1 Deskriptive Statistik

1.1 Soziodemographische Daten der Studienpopulation

Der jüngste Patient ist der Einschlusskriterien wegen 18 Jahre, der älteste 95 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt liegt bei 48,3 Jahren, der Median bei 47. Die Standardabweichung weist einen Wert von 18,2 auf.

Auffällig ist eine gewisse Schiefe der Verteilung in Richtung der jüngeren Patienten und insgesamt der Altersklassen < 60 Jahre (Abbildung 11.1, Abbildung 11.2, Abbildung 11.3).

Abbildung 11.1
figure 1

(Eigene Abb.)

Histogramm der Altersklassen mit Normalverteilung.

Abbildung 11.2
figure 2

(Eigene Abb.)

Geschlecht.

Abbildung 11.3
figure 3

(Eigene Abb.)

Familienstand.

Was den Familienstand der Studienteilnehmer anbelangt, ist die überwiegende Mehrheit mit 61 % relativer Häufigkeit in einer Ehe bzw. Partnerschaft. In der Stichprobe überwiegt der Frauenanteil mit einer relativen Häufigkeit von 57 % leicht den Männeranteil (Abbildung 11.6).

Abbildung 11.4
figure 4

(Eigene Abb.)

Bildungsniveau.

Abbildung 11.5
figure 5

(Eigene Abb.)

Berufstätigkeit.

Abbildung 11.6
figure 6

(Eigene Abb.)

Versicherungsstatus.

Hinsichtlich des Bildungsniveaus ist eine recht ausgeglichene Verteilung zu erkennen. Es gibt eine Hälfte der Studienpopulation (angegeben als relative Häufigkeiten in %), die Hauptschulabschlüsse bzw. die mittlere Reife erlangt hat, und eine andere Hälfte, die höhere Bildungsabschlüsse – Fachabitur, Abitur oder Hochschulstudium – erreicht hat (vgl. Abbildung 11.4).

Bei der Berufstätigkeit ist der Großteil der Studienpopulation (47,4 %, relative Häufigkeit) erwerbstätig. 33,3 % sind Rentner bzw. Hausfrau oder Hausmann. Gute 6 % der Teilnehmer befinden sind in der Ausbildung (vgl. Abbildung 11.5).

Wenn über Zufriedenheit im Gesundheitsbereich gesprochen wird, ist auch der Versicherungsstatus von Bedeutung. In der Stichprobe gehört ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Patienten (1/3) der PKV (Private Krankenversicherung) an bzw. besitzt eine private Zusatzversicherung.

Die Herkunft der Studienteilnehmer (angegeben als relative Häufigkeiten in %) wurde ebenfalls durch den Fragebogen erfasst. 78 % sind deutsche Staatsbürger, 4 % sind türkisch-stämmige Studienteilnehmer, gefolgt von Italienern (3,2 %) und polnischen Mitbürgern (2,7 %). Die detaillierte Auflistung der Herkunftsländer ist im Anhang zu finden.

Abbildung 11.7
figure 7

(Eigene Abb.)

Narkoseerfahrungen.

Abbildung 11.8
figure 8

(Eigene Abb.)

Bewertung der Narkoseerfahrung.

Abbildung 11.7 und 11.8 sind insbesondere im Hinblick auf die spätere Erhebung zur Patientenzufriedenheit in der Prämedikationsambulanz, aber auch zur Erfassung der Präoperativen Angst von Bedeutung für die Einordnung der Ergebnisse.

Abbildung 11.7 zeigt die relativen Häufigkeiten der Studienpopulation auf zurückliegende Narkosen. Knapp 10 % hatten noch nie eine Narkose und damit auch noch nie ein Prämedikationsgespräch. 90 % der Studienteilnehmer hatten jedoch schon eine Narkose, wobei knapp 1/3 schon mehr als drei Narkosen erlebt hat.

So wie die Narkosevorerfahrungen und die subjektive Bewertung dieser Erfahrungen durch die Studienteilnehmer relevante Bezugspunkte darstellen, um die erhobene Zufriedenheit und die Präoperative Angst richtig einordnen zu können, sind auch der Aufnahmestatus und die Größe des operativen Eingriffs interessante Ankergrößen (Abbildung 11.10).

Abbildung 11.9
figure 9

(Eigene Abb.)

Aufnahmestatus.

Abbildung 11.10
figure 10

(Eigene Abb.)

Größe des Eingriffs, „The Johns Hopkins“-Klassifikation.

Bei der vorliegenden Umfrage war der Anteil an ambulanten Operationen mit 19 % relativ klein und es überwogen stationär geführte Patienten (vgl. Abbildung 11.9).

Bei der Größe und Invasivität der Eingriffe ist zu sehen, dass nahezu 2/3 der Eingriffe als kleine und moderat invasive Eingriffe eingeordnet sind. Als Beispiele wären hier eine diagnostische Kniearthroskopie, Biopsie oder eine Portimplantation aufzuführen. Nichtsdestoweniger gibt es aber noch einen Anteil von 14,4 % (relative Häufigkeit) der Eingriffe, die der Klasse IV und V zugeordnet sind. Darunter fallen Eingriffe wie komplexe Herzoperationen und neurochirurgische Tumoroperationen (vgl. Abbildung 11.8).

1.2 Soziodemographische Daten der prämedizierenden Ärzte

Im Arztbogen wurden sowohl das Geschlecht als auch der Ausbildungsstand des prämedizierenden Arztes erfasst, um einen eventuellen Einfluss auf die Zufriedenheit untersuchen zu können (Abbildung 11.11, Abbildung 11.12).

Abbildung 11.11
figure 11

(Eigene Abb.)

Geschlecht des prämedizierenden Arztes, relative Häufigkeit (%).

Abbildung 11.12
figure 12

(Eigene Abb.)

Qualifikation des prämedizierenden Arztes, relative Häufigkeit (%).

In Bezug auf das Geschlecht des prämedizierenden Narkosearztes ist eine gleichmäßige Verteilung mit einem leichten Überhang des männlichen Geschlechtes erkennbar. 55 % der durchgeführten Prämedikationsgespräche wurden von einem männlichen Kollegen durchgeführt, 45 % von einer Narkoseärztin (vgl. Abbildung 11.13).

Bei der Qualifikation handelt es sich in nahezu 60 % der Prämedikationen um erfahrene Anästhesistinnen und Anästhesisten, die sich mindestens im dritten Ausbildungsjahr oder darüber hinaus befinden (vgl. Abbildung 11.14).

2 Patientenzufriedenheit und Prozessqualität

2.1 Reliabilität des modifizierten ServQual-Instrumentes

In beiden Fragebögen findet sich eine ausreichende Reliabilität mit Cronbachs-Alpha-Werten von 0,977 bzw. 0,979. Auch der Blick auf die einzelnen Qualitätsdimensionen lässt vergleichbare Werte erkennen. Die Qualitätsdimension Gesamteindruck (Service quality – overall) ist nur im QII-Fragebogen zu finden (Tabelle 11.1).

Tabelle 11.1 Reliabilität des modifizierten ServQual-I- und ServQual-II-Fragebogens. (Eigene Darstellung)

2.2 Faktorenanalyse des modifizierten ServQual-Instrumentes

Nachfolgend soll nun Abbildung 11.13 analysiert werden. Die KFA bestätigt die Fünf-Faktoren-Struktur des modifizierten ServQual-Instrumentes. Der Fragebogen QI erreicht eine kumulative Varianzaufklärung von 89 %. Die Eigenwerte der fünf Faktoren erreichen durchweg Werte deutlich > 1.

Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Fragebogen QII. Auch hier liegt die kumulative Varianz bei 83 % und befindet sich damit in einem sehr guten Bereich. Die Eigenwerte der Faktoren sind hier ebenfalls als gut einzustufen.

Auffällig ist, dass zwischen QI und QII Unterschiede bei der Faktormatrix vorliegen. Gleiche Faktoren werden bei QI und QII teilweise mit unterschiedlichen manifesten Variablen beladen. Entscheidend bei der Betrachtung der Einzelladungen sind aber vor allem die Höhe und die Eindeutigkeit der Zuordnung. Dabei zeigen sich in der Analyse zum einen durchweg Werte > 0,5 und zum anderen keine Doppelzugehörigkeiten.

Abbildung 11.13
figure 13

(Eigene Abb.)

Konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) ServQual-Fragebogen QI und QII.

2.3 Post-hoc-Effektstärke

Mit dem gewonnenen Datenpool der Erhebung (n = 621) wurde auch eine Post-hoc-Berechnung der Effektstärke durchgeführt, um die in Unterkapitel 10.3 ermittelte A-priori-Fallzahlberechnung kontrollieren zu können. Denn nur bei einer ausreichenden Fallzahl kann von statistisch validen Daten ausgegangen werden. Je kleiner allerdings die Effektstärke ist, desto größer muss bei gleichbleibender statistischer Power auch die Fallzahl sein.

Effektstärke Cohens d

0,3

Konfidenzintervall für Cohens d

0,141 – 0,459

Effektstärke Glass delta

0,285

2.4 Zwischenfazit

Mit der Post-hoc-Überprüfung des Gesamtdatensatzes in Bezug auf das neu modifizierte ServQual-Instrument können sowohl eine hohe Reliabilität mit einem Cronbachs Alpha von 0,9 als auch eine ausreichende Konstruktvalidität (vgl. Unterkapitel 11.2.1) festgestellt werden.

Die Post-hoc-Bestimmung der Effektstärke ergab einen Wert von 0,3. Dabei handelt es sich um einen mittleren Wert, der genau in den A-priori-Simulationen zur Fallzahlberechnung enthalten war (vgl. Unterkapitel 10.3). Bei einer gewünschten Teststärke von 95 % wurde in der Simulation bei einer angenommenen Effektstärke von 0,25 eine Fallzahl von 210 gefordert.

Cronbachs Alpha

0,98

Effektstärke Cohens d

0,3

Effektstärke Glass delta

0,28

2.5 Zufriedenheit allgemein

Sowohl in der Säulen- als auch in der tabellarischen Darstellung ist die Differenz zwischen der Erwartung und der wahrgenommenen Realität erkennbar. Dies ist per se zu antizipieren, denn im Vorhinein ist die Erwartungshaltung positiv und in der Regel höher als die im Nachhinein wirklich erlebte Qualität; die meisten Patientinnen und Patienten wünschen sich eine gute bis sehr gute Qualität.

Aus den Daten gehen nur relativ geringe Differenzen zwischen Erwartung und Wahrnehmung hervor. Dies führt zunächst allgemein betrachtet zu dem Ergebnis einer gering ausgeprägten Unzufriedenheit. Die größte Lücke ist bei der Qualitätsdimension ‚Empathie‘ zu finden (Abbildung 11.14) (Tabelle 11.2).

Abbildung 11.14
figure 14

(Eigene Abb.)

Zufriedenheitswerte der fünf Qualitätsdimensionen (\(\overline{x }\)) mit Qualitätslücke, Säulendiagramm.

Tabelle 11.2 Zufriedenheitswerte der fünf Qualitätsdimensionen (\(\overline{x }\)) mit Qualitätslücke, tabellarisch. (Eigene Darstellung)

Auch die Auswertung der sechsten Qualitätsdimension (‚Gesamtqualität‘) bestätigt die insgesamt hohe Zufriedenheit mit der anästhesiologischen Leistung der Prämedikation und der Prämedikationsambulanz im Allgemeinen.

Zunächst sind nahezu 71 % der befragten Patienten zufrieden, was einen hohen Anteil darstellt. 68,8 % der Patienten würden die Ambulanz nochmal in Anspruch nehmen, sollte es eine Notwendigkeit dazu geben. Immerhin 68,4 % würden die Prämedikationsambulanz weiterempfehlen, was den größten Grad der Zufriedenheit repräsentiert (Abbildung 11.15).

Abbildung 11.15
figure 15

(Eigene Abb.)

Globale Zufriedenheit, relative Häufigkeit (%).

Im direkten Vergleich der Zufriedenheit zwischen Ärzten und Patienten ist eine signifikant geringere Zufriedenheit mit dem Prämedikationsgespräch auf Seiten der Ärzteschaft feststellbar.

Inwieweit die Zufriedenheit von Ärzten und Patienten korreliert sind, also Fremd- und Selbstwahrnehmung übereinstimmen, wurde mit Hilfe einer bivariaten Korrelationsanalyse nach Bravis-Pearson ermittelt (Abbildung 11.16, Abbildung 11.17).

Abbildung 11.16
figure 16

(Eigene Abb.)

Vergleich Gesamtzufriedenheit Patienten vs. Gesamtzufriedenheit Ärzte, relative Häufigkeit (%).

Abbildung 11.17
figure 17

(Eigene Abb.)

Bivariate Korrelationsanalyse Zufriedenheit Patient – Arzt.

Der Koeffizient in der vorliegenden Berechnung mit einem Wert von 0,4 und einer gegebenen Signifikanz sagt aus, dass die Zufriedenheit von Patienten und Ärzten positiv korreliert ist: Je zufriedener die Patienten sind, desto zufriedener sind auch die Ärzte und umgekehrt.

2.6 Multiple Regressionsanalyse

In Tabelle 11.3 sind die statistisch signifikanten Einflussvariablen auf die Patientenzufriedenheit zusammengefasst. Der β-Koeffizient stellt einen standardisierten Regressionskoeffizienten dar, der Werte zwischen −1 und + 1 annehmen kann und somit sowohl die Richtung als auch die Stärke des Einflusses auf die Varianz repräsentiert.

Der größte Einfluss auf die Patientenzufriedenheit wird mit einem β-Koeffizienten von −0,17 dem beruflichen Status ‚Selbständige(r)‘ zugesprochen. Das Minus bedeutet einen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit. Selbständige sind demnach unzufriedener mit der Prämedikationsambulanz als Nichtselbständige.

Durchaus plausibel wirkt sich auch der Versicherungsstatus der Patienten auf die Zufriedenheit aus. Mit einem Wert von −0,14 sind privat Versicherte generell unzufriedener als gesetzlich Versicherte. Mit −0,1 folgen dann die gesetzlich Versicherten mit einer privaten Zusatzversicherung.

Weiterhin wurde auch ein Einfluss des Alters auf die Zufriedenheit gefunden. Ältere Patienten sind demnach zufriedener als jüngere Patienten.

Ebenfalls steigt die Zufriedenheit mit positiven Narkoseerfahrungen in der Vergangenheit und der Häufigkeit von bereits stattgefundenen Narkosen.

Tabelle 11.3 Multiple Regressionsanalyse, signifikante Einflussvariablen auf die Zufriedenheit. (Eigene Darstellung)

Zusätzlich zu den klassischen soziodemographischen Variablen wurden auch die Variablen des ‚Arztbogens‘ (vgl. Unterkapitel 10.7.3) überprüft. Dabei verfehlte das Gesamtmodell mit einem p von 0,067 knapp das nötige Signifikanzniveau.

Selbst bei einer erreichten Signifikanz des Gesamtmodells wäre die Einflussstärke der Variable ‚Qualifikation – Arzt‘ mit einem Beta-Koeffizienten von 0,09 minimal. Insgesamt haben bei der Untersuchung das Geschlecht und die Qualifikation des Arztes, aber auch der Aufnahmestatus (ambulant vs. stationär) und die Größe des operativen Eingriffs keinen Einfluss auf die Zufriedenheit der Patienten (Tabelle 11.4).

Tabelle 11.4 Regressionsmodell Einflussvariablen ‚Arztbogen‘. (Eigene Darstellung)

Mit einem Blick auf die Modellgüte der durchgeführten Regressionsanalyse fallen die relativ niedrigen R2-Werte auf (siehe Tabelle 11.5); diese liegen zwischen 8 und 5 %. R2, oder auch Determinationskoeffizient genannt, stellt bei der Regressionsanalyse ein Maß für die Bestimmtheit dar. R2 drückt, in diesem Falle prozentual angegeben, die aufgeklärte Varianz des Modells an der Gesamtvarianz der Untersuchung aus. Die Signifikanzprüfung offenbart durchweg hochsignifikante Ergebnisse.

Die aufgeklärte Varianz durch die getesteten Einflussvariablen macht im besten Fall gerade einmal 8 % aus. Im Umkehrschluss wird scheinbar ein Großteil der Einflüsse, nämlich 92 %, von dem angewendeten Modell nicht erfasst.

Auch die Studienergebnisse in Bezug auf relevante Einflussfaktoren liefern ein bivalentes Ergebnis. Die Varianzaufklärung ist zwar nicht null, aber mit Werten zwischen 5 und 8 % niedrig.

Tabelle 11.5 R2 und Signifikanzniveau der untersuchten Modelle der multiplen Regressionsanalyse. (Eigene Darstellung)

2.7 Zusammenfassung

In Bezug auf die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten mit den Leistungen der Prämedikationsambulanz im Allgemeinen und dem Prämedikationsgespräch im Speziellen konnte in dieser empirischen Studie festgestellt werden, dass sowohl der modifizierte ServQual-Fragebogen als auch der Arztbogen valide und reliable Messinstrumente darstellen, die die Patientenzufriedenheit zuverlässig messen können.

Insgesamt sind mehr als 70 % der Patienten an einer großen deutschen Universitätsklinik mit der Prämedikationsleistung durch die Klinik für Anästhesiologie zufrieden. 68 % der Patienten würden die besuchte Ambulanz sogar weiterempfehlen.

Im Detail sind die Lücken zwischen den Erwartungen und der tatsächlich erlebten Realität vergleichsweise gering. Die Qualitätsdimension der Empathie weist dabei die numerisch größte Lücke auf.

Vergleicht man die Zufriedenheitsbewertungen von Patienten mit denen der Ärzteschaft, die die Leistung erbringt, fällt eine hochsignifikant niedrigere Zufriedenheit bei den Ärzten im Vergleich zu den Patienten auf.

Die Untersuchung von möglichen soziodemographischen Einflussfaktoren auf die Patientenzufriedenheit ergab Einflüsse des Patientenalters, des Versicherungsstatus und der Narkosevorerfahrungen auf die Zufriedenheit.

Fazit

In der Erhebung zeigt sich eine hohe Patientenzufriedenheit von 70 %. Im Umkehrschluss sind demnach 30 % der Patienten weniger zufrieden.

Bei der detaillierteren Analyse der Einzelqualitätsdimensionen ist die größte Diskrepanz im Bereich der ‚Empathie‘ zu finden.

Die Regressionsanalyse macht sichtbar, dass Jüngere, PKV-Versicherte, Selbständige und aus Südeuropa stammende Patienten eher unzufrieden mit der Prämedikationsleistung sind. Demnach sind Ältere, GKV-Versicherte, Angestellte oder Rentner und nordeuropäische Patienten am zufriedensten.

3 Präoperative Angst

3.1 Reliabilität der APAIS-D

Mit einem Cronbachs Alpha von insgesamt 0,86 liegt die Reliabilität größenordnungsmäßig im Bereich der Ergebnisse bereits veröffentlichter Untersuchungen, in denen die APAIS-D zur Anwendung kam. Dass die Einzelreliabilität der Informationsskala nur knapp 0,6 beträgt, ist mit den zwei Items, die dieser Skala zugehörig sind, erklärbar.

Mit einem Wert von 0,86 der Gesamtskala überzeugt die deutsche Version der APAIS-D in Bezug auf die Reliabilität (Tabelle 11.6).

Tabelle 11.6 Reliabilität der APAIS-D. (Eigene Darstellung)

3.2 Faktorenanalyse der APAIS-D

Da sich die Studienlage bezüglich der Faktorenstruktur der APAIS-D als uneinheitlich erwies (vgl. Unterkapitel 7.6.5), wurde neben der konfirmatorischen Faktorenanalyse (KFA) auch eine explorative Faktorenanalyse auf Basis des Studiendesigns und der Studienpopulation durchgeführt (Tabelle 11.7).

Tabelle 11.7 Explorative Faktorenanalyse APAIS-D. (Eigene Darstellung)

Bei der durchgeführten explorativen Faktorenanalyse ist eine Zwei-Faktoren-Struktur der APAIS-D erkennbar. Die Items AX1 bis AX3 laden auf Faktor II und die Items AX4 bis AX6 bilden den Faktor I. Inhaltlich betrachtet gibt es damit einen Faktor für die Anästhesie-assoziierte Angst und einen weiteren Faktor, der die Chirurgie-assoziierte Angst repräsentiert.

Zur Vervollständigung der Analyse folgt nun die in einigen Studien gefundene Drei-Faktoren-Struktur. Lässt man eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit dem Preset von drei Faktoren berechnen, gelangt man zu folgendem Ergebnis (Tabelle 11.8):

Tabelle 11.8 Konfirmatorische Faktorenanalyse (Drei Faktoren). (Eigene Darstellung)

Wird als Vorannahme eine Drei-Faktoren-Struktur der APAIS-D postuliert, so lässt sich diese mit Einschränkungen auch finden. Die Faktoren I und II sind gleich beladen wie in der explorativen Analyse. Ein dritter Faktor ist aber durchaus erkennbar. Auch inhaltlich repräsentieren die Items AX3 und AX6 die beiden Fragen zum Informationsbedürfnis der Patienten. Zusätzlich wird sichtbar, dass diese beiden Items ebenfalls auf den Faktor I und Faktor II laden. Kritisch zu bemerken ist weiterhin der Eigenwert des dritten Faktors, der mit 0,83 niedrig ausfällt.

3.3 Zwischenfazit

Auch das APAIS-D-Instrument stellt bezüglich seiner Reliabilität und Validität bezogen auf die untersuchte Studienpopulation ein geeignetes Instrument dar, um Präoperative Angst valide und reliabel detektieren zu können. Mit einem Cronbachs-Alpha-Wert von 0,86 liegt eine ausreichende Reliabilität vor.

Im Rahmen der Faktorenanalyse konnten sowohl eine Zwei-Faktoren- als auch eine Drei-Faktoren-Lösung ausfindig gemacht werden. In der Literatur bestehen divergierende Meinungen über die sinnvolle Faktoranzahl. Bedeutsamer als die rein statistische Betrachtung ist hier jedoch die inhaltliche Bedeutung.

Basierend auf den erhobenen Daten ist die Zwei-Faktoren-Lösung, die inhaltlich in der Lage ist, Anästhesie- und Chirurgie-assoziierte Angst voneinander zu trennen, das Ergebnis. Die Meilensteinstudien von Moerman und Berth fanden zwar ebenfalls zwei Faktoren, jedoch nur einen Faktor für die (undifferenzierte) ‚Allgemeine Angst‘ und einen anderen Faktor für das (undifferenzierte) ‚Informationsbedürfnis‘.

Aus diesem Grund wurde die ‚neu gefundene‘ Zwei-Faktoren-Lösung (Anästhesie-assoziierte Angst und Chirurgie-assoziierte Angst) auch in den weiteren Ergebnisdarstellungen berechnet. Zusätzlich wurde allerdings auch das von Moerman und Berth vorgeschlagene Modell (Allgemeine Angst und Informationsbedürfnis) zum Vergleich hinzugezogen.

3.4 Prävalenz der Präoperativen Angst

Wie im Zwischenfazit schon erwähnt, ergab die Faktorenanalyse bezüglich der eingesetzten APAIS-D eine andere inhaltliche Ausrichtung der zwei Faktoren. In der durchgeführten Studie luden die beiden Faktoren jeweils mit drei Items, die inhaltlich der Anästhesie-assoziierten Angst und der Chirurgie-assoziierten Angst zuzuordnen sind.

Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zur deutschen Validierungsstudie von Berth et al., bei der die Allgemeine Angst mit insgesamt vier Items den ersten Faktor darstellte und das Informationsbedürfnis mit zwei Items den zweiten Faktor. Da dies in der statistischen Auswertung von entscheidender Bedeutung ist, da die zu erreichende Maximalpunktzahl der beiden Modelle unterschiedlich ist, wurden im Nachfolgenden beide Varianten berechnet. Der Cut-off-Wert wurde im vorliegenden Modell entsprechend angepasst und lag bei ≥ 9 Punkten.

Der Vorteil dieses Modells liegt in der Differenzierung zwischen Anästhesie- und Chirurgie-korrelierter Angst.

Abbildung 11.18
figure 18

(Eigene Abb.)

Eigenes Zwei-Faktoren-Modell, Cut-off 9 ≥ Pkt.

Abbildung 11.19
figure 19

(Eigene Abb.)

Eigenes Zwei-Faktoren-Modell, Cut-off 9 ≥ Pkt.

Abbildung 11.20
figure 20

(Eigene Abb.)

Eigenes Zwei-Faktoren-Modell, Cut-off 9 ≥ Pkt.

Zur besseren Vergleichbarkeit mit der klassischen Auswertung des Tests nach Moerman und Berth et al. wurde die Berechnungsgrundlage nach der Originalpublikation ebenfalls angewendet.

Abbildung 11.21
figure 21

(Eigene Abb.)

Klassisches Zwei-Faktoren-Modell.

Schlussendlich ist trotz der divergierenden Faktorbeladungen nur ein unbedeutender numerischer Unterschied bezüglich der Prävalenzen von Angst im präoperativen Setting ersichtlich. Die Prävalenzen der relevanten Präoperativen Angst von chirurgischen Patienten liegt bei 58,9 bzw. 59,4 %

Im Hinblick auf das Geschlecht lässt sich ein signifikant größerer Anteil von Frauen mit einer relevanten Präoperativen Angst feststellen, nämlich 35,9 versus 23,5 % (vgl. Abbildungen 11.18 und 11.21).

Das hier postulierte Faktorenmodell kann zudem zwischen den beiden Angstdimensionen Narkose- und Operationsängste unterscheiden. Die Daten zeigen recht eindeutig, dass sowohl bei Frauen als auch bei Männern die Angst vor dem operativen Eingriff stärker wiegt als die Angst vor der Narkose.

Auffällig ist, dass das Angstniveau bezüglich der Operation bei Frauen und Männern sehr nah beieinanderliegt (67,7 bzw. 62,3 %). Der Hauptunterschied besteht im Bereich der Anästhesie-assoziierten Angst. Frauen haben hier signifikant mehr Angst als Männer, mit einem Anteil von 56,4 versus 46,8 % (vgl. Abbildung 11.19). Bei den Männern fällt auf, dass diese signifikant mehr Angst vor der Operation haben als vor der Anästhesie (vgl. Abbildung 11.20).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine hohe Prävalenz von Präoperativer Angst bei der untersuchten Studienpopulation von nahezu 60 % vorliegt. Frauen sind dabei häufiger von einer pathologischen Präoperativen Angst betroffen als Männer mit 62 vs. 54 %. Bei beiden Geschlechtern überwiegt die Angst vor dem operativen Eingriff die Angst vor der Narkose.

Inwieweit andere soziodemographische Faktoren die Auftretenswahrscheinlichkeit von Präoperativer Angst beeinflussen, soll im nachfolgenden Abschnitt geklärt werden.

3.5 Inferenzstatistik der soziodemographischen Faktoren

Nachfolgend präsentiert sind nur diejenigen Faktoren, bei denen auf Grund eines soziodemographischen Charakteristikums signifikante Unterschiede zwischen Angst- und Nichtangstfällen gefunden wurden.

Keine signifikanten Mittelwertunterschiede wurden bei den Variablen Alter, Familienstand und Herkunftsland gefunden (Abbildung 11.23, Abbildung 11.24).

Abbildung 11.22
figure 22

(Eigene Abb.)

Relative Häufigkeiten (in %) der Angstfälle in Bezug auf den Versicherungsstatus.

Abbildung 11.23
figure 23

(Eigene Abb.)

Relative Häufigkeiten (in %) der Angstfälle in Bezug auf den Schulabschluss.

Abbildung 11.24
figure 24

(Eigene Abb.)

Relative Häufigkeiten (in %) der Angstfälle in Bezug auf den Beruf.

Abbildung 11.25
figure 25

(Eigene Abb.)

Relative Häufigkeiten (in %) der Angstfälle in Bezug auf die Narkoseerfahrungen.

Abbildung 11.26
figure 26

(Eigene Abb.)

Relative Häufigkeiten (in %) der Angstfälle in Bezug auf die Narkosebewertung.

In der Auswertung zeigt sich, dass bei den Patienten der GKV signifikant weniger Angstfälle vorliegen. Tendenziell gibt es einen höheren Anteil von Angstfällen bei Patienten mit privater Zusatzversicherung bzw. bei Privatpatienten (vgl. Abbildung 11.22).

Auch in Bezug auf die Vorerfahrungen mit Narkosen in der Vergangenheit und die Charakterisierung dieser Erfahrungen können signifikante Unterschiede zwischen Angst- und Nichtangstfällen ausgemacht werden. In der Gruppe der Patientinnen und Patienten, die in der Vergangenheit bisher noch keine oder nur sehr wenige Narkosen erlebt haben, sind signifikant häufiger Angstfälle zu verzeichnen. Bei narkoseerfahrenen Patienten (mehr als drei Narkosen) finden sich umgekehrt hochsignifikant weniger Angstfälle (vgl. Abbildung 11.25).

Wurden diese Erfahrungen als negativ bzw. neutral bewertet, sind dort deutlich mehr Angstfälle zu finden. Andererseits haben Patienten, die diese schon erlebten Narkosen als positive Erfahrungen bewerteten, signifikant weniger Angst (vgl. Abbildung 11.26).

Es lässt sich konstatieren, dass privat versicherte Patienten, die bisher keine oder weniger als drei Narkosen erlebten, das höchste Potenzial haben, eine relevante Präoperative Angst zu entwickeln. Liegen zusätzlich noch negative Erfahrungen mit den Narkosen der Vergangenheit vor, stellt dies einen weiteren Risikofaktor für die Entwicklung Präoperativer Angst dar.

3.6 Zusammenfassung

Als ein zentrales Ergebnis dieser Studie in Hinsicht auf die Präoperative Angst ist die hohe Prävalenz von nahezu 60 % eines gemischt-operativen Patientenklientels an einer großen deutschen Universitätsklinik zu sehen.

Privat versicherte Patienten sind zudem ängstlicher als Patienten der GKV. Weiterhin spielen Vorerfahrungen mit Narkosen eine entscheidende Rolle. Liegen keine oder nur wenige Erfahrungen mit Narkosen vor, ist der Anteil der Angstfälle deutlich höher. Auch die Bewertung dieser vergangenen Erfahrungen hat einen Einfluss. Wurden hauptsächlich neutrale bis negative Erfahrungen gesammelt, ist das Angstniveau deutlich erhöht.

Tendenziell haben jüngere Patienten mehr Angst als ältere Patienten. Die Größe des operativen Eingriffs hat keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Präoperativen Angst. Selbst große, maximal invasive Eingriffe sind nicht mit einer vermehrten Präoperativen Angst behaftet. Es sind sogar eher die kleinen und kleineren Eingriffe, die zum Ausbilden einer größeren Präoperativen Angst führen.