1 Historische Einordnung

Um die moderne Prämedikations- oder auch Anästhesieambulanz historisch einordnen zu können, ist es sinnvoll zu betonen, dass es sich auch bei dem Fachgebiet, aus dem diese Einrichtung stammt, um eine junge Disziplin, des Fächerkanons der Humanmedizin handelt [49]. Zu erkennen ist dies anhand der Tatsache, dass erst im Jahr 1960 Dr. Rudolph Frey den ersten, zunächst noch außerordentlichen, Lehrstuhl für Anästhesiologie besetzte [50]. Die Rolle des eigenständigen Fachgebietes Anästhesiologie war in Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren noch im Aufbau begriffen [51].

Die Notwendigkeit, eine körperliche Untersuchung und Anamnese im Vorfeld der Narkose durchzuführen, um mögliche Risiken, Kontraindikationen und Besonderheiten des Patienten abschätzen zu können, war schon seit jeher Teil des anästhesiologischen Behandlungsprozesses [1, 44]. Zunächst war dieser Prozess jedoch nicht institutionalisiert, sondern wurde in Form einer Prämedikationsvisite nach Beendigung der Arbeit im Operationssaal (OP) direkt am Patientenbett durchgeführt [1].

Der ubiquitäre Einsatz von Anästhesien und deren nahezu lückenlose systematische Dokumentation ließen retrospektive Analysen zu anästhesiebedingter Morbidität und Mortalität zu. So fanden Lutz et al. bereits 1972 eine intraoperative Letalitätsquote von 0,04 %, die Vier-Wochen-Letalität wurde mit immerhin 2,6 % beziffert [52]. Beim Auftreten von Komplikationen wurden Letalitätsraten von 17 bis zu 35 % berichtet, dabei waren insbesondere kardiovaskuläre und pulmonale Komplikationen prominent; auch PONV (postoperative nausea and vomiting) wurde als häufige Komplikation angesehen [52].

Die gleichen Autoren konnten 1982 belegen, dass Voruntersuchungen das anästhesiebedingte Risiko reduzieren können [53]. Das Prinzip, nach der Arbeit im OP Patienten für den nächsten Tag zu visitieren, war viele Jahrzehnte, bis die 1990er Jahre, in den meisten deutschen Anästhesiologischen Kliniken verbreitet [1, 54]. Mit der Entwicklung des Fachgebietes, eng gekoppelt an die medizintechnischen und pharmazeutischen Fortschritte, wurden neue Operationstechniken, längere und komplexere Eingriffe mit einer immer leistungsfähigeren Anästhesie möglich [55, 56]

So ergab sich der Bedarf nach einer zentralen Einrichtung, bei der die präoperativen Patienten vorstellig werden konnten. In den 1970er Jahren entstanden an immer mehr Kliniken sogenannte Prämedikationsambulanzen [44, 57]. Die Patienten konnten nun zu den üblichen Geschäftszeiten einen Termin mit dem Anästhesisten vereinbaren; die Räumlichkeiten ließen Raum für eine geschützte Umgebung, nicht mehr nur für ein Gespräch zwischen Tür und Bett [58].

Dieser professionalisierte Prozess des Prämedikationsgespräches brachte viele Vorteile mit sich [59, 60]:

Die Patienten erschienen zu festen Terminen und mussten vom Anästhesisten nicht auf der Station gesucht werden. Die administrativen Vorbereitungen und das Bereitstellen der Patientenunterlagen wurde durch medizinisches Assistenzpersonal erledigt und nicht mehr durch den Anästhesisten allein.

2 Aufgaben und Ziele im Wandel der Zeit

Die ursprüngliche Intention zur Etablierung von institutionalisierten Anästhesiesprechstunden war zunächst eine organisatorische [44]. Das Steuern einer größeren Anzahl von Patienten und die – unter dem zunehmenden ökonomischen Druck notwendige – effiziente Nutzung der Ressourcen stellten die wesentlichen Faktoren für diese Entwicklung dar [61]. Die Erfahrungen mit dieser Form der präoperativen anästhesiologischen Visite konnten schon früh einen Vorteil für die Patientenversorgung bewirken [44, 62].

Dick et al. zeigten schon 1978, dass die Ambulanz hinsichtlich des medizinischen Aspektes eine bessere Arzt-Patienten-Beziehung bewirkt und operations- und anästhesiebedingte Risiken reduziert [57]. Aus gesundheitsökonomischer Sicht beschrieb die Arbeitsgruppe schon damals Personaleinsparungen sowie die Möglichkeit der ambulanten bzw. vorstationären Leistungserbringung und somit einen insgesamt kürzeren stationären Aufenthalt, weil die Voruntersuchungen und das Anästhesiegespräch nicht mehr zwangsläufig während der Hospitalisierung durchgeführt werden mussten [57]. Heutzutage spielen solche Beweggründe gleichwohl noch eine größere Rolle [61].

Die Arbeitsgruppe um Dick pointierte die Ziele einer Anästhesieambulanz wie folgt, modif. nach [57]:

  • Verbesserte Arzt-Patienten-Beziehung

  • Reduktion der Anästhesie-assoziierten Morbidität durch Anamnese, Voruntersuchungen und mögliche präoperative Interventionen

  • Einhalten von OP-Terminen

  • Kostenreduktion durch ambulante bzw. vorstationäre Behandlung

Die Aufgaben und Ziele von Anästhesieambulanzen haben sich im Laufe der Jahre noch weiterentwickelt und diversifiziert. So kommen heute weitere Aspekte hinzu [2, 59]:

  • Reduktion von Präoperativer Angst

  • Außenwirkung des Fachgebietes Anästhesiologie

  • Patient Blood Management

  • Klinische Studien

  • Rechtskonforme Aufklärung aller anästhesiologisch durchgeführten Maßnahmen

  • Steuerung von Intensivkapazitäten

  • Verteilung von Privatpatienten

  • Etablierung von Standard Operating Procedures (SOPs)

Die Leistungsfähigkeit und der Leistungsumfang einer hiesigen Prämedikationsambulanz hängen indes maßgeblich von den eigensetzten Ressourcen (Personal, Räumlichkeiten), den Anforderungen und Bedürfnissen der Abteilung sowie der Rolle ab, die ihr durch die Klinikleitung zugedacht wird [59].

3 Prämedikationsambulanz heute

Unstrittig ist nach der fast 40-jährigen Erfahrung mit eigenständigen Prämedikations- bzw. Anästhesieambulanzen, dass diese eine zentrale Rolle im Kernprozess ‚Anästhesie eines Patienten‘ spielen [44, 62].

Neben den vielen zusätzlichen Leistungen einer modernen Anästhesieambulanz bleiben nach wie vor zwei Kernaufgaben maßgebend [2]:

  1. 1.

    Präanästhesiologische Diagnostik und Therapie

  2. 2.

    Aufklärung und Einwilligung des Patienten

Schon zu den Anfängen der Anästhesieambulanzen wurde deutlich, dass eine der Hauptwirkungen in der Senkung der perioperativen Morbidität und Mortalität besteht [57].

Morbidität und Mortalität setzen sich aus folgenden Teilkomponenten zusammen, modifiziert nach [62]:

  • Operationsrisiko

  • Anästhesierisiko

  • Patientenbezogenes Risiko

    1. Kardiovaskulär

    2. Pulmonal

    3. Renal

    4. Allergien, Unverträglichkeiten

    5. Sonstige Vorerkrankungen

  • Komplikation(en)

Obwohl das operationsspezifische Risiko nicht primär Angelegenheit des Anästhesiologen zu sein scheint, ist es ebendiese allumfassende Verantwortung des Anästhesisten, die ihn zu einem „perioperativen Patientenmanager“ werden lässt; das Selbstverständnis des Anästhesisten ist global auf die gesamte operative Leistungserbringung bezogen [56]. Zudem sind operations- und anästhesiebedingte Risiken eng miteinander verzahnt, bedingen und beeinflussen sich wechselseitig [63, 64].

Für den Anästhesiologen in der Prämedikationsambulanz bedeutet dies bei absehbar großen und invasiven Eingriffen, beispielsweise einem aorto-koronaren Bypass am Herzen (ACB), mögliche Komplikationen wie etwa Blutverlust oder hämodynamische Instabilität zu antizipieren und die entsprechenden Maßnahmen – maschinelle Autotransfusion, Bereitstellung von Blutprodukten, Anlage eines zentralvenösen Zuganges zur Applikation von Katecheolaminen uvm. – vorzubereiten [65].

Unabhängig von der Größe, der Invasivität und den Risiken der Operation bzw. der Anästhesie sind es die patientenspezifischen Risiken und Besonderheiten, die ein standardisiertes anästhesiologisches Vorgehen erschweren [62, 64]. Zwar sind Erkrankungen der diversen Organsysteme gut erfassbar und deren anästhesiologische Konsequenzen dann auch wiederkehrbar, doch angesichts der Vielzahl von operativen Interventionen, unterschiedlichen Patienten sowie individuellen medizinischen Anamnesen und Risikoprofilen entstehen vielfältige medizinische Gesamtkonstellationen, die einer individuellen anästhesiologischen Versorgung bedürfen [66]. Selbst ein kleiner, mit geringen Risiken behafteter Eingriff kann in einem Worst-Case-Szenario enden, wenn die patientenspezifischen Risikokonstellationen nicht adäquat berücksichtigt werden [62].

Der Bereich der präanästhesiologischen Diagnostik und Therapie untergliedert sich in mehrere Teilprozesse [10, 28]:

  1. 1.

    Anamnese des Gesundheitszustandes

    1. 1.1.

      d. R. ausgefüllter Selbstbefragungsbogen des Patienten

    2. 1.2.

      Aktenstudium und Sichtung von Befunden (Laborbefunde, radiologische Bildgebung, Funktionsuntersuchungen etc.)

    3. 1.3.

      Arzt-Patienten-Gespräch

  2. 2.

    Körperliche Untersuchung, adaptiert an die Fragestellung

  3. 3.

    Medizinische Patientenedukation

Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Diagnostik ermöglichen dann die weiteren präanästhesiologischen Therapien [67, 68]:

  1. 1.

    Auswahl des geeigneten Anästhesieverfahrens

    1. 1.1.

      Indikationsstellung für erweiterte anästhesiologische Maßnahmen (z. B. zentralvenöser Katheter, invasive Blutdruckmessung, Pulmonalarterienkatheter, transösophageale Echokardiographie, maschinelle Autotransfusion, Narkosetiefemessung, somatosensorisch evozierte Potenziale, Magensonde, Blasenkatheter etc.)

  2. 2.

    Anforderungen zusätzlicher Untersuchungen oder beizubringender Befunde

  3. 3.

    Konsilbeauftragung anderer medizinischer Fachdisziplinen (z. B. Hämostaseologie, Kardiologie, Zahnmedizin etc.)

  4. 4.

    An-, Ab- und Umsetzen von Pharmaka

  5. 5.

    Medikamentöse Prämedikation (Benzodiazepine, α2-Agonisten, Antihistaminika, Protonenpumpenhemmer, Analgetika, Neuroleptika etc.)

  6. 6.

    Anweisungen zur präoperativen Nüchternheit

Die oben aufgeführten Maßnahmen sind verantwortlich für die geringe perioperative Morbidität und Mortalität, insbesondere aber für die geringe anästhesiebedingte Mortalität [69, 70].

4 Medizinische Patientenedukation

Neben der aus medikolegalen Gründen notwendigen Aufklärung des Patienten über Risiken, unerwünschte Wirkungen und Alternativen der Narkose ist die eigentliche Wissensvermittlung ein entscheidender Beweggrund für diese Aufklärung, schließlich besteht zwischen Arzt und Patient als medizinischer Laie eine inkongruente Wissensverteilung [42, 71].

Die Kenntnisse der Patienten über das Fachgebiet der Anästhesiologie sowie die Aufgaben und Funktionen des Anästhesiologen haben sich in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender auch medialer Profilierung des Fachgebietes verbessert [72, 73]. Während in einer Studie von Swinehoe in Großbritannien aus dem Jahr 1994 noch immerhin 35 % der befragten Patienten den Anästhesisten nicht für einen approbierten Arzt hielten, haben sich diese Werte drastisch verbessert [74]. Dennoch sind die Kenntnisse über dieses Fachgebiet je nach Gesundheitssystem und beobachteter Patientenpopulation recht unterschiedlich [75, 76]. In einer multizentrischen Studie waren 83 % der Befragten in einer großen deutschen Universitätsklinik der Meinung, dass Anästhesisten Ärzte seien [77].

Über die anderen Säulen der Anästhesiologie außerhalb des OPs waren nur 70 bis 50 % der Patienten wirklich informiert [78].

Es gibt zahlreiche Studien darüber, mit welchem Modus und welcher Ausgestaltung die Vermittlung des notwendigen medizinischen Fachwissens stattfinden sollte, um den besten Lerneffekt zu erzielen [79, 80]. Auch hier kann es keine Universalantwort geben und bei allen Bemühungen, Prozesse auch in der Prämedikationsambulanz zu verbessern und gleichzeitig zu rationalisieren, bleibt das Arzt-Patienten-Gespräch unverzichtbar [81].

So unterschiedlich und einzigartig die Patienten sind, so individuell sollte auch das Gespräch ausfallen [82]. So wird es Patienten mit einem hohen Informationsbedürfnis geben, mit den unterschiedlichsten rationalen und irrationalen Ängsten, zögernde, zaudernde Patienten, aber auch welche, die zu viele Informationen eher beunruhigen und denen der persönliche Kontakt mit dem Arzt wichtiger ist als das ausführliche Erklären anästhesiologischer Prozeduren [71, 83]. In diesem Zusammenhang zeigt eine französische Studie aus dem Jahr 2000, dass nur 63 % aller befragten Patienten allumfänglich über die Risiken der Anästhesie aufgeklärt werden möchten [84]. Wesentliche und gewünschte Informationen waren bei diesem Kollektiv der postoperative Schmerz, die Krankenhausaufenthaltsdauer sowie die Länge der OP und der Narkose [84].

Eine groß angelegte Studie am Klinikum rechts der Isar (München) mit 699 Patienten belegt nochmals das deutlich unterschiedliche Informationsverlangen. Die Verteilung der Patienten, die weniger bzw. mehr Informationen wünschten, war dabei etwa gleich groß [71]. Eine Verbesserung und unter Umständen auch eine zeitliche Optimierung der notwendigen Aufklärung zu erreichen, hat verschiedene EDV- und Multimedia-gestützte Assistenzsysteme hervorgebracht, die teilweise in Prämedikationsambulanzen erfolgreich eingesetzt werden [85, 86].

Eine bedeutsame Funktion der medizinischen Patientenedukation ist die Reduktion von Präoperativer Angst, eine höhere Patientenzufriedenheit und die Verbesserung der Compliance [79, 87]. So zeigte eine dänische Studie, dass 67 % der befragten Patienten nach dem Gespräch beruhigter und entspannter waren [88].

Die Frage, ob zu viele und zu detaillierte Informationen über die technischen Abläufe einer Narkose und die möglichen Risiken nicht eher kontraproduktiv seien und die Patienten unnötig verunsichern und Angst hervorrufen würden, wird diskutiert [30, 87].

5 Aufklärung und Informed Consent

Neben der medizinischen Patientenedukation formulieren sowohl der Gesetzgeber als auch die Fachgesellschaft konkrete Forderungen, wie aus rechtlicher Sicht eine tadellose Aufklärung zu erfolgen hat [89].

Auch anästhesiologische Prozeduren und Therapien sind ohne Einwilligung des Patienten formal eine Körperverletzung, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil vom 31.01.1995 feststellt [90]. Die Aufklärung und Einwilligung privilegieren den strafrechtlichen Tatbestand der Körperverletzung nach den §§ 223, 223a, 230 und 226a des StGB [90].

Unter Paragraph 226a StGB heißt es: „Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Verletzten vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.“

In den letzten Jahren haben Klagen und juristische Prozesse gegen Anästhesisten stetig zugenommen, wobei ein häufiger Klagegrund die mangelnde, fehlerhafte oder zeitlich unpassende Aufklärung war [91, 92]. Dabei hat die Rechtsprechung die Selbstbestimmungsaufklärung noch weiter differenziert [93]:

  • Diagnoseaufklärung

  • Behandlungsaufklärung

  • Risikoaufklärung

  • Verlaufsaufklärung

  • Sicherungsaufklärung

Speziell im Fachgebiet der Anästhesiologie hat sich in Bezug auf die Risikoaufklärung ein Stufenmodell entwickelt [94]. Der Patient erhält vor dem eigentlichen Arztkontakt einen Aufklärungsbogen, in dem allgemeine Informationen zur Narkose mitgeteilt und Risiken und Nebenwirkungen rechtskonform und verständlich erläutert werden [95]. Weiterhin dient dieser Bogen auch als Selbstauskunftsbogen, in dem der Patient Fragen zu seiner Anamnese beantworten soll [96].

Die nächste Stufe beinhaltet dann das eigentliche Arzt-Patienten-Gespräch. Abschließend kann und soll der prämedizierende Anästhesist patientenspezifische Besonderheiten und Risiken ansprechen und dokumentieren [62].

Entscheidend für die Qualität und auch juristische Beständigkeit der Risikoaufklärung in der Anästhesie sind mehrere Faktoren [97]:

  • Zeitpunkt der Aufklärung

  • Inhalt der Aufklärung

  • Umfang der Aufklärung

  • Dokumentation

Die ordnungsgemäße Risikoaufklärung durch den Anästhesisten in der Prämedikationsambulanz stellt nicht nur eine vom Gesetzgeber und der Fachgesellschaft geforderte Pflicht dar, sondern ist auch im ureigenen Interesse des aufklärenden Arztes [90]. Dieser Aspekt spielt heutzutage auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine zentrale Rolle; so können strafrechtliche Prozesse und zivilrechtliche Schadenersatzansprüche neben dem unter Umständen stattfindenden Imageverlust ein Krankenhaus empfindlich schädigen [98].

Damit nimmt die rechtlich intendierte Risikoaufklärung einen wesentlichen Platz in den Prämedikationsambulanzen ein [89]. Verständlicherweise wird gerade in diesem Bereich eine hohe Aufklärungs- und Dokumentationsqualität gefordert [95]. Dies erfordert a priori qualifizierte und motivierte Anästhesistinnen und Anästhesisten [82].

In einer dänischen Studie aus dem Jahr 2000 waren nur 47 % der Patienten über Nebenwirkungen einer Narkose wie Übelkeit, Erbrechen und Halsschmerzen aufgeklärt worden [88].

Zu erwähnen ist zudem die Problematik des Vergessens bzw. mangelnden Verstehens durch den Patienten. Selbst nach einem ausführlichen Gespräch bleibt unsicher, wie viel der Patient von dem Gesagten verstanden und behalten hat [99]. Dies hängt von zahlreichen Faktoren ab, z. B. von der Motivation des Patienten, dessen kognitiven Fähigkeiten und seinem sozioökonomischen Status [99, 100].

6 Versorgungslage

Schaut man sich die strukturellen Daten der Krankenhauslandschaft in Bezug zur Prämedikationsleistung an, sind im Jahre 2018 insgesamt 1.925 stationäre Einrichtungen in Deutschland vorhanden [101]. Davon beschäftigen 1.225 (64 %) der Häuser Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie und haben folglich eine organisatorische Einheit zur Prämedikation der Patienten [101].

Mit über 45.000 Narkosen pro Tag und somit über 16 Millionen Anästhesien pro Jahr wird die Größenordnung der notwendigen Prämedikationsleistung deutlich, denn a priori bedarf jede Narkose einer vorangestellten Prämedikation [102]. Bei knapp 26.000 Anästhesisten in Deutschland bedeutet dies im Durchschnitt täglich 1,7 Prämedikationen für jeden Narkosearzt [103]. Von den 1.225 Einheiten zur Prämedikation in Deutschland (i. d. R. Prämedikationsambulanz) werden im arithmetisches Mittel 36 Patienten pro Tag betreut.

In der Realität hängt die Menge der notwendigen Prämedikationsvisiten von der Größe des Krankenhauses und der Anzahl der durchgeführten Operationen ab. Auch hat sich in den meisten Kliniken eine zentrale Ambulanzstruktur entwickelt, die einen effizienten Personaleinsatz bewirken kann [104].

Konkret werden und müssen an einem großen deutschen Universitätsklinikum, wie dem Universitätsklinikum Münster, bis zu 130 Patienten am Tag in der Prämedikationsambulanz betreut werden, wobei die durchschnittliche Dauer eines Gesprächs 21 ± 4 Minuten beträgt [59]. Personell sind dort drei Medizinische Fachangestellte für die Terminierung und Ablauforganisation, sowie ein Oberarzt, sieben Assistenzärzte und ein Apotheker arbeitstäglich im Einsatz [59].

Die Struktur einer Ambulanz, zu der alle Patienten, die dazu in der Lage sind, selbständig kommen, ein leistungsstarkes EDV-gestütztes Terminierungssystem und eine adäquate personelle Ausstattung sind wichtige Komponenten, um die hohe Anzahl der Prämedikationsleistungen qualitativ hochwertig und mit einer kurzen Wartezeit für die Patienten erbringen zu können [59, 60].