Das anästhesiologische Prämedikationsgespräch beinhaltet drei grundlegende Kernprozesse, nämlich die anästhesiologische Prämedikation mit Anamnese, präoperativen Anordnungen, Medikation und der Auswahl des geeigneten Narkoseverfahrens; die Aufklärung und Einwilligung des Patienten im Sinne des informed consents und aller rechtlich vorgeschriebenen Teilaspekte und den Aufbau einer tragfähigen Arzt-Patienten-Beziehung [2, 8].

Zudem ist es chronologisch der erste Kontakt zwischen Anästhesist und Patient [2]. Da der im Teilbereich der Klinischen Anästhesie tätige Anästhesiologe eher den Patienten mit geminderter Vigilanz erlebt, hervorgerufen durch medikamentöse Prämedikation bzw. den postoperativen Zustand, ist dieser Kontakt, abgesehen von der postoperativen Visite, als Schlüsselbegegnung zu werten [9]. Hier beginnt eine Arzt-Patienten-Beziehung, die entscheidend ist, um die bestmögliche Adhärenz vor allem in Bezug auf Nahrungs-, Flüssigkeits- und Nikotinkarenz zu erreichen [10]. Und gerade in dieser, neben medizinischer Prämedikation und juristisch korrekter Aufklärung und Einwilligung, weichen Komponente des Prämedikationsgespräches liegen ein großes Potential, u. a. für die Verbesserung der Zufriedenheit und der Reduktion von Ängsten [11, 12].

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts befindet sich das paternalistische, inkongruente und egalitär geprägte Arzt-Patienten-Verhältnis in einem Wandel hin zu einem mündigen und partnerschaftlichen Selbstverständnis [13]. Im Rahmen des Prämedikationsgespräches ist neben der bloßen Informationsvermittlung auch die erfolgreiche Etablierung einer soliden Arzt-Patienten-Beziehung essenziell geworden [11, 14]. Aus neuerer Forschung ist bekannt, dass gerade die Einbeziehung des Patienten in den Behandlungsprozess im Sinne eines Shared Decision Makings (SDM) die Heilungs- und Rehabilitationsergebnisse günstig beeinflusst [15, 16].

Die Qualität der Arzt-Patienten-Beziehung hat sowohl Auswirkungen auf die Patientenzufriedenheit als auch auf die Compliance bezüglich ärztlicher Anweisungen [17, 18].

Ökonomisch betrachtet stellt die Patientenzufriedenheit zudem ein wesentliches Instrument zur Imagebildung dar und beeinflusst damit die Reputation sowie die Kundenbindung eines Krankenhauses [19, 20]. Die hohe Bedeutung der Patientenzufriedenheit für das wirtschaftliche Überleben von Kliniken wird mehr und mehr vom Krankenhausmanagement erkannt und hat in der Schweiz bereits dazu geführt, dass nahezu 100 % der Kliniken regelmäßige Patientenzufriedenheitsmessungen durchführen [21]. Dennoch hinkt der stationäre Gesundheitssektor derartigen Managementtechniken anderen Wirtschaftsbereichen deutlich hinterher [22, 23]. Abweichend zu sonstigen Wirtschaftszweigen können gemessene Defizite im Bereich der Zufriedenheit im Krankenhausbereich aber aufgrund der rechtlichen Restriktionen nicht oder nur teilweise mittels geeigneter Produkt- und kommunikationspolitischer Maßnahmen ausgeglichen werden [24].

Angesichts der in der Vergangenheit passiven Rolle der Patienten wurden Qualität und Organisation der Behandlung bislang gewöhnlich als ureigene Domäne der Leistungserbringer angesehen [25]. Dabei wurde jedoch übersehen, dass Patienten in doppelter Hinsicht über eine privilegierte Sicht auf das Gesundheitswesen verfügen. Zum einen sind sie Experten in eigener Sache, da nur sie authentisch über die Wahrnehmungen der Behandlung und deren Folgen berichten können [26]. Zum anderen bilden sie – auch rein physisch interpretiert – das tatsächliche Bindeglied verschiedener Versorgungssektoren und können daher über die praktische Realisierung der allgemein angestrebten Verzahnung oder Integration besser urteilen als alle sonstigen Involvierten [27].

Zusätzlich ist der Besuch der Prämedikationsambulanz auch gleichzeitig der Beginn eines operativen Behandlungspfades [28]. Neben der Prozessqualität und der Patientenzufriedenheit der Prämedikationsleistung liegt es für den Anästhesisten auch nahe, sich mit den verschiedenen Facetten der Angst seiner Patienten zu befassen [29, 30].

Als emotionale Reaktion auf die durch eine Krankheit und die entsprechenden diagnostischen bzw. therapeutischen Maßnahmen ausgelöste Bedrohung ist Angst ein im anästhesiologischen Alltag ubiquitäres Phänomen [31]. Die größte Aufmerksamkeit dieser Thematik widmete die Klinische Anästhesie viele Jahrzehnte traditionsgemäß ‚nur‘ dem Teilbereich der Kinderanästhesie. Dort ist die empirische Forschung schon seit den 1960er Jahren aktiv [32, 33].

Beim Erwachsenen hingegen beschränkte sich die Prämedikationsleistung viele Jahre auf die pharmakologische Therapie der somatischen Komponenten der Angst, wie etwa Ein- und Durchschlafstörungen und vegetativ-sympathische Agitiertheit [34, 35]. Psychologische Aspekte sowie die Schulung und Verbesserung von Gesprächsführung und -techniken wurden lange Zeit vernachlässigt, unter der Prämisse, dass die kognitive Angstbewältigung durch den Patienten und die bloße Informationsvermittlung ausreichend seien [36, 37]. Die Atmosphäre und die Kommunikationsfeindlichkeit medizinischer Einrichtungen, die vom Patienten erlebten Einbußen von Autonomie und Individualität, die Konzentration des medizinischen Personals auf das somatische Problem, Persönlichkeitsfaktoren sowie Erfahrungen und Erwartungen begünstigen, dass viele Patienten in einen regressiven Zustand geraten; Ratio und Informationsbedürfnis treten zurück, vielmehr entsteht ein Bedürfnis nach körperlicher Zuwendung [38, 39]. In der Kommunikation zwischen Patient und Personal wird weniger der Inhalt bedeutsam als vielmehr die Beziehungsqualität [40, 41].

Folglich sind die Beziehungsqualität, das sich entwickelnde Arzt-Patienten-Verhältnis und die Emotionalität gerade auch beim Adulten entscheidend, um eine Angstreduktion erzielen zu können [42, 43]. Die modernen Ziele der Prämedikation bestehen demnach in der adäquaten präoperativen Angstlinderung sowie in der Verbesserung des präoperativen Nachtschlafes – letztlich auch, um eine vegetative Stabilisierung des Patienten zu erreichen [9].