen, nach denen fast 30 % aller Krankenhäuser eine Verlustbilanz vorwiesen [379]. Die Budgetierung und fallbezogene Pauschalierung des Entgeltes sind besonders für die deutschen Universitätskliniken wirtschaftlich gesehen nachteilig [382]. Ein Großteil der Universitätskliniken macht jährlich massive Verluste und nur die duale Finanzierung und Trägerschaft der Länder verhindern den Bankrott [382, 383]. Aufgaben in Lehre und Forschung, die Behandlung von seltenen und schwersten Erkrankungen, die Anwendung von innovativen Therapien, das Betreiben von Ambulanzen und die Notfallversorgung sind oftmals mit dem zugeteilten Budget nicht kostendeckend zu bewältigen, weshalb in den nächsten Jahren eine Neustrukturierung der Finanzierung von Universitätskliniken nötig sein wird [383]. Im Jahr 2006 wurde das erste deutsche Universitätsklinikum (das Klinikum Gießen-Marburg), das sich am Rande der Zahlungsunfähigkeit befand, sogar privatisiert [384].

1.3 Strategien in der modernen Krankenhauslandschaft

Nach der Einführung des DRG-Systems und damit einheitlicher Vergütungen von gleichen medizinischen Leistungen fanden zahlreiche Veränderungen in den Kliniken statt, um weiterhin wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich sein zu können [369, 371]. Sehr kleine und kleine Häuser verschwanden mit der Zeit aus der Krankenhauslandschaft [370]. Größere Häuser bzw. Krankenhausverbände und Zentren haben sich mehr und mehr etabliert und weisen eine wesentlich günstigere Kostenstruktur auf [372]. Die Größe bedingt aber auch ein breiteres Leistungsangebot [372]. So können den Patienten zentral oder dezentral mehr medizinische Disziplinen angeboten werden, wodurch eine Überweisung an einen externen Anbieter vermieden werden kann [372]. Für den Patienten bringt dies durchaus Vorteile mit sich, weil er aus ‚einer Hand‘ behandelt wird [372].

Da Personalkosten nur bedingt beeinflussbar sind, gab es die Entwicklung des Outsourcings in vielen Kliniken; supportive Krankenhausdienstleistungen wie die Küche, Reinigung, Instandhaltung und Wäschereien wurden an externe Anbieter vergeben, wodurch Lohneinsparungen erzielt werden konnten [46]. Über eine Veränderung der Qualität in diesen Bereich bestehen divergierende Meinungen.

Vor allem wurden fortan Prozesse und Abläufe in den Häusern analysiert und aktiv gemanagt [385]. Angesichts der hohen Fluktuation von Patienten wurde ein Aufnahme- und Entlassmanagement immer bedeutsamer [386]. Neu aufgenommenen Patienten sollte ein Bett zur Verfügung stehen, anstatt angesichts einer überfüllten Station abgewiesen zu werden [386, 387]. Nötige Voruntersuchungen und Aufklärungen werden nun häufig in den vorstationären Bereich verschoben [387]. Die stationäre Aufnahme erfolgt dann direkt am OP-Tag [387]. Auf diese Weise ist eine Verkürzung der präoperativen Phase erreicht worden [387].

Behandlungspfade, Standard Operating Procedures (SOPs) und Qualitätsstandards stellen eine optimale medizinische Behandlung sicher, mit der Intention einer schnellen Rekonvaleszenz und Entlassung des Patienten [388]. Die optimale Ausnutzung von OP-Kapazitäten resultierte in den meisten Häusern in einem aktiven OP-Management [389]. Wechselzeiten, OP-Zeiten und viele andere Indikatoren werden heute erfasst und aktiv zumeist durch einen OP-Manager gesteuert [389].

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels im Gesundheitssektor und der vermehrten Abwanderung junger Mediziner in den nichtkurativen Bereich entwickelte sich auch ein Wettbewerb um die besten Köpfe [390]. Es war nun notwendig, die Interessen des Personals auch als Arbeitgeber stärker zu berücksichtigen und Veränderungen und Flexibilisierungen des zuvor starren Arbeitszeitmodells vorzunehmen, um aus dem begrenzten Pool an Fachkräften und Ärzten die eigenen Stellen auch besetzen zu können [390]. Ein professionelles Personalmanagement und Mitarbeiterbefragungen wurden in vielen Häusern zur Normalität [390].

Auch aktuell haben sich die Bedürfnisse gerade der jungen Mediziner im Rahmen eines Ärztemangels im stationären Bereich stark gewandelt [391]. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten stieg über die Jahre kontinuierlich an [392]. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde zu einem immer bedeutenderen Faktor, der unabhängig vom Gehalt den Ausschlag gab, eine Stelle an einem bestimmten Haus anzunehmen oder sich dort zu bewerben [391, 393].

Eine weitere Antwort vieler Einrichtungen im stationären Bereich auf die zunehmende Konkurrenz der Häuser untereinander beinhaltet den freiwilligen Erwerb von Zertifikaten und die Begutachtung durch externe Anbieter [394]. Dieser Entwicklung vorausgegangen war eine gesetzgeberische Neuordnung des Sozialgesetzbuches V, die ein Qualitätsmanagement von jeder Einrichtung forderte [395]. Anbieter wie die Kooperation für Qualität und Transparenz im Gesundheitsweisen oder auch das DIN EN ISO 9001-Zertifikat erlangten eine immer größere Bedeutung [396]. Die vergebenen Zertifikate wurden auch als ein Marketinginstrument benutzt, um konkurrenzfähig bleiben zu können und die Akquirierung von Patienten zu unterstützen [397]. Sowohl der gesetzgeberische Impuls einer verpflichtenden Implementierung eines Qualitätsmanagements als auch die erfolgreiche Verbreitung von externen Zertifizierungen haben deutliche Verbesserungen in der Struktur- und Prozessqualität der Häuser bewirkt [395].

Zusammenfassend hat sich seit Mitte der 1990er Jahre folgende Entwicklung im Gesundheitswesen ereignet:

Krankenhäuser agieren unter den veränderten Rahmenbedingungen als Wirtschaftsunternehmen und mittelgroße Betriebe [373].

Was in der Privatwirtschaft für den Erfolg und das Überleben eines Unternehmens relevant und selbstverständlich ist, wird nun auch in den Krankenhäusern implementiert [373]. Leitbilder, eine Unternehmensphilosophie, strategisches und operatives Management, Marketing und Corporate Identity, Controlling, Qualitätsmanagement, Human Ressources, Kundenzufriedenheit uvm. muten im Gesundheitsbereich für den einen oder anderen eher befremdlich, plakativ und unpassend an und stehen vermeintlich sogar für eine kühle Ökonomisierung und Kapitalisierung im Gesundheitswesen [373, 398, 399].

Auch wenn die vielfältigen Anglizismen zunächst oberflächlich erscheinen, handelt es sich hierbei doch um Grundprinzipien der Betriebswirtschaftslehre und die Basis für ein konkurrenzfähiges und wirtschaftlich überlebensfähiges Geschäft [373]. Dass diese Grundprinzipien der Betriebswirtschaftslehre ebenso für ein Krankenhaus gelten, steht außer Frage [373]. Das Unternehmensziel eines Krankenhauses besteht darin, ein gutes Produkt – also eine gute medizinische Behandlung – bei hoher Zufriedenheit der Kunden (Patienten) und Mitarbeiter zu liefern, unter der Maßgabe einer zumindest ausgeglichenen oder besser positiven Jahresabschlussbilanz, um erstens Raum für Investitionen in Infrastruktur und Innovationen zu haben und zweitens am Markt bestehen zu können [373].

Gerade im Krankenhausbereich wird das Unternehmensziel des positiven Nettoerlöses oftmals kritisch gesehen und ist Anlass für vielfältige Diskussionen [400]. Fakt ist jedoch, dass ein defizitär arbeitendes Krankenhaus in die Insolvenz geraten wird [373]. Folgen sind der Verlust von Arbeitsplätzen und der Wegfall einer Versorgungseinheit, die den Patienten im Einzugsgebiet dann nicht mehr zu Verfügung steht. Offen bleibt die Frage, ob es unethisch für ein Krankenhaus ist, auch Gewinne erwirtschaften zu wollen, oder aber eine Insolvenz in Kauf zu nehmen und den Patientinnen und Patienten dann gar keine Versorgung mehr anbieten zu können.

2 Qualitätsbegriff in der Medizin

Der Begriff Qualität in der Medizin wird in den letzten Jahren immer häufiger thematisiert und Schlagworte wie Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und Qualitätsindikatoren sind weit verbreitet [201, 401, 402]. Neben diversen neu geschaffenen Institutionen und Funktionen ist die flächendeckende Implementierung des Qualitätsmanagements im stationären und ambulanten Bereich des deutschen Gesundheitssystems eng verwoben mit dem § 137 des Sozialgesetzbuches V aus dem Jahr 2005 [403, 404].

Was in der freien Wirtschaft bereits Anfang des 20. Jahrhundert eine Rolle spielte und seit den 1950er und 1960er Jahren insbesondere die produzierenden und industriellen Bereiche der Wirtschaft erfasste – nämlich bestimmte Richtgrößen produzierter Güter einzuhalten und fehlerhafte Produkte vor dem Inverkehrbringen auszusortieren – benötigte bis zur Implementierung in der deutschen Krankenversorgung noch 50 Jahre [405].

In Anbetracht dessen ist die Frage zu stellen, weshalb sich eine solch starke zeitliche Latenz bei der Hinwendung zu Qualitätsaspekten in der medizinischen Behandlung entwickelte.

So einfach und unbestritten sinnvoll die Qualitätskontrolle eines industriell produzierten Produktes ist (das Einhalten bestimmter Kennzahlen in einem festgelegten Toleranzbereich und die Funktionsprüfung), so schwierig kann eine solche Prüfung bei einer medizinischen Behandlung und Therapie sein [406, 407]. Das biologische System ‚Mensch‘ ist derart individuell und komplex, dass sich das Festlegen von Referenzbereichen, Behandlungserfolg und guter Qualität im Einzelnen als schwierig bis unmöglich erweisen kann [407, 408].

Dennoch hat sich in den letzten 20 Jahren gezeigt, dass der Qualitätsbegriff auch im medizinischen Kontext sinnvoll, hilfreich und unverzichtbar geworden ist [409, 410].

Die Milestone-Veröffentlichung „Evaluating the quality of medical care“ von Donabedian aus dem Jahre 1966 bietet eine erste auf die Medizin abgestimmte Definition von Qualität und fragmentiert diese in drei Teilbereiche – nämlich Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität – untergliederte [110].

Um die verschiedenen Seiten des Qualitätsbegriffes zu beleuchten, sollen die folgenden Definitionen einen ersten Eindruck vermitteln.

Donabedian beschreibt Qualität im Gesundheitswesen wie folgt, zitiert nach [411]:

„Quality of care is the extent to which actual care is in conformity with preset criteria for good care.”

Nach der DIN EN ISO 8402 aus dem Jahr 1995 wird Qualität wie folgt definiert:

„Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produkts oder einer Dienstleistung, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung festgelegter oder vorausgesetzter Erfordernisse beziehen.“

Die aktuelle Definition der DIN EN ISO 9000 aus dem Jahre 2005 lautet:

„Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.“

Das amerikanische Institute of Medicine findet im Jahr 1990 folgende Definition, zitiert nach [412]:

„Qualität ist das Ausmaß, in dem Gesundheitsleistungen für Individuen und Populationen die Wahrscheinlichkeit erwünschter gesundheitlicher Behandlungsergebnisse erhöhen und mit dem gegenwärtigen professionellen Wissensstand übereinstimmen.“

Anhand der genannten Definitionen wird ersichtlich, wie abstrakt und schwierig zu erfassen Qualität im medizinischen Bereich sein kann. Schnell kommen neue Begriffe wie Behandlungserfolg und die generelle Definition von Gesundheit auf.

Einen konkreten und pragmatischen Bezug zur Qualität stellen die sogenannten Qualitätsindikatoren her [413]. Ein Instrument des Qualitätsmanagements ist die externe Qualitätssicherung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragte 2009 auf Grundlage des Paragraphs 137a SGB V das Institut für angewandte Qualitätsförderung im Gesundheitswesen (aQua-Institut), u. a. die sektorübergreifende Qualitätssicherung zu übernehmen und wissenschaftlich fundierte Qualitätsindikatoren zu bestimmten Prozeduren zu erstellen [414]. Ziel war es, Qualität deutschlandweit adjustiert an Patientenklientel und Größe des Krankenhauses beurteilen zu können. Dabei bilden mehrere einzelne Qualitätsindikatoren ein mosaikartiges Gesamtbild der Behandlungs- und Durchführungsqualität ab [414]. Im Januar 2016 wurde der Nachfolgeauftrag für die sektorübergreifende Qualitätssicherung an das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) übertragen [415].

Beispielhaft soll dies an der Knieendoprothetik verdeutlicht werden: Im Jahr 2019 wurden über 169.000 Knieendoprothesen in 1091 Krankenhäusern in Deutschland implantiert [416]. Anhand dieser Zahlen ist zum einen die Häufigkeit dieser medizinischen Behandlung und zum anderen die Anzahl an Krankenhäusern abzulesen, die diese Therapie anbieten und durchführen.

Zu erfragen ist nun, ob eine Knieendoprothese mit hoher Qualität implantiert wurde und wie Daten gewonnen werden können, die eine Vergleichbarkeit zwischen einer Universitätsklinik und einem Grund- und Regelversorger ermöglichen. Auch Unterschiede zwischen einem Patienten, der eine Re-OP erhalten hat, und einem Patienten, der mit der ersten Prothese versorgt wurde, müssen erfasst werden können.

Um Vergleiche vornehmen zu können, ist es erforderlich, dass die Qualitätsindikatoren auf die diversen beeinflussenden Faktoren risikoadjustiert sind [417].

Ein valider Qualitätsindikator für eine Knieendoprothese ist die Indikationsstellung. Als negativ zu beurteilen ist dabei, wenn Patienten, die nach medizinischer Evidenz noch gar keiner operativen Versorgung des Knies bedürfen, trotzdem operiert werden [416]. Eine korrekte Indikationsstellung hingegen liegt dann vor, wenn ein Patient, der sowohl von der Klinik (Schmerzen und Funktionseinschränkung) als auch durch die Bildgebung (Osteophyten, Gelenkspalt, Deformierung) einen eindeutigen Bedarf für eine operative Versorgung aufweist [416]. So werden bei diesem Indikator mehrere radiologische und klinische Befunde abgefragt, die einen Punktwert ergeben und darüber entscheiden, ob eine ausreichende Behandlungsnotwendigkeit besteht [416].

Einen weiteren Indikator stellt die postoperative Komplikationsrate dar [416]. Sie ist ein Indikator für qualitativ hochwertige Operation, aber auch die postoperative Nachbetreuung [416]. Die Unterschreitung von ≤ 4,7 % ist die Vorgabe [416].

Anhand dieser beiden beispielhaft herausgegriffenen Indikatoren bei der Knieendoprothetik lässt sich erkennen, dass medizinische Behandlungsqualität sehr konkret und auch real messbar ist [416].

Neben dem Versuch, medizinische Qualität im Ganzen definieren und abstrahieren zu können, kann auch eine pragmatische Beschreibung von einzelnen Qualitätsaspekten durchgeführt werden, die mess-, auswert- und vergleichbar sind [418]. Allerdings muss kritisch hinterfragt werden, wie valide jeder einzelne Indikator tatsächlich ist und ob eine ausreichend hohe Datenqualität vorliegt. Die durch das IQTIG-Institut durchgeführte externe Qualitätssicherung ist immerhin für jeden Leistungserbringer gesetzlich obligat und das Nichterreichen oder Verfehlen von Referenzbereichen bei Qualitätsindikatoren kann einen strukturierten Dialog nach sich ziehen; zudem werden die Daten veröffentlicht [419].

Ein anderes, bereits kurz angedeutetes Problem, das sich ergibt, wenn medizinische Qualität auf mehrere einzelne Qualitätsaspekte in Form von Qualitätsindikatoren heruntergebrochen wird, ist die Tatsache, dass nicht alle Therapien und Leistungen durch Qualitätsindikatoren abbildbar sind [420].

Eine weitere Möglichkeit, sich medizinischer Qualität zu nähern, sind die nach § 137 SGB V jährlich von den Krankenhäusern zu veröffentlichenden strukturierten Qualitätsberichte [414]. Diese Berichte bilden hauptsächlich den Aspekt der Strukturqualität ab [414]. Dort werden Personal, Berufsgruppen, Ausstattung und Durchführungshäufigkeiten angegeben [414]. Ob in diesem Kontext Häuser, die Eingriffe sehr häufig durchführen, automatisch eine höhere Qualität aufweisen, da sie routinierter und erfahrener sind, als Häuser mit geringeren Eingriffszahlen, ist ambivalent zu beurteilen.

Neben den rein formalen und messbaren Charakteristika der Behandlungsqualität existiert auch eine subjektive Seite. Der Patient als Leistungsempfänger eignet sich ebenfalls gut dazu, ein Urteil über die erhaltene Leistung abzugeben [201, 421].

Eine Möglichkeit, sich dem Thema Qualität auf der Mikroebene zu nähern, ist der Patient selbst. Denn dieser kann vom Betreten des Klinikgeländes bis zur Entlassung nach einer stationären Behandlung alle Behandlungsschritte und alle Beteiligten im Behandlungsprozess als einziger überblicken und hat diese selbst miterlebt [421]. Der Patient kann folglich beurteilen, wie gut die Beratung an der Pforte ist und wie einfach oder schwierig Orte in einem Krankenhaus zu finden sind; er kann beurteilen, wie sauber und hygienisch die Einrichtung ist und wie die Mitarbeiter des Hauses auf ihn wirken [421]. Schlussendlich kann der Patient aus seiner subjektiven Sicht einen Behandlungserfolg beschreiben und bewerten [201].

Da es sich hierbei um eine subjektive Einzelmeinung handelt, die dadurch statistisch nahezu unbrauchbar ist, kann die Bündelung von Einzelmeinungen durch standardisierte Befragungen und eine hohe Fallzahl ein statistisch akzeptables Ergebnis hervorbringen, das ähnlich wie Qualitätsindikatoren auch eine Seite von medizinischer Qualität abbildet [422, 423].

Der Vorteil einer Annäherung der medizinischen Qualität aus dieser Richtung besteht in deren Anwendbarkeit auf alle Formen der Therapien und Behandlungen [424]. Denn bei jeder medizinischen Prozedur ist der Patient per definitionem beteiligt. Weiterhin wird eine globale Qualitätsbeurteilung auf diese Weise am ehesten erreicht [424]. Der Gesamteindruck zählt hier, nicht die Differenzierung einzelner Qualitätsaspekte [424, 425].

Qualität in der Medizin und die adäquate und effektive Messung sind essentiell um Behandlungsqualität, Versorgungs- und Verteilungsgerechtigkeit zu Förden aber auch Impulse für Verbesserung und Innovation zu generieren [260, 426].

3 Von der Qualität zum Qualitätsmanagement – Etappen einer Entwicklung

Wie im vorherigen Abschnitt erwähnt begannen die ersten Anstrengungen, ein Qualitätsmanagement in der deutschen Gesundheitslandschaft – zunächst nur in Einrichtungen der somatischen stationären Versorgung – zu etablieren, seit den 1990er Jahren, getriggert durch die neu geschaffenen gesetzlichen Rahmenbedingungen [414, 419].

Nachfolgend soll untersucht werden, was Qualitätsmanagement im Detail bedeutet und worin der Unterschied zur reinen Qualitätskontrolle bzw. Qualitätssicherung besteht.

In einer Publikation von Eberlein-Gonska beschreibt diese Qualitätsmanagement wie folgt [427]:

„Qualitätsmanagement umfasst neben den Elementen eines mehrdimensionalen Qualitätsbegriffs und dem Verständnis von Qualität als unternehmensweiter Aufgabe als drittes wesentliches Element die Prävention. So muss betriebliche Qualitätspolitik präventiv orientiert sein, und hierzu sind als wesentliche Voraussetzungen die Kunden- und Prozessorientierung zu nennen. Letztere ist gekennzeichnet von der Abkehr der rein ergebnisorientierten Qualitätsbetrachtung hin zur kritischen Analyse von Arbeitsabläufen als Voraussetzung, möglichst frühzeitig Eingriffsmöglichkeiten zu erkennen, die wiederum Einfluss auf das Ergebnis haben.“

Die Entwicklungsschritte und Meilensteine hin zum heutigen differenzierten Qualitätsmanagement sind in der folgenden Grafik dargestellt [405] (Abbildung 8.2).

Abbildung 8.2
figure 2

(Eigene Darstellung, nach [405])

Meilensteine des Qualitätsmanagements.

Die Entwicklung hin zu einem modernen ganzheitlichen Qualitätsmanagement dauerte auch in der Industrie und Wirtschaft etwa 80 Jahre [405]. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren es u. a. Henry Ford und Frederick Taylor, die erstmalig Endkontrollen bei industriell produzierten Produkten einführten und damit verhindern wollten, dass ein defektes Produkt an den Kunden ausgeliefert wurde [405]. Die nächste Evolutionsstufe stellte die Qualitätssteuerung dar [428].

Ab den 1930er Jahren erweiterte sich das Augenmerk nicht nur auf die Entdeckung von schadhaften Produkten, sondern auch hin zu einem aktiven Korrigieren von Fehlern [405]. Einer der Pioniere war der amerikanische Physiker und Ingenieur Walter Shewhart [405].

In den 1960er Jahren trat erstmals William Edwards Deming wissenschaftlich in Erscheinung [405]. Der amerikanische Physiker und Statistiker gilt als einer der Begründer des modernen Qualitätsmanagements [429]. Er verknüpfte – stark marktwirtschaftlich orientiert – den unternehmerischen Erfolg mit einer guten Qualität der produzierten Güter [429]. Das japanische Pendant zu Deming war der Statistiker und Ingenieur Taguchi Genichi [405]. Auch hier bestand die Hauptintention nicht in der Qualität als solche, sondern im wirtschaftlichen Gewinn [405].

Mitte der 1960er Jahre kam mit Crosby ein weiterer Pionier des Qualitätsmanagements hinzu. In seiner Tätigkeit für das US-amerikanische Pentagon entwickelte er ein Null-Fehler-Programm [405]. In seinem Qualitätsmodell sollte der Zielgrenzwert einer Leistung bei ‚zero defects‘ liegen und Fehler sollten keine erwartbare Erscheinung darstellen [430]. Seine Veröffentlichung „Quality is free“ beinhaltet seine vier Grundsätze, die wegweisend für die heutige Auffassung von Qualitätsmanagement sind [431].

In den 1970er Jahren gingen wiederum von Japan neue Impulse für das Qualitätsmanagement aus [405]. In der dortigen Schiffbauindustrie liegen die Anfänge der Entwicklung des Six-Sigma-Konzeptes, das dann Mitte der 1980er Jahre im US-Konzern Motorola unternehmensweit implementiert wurde [432].

Dass Fehlervermeidung gerade in der Medizin schon immer im Bestreben des Behandlers lag und in dem Grundsatz ‚Primum nihil nocere‘ (zuerst einmal nicht schaden) seit Jahrhunderten verbreitet ist, ist bekannt [419]. Der Begriff der Qualitätspolitik als eine übergeordnete Instanz, die das aktive Hinwenden zu Qualitätsaspekten als ein unternehmerisches Ziel ansieht, stellt in dieser Form im medizinischen Betrieb jedoch eine Innovation dar [260].

Die gesetzlichen Vorgaben aber auch die gewachsene Einsicht seitens der stationären Leistungserbringer, dass Mitarbeiter-, Patienten- und Ergebnisorientierung essenziell sind, um im Wettstreit der sich verknappenden finanziellen Ressourcen bestehen zu können, stellten sich nach und nach ein [433].

In einer Auswertung von Blumenstock et al. wird dies deutlich [395] (Abbildung 8.3):

Abbildung 8.3
figure 3

(Eigene Darstellung, modifiziert nach [395])

Implementierung von QM-Systemen.

Anhand der Daten von Blumenstock et al. wird die kontinuierliche Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems in 45 % der Akutkliniken in Deutschland im Jahr 2007 ersichtlich [395]. 2009 waren es bereits 90 % der Häuser, die mit Instrumenten des Qualitätsmanagements ausgestattet waren [395].

Nach Blumenstock et al. haben sich auch verstärkt strukturelle Veränderungen eingestellt [395]. Im Jahr 2004 besaßen 71 % der Häuser einen hauptamtlichen Qualitätsmanager, der in 37 % der Fälle eine akademische, meist medizinische Ausbildung innehatte [395].

Zusammenfassend ist eine rasante Entwicklung im Hinblick auf die Etablierung und praktische Ausgestaltung von Qualitätsmanagement in deutschen Krankenhäusern erkennbar [433]. Der Initiator dieser Entwicklung war ohne Zweifel der Gesetzgeber [414]. Dass die Ausgestaltung und Anwendung derart durchgreifend und schnell erfolgten, hängt vermutlich mit der Konkurrenzfähigkeit und den parallel zu dieser Entwicklung entstandenen verschärfenden ökonomischen Rahmenbedingungen für die stationären Leistungserbringer zusammen [433, 434].

Die Klinikleitungen erkannten schnell, dass ein Qualitätsmanagement und das Etablieren einer Qualitätspolitik entscheidend sind, um auch wirtschaftlich auf dem deutschen Gesundheitsmarkt bestehen zu können [434]. Patienten- und Mitarbeiterorientierung, Wirtschaftlichkeit, Ziel- und Prozessorientierung, Fehlervermeidung, Führungs- und Verantwortungskompetenz sowie eine kontinuierliche Verbesserungskultur stellen – ebenso wie in der Privatwirtschaft – Eckpfeiler für den Erfolg eines Krankenhauses, womit nicht ausschließlich der monetäre Erfolg gemeint ist [434, 435].

Ein funktionierendes Qualitätsmanagement sorgt in einem Krankenhaus dafür, dass Patienten und Mitarbeiter zufrieden sind, die erbrachten ärztlichen und pflegerischen Leistungen hochwertig bleiben, Prozesse und Ressourcen ökonomisch sinnvoll und effektiv eingesetzt werden und sich schlussendlich auch ein betriebswirtschaftlicher Erfolg einstellt, der Raum für Investitionen in Medizintechnik, erstklassiges Personal und die Einführung von Innovationen gibt [435, 436].

4 Spezifisches Qualitätsmanagement in der Anästhesiologie

Das Fachgebiet der Anästhesiologie, bestehend aus den vier Säulen der Anästhesie, der Intensivmedizin, der Schmerztherapie und der Notfallmedizin versorgt zu einem Großteil akut kranke Patientinnen und Patienten und hat die Aufgabe die Vital- und Organfunktionen zu erhalten [55]. Die fachtypischen Prozeduren und Interventionen der Einzelfachgebiete greifen oftmals in die lebensnotwendigen Körperfunktionen – wie Atmung, Bewusstsein und Kreislauf – ein [56]. Fehler, Unfälle und Fehlfunktionen können im Bereich der Anästhesiologie zu schwerwiegenden Schädigungen der Patientinnen und Patienten führen, daher hat sich gerade in der Klinischen Anästhesie ein spezifischen Qualitätsmanagement entwickelt, welche häufig die Flugbranche als Referenz anführt [437, 438].

4.1 Bedeutung der Klinischen Anästhesie in der Operativen Medizin

Adaptiert an die Bedingungen und Bedürfnisse der operativen und medizinischen Disziplinen bietet der Klinische Anästhesist eine Vielzahl an abgestuften anästhesiologischen Interventionen an [56]. Dabei besteht seine Hauptaufgabe nicht nur in der Schaffung adäquater Bedingungen für den operativen Partner bzw. den Interventionisten, sondern insbesondere auch im Erhalt der physiologischen Homöostase, also der Stabilität des kardiovaskulären, renalen, pulmonalen und zerebralen Systems [56]. Operationsbedingte Komplikationen gilt es adäquat und schnell zu therapieren [56].

Der Anästhesiologe begleitet den Patienten präoperativ, indem er die bedeutsame Aufgabe des Prämedikationsgespräches wahrnimmt, intraoperativ, indem er die Anästhesie durchführt und operations- und/oder patientenbedingte Komplikationen behandelt und postoperativ – wenn notwendig – die intensivmedizinische Versorgung fortführt bzw. als Schmerztherapeut den akuten Schmerz behandelt [56]. Der Anästhesiologe sieht den Patienten dabei losgelöst vom isolierten chirurgischen Krankheitsbild, da er alle Organsysteme im Blick haben sollte. Er ist nicht der direkte ‚Behandler‘, sondern stellt eine medizinische Dienstleistung für den Operateur zur Verfügung und gerät damit in eine neutrale und unabhängige Position [56, 439].

Zum anderen entwickelt sich in den letzten Jahren unter den massiven ökonomischen Zwängen und den veränderten Rahmenbedingungen durch die Einführung des G-DRG-Systems die Notwendigkeit, Prozesse und Abläufe so optimiert wie möglich zu gestalten [428]. Baulich und strukturell kristallisiert sich gerade in der Operativen Medizin die Errichtung von großen, zentralen operativen Zentren heraus [440]. Die in der Vergangenheit oftmals verbreiteten dezentralen Behandlungseinheiten im Pavillonstil sind zu unwirtschaftlich geworden [440, 441].

Die Vorteile eines Zentral-OPs lassen sich wie folgt zusammenfassen: Sowohl Personal als auch Ressourcen können wesentlich effektiver eingesetzt werden [442]. Benötigt werden lediglich ein Aufwachraum sowie ein Lager für medizinisches Equipment und Verbrauchsmaterialien und die Operationssäle liegen räumlich nah beieinander [442, 443]. Nicht zuletzt auch aus medizinischer Perspektive entstehen dabei interessante Synergien, wenn unterschiedliche operative Fächer unter einem Dach vereinigt sind [444].

In diesem Setting stellt die Organisation der Saalkapazitäten und des Operationsplanes eine entscheidende Aufgabe dar, um neben der strukturellen Optimierung auch optimale Prozesse gewährleisten zu können [445]. Die durchschnittlichen Kosten einer Minute im OP liegen je nach Literatur zwischen 10 und 15 Euro, was pro Stunde 600 bis 900 Euro bedeutet [446]. Verständlicherweise ist der effiziente Einsatz der Ressource OP bedeutsam und sinnvoll [446]. Aber auch die zeitnahe Versorgung von Notfallpatienten und das erfolgreiche Abarbeiten des OP-Tagesplans bilden wesentliche Aufgaben [446].

Dafür braucht es ein Prozessmanagement und über die Jahre haben sich vermehrt Anästhesisten dieser Arbeit angenommen [439]. Der Anästhesist hat einen Gesamtüberblick über alle operativen Fächer, weil er diese anästhesiologisch betreut, und ist zudem ein ‚neutraler Dienstleister‘, da er nicht die bettenführende Abteilung für den Patienten darstellt und keine eigene DRG erhebt [439]. Deshalb fällt die Aufgabe des OP-Managements oft an einen Anästhesiologen, der weisungsbefugt die Prozesse im OP-Zentrum steuern soll [439, 447].

4.2 Externe Qualitätssicherung durch Erhebung von Routinedaten

In derart sensiblen Bereichen wie der Operationsabteilung aber auch der Intensivstation oder der präklinischen Notfallversorgung sind Sicherheit und die Vermeidung von Fehlern elementar [448]. Im Bereich der klinischen Anästhesie wurden schon früh strukturierte Routinedaten zentral erfasst, um Rückschlüsse auf Prozessqualität und Komplikationen ziehen zu können [449]. Der von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) entwickelte Kerndatensatz liegt mittlerweile schon in der Version 3.01 vor [450]. Die entsprechenden Anästhesieprotokolle sind standardisiert und die Daten werden zentral erfasst [450]. Dies ist ein effektives Mittel der externen Qualitätssicherung und auch des Benchmarkings der Kliniken untereinander [115].

Die Tatsache, dass Prozesse in der Anästhesie, beispielsweise die Narkoseeinleitung, standardisiert ablaufen und technisch-handwerklich keine Kreativität zulassen, erleichtert den Vergleich [451]. So können deutschlandweit enorme Datenmengen akquiriert werden. Damit ist die klinische Anästhesie schon seit den 1990er Jahren ein Vorreiter, was die Nutzung von Routinedaten zu Zwecken des Qualitätsmanagements anbelangt [438, 450, 452]. Bei dieser Maßnahme zum Zwecke der externen Qualitätssicherung steht aber größtenteils die Dimension der Prozessqualität im Vordergrund. Aus diesen Routinedaten brauchbare Rückschlüsse auf die Ergebnisqualität zu ziehen, gestaltet sich aktuell noch schwierig, da sinnvolle und praktikable Qualitätsindikatoren erst noch entwickelt werden müssen.

In der Klinischen Anästhesie sind relevante Anzeichen für eine hohe Ergebnisqualität das Auftreten bzw. Fernbleiben von Anästhesie-assoziierten Komplikationen, wie z. B. das Auftreten einer malignen Hyperthermie, einer anaphylaktischen Reaktion, einer misslungenen Intubation und viele mehr [438]. Eine monokausale Zuordnung ist dabei häufig nicht möglich und die Entwicklung einer malignen Hyperthermie nicht analog zu einer schlechten Ergebnisqualität. Auch kann die Erfassung von misslungenen Intubationen und schwierigen Atemwegen nicht per se mit einer ungenügenden Ergebnisqualität korreliert werden. Vielmehr wäre hier die Prozessqualität interessanter, die mit den vorhandenen Routinedaten aber nicht erfassbar ist [451, 453]. Die Schwierigkeit besteht darin, geeignete Qualitätsindikatoren nach der ‚RUMBA-Regel‘ zu finden. RUMBA ist ein Akronym aus den englischen Adjektiven relevant, understandable, measurable, behaviourable und achievable, was übersetzt bedeutet, dass Qualitätsindikatoren zum einen relevant sein müssen, es also einen Zusammenhang zwischen dem Indikator und der in diesem Falle gemessenen Qualität geben sollte [454]. Zum anderen sollte der Indikator verständlich und messbar sein und das Ziel der realistischen Beeinflussbarkeit des untersuchten Qualitätsaspektes erfüllen [454].

Ein Beispiel, das gleichzeitig auch die Schwierigkeiten im Bereich der Klinischen Anästhesie aufzeigt, soll dies verständlicher machen. Als zu untersuchender Qualitätsaspekt sollen systemische Nebenwirkungen durch die Anästhesie mit einem Qualitätsindikator verknüpft werden. Dieser ist u. a. die ‚Auftretenshäufigkeit der malignen Hyperthermie‘ [455]. Die Erfassung der Häufigkeit der malignen Hyperthermie, ausgelöst durch eine Anästhesie, besitzt unbestritten eine Relevanz, stellt sie doch eine schwerwiegende Komplikation mit hoher Mortalität dar [455]. Es ist jedoch die Frage zu stellen, ob sich dieser Indikator auch gut messen lässt?

Diese Frage ist mit Ja zu beantworten, denn im Kerndatensatz der DGAI wird diese Komplikation kodiert und kann somit durch die EDV erfasst werden; es können absolute und relative Häufigkeiten ermittelt werden [450]. Probleme zeigen sich indes bei den letzten beiden Charakteristika für einen akzeptablen Indikator. Er muss veränderbar sein und diese Veränderung muss auch praktikabel sein. Die Auftretenshäufigkeit der malignen Hyperthermie als einen Indikator für eine gute Anästhesie zu verwenden, ergibt keinen Sinn, da das Ziel, eine maligne Hyperthermie möglichst zu vermeiden, nicht durch Änderungen in der täglichen Praxis erreichbar ist. Somit scheidet dieser Qualitätsindikator für die Beurteilung einer Anästhesieleistung aus.

4.3 Postanästhesiologische Visite

Neben der präoperativen Visite, die besser unter dem Begriff der Prämedikationsvisite bekannt ist und als einen zentralen Bestandteil die rechtsgültige Aufklärung mit einem informed consent des Patienten beinhaltet, was sie vor jeder elektiven Narkose obligat werden lässt, besteht seit den Anfängen der deutschen Anästhesiologie auch die Erkenntnis, dass eine postoperative Visite zur Erfassung von anästhesiebedingten Komplikationen notwendig ist [28, 62, 456].

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2007 setzt sich in Form einer Literaturrecherche u. a. mit diesem Thema auseinander [457]. Es wird herausgearbeitet, dass die postoperative Visite schon seit 1890 in der deutschen Fachliteratur allgemein akzeptiert und gefordert ist, mit der Intention der Verlaufsbeurteilung und der Absprache mit den ärztlichen Kollegen [457]. Zu den geforderten Zeiträumen zeigt der Autor auf, dass es Empfehlungen über das Stattfinden der Visite innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Operation bis hin zum zweiten bis dritten postoperativen Tag gibt [457]. Insgesamt wird in dieser historischen Aufarbeitung klar, wie selbstverständlich diese Maßnahme für die Begründer des Fachgebietes war [457].

In einer modernen und aktuellen Einschätzung der postoperativen Visite bleiben die Grundannahmen von damals weiterhin richtig und erstrebenswert [458]. Mit Blick auf Patientenzufriedenheit und Qualitätssicherung gewinnt diese spezifische anästhesiologische Leistung an Bedeutung [458].

Komplikationen wie Erbrechen, Übelkeit und Halsschmerzen, aber auch Symptome einer möglichen intraoperativen Awareness können nur erfasst und erkannt werden, wenn diese gezielt in einer standardisierten postoperativen Visite untersucht werden [458]. Das Ausbleiben dieser Komplikationen kann im Sinne der Ergebnisqualität betrachtet werden [458]. Neben der bloßen Erfassung von Komplikationen, die ohne diese Maßnahme gar nicht registriert würden, und unter Umständen einer systematischen Fehlentwicklung, die erst viel zu spät erkannt würde, besteht die Möglichkeit der Intervention, indem entsprechende Therapiemaßnahmen vom Arzt angeordnet werden [438, 458].

Gerade die postoperativen Komplikationen wie Übelkeit, Erbrechen, Hals- und Wundschmerzen tragen maßgeblich zur Gesamtbeurteilung der anästhesiologischen Leistung bei [459]. Die eigentlichen intraoperativen Therapiemaßnahmen, die den Kern der anästhesiologischen Arbeit bilden, kann der Patient, da bewusstlos, nicht beurteilen. Deshalb werden für ihn Surrogatparameter wie die gerade angesprochene postoperative Übelkeit und Halsschmerzen zu einem wesentlichen Faktor in Bezug auf die Bewertung der Narkose [459].

In einer Studie aus dem Jahr 2011 stellten die Autoren fest, dass Patienten, die eine postoperative Visite erhielten, unabhängig von den eingetretenen Komplikationen der Anästhesie signifikant zufriedener mit der Narkose waren als ohne diese Visite [460].

Eine weitere Studie zum Thema Patientenzufriedenheit und postoperative Visite liefert einen interessanten Nebenaspekt: Bei 282 eingeschlossenen Patienten ermittelten die Kollegen eine relative Häufigkeit der Inzidenzen von postoperativer Übelkeit, Erbrechen, Heiserkeit und Schmerzen von 25 bis 33 % [453].

Trotz der noch intensiveren Fokussierung des Fachgebietes auf die Patientensicherheit seit der Deklaration von Helsinki stehen dort immer major complications im Vordergrund [461].

Festzuhalten ist, dass die postanästhesiologische Visite ein seit dem Beginn der Anästhesie bestehendes probates und effektives Instrument der internen Qualitätssicherung darstellt [457]. Ähnlich wie bei einem Critical Incident Reporting System (CIRS) werden dabei Komplikationen erfasst; weitergehend als beim CIRS findet dies aber systematisch statt, da im Idealfall alle Patienten visitiert werden. Darüber hinaus werden auch minor complications detektiert [457, 458]. Diese Erhebungen eignen sich als ‚Frühwarnsystem‘ für systematische Fehlentwicklungen [457, 458].

Soll neben der reinen Qualitätssicherung gleichzeitig auch eine Verbesserung der Patientenzufriedenheit erreicht werden, ist eine klassische Visite, am besten durch den narkotisierenden Anästhesisten, durchzuführen [460].

4.4 Critical Incident Reporting System (CIRS)

Bei einer Narkose werden vitale Körperfunktionen und Organsysteme beeinflusst, es wird gewollt in die Homöostase des Organismus eingegriffen und der Patient ist abhängig von technischen und pharmakologischen Produkten. Dies geschieht nicht zum Selbstzweck der Anästhesie, sondern findet im Kontext einer operativen oder interventionellen Therapie statt [462, 463].

In diesem Rahmen muss sowohl auf unter Umständen unterwünschte Wirkungen der Anästhesie selbst als auch auf die operationsbedingten Einflüsse und Komplikationen reagiert werden (Volumen- und Blutverlust, Hämodynamik, Temperaturabfall usw.) [56]. Die Aufgabe des Klinischen Anästhesisten besteht darin, die technischen und pharmakologischen Maßnahmen adäquat auszuwählen, anzuwenden und zu überwachen, und darüber hinaus anästhesie- und operationsbedingte Störungen im Kontext der patientenspezifischen Situation – hierbei spielen u. a. der Gesundheitszustand, das Alter, Besonderheiten bei geriatrischen Patienten, Kindern und Schwangeren eine zentrale Rolle – zu steuern und zu behandeln [62]. In vielen klinisch-operativen Bereichen kommen zusätzliche diagnostische Leistungen, z. B. die transösophageale Echokardiographie (TEE), und ein intraoperatives Neuromonitoring hinzu [464]. Damit sind die Anforderungen und Aufgaben für den Anästhesisten hochkomplex und folglich auch fehleranfällig [464].

Fehler zu vermeiden, stellt dementsprechend einen bedeutenden Beitrag zur Patientensicherheit dar und ist elementar für die tägliche Arbeit [465]. Da neben technischen Fehlfunktionen aber hauptsächlich der Mensch für die Entstehung von Zwischenfällen verantwortlich ist, werden geeignete Werkzeuge benötigt, um möglichst wenig Fehler mit nur geringen negativen Folgen entstehen zu lassen [466].

In der Anästhesie war schon früh ein Bewusstsein für die Sinnhaftigkeit eines aktiven und spezifischen Fehlermanagements vorhanden. Ursprünglich von australischen Narkoseärzten eingeführt, wurde es in Europa erst in den späten 1990er Jahren angewandt [448, 467].

Mit der Deklaration von Helsinki im Jahr 2010 beschritten die Europäischen Anästhesiologen einen Weg, der Patientensicherheit zu einem zentralen Thema des Fachgebietes werden ließ [468].

Eine Studie aus dem Jahr 2014 zur Anästhesie-assoziierten Morbidität und Mortalität mit über 1,3 Millionen eingeschlossenen Patienten ergab eine unterwartet hohe Mortalität und Morbidität von 7,3 auf 1 Million Narkosen [70]. Die Gesamtmortalität perioperativ lag bei immerhin 26,2 auf 1 Million Narkosen [70].

Mit dem ‚CIRSmedical Anästhesiologie‘ steht ein webbasiertes Tool für die gesamte Anästhesiologie zur Verfügung, das kommerziell zu erwerben ist [469]. Das Prinzip beruht auf einer anonymen Berichterstattung von Beinahe-Fehlern, Zwischenfällen und Komplikationen, die anonymisiert, pseudonymisiert und teilweise verfremdet in ein standardisiertes Berichtsformular eingetragen werden [470]. Von extern findet dann eine sowohl medizinische als auch juristische Auswertung mit möglichen Handlungsalternativen statt. Die Fälle können intern oder auch extern veröffentlicht werden [470].

Der Vorteil dieses Systems liegt in der Anonymität, der Einfachheit der Eingabe sowie der objektiven und kompetenten Analyse des Falles [471]. Die Hemmschwelle, Beinahe-Fehler den Kollegen zu berichten, ist in dieser anonymen Form gering [471]. Das CIRS bezeichnet ein Frühwarnsystem von möglichen systematischen Fehlern, die unter Umständen für eine Abteilung spezifisch sind oder eine generelle Fehlerquelle darstellen [470, 471]. Die Aufarbeitung dieser Fälle und die Kommunikation darüber mit den gesamten Mitarbeitern helfen, aus Fehlern anderer zu lernen und behebbare Ursachen zu beseitigen [470]. Gleichzeitig verändert ein solches System aber auch die Fehlerkultur in einer Klinik [470].

Zwischenfälle und Komplikationen werden nun auch der breiten Belegschaft zugänglich und nicht nur der Klinikleitung [470]. Der Blickwinkel jedes Einzelnen, dass Fehler passieren und menschlich sind, wird erweitert [472]. Eigene Fehlleistungen werden anders eingeordnet und der Umgang damit vielleicht rationaler geführt. [472] Die kognitive Beschäftigung mit den in der Abteilung eingegebenen Ereignisberichten lässt die Fehlerentstehung und die Ursachen klarer werden [472].

Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, dass für die Entstehung eines kritischen Ereignisses oftmals mehrere Sicherheitsbarrieren versagen mussten, damit ein Ereignis so eintreten konnte. Ein großer Vorteil des Systems besteht auch darin, ausgehend vom Einzelfall oder Einzelfällen eine Veränderung für das Gesamtsystem bewirken zu können [472]. Sind in der Ursachenanalyse nämlich strukturelle und systematische Fehlerquellen Mitauslöser, kann darauf direkt reagiert werden, z. B. indem SOPs, Änderungen des Equipments oder eine spezifische Fortbildungsmaßnahme durchgeführt werden [388, 448].